Festschrift 230. Geburstag Jahns - Sachverständigenkanzlei Em. O

Transcrição

Festschrift 230. Geburstag Jahns - Sachverständigenkanzlei Em. O

zur Festveranstaltung am 31. Mai 2008 im Haus des Sports,
Wien
FESTSCHRIFT.doc
Seite 1 von 56
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Grußworte
Drei Bilder Jahns
3–6
7
Kurze Lebensgeschichte Friedrich Ludwig Jahns
8 – 13
MedR Dr. Bruno Burchart
Jahn und die Studenten
14 – 21
Hansgeorg Kling
Jahns Bedeutung für die Turnbewegung
22 – 27
Dr. Karl Katary
Jahn – Deutsches Volkstum
28 – 31
O.Univ. Prof. Dr. Werner Pfannhauser
Lügen über Jahn und die Turnbewegung
32 – 37
Bmstr. Ing. Martin Fuchs
Bedeutung Jahns für die Turnerjugend heute
38 – 41
JAHN WÖRTLICH
Natur
Sprache
Würde der Frau
Volksrechte
Denkmäler
Kunst
42
43
44
45
46
47
Karl Thielecke
Zu Besuch beim Turnvater Jahn in Freyburg
48 – 49
Ein überaus interessanter und erhellender Briefwechsel
50 – 52
Karl Thielecke
Brief an Friedrich Ludwig Jahn
Elke Nebenführ
Das Unternehmen „Jahndenkmäler in Österreich“
Die Jahn Briefmarke
53
54 - 55
56
Eigentümer, Herausgeber : ÖTB Wien, 1020 Ferdinandstr. 26
Druck : ÖH Druckerei, Graz
Für den Inhalt verantwortlich : die Verfasser
Zusammenstellung : Werner Pfannhauser
FESTSCHRIFT.doc
Seite 2 von 56
Grußworte
Ing. Helmut Fuchs
Obmann ÖTB Wien
Die Gründung des österreichischen Turnerbundes ist
noch keine 6 Jahrzehnte alt. Der Gedanke der
turnerisch verstandenen Leibesübungen dagegen ist
seit 2 Jahrhunderten in unserem deutschen Volk
lebendig. Er geht zurück auf Friedrich Ludwig Jahn,
den oft zitierten und ebenso oft missverstandenen.
Jahn ist nur aus seiner Zeit heraus zu verstehen.
Neben manchen zeitgebundenen hat er eine Fülle
zeitloser Gedanken ausgesagt. Wer seine Schriften aufmerksam studiert, findet
hochmoderne Anschauungen über Volk und Menschheit, Erziehung und
Staatswesen darin.
So ist Turnen eben doch mehr als nur Leibesübung. Es ist keine Weltanschauung.
Es ist eine Lebenseinstellung zu den wichtigen Fragen der Menschenbildung und
des Gemeinschaftslebens. Man könnte auf anderen Wegen den gleichen Zielen
zustreben. Wir bevorzugen den Weg, der auf dem Boden unseres deutschen Volkes
gewachsen und für viele andere Völker Muster und Vorbild geworden ist.
Ich bin überzeugt, dass die zahlreichen Turnerinnen und Turner, sowie die in
turnerischem Geist denkenden Verbände hier in der Prinz Eugenstrasse ein würdiges
Fest begehen und sich wohl fühlen. So heiße ich alle Festteilnehmer bei dieser
Festveranstaltung herzlich willkommen. Möge dieses Fest einen guten Verlauf
nehmen und sich sein Geist nachhaltig auf die gute Entwicklung unserer Vereine und
Verbände auswirken.
Gut Heil!
Helmut Fuchs
Obmann ÖTB Wien
FESTSCHRIFT.doc
Seite 3 von 56
Grußworte aus
Niederösterreich
Turnvater Friedrich Ludwig Jahn würde am 11.
August 2008 seinen 230. Geburtstag feiern.
Selbstredend ist diese Zeitspanne für ein
Menschenleben eine viel zu große. Für eine
Idee aber, für eine Bewegung trifft dies keineswegs zu. Es liegt in der Natur der Sache, dass
lebensfähige und lebenstüchtige Bewegungen eine
lange, eine über ein Menschenleben weit hinaus
ragende Lebensdauer haben.
Wichtig ist, dass eine Bewegung die Bedürfnisse der Menschen abdeckt.
Wichtig ist, dass durch eine Idee Unterstützung für den Alltag gegeben wird.
Wichtig ist, dass die Menschen spüren, wie wichtig eine solche Bewegung für ihr
Leben ist und dass diese Idee täglich gebraucht wird.
Das bietet die Turnerei – erdacht, ersonnen und in die Welt gesetzt von Turnvater
Jahn.
Der Gedanke, die Lebenslinie von F.L. Jahn ist und bleibt aktuell. Um diese Aktualität
zu erkennen muss man sich aber schon der Mühe hingeben das gesagte, getane
und vorgelebte der Kleider der damaligen Zeit zu entledigen und mit dem Gewand
der heutigen Zeit zu bemänteln. Der Inhalt ist derselbe – ja muss derselbe bleiben.
Denn wäre er es nicht, so wäre er für die Menschen von heute, und somit auch für
uns, wertlos.
Man muss sich stets bemühen, Jahn’s Aussagen in heute verständlichen Sätzen
wieder zu geben. Die Festveranstaltung am 31 Mai 2008 hat genau dieses Ziel.
Dieses Fest ist eine Antwort auf viele Fragen rund um Jahn und kann mannigfaltige
Pulse für das Turnerleben geben.
In diesem Sinne wünsche ich allen Festteilnehmern und natürlich allen Turnerinnen
und Turnern schöne und inhaltsreiche Stunden und ein herzliches Gut Heil.
Hermann Lang
Obmann
Österreichischer Turnerbund
Turngau Niederösterreich
FESTSCHRIFT.doc
Seite 4 von 56
Geschätzte Gäste der
Festveranstaltung,
liebe Turngeschwister,
ich begrüße den Entschluss des ÖTB
Wien und des Turngaues
Niederösterreich, aus Anlass des 230.
Geburtstages von Friedrich Ludwig
Jahn eine festliche
Gedenkveranstaltung mit interessanten
Vortragsthemen über den Begründer
der Deutschen Turnbewegung zu
veranstalten.
Der Österreichische Turnerbund sieht
die Wurzeln seiner Verbandstätigkeit
im Wirken von Friedrich Ludwig Jahn.
Trotz seiner eigentlich kurzen
öffentlichen Wirkungszeit – 1811
Eröffnung der Hasenheide und 1819
seine Verhaftung –gab er den Anstoß,
dass sich daraus eine Turnbewegung
entwickelte, die im ÖTB aufbauend auf
den zeitlosen Grundlagen seines
Turnens bis heute weiterlebt.
Die Veranstaltung ist ein
Achtungserweis an den Mann, der den
Grundstein legte für die Art des
Turnens im ÖTB und der weltweit als
der Schöpfer des Turnens der Neuzeit
anerkannt ist.
Den Vortragenden danke ich für die
Bereitschaft ihrer Mitgestaltung. Den
Veranstaltern, ÖTB Wien und Turngau
FESTSCHRIFT.doc
Niederösterreich, gilt mein Dank für
den damit gebotenen Bildungsbeitrag.
Den Zuhörern wünsche ich eine
zusätzliche Erweiterung der
Kenntnisse über Friedrich Ludwig
Jahn.
Gut Heil
Gerwin Braunbock
Bundesobmann
Seite 5 von 56
Jahn gestern und heute
Am 11. August vor 230 Jahren wurde
Friederich Ludwig Jahn geboren.
2008 ist also ein Gedenkjahr und damit
Anlaß sich über die zeitlose Bedeutung
eines Mannes Gedanken zu machen, der
unser Turnen heute wesentlich beeinflußt.
Was heißt zeitlose Bedeutung?
Diese oft verwendete Redewendung
stimmt so nicht, denn alles Tun eines
Menschen bedarf um seine Wirkung zu
entfalten eines passenden Umfeldes um
Bedeutung zu erlangen. Manches mag später nur von historischem Interesse sein, manches
wirkt ganz praktisch und unmittelbar in der Gegenwart weiter.
So wollen wir die Frage stellen, was hat Jahn geleistet und was ist aus seinem Tun heute zu
lernen. Oder wir könnten auch fragen, was Jahn heute tun würde.
Als junger Hauslehrer hat er die Liebe zur deutschen Sprache gewonnen und an seine
Schüler vermittelt. „In seiner Muttersprache ehrt sich jedes Volk und ein Volk, das seine
eigene Sprache verlernt, gibt sein Stimmrecht in der Menschheit auf.“
In diesem Sinne kämpft er als Sprachforscher gegen die Mode möglichst viele französische
Fremdworte zu gebrauchen. Die Sprachpflege ist damals wie heute ein Thema. Die Mode
hat sich gewandelt. Heute werden unnötige englische Worte übernommen, weil dies von
Medien so vorgezeigt wird.
Die Ziele Jahns als Spracherzieher sind unmittelbar in die Jetztzeit zu übertragen.
Jahn hat sich in Jena an der Gründung der deutschen Burschenschaften beteiligt und
bekanntlich das Turnen 1811 auf der Hasenheide bei Berlin begründet. In allen seinen
Bemühungen war er von starker politischer Willenskraft beseelt. Zwei Jahre Festungshaft hat
er in Kauf genommen als er sich gegen die, vor allem aus Wien mit dem Staatskanzler
Metternich vorgelebten Freiheitsberaubungen die da hießen Zensur, Versammlungsverbot
und schließlich Turnsperre (1819) zur Wehr setzte.
Die Leitsätze des ÖTB enthalten diese Werte bürgerlicher Freiheiten und wir sind gut
beraten diese verfassungsmäßig garantierten Freiheiten mit allen uns zur Verfügung
stehenden Mittel zu verteidigen. Die Turner von heute mögen sich dessen bewusst sein,
dass es Turner waren, die vor 200 Jahren die heutigen Rechte der Meinungs- und
Redefreiheit erkämpft haben.
Als wilder, oft schroff und derb formulierender „Mann in Barte“, wie Jahn von seinen
Zeitgenossen respektvoll genannt wurde, hat er bei seinem Turnen die Standesunterschiede
aufgehoben.
So unnachgiebig er seine politischen Grundsätze nach außen vertrat, so verbindend hat er
am Turnboden gewirkt.
Das sollte uns auch heute leiten:
Den Grundsätzen unseres Turnens wollen wir treu und unnachgiebig verpflichtet bleibe.
In der Turngemeinschaft, auf Basis unserer Grundsätze sind alle Freiheiten zu ermöglichen,
die uns eine bunte Vielfalt an politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Überzeugungen
sichert.
Gut Heil !
Wolfgang Viernstein
ÖTB Bundesdietwart
FESTSCHRIFT.doc
Seite 6 von 56


11.8.1778 – 15.10.1852
Drei Bilder Jahns
Im Buch „Die Briefe Friedrich Ludwig Jahns“ von Dr. Wolfgang Meyer, Verlag Paul
Erhardt, Leipzig, 1913 findet sich im Vorsatz obige Bildnistafel.
Sie zeigen Jahn als 34 – Jährigen, ein Jahr nach der Errichtung des ersten
Turnplatzes der Welt auf der Berliner Hasenheide 1811, dann als 51-Jährigen und
schließlich als 74-jährigen alten Mann kurz vor seinem Tode.
An den im Umlauf befindlichen Bildern von Jahn ist einiges bemerkenswert :
Das wohl häufigste Bild ist das des „Alten im Barte“, kurz vor seinem Tode.
Bedingt wohl durch die im 19.Jahrhundert vorherrschende Ehrung der „Würde des
Alters“.
Weitgehend unberücksichtigt blieb der „junge Jahn“, der 34-Jährige läßt die Kraft,
Begeisterung und Entschlossenheit im Gesichtsausdruck erkennen.
Heimgekehrt von den Befreiungskriegen gegen Napoleon schuf er den ersten
Turnplatz in Berlin.
Dieser „Jahn der Tat“ – so möchte ich ihn nennen – blieb lange im Schatten des alten
„Turnvaters“ mit Rauschebart.
Zu Unrecht erhielt und erhält daher Jahn – und damit auch die Turnbewegung - den
Anstrich des „Altvaterischen“, Unmodernen.
Wer seine Bücher liest, von zeitbedingten Formulierungen und Worten absieht und
auf den Sinn und Zweck seiner Schriften hört, dem offenbart sich ein moderner
Rebell, ein wortgewaltiger, unbeirrbarer Kämpfer gegen die militärische und geistige
Unterdrückung und für die Freiheit des Volkes durch die Weckung des
Volksbewußtseins.
Dieser Jahn ist und bleibt ein unverzichtbarer Leuchtturm für die Turnbewegung.
O.Univ.Prof. Dr. Werner Pfannhauser
FESTSCHRIFT.doc
Seite 7 von 56
Kurze Lebensgeschichte Friedrich Ludwig Jahns
Diese kurze Lebensgeschichte hält sich an die von Dr. Carl Euler, Professor,
Unterrichtsdirigent der Königlichen Turn-Lehrer Bildungsanstalt in Berlin, verfassten
Beschreibung in seinem Buch „Friedrich Ludwig Jahn. Sein Leben und Wirken“, das
1881 bei Karl Krabbe in Stuttgart erschienen ist. (ein Exemplar befindet sich im
Besitz des Verfassers.)
1884 erschien der vom gleichen Verfasser mit Rudolf Lion verfaßte Sammelband
„Friedrich Ludwig Jahns Werke „1884 bei G.A Graun & Cie, Hof.(ein Exemplar liegt in
der ÖTB Bundesbücherei auf und kann entlehnt werden.)
Jahn wurde am 11. August 1778 im Dorf Lanz bei der Stadt Lenzen in der damaligen
Provinz Brandenburg des Preussischen Königreiches geboren.
Sein Vater, ein protestantische Prediger gab ihm in der Taufe den Namen Johann
Friedrich Ludwig Christoph.
Seinen Vater beschreibt Euler wir folgt: „von Gestalt stark, kräftig, sangeskundig und
sangeslustig, sehr geachtet als Kanzelredner, … . Voll Rechtssinn brachte er seinem
Sohn die für die spätere wissenschaftliche Laufbahn nötigen elementaren Kenntnisse
bei. Besonders flößte er ihm Liebe zur Geschichte, zumal zur vaterländischen, zur
Geographie und zur deutschen Sprache ein.“
Früh lernte der Knabe Reiten, Schwimmen und Schießen.
1791 wurde Jahn Zögling des Gymnasiums in Salzwedel, 1784 wechselte er in das
Gymnasiums zum Grauen Kloster in Berlin. Seine ungestüme und heftige Art zeigte
sich schon damals in Zwistigkeiten mit seinen Lehrern.
1796 begann er an der Universität Halle nach des Vaters Wunsch Theologie zu
studieren.
Bald wandte er sich auch anderen ihn jeweils interessierenden Fächern zu. Gefesselt
war er von geschichtlichen Studien, besonders der deutschen Geschichte, dann der
deutschen Sprache. Praktische Erfahrungen dazu sammelte er bei ausgedehnten
Wanderungen. Auch hier kam es zu Zwistigkeiten mit Lehrern und Mitstudenten. Er
wurde aus Halle und später 1803 auch von der Universität Greifswald verwiesen.
Jahn trat eine Hauslehrerstelle in Neubrandenburg an und führte seine Studien
weiter. Seine Schüler waren von Jahn, der mit ihnen nicht nur lernte sondern sie
auch bei Wanderungen und allerlei körperlichen Übungen durchführte begeisterte.
Seine erste Veröffentlichung erschien 1800 und dann 1806 seine „Bereicherung des
hochdeutschen Sprachschatzes“.
Diese Schrift weist Jahn bereits als Sprachforscher und Sprachschöpfer aus und legt
wie er es nennt „Sinnverwandtschaften“ – also Synonyme – zu vielen Begriffen vor.
Er schreibt :“ Treffliche alte Wörter werden übersehen, fristen in abgelegenen
Winkeln kümmerlich ihr Dasein und gelten als veraltet.“ Weiter führt er aus, dass die
Bereicherung der Hochsprache aus den Mundarten ein wesentlicher Gesichtspunkt
für die lebendige Sprache ist.
Jahn beschäftigte der, von Napoleon angezettelte, französisch - preussische Krieg.
Die Niederlage der Preussen am 14. Oktober 1806 beeindruckte den 29-jährigen
Mann so tief, dass nach seinen Bekundungen ihm über Nacht das Haar grau wurde.
Die nächsten Jahre verbrachte er bei Freunden, mit Reisen und im Kontakt mit
FESTSCHRIFT.doc
Seite 8 von 56
patriotischen Freunden. 1809 kam er auf Dauer nach Berlin.
Von Berlin aus ließ er 1810 sein Hauptwerk in Lübeck erscheinen: „Das deutsche
Volkstum.“ Im gleich Jahr wurde er Lehrer an dem Gymnasium Graues Kloster in
dem er einst Zögling gewesen war. Mit seinen Schülern wanderte er in Berlins
Umgebung, übte Spiele, trieb gymnastische Übungen, wie Springen und übte den
Gerwurf.
Auch das erste Reck – ein waagrecht gewachsener Baumstamm – wurde in die
Übungen einbezogen. Während des Sommers 1810 vergrößerte sich die Schar
seiner Schüler.
Jahn war gleichzeitig auch Erzieher an der im Geiste Pestalozzis gegründeten
Plamann´schen Anstalt, in der bereits Friedrich Friesen als Lehrer tätig war und mit
dem er in tiefer Freundschaft verbunden war.
Im Frühjahr 1811 – mit 33 Jahren – zog er mit einer ansehnlichen Schar von
Schülern beider Anstalten in die damals vor der Stadt Berlin liegende Hasenheide
und schuf den ersten Turnplatz mit neuartigen Geräten. Jahn führte die gemeinsame
Turntracht ein und gab der Gruppe einen Ordnungsrahmen. Fechten, Schwimmen –
beides beherrschte Jahn meisterlich – wurden ebenso eingeführt wie das Voltigieren.
Jahn verband mit diesen Übungen die Absicht die Jugend zu kräftigen und tauglich
für den Befreiungskampf gegen den ganz Europa beherrschenden Kaiser Napoleon
zu machen.
Die Eröffnung des Sommerturnens in der Hasenheide durch Jahn im Jahre 1818 (nach einer
zeitgenössischen Lithographie.)
Garesch R. (1920). Handbuch des gesamten Turnwesens. Wien – Leipzig: A. Pichlers Witwe und
Sohn.
Der geheime „Deutsche Bund“ den Jahn, Friesen und Harnisch 1810 gründeten,
sollte die Erhebung Deutschlands gegen das napoleonische Joch vorbereiten. Die
FESTSCHRIFT.doc
Seite 9 von 56
Studenten zahlreicher Universitäten kamen in Kontakt mit Jahn, dessen Ruf sich weit
verbreitet hatte. Jahn gab die Anregung zur Gründung der Burschenschaften.
Der Napoleon Feldzug gegen Russland 1812 und die sich abzeichnende Niederlage
stärkte die Freiheitsbewegung.
1813 erklärte Preußen Napoleon den Krieg. Jahn und Eiselen sowie die Berliner
Turner schlossen sich dem „Königlich Preußischen Freikorps“, nach ihrem Anführer
Lützow´sches Freikorps genannt an. Diese Freikorps operierte hinter der Frontlinie.
Vom Freiherrn von Stein erhielt er 1813/14 den Auftrag in den von Napoleon
abgefallenen Rheinbundstaaten in Frankfurt am Main als Agitator für deren
Wehrhaftmachung zu sorgen, wobei ihn seine Redegabe zu Gute kam.
Napoleon wurde am 30. August 1814 gestürzt; Frieden kehrte ein und Jahn kam
nach Berlin zurück.
Hier übernahm er nun die Leitung des Turnens wieder selbst.
Ein Ehrensold von 500 Thalern ermöglichte ihm Helene Kollhof aus Neubrandenburg
zu ehelichen.
Im Winter 1814/15 tagte in Wien eine als „Wiener Kongress“ bekannt gewordene
Versammlung aller Fürsten Europas um es neu zu ordnen.
Jahn reiste mit der preußischen Abordnung 1815 nach Wien. Eine Bronzetafel am
Matschaker – Hof in Wien erinnerte bis zu deren spurlosem Verschwinden (!) im
Zuge von Bauarbeiten 2005 an Jahns Anwesenheit in Wien.
Der neuerlich Krieg 1815 als Napoleon von Elba floh und in Frankreich wieder die
Macht ergriff rief die Turner wieder zu den Waffen. Nach dem Sieg der Alliierten über
Napoleon bei Waterloo kam Jahn auf Geheiß des Ministers Hardenberg nach Paris.
Ende 1815 kehrte Jahn nach Berlin zurück und vollendete sein zweites großes Werk
„Die deutsche Turnkunst“. Sie bildete die Basis der raschen Verbreitung und
Entwicklung des Turnens.
1817 hielt er zahlreiche „Vorträge über deutsches Volkstum“, in denen er die sozialen
und politischen Verhältnisse kritisierte. Damit schuf er sich zahlreiche Gegner. Nicht
Jahn allein, das gesamte Turnen wurde angefeindet und sein gesundheitlicher und
ethischer Wert bestritten.
Diese als „Turnfehde“ bezeichnete Periode brachte Jahn und den Turnern jedoch
auch großen Zulauf. Von Staats wegen wurde ein Gutachten des Medizinalrat von
Könen zum Turnen aus ärztlicher Sicht angefordert. Alle Einwendungen gegen das
Turnen wurden widerlegt.
Dennoch zählten die Dichter Kotzebue und Müllner zu den bekanntesten Gegnern
Jahns.
Der Turnplatz wurde stark erweitert, neue Gerüste, Barren und Recks gebaut,
Bäume gepflanzt. Der Turngedanke breitete sich vor allem in den Universitätsstädten
aus.
Auf der Hasenheide turnten oft bis zu 500 Burschen.
Das Wartburgfest 1816 wurde von Turnern und Studenten wesentlich getragen.
Die wissenschaftliche Arbeit Jahns wurde durch die Ehrendoktorwürden der
Universitäten Jena und Kiel gewürdigt.
Zahlreiche Turnfahrten Jahns, so auch nach Breslau stärke Turner ebenso wie es die
Gegner auf den Plan rief.
Die Anfeindungen gegen das Turnen und vor allem gegen Jahn verstärkten sich. Es
kam 1818 erstmals in Liegnitz und Breslau zur Schließung von Turnplätzen durch die
Behörden.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 10 von 56
Eine Schriftprobe F.L. Jahns (entnommen „Turnvater Jahn – Sein Leben und Werk“
von Edmund Neuendorf, Eugen Diederichs Verlag, Jena, 1928
FESTSCHRIFT.doc
Seite 11 von 56
Im Kongreß von Aachen im November 1818, an dem die Reaktion bereits gegen
freiheitlich-demokratische Regungen vorging, führte der österreichische
Staatskanzler Metternich das große Wort. Er verunsicherte den preußischen Minister
Hardenberg derart, dass im Jänner 1819 das Turnen in Berlin unter Aufsicht gestellt
wurde. Die Eröffnung des Turnplatzes am 31. März 1819 wurde verboten.
Dieses als „Turnsperre“ in die Geschichte eingegangene Geschehen hätte ein gutes
Ende genommen, lagen doch die Papiere für die Zulassung bereits beim König.
Da erfolgte der Mord an Kotzebue durch Georg Sand.
Die Tat wurde den Turnern in die Schuhe geschoben.
„Das Turnwesen einsiedlerte in Säle und Gärten“ berichtet Jahn.
1920 erging die Order, dass „das Turnwesen gänzlich aufhören“ solle.
Schon im Juli 1819 wurde Jahn wegen behaupteter „hochverräterischen
Beziehungen“ verhaftet und in Spandau eingekerkert.
Vorgeworfen wurden ihm „demagogische Umtriebe“ womit sein öffentliches Auftreten
als Redner über „Deutsches Volkstum" gemeint war. Sogar der Billigung eines
angedrohten Meuchelmordes an einem Gegner wurde er bezichtigt.
Verhört wurde er vom Kammergerichtsrat E.Th. A. Hoffmann.
Der gelernte Jurist wurde als Schriftsteller („Die Elixiere des Teufels“, „Die
Lebensansichten des Kater Murr“) berühmt.
E.Th.A. Hoffmann stellte die Haltlosigkeit der Beschuldigungen in allen Fällen fest
und empfahl die Freilassung Jahns.
Zwar wurde Jahn im Mai 1820 freigelassen musste aber in der Feste Kolberg
wohnen und wurde der Aufsicht des Kommandanten unterstellt.
Während seiner Haft waren zwei seiner drei Kinder gestorben.
Jahn arbeitete eine Verteidigungsschrift aus, die er im August 1821 dem
Oberlandesgericht in Breslau übermittelte. Dieses erließ im Jänner 1824 das Urteil.
Jahn wurde wegen wiederholter unehrerbietiger und frecher Äußerungen über die
bestehende Verfassung und Einrichtungen des Staates ohne Anrechnung seiner
vorangegangenen Haft zu einem zweijährigen Festungsarrest verurteilt. Von allen
anderen Beschuldigungen wurde er frei gesprochen.
1824 starb Jahns Frau.
Jahn berief gegen das Urteil und übergab seine „Selbstverteidigung“ der 2. Instanz in
Frankfurt an der Oder im Oktober 1824.
Er wurde am 15. März 1825 freigesprochen.
Allerdings unter der Auflage, seinen Aufenthalt weder in Berlin noch in 10 Meilen
Umkreis, noch in einer Universitäts- oder Gymnasialstadt zu nehmen. Auch verblieb
Jahn unter polizeilicher Aufsicht.
Deshalb übersiedelte Jahn mit seinem Sohn Arnold Siegfried und seiner zweiten
Frau Emilie nach Freyburg an der Unstrut. Das Ehepaar bekam eine Tochter
Sieglinde.
Als Jahn trotz Verbot mit Gymnasiasten verkehrte erhielt er eine 7 Jahre dauernde
Verbannung nach der Stadt Kölleda, ehe er wieder in sein Haus nach Freyburg
zurückkehren durfte.
Eine Beschwerdeschrift mit sehr deftigen Ausdrücken führte zu einer sechswöchigen
Festungshaft 1830 in Erfurt.
In diesen Jahren ging er seinen schriftstellerischen Arbeiten nach.
Der Brand seines Hauses im August 1838 vernichtet mit dem Wohnhaus nicht nur
seine umfangreiche Bibliothek, sondern zahlreiche Manuskripte. So die für eine
„Geschichte des 30-jährigen Kriegs“ und „Mittelgard“.
Eine Welle der Hilfsbereitschaft ermöglicht es Jahn durch Spenden sein Haus wieder
zu errichten.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 12 von 56
1840 brachte mit der Thronbesteigung König Friedrich Wilhelm IV. die Aufhebung
aller Beschränkungen und die nachträgliche Verleihung des in den Freiheitskriegen
erworbenen Eisernen Kreuzes.
Am 8. Juli 1842 erläßt der König die Order, die das Turnen nach 23 Jahren Verbot
wieder erlaubt.
Das Jahr 1848 – die deutsche bürgerliche Revolution, damals als „Völkerfrühling
gefeiert – bringt auch Jahn wieder in den Vordergrund.
Er zieht als Abgeordneter in die deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter
Pauskirche ein.
Als Staatsoberhaupt wird Erzherzog Johann von Österreich gewählt.
An seinem inneren Widerspruch und der stärker werdenden Reaktion zerbricht die
Idee eines gesamtdeutschen Parlaments.
Jahn ist zunehmend isoliert und vereinsamt.
Er beschließt seine berühmte „Schwanenrede“ mit dem Schlußsatz : „Deutschlands
Einheit war der Traum meines erwachenden Lebens, das Morgenrot meiner Jugend,
der Sonnenschein der Manneskraft, und ist jetzt der Abendstern der mir zur ewigen
Ruhe winkt.“
Als man daran dachte einen deutschen Kaiser zu wählen schien das Ziel des
monarchistisch gesinnten Jahns nahe. Jedoch lehnt König Friedrich Wilhelm IV von
Preußen dieses Angebot ab.
Jahn kehrt enttäuscht nach Freyburg zurück.
Am 15. Oktober 1852 stirbt Jahn an einer Lungenentzündung, die er sich geholt
hatte, als er seinen Enkel bei einem Gewitter durch einen Gießbach trug.
Am 18. Oktober 1852 wird Jahn in aller Stille – die Teilnahme Auswärtiger hatte die
den „Demokraten“ Jahn fürchtende Obrigkeit verboten – begraben.
W.P.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 13 von 56
MR Dr. Bruno Burchhart
Jahn und die Studenten
Eine der interessantesten Persönlichkeiten mit großem Nachhall in der Geschichte war und
ist zweifellos der in Lanz bei Lenzen / Brandenburg geborene Friedrich Ludwig Jahn.
Nach Studienjahren in mehreren Universitätsstädten, nach vielen Wanderungen durch die
deutschen Lande und zahlreichen Kontakten mit Mitbürgern aller Schichten, konnte er
letztlich als Hauslehrer in Berlin Fuß fassen, wurde Turnvater, Studentenidol,
Spracherzieher, Volksvordenker.
In der Zeit tiefster Erniedrigung seines im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation
beheimateten Volkes durch die Besetzung vom Militär- Diktator Napoleon machte er sich
Gedanken über die Zukunft, schrieb darüber bedeutende Werke, deren Inhalt er auch in die
Tat umzusetzen wusste.
Als 30 (!) – Jähriger entwickelte er, für die damalige Zeit der Zersplitterung, revolutionäre
Ideen :
Für die in verschiedene getrennte Stände zersplitterte Bevölkerung entwickelte er die
revolutionäre stände- und generationen- übergreifende Idee des Turnens, Beginn
Hasenheide 1811 !
Für die zersplitterte Studentenschaft schrieb er (mit Friesen) die Ideen für die Gründung
einer Burschenschaft 1810 / 12 nieder, was Eingang in die Gründung der UrBurschenschaft – heute einem der größten europäischen Studentenverbände - fand.
Für die deutsche Muttersprache setzte er sich zT recht deftig ein, war jedoch ein großartiger
Neu-Schöpfer vieler Begriffe in Turnsprache und Volkssprache.
Für die in zahllose Kleinstaaten zersplitterten Teile des gesamtdeutschen Volkes entwickelte
er die revolutionäre einende Idee des Volkstums in seinem Werk „Deutsches Volkstum /
1806.
Führten seine Ideen zunächst zu einem Aufblühen von Turnerschaften, so konnte dies zwar
durch deren Verbot infolge der Metternich’schen „Karlsbader Beschlüsse“ kurzfristig
unterbrochen werden, sie nahmen aber dann nach der bürgerlichen 1848- Revolution wieder
großen Aufschwung. Nicht nur, aber auch im Bereich des Kaisertums Österreich kam es zur
Gründung zahlreicher, bis heute bestehender Turnvereine und Studentenverbindungen.
Daß ein Mann mit so vielen Ideen und Tatkraft auch Widerspruch seit seiner Lebenszeit
hervorrief,ist bekannt.
Manches auch ist aus seiner Zeit her historisch abzuleiten und zu verstehen.
Als 11 (!)- jähriger hatte Jahn die Französische Revolution mitbekommen, ein Aufstand des
Volkes gegen Fürstenwillkür, letzten Endes mündend wieder in einem Fürstenstaat, dem
Napoleons.
Als 20- jähriger Student erkannte Jahn die Zersplitterung in den rein landschaftlich
organisierten Studenten - Verbindungen, denen trotz ihrer gleichen Sprache jeder
regionalübergreifende Patriotismus fehlte.
Als 30- jähriger hatte Jahn miterleben müsse, wie alle deutschen Lande von Napoleon
besiegt, besetzt und unterdrückt waren, und musste die Ohnmächtigkeit des - nach Ende
FESTSCHRIFT.doc
Seite 14 von 56
der jahrhundertelangen Ordnung durch Zerfall des nunmehr in zahllose Kleinstaaten
zersplitterten - deutschen Reiches miterleben.
Auch in anderen Bereichen war vieles so völlig anders, als wir uns das heute vorstellen
können.
Die Bevölkerung war in viele, völlig voneinander abgehobene so genannte Stände
zersplittert.
Kaiser, zahlreiche weltliche Fürsten, wie Könige, Herzöge, u.a.m sowie geistliche Fürsten,
wie z.B Erzbischöfe, so der bis heute als Primas Germaniae“ Bezeichnete von Salzburg
oder andere die von Mainz, Trier, zahllose Grafen und sonstige Adelige, die zahlreichen
Offiziere, die höheren Beamten, die Studenten, dann die Handwerker, Tagelöhner.
Sie alle waren streng voneinander getrennt.
Keinerlei Gleichheit, keinerlei soziales Gewissen, keinerlei Freiheit.
So nebenbei gab es auch keinerlei Wohlfahrt wie Krankenkasse, Unfallversicherung,
Pensionsversicherung, heute wesentliche Bestandteile unseres Lebens.
Die Studenten waren streng nach einzelnen Landstrichen eingeteilt und gegliedert, eine
totale Zersplitterung in sog. Kränzchen und Landsmannschaften, wo Sachsen nur zu
Sachsen, Schlesier nur zu Schlesiern, usw. gehen durften. Es herrschte ein zum Teil
ungezügeltes Trink - und Fecht - Wesen. Kleinlichkeit herrschte allerorten. Auch hier
keinerlei Gleichheit, keinerlei Einheit.
Rechtlich gesehen war allein der Wille des absolut regierenden Fürsten maßgeblich.
Es gab keinerlei - heute selbstverständliche - Gewaltentrennung, also keine Wahl von
Volksvertretern in ein Parlament oder dergleichen, keinerlei Verfassung über die Rechte des
Menschen, keine Freiheit, nur die Abhängigkeit in jeder Beziehung vom Fürsten.
Dies alles zur kurzen Veranschaulichung der damaligen Zustände, um das damalige Umfeld
in Erinnerung zu bringen.
Es gilt bei diesem Vortrag - und ich meine auch bei dieser Festveranstaltung - nicht darum,
die Heroisierung eines sicherlich bedeutenden Mannes zu betreiben, sondern darum, die
zweifellos zeitlosen Ideen dieses kernigen Deutschen herauszuarbeiten.
Eines Deutschen, der im heutigen Sprachgebrauch im Sinne eines Angehörigen von einem
durch Kultur, Sprache, Abstammung, Geschichte zusammengehörigen Volkes sich als
Angehöriger dieses Volkes fühlte und danach handelte.
Jahn hatte schon zu seiner Studentenzeit von Halle bis Göttingen, von Greifswald bis Leipzig
und Jena, usw. sowie auf seinen zahlreichen Wanderungen über all die damaligen
unzumutbaren Zustände nachgedacht und nach Lösungen gesucht.
Im Kampf gegen die napoleonische Unterdrückung traf er in der studentischen Kampfgruppe,
dem berühmten Lützow’ schen Freikorps, dessen stellvertretender Kommandant er war, viele
Gesinnungsfreunde. In der für die, später wieder befreiten, Gebiete eingesetzten
Zentralkommission, für die er auch diese Gegenden bereisen musste, hatte er mit vielen
Gleichgesinnten zu tun. Einige Namen dieser Zeit seien genannt : Friesen, Stein, Gneisenau,
Scharnhorst, Arndt, Fichte, Schleiermacher und andere. – Übrigens war Jahn auch in Wien,
1815 beim Wiener Kongreß, wo er im Matschakerhof, in der Spiegelgasse untergebracht
war.
Dies alles sei erwähnt, um das zeitliche Umfeld in Erinnerung zu rufen.
„Der Plan zur Gründung einer deutschen Burschenschaft“ – so schreibt Hermann Haupt, der
Begründer der burschenschaftlichen Geschichtsforschung – „hatte den Zweck, das
Studententum moralisch zu verbessern und den deutschen Sinn zu beleben.“
Ausgegangen war Jahn von dem in Deutschlands damals trübsten Tagen der NapoleonBesetzung gegründeten patriotischen Geheimbund „Deutscher Bund“, dessen Satzung auch
deutlich seine Handschrift trägt. Heißt es doch dort :“Zweck ist die Erhaltung des deutschen
FESTSCHRIFT.doc
Seite 15 von 56
Volkes, Neubelebung der Deutschheit, Hinwirkung zur Einheit unseres zersplitterten Volkes“.
Nicht nur reifte in Jahn schön langsam der Entschluß, das Turnen auch in dieser
Richtung als Erziehungsstätte zu gründen, sondern im Auftrag dieses „Deutschen Bundes“
entwickelte er zusammen mit seinem Mitstreiter Friedrich Friesen einen studentischen Plan.
Niedergelegt wurde dies in der bekannten Denkschrift mit dem Titel „Ordnung und
Einrichtung der deutschen Burschenschaften“.
Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, was für revolutionäre Erneuerungsideen, die
vom betroffenen Studentenbereich mit Begeisterung aufgenommen wurden, darin enthalten
waren. Wenn überhaupt, dann bestenfalls vergleichbar mit den jedoch zerstörerischen 1968er Unruhen.
Jahn und Friesen aber riefen zur Erneuerung auf.
Zur Erneuerung des zersplitterten Studentenlebens mit idealistischen Zielen : Die auf den
Hochschulen sich wissenschaftlich bildenden Studenten waren seit Alters her Burschen
genannt, die sich – und das war neu – jetzt „frei und mit gleichem Recht“ „zum
deutschen Manne zu bilden“ hatten, dessen „heiligste Pflicht es ist, dereinst im bürgerlichen
Leben für Volk und Vaterland kräftig zu wirken“.
Gegen die damals existierenden, zwangsweise rein regional gegliederten
Studentenvereinigungen, so genannten Kränzchen und Landsmannschaften, wurde in dem
Vorschlag striktest vorgegangen. Waren diese doch dauernd in irgendwelche Händel und
Völlereien untereinander verstrickt, dadurch von der Wissenschaft abgezogen. Auch war ihr
„Umgang nur auf die nächsten Landsleute beschränkt“, wodurch ein „undeutscher Kleingeist
erzeugt wird“. Diesem so genannten Pennalismus und den „unvolkstümlichen und
Weltbürgerlichkeit bezweckenden“ so genannten Studenten-Orden setzten Jahn und Friesen
entgegen, dass an jeder Universität nur eine einzige Gemeinschaft aller Hochschüler, eben
die Burschenschaft sein sollte, die alle anderen Vereinigungen null und nichtig werden lässt.
„Beim Burschenleben in Freiheit und ohne Stände- Beschränkung muß das deutsche Volk
und das Sittengesetz über allem gelten“ heißt es in der Schrift, ebenso wie
das Hochhalten der Ehre, die dem Burschen auferlegt, „Keine Unbill zu dulden, keine
ungerechte Anmaßung zu leiden, keine schmähliche Zumutung ungeahndet zu lassen und
nicht die Volksehre beflecken zu lassen.“
Als Kennzeichen sollte dem freien deutschen Burschen das Schwert als Zeichen
seiner Wehrhaftigkeit, der Hut als Zeichen seiner Freiheit und Gold und Silber auf den
Kleidern, das sonst nur Vorrecht des Adels war, bleiben. – Übrigens blieb dem
Burschenschafter und den sonstigen Waffenstudenten bis heute der Hut, das so genannte
Couleur, das Burschenband als Symbol sowohl des Lebensbundes seiner Verbindung sowie
als Zeichen des Schwertbandes und somit seiner Wehrhaftigkeit sowie die späteren
Volksfarben Schwarz- Rot- Gold in teilweise abgeänderter Form. Wir kommen darauf noch
zurück. Diese als die wichtigsten Punkte aufgezählten Vorschläge von Friesen und Jahn enthielten
nicht für die Studentenschaft, sondern auch für das kleinstaatlich zerrissene gesamtdeutsche
Land hochpolitischen Inhalt.
Diesen vielen Klein- und Kleinst- Staaten musste die Forderung nach Ende der
landsmannschaftlichen Zerrissenheit und dem Gedanken eines gemeinsamen deutschen
Volkes als Kampfansage erscheinen.
War es doch klar ersichtlich, dass der Einigung der Burschen unter der Fahne der Einheit
des deutschen Volkes auf Hochschulboden bald auch ein allgemeiner engerer
Zusammenschluß folgen würde und sollte, der zu einer Schmälerung landesfürstlicher Macht
führen würde.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 16 von 56
Die dargelegte Denkschrift fand von Berlin aus rasend schnell ihren Weg im gesamten
deutschen Sprachraum an die Universitäten, wo sich nationale Freiheitsbewegungen zu
entwickeln und zu verbreiten begannen. Auch die damaligen Hochschullehrer verschlossen
sich keineswegs solchen Ideen.
Denken wir doch beispielsweise an die berühmten „Reden an die deutsche Nation“ von
Johann Gottlob Fichte oder an den Historiker Heinrich Luden mit seinem jede Nation
betreffenden universalen Ordnungssystem, wo er festhielt, dass es das „erste Streben jeden
Volkes sein muß, seine Selbstständigkeit zu erhalten, unabhängig von anderen zu bleiben,
damit ihm nicht fremden Volkes fremder Sinn aufgezwungen werde“.
Moderner könnte man kaum formulieren ! Diesen geistig- ideellen Strömungen standen zur
Umsetzung aber zunächst die Kriegsläufe entgegen.
Napoleon stand noch immer “ante portas“, mit seiner aus den Weiten Russland
zurückgekehrten, durch neuerliche Aushebungen ergänzten Armee.
Studenten und Turner aus allen deutschen Landen stellten sich im bekannten Lützow’schen
Freikorps auf, vaterländisches Gedankengut wurde weiter getragen,
das Schwarz- Rot- Gold der Lützower war Symbol dafür .
Nach Besiegung Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig wurde in den Hörsälen der Ruf
nach der reformatorischen Bewegung und Einrichtung einer „Burschenschaft“ immer lauter.
Und jetzt setzte sich der Jahn’sche Gedanke immer weiter durch.
In der Universitätsstadt Jena fanden sich Studenten und Universitäts- Professoren
zusammen und entwarfen eine „Verfassungs- Urkunde der Jenaischen Burschenschaft“, die
Formulierung erfolgte durch zwei enge Vertraute Jahn’s , den Mediziner Wilhelm
Kaffenbergher und den Theologen Johann Heinrichs, beide alte Lützower.
Die Jahn’schen Gedankengänge und Denkschrift sind darin deutlich erkennbar :
Der Allgemeine Teil begann mit dem berühmten Lied von Ernst Moritz Arndt : „Was ist des
Deutsachen Vaterland ?“, das sehr treffend die Grundstimmung der burschenschaftlichen
Gründer- Generation widerspiegelt. Das in mehr als 38 Seiten noch heute erhaltene,
umfangreiche Regelwerk behandelt alle möglichen Studentenbräuche, Wahlen, Studienziele, usw. Neu gegenüber früheren Comments war vor allem der vaterländische Geist :
„ Zwar hat die Natur uns Deutsche in einzelne Stämme geteilt, aber ein gemeinsamer Geist
soll alle Deutschen beleben, auch auf den Universitäten soll sichtbar das Volksgefühl
hervortreten.“ - Am 12. Juni 1815 – übrigens 8 Tage vor Napoleon’s endgültigem Waterloo versammelten sich die bisherigen studentischen Landsmannschaften mit ihren Fahnen auf
dem Jenaer Marktplatz und zogen über die Brücke über die Saale zum berühmten Gasthof
„Zur Tanne“.
Nach einer begeisternden Rede des Sprechers der alten Landsmannschaft „Vandalia“
senkten sich die Fahnen als Zeichen der Auflösung. Die Verfassungs- Urkunde wurde
verlesen und genehmigt, als gemeinsame Farben auf Jahn’s Vorschlag Schwarz- Rot- Gold
gewählt. Fest zu halten ist, dass diese dann später beim Hambacher Volksfest von 1832 zu
den bis heute gültigen Volksfarben wurden. Schwarz - Rot - Gold findet sich nicht nur in der
Flagge der heutigen Bundesrepublik Deutschland, sondern auch im Staatswappen der
Republik Österreich : Der schwarze Adler mit roter Zunge und den goldenen Fängen wurden
so ganz bewusst gewählt und verfassungsmäßig, zuletzt 1981, beschlossen. Mit all diesen
beschriebenen Vorgängen war die Gründung der so genannten Ur- Burschenschaft erfolgt !
Ein Fanal in der damaligen Zeit bis heute ! Und, was doch auch festzuhalten ist, eine nicht
nur organisatorische Tat, sondern eine geistesgeschichtlich weit in die Zukunft reichende
Tat, zurückgehend nicht zuletzt auch auf die vorliegenden Dokumente aus der Hand von
Friedrich Ludwig Jahn.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 17 von 56
Ein besonders bis heute weiterwirkendes Ereignis war das von Jahn angeregte berühmte
Wartburg - Fest von 1817, das von seinen Schülern Heinrich Maßmann, Heinrich Riemann
und anderen organisiert wurde.
Entgegen den allgemeinen Erwartungen hatten die restaurativen Kräfte beim Wiener
Kongreß 1815 keinerlei Änderungen gegenüber früherem Verhalten gezeigt. Dem setzten die
Burschenschaften ihr vaterländisches Bewusstsein entgegen, erstmals bei diesem
Wartburgfest als ein weithin leuchtendes Zeichen für Freiheit und Volksbewusstsein.
Festgehalten wurde die dort erhobenen Studenten- Forderungen dann in den „Grundsätzen
und Beschlüssen der Deutschen Burschenschaft“ vom 18. Oktober 1818.
Hier werden die nicht zuletzt auch auf Jahn zurückgehenden Forderungen formuliert, die
Jahn in seinen bekannten Werken niedergeschrieben hat. Besonders genannt seien hier sein
„Deutsches Volkstum“ von 1810 , „Über die Beförderung des Patriotismus“ von
1800, „Runenblätter“ von 1814 , „Deutsche Turnkunst“ von 1816.
Die burschenschaftlichen Forderungen waren:
Allgemeine Verfassung unter dem Dreiklang „ Freiheit, Gleichheit, Einheit“ mit
demokratisch zu beschließenden Regeln für das Zusammenleben,
Gleichheit vor dem Gesetz, Freiheit der Person, des Glaubens und Gewissens,
Meinungs- und Presse- Freiheit, Versammlungs- und Vereins- Freiheit, Lehr- und
Forschungs- Freiheit,
alles völlig neue, weit reichende und bis dahin völlig unerhörte revolutionäre Neuheiten.
Hingewiesen darf nochmals werden, dass schon Jahn in seinem „Deutschen Volkstum“ und
in seinen diesbezüglichen Vorträgen eine „weise Verfassung“ mit für alle gültigen Gesetzen,
Gerichtsverfassung, freies Wort und Werk“ gefordert hatte.
Diese Grundsätze der Deutschen Burschenschaft sind ein derartig weit in die Zukunft
reichendes Dokument, das bis heute und auch weiterhin seine Auswirkungen zeigt, dass
darauf näher eingegangen werden muß. – Zunächst sollte sich jedoch zeigen, dass diese
revolutionären Ideen in der damaligen Zeit der Fürstenwillkür, Leibeigenschaft und somit
geistiger und körperlicher Unfreiheit zwar eine ungeheure Verbreitung in den vielen neu
gegründeten Turnerschaften und Studentenschaften hervorriefen.
Vom Metternich’schen Überwachungsstaat wurde dies aber nicht geduldet, ein Anlaß war
bald gefunden. Es kam zum Verbot von all diesen erblühten Vereinigungen, der so
genannten Demagogen- Verfolgung mit einer riesigen Welle von Verhaftungen,
Einkerkerungen, Verurteilungen.
Auch Jahn war davon massiv betroffen.
Die Ideen lebten aber weiter und kamen dann bei der Bürgerlichen Revolution von 1848 zum
Durchbruch. Bürger, Studenten und Arbeiter stiegen in allen deutschen Landen gemeinsam
auf die Barrikaden – übrigens von Wien bis Berlin, mit schwarz- rot- goldenen Kokarden und erhoben massiv ihre Forderungen. Das führte dann zu den ersten gesamtdeutschen
Wahlen, zur Nationalversammlung im Paulskirchen- Parlament von Frankfurt am Main. Und
hier sehen wir nicht nur zahlreiche Waffenstudenten, nämlich Corps- Studenten und viele
Burschenschafter, deshalb auch manchmal „Burschenschafter- Parlament“ genannt, sondern
wir begegnen auch wieder dem von der Kieler und Jenaer Universität mit dem Ehrendoktorat
ausgezeichneten, jetzt voll rehabilitierten DDr hc Friedrich Ludwig Jahn. Er wurde sogar
aufgrund seines bewiesenen vaterländischen Idealismus, Gesinnung und Lebenswerkes von
den 800 Abgeordneten zu einem der Vizepräsidenten gewählt.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 18 von 56
Dieses Parlament beschloß zum ersten Mal in der gesamtdeutschen Geschichte – eben
auch unter Jahn’s Mitwirkung eine Verfassung. Ein solch einmaliges Werk hatte es bisher
noch nie gegeben weder in deutschen Landen noch in Europa und ist in seiner bis heute
gebliebenen Modernität ein Meilenstein, auf den Turner und Waffenstudenten stolz sein
können und sollen und immer wieder in allen Diskussionen hinweisen sollen.
Da sich in diesem 1848-er - Werk der direkte Forderungs- Katalog der BurschenschaftsGrundsätze von 1818 widerspiegelt wird jetzt näher darauf eingegangen. Und das auch
deswegen, weil all das fast wortwörtlich in die Verfassungen der heutigen Staaten des
deutschen Sprachraumes, nämlich der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich
und der Schweizer Eidgenossenschaft Eingang gefunden und von den entsprechenden
Parlamenten beschlossen wurden.
Verfassungen sind nach demokratischen Anschauungen die Niederlegung der vom Volks
ausgehenden Rechte und Pflichte des staatlichen Gemeinwesens.
Hier nun ein Vergleich der Forderungen der Burschenschafter von 1818 mit der Verfassung
von 1848 mit den heute gültigen Verfassungen von Deutschland, Österreich und Schweiz :
Ein Vergleich der wichtigsten Texte aus den burschenschaftlichen Wartburg- GrundsatzBeschlüssen von 1817 / 18, der Paulskirchen- Verfassung der Nationalversammlung von
Frankfurt/ Main 1848/ 49, der heute gültigen Republik- Österreich- Verfassung von
1910/1929/1991 , des Grundgesetzes der BR Deutschland/ 1949 und der Schweizer
Verfassung/ 2000 soll uns die über oben genannten Tatsachen Klarheit verschaffen :
1. Freiheit der Person :
Burschenschaft (GS 18) : Das erste und heiligste Menschenrecht ist die persönliche
Freiheit
Frankfurt ( § 138 I/II) :
Die Freiheit der Person ist unverletzlich
Österreich (Art.1 (1) :
Jedermann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche
Freiheit)
BRD (Art 2/II) :
Die Freiheit der Person ist unverletzlich
Schweiz (Art 10/2) :
Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit
2. Gleichheit :
Burschenschaft (GS 19) : Freiheit und Gleichheit ist das Höchste. Es gibt keine Freiheit
und
Gleichheit als mit dem Gesetz und vor dem Gesetz
Frankfurt (§ 137/III :
Die Deutschen sind vor dem Gesetz gleich
Österreich (Art 2) :
Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich
BRD (Art. 3) :
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich
Schweiz (Art 1) :
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich
3. Meinungs-, Presse- Freiheit :
Burschenschaft (GS 31) : Das Recht in freier Rede und Schrift seine Meinung zu äußern,
ist ein
unveräußerliches Recht......
Frankfurt (§ 143) :
Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, bildliche
Darstellung
seine Meinung frei zu äußern.....
Österreich (Art 10) :
Jeder hat Anspruch auf freie Meinungs- Äußerung
BRD (Art 5) :
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei
zu
äußern. Eine Zensur findet nicht statt.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 19 von 56
Schweiz (Art 16) :
Jede Person hat das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie
ungehindert zu äußern und zu verbreiten
4. Glaubens- u. Gewissens- Freiheit :
Burschenschaft (GS 6) :
Die Lehre von der Spaltung in das katholische und
protestantische
Deutschland ist falsch. Wir haben alle einen Gott, an den wir
glauben.
So hat keiner den anderen zur Rechenschaft zu ziehen.
Frankfurt (Art 144) :
Jeder Deutsche hat volle Glaubens- und Gewissenshfreiheit.
Österreich (Art 9) :
Jedermann hat Anspruch auf Gewissens- und Religionsfreiheit
BRD (Art 4) :
Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und Bekenntnisses
sind
unverletzlich
Schweiz (Art 15) :
Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet
Ebensolche Ähnlichkeiten bestehen bei der verfassungsmäßig gewährleisteten
Versammlungs- und Vereins- Freiheit, dem Schutz des Eigentums, AufenthaltsFreiheit, uam
Die zitierten Vergleiche zeigen deutlich, wie vorausschauend, eigentlich zeitlos die 190 Jahre
alten Grundsätze der Burschenschaft sind, die ja – wie gezeigt werden konnte - nicht
unwesentlich auf Jahn’s Grund- Überlegungen zurückzuführen sind.
Auf die Studentenschaft hatten all diese Dinge natürlich auch großen Einfluß : Nicht nur,
dass wesentliche Führungs- Persönlichkeiten, wie zB der berühmte Präsident der
Paulskirchen- National- Versammlung Heinrich von Gagern so wie zahlreiche andere ein
Burschenschafter war.
Ein Aufleben der deutschen National- und Freiheits- Idee kam nach dem zeitweiligen
Scheitern von 1848 infolge des militärischen Einschreiten des Neo- Absolutismus mit den
großartigen Feiern anlässlich des 100. Geburtstages des Freiheits- Dichters Friedrich
Schiller zum Durchbruch.
Zahlreiche Gründungen von waffenstudentischen Korporationen und Turnvereinen,
besonders auch im Donau- Monarchie- Bereich zeigten das ungebrochene Bewusstsein für
die Ideen von Jahn und seinen Mitstreitern.
Als Beispiele seien nicht nur die bald 150- Jahre Bestand feiernde Wiener akademische
Burschenschaft Olympia, sowie Silesia und Libertas Wien genannt, sondern auch die jeweils
Deutschen Turnvereine von Klagenfurt 1862, Laibach 1864, Triest 1864, und viele andere
mehr.
Die alle Volksschichten umfassende Idee von „frisch, fromm, fröhlich, frei“ unter dem KörperGeist und Seele umfassenden Motto : „Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“
motivierte Turner und Burschenschafter, eine Gemeinsamkeit, die auch so gewollt war, wie
in den Turngesetzen und den Verfassungs- Urkunden nachlesbar ist.
Die akademischen Burschenturner waren immer wieder maßgeblich an nationalen EinigkeitsBestrebungen und Durchsetzung Jahn’scher Ideen beteiligt.
Genannt sei zum Beispiel der Burschenturner Dr. Hans Stingl, Mitglied vom Turnverein
Krems und der Burschenschaft Teutonia Wien, der am Weimarer Turnertag 1868 einen
gesamtdeutschen Turnverband, die „Deutsche Turnerschaft“ mit seinen 15 Turnkreisen,
dessen15. Turnkreis eben der Turnkreis Deutsch- Österreich mit seinen verschiedenen
Turngauen war, begründete.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 20 von 56
Burschenturner waren in schweren Weltkriegskämpfen zusammen an der Front gestanden,
hatten zur Förderung und Erhaltung des Deutschtums den Deutschen Schulverein gegen
Panslawismus- Bestrebungen gegründet, waren im Kärntner Abwehrkampf 1918/ 19 im
Kampf um das Selbstbestimmungsrecht für die Einheit Kärntens zusammengestanden.
Auch nach dem „Begräbnis erster Klasse“, der Auflösung der Turnvereine und
Burschenschaften im sog. Dritten Reich, erfolgte nach schwerer Nachkriegszeit wiederum
und weiterhin ein erfolgreiches Engagement der Burschenturner zur Stärkung und Erhaltung
des Volksbewusstseins im Sinne des gerade heutzutage im freien Europa so
zukunftsträchtigen Zusammenhaltens der deutschen Kulturnation in allen dessen Staaten.
Im Bereich des Österreichischen Turnerbundes können Persönlichkeiten wie der ehemalige
Bundesobmann Ing. Roland König vom Turnverein Landeck und Burschenschaft
Markomannia Wien oder der langjährige Bundesdietwart Dr. Bruno Burchhart vom
Deutschen Turnverein St. Jakob i. Ros. und Burschenschaft Olympia Wien genannt werden.
Im Bereich der politischen Volksvertreter sind anzuführen Mag. Helmut Kowarik im Wiener
Landtag vom Turnverein Sechshaus und Burschenschaft Aldania Wien oder Lutz Weinzinger
im Nationalrat vom Turnverein Schärding und Burschenschaft Bruna Sudetia Wien sowie die
vielfältigen Tätigkeiten von Burschenturnern in Heimat- , Brauchtums- und ähnlichen
Verbänden.
Wie notwendig alles das gerade heutzutage ist, zeigt der immer noch anhaltende Kampf
gegen die Bedrohung der persönlichen Freiheit durch den elektronischen
Überwachungsstaat, das notwendige Einschreiten gegen die Bedrohung der MeinungsFreiheit durch das „politisch korrekte“ Gutmenschentum, das Auftreten gegen die Bedrohung
der Versammlungs- Freiheit durch den linken Tugend- Terror und besonders der Kampf für
unser Deutschtum gegen geistige Flachwurzler und Eintags- Hedonisten.
Es mag sein, dass aufgrund der knorrig- kantigen Persönlichkeit von Friedrich Ludwig Jahn
so manches, was durchaus auch aus seiner damaligen Lebenszeit und Lebenssicht heraus
zu sehen ist,uns heute nicht mehr verfolgenswert erscheint.
Es bleibt aber gerade heute, im Zeichen der grenzüberschreitenden und kulturelle Vielfalt
propagierenden, Europa- Idee das notwendige Eintreten für das eigene Volkstum,
Brauchtum und Kultur, die nun einmal allen Beckmessern zum Trotz eine deutsche ist,
natürlich mit jeweils eigenen Ausprägungen.
Es bleibt auch besonders das demokratische Verhalten mit dem Eintreten für Verfassung
mit Gleichheit und Freiheit und es bleibt weiterhin die Turnidee mit ihrem Eintreten für die
Körper- Geist- Seele- Ganzheit des Menschen in der Gemeinschaft.
Alles das hat sich als zeitlos, lebenswert und überlebensfähig erwiesen und so soll es
bleiben.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 21 von 56
Hansgeorg Kling
Jahns Bedeutung für die Turnbewegung
Das Turnerische der Turnbewegung
Die Turnbewegung ist bereits an ihrem Beginn gekennzeichnet durch die
Vielseitigkeit körperlicher Betätigung. 1808 ist für Jahn ein Schlüsseljahr: die
„Lebensentscheidung“, die sich aus Jena und Auerstedt für ihn ergibt, die Entstehung
des „Deutschen Volkstums“, die Umrisse dessen, was er Turnen nennt.
Der erste Turnplatz auf der Hasenheide (er wurde bald zu klein, es gab im Laufe der
Zeit insgesamt drei Turnplätze auf der Hasenheide) ist eine „Bewegungsbaustelle",
auf der sich 400, später über 1000 Turner gleichzeitig tummeln konnten, mit
Schwebebaum, Klettergerüst, Tau, Sprungbahn, Wurfanlage, Laufplatz, Spielplatz, ja
selbst einer Stabsprunganlage.
Wir haben vor Augen die ganze Vielfalt des Turnens: Laufen, Springen, Gerätturnen,
also das Turnen an Pferd, Barren und Reck, Klettern, Werfen, Ringen, Hangeln,
Schweben; nicht zuletzt: die sechs Turnspiele, die die „Deutsche Turnkunst“ nennt,
allen voran das abenteuerliche Ritter- und Bürgerspiel.
Zu der Vielfalt körperlicher Betätigungen rechnete Jahn auch das Fechten,
Schwimmen, Reiten, Tanzen und Schlittschuhlaufen (Vorwort zu „Die deutsche
Turnkunst“, 1816).
Vielseitigkeit heute: Welche Entwicklungslinie weist von Jahn in die Zukunft?
Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine Entwicklung der Vielfalt des Turnens
beobachten können, die bis hin zu einem Gesundheitssport führte, den die
Krankenkassen fördern. Aber: Sie ist jetzt eine Vielseitigkeit mit ganz anderer
Ausprägung als vor 200 oder 100 Jahren: Gesundheitsvorsorge, Neuentdeckung des
Körpers, Fitness, Geborgenheit und Selbsterfüllung in der Gruppe,
Selbstverwirklichung.
Sie hat das deutsche Turnen auf mehr als fünf Millionen Mitglieder in 21000 Vereinen
anwachsen lassen (der ÖTB eingeschlossen) und lässt es weiterhin wachsen; im
Gegensatz zur Mehrzahl der Sportarten, auch derjenigen, die ebenfalls auf
Freizeitsport setzen.
Hinzu gekommen sind „Trends“: Welche Bedürfnisse wecken die gesellschaftlichen
Wandlungen und Freizeitmöglichkeiten? Welche Handlungen, Sportformen und
Sportarten sind gefragt? Welches sind die Freizeitsport-Trends? (Christian Wopp):
Die Alten: Gesundheit, Ausdauer, Fitness, Wellness – die Jungen: Wilderness,
Speed, Outdoor, Team, Expressivität (vergl. Hasenheide)
Problematisch ist die Benennung der neuesten Kursangebote: Dance and Aqua,
Body Attac, MOBILIS light, Workoutclass mit dem T-Bow, Power Dumbell, Latin
Power, (das sind real existierende Angebote).
Der Normalfall im Verein ist ein anderer: Gymnastik und Jedermannturnen, Elternund Kind-Turnen, Kinder- und Mädchenturnen, Kiga-Kids, Aerobic und
Trampolinturnen. Dazu kommen als Kursangebote: Rückenschule, Fit bis ins hohe
Alter, Ganzheitliches zum Stressabbau, Pilates, Kraft-Ausdauer-Zirkel.
Turnen ist heute (Jürgen Dieckert): - Spiel und Bewegung, - Turnen und Sport, Tanz und Gymnastik, - Freizeit und Gesundheit, - Gemeinschaft und Kultur.
In der Gesamtlandschaft von Turnen und Sport weisen das Turnen und seine heutige
FESTSCHRIFT.doc
Seite 22 von 56
verbandliche Organisation eine Reihe von Besonderheiten, ja geradezu
Alleinstellungsmerkmalen auf (Schulke). Sie stellen das solide Fundament unserer
Tätigkeit dar:
- Die Vielfalt der Angebote aus 25 Fachgebieten und Sportarten, die seit Jahn
fortgeführte Vielseitigkeit (wobei der DTB „Turnen“ in seiner Satzung
„übersetzt“ mit Turnen und Gymnastik, Leistungssport, Freizeit- und
Gesundheitssport)
Kinderturnen als Kinderstube allen Sports
Das Turnen als unverzichtbarer Bestandteil der Bildung und Erziehung, gerade
auch in der Schule
Die große Beteiligung von Frauen und Älteren, lebenslange Aktivität
Qualitätssicherung im Gesundheitssport (Zertifikate)
Gruppenvorführungen, Shows und Galas ohne Wettkämpfe
Tradition (230. Geb. Jahn, 175 Jahre Hambacher Fest, 250 Geb. GutsMuths)
Turnkultur/Vereinskultur: unsere Symbole, Fahne und Fahnenweihe, Volkstanz,
das Lied, Musik und Spielmannswesen, Vereinsarchiv, Jubiläums-Festschrift,
turngeschichtliche Ausstellung
Die Organisation von komplexen Großveranstaltungen/Turnfesten
Die Veranstaltung von Fachkongressen, z. B. die Turnfest-Akademie
Wir dürfen ohne Dünkel sagen, dass wir in allen diesen Punkten starke
Turnorganisationen haben und einen wichtigen und zudem kostengünstigen Beitrag
für die Volksgesundheit leisten.
Aber immer wieder steht die Turnbewegung vor Hindernissen und Schwierigkeiten.
So müssen in der nächsten Zeit vor allem fünf Zukunftsaufgaben bedacht werden:
1. Sie muss ihr Profil in der Öffentlichkeit schärfen (Außenkontakte,
Politikfähigkeit). Die DTB-„Marken“ Turnen (leistungsorientiert), Kinderturnen
und Gesundheitssport sind da eine Hilfe.
2. Die Vereine sind Mittelpunkt unseres Bemühens. Dort müssen die
Qualitätsbemühungen ankommen, dort muss Bindung entstehen. Mitglieder zu
halten ist zudem billiger, als Mitglieder neu zu gewinnen.
3. Das innerverbandliche „Netzwerk“ zwischen Turngau, Landesturnverband und
Bund muss zumindest im DTB enger, die gemeinsamen Ziele müssen
geschlossener vertreten werden. Zweifellos ist auch der ÖTB ist nur so stark,
wie es seine Turngaue und seine Vereine sind.
4. Die Hauptaufgabe der kommenden zehn Jahre wird die Bildung sein. Die
Bildungsarbeit sollte ausgebaut werden und auf die künftigen Erfordernisse der
Vereine ausgerichtet sein (Zukunftsfähigkeit, „Strategie“ der Vereinsführung).
5. Wir müssen uns gezielter als bisher unseren Mitarbeitern/innen auf
Verbandsebene zuzuwenden. Sie tragen den Verband, sorgen für seine
Geschlossenheit und bilden die Schnittstellen nach innen und außen. Mit dem
Konzept „Pluspunkt Ehrenamt“ ist im DTB ein Konzept entwickelt worden, das
diesen Kreis (Altgediente, jugendliche Nachwuchskräfte, Quereinsteiger)
anspricht (Personalentwicklung).
Der Sport
"Turnen" und "Sport" werden, zumindest in der Sportwissenschaft, mit Recht streng
unterschieden. „Sport“ ist die zusammenfassende Bezeichnung für Leibesübungen,
die auf eine höhere Leistungsfähigkeit zielen. Wenn wir an Rudern, Reiten,
FESTSCHRIFT.doc
Seite 23 von 56
Leichtathletik, Boxen, Tennis, Golf, Segeln, Fußball denken: Zum Sport gehören
Rekorde, das Messen in Zentimetern, Gramm und Sekunden, ein gezieltes Training,
er ist gekennzeichnet durch Spezialisierung und Rationalisierung (Bartmuß).
Hieran wird deutlich, in welch hohem Maße der Sport Ergebnis der gesellschaftlichwirtschaftlichen Entwicklung ist. Das Aufkommen des Sportgedankens im Sinne von
Leistungssport hängt stark mit der stürmischen Entwicklung der Industriegesellschaft
zusammen, in der Konkurrenz und Leistungsentwicklung einen großen Stellenwert
hatten.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts zuerst in England praktiziert, erreichte er im
Verlauf der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auch Deutschland. Hier bildete sich erst
gegen Ende des Jahrhunderts die ersten Sportverbände, 1883 der Dt.Ruderverband,
1900 der DFB.
Bei Sportwettkämpfen gibt es in jeder Disziplin nur einen Sieger. Charakteristisch für
das Jahnsche Turnen und prinzipieller Unterschied zum Sport ist der Siegbegriff: Für
Jahn war nicht entscheidend, wer die beste Leistung vollbrachte, sondern wer sich im
Sinne der körperlichen Gesamtausbildung und der eigenen Vielseitigkeit selbst hatte
"besiegen" können, wer für sich selbst die optimale Leistung hatte erreichen können.
Das Politische der Turnbewegung
Die von Jahn ausgehende Turnbewegung war von Anfang an mit der frühen
Nationalbewegung verknüpft. Sie war wesentlich darauf ausgerichtet, die Jugend auf
den Kampf gegen die napoleonische "Fremdherrschaft" und für die Rettung
Preußens vor dem Untergang vorzubereiten. Dabei erfasste sie in Preußen und den
norddeutschen Gebieten in ihren Anfängen insbesondere die akademische Jugend
und war deshalb auch die "Mutter" der jugendlich-akademischen
Burschenschaftsbewegung, der ersten politischen Jugendbewegung der
europäischen Geschichte. Diese sich in Preußen und den anderen Staaten
Norddeutschlands seit 1806/07 unter dem Einfluss der französischen
Fremdherrschaft rasch verbreiternde und von der Jugend getragene Bewegung
unterschied sich grundsätzlich von der im Rheinland und in den süddeutschen
Staaten entstandenen frühnationalen Bewegung, die hier anknüpfen konnte an die
Reformleistungen, die die Übernahme des Code Napoleon ermöglicht hatte
(Bartmuß).
Sehr wichtig für die Entwicklung einer bürgerlichen Gesellschaft in Deutschland im
19. Jahrhundert waren auch die von der frühen Turnbewegung unter dem Einfluss
Jahns entwickelten Leitbilder und Verhaltensnormen. Die turnerische Haltung: Wir
rechnen sie zu unserem erzieherischen Auftrag. Für sie prägte Jahn die Formel:
Ritterlichkeit, Selbstvertrauen, Ausdauer, Gesundheitspflege (!) und das Weiterlehren
dessen, was Turnen ist. Dazu gehören auch: Selbstdisziplin, die in den
"Turngesetzen" verankerte "turnerische Tugend", die einheitliche Leinen-Gleichtracht
(Vermögendere sollten sich nicht äußerlich hervortun können), das Turner-„Du", die
dem Streben nach einer egalitären Gesellschaft verpflichteten Anschauungen von
der Gleichheit vor dem Gesetz. Die gesellschaftlichen Funktionen der Turnbewegung
waren ihm nicht weniger bedeutend als die politischen.
Jahn strebte ein einfaches, naturverbundenes Leben an, er wollte Brüderlichkeit und
Solidarität, demokratische Selbstbestimmung und einen neuen jugendlichen
Lebensstil:
„Wir wissen nichts von arm und reich,
von Titel, Rang und Stand,
Turnbrüder sind wir alle gleich,
ihr Gut heißt Vaterland.“
FESTSCHRIFT.doc
Seite 24 von 56
1811 war es eine Provokation sondergleichen, mit dem vaterländischen Turnen
einzutreten für „Deutschheit, Mannheit, Freiheit“. Provokation war auch Jahns
ungestümes Auftreten, war die Kleidung der Turner auf der Hasenheide, so dass
Treitschke von den „langhaarigen Rüpeln von der Hasenheide“ sprechen konnte.
Dies und anderes ist Jahn im Laufe der Zeit angelastet worden. Menschliche
Schwächen hatte alle Großen. Will man einer historischen Persönlichkeit gerecht
werden, muss man versuchen, sie aus ihrer Zeit heraus zu verstehen. Die politischen
und gesellschaftlichen Verhältnisse der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind also
immer mit zu betrachten, wenn man Jahn und sein Wirken bewertet.
Inwieweit es Jahn um Bildung und Erziehung ging, zeigt beispielhaft der Tie:
Dem „geistigen Turnen“, dem Turnen als Erziehungsmittel, auch dem, was wir heute
Willensbildung nennen (Dieter Düding spricht geradezu von politischer
Bildungsarbeit, Überhorst von der Vorform einer politischen Partei), diente vor allem
der Tie: jene in der Mitte des Platzes gelegene, erhabene Dingstatt, auf der der
Dingbaum stand. „Der Tie ist Versammlungs-, Erholungs-, Unterhaltungs- und
Gesellschaftsplatz.“ Hier wird den Turnern alles Nötige bekannt gemacht. „Hier ist die
Glocke..., womit man die Turner zusammenruft... Hier ist fröhliches Gespräch,
munterer Scherz, jugendlicher Witz und Gesang.“
Nimmt man das alles in den Blick, dann ist das 19. Jahrhundert gekennzeichnet
durch eine ausgeprägte Gegensätzlichkeit:
Einerseits:
1811 und im so genannten Vormärz, also im Vorfeld von 1848: national-freiheitlich,
demokratisch-republikanisch, sozial-revolutionär: jedenfalls auf der Seite des
Fortschritts, jeder Art von Obrigkeit ein Dorn im Fleisch. Insbesondere die Turnfeste,
mit ihren Ritualen und Symbolen, mit Fahnen, Sprüchen und Ansprachen, sind
Demonstrationen nationalen Selbstverständnisses. Die Farben Schwarz – Rot – Gold
stehen, da die Befreiung 1813/4 ja nur als Teilerfolg eingestuft werden kann, als
Symbol für eine gerechte soziale und demokratische Ordnung, für Überwindung der
feudalen Ordnung und der staatlichen Zersplitterung.
Andererseits:
In den Jahren nach 1849, also in der dritten Entfaltungsperiode des Turnens, folgt
die Erstarrung. Als um 1860 Parteien und Parlamente entstehen, da lässt die
politische Wirksamkeit der Turnvereine zwangsläufig nach. Die große Zeit der
politisierten Turnbewegung ist also vorbei. Ein Beleg dafür ist das dritte DTF in
Leipzig 1863 (Leitfaden für Ordnungsübungen, Entwurf von Muster-Turnordnungen,
Turnen nicht mehr frei und fröhlich; dennoch aber nach der „Pflicht“ der persönliche
Gewinn, Identität, soziale Anerkennung).
Nach der Reichsgründung von 1871 ist die Turnbewegung angepasst und staatstreu,
vorrangig sind jetzt Zucht, Ordnung, Gehorsam, Pünktlichkeit, Pflichterfüllung.
Die Turnvereine sind nicht nur ganz wichtige gesellschaftliche Gruppierungen im
1871 gegründeten Deutschen Reich (Michael Krüger stuft sie als unverzichtbare
Elemente des bürgerlichen Vereinswesens ein), sie gehören zum breiten Feld von
Organisationen in dem nach rechts verschobenen Nationalismus vor dem ersten
Weltkrieg; sie haben ihren Anteil an der Übersteigerung des Nationalen, dem stärker
werdenden Pathos und dem Säbelrasseln im Vorfeld des 1. Weltkrieges (Überhorst:
Kaiserkult). Die Farben sind jetzt: Schwarz – Weiß – Rot.
Fünf Jahrzehnte lang stand das Turnen auf der Seite des gesellschaftlichen
Fortschritts, um die Jahrhundertwende dagegen ist seine politische Funktion im
Wesentlichen Wehrerziehung.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 25 von 56
Der weitere Weg der auf Jahn fußenden Turnbewegung lässt sich beispielhaft an
den Turnfesten aufzeigen:
„Festlichkeit ist Erheben über das gemeine Leben, Herauskommen aus der
Alltäglichkeit,… Befreiung des Herzens von Daseinssorgen,… Frei steht der Mensch
dann als ein Wesen, das auf Freude ein öffentliches unveräußerliches Recht hat“
(Deutsches Volkstum, 1810).
Die ersten Turnfeste waren politisch, indem sie von Jahn als Nationalfeste gemeint
waren: entstanden aus „großen Turntagen“ mit öffentlichen Turnprüfungen und
Turnvorführungen, insbesondere beim An- und Abturnen im März und Oktober, sie
waren gemeint als „Denktage“ (insbesondere an die Völkerschlacht bei Leipzig, 18.
Oktober 1813). Zwischen 1813 und 1819 fanden 3o solche Turnfeste in 16
deutschen Städten statt (Steins).
Der Anspruch ans Programm dieser Turnfeste war ein hoher: Festansprache,
Weihelied, Vorführungen und Wettstreite, Höhenfeuer, Danklied, Ehrenhoch
Umstritten ist die Zählung der DTFe: ATSB 1922 Leipzig und 1929 Nürnberg, 1938
Breslau, DDR acht zwischen 1954 und 1987. Ohne sie ist Frankfurt 2009 das 30.
DTF). Bedeutung der DTFe in München 1923, Köln 1928 und Stuttgart 1933
(Teilnehmerzahlen!): Aufwärtsbewegung in der ungeliebten ersten Republik,
Wirtschaftskrisen, soziale Verwerfungen, Modernisierungen, Auseinandersetzung mit
dem „Sport“.
Die Turnfeste heute:
Gertrud Pfister hat darauf hingewiesen, dass sich das Turnen auch definieren lasse
als ein Kommunikationssystem, das zahlreiche Symbole, Rituale und Inszenierungen
entwickelt hat: Das ist gesehen auf die Jetztzeit und trifft doch, wenn wir richtig
hinsehen, bereits auf Jahns „Inszenierung“ des Turnens zu: Hier liegt also nichts
Geringeres vor als eine ungebrochene Entwicklungslinie.
Was hätte Jahn zum letzten DTF 2005 gesagt? Wie hätte er das bunte Treiben in
Berlin wohl eingestuft?
Zum einen: als begeisternd:
die Stadt als Symbol der nationalen Zusammengehörigkeit
Anerkennung durch die Obrigkeit: Anwesenheit der Spitzen des Staates
die vielen jungen Leute (Riegen)
die Übungsleiter/innen als väterliche oder mütterliche Freunde
Zum anderen: als abstoßend:
die bunten Gewänder
die laute Musik und die englischen Texte
das Multikulturelle, Offenheit und Ausgelassenheit
und damit: die fehlende politische Ernsthaftigkeit der Teilnehmenden
FESTSCHRIFT.doc
Seite 26 von 56
Insgesamt:
Es besteht kein Zweifel daran, dass sich Friedrich Ludwig Jahn zahlreiche bleibende
historische Verdienste erworben hat. Er war der Schöpfer der frühen Turnbewegung
in Preußen und ihr Ideengeber, was ihm später den Ruf des "Turnvaters" einbrachte.
Der erste öffentliche Turnplatz in der Berliner Hasenheide war sein Werk.
Sein Bemühen um die Entwicklung des Turnens galt einerseits der Realisierung
seiner Erziehungs- und Bildungsabsichten:
"Die Turnkunst soll die verlorene Gleichmäßigkeit der menschlichen Bildung wieder
herstellen, der bloß einseitigen Vergeistigung die wahre Leibhaftigkeit zuordnen, der
Überverfeinerung in der wieder gewonnen Männlichkeit das notwendige
Gegengewicht geben und im jugendlichen Zusammenleben den ganzen Menschen
umfassen und ergreifen."
Untrennbar verbunden mit dem Jahnschen Turnen ist andererseits die
gesellschaftliche und politische Dimension. Sie hat sich unter den heutigen
gesellschaftlichen Gegebenheiten selbstverständlich gewandelt. Das Bedürfnis, sich
körperlich zu betätigen, ist heute ein anderes als 1811. Turnen ist nach wie vor
gekennzeichnet durch die Vielseitigkeit. Die „Palette“ des Turnens ist noch breiter als
zu Beginn. Turnen ist heute: Leistungs-, Breiten-, Freizeit und Gesundheitssport.
Diese Benennung der Ausprägungen von „Turnen“ versucht die Vielfalt zu
kennzeichnen und sie auch Uneingeweihten verständlich zu „übersetzen“ (was
Thema eines eigenen Referats wäre).
Jedenfalls: Ohne Jahn ist das heutige Turnen nicht denkbar.
Und: An der Turnbewegung lässt sich gut zeigen: Wir sind, was wir geworden sind.
Zukunft braucht Herkunft.
Schrifttum:
Bartmuß, Hans-Jochen: Jahns bleibende Verdienste. Jahn-Report 24, Freyburg 2007
Kling, Hansgeorg: Die deutsche Turnbewegung und ihr Traditionsverständnis. In: M.
Lämmer (Hrg.): Das Deutsche Sportmuseum. St. Augustin 1991
Krüger, Michael: Körperkultur und Nationsbildung. Schorndorf 1996
Pfister, Gertrud: „Frisch, fromm, fröhlich, frei“. In: Deutsche Erinnerungsorte, Band 2.
München 2001
Schulke, H.-J.: Die Zukunft der Turnbewegung. In: Turnen in Hessen, Januar 2008
Steins, Gerd: Die „Erfindung“ der Turnfeste. Berlin 2002
Überhorst, Horst: Friedrich Ludwig Jahn – 1778/1978. München 1978
FESTSCHRIFT.doc
Seite 27 von 56
Dr. Karl Katary
Jahn – Deutsches Volksthum
Deutschland um 1810: Das revolutionäre Frankreich und Napoleon als sein
Testamentsvollstrecker hatten die imperialen Ziele Ludwig XIV. erreicht. Der Rhein
war zur Grenze Frankreichs geworden, und der neue Kaiser hatte seine deutschen
Satellitenstaaten im Rheinbund vereinigt. Das Heilige Römische Reich Deutscher
Nation war auf seinem Krankenlager unter Sterbehilfe des Korsen entschlummert.
Die alten Dynastien konnten nicht gegenhalten. Österreich hatte zwar Widerstand
geleistet – im Ergebnis erfolglos. Auf Aspern war Wagram gefolgt. Auch Preußen war
niedergeworfen, gebietsmäßig beschnitten, und durch Besatzung und
Kriegsentschädigung ausgeraubt. Der Zar hatte es – gerade noch – vor der
Auflösung bewahrt.
Und merkwürdig: Der politischen Niederlage Deutschlands stand ein Aufblühen von
Kunst und Wissenschaft gegenüber. Weiter: Schon seit der Mitte des 18.
Jahrhunderts hatte sich, unabhängig von Dynastien, Reichsständen und Teilstaaten
ein verstärktes
deutsches Nationalbewußtsein zu entwickeln begonnen. Klopstock feierte das
Vaterland mit Oden, Lessing wollte das deutsche Theater vom Einfluß des
Französischen befreien, und Mozart wollte Teutschland, seinem geliebten Vaterland,
die deutsche Oper schenken. Herder machte die Vielfalt der Volkskulturen zum
Gegenstand seiner Betrachtungen und drückte den Wert der nationalen Identität für
die Einzelmenschen so aus: „Das schwammige Herz des Kosmopoliten ist eine Hütte
für niemand“.
In Berlin traf eine unerhörte geistige Aufbruchstimmung mit dem Willen zusammen,
die Fremdherrschaft abzuschütteln. Wie denn Befreiung und Freiheit zu erlangen
seien, und wie der Staat aussehen sollte, der aus einem erfolgreichen
Befreiungskampf hervorgehen sollte, war der Gegenstand vieler Betrachtungen.
Im Jahre 1810 wurde die Universität Berlin gegründet. Ein Jahr zuvor war hier ein
junger Mann angekommen, der ein unruhiges Leben hinter sich hatte. Sein
Bildungsweg war ungeregelt und sprunghaft gewesen. Die Politik hatte ihn mehr
angezogen als die bürgerliche Laufbahn. Jetzt wirkte der Vielbelesene als Lehrer am
„Grauen Kloster“ und konnte sehr bald zahlreiche junge Menschen mit einem bis
dahin nicht gekannten Unterricht in Leibesübungen begeistern. Im Jahre 1810 gab
Friedrich Ludwig Jahn, damals noch keineswegs der Alte im Bart, ein Werk mit dem
Titel „Deutsches Volksthum“ heraus, das späterhin als sein schriftstellerisches
Hauptwerk angesehen wurde.
Das Werk ist mit 450 Seiten umfangreich und verschließt sich einer schnellen,
oberflächlichen Lesung, zumal dem wortgewaltigen und sprachschöpferischen
Verfasser immer wieder die Rösser seiner Lust an dichterischer Darstellung und
trefflichen Formulierungskunst zulasten trockener Sachlichkeit durchgehen.
Jahn geht vom Menschen als Gemeinschaftswesen aus und schreibt dazu: “Mensch
zu werden, ist der Mensch bestimmt und diesen Adel kann er nicht allein erringen.“
Das heißt: um überhaupt zum Menschen zu werden, bedarf es einer guten
Gemeinschaft und die erkennt er im Volk.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 28 von 56
Es ist – wie es Jahn versteht – die „höchste, größeste und umfassendste
Menschengesellschaft“. Es ist darunter die Gesamtheit von Menschen zu verstehen,
die durch eine gemeinsame Sprache, gemeinsame Geschichte, gemeinsame
Bräuche, insgesamt durch eine gemeinsame geistige Welt, in der sie leben, gebildet
wird. Dieses Gebilde besteht unabhängig von Staaten, Fürsten und Dynastien, und
bildet daher ein Gegenmodell zur politischen Wirklichkeit im deutschen Raum jener
Zeit. Und wie man hinzufügen kann, hat dieses Gegenmodell Jahrzehnte später die
politische Wirklichkeit des deutschen Volkes wesentlich beeinflußt.
Das Volk im vorstehenden Sinn bedarf einer Einigungskraft, die – wie Jahn schreibt sein „Gemeinsames“, sein „Innewohnendes“, sein „Regen und Leben“, seine
„Wiedererzeugungskraft“, seine „Fortpflanzungsfähigkeit“ umfaßt. Und weil es für
diese Einigungskraft kein treffendes Wort gibt, erfindet Jahn, der bedeutende
Sprachschöpfer eines: das „Volksthum“. Er leitet davon ein Eigenschaftswort ab,
„volkstümlich“, und davon wieder ein Hauptwort: die „Volkstümlichkeit“. Hinzugefügt
sei: er hatte damit ein anderes Begriffsfeld im Auge, als manche unserer
Zeitgenossen. „Volkstümliche Unterhaltungsmusik“ hat er nicht gemeint.
Jahr leitet weiter ab: „Namen und Sache war sonst eins bei unseren Vorfahren.
Deutsch heißt volkstümlich. Anders mit uns Neudeutschen. Immer mehr
verschwindet durch eigene Sündenschuld unsere Volkstümlichkeit oder die
Deutschheit“. Hier dürfen durchaus Parallelen
zur Gegenwart gezogen werden.
Auch in diesem Zusammenhang ist eine Richtigstellung gegenüber üblen
Nachrednern notwendig. Aus dem Werk, das wir besprechen, geht klar hervor: mit
der erklärten Liebe zum deutschen Volkstum verbindet Jahn niemals Haß oder
Verachtung anderer Volktümer. Er verwendet sehr oft diese Mehrzahlform und
schreibt dazu: „Einst war mein Streben, die Deutschheit als eine wohltätige
Begründung der Menschheit unter den Völkern geschichtlich nachzuweisen ..... .
Denn nirgend erscheint die Menschheit hienieden abgesondert und rein, immer wird
sie nur durch Volkstümer vorgestellt und vertreten. In den Volkstümern liegt jedes
Volkes besonderer Wert, und sein wahres Verdienst für das Wettstreiten der
Menschheit“. Was er zuweilen mit derb-drastischen Worten bekämpft, ist das, was er
meist „Verwelschung“ nennt. Also das Absterben eigener Kulturwerte unter kritikloser
Übernahme der fremden. Die kamen zu seiner Zeit aus dem französischen Raum.
Wohlgemerkt, nicht das französische oder sonst ein Volkstum ist das Feindbild,
sondern diejenigen, die die Überfremdung des eigenen Volkstumes billigen oder
fördern. Auch hier dürfen Parallelen zur Gegenwart gezogen werden.
Jahn geht also davon aus, daß Völker und Volkstümer den Reichtum der Erde
darstellen, und meint dazu: „Nur ein Tamerlan (also ein Tyrann), dessen Tagewerk
Vertilgung war, wollte auf der ganzen Erde nur ein Volk, nur eine Sprache, nur eine
Religion dulden“. Auch dazu kann durchaus die Frage aufgeworfen werden, wie weit
unserer Zeit vergleichbare Tendenzen innewohnen.
Auf seinen allgemeinen Ansichten von Volk und Volkstum baut Jahr seine
umfangreiche Schrift auf. Sie verbindet eine Staatsutopie, also die Frage, wie der
ideale Staat beschaffen sein soll, mit konkreten politischen Forderungen . Seine
Vorschläge gehen oft ins Einzelne und entziehen sich einer Kurzdarstellung. Vieles,
FESTSCHRIFT.doc
Seite 29 von 56
was Jahn forderte, ist im Staat der Gegenwart längst selbstverständlich, manches ist
Utopie geblieben. Wer Näheres wissen will, sollte zum Buch greifen. Nur um einen
Überblick zu gewinnen, seien die Überschriften der einzelnen Teile genannt.:
I. Natürliche Einteilung des Grundgebietes
II. Gleichmäßige innere Staatverwaltung
III. Einheit des Staats und Volks
IV. Kirche
V. Volkserziehrung
VI. Volksverfassung
VII.
Volksgefühl
VIII.
Volkstümliches Bücherwesen
IX. Häusliches Leben
X.
Vaterländische Wanderungen
Alle diese Arbeitbereiche setzt Jahn in Verbindung zu seinen Grundideen.
Es bleibt im Unklaren, ob sich seine Vorschläge auf einen gesamtdeutschen
Idealstaat, auf die deutschen Teilstaaten, oder doch nur auf Preußen beziehen, den
er sich naturgemäß besonders verbunden fühlt. Dies beschreibt er: „Auch ich sah
niemals in dem Preußischen Staat das Höchste schon Gewordene menschlicher
Regierungskunst. Aber ich entdeckte in ihm eine Triebkraft zur Vollkommnung.“
Jedenfalls beschreibt und beklagt er die deutsche Zerrissenheit, besonders den
österreichisch-preußischen Gegensatz. Ein vage Hoffnung spricht er für die fernere
Zukunft aus, die wohl bis heute unerfüllt blieb: „Behauptet sich die Nation in jeder
moralischen Hinsicht als eine eigene Nation, so wird auch durch den Strom der
Zeiten der Augenblick herbeigeführt werden, in welchem das Glück sich wieder mit
ihr versöhnen wird“.
Das Buch ist Zusammenfassung des damals zeitgenössischen geschichtlichen und
politischen Wissens, immer reichlich mit Zitaten und Querverweisen versehen.
Aus dem reichen Schatz seiner Empfehlungen sei beispielsweise genannt:
 Jahn empfiehlt für die innere Verwaltung einen einheitlichen Stufenbau der
Behörden: Gemeinde-, Kreis-, Mark-, Landes- und Reichsregierung.
 In Entsprechung dazu soll das Gerichtswesen organisiert sein.
 Die Vereinheitlichung um vereinfachte Einhebung von Steuern und Abgaben
ist ihm ein Anliegen.
 In der Auseinandersetzung, ob der Staat für Erziehung und Bildung junger
Menschen zuständig sein soll, nimmt er eindeutig Stellung: „Gleichmäßige
öffentliche Bildungsanstalten sind Beförderungsmittel eines volkstümlichen
Bürgersinns und einer vaterländischen Denkungsart.“
 Jahn verlangt – und das ist höchst modern – eine vom Staat getragene
Versicherung gegen Feindesverheerungen, Feuersbrünste, Wasserfluten und
Mißernten.
 Er verlangt die Belohnung und Verpflegung ausgedienter Landesverteidiger,
von Staatsdienern und deren Witwen und Waisen. Damit denkt er unserem
heutigen Sozialversicherungssystem vor.
 Er tritt für eine Erweiterung der Bürgerrechte ein und sagt dazu: „Es gäbe
keine staatsbürgerlichen Pflichten ohne staatsbürgerliche Rechte. Es höre
jede Knechtschaft auf“.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 30 von 56
Jahn widmet dem Erziehungswesen, insbesondere der Leibesertüchtigung ebenso
großen Raum wie der Sprachpflege. Davon wird an anderer Stelle berichtet.
Er empfiehlt der Jugend, vaterländische Wanderungen durchzuführen, weil dies der
Innenbefestigung des Volkstums diene. Er führt dazu aus: „In fremden Ländern sind
wir sehend, und in Deutschland entweder blind oder blödsichtig – so hebt eine alte
Klage gegen uns an.“
In diesem Zusammnhang fordert er:
„Manches liegt dem Staat ob:
a) Entfernung der Bettler und Landstreicher
b) gute Straßenaufsicht
c) öffentliche Krankenhäuser in jeder Markstadt
d) besser eingerichteter Postenlauf
e) Höflichkeitsunterricht an Postbedienstete
f) Wegweisersäulen und Meilenzeiger
g) Umherreiten von Feldjägern
h) scharfe Ahndung der Prellerei durch Gastwirte“
So stellt das Werk „Deutsches Volksthum“ dar:
1. den Versuch, die Rolle der Völker in der Geschichte zu beleuchten und dabei
jene Einigungskraft darzustellen, die ein Volk jenseits aller Staatsstrukturen
zusammenhält – das Volkstum.
2. den Versuch, ein politisches Programm zu einer umfangreichen Staatsreform
im deutschen Raum zu entwerfen.
3. den Versuch, den geistigen Widerstand gegen den fremden Aggressor zu
stärken, und das Volk auf einen Befreiungskampf vorzubereiten.
Im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Bildungstheorien schreibt Jahn: „Nun
ist´s am Tun. Plane und Muster harren der Ausführung und des festen Willens der
Staaten. Durch Schönreden allein wird nichts besser, bloßes Reden ist ein Lärmen
um Nichts.“
Genau das könnte als Leitwort für die weitere Entwicklung Friedrich Ludwig Jahns
gelten. Er gab sich mit Theorien nicht zufrieden, sondern machte sich daran, einen
wesentlichen Teil seiner Vorschläge – nämlich die Erziehung der Jugend zu
lebfrischen, gesunden und vaterlandsverbundenen Menschen – in die Tat
umzusetzen.
Ein Jahr später schuf er den ersten Turnplatz auf der Hasenheide bei Berlin und
erhielt übergroßen Zulauf. Er schrieb das erste umfassende Lehrbuch der
Leibesübungen. Er kämpfte mit der Waffe für sein Volkstum, half die Deutsche
Burschenschaft zu begründen, ging als Demokrat durch die Kerker der Reaktion, bis
er gegen das Lebensende zu als der Turnvater, jetzt der Alte im Bart, eine Leitfigur
des deutschen Volkstums war.
Erst die geglückte Verbindung von Denken und Handeln macht die Bedeutung
Friedrich Ludwig Jahns aus. Die unbestreitbare Wirkungsgeschichte der im
„Deutschen Volksthum“ aufgestellten Thesen hängt mit dem Erfolg des Turnens
zusammen. Denn trotz aller schriftstellerischen Leistungen war das Hauptwerk
Friedrich Ludwig Jahns die deutsche Turnbewegung.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 31 von 56
O.Univ. Prof. Dr. Werner Pfannhauser
Lügen über Jahn und die Turnbewegung
Das Bild Friedrich Ludwig Jahns schwankt in der Geschichte.
Jahn war eine starke Persönlichkeit.
Er war unruhig, aufrührerisch, immer wieder auch in Händel verstrickt.
Er war aber auch jemand der die Jugend fesseln, zur Gemeinschaft führen und
patriotisch einstimmen konnte.
Er war ein Mann der unstet Deutschland durchwanderte, das Volk und seine Leiden
kennen lernte, unermüdlich für die Freiheitsbewegung gegen Napoleon warb.
Er stärkte gleichermaßen die inneren Kräfte der nationalen Selbstbehauptung durch
Rückbesinnung auf die dem Volkstum innewohnenden Kräfte, wie auch die
Abwehrbereitschaft und den Kampfeswille gegen die napoleonische Unterdrückung
durch körperliche Ertüchtigung.
Folgerichtig schuf er mit dem Turnen (ein von Jahn geprägter Begriff, der an die
Turniere des Mittelalters anschließen wollte) eine Volksbewegung, die zur Befreiung
von der napoleonischen Tyrannei wesentlich beitrug.
Folgerichtig aber auch trat er in Wort und Schrift für die Selbstbesinnung der
Deutschen auf ihre Werte ein.
Sprache und Kultur waren ihm daher wichtig. Viele sprachwissenschaftliche Beiträge
zeugen davon.
Mit dem „Deutschen Volkstum“ schuf er sein Hauptwerk.
Keinem Volkserzieher im deutschen Sprachraum sind bis heute mehr
Denkmäler gesetzt worden als Friedrich Ludwig Jahn.
Die Begeisterung für Jahns Ideen war immer dann besonders groß, wenn das Volk
Unterdrückung erleiden musste, wenn seine Werte mit Füßen getreten wurden und
die Meinungsfreiheit geknechtet wurde.
Insoweit ist und bleibt Jahn zeitlos !
Jede Epoche zimmerte sich „ihren“ Jahn so zurecht, dass er in die jeweilige Ideologie
passte.
Schon zu Lebzeiten musste Jahn Verunglimpfungen erfahren.
„Mein Name“, schreibt er 1839, „hat durch die Lügengasse der Zeitblätter Spießruten
laufen müssen“.
Die ideologische Vereinnahmung Jahns durch das nationalistische und
nationalsozialistische Lager führte bei den politischen Gegnern zu einer fast
reflexartigen Ablehnung.
Zwar hatte der 1893 gegründete Arbeiter-Turnerbund zunächst noch eine
progressive Deutung durchzusetzen versucht und Jahn 1902 in der ArbeiterFESTSCHRIFT.doc
Seite 32 von 56
Turnzeitung zum „Märtyrer der freien, volkstümlichen Turnsache“ stilisiert, doch
änderte sich das nach 1919 grundlegend.
„Wenn er heute lebte, wäre er wahrscheinlich Nationalsozialist“, hieß es 1928 im
selben Blatt.
Eine Jahnbiographie von 1934 von Franz Bauer trug den Titel : „Friedrich Ludwig
Jahn . – das Leben eines Nationalsozialisten aus früherer Zeit“.
Vor diesem Hintergrund war der Versuch der DDR – des „ersten deutschen Arbeiterund Bauernstaates“ –um so bemerkenswerter, Jahn erneut zu einem rebellischen
Vorkämpfer für „Einheit und Freiheit“ zu stilisieren.
Jahn und seine Ideen wurden – meist in ausgewählter und verkürzter Form – jeweils
nach Lust und Laune zur Unterstützung der jeweiligen Ideologie herangezogen oder
dann verteufelt, wenn man die Turnbewegung meinte.
„Jahn – Kult ?“
Seit Jahrzehnten diffamieren linksextreme Gruppen den ÖTB weil er sich auf Jahn
beruft.
Als „Jahnkult“ wird das Hervorheben seiner volkserzieherischen und turnerischen
Bedeutung verunglimpft.
Die Schleifung der Jahndenkmäler, Umbenennung von Jahn-Turnhallen und Jahn Straßen wird verlangt und in krimineller Weise auch zur Tat geschritten.
Ganz bewusst werden zeitbedingte Aussagen Jahns so dargestellt, als ob sie der
ÖTB heute vertreten würde.
Der „Erfolg“ dieser Kampagne ist unübersehbar.
Wir verteidigen uns gegen Vorwürfe, die uns nicht treffen.
Damit hat der Gegner die Initiative erlangt.
Geschichte ist geschehen.
Aus der Geschichte kann niemand austreten.
Geschichte hat eine junge Generation nicht zu verantworten.
Unser ÖTB wurde 1952 gegründet und hat festgelegt, was seine Wurzeln, aber auch
was seine heutige Haltung ist. Unsere Leitsätze sind öffentlich bekannt.
Es zieht sich eine historisch belegbare Linie vom Verbot des Turnens („Turnsperre“
1819) über die Auflösung des Deutschen Turnbundes (1919) in Österreich im Jahre
1938 durch die Nationalsozialisten bis zu den „Bilderstürmern“ unserer Tage, die sich
nicht scheuen zu Gewalt und Zerstörung aufzurufen.
Hier zwei Beispiele für sehr viele :
Keine Ehrung für Jahn! - Demontiert den Turnvater
FESTSCHRIFT.doc
Seite 33 von 56
Nach der temporären Umbenennung der Jahngasse durch
antifaschistische AktivistInnen, diskutiert nun auch die offizielle Grazer
Politik die Änderung historisch belasteter Straßennamen.
In der Nacht auf den 6. November wurde die Jahngasse von der
"Initiative für antifaschistische Selbsthilfe" temporär in "Straße des 8.
Mai" umbenannt.
Eine Verfolgung dieser Gewalttäter durch die Polizei ist nicht bekannt !
Schändung von Jahndenkmälern
Das Jahndenkmal in Salzburg wurde schon 2006 geschändet.
Der Jahnbüste wurde die Nase abgeschlagen und das Denkmal mit roter Farbe
übergossen.
Die Farbe wurde notdürftig entfernt, wiederhergestellt ist das Denkmal bis heute
nicht.
Dafür steht eine Tafel davor, die in historisch äußerst bedenklicher und einseitiger
Darstellung auf Jahn Bezug nimmt.
Das geschändete und zerstörte Jahndenkmal in Salzburg.
Inschrift :“ Dem Deutschen kann nur durch Deutsche geholfen werden“.
Eine Renovierung erfolgte bis heute nicht !
Eine Schande für eine Kulturstadt !
FESTSCHRIFT.doc
Seite 34 von 56
Was besonders betrüblich ist:
Der ÖTB getraut sich offenbar schon nicht mehr, die Zerstörung und Schändung
seiner Jahndenkmale an die Öffentlichkeit zu bringen. Nicht einmal den Turnern wird
das bekannt gemacht.
„Wer schweigt stimmt zu“ heißt es. Ist das so ?
Oder hast Du in der Turnerzeitung etwas über das zerstörte Jahndenkmal in
Salzburg, die Besudelung des Turnerdenkmals im Wiener Türkenschanzpark, die
Schändung des Jahndenkmals in Peuerbach gelesen ?
Oder hast Du vom Versuch der mit der KP vereinten Grünen zur Umbenennung von
Jahn – Schulen –plätzen und –straßen gelesen ?
In ÖTB Veröffentlichungen sicher nicht !
Gibt das nicht zu denken ?
So wird von „NO RACISM“ gelogen und besudelt : :
•
„Mit seinem großdeutsch-völkischen, rassistischen und antisemitischen
Gedankengut war Friedrich Ludwig Jahn ein ideologischer Wegbereiter des
Nationalsozialismus. Der namhafte Politikwissenschafter Univ.-Prof. Dr.
Anton Pelinka weist darauf hin, dass das NS-Regime diese Wegbereiterrolle
auch anerkannt hat“.
Eine Nachfrage beim Zitierten – der Briefwechsel findet sich in diesem Heft(S. 50 –
52) – ergibt eine ganz anderes Bild :
Anton Pelinka wörtlich (Abdruck der Original e-Post):
Ich bin ganz gewiss kein Jahn-Spezialist und habe auch diesbezuglich nichts
publiziert.
Ich habe allerdings bei Vortraegen das eine oder andere Mal darauf
hingewiesen, dass Jahn - der aus seiner Zeit heraus erklaerbar ein
Deutschnationaler des 19.Jahrhunderts war, im 20.Jahrhundert
instrumentalisiert wurde, um den Deutschnationalismus in dessen
aggressivster Form, also den Nationalsozialismus, zu legitimieren.
Das klingt schon ganz anders.
Wie schon gesagt : jede Ideologie zimmert sich „ihren“ Jahn.
Im Kaiserreich (1871– 1918) war er der königstreue Nationalist, der für sein
unerschütterliches Eintreten für die Einheit Deutschlands unter preußischer Führung
sogar ins Gefängnis ging.
Von den Nazis (1933–1945) wurde er als der um hundert Jahre voraus denkende
erste Nationalsozialist mißbraucht.
Von der DDR-Ideologie (1948 – 1989) wurde Jahn als „Vorgänger des ersten
sozialistischen Staates auf deutschem Boden“ vereinnahmt.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 35 von 56
In der alten Bundesrepublik haben diverse politische Gruppierungen unterschiedliche
Einordnungen vorgenommen, die sich entweder auf seine nationale Gesinnung
stützten oder seine sozialen Tendenzen hervorhoben.
Während der linksorientierten akademischen Kulturrevolution 1968 wurde er von
Siegfried Lenz in „Die Zeit” als Stargammler bezeichnet.
Mitte der 1980–er Jahre wurde sogar gefragt: «War Jahn ein Grüner?» (Braun,
1994).
Die Hetze der „Grünen“ Oberösterreichs
In einer Presseerklärung fordern die Grünen Oberösterreich eine "Neuorientierung
des Selbstverständnisses des ÖTB, seiner Vereine und FunktionärInnen." Dazu
gehören "die völlige Aufgabe des ‚Jahn-Kults’, die Beseitigung aller belastenden
Symbole und Mahnmale (Jahn-Denkmäler, Turnerkreuze, Rassenreinheits-Fahnen
etc.), die Streichung des ‚deutschen Volkstums’ aus den ÖTB-Leitlinien von 1996,
uneingeschränktes Bekenntnis zur österreichischen Nation, die ehrliche Aufarbeitung
der eigenen Geschichte (Rassismus, Antisemitismus, ‚Arierparagraf’, enges
Zusammenwirken mit der NSDAP und nach 1945 mit rechtsextremen Organisationen
wie dem ‚Verein Dichterstein Offenhausen’ etc.) und die völlige Aufgabe des
Dietwarte-Wesens (also der deutschnationalen IdeologiefunktionärInnen)." http://nsooe.contextxxi.at/item5.html ][
Wer klar Inhalte und Sinn unterscheidet fällt auf den Trick „Bekenntnis zur
Österreichischen Nation“ nicht herein.
Der Staat (die Staatsnation) ist eine Sache, das Bekenntnis zu den Werten des
Volkstums (Kultur, Sprache) eine andere.
Das Band der Staatsnation umfasst alle Staatsbürger, welchen Volkstums auch
immer (Slowenen, Kroaten, Ungarn, Deutsche), die Volksnation, das Volkstum ist ein
überstaatlicher kultureller Begriff.
Gehen wir nicht in die Falle beide Werte gegeneinander ausspielen zu lassen.
Dietwarte
Als ein für den ÖTB charakteristischer Teil der Amtswalterschaft ist der Dietwart
aufgerufen, jene angeführte geistigen Inhalte – die körperliche Ausbildung mit der
geistige, kameradschaftliche, auf die Gemeinschaft hin orientierte Komponente - zum
Gesamtbild des Turnens zu verbinden.
Turnen ist mehr !
Um es ganz drastisch zu sagen : Nicht der gedopte egoistische Sporttrottel auf dem
Weg zur absoluten Höchstleistung ist das Bildungsziel, sondern der für die
Turngemeinschaft tätige und in ihr verwurzelte volksbewusste Mensch, der seine
eigene körperlich beste Leistung anstrebt.
Unseren Gegnern behagt dieser Gegenentwurf zum kommerzialisierten Sport
nicht.
Ihnen behagt es nicht, dass unser Menschenbild anders ist.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 36 von 56
Ihnen behagt nicht, dass wir nicht manipulierbar sind, weil wir in einer Gemeinschaft
mit geistig-gesellschaftlichen Wertvorstellungen stehen.
Erkennen wir die „Salamitaktik“, erkennen wir die eigentlichen Gründe der Kampagne
gegen den ÖTB.
Erst wenn wir als Turnerbund völlig unkenntlich als gleichgeschalteter Sportverband
im Meer der allzu vielen Sportvereine untergehen, dann werden unsere Gegner
zufrieden sein.
Das Bedenkliche und Gefährliche an den derzeitigen Entwicklungen ist die Tatsache,
dass man sich auf Gespräche einlässt, in denen sich der ÖTB gleichsam als
„Angeklagter“ gegen Vorwürfe rein polemischer Natur, die ohne rechtliche Basis sind,
„verteidigen“ soll.
Man liefert sich einem Tribunal aus !
Gegen diese Versuche den ÖTB zu zerstören hilft einzig und allein :
•
Klare Darstellung der Leitsätze des ÖTB
•
Klare Darstellung der Gründe und Hintergründe der
Anschuldigungen gegen den ÖTB
•
Klare Darstellung der Bedeutung Jahn für die Zukunft des ÖTB.
Ein Bundesturntagsbeschluß von 2006 lautete:
Der Bundesturnrat wird künftig durch Darstellung und regelmäßige Befassung
mit den Ideen und der Person Friedrich Ludwig Jahns seine Bedeutung für die
Gegenwart und Zukunft unterstreichen und dafür sorgen, dass
heranwachsende Turnergenerationen erkennen können, auf welchen
Grundlagen der ÖTB aufbaut.
Es ist dem ÖTB Wien und dem Turngau Niederösterreich zu danken, diesen
Beschluß, - zumindest in ihrem Bereich, - mit dieser Veranstaltung auch eingehalten
zu haben.
Die Bedeutung für die Gegenwart und Zukunft und damit das von der
zeitbedingten Schlacke befreite Jahnbild gilt es darzustellen.
Freie Meinungsäußerung, freies Bekenntnis zum angestammten Volkstum und
die Verbindung von Körper und Geist sind der Kern des Turnens.
Ganz im Sinne Jahns !
Turnen ist eben mehr !
Das möge auch in Zukunft so bleiben !
FESTSCHRIFT.doc
Seite 37 von 56
Bstr. Ing. Martin Fuchs
Bedeutung Jahns für die Turnerjugend heute
Zu meiner Person:
In Klosterneuburg familiär bereits als „Turner“ 1980 geboren und aufgewachsen drehte sich ein
Großteil meiner Freizeitgestaltung um den Turnverein.
Ich war als Vorturner tätig und bin seit bald 10 Jahren Jugendwart im MTV.
Beruflich führe ich seit über 3 Jahren einen Baumeisterbetrieb in Klosterneuburg.
Als ich gefragt wurde ob ich mir vorstellen könne für dieses Jahnsymposium als ein
jüngerer Vertreter der Turner über die Bedeutung Jahns für die Turnerjugend heute
zu sprechen fiel mir die Entscheidung nicht leicht. Mir wurde bewusst, dass nach all
den Jahren im ÖTB das Thema Jahn nicht mehr so mein Interesse traf wie früher.
Dazu möchte ich die Vorgeschichte kurz vorstellen, damit man meine Darstellungen
in das richtige Licht setzen kann.
Ich bin in einer der so genannten Turnerfamilien groß geworden. Darüber bin ich sehr
froh weil sehr viele schöne Erinnerungen damit verbunden sind. Heute bin ich 28
Jahre alt und stehe voll im Berufsleben.
Begonnen habe ich im Turnverein jedoch im Krabbelalter beim Mutter-Kind-Turnen.
Wie es so kommt fuhr ich später auf Turnfeste, besuchte Wettkämpfe, wurde
Vorturner, dann Jugendwart und dieser blieb ich bis heute. Ich organisierte und
organisiere einige Vereinsveranstaltungen. Das von mir ausgerichtete Vereinslager
im vergangenen Jahr umfasste über 65 Teilnehmer. Ich freute mich immer wenn
viele Mitglieder aber auch andere Freunde dabei waren. Mein Freundeskreis drehte
sich oft um den Turnverein. Waren es auch Leute von außerhalb dauerte es nicht
lange, bis auch sie zumindest an Jugendveranstaltungen des Vereins teilnahmen. Es
ist meiner Meinung nach wichtig für einen Verein nicht in „Inzucht“ zu verfallen.
Immer wieder neue Zugänge erhalten die Dynamik und Fröhlichkeit eines Vereins.
Und sie heben einen wichtigen Faktor eines jeden Vereins hervor: Er ist zum Wohl
seiner Mitglieder da, und nicht zum Selbstzweck oder als höhere Berufung. Dafür gibt
es Religionen.
Diese Entwicklung und auch die Erfahrungen mit hoch motivierten Kritikern bei
diversen Turnfesten brachten mich darauf mich auch kritisch mit dem
Österreichischen Turnerbund auseinander zu setzen. Man nimmt ja als Kind zuerst
alles als gegeben hin. Ich merkte in Diskussionen, dass mir die verschiedensten
geschichtlichen oder aktuellen Umstände ins Treffen geführt wurden, die ohne deren
nähere Hinterfragung auch mir sehr befremdend erschienen. Das war nicht der ÖTB
so wie ich ihn wahrnahm. Deshalb fing ich bereits als Jugendlicher an mich mit der
Geschichte des Turnens, des Turnerbundes, meines Heimatvereins Klosterneuburg
und deshalb unweigerlich auch mit Jahn zu beschäftigen. Dazu zählte anfangs die
Lektüre von diversen Schriften zu Jahn, herausgegeben vom ÖTB oder auch von
außerhalb, die Recherche im Internet einschließlich den Seiten der sozialistischen
Jugend und letztendlich auf Grund der verschiedenen zum Teil widersprüchlichen
Darstellungen auch die Lektüre eines Nachdrucks Jahns Werk „Deutsches
Volksthum“. Das ist vermutlich mehr, als man von einem durchschnittlichen
Jungturner im ÖTB erwarten kann. Die Informationen zu Jahn bekommt, wenn
überhaupt, ein Jugendlicher von den Medien, allen voran dem Internet.
Soviel also zu meinem Hintergrund. Nun also wieder zurück zur Gegenwart.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 38 von 56
Ich wollte einfach herausfinden, wie viel von meinem Interesse von damals noch da
ist und vor allem was für eine Bedeutung nun er auch für mich und meine
Jugendarbeit hat. Ich entschied mich also dafür im Rahmen dieses Symposiums
kritisch zur Bedeutung Jahns Stellung zu nehmen, so wie es der Jugend zusteht. Ich
denke es wäre fehl am Platz, würde ich zum Thema „Bedeutung Jahns für die
Jugend heute“ darüber sprechen wie man Jahn der ach so verkommenen Jugend
näher bringen könne… Dafür sind andere Stellen geeigneter.
Es soll vielmehr eine kurze kritische subjektive Beleuchtung der Situation sein, keine
Abhandlung.
Also daher die Frage: Was bedeutet Jahn für die Turnerjugend heute?
Ich möchte sie an drei Punkten aufrollen:
1. Was bedeutet Jahn für die Turnerjugend jetzt?
2. Was sollte Jahn für die Turnerjugend nicht bedeuten?
3. Was sollte Jahn für die Turnerjugend bedeuten?
Zur ersten Frage: Was bedeutet Jahn für die Turnerjugend jetzt?
Wie man der Einladung entnimmt ist diese Veranstaltung eine der ÖTB
Landesverbände Wien und Niederösterreich. Ich selbst bin aus Klosterneuburg. Doch
Jahn hat auch eine Bedeutung über diesen Bereich heraus. Dass meine Antwort
daher eher subjektiv ausfallen wird liegt in der Natur der Sache.
Jahn ist unser Turnvater. Er hat das Turnen begründet und gefördert. Erst durch sein
Wirken hat die körperliche Ertüchtigung in den Schulen Einzug gefunden.
Der Österreichische Turnerbund beruft sich in seinen Leitsätzen maßgeblich auf
Jahn. Da steht zu lesen:
1. Der Österreichische Turnerbund (ÖTB) ist der Verband aller
österreichischen Turnvereine, welche die Satzungen und Leitsätze des
ÖTB anerkennen und auf den zeitlosen Grundlagen des Turnens nach
Friedrich Ludwig Jahn aufbauen. Das Jahnsche Turnen vermittelt dem
Menschen in seiner Körper-Geist-Seele-Einheit Gesundheit,
Ausgeglichenheit und Lebensfreude.
Und weiter:
7. Der ÖTB sieht im Bekenntnis zum angestammten Volkstum die Voraussetzung für
die Bewahrung der Vielfalt der Volksgruppen in Österreich. Er tritt für die Erhaltung,
Pflege und Förderung des deutschen Volkstums und des überlieferten , heimischen
Brauchtums ein.
Also würde das Turnen ohne Bezug auf Jahn für die Turnerjugend heute anders
aussehen. Allein, das wissen viele nicht. Oft scheut sich der Jugendführer die Figur
Jahn zu erklären oder, viel öfter, es besteht bei ihm selbst kein fundierter Bezug zu
Jahn. Dabei gäbe es keine Sing- und Tanzbewerbe, keine Redebewerbe, keine
Brauchtumsveranstaltungen nach per Eigendefinition deutscher Volkskultur, keine
Spielmannszüge, keine Turnkleidung und anderes mehr. Vermutlich würde auch auf
Grund der geringen Unterscheidung zu anderen Verbänden auch die Kameradschaft
FESTSCHRIFT.doc
Seite 39 von 56
nicht so ausgeprägt sein. Die Besonderheit, die Kleidung und das Brauchtum sind
gemeinschaftsbildend.
Manchen würde einiges der aufgezählten Eigenarten wohl abgehen, manchen
vielleicht nicht. Viele wollen einfach nur Turnen oder Spaß haben, oder sind dabei
weil seine Freunde auch dabei sind.
Nun aber zur zweiten und sicher viel polarisierenderen Frage:
Was sollte Jahn für die Turnerjugend nicht bedeuten?
Jugendliche machen bis zu einem gewissen Alter das, was Ihnen Erwachsene
vorschreiben. Etwas länger vielleicht das, was sie Ihnen vorleben. Doch bei vielen
stellt sich irgendwann die Frage, ob das auch zu ihrem eigenen Leben passt. Man
kann jungen Erwachsenen nichts aufdrängen, was sie nicht wollen oder verstehen.
Heute noch viel weniger als früher. Das Freizeitangebot ist groß. Die
gesellschaftlichen Zwänge verschwinden. Die finanzielle Freiheit steigt, bedenkt man
dass heute jeder mobil telefonieren kann, manche ein Auto beigestellt bekommen, oft
Auslandsreisen oder Studien ermöglicht werden. Es müssen schon gute Argumente
sein um einen jungen Menschen an eine Gemeinschaft zu binden. Das
Hauptargument für die Entscheidung für eine Gemeinschaft ist meistens das Umfeld,
die Freunde, die Kameradschaft.
Aus eigener Erfahrung und Beobachtungen meine ich, dass junge Leute mehr das
Erlebnis, als das Ideal interessiert. Eine zu theoretische Behandlung Jahns im
Turnen schreckt viele Jugendliche ab. Der Verweis auf historische Zusammenhänge,
Rechtfertigungen für heute unbrauchbare Ansichten Jahns sind kontraproduktiv.
Jahn lebte in seiner Zeit. Kritiker werden genug Ansichten und Taten an Jahn finden,
die in der heutigen Zeit keinen Wert und keinen Platz mehr haben. Ich finde es zu
idealistisch, von jedem jungen Turner zu verlangen, dass er in einer sinnvollen
Auseinandersetzung fundiert zum Bezug zu Jahn Stellungnahme nehmen können
soll.
Was ich damit meine?
Jahn soll für die Turnerjugend heute kein alter Mann mit Rauschebart aus der
Befreiungsbewegung Deutschlands im 19. Jahrhundert sein. Er soll nicht der
Nationalist sein, der für eine Vereinigung Deutschlands eintritt. Er soll nicht der
Turnvater sein, der seine Zöglinge für wehrhafte Zwecke unterrichtet. Er soll nicht der
Vordenker sein, der bestimmte Volks- oder Religionsgruppen für deren Dasein
verurteilt. Er soll nicht der Meinungsführer sein, der für seine Zwecke
Bücherverbrennungen vollzieht.
Und: Er soll auf keinen Fall der Grund sein, warum junge Menschen alles Schöne
und Gute im Turnen, dass er selbst erschaffen hat, nicht erleben oder womöglich
verurteilen. Selbst dem, der hoch geschärfte und konsequente ideelle Vorgaben
fahren will nützt es nichts, wenn keiner mitmacht. Wenn sie keine Verbreitung finden
und zu Grunde gehen. Jahn darf nicht der Grund für das Ausbleiben der Jugend in
seiner eigenen Bewegung werden.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 40 von 56
Stellt sich also folglich die Frage:
Was sollte Jahn nun für die Turnerjugend heute noch bedeuten?
Jahn hat soviel begründet, dass auch noch heute für alle Jugend Bedeutung haben
kann.
Zum wiederholten Male kann man nun wieder die Begründung des Turnens in all
seinen heute weiterentwickelten Facetten anführen. Ich meine anderes. Dinge, die
nicht nur die körperliche Ertüchtigung betreffen und dennoch Grund für junge Leute
sein können an der Turnbewegung teilzunehmen.
Der Spaß, der fröhliche Zugang zur eigenen Volkskultur. Aber nicht wissenschaftlich,
sondern gelebt! Die Kameradschaft ohne Unterschied der Klasse. Gelebt durch das
Du-Wort, durch die Turnbrüderlichkeit, die Turnkleidung, wenn sie im richtigen
Rahmen verwendet wird.
Der schöne Zugang zur Natur, das Spiel im Freien.
Das besondere der Jugend, die Wertschätzung und Achtung junger Menschen. Das
streben, sie in Freiheit aufwachsen zu lassen.
All das sollte und kann Jahn für die Turnerjugend heute bedeuten.
Liebe Zuhörer, wie sie sicher bemerkt haben interessiert auch mich Jahn noch heute.
Nur habe ich nun eines bemerkt: Ich bin es Leid den Bezug zu Jahn stets
argumentieren zu müssen.
Die Freude und Zufriedenheit, die mir der Turnverein bietet soll nicht durch
geschichtliche Umstände getrübt werden, die lange vor meiner Zeit statt gefunden
haben.
Jahn ist fürchte ich vordergründig nicht das richtige Werbemittel um auch in Zukunft
Jugend für den österreichischen Turnerbund zu gewinnen.
Es sind die positiven Aspekte seines Tuns, die dieses Fundament darstellen können.
Jahn kann und soll für all jene, die sich dafür interessieren eine wertvolle und
ehrenwerte Figur zumindest für die Turnbewegung sein. Er sollte jedoch nicht gerade
jungen Menschen achtlos und womöglich kompromisslos zugeworfen werden.
Ein sorgsamer und ruhiger Umgang mit der Figur Jahn erhält ihm als Initiator einer
lebensfrohen, jungen und beweglichen Gemeinschaft in der heutigen Jugendarbeit
sicher seinen Platz.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 41 von 56
JAHN wörtlich
„Die Natur und das Leben
ihrer Geschöpfe muß dem
Menschen in der Jugend
erst wieder heilig werden
und dann die Achtung für
Werke des Menschen“
[Friedrich Ludwig Jahn, Deutsches
Volkstum, 1816, C. Naumanns
Druckerei Frankfurt; Abschnitt V
Volkserziehung, Kap. 4 Gegenstände,
S.121]
Friedrich Ludwig Jahn, 1778 - 1852
Tiefe Naturliebe spricht aus diesen
Worten Jahns.
herstellt, wo vielfach in isolierten
Bereichen gedacht wird.
Auch hier : jung müssen die Werte der
Achtung vor der Natur und den
Werken der Menschen gelehrt und
gelernt werden.
Mit seinem Turnen schuf er eine
umfassende, Geist und Körper
erfassende Bewegung zur Gesundung
des Volkes.
Das klingt angesichts der uns heute
bedrängenden Fragen des
Artensterbens, der Verwüstung
mancher Landschaften und des
Klimawandels durch Menschenhand
unglaublich modern.
Er dachte ganzheitlich.
Die Achtung der Natur und ihrer
Geschöpfe steht folgerichtig am
Beginn, daraus ergibt sich dann die
Achtung für die Leistungen des
einzelnen Menschen.
Achtung vor der Natur, den lebendigen
Geschöpfen und der Leistung der
Menschen – das bedeutet eine
wahrhaft ganzheitliche Sicht, wie sie
Jahn in vielen Bereichen zeigt, eine
Weltsicht, die den Zusammenhang
FESTSCHRIFT.doc
Jahns erster Tunplatz (1811,
Hasenheide) war in eine offene
Baumlandschaft organisch
eingeordnet. Auf das Pflanzen von
Bäumen legte er großen Wert.
Auch das von ihm begründete Turnen
sieht er ganzheitlich :
Körper und Geist gilt es zu kräftigen.
Körperliche Leistung in der
Gemeinschaft und mit dem Wohl der
Gemeinschaft im Auge ist erst sozial.
Eine Absage an den schrankenlosen
Egoismus und die Geldgier.
Jahn (1778 – 1852) ist moderner und
zeitgemäßer als viele glauben.
W.P.
Seite 42 von 56
JAHN wörtlich
„In e i n e r Sprache wird man
groß.
Unsere Affenliebe für fremde
Sprachen hat lange schon
Windbeutel, Aufblasefrösche
und Landläufer wichtig
gemacht.
Klar wie des Deutschen
Himmel, fest wie sein Land,
ursprünglich wie seine Alpen
und stark wie seine Ströme
bleibt seine Sprache.“
[Friedrich Ludwig Jahn, Deutsches
Volkstum, 1816, C. Naumanns
Druckerei Frankfurt; Abschnitt V
Volkserziehung, Kap. 4 Gegenstände]
In der ihm eigenen klaren, deutlichen
und direkten Sprache sagt Jahn, wie
wichtig Sprache und zwar die eigene
Muttersprache für die Entwicklung des
jungen Menschen ist. In einer Sprache
wird man groß. In nur einer. Beherrscht
man sie gut kann man andere
Sprachen besser erlernen.
Die unserem Volk geradezu typische
Eigenschaft des Anbeten des
Fremden, das für besser als das
Eigene gehalten wird, beschreibt Jahn
unverblümt.
Die aufgeblasenen Frösche könnten
für die Werbefritzen und Medienleute
von heute stehen, die uns heute mit
überflüssigen Anglizismen überfluten.
Zu Jahn Zeiten war es das
Französische, das als vornehm und
gebildet galt und unsere Muttersprache
durchsetzte.
Mit der äußeren Befreiung – dem
Befreiungskampf gegen Napoleon –
FESTSCHRIFT.doc
muß, wie Jahn es sagt, auch die innere
Befreiung des Volkes einhergehen.
Die Parallelen sind unübersehbar.
Die amerikanische politische
Bevormundung ist Europa im Begriff
mühsam und erst allmählich
anzustreifen.
Viel bleibt noch zu tun die kulturelle
und sprachliche Bevormundung, die
insbesondere die willfährigen Medien
betreiben, zu beseitigen.
Die Besinnung auf die Werte der
deutschen Sprache ist heute
notwendiger denn je.
Ihre große Ausdruckskraft bedarf nicht
der Krücke fremder Worte.
Kein Fremdwort für das was auch gut
deutsch ausgedrückt werden kann.
Jahns Gedanken sind aktueller denn je
!
W.P.
Seite 43 von 56
JAHN wörtlich
„Deutsche glaubt nicht den Toren,
und predigten sie auch durch
Hundertausende, dass des Weibes
Bestimmung ein untergeordneter,
kleinlicher Wirkungskreis sei;
Je menschheitlicher [d.i.
menschlicher] ein Volk, je größer
die Huldigung des weiblichen
Geschlechts.
Das ist der Weiber Gelehrsamkeit :
wenn der Verstand zur
Unterscheidung des Wahren und
Rechten gebildet, das Herz zur Güte
und zum Wohlgefallen am Schönen
veredelt ist.
Je mehr der Mann Mann ist desto
mehr liebt er das Weib, aber seiner
Menschenwürde achtend und
ehrend.“
[Friedrich Ludwig Jahn, Deutsches Volkstum1816, C. Naumanns Druckerei Frankfurt;
Abschnitt IX häusliches Leben, Kap. 7 Huldigung des weiblichen Geschlechts, S.
213 f und Kapitel 8-Wichtigkeit - S. 215f]
Beachtlich, diese Meinung Jahns über
die Frauen, und das im 18.
Jahrhundert !
Nicht ein „kleinlicher, untergeordneter
Wirkungskreis“ meint er soll den
Frauen zugeordnet werden, er stellt die
Frau gleichberechtigt und mit gleicher
Würde neben dem Mann.
Ein damals überaus revolutionärer
Gedanke, den er auch mit Zitaten aus
Tacitus´Germania über die Würde und
Aufgabe der Germaninnen
untermauert.
Gleichberechtigt stellt Jahn den Mann
neben die Frau, wenngleich mit
besonderen fraulichen Eigenschaften –
eine Gleichberechtigung mit
Augenmaß !
FESTSCHRIFT.doc
Gleichberechtigung, die das genaue
Gegenteil von Gleichheit oder gar
Gleichmacherei ist.
Gleiche Rechte aber nicht Angleichung
an den Mann.
Die Menschenwürde der Frau zu
achten ruft Jahn uns auf.
Sind das nicht Worte für das Heute ?
Dem steht das „Sex sells“ gegenüber,
das uns von überall her überflutet und
Frauen zum Objekt macht !
Welche Ansicht ist menschenwürdiger
?
Jahn könnt moderner nicht sein !
W.P.
Seite 44 von 56
JAHN wörtlich
„In der ganzen Lebensgeschichte
eines Volkes ist sein heiligster
Augenblick, wo es aus seiner
Ohnmacht erwacht, sich seiner zum
ersten Male selbst bewusst wird, an
seine heiligen Rechte denkt und an
die ewige Pflicht, sie zu behaupte;
endlich erkennt, dass es nur durch
Selbstmord seiner Volkstümlichkeit
sich unter anderen Völkern verlieren
kann
Es ist ein langersehnter Beginn,
wenn ein Volk laut und frei
offenbaren darf in welche
volksentwürdigende Dienstbarkeit
es durch Ausländerei geraten war.
Ein Volk, das mit Lust und Liebe die
Ewigkeit seines Volkstums auffasst,
kann zu allen Zeiten sein
Wiedergeburtsfest und seinen
Auferstehungstag feiern.“
[Friedrich Ludwig Jahn, Deutsches Volkstum1816, C. Naumanns Druckerei Frankfurt;
Abschnitt VII Volksgefühl, Kap. 1-Verbannung der Ausländerei, S 162]
Vor nahezu 200 Jahren, in der Zeit der
Unterdrückung Europas durch
Napoleon, wurden diese Sätze von
Jahn geschrieben.
Zieht man Parallelen zur Jetztzeit
erkennt der denkende Mitbürger die
erstaunliche Gleichartigkeit der
Probleme.
Damals das von Jahn als „Ausländerei“
d.i. die kritikloses Nachahmen von
französischen Sitten und Gebräuchen
bis hin zum Sprachgebrauch – heute
die Amerikanisierung in den Medien,
der Verhaltensweisen, der Sprache.
Damals die militärische Unterdrückung
durch Frankreich unter dem Imperator
Napoleon, der missliebige Schriftsteller
hinrichten ließ – heute die in Medien
vorgenommene „Gleichschaltung der
Gesinnung“, die „Political Correctness“,
FESTSCHRIFT.doc
die bis zum Denkverbot und der
Kriminalisierung anderer Meinungen
als der „öffentlich“ verkündeten führt.
Das „Verlieren unter anderen Völkern“
findet Parallelen in der heute
ungezügelten Zuwanderung, den
Konflikten, die damit importiert werden
und der „Staatsreligion des Multi-KultiKultes“.
Das Recht auf Heimat, auf ein Leben
im eigenen Kulturkreis ist ein
Menschenrecht.
An dieses Recht und die Pflicht es zu
behaupten erinnert Jahn.
Die Erweckung der Liebe zum eigenen
Volkstum, das Bewusstwerden der
Werte, die im Volkstum liegen sind
Voraussetzungen für eine ungestörte
persönliche Entwicklung und für die
Zukunft des ganzen Volkes.
W.P.
Seite 45 von 56
JAHN wörtlich
„Volkstümliche Denkmäler reden
lange und laut; gegen ihre Sprache
gibt es nur ein Mittel – Vertilgung.
Die Volkstumsdenkmäler stehen wie
Urfelsen gegen Wogen : nur müssen
es Prachtausgaben sein, wahre
Werke.
Wer unser Herz angreift, erscheint
uns als Erbfeind. Verbietet nur einer
die Liebe, er gebietet sich
allgemeinen Haß.
Volkstümliche Heiligtümer können
nicht ungestraft angetastet werden.
Jedes Denkmal ist ein Beispiel von
Tat und Lohn.“
Ehrengabe des Wiener Turngaues
Gestaltet von Ilse u. Peter Wicha, (Gips in Kassette)
[Friedrich Ludwig Jahn, Deutsches Volkstum1816, C. Naumanns Druckerei Frankfurt;
Abschnitt VII Volksgefühl, Kap. 5, S 179 ffl]
Im Kapitel, das Jahn trefflich
Volksgefühl nennt, geht er auf die
Gefühle ein, die mit Denkmälern
verbunden sind.
Und er sagt gleich zu Beginn :
Denkmäler reden laut und können nur
vertilgt, zerstört werden von jenen die
er als Erbfeinde beschreibt.
Heute stehen wir vor der unfassbaren
Tatsache, daß Jahndenkmäler,
Straßentafeln, Schulbezeichnungen
nach Jahn zerstört werden oder
ausgelöscht werden sollen.
Volkstumsdenkmäler – also Denkmäler
von Ereignissen und von
Persönlichkeiten unseres Volkes sind
ein Beispiel für Tat und Lohn.
Keinem Erzieher wurden im deutschen
Sprachraum mehr Denkmäler gesetzt
als Jahn !
Wesentliche unserer Turnbewegung
meint, und es zerstören zu lassen ?
Viele ÖTB Turnerinnen und Turner
wissen gar nicht was alles bereits
zerstört wurde, was umbenannt und
ausgelöscht wurde und werden soll
von kultur- und geschichtslosen
zerstörerischen Zeitgenossen.
Warum ist das so ?
Versagt da nicht die Führung ?
Sind wir entweder gleichgültig oder
feige geworden ?
Darüber lohnt es sich erst einmal
nachzudenken.
Haben wir darüber nachgedacht, dann
aber ist es unsere Pflicht daraus die
Folgerungen zu ziehen.
Diese kann nur lauten :
Wie steht es mit der Forderung Jahns
diese nicht ungestraft antasten zu
lassen ?
Gegen jene die uns ins Herz treffen
wollen aufzustehen !
Erlauben wir tatsächlich „unser Herz“
anzugreifen, womit Jahn das
Steh´auf wenn Du ein Turnerbündler
bist !
FESTSCHRIFT.doc
Seite 46 von 56
JAHN wörtlich
„Das Gute, Wahre, Rechte und
Schöne kann man nie früh genug
lernen – ja nichts übertrifft die
Macht des Beispiels und der
Gewohnheit.
Kunstgefühl, Geschmack, frühe
Bildung des Schönheitssinns,
Achtung der Werke der Kunst und
des Fleißes müssen schon aus den
Schulen hervorgehen.“
[Friedrich Ludwig Jahn, Deutsches Volkstum, 1816, C. Naumanns Druckerei
Frankfurt; Abschnitt V Volkserziehung, Kap. 4 Gegenstände, S.119f]
Jahn, der Volkserzieher, der den Menschen als Ganzes sieht, hebt die Bedeutung
des Vorbildes, des Beispiels in der Kunsterziehung hervor.
Dann unterstreicht er auch die Gewöhnung an Gutes, Wahres und Schönes.
Vorbild also und ständige Beschäftigung mit Schönen, Wahren und Gutem gehören
zusammen.
Es ist für Jahn eine menschliche Notwendigkeit, das so früh und so zeitig wie möglich
zu erlernen.
Das Gefühl für Kunst sollte – so Jahn – aus den Schulen hervorgehen.
Sehen wir uns heute um.
Wird dem Schönen, Guten und Wahrem der gebührende Platz eingeräumt ?
Werden die künstlerischen Leistungen unseres Volkes in Baukunst, Schrifttum,
bildnerischen Künsten, den Natur- und Geisteswissenschaften hinreichend und als
Vorbild den jungen Menschen vorgestellt ?
Die Klassiker werden abgewertet, ihre Stücke demoliert und des Inhaltes beraubt.
Sollten wir uns hier nicht wiederbesinnen ?
Nicht das Abartige, Absonderliche, Unnatürlich, sondern das Gute, Wahre und
Rechte müsse früh genug gelernt und gelehrt werden.
Am Anfang steht das Beispiel, daraus folgt die Gewöhnung, d.i. das Erlernen des
Wahren, Rechten und Schönen.
In einer Zeit, die Abartiges, Monströses, Unnatürliches und Widernatürliches
besonders hervorhebt und sensationsgeil als allgemein gültiges Beispiel anpreist,
sind Jahns Worte ein Hinweis auf diese Tatsache:
Die Erziehung zum Schönen, Rechten und Wahren ist ein unverzichtbarer und
bedeutender Beitrag zur menschlichen Entwicklung .
Die Macht des Beispiels – leider auch des schlechten – kann nicht überschätzt
werden

FESTSCHRIFT.doc
Seite 47 von 56




             

          

              



          
     
        
        
        
        

          


          
        


              
          



                
          








    
   
    
    
     
  
     


   


           
           
         


FESTSCHRIFT.doc
Seite 48 von 56
      
      
      
     
        
         

        
             

     


            
            







Friedrich-Ludwig-Jahn - Museum

Schlossstraße 11


06632 Freyburg / Unstrut
Tel.: 034464 / 27426
Fax: 034464 / 66560
Email: [email protected]
Die Erinnerungsturnhalle
Erinnerungsturnhalle











FESTSCHRIFT.doc
Ehrenhalle
Seite 49 von 56
Ein überaus interessanter und erhellender Briefwechsel
Auf der Suche nach Jahnzitaten, denen aus heutiger Sicht antisemitische und
nazistischer Inhalt nachgesagt wird, finden sich in extremistisch linken Netzseiten
verschiedene Angaben, die Univ. Prof. Pelinka als Quelle anführen.
Was liegt näher als dort zitierte Experten zu befragen.
Gedacht, getan.
Hier das Ergebnis:
An : Anton Pelinka [[email protected]]
Von: "O. Univ. Prof. Dr. Werner Pfannhauser"
<[email protected]>:
> Lieber Herr Kollege,
> Ich werde immer wieder auf Jahnzitate mit antisemitischem und
nazistischem
> Inhalt angesprochen. Mit Bezug auf Sie werden Zitate publiziert, was mir
> fehlt sind die Literaturnhinweise bzw. bibliographische Zitate.
> Können Sie mir da aushelden ?
>
> Besten Dank für Ihre Mühe
> Ihr
Re: AW: Re: F.Jahn
Anton Pelinka [[email protected]]
An: O. Univ. Prof. Dr. Werner Pfannhauser
Cc: [email protected]
Lieber Herr Kollege,
ich bin nicht sicher, ob ich da die beste Auskunftsperson bin: Ich bin ganz
gewiss kein Jahn-Spezialist und habe auch diesbezuglich nichts publiziert.
Ich
habe allerdings bei Vortraegen das eine oder andere Mal darauf hingewiesen,
dass Jahn - der aus seiner Zeit heraus erklaerbar ein Deutschnationaler des
19.Jahrhunderts war, im 20.Jahrhundert instrumentalisiert wurde, um den
Deutschnationalismus in dessen aggressivster Form, also den
Natrionalsozialismus, zu legitimieren. Falls Sie ein genaues Zitat von mir
haben, das ich interpretieren soll, mache ich das gerne. Aber mein Freund
und
Kollege, Univ.Prof.Reinhold Gaernter ([email protected]) kann
Ihnen
sicherlich besser als ich bei der Suche nach Jahnzitaten behilflich sein.
Beste Gruesse,
Anton Pelinka
Professor of Nationalism Studies and Political Science
Central European University, Budapest
FESTSCHRIFT.doc
Seite 50 von 56
von "O. Univ. Prof. Dr. Werner Pfannhauser"
<[email protected]>:
> Sehr geehrter Herr Kollege Gärtner,
>
> von Koll A. Pelinka habe ich den Hinweis erhalten:
> "..mein Freund und
> Kollege, Univ.Prof.Reinhold Gaernter ([email protected]) kann
> Ihnen
> sicherlich besser als ich bei der Suche nach Jahnzitaten behilflich
sein."
>
> Ich suche also Zitate mit bibliograhischem Beleg zu von Jahn in
verschiedenen
> Publikationen angeführten antiseminitschen, demokratiefeindlichen
Aussagen.
>
> Ich ersuche Sie mir diese freundlicher Weise zur Veffügung zu stellen.
> Besten Dank im voraus.
>
> MfG
>
> O.Univ. Prof. Dr. Werner PFANNHAUSER
> 1180 Wien, Kreuzgasse 79
> 8081 Heiligenkreuz a. W., Großfelgitschberg 33
> Ruf 0664/14 0 15 43
> www.pfannhauser.at
Von: [email protected]
Sehr geehrter Herr Prof. Pfannhauser,
ich denke doch, das Sie als Wissenschaftler und ehemaliger ÖTB-Gauobmann
keine
Schwierigkeiten haben, Jahn-Zitate in jeder Menge zu eruieren. In Ihren
Artikeln im Eckartboten und in der Aula haben Sie diesen Themenkreis immer
wieder erörtert.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhold Gärtner
a.Univ.Prof.Mag.Dr. Reinhold Gärtner
Institut für Politikwissenschaft
Universität Innsbruck
A-6020 Innsbruck
*43-(0)512-507-7057
0680-2047564
Lieber Herr Kollege,
es ist schon erhellend :
Da wird Koll. Pelinka als Referenz für Jahnzitate genannt und gibt befragt an, darüber wisse er nichts.
Er verweist an Sie und sendet eine ppt-Präsentation aus Ihrem Seminar von minderer Qualität und
ohne Bezug auf Zitate.
Dann ersuche ich Sie um die bibliographischen Angaben - aber ohne Erfolg.
Das läßt 2 Deutungen zu:
1. Sie haben keine bibliographisch belegbaren Jahnzitate mit den erwähnten Inhalt
2. Sie wollen keine Angaben senden. Fragt sich nur : warum ?
FESTSCHRIFT.doc
Seite 51 von 56
Daher ein letzter Versuch einer Sammlung aus dem Internetz.
Vielleicht wissen Sie als "Fachmann" auf diesem Gebiet woher diese stammen und senden die
bibliographischen Zitate.
Besten Dank im voraus !
MfG
O.Univ. Prof. Dr. Werner PFANNHAUSER
1180 Wien, Kreuzgasse 79
8081 Heiligenkreuz a. W., Großfelgitschberg 33
Ruf 0664/14 0 15 43
www.pfannhauser.at
BISHER KEINE ANTWORT !!!
Was lernen wir daraus ?
Von irgendwelchen obskuren Stellen ernannte „Fachleute“ und deren Zitate werden
im Internetz verbreitet, um Jahn anzupatzen
•
ohne dass der Zitierte – wie er selbst erklärt – ein Fachmann ist und davon
etwas weiß
•
er aber einen – nun doch – Fachmann weiß,
•
welcher angeschrieben entweder diese angeblichen Zitate nicht belegen kann
oder will.
Das Internetz ist geduldig.
Ein hoher Anteil der Inhalte ist „Mist“.
Das weiß der kundige Internetz .—Nutzer.
Nur : derart dubiose“ Literatur“ wird als Aufhänger für eine Lügenkampagne
gegen Jahn und die Turnbewegung benützt.
Und was noch ärger ist : ohne selbst zu prüfen und
nachzuforschen fallen nicht wenige Turner darauf hinein !
Wie gesagt : ein Lehrbeispiel……………..
FESTSCHRIFT.doc
Seite 52 von 56
Friedrich Ludwig Jahn zum Geburtstag
Hoch verehrter Herr Prof. Dr. Jahn, lieber Turnbruder,
Am 11. August jährt sich Ihr Geburtstag zum 229. Mal. Ich nehme das zum Anlass, einen sehr persönlichen
Dankesbrief an Sie zu richten, wohl wissend, dass er Sie nie erreichen wird. Aber insgeheim hoffe ich natürlich,
dass er andere Leser findet.
Es gibt in unserer deutschen Geschichte vermutlich nicht viele Persönlichkeiten, die derart sichtbare Spuren ihres
Wirkens hinterlassen haben wie Sie – und mit Spuren meine ich nicht die vielen Denkmäler, Schulen, Straßen,
Turnhallen, Sportplätze, Vereine usw., die ihren Namen tragen. Manche Leute, selbst solche aus den
Turnverbänden und Schulverwaltungen, sehen das als abgeschlossene Traditionspflege, einige „Modernisierer“
finden es sogar anstößig. Dabei sind Sie viel gegenwärtiger als solchen Leuten bewusst ist und manchmal
melden Sie sich sogar eindrucksvoll aus der Vergangenheit zurück. Man denke nur an das letzte Jahr, als
Deutschland plötzlich und unerwartet in einem schwarz-rot-goldenen Fahnenmeer versank. Schwarz-Rot-Gold:
Unsere ursprünglichen Turnerfarben, die auf Sie zurückgehen und die sich 1832 beim Hambacher Fest in den
Herzen der Deutschen als die deutschen Nationalfarben durchsetzten. Überhaupt das Hambacher Fest: Vor
wenigen Wochen feierte das politische Deutschland den 175. Jahrestag dieses Ereignisses als einen Meilenstein
der deutschen Demokratie. Nur wenigen, die darüber geredet und geschrieben haben, war bewusst, dass das
Hambacher Fest die direkte Fortsetzung des Wartburgfestes von 1817 war und dass es in Hambach über weite
Strecken um Forderungen ging, die schon die Burschenturner von 1817 unter Ihrem Einfluss auf der Wartburg
postuliert hatten. Immer wieder erweist sich so der (vermeintlich) aufs museale Altenteil abgeschobene
„Turnvater“ als äußerst aktuell und irgendwie kommt keiner so richtig an Ihnen.
Dieses alles habe ich aber nicht gemeint, als ich vorhin von den sichtbaren Spuren Ihres Wirkens sprach. Ich
habe damit etwas viel näher Liegendes und Alltäglicheres gemeint: Noch immer nämlich beeinflussen Sie ganz
direkt das Leben vieler unserer Mitbürger und bereichern es, indem Sie Tag für Tag eine nach Millionen zählende
Menschenschar im wahrsten Sinne des Wortes in Bewegung setzen. Ihre große, und für Ihre Zeit geradezu
revolutionäre Idee, mit der Sie den Lebensstil der folgenden Generationen auf eine damals noch unvorstellbare
Weise umkrempelten, ist natürlich das Turnen. Der Stein, den Sie 1811 ins Rollen brachten, erfüllt uns heute
noch mit Begeisterung und unsere Schützlinge vom Kinder- bis zum Seniorenalter lassen sich davon immer
wieder von Neuem anstecken und mitziehen. Ja, Sie bereichern noch immer unser Leben!
Vieles in der Turnerei hat sich seit Ihrer Zeit geändert und es wird oft gemutmaßt, dass Sie das, was wir heute so
treiben, mit Missfallen betrachten würden. Das glaube ich aber nicht. Das Besondere an ihrer Turnerei ist ja die
von Anfang an darin angelegte Offenheit und Dynamik. Das, was Sie 1816 in Ihrer „Deutschen Turnkunst“
veröffentlichten, war das Ergebnis eines fünfjährigen, ununterbrochenen Experimentierens und Erprobens. Wer
kann heute schon sagen, wohin Sie Ihr Weg noch geführt hätte, wenn die Turnsperre Ihre Bemühungen nicht jäh
gestoppt hätte?. Auch die Turnplätze dienten zuförderst der körperlichen Ertüchtigung; Reck, Barren und
Klettergerüst waren die ersten Kraftmaschinen, schon lange, bevor an ihnen die ersten Kunststücke geturnt
wurden.
Wenn man Ihre Schriften ein wenig vom Staub der Geschichte befreit, dann stellt man darin eine bemerkenswerte
Aktualität fest. Allen Missgünstigen, die Ihre Verdienste nicht anerkennen wollen, zum Trotz: Wir haben Ihren
Grundideen nur wenig hinzugefügt, sind aber auf vielen Gebieten weit hinter ihnen zurück geblieben – und das
nicht nur auf pädagogischem Gebiet. Im Laufe der Jahre ist uns in vielen Bereichen die von Ihnen so hoch
geschätzte Brüderlichkeit abhanden gekommen und von manchen „Modernisierern“ wird das Turnen gar nur noch
als Geschäftsfeld, als „Marke“ und als monetär zu bewertendes Wirtschaftsgut betrachtet. Dieses sollten wir als
Turnfamilie nicht ohne gründliche Diskussion und Widerstand hinnehmen – ebenso wie wir die extremen und bis
ins Unmoralische überspitzten Leistungsforderungen des Kunstturnens, das Doping u.v.m. nicht einfach
hinnehmen sollten.
Ihr Turnen, lieber Turnbruder Jahn, lebt. Und so werde ich denn hoffentlich noch einige Zeit montags, dienstags
und freitags in die Turnhalle eilen, nicht um eine verstaubte Tradition zu pflegen, sondern um das höchst
moderne und sich immer wieder erneuernde und faszinierende Turnen an die nächste Generation
weiterzureichen.
Mit aufrichtigen turnbrüderlichen Grüßen,
Ihr Karl Thielecke aus Regensburg (verfasst 2007, gekürzt aus : http://www.jahn-museum.de/ )
FESTSCHRIFT.doc
Seite 53 von 56
Das Unternehmen „Jahndenkmäler in Österreich“
„Wenn meine Arbeit geeignet wäre, dem Andenken an Jahn und damit der deutschen
Turnerei zu nützen, so würde mir dies reicher Lohn für meine Mühe sein. Denn
fürwahr leicht war das Sammeln des Stoffes nicht. Doch will ich jetzt nicht darauf
zurückkommen, wie vieler Aufforderungen es bedurfte, ehe die Bausteine zu meinem
Werke geliefert waren.“
Rudolf Lill, Oberleutensdorf, Deutschösterreichische Turnzeitung,
33.Jg., Wien 14.11.1907 Nr. 46, S. 447ff
Im Jahr 2003 feierte F.L. Jahn seinen 225.Geburtstag. Für diesen Zweck sollte ein
besonderes Projekt in die Tat umgesetzt werden. In der Vergangenheit waren bereits
mehrmals Versuche gestartet worden, eine Komplettliste der Jahndenkmäler in
Österreich zu erstellen. Aufgrund mangelnder Rückmeldemoral der Vereine blieb es
immer nur bei dem Vorsatz, das sollte nun anders werden.
Und so machte sich Günter Atzmanninger 2002 ans Werk. Als Ausgangsmaterial
standen ihm zur Verfügung:
 eine Auflistung aus dem Jahr 1931
 ein Aufruf mit Liste BTZ 1957, Folge 8, S. 2
 Erwin Mehl: „Jahn als Spracherzieher“, 1978, S. 46
 Vereinsdatenerhebungsbögen aus dem Jahr 1993
Nachdem diese Angaben in eine Liste zusammengeführt
waren, hieß es die Daten zu überprüfen und zu
ergänzen. Dazu wurden folgende Zeitungen auf
Meldungen über Denkmäler durchforstet:
 Deutsche
Turnzeitung,
Verbandszeitung
der
Deutschen
Turnerschaft
–
Turnkreis
Deutschösterreich
 Deutscher
Turner-Hort,
Verbandszeitung
des
Deutschen Turnerbundes (1889)
 Bundesturnzeitung, Verbandszeitung des Deutschen Turnerbundes (1919)
 Bundesturnzeitung des Österreichischen Turnerbundes (ab 1955)
und sämtliches vorhandenes Bildmaterial eingescannt.
Und dann ging’s in die Feldforschung. Da die Rückmeldungen spärlich waren,
beschloss Familie Atzmanninger die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Die
Gebiete wurden aufgeteilt und dann von Schärding bzw. Wien an angefahren,
abgewandert, abgesucht…die Objekte der Begierde fotografiert oder manchmal auch
das Zielgebiet enttäuscht verlassen.
Im Herbst 2002 waren die meisten Denkmäler bereits erfasst, es stellte sich
allerdings heraus, dass eine Abgrenzung zwischen Turner- und Jahndenkmal nötig
war.
Als Jahndenkmäler wurden nur jene auf Dauer errichteten und unverrückbaren
Gedenksteine und -tafeln kategorisiert, die einen eindeutigen Jahn-Bezug aufweisen,
sei es durch ein Jahn-Bildnis oder die Inschrift „Jahn“.
FESTSCHRIFT.doc
Seite 54 von 56
Als Turner-Gedenksteine eingestuft wurden jene auf Dauer
errichteten und unverrückbaren Gedenksteine und -tafeln, die eines
der folgenden Kriterien aufweisen:
Verbandsabzeichen des DTB 1919 oder des ÖTB
Widmung durch einen Turnverein
Inschrift
Turner,
Turnbruder
(Tbr.)
bzw.
Turnschwester
(Tschw.),
Turngeschwister
 Inschrift, die auf eine Verbindung mit dem Turnwesen hinweist
 Turnerwahlspruch 4F oder Turnergruß „Gut Heil“
 Anbringung oder Aufstellung auf Vereinseigentum (Turnhalle, Turnplatz)
Im Mai 2003 erschien „Ein Denkmal für Jahn“, im Oktober 2004 „TurnerGedenksteine und –tafeln in Österreich“. Beide Bücher sind im Bestand der
Nationalbibliothek verzeichnet.



In Kenntnis der Tatsache, dass die Abteilung
Denkmalverzeichnis des Bundesdenkmalamtes
gemäß §2a des Denkmalschutzgesetzes (DMSG)
beauftragt ist, bis 31.12.2009 alle unbeweglichen
„§2 Denkmale“ zu erfassen und per Verordnung
vorläufig unter Denkmalschutz zu stellen sowie
generell den Umfang des Gesamtbestandes an
Denkmälern in Österreich zu klären, hat Günter
Atzmanninger am 29.04.2003 dem
verantwortlichen Projektleiter HR Dr. Andreas
Lehne die gesamte Dokumentation über die Jahndenkmäler überreicht.
Der ÖTB hat somit einen wesentlichen Beitrag zur Bewahrung von Kulturgut
geleistet.
Insgesamt wurden in diesem Projekt erfasst:
Jahndenkmäler
erhalten
89
zerstört
20
gesamt
109
Zur
Verfügung
gestellte
15
Fotos
selbst gemachte Aufnahmen
94
Turnerdenkmäler
92
5
97
33
64
Summe
181
25
206
48
158
15.05.2004 Roethelstein
01.03.2003 Aflenz
FESTSCHRIFT.doc
Seite 55 von 56
Diese Jahn – Marke hat der „Verein zur Förderung des Jahnschen Turnens“
herausgebracht.
Aus Anlaß des 230. Geburtstages des Begründers des Turnens sollte die Marke
in keinem Verein, bei keinem Turner fehlen.

Bestellungen beim Obmann des „Vereins zur Förderung des Jahnschen Turnens“
Tbr. Dipl.Ing. Hermann Pietsch
Kapuzinerberg 13
4910 Ried / I
E – Post :[email protected]
Kosten : 1,- € / Stück (keine Mindestabnahme erforderlich)
zuzüglich Einschreibkosten 5,- €
Einzahlungen :
Verein zur Förderung des Jahnschen Turnens
Kontonummer 30513310000 Bankleitzahl 43830


FESTSCHRIFT.doc
Seite 56 von 56

Documentos relacionados