Layout 3 - Koi Kurier
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Layout 3 - Koi Kurier
26 <> wirbelsäulenveränderungen Wirbelsäulenveränderungen Bilder/Text: Dr. med. vet. Werner Hoedt, Dr. med. vet. Friederike Weinzierl, Tierärztin Maite Schneider Präparierte Wirbelsäule mit Veränderungen an den Wirbeln Ko i K u r i e r 6 6 <> 4 - 2010 w i r b e l s ä u l e n v e r ä n d e r u n g e n <> 27 Skelett eines Barsches als Stellvertreter der Knochenfische Allgemeines: Karpfenartige (Cypriniden), zu welchen auch die Koi gehören, werden den Knochenfischen (Osteichthyes) zugeordnet. Im Gegensatz zu den Knorpelfischen (z.B. Haie, Rochen) haben sie ein teilweise oder vollständig verknöchertes Skelett. Das Skelett wird in das Kopfskelett, Achsenskelett und Flossenskelett unterteilt, zusätzlich sind intermuskuläre Stützgräten vorhanden. Die Wirbelsäule und die mit ihr verbundenen blind endenden Knochen (Rippen) stellen das Achsenskelett dar. Im Gegensatz zum Säugetier findet sich keine Differenzierung der einzelnen Wirbel (Halswirbelsäule, Kreuzbein), das heißt, alle Wirbel sehen gleich aus. Der Schädel kann nicht wie beim Menschen über die Halswirbel Atlas und Axis gedreht werden. Im Bereich des Rumpfes tragen alle Wirbel Rippen. Auf der Rückenseite der Wirbel finden sich die sogenannten Dornfortsätze, die sich auf der ganzen Länge erstrecken und im Bereich des Schwanzes auch auf der Unterseite vorhanden sind. Diese bilden im Bereich der Rückenflosse die Flossenstrahlen. Neben der Stützfunktion hat die Wirbelsäule die Aufgabe, das Rückenmark zu schützen, sowie die Nerven und Blutgefäße. Das Rückenmark findet sich im von den Dornfortsätzen über den Wirbelkörpern gebildeten Neuralbogen zum Schutz der Nerven, während die Ventralfortsätze im Bereich der Schwanzwirbelsäule auf der Unterseite den Hämalbogen bilden, welcher Blutgefäße schützt. Die paarigen Rippen dienen als Stütze für den Rumpf, ebenso wie als Muskelansatz. Sie enden blind in der Muskulatur und werden nicht durch ein Brustbein miteinander verbunden. Das Nervensystem lässt sich in ein zentrales und ein peripheres Nervensystem einteilen. Das zentrale Nervensystem (ZNS) besteht aus Gehirn und Ko i K u r i e r 6 6 <> 4 - 2010 Die paarigen Rippen dienen als Stütze für den Rumpf, ebenso wie als Muskelansatz. 28 <> wirbelsäulenveränderungen Rückenmark, wobei der Aufbau grundlegend dem von Säugetieren entspricht, das Gehirn aber deutlich einfacher strukturiert ist (zum Beispiel keine Großhirnrinde) und andere Schwerpunkte aufweist, die an das Leben der Fische angepasst sind. Gehirn und Rückenmark sind durch die Meningen (Hirn-, Rückenmarkshaut) umschlossen. Die Räume um und zwischen den Meningen sind flüssigkeitsgefüllt (Cerebrospinalflüssigkeit). Das periphere Nervensystem ist nicht wie das ZNS Das Tier wurde wegen schlechten Allgemeinbefindens und der ungünstigen Prognose euthanasiert. von knöchernen Strukturen geschützt und besteht aus sogenannten Spinalnerven, welche aus dem Rückenmark hervorgehen. Sie lassen sich in einen motorischen / sensorischen und einen vegetativen Bereich unterteilen. Die motorischen Nerven sind für die willkürliche Bewegung zuständig, die vegetativen Nerven für die inneren Organe zuständig, wie zum Beispiel das Herz, die glatte Muskulatur der Blutgefäße und die Chromatophoren. Aufgrund der Funktion als Stütze des Körpers und Schutz des Rückenmarks kann man sich leicht vorstellen, dass Verletzungen oder Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule gravierende Auswirkungen auf das Leben eines Tieres haben können mit zum Teil schweren Schäden und Beeinträchtigungen. Dies wollen wir im Folgenden mit zwei Fällen aus der Praxis verdeutlichen, die durchaus immer wieder vorkommen: Fall 1 Der Koi fiel durch eine leichte Reduzierung des Ernährungszustandes auf. Die Augen traten zeitweise hervor, weitere Auffälligkeiten konnten aber zu diesem Zeitpunkt nicht festgestellt werden. Im Jahr darauf zeigte der Fisch einen stark reduzierten Ernährungszustand, eine deutliche Einschränkung des normalen Schwimmverhaltens; er sonderte sich zunehmend vom Rest des Schwarms ab. In der klinischen Untersuchung erwies sich die Wirbelsäule als eingeschränkt beweglich. Das Tier wurde wegen schlechten Allgemeinbefindens und der ungünstigen Prognose euthanasiert. In der latero-lateralen (seitlich) Röntgenaufnahme ist eine deutliche Umfangsvermehrung an der Wirbelsäule zu erkennen. Im gezeigten Bild (siehe grosses Bild am Anfang des Berichts) sind die Veränderungen deutlich zu erkennen. Eine Ursache für diese Veränderungen konnte bisher nicht eindeutig festgestellt werden. Ebenso in der dorso-ventralen (Fisch in der Aufsicht) Aufnahme Ko i K u r i e r 6 6 <> 4 - 2010 w i r b e l s ä u l e n v e r ä n d e r u n g e n <> 29 Fall 2 Dem Besitzer des Koi fiel das abnorme Schwimmverhalten seines Koi auf. In der Untersuchung zeigte sich, dass der Koi nur im vorderen Teil des Körpers Bewegungen ausführen konnte, der Rest des Körpers zeigte eine Lähmung. Die Lähmung ist damit zu erklären, dass der Nervenstrang in der Wirbelsäule gequetscht oder abgedrückt wurde und so keine Reizleitung im Nerven mehr stattfinden konnte. Ob die Veränderungen an der Wirbelsäule auf eine alte Verletzung zurück zu führen sind ist nicht mehr sicher nachweisbar. Dem Besitzer ist hier kein entsprechender Zwischenfall bekannt. In der latero-lateralen Röntgenaufnahme ist eine Beschädigung der Wirbel sichtbar. Es sind Verwachsungen aber auch eine Auflösung des Knochens erkennbar. Im Folgenden werden verschiedene Ursachen dargestellt: Veränderungen an der Wirbelsäule: Relativ oft werden Achsenabweichungen der Wirbelsäule gesehen, welche sowohl horizontal als auch vertikal verlaufen können. Es kommen Wirbelsäulenverkrümmungen nach oben gekrümmt (Kyphose) als auch nach unten gekrümmt (Lordose) sowie eine Seitwärtskrümmung (Skoliose) vor. Natürlich können diese Veränderungen auch gleichzeitig bei einem Tier auftreten. Die Veränderungen reichen von sehr leichten kaum wahrnehmbaren Verbiegungen bis zu extremen Varianten. Koi mit Skoliose I Koi mit Skoliose II Ko i K u r i e r 6 6 <> 4 - 2010 30 <> wirbelsäulenveränderungen Ebenso kommen Auflösungsprozesse durch Infektionen oder Tumore vor. Ursachen: Tumore: Knochentumore oder Tumore des Nervensystems treten bei Fischen relativ selten auf. Sie können ganz verschiedene Veränderungen hervorrufen, von Umfangsvermehrungen über Achsenveränderungen bis zu Auflösungen. Tumore sind für gewöhnlich ein Einzeltierproblem. Vitamin- und Mineralstoffmangel: Calcium bildet mit Phosphor zusammen ein Gleichgewicht im Organismus und die Basis der Knochensubstanz, welche durch Osteozyten gebildet wird. Beide Mineralstoffe werden dem Körper von außen zugeführt über das umgebende Wasser oder Futter. In sehr weichem Wasser herrscht eine sehr geringe Konzentration an Calcium, welches dem Knochen fehlt. Die Konsequenzen sowohl eines Calcium- als auch Phosphormangels sind die Entmineralisation des Skelettes und daraus resultierende Deformationen. Als erste Zeichen sind Abmagerung und ein verzögertes Wachstum. Calcium ist außerdem nötig für Muskelkontraktionen, bei einem Mangel kommt es also auch zu Bewegungsstörungen. Koi mit sowohl Kyphose als auch Lordose, hierbei handelt es sich um ein chronisch erkranktes Tier. Des Weiteren lassen sich röntgenologisch immer wieder Brüche nachweisen oder knöcherne Zubildungen finden, welche durch den Heilungsprozess nach Knochenbrüchen (Kallusbildung) oder auch Tumore entstehen können. (Siehe Fallbeispiel) Ebenso kommen Auflösungsprozesse durch Infektionen oder Tumore vor. Durch diese Veränderungen ist teilweise die Stützfunktion der Wirbelsäule oder die Beweglichkeit eingeschränkt. Es kommt zum Zusammenwachsen mehrerer Wirbel oder zu Zusammenhangstrennungen innerhalb der Wirbelsäule, dadurch wird das Rückenmark beschädigt und es kommt zu neurologischen Ausfallserscheinungen (Unkoordiniertheit, Lähmungen, Gewichtsverlust durch Muskelabbau und schlechtere Konkurrenzfähigkeit bei der Futteraufnahme). Auch Magnesium wird aus der Umwelt aufgenommen und ist für die Muskelkontraktionen wichtig, ebenso wie für die Reizweiterleitung in den Nerven. Zu dem ist es ein Bestandteil der Knochengrundsubstanz. Ein Mangel wirkt sich dementsprechend auf die Funktionalität dieser Systeme aus. Selen ist ein essentielles Spurenelement, welches als Basis von einigen Aminosäuren in verschiedenen Enzymen (z.B. Gluthationperoxidase) vorkommt, und so zum Beispiel einen wichtigen Schutz der Zellen vor freien Radikalen darstellt. Vitamin A (Vorstufe Carotin) hat nicht nur eine wichtige Funktion beim Sehvorgang, sondern auch bei der Umsetzung der Geninformationen (Genexpression) in körpereigene Funktionen, ebenso wie die Stabilisierung von Zellmembranen auch im Zusammenhang mit Nervenbahnen. Vitamin A ist beim Aufbau und beim Wachstum und auch bei der Heilung von Frakturen von Bedeutung. Auch ist es bei der Hämatopoese beteiligt. Vitamin C (Ascorbinsäure) wird ebenfalls über die Nahrung aufgenommen, und ein Mangel hat Einfluss auf Knochen und Knorpel und äußert sich durch Knochendeformationen (beim Menschen zum Beispiel Scorbut). Vitamin C hat des Weiteren eine wichtige Funktion bei der Wundheilung und kann daher bei Verletzungen zur Unterstüt- Ko i K u r i e r 6 6 <> 4 - 2010 w i r b e l s ä u l e n v e r ä n d e r u n g e n <> 31 zung verabreicht werden. Man sollte nicht vergessen, dass Cypriniden nur in geringem Maße Vitamin C bilden können und deshalb auf die Zufuhr über das Futter angewiesen sind. Ein Mangel an Mineralstoffen oder Vitaminen kann nicht nur durch eine unzureichende Versorgung entstehen, sondern auch durch Auszehrung bei chronischen Erkrankungen bedingt sein. Bei diesen Fischen liegt eine andere Grunderkrankung vor, in deren Folge es zu Verkrümmungen der Wirbelsäule durch die erwähnte Mangelsituation kommt. Unfälle: Beim Transport von Koi kann es zu Knochenbrüchen oder Schädigung von Nerven kommen. Dieses Risiko lässt sich aber durch den schonenden und sachgemäßen Umgang beim Transport sehr weit minimieren. Im Teich kann es durch Einklemmen oder Hängenbleiben zu Wirbelsäulenverletzungen der Fische kommen. Ursache hierfür ist häufig eine zu starke Pumpenleistung, wodurch Fische angesaugt werden oder das Erschrecken von Tieren. Durch einen Stromschlag (Blitzschlag bei Gewitter oder Schäden an der Technik) können die Fische Schaden nehmen. Das Ausmaß ist abhängig von Einwirkdauer, Stromstärke und Stromart. Hierbei sind besonders Wechselstrom und Blitzschlag gefährlich. Die Symptome, die auftreten können sind Lähmungen und Krämpfe, Gleichgewichtsstörungen, Muskeleinrisse, Wirbelsäulenverletzungen, die durch die starken Muskelkontraktionen unter Stromeinwirkung zu Stande kommen. Häufig sind nach so einem Unfall mehrere Fische betroffen. Infektionen: Nach einer Erkrankung an infektiöser Bauchwassersucht sind immer wieder Wirbelsäulenverkrümmungen zu beobachten. Auch die Fischtuberkulose mit den relativ unspezifischen klinischen Symptomen wie Abmagerung, Glotzaugen, Haut-Ulcera kann Wirbelsäulenverkrümmungen zur Folge haben. Ein starker Befall mit Darmparasiten kann durch den daraus resultierenden Nährstoff- und Mineralmangel zu Veränderungen am Skelett führen. Angeboren: Angeborene Wirbelsäulenverkrümmungen sieht man relativ selten, da diese oft mit erheblichen Bewegungseinschränkungen verbunden sind, was Nachteile in der Nahrungskonkurrenz zur Folge hat und das Ausweichen bei Gefahren deutlich erschwert. Daher werden diese Fische in der Natur häufig nicht alt. Koi mit angeborenen Deformationen werden in den Züchterländern frühzeitig aussortiert und kommen nicht in den Handel. Als Veränderungen kommen hier erbliche Verkürzungen vor, welche sich bereits in der frühen Embryonalphase ausbilden. Diese können durchaus auch ohne Funktionseinschränkungen sein. Als eine weitere Ursache kommt eine vererbte Störung des Vitamin-D-Haushaltes in Frage, was zu Mineralisationsstörungen führt. Schwefelwasserstoffgehalt oder einer Nitritvergiftung sind Koordinationsstörungen zu beobachten. Eine weitere Vergiftung stellt das Erkrankungsbild des Botulismus dar, dessen Auslöser das Toxin des Bakteriums Clostridium botulinum ist, welches sich im luftabgeschlossenen Bereich von Schlammansammlungen aufhält und vermehren kann. Die Symptome reichen von Gleichgewichtsstörungen über langsame Schwimmbewegungen, bis hin zu schnellem unkoordiniertem Umherschwimmen. Fazit: Wie bereits oben erörtert, können Wirbelsäulenveränderungen ganz verschiedene Ursachen haben. Häufig handelt es sich hierbei auch um eine Kombination verschiedener Faktoren, die zusammen spielen. Leider muss man anmerken, dass es sich bei den Skelettveränderungen, die klinisch zum Tragen kommen, um eine bereits weit fortgeschrittene Erkrankung handelt und die Grundursache oft nicht mehr nachvollziehbar ist. Folgerichtig ist auch eine Heilung der Erkrankung normalerweise nicht mehr möglich. Treten solche Veränderungen, z.B. bei Eigennachzuchten gehäuft auf, kann jedoch meist eine Ursache ausgemacht und zumindest für die anderen Koi im Teich oder die folgenden Nachzuchten Vorsorge getroffen werden. Differentialdiagnose Nicht bei jeder Bewegungsstörung liegt ein Problem im Bereich der Wirbelsäule vor. Auch bei der SVC (Frühlingsvirämie der Karpfen) treten im Endstadium zentralnervöse Störungen auf. Ebenso bei Vergiftungen wie zum Beispiel ein hoher Wie bereits oben erörtert, können Wirbelsäulenveränderungen ganz verschiedene Ursachen haben. Literatur Hochwartner, Licek, Weismann, Das ABC der Fischkrankheiten, Leopold Stocker Verlag 2008 R. W. Hoffmann, Fischkrankheiten Ulmer Verlag, 2005 H. Baur, J. Rapp, Gesunde Fische, Parey Verlag, 2003 E. Amlacher, Taschenbuch der Fischkrankheiten,Gustav Fischer Verlag.1992 H. Reichenbach-Klinke, Krankheiten und Schädigungen der Fische, Gustav Fischer Verlag 1980 Ko i K u r i e r 6 6 <> 4 - 2010