Der wilde Ritt

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Der wilde Ritt
DER WILDE RITT
MF 11 C, 2004/2005
Vorwort
Am 1. Oktober 2004 war der Anfang vom Ende des „Wilden
Ritts“. Entstanden ist diese - teilweise in die erotische Welt
abgleitende Geschichte - im Deutschunterricht der Klasse
MF 11 c der Berufsschule Weilheim unter der Leitung von
Herrn Berger.
Die Unterhaltungslektüre basiert auf einer
vorausgegangenen Geschichte mit dem Titel „ Der erste
Kuss“ von Renate Jäger, in welcher die durch einen Unfall
entstehende Liebesgeschichte zwischen dem Baron Götz
von Herberg und der Baroness Marion beschrieben wird.
Die Autoren unseres Schriftstückes sind: Michael Bißle, Alex
Dallmayr, Stefan Heiland, Florian Fischer, Stephanie
Bichlmeyr, Daniel Leuner, Benedikt Schrott und Johannes
Strauß.
Für das Layout zeigen sich Michael Bißle, Stephanie
Bichlmeyr, Florian Fischer und Michael Gschmeißner
verantwortlich. Die Zusammenfassung wurde von Tobias
Schägger und Martin Fischer verfasst. Das Ende der
Geschichte schrieben Alexander Poth und Heiko Leich. Für
die grafischen Darstellungen opferten Andreas Neumaier,
Fabian Lindauer und Engin Kilavuz sowie Christian
Kemmelmeier ihre Zeit. Die für den Einband wichtigen
Kordeln wurden in aufwändiger Handarbeit von Hubert
Mach, Markus Schweiger und Stefan Heiland gefertigt. Für
die Organisation der Fertigstellung der ganzen Aufgaben
wurde Thomas Rapp ausgewählt, weil er in Deutsch noch
die Note 2 erreichen möchte.
Da bei jeder guten Geschichte das Vorwort die halbe Miete
ist, musste die Bauelemente-Stunde, „geführt“ von Herrn
Buchalik, leider dran glauben. Verantwortlich für diese
Schandtat waren Alexander Dallmayr und Benjamin Ziller.
Jetzt lassen Sie sich nicht länger durch unser Selbstlob von
der eigentlichen Geschichte ablenken - die Klasse MF 11 c
wünscht viel Spaß beim Lesen.
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Der erst Kuss
(Renate Jäger)
Einen Augenblick hatte sie nicht auf den Weg geachtet und
einen tief hängenden Ast zu spät bemerkt. Sie sah nur einen
Schatten und spürte einen Schlag gegen den Kopf.
Von dem Augenblick an wusste sie nichts mehr.
Der Rappe kam zu seiner Herrin zurück, die bewegungslos
am Boden lag. Sein aufgeregtes Wiehern war bald weit zu
hören.
Baron Götz von Herberg hob lauschend den Kopf. Er
zügelte sein Pferd und lenkte es in die Richtung, aus der
das aufgeregte Wiehern kam.
Als er wenig später die junge Baroness von Bergen auf dem
Waldweg liegen sah, durchfuhr ihn ein heißer Schreck. Er
sprang aus dem Sattel und kniete an der Seite der
Gestürzten nieder. Fassungslos starrte er auf das
blutüberströmte schöne Gesicht.
„Marion“, stieß er erschrocken hervor. Mit seinem
Taschentuch tupfte er das Blut von ihrem Antlitz und stellte
zu seiner Erleichterung fest, dass die Wunde am Kopf nicht
so tief war, wie er zuerst befürchtet hatte.
Er beugte sich über sie, als ein tiefer Atemzug ihren Lippen
entfloh. Zärtlich glitt seine Hand über ihr seidiges Haar.
„Marion“, flüsterte er erschüttert. „Liebes, was ist nur
geschehen?“
Nie hätte er gewagt, ihr zu gestehen, wie es in seinem
Herzen aussah, denn sie sollte nicht denken, dass er, der
verarmte Baron, seine Hände nach der reichen Baroness
ausstreckte. Doch in dieser Situation, wo er um sie bangte,
vergaß er alle Vorsicht.
Er tastete mit bebenden Händen ihre Glieder ab, um
festzustellen, ob irgendetwas gebrochen war. Als er wieder
besorgt in ihr Antlitz schaute, hatte sie die Augen geöffnet.
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„Götz..“ Ihre Stimme klang unsicher. Aber sie hatte ihn
erkannt.
„O Marion!“ Er streichelte mit zitternder Hand ihr Gesicht.
„Was ist nur passiert?“, fragte er.
„Ich sah zu spät den Ast, der über den Weg hing“, erklärte
sie.
„Was tut dir weh“, fragte er bang.
„Alles“, stöhnte sie und versuchte, sich aufzurichten.
Er half ihr dabei, stützte sie liebevoll, bis sie saß. Da sank
ihr Kopf vor Erschöpfung auf seine Brust. Er hielt sie mit
seinen Armen fest umschlungen.
„Sei vorsichtig, Liebes“, sagte er erregt. „Vielleicht sollte ich
zum Schloss reiten und Hilfe holen.“ „Nein, bleib bei mir,
Götz“, bat sie. Sie hatte Götz von Herberg schon immer gut
leiden mögen und es bedauert, dass er sich so zurückzog.
Jetzt klammerte sie sich an ihn. „ Ich kann gleich schon
aufstehen“, sagte sie tapfer.
Er drückte sie zärtlich an sich.
„Ich war furchtbar erschrocken, als ich dich hier liegen sah“,
gestand er.
Sie schloss die Augen und dachte beglückt: „So müsste er
mich immer halten. In seinen Armen fühlt man sich
geborgen.“
Er blickte mit heißem Verlangen auf ihren zuckenden Mund,
um den sich ein weiches Lächeln schlich. Sekundenlang
dachte er, dass es unfair war, ihre augenblickliche Lage
auszunutzen. Doch da übermannte ihn schon das
Verlangen. Immer näher kamen seine Lippen ihrem Mund.
Sein Atem streichelte ihre Wange. Dann küsste er sie voll
inniger Liebe.
Marion schlang zögernd ihre Arme um seinen Nacken. Sie
hielt die Augen immer noch geschlossen, doch zaghaft
erwiderte sie seine Küsse.
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Die beiden Pferde begannen am Wegrand zu grasen,
während sich für zwei junge Menschen die Welt von einer
Sekunde zur anderen wandelte.
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Kapitel 1
Die beiden lagen noch eine kurze Weile im Gras und
schmusten. Voller Glücksgefühle und total verliebt standen
die zwei auf und gingen Hand in Hand zu den Pferden.
Marion sagte: „ Schau doch, die Pferde! Siehst du? Sie
grasen zusammen. Ob sie sich vielleicht auch ineinander
verliebt haben?“ Götz antwortete:
„ Ja, bestimmt, meine Prinzessin“. Kurz darauf bestiegen
die beiden die Pferde und ritten zusammen auf das Schloss
von Baron Götz von Herberg. Während des Nachhauseritts
schauten sie sich die ganze Zeit sehr verliebt an. Bei Götz
angekommen, sagte Marion:
„Schatz, ich habe Durst. Lass uns ein Glas Wein trinken“.
Götz zögerte keine Sekunde und ging in den Weinkeller, um
einen seiner besten Weine zu holen. Sie gingen die Treppe
hinauf zum Esszimmer, wobei die Treppe - wie ihre Liebe knisterte. Als Marion am Tisch Platz nahm und Götz ihr
gegenüber, sagte Marion; „Schatz, setz’ dich doch bitte
neben mich“. Götz war sehr erleichtert, dass Marion ihn
darum gebeten hatte. Sie tranken drei Gläser Wein, redeten
viel, küssten und berührten sich dabei nicht selten.
Inzwischen vergingen die Stunden, und es wurde dunkel.
Marion stotterte erschrocken:
„Ich hätte vor Sonnenuntergang wieder daheim sein
müssen, was soll ich nur tun?“ Der Baron erwiderte: „In der
Nacht ist es zu gefährlich, allein nach Hause zu reiten. Bleib
doch bei mir!“ Marion gab nach und blieb bei ihm - die
ganze Nacht über.
Kapitel 2
Als der Baron am nächsten Morgen von den ersten
Sonnenstrahlen geweckt wurde, überkam ihn ein
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fürchterlicher Schreck. Die Baroness lag kreidebleich und
verkrümmt auf dem Boden. Besorgt sprang er aus dem Bett,
rüttelte an Marion und sagte hysterisch: „Marion, Marion,
was ist mit dir passiert?“ Im ersten Moment meinte der
Baron Götz von Herberg, dass die Baroness aus dem Leben
geschieden sei. Doch als er sich kurze Zeit später wieder
einigermaßen beruhigt hatte und nachdachte, lag er richtig
in der Annahme, dass die Baroness von Bergen eine
schwerwiegende Alkoholvergiftung hatte. Anscheinend
bekam der Baroness der edle Tropfen nicht, den Götz von
Herberg aus seinem weit über die Landesgrenzen hinaus
bekannten Weinkeller hervorholte. Der Baron ließ aber nun anstatt länger inne zu halten und nachzudenken - Taten
folgen. Um aus der Baroness den Alkohol wieder
herauszubekommen, bereitete der Baron seiner über alles
geliebten Marion einen wahrhaftig abscheulich
schmeckenden Trunk aus lauwarmem Salzwasser zu.
Diesen flößte er ihr umgehend ein, worauf die Baroness von
Bergen mindestens ein dutzend Mal erbrach. Letzten Endes
kam nur noch übel riechende Galle aus ihrem Mund hervor,
worauf den Baron von Herberg fast selbst das Erbrechen
überkam. Nach dieser mittelalterlichen „1.- Hilfe-Aktion“
bestand aber immer noch Handlungsbedarf, denn die
Baroness war immer noch nicht bei Bewusstsein. Der Baron
verpasste ihr eine Mund-zu-Mund-Beatmung, worauf die
Baroness langsam wieder zu Bewusstsein kam. Sie fragte
den Baron mit leiser und schwacher Stimme: „Wo bin ich,
wo bin ich?“
Nachdem sie langsam realisierte, dass sie am gestrigen
Abend einen „Riesen-Rausch“ hatte, verspürte sie aufgrund
des kurz zuvor vollständig entleerten Magens einen riesigen
Appetit, etwas Deftiges zu essen und zu trinken.
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Sie gingen in die namenlose Brauerei auf einem Berg mit
einer kleinen Wirtschaft nahe des Schlosses des Barons
von Herberg. Dort aßen sie eine Schweinshaxe mit
Kartoffelknödel und Blaukraut. Sie tranken dazu das
vorzügliche Salvatorbier der Brauerei. Aufgrund der
beeindruckenden Heilwirkung des Starkbieres bei der
Baroness, hieß die Brauerei zukünftig „NockHerberg“. Sie
tranken das kühle, wohlschmeckende Bier noch bis in die
späten Abendstunden, worauf die Baroness von Bergen schon wie vom Wein am Abend zuvor, nur heute vom
Starkbier - auf dem Nockherberg ausge“Nockt“ wurde.
Kapitel 3
Es dauerte nur wenige Minuten, bis Bedienstete der
Baroness die Wirtschaft betraten. Sie seien im Auftrag des
Vaters unterwegs und für das Wohl der Baroness
verantwortlich, hieß es.
Der Baron Götz von Herberg wollte, wegen der durch den
Vater eventuell auftretenden Probleme, seine Geliebte an
diesem Abend nicht mit zu sich nehmen und ließ sie von
ihren Dienern nach Hause bringen.
Dies entpuppte sich auch als gute Entscheidung.
Die Baroness hatte ihre Burg von Bergen noch nicht mal
ganz betreten, da wartete ihr Vater, der über das
Verschwinden seiner Tochter am vorigen Abend sehr erbost
war, bereits mit grimmiger Miene auf sie!
Als er sie in diesem Zustand antraf, ging mit ihm förmlich
der Gaul durch!
Er packte sie am Arm, schleppte sie in den Speisesaal, wo
er nach wenigen Minuten der Besinnung begann, sie zu
befragen.
Die Baroness versuchte mit all ihren noch vorhandenen
Kräften, dem Vater zu erklären, dass den Baron Götz von
Herberg nicht die geringste Schuld träfe, und dass er ihr
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wohl möglicherweise das Leben gerettet habe! Doch der
Vater glaubte seiner immer noch vom Starkbier
benommenen Tochter kein Wort und schrie: “Dieser Baron
ist nur auf dein Geld aus! Er hat nicht das geringste
Interesse an deiner Person, mein Engel! Er ist ein
Nichtsnutz, der die Situation schamlos ausnützen will. Sieh
dich doch nur an, was er mit dir angestellt hat! Erst nimmt er
dich mit nach Hause auf sein Schloss von Herberg, gibt dir
soviel Wein zu trinken, dass du nicht mal mehr weißt, wo
oben und unten ist, dann „rettet“ er dich morgens wieder von
deiner Alkoholvergiftung, für die er verantwortlich ist…! Als
nächstes schleppt er dich - natürlich nur, weil du solchen
Hunger hast - in diese Wirtschaft … und wie endet dieser
Besuch? Du bist wieder sturzbetrunken! Ich untersage dir
jeglichen Kontakt zu diesem Baron Götz von Herberg!“
Damit war das Gespräch der beiden beendet, und die
Baroness verließ weinend den Saal und schloss sich in
ihrem Zimmer ein. Es vergingen Stunden, bis sie überhaupt
wieder ansprechbar war.
Die Nacht brach herein, und die Baroness wusste sich nicht
mehr zu helfen. Sie zog sich an und kletterte an den
Pflanzen, welche an der Wand der Burg hinauf wuchsen,
hinunter in den Garten. Leise schlich sie zu ihrem Pferd und
ritt in Windeseile davon!
Ihr Ziel wird wohl jedem bekannt sein! Bei ihrem Götz
angekommen, „stürmte“ sie das Schloss, packte ihn an der
Hand und rief: „Schatz, schnell wir müssen fliehen. Die
Leute meines Vaters werden uns bereits bei
Sonnenaufgang suchen. Und was sie dann mit uns bzw. dir
machen, muss ich dir wohl nicht näher erklären. Also komm
schnell!“
Kapitel 4
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Als Baron Götz von Herberg langsam die Augen aufmachte,
sagte er zu ihr:
„Hey Alte, was geht´n mit dir ab? Willst du dich vielleicht zu
mir gesellen?“ Die Baroness musste ihren Holden nicht mal
anschauen, den er stank wie eine ganze Brauerei. Sie
packte ihn und schliff den sturzbetrunkenen Kerl aus seinem
Zimmer.
Nun, als die beiden auf ihren Pferden hockten, ritten sie los,
um sich irgendwo Unterschlupf vor den Rittern ihres Vaters
zu beschaffen.
Am Wald angekommen, stellten sie ihre beiden Pferde ab
und
gingen zum See. Dort angekommen, sagte der Baron: „Ich
brauche jetzt erst mal eine kleine Abkühlung und was zum
Trinken.“
Bereits nach kurzer Zeit hörte die Baroness einige Pferde,
die sich unmissverständlich in ihre Richtung näherten.
Sie schrie entsetzt:
„Schnell, mein Schatz, wir müssen zum Dorf
weiter reiten.“ Jetzt begriff der Baron erst, in welchen
Schwierigkeiten sie gerade steckten, und sprang sofort auf
sein Pferd. Am Dorf angekommen redete die Baroness erst
einmal mit den Einwohnern und machte ihnen klar, wie es
um die beiden stand. Einer von den Einwohnern hatte es
sehr schnell begriffen und sagte zu den beiden
Turteltäubchen: „Ihr könnt euch so
lange in meinem Haus verstecken, bis sich die Lage etwas
entschärft hat.“
Nach ein paar Minuten kam der Vater mit seinen Leuten
angeritten und schrie genervt: „Wo sind meine Tochter
Marion und der dauersteife Baron?“
„Wir haben hier schon lange keinen mehr vorbei reiten
sehen und schon recht keine Baroness mit einem „Steiff“Tier“ sagte einer der Bewohner. Als sich der Vater langsam
beruhigt hatte, rief einer seiner Leute: „Es hat keinen Sinn
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noch weiter hier zu suchen. Sie sind bestimmt schon längst
über alle Berge.“ Der Anführer der Verfolgertruppe bedankte
sich für die Auskunft, und sie zogen weiter Richtung Osten.
Danach - als der Suchtrupp weg war - schrie ein Bewohner
des Dorfes: „Dein Vater ist weg. Ihr könnt jetzt wieder
weiterziehen.“ Doch als sie nicht herauskamen, ging er ins
Haus, um nachzusehen, was sie dort gerade trieben. Voller
Entsetzen musste der Hausherr mit ansehen, wie seine
Köstlichkeiten langsam aber sicher immer weniger wurden.
Nach dem Essen bedankten sich die beiden bei allen
Einwohnern des Dorfes und gingen zu den Pferden, um
nach Hause zu reiten. Einer der Dorfbewohner rief ihnen
noch hinterher, dass sie jederzeit wieder herzlich
willkommen seien. Als die Nacht langsam hereinbrach, ritten
sie Richtung Schloss von Herberg. Marion
flüsterte ihrem Geliebten zu: „Dürfte ich heut’ bitte bei dir
schlafen, weil mein Vater und seine Leute bestimmt schon
wieder zu Hause sind, und ich will heut’ keinen Ärger mehr
bekommen?“ Bei so einem Angebot konnte der Baron von
Herberg natürlich nicht nein sagen...
Kapitel 5
Bei Baron Götz zu Hause angekommen, gingen die beiden
Verliebten sofort ins Bett. Sie kuschelten noch ein wenig
und schliefen nach wenigen Minuten erschöpft vom langen
Ritt ein.
Doch die Ruhe hielt nicht lange. Der Baron und die
Baroness wurden plötzlich von lautem Geschrei, das vom
Westflügel des Schlosses kam, geweckt. Es kam immer
näher und näher, bis das Getöse an ihr Schlafzimmer
heranreichte. Es war der Vater der Baroness, der mit seinen
Männern, die inzwischen auch den teuren Designer-Teppich
zerstört hatten, gekommen war, um seine Tochter
persönlich abzuholen. „Wenn wir schon da sind, können wir
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den Baron auch gleich mitnehmen“, schrie der Vater.
„Fesselt ihn - wir reiten zurück.“
In der Burg von Bergen wurde Götz umgehend in den
Kerker gebracht. „Das werdet ihr mir büßen!“, rief er wütend.
„Marion wird mich hier raus holen, und dann seht ihr uns nie
wieder.“ Doch Marion hatte sich zu dieser Zeit schon in
ihrem Zimmer eingeschlossen, aus dem sie auch die
nächsten drei Tage nicht heraus kam. Ihr Vater machte sich
schon große Sorgen, da sie nicht einmal antwortete, wenn
man nach ihr rief. Drei Tage lang vernahm man kein
Lebenszeichen von ihr.
Der Vater beschloss, den Schlüsseldienst kommen zu
lassen. „Der ist zwar nicht billig, aber was soll´s.“ Der
Schlüsseldienst brauchte mehrere Stunden, bis er von
seiner kleinen Ein-Mann-Firma auf der Burg von Bergen
eintraf. Er stellte sein Pferd ab und wurde schon vor der Tür
von Detlef, so hieß Marions Vater, in Empfang genommen.
„Bevor wir bzw. Sie an die Arbeit gehen, gibt es erst mal
eine kleine Stärkung“, sagte Detlef freundlich. Sie aßen und
tranken reichlich von dem köstlichen Bier, das seit
Neuestem von der Brauerei „NockHerberg“ auch
ausgeliefert wurde. Die beiden verstanden sich sehr gut und
hatten viel Spaß zusammen - was auch am Bier gelegen
haben könnte.
Auf deutsch: Sie waren „zua wia a Haus“. In diesem
wackeligem Zustand versuchten die beiden später auch, die
Tür aufzubekommen, was gar nicht mehr so leicht war.
Nach sehr, sehr langer Zeit gelang es ihnen, die Tür zu
öffnen. Aber es war leider die falsche, denn diese Tür führte
zur Spielhölle der Burg. Auf diesen Reinfall tranken sie
gleich noch ein Bier und spielten eine Runde Billard, falls
man das noch so nennen konnte.
Was zu dieser Zeit noch keiner wusste:
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Marion war schon am frühen Morgen aus dem Fenster
gestiegen und zu ihrer Freundin Edeltraut nach Österreich
geritten...
Kapitel 6
Die Freundin in Österreich hatte nämlich einen sehr
berühmten Mann. Er war Anwalt. Man sagte, der Beste, der
je gelebt habe! Mit dieser Unterstützung wollte sie es
wagen, ihren armen Götz zu befreien. Allerdings waren die
Gebühren für solch einen Anwalt auch nicht gerade billig.
Was also tun?
Sie hatte kein Geld mitgenommen! Sie war zwar in ganz
Österreich als Geizkragen bekannt, aber fragen konnte man
ja! Als sie am Abend mit Edeltraut und ihrem Mann am
Essenstisch saß, wollte sie es versuchen. „Äh, ich hätte da
mal eine Frage“, fing sie ängstlich an. „Du bist doch immer
noch Anwalt, Ernst, oder?“ (Ernst, so hieß der Anwalt.) „Ich
hab da nämlich ein sehr großes Problem! Mein Freund
Baron Götz und ich sind ein Paar, aber mein Vater will nicht,
dass ich einen „verarmten Baron“ zum Manne nehme. Er
hat uns aber vor ein paar Tagen zusammen erwischt. Wie
du meinen Vater kennst, hat er Götz natürlich sofort ins
Verlies gesteckt. Ich brauche deine Hilfe also sehr, sehr
dringend! Ich glaub auch nicht, dass das so ganz legal ist.“
Hier machte sie eine Pause, denn man musste ja nicht
gleich mit der Tür ins Haus fallen. „Es war eine gute
Entscheidung, erst mal mich, einen Profi, zu fragen! Es ist
zwar verboten andere Leute ohne Grund ins Gefängnis zu
werfen, aber nachdem dein Alter ein sehr einflussreicher
Mann ist, wird es schwer, an ihn ran zu kommen. Wir
bräuchten irgendetwas, das keiner von ihm weiß! Mit dem
wir ihn erpressen können! Eine Jugendsünde zum
Beispiel.“, schlug Ernst vor. Nach einiger Überlegung fiel der
Baroness etwas ein:
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“Mein Vater ist unwahrscheinlich spielsüchtig! Er verbringt
jede freie Minute damit, Blackjack zu spielen. Um Geld
natürlich. Er macht das jetzt schon so lange, dass wir
inzwischen hoch verschuldet sind. Es heißt zwar immer,
dass er der reichste Baron des Landes sei, aber das ist
gelogen!“ Begeistert rief Ernst: “Das ist ja wunderbar, das ist
perfekt! Damit kriegen wir ihn, wenn er seinen Ruf nicht
verlieren will!“
„Ernst, es gibt da noch ein kleines Problem. Ich hab leider
kein Geld mehr! Mein Vater hat mir das Taschengeld
gestrichen.“ Nach einer langen Minute des Schweigens
erwiderte er:“ Tja, da haben wir wirklich ein Problem! Denn
ich müsste ja auch zu euch mitkommen, um mit ihm zu
reden! Das ist nicht billig! Nun, wir können es ja so machen,
dass ich den Schadensersatz für die unmenschliche
Bestrafung bekomme?
Falls ihn dein Vater überhaupt zahlen kann!“ Weil die
Baroness so begeistert von dem Plan war und sich schon so
auf ihren Götz freute, willigte sie ein.
Ob das nicht ein Fehler war…
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Kapitel 7
Kurz nachdem die Sonne den Zenit überschritten hatte,
ritten Marion und Ernst los, um den Baron Götz von
Herberg, der seit vier Tagen im Kerker der Burg eingesperrt
war, zu befreien.
Zur selben Zeit in der Burg wurde der Baron Götz von
Herberg durch Stimmen vor der Kerkertür geweckt. Als
gleich darauf die Kerkertür aufgemacht wurde, dachte er
schon: "Endlich frei". Aber noch bevor er aufstehen konnte,
wurde er von einer der Wachen brutal aus der Zelle gezerrt
und in den Speisesaal gebracht. Vor ihm stand ein langer
Tisch, der vor Essen nur so strotzte. Dort wartete Detlef, um
ihm ein Angebot zu machen, das er nicht abschlagen könne.
Marion und Ernst hatten nach ihrem fünfstündigen Ritt die
Burg von Bergen erreicht und stürmten an den Wachen
vorbei, direkt zu den Gemächern von Detlef.
Dort angekommen riss Marion die Tür auf und sagte zu
ihrem Vater: "Wo ist er?"
Detlef, der so froh war, seine Tochter wieder zu sehen,
ignorierte ihre Worte einfach und sagte überglücklich: "Da
bist du ja endlich wieder. Ich habe mir schon solche Sorgen
um dich gemacht!" Doch Marion, deren Miene durch die
Worte ihres Vaters nur noch ernster wurde, sagte ein
zweites Mal: "Wo ist er?", und diesmal begriff auch Detlef,
auf was seine Tochter hinaus wollte. Nach kurzem Zögern
sagte Detlef spöttisch: "Er ist auf seinem Schloss, wo sollte
er denn sonst sein?". Marion, die ein wenig verwirrt war,
drehte sich um und lief - ohne ein Wort zu sagen - aus dem
Raum. Fast bei ihrem Pferd angekommen, überkam sie ein
ungutes Gefühl. Warum hatte ihr Vater so hämisch gegrinst,
als er ihr sagte, dass der Baron Götz von Herberg in seinem
Schloss sei. Aber das Glücksgefühl, dass sie ihren Schatz
bald wieder in ihre Arme nehmen könne, ließ diesen
Gedanken verschwinden.
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Kapitel 8
Währendessen im Speisesaal der Burg ...
Ein breiter, wie aufgeblasener, in schwarz-lederne
Klamotten gekleideter und mit Gesichtsmaske umhüllter
Mann bat Götz den Platz an der Spitze der Tafel an. Die
Blicke von Götz irrten im Raum umher und suchten eine
Antwort. Der prunkvoll geschmückte Saal mit den vielen
Kronleuchtern jagte ihm eine enorme, nicht zu begründende
Angst ein. Schließlich setzte er sich auf den für ihn
vorgesehenen Platz und blickte den furchteinflößenden
Mann erwartungsvoll an.
Die große Tür des Saals ging schwungvoll auf und Detlef
(englisch auch D. genannt) betrat den Raum. Mit einem
feisten Lächeln auf den Lippen ging er auf den Baron zu und
fragte hämisch: “Hast du heute schon etwas gegessen?“
Da der Baron im Kerker keinen Bissen bekommen hatte und
sich jetzt vor so einem reichlich gedeckten Tisch mit allen
möglichen Spezialitäten befand, erwiderte er mit: “Nein, hab’
ich nicht.“
„Gut, dann werde ich dir jetzt ein Angebot machen“, teilte
ihm D. mit.
„Du willst also meine Tochter, richtig?“
Zögernd antwortete der Baron: „Ja, schon.“ und dachte
„...geile Braut...“.
„Dann hab ich mir für dich eine kleine Aufgabe überlegt“,
entgegnete ihm Mr. D.
Er schwenkte mit seinem Arm über die Tafel und sagte:
„Sobald du all diese Spezialitäten des Landes gegessen
hast, ohne etwas abzulehnen, weil es dir nicht schmeckt,
kriegst du meine Tochter zur Frau. Wenn nicht, dann wirst
du in meinem Kerker den Rest deines erbärmlichen Lebens
sitzen und Kakerlaken essen.“ Götz schluckte: „Bitte was?“
„Ach ja, und um das Ganze nicht zu einfach zu machen,
hast du nur 24 Stunden Zeit. Der nette Herr hinter dir wird
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darauf achten, dass du nicht gegen die Spielregeln verstößt.
O.k.?“, erklärte ihm sein eventueller Schwiegervater oder
Henker.
Götz nickte und konnte das Angebot nicht mehr ablehnen.
Detlef verschwand wenig später aus dem Saal.
Götz blickte zu dem „netten“ Herren an seiner Rechten und
senkte seinen Blick bald darauf wieder. Was blieb ihm
anderes übrig, als zu essen, was das Zeug hielt?
Er begann mit der Fischleberpaste in Biersoße (welch gute
Wahl).
Im Hof des Schlosses eilte die Baroness suchend nach
ihrem Schatz umher. Sie befragte alle Angestellten, doch
keiner konnte ihr weiterhelfen.
Bis sie dann schließlich zum Schwarzen Jimmy kam, der in
der Küche arbeitete. Er konnte ihr genaue Auskunft geben,
wo sich der Baron aufhielt.
Die Baroness stürmte die Treppe zum Speisesaal hinauf
und trat fast die Tür ein.
Sie konnte ihren Augen nicht trauen...
Kapitel 9
Da saß ihr Geliebter vor einem riesigen Berg mit Essen. Sie
fragte ihn verblüfft:
„Hast du so einen großen Hunger oder was ist los mit dir?“
Er antwortete: „Bis jetzt habe ich noch Hunger, aber wenn
dies nicht mehr so ist … Ich werde dir zuliebe alles
aufessen!“ „Wie ... wieso mir zuliebe?“, stotterte die
Baroness hervor. „Dein Vater hat gesagt, wenn ich alles
innerhalb von 24 Stunden aufgegessen habe, darf ich dich
zu meiner Frau nehmen!“ „Mein Vater hat das wirklich
gesagt? Glaubst du, dass du das schaffst?“, fragte sie
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hoffnungsvoll. „ Ich denke schon, mein Schatz! Für dich und
unsere Liebe würde ich alles tun!“, antwortete er
entschlossen. Er aß und aß…
Nach 24 Stunden kamen Marion und ihr Vater Detlef in den
Speisesaal und sahen den kugelrunden Götz, der aussah
wie ein Bierfass. Ein Meer aus leeren Tellern stand vor ihm.
Er hatte es geschafft!
Doch jetzt war sich Marion nicht mehr sicher, ob sie so ein
Walross zum Mann nehmen wollte.
Doch nach einem halben Jahr im Fitnessstudio „Biertime“,
war der Baron wieder gertenschlank, und er und seine
Marion lebten glücklich und zufrieden bis an ihr
Lebensende.
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