EINtauchEN IN dIE Natur
Transcrição
EINtauchEN IN dIE Natur
Les Hautes- Alpes EINtauchen in die Natur Um in das Département Hautes-Alpes zu gelangen, kann man sich einfach vom Midi aus, dem beliebten Süden, ins Landesinnere begeben. Es verbindet die Vorzüge zweier Landschaften: den mediterranen Charme der Provence und die Wintersportmöglichkeiten der Alpen. In den vergangenen Jahren sind inmitten ausgedehnter Wälder, Berge und Täler immer mehr unkonventionelle Unterkünfte entstanden. 56 FRANKREICH MAGAZIN FRANKREICH MAGAZIN 57 chen, die Bruno selbst entworfen hat. Jedes hat seinen eigenen Charakter und trägt den Namen eines Sternbildes. Während Pérsée (Perseus) über zwei Etagen und ein Aussichtstürmchen verfügt, erinnert Céphée (Kepheus) an eine Trapperhütte. Und wer in der etwas abgelegenen Cassiopée (Kassiopeia) übernachtet, sollte mit nächtlichem Besuch von Hirschen und Wildschweinen auf dem Terrain vor der Veranda rechnen. Von unserer Hütte Andromède aus, die modern und gemütlich eingerichtet ist, haben wir einen herrlichen Blick auf Wald und Sternenhimmel. Nachts herrscht hier absolute Stille, doch mit der aufgehenden Sonne setzt ein regelrechtes Vogelorchester ein. • B Vorige Seite: Panorama bei Les Orres. Diese Seite, im Uhrzeigersinn: Terre des Baronnies; Abkühlung im Fluss Méouge; am Lac de Serre-Ponçon; selbstgemachte Ziegenkäsekugeln mit Kräutern und Blüten. 58 FRANKREICH MAGAZIN ei „Terre des Barronnies“, direkt an der Grenze zur Provence, handelt es sich um so eine innovative Einrichtung. Hier wird der Aufenthalt zur immersion nature, zum vorübergehenden „Ab- oder Eintauchen in die Natur“. Mitten im Naturpark Baronnies haben Bruno und Aline einen einzigartigen Ort geschaffen, an dem sich zwei Trends harmonisch ergänzen: der Wunsch nach Luxus und Wellness einerseits und das Bedürfnis nach einer Unterkunft inmitten der unberührten Natur andererseits. Wir kommen zum Gästehaus „La Grange“, das sich oben auf der Kuppel eines grünen Hügels befindet. Einst eine Scheune, heute une demeure de charme mit allem erdenklichen Komfort. Gleich in der Nähe steht das Natursteinhaus, in dem Bruno und Aline selbst seit zwölf Jahren wohnen, nachdem sie beschlossen hatten, das Leben in der Stadt für ein Leben in der unberührten Natur einzutauschen. Das Haus hat einen gemütlichen auvent, wo Aline Diners für die Gäste serviert, sowie eine wunderschöne Terrasse, von der aus man die Raubvögel beobachten kann, die in schwindelerregender Höhe ihre Kreise ziehen. Die Vögel sieht man übrigens auch schon von der etwas tiefer gelegenen piscine und von dem noch etwas tiefer gelegenen norwegischen „Hot Tub“, der für bis zu vier Personen geeignet ist. Doch der wahre Geheimtipp im Ensemble von „Terre des Baronnies“ sind die hölzernen cabanes d’hôtes de charme etwas weiter unten im Wald. Während Bruno sich bereits aufmacht, unser Gepäck mit dem elektrischen Golfwagen zu unserer Hütte hinunterzubringen, schlendern wir ganz gemütlich über einen schmalen Waldweg hinterher. Schon bald treffen wir auf fünf freistehende, von Pinien umstandene Holzhäus- Leckereien aus der Natur Am Nachmittag erwartet uns eine Überraschung: Wir werden von Claire Girard zu einer „Pflückwanderung“ mitgenommen. Claire führt uns in die cuisine sauvage ein, die wilde Küche: Kochen mit Kräutern und Pflanzen, die man einfach so in der Natur finden kann. Sie macht uns mit Geheimnissen des Waldes bekannt und anschließend dürfen wir unseren eigenen Ziegenkäse zubereiten – mit all den gesammelten essbaren Blumen, Pflanzen und Kräutern. Jemand bemerkt, dass beim Aperitif zehn unserer Häppchen verschwunden sind. „Wir hatten doch 27 zubereitet, und jetzt sind es nur noch 17!“ Das Mysterium der „verschwundenen Häppchen“ sollte den roten Faden unserer nachfolgenden Gespräche bilden. Aber keine Sorge, uns mangelt es an nichts. Abends Nachts herrscht hier absolute Stille, doch mit der aufgehenden Sonne setzt ein regelrechtes Vogelorchester ein. genießen wir das hervorragende soirée gastronomie du terroir, zubereitet und serviert von Aline, unter anderem mit einer Tajine und fantastischem Lammfleisch. „Hier wird zwar nicht sehr viel Wein angebaut, doch ich habe einige feine Tropfen für uns auftreiben können“, sagt Bruno voller Stolz. Und in der Tat, seine trouvailles bringen das volle und fruchtige Aroma eines Anbaugebietes mit, in dem durchgehend die Sonne lacht. Die sauberste Luft von ganz Frankreich Das Département Hautes-Alpes darf man nicht verwechseln mit dem Département Alpes-de-Haute-Provence, auch wenn sie direkt aneinander grenzen. Von Marseille aus geht das Land ganz allmählich in die sanften Hügel der Provence und der Haute-Provence über, dann erst gelangt man nach Hautes-Alpes. Im Südwesten wirkt das Département noch recht provenzalisch mit seinen tiefen Schluchten im Kreidegestein, wo man Thymian und Rosmarin riecht und die Grillen geräuschvoll zirpen. Doch je weiter man in den Osten kommt, umso mehr verstärkt sich der Eindruck, dass man es eigentlich mit einem Skigebiet mit hohen Bergen, Skiliften und Berghütten zu tun hat. Plötzlich verwandelt sich die > FRANKREICH MAGAZIN 59 Ungeachtet, wohin man kommt, die Natur ist gleichermaßen beeindruckend und überwältigend. Landschaft von einem Gebiet für Gourmands in ein Wintersportparadies. Aber ungeachtet, wohin man kommt, die Natur ist gleichermaßen beeindruckend und überwältigend. Im Südwesten herrscht eine Atmosphäre wie in der Provence vor 20 Jahren: Es ist sehr ruhig hier und es fehlen die Touristen, die sich gern gruppenweise auf den lokalen Wochenmärkten tummeln. Hier kann man wunderbar wandern. An ihren raueren Stellen erinnert die Schlucht von Méouge stark an den Lubéron. All die Gerüche und diese herrlich warme Luft... Hach! Ein freundlicher Mann in Wanderkluft verrät uns alles über die Flora und Fauna der Region. Er berichtet von einer unglaublich großen Zahl Schmetterlinge, die man hier beobachten kann, und rühmt „die sauberste Luft von ganz Frankreich“. „Nur schade, dass man im vergangenen Jahrhundert hier so viel Wald abgeholzt hat“, seufzt er. Um die Erosion zu stoppen, hat man anschließend die langweilige Österreichische Tanne angepflanzt, le pin Autrichien, was zu vielen fôrets monotypiques führte, eintönigen Tannenwäldern, die wie zottelige Fellbüschel die felsigen Gipfel der Landschaft bedecken. Unter uns sehen wir, wie einige Leute in der Schlucht ihre Handtücher auf den Felsen ausbreiten, um Oben: der Lac anschließend ins Wasser zu springen. Sie erfrischen de Serre-Ponçon. sich in der kühlen Méouge, die sich sprudelnd 60 FRANKREICH MAGAZIN durch die Schlucht windet. Dolce far niente. Daran können wir leider nicht teilhaben, denn nach dem vorzüglichen Mittagessen ist es Zeit für den Sport. Mit einem Quad Bike, einem vierrädrigen Fahrrad, werden wir gleich den Berg hinabfahren. Oben, auf 1.650 Metern bei Les Orres, ist die Aussicht auf den Flickenteppich aus Weiden und Bergflanken unbeschreiblich schön. Der gleichen Meinung sind auch die Liebhaber des Paragliding, die hier von einer hervorragenden Thermik profitieren. Doch schon sitzen wir auf unseren Quads und lauschen leicht gedämpft durch den Helm den Ausführungen unseres Führers Mathieu. Seine Sicherheitsanweisungen nehmen besorgniserregend viel Zeit in Anspruch, aber das ist nun einmal notwendig, um sich gegenüber risikofreudigeren Teilnehmern abzusichern. Im Grunde hat man nichts zu befürchten auf diesen Kettcars für Erwachsene. Solange man nur den Helm trägt und nicht vergisst, beim Bremsen aus hoher Geschwindigkeit auch die Hinterradbremsen zu betätigen, sofern man keinen Salto vorwärts machen möchte. In einer Kolonne fahren wir hinter Mathieu her, durch Büsche, zwischen den Bäumen hindurch, um anschließend die Bergstraße hinunter zu sausen. Es lebe das Kind in uns! Quell der Freude Am folgenden Morgen kommt das Kind abermals auf seine Kosten, denn wir bekommen Kajakunterricht auf dem Lac de Serre-Ponçon. Ein enormer Stausee, der größte von Europa sogar, der in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts in der damals noch üblichen Weise angelegt wurde: ohne Rücksicht auf Verluste. Drei Dörfer mussten dafür weichen. Von einem ragt – gewissermaßen als Wahrzeichen eines verschluckten Dorflebens – einzig die Kirche heraus. Der Stausee wurde aus praktischen Gründen angelegt: Um den wachsenden Energiebedarf zu decken, um trockene Gebiete der Provence zu bewässern und um das Hochwasser des Flusses Durance aufzufangen. Aber der See erwies sich auch als Quelle der Freude, unter anderem durch einen stetig wachsenden Wassersporttourismus. Zahlreiche Familien verbringen ihren Urlaub auf den Campingplätzen entlang der Ufer. Und man kann hier sehr viel unternehmen, vor allem Eltern mit Kindern können sich hier rund um die Uhr beschäftigen. Man kann hier paddeln, Tretboot fahren, surfen, reiten, wandern, radfahren, kitesurfen, segeln, Stand Up Paddling, in aufgeblasenen Kugeln über das Wasser laufen und vieles mehr. Die ganz Kleinen knabbern währenddessen an der barbe à papa, einer Art Zuckerwatte, etwa auf der Minikirmes der base de loisirs, des Vergnügungsparks des am Seeufer gelegenen Ortes Savines-leLac. Eine herrliche Gegend eigentlich, die HautesAlpes, mit ihrer sympathischen Unaufdringlichkeit, mit ihren Restaurants, wo man schon für wenig Geld ein ordentliches Drei-Gänge-Menü inklusive einem viertel Liter Wein bekommt („uniquement le Midi“), wo man alles vorfindet, was das Freizeitsportlerherz begehrt. Und wo man zu sich selbst finden kann, zu seinem eigenen Tempo und einfach mal kurz „abtauchen“ kann in der wundervollen Natur. Text Fabian Takx fotos Alain Lorfèvre & Département Hautes-Alpes Im Uhrzeigersinn: Paddeln auf dem Stausee; einzig eine Kirche erinnert an die drei Dörfer, die dem Stausee weichen mussten; ‘barbe à papa’ auf einer kleinen Kirmes am See; hoch oben mit einem Quad bike. FRANKREICH MAGAZIN 61 Tipps & Adressen Übernachten ☛ Terre des Baronnies La Capelette, Ribeyret, Tel. +33 492 512508, www.terredesbaronnies.com. ☛ Les Bartavelles Ein gemütliches Familienhotel in der Nähe des Lac de Serre-Ponçon gelegen, mit einem umfangreichen Wellnessangebot, Außenpool und einem hervorragenden Restaurant. Les Clos des Pommiers, Crots, Tel. +33 492 432069, www.bartavelles.com. ☛ Hôtel Les Peupliers Rustikales Drei-Sterne-Hotel in den Bergen mit Spa. Hier kommt man in den Genuss der traditionellen regionalen Küche. Chemin de Lesdier, Baratier, Tel. +33 492 430347, www.hotel-les-peupliers.com. ☛ Le Soustet des Auches Gemütliche chambres d’hôtes in einem hübschen Dorf. 58, Rue Henri Peuzin, Serres, Tel. +33 6 14861866/492 513163, www.le-soustet-des-auches.com. ☛ La Font Vineuse Besonders bezaubernde chambres d’hôtes mit Spa und table d’hôte in der Nähe des Lubéron, mit einem wirklich netten Eigentümer. Domaine de la Font Vineuse, Saint-Pierre-d’Argençon, Tel. +33 6 79145185, www.lafontvineuse.com. Aktivitäten ☛ Pra Boyer ☛ La Maison du Guil Sehr empfehlenswertes chambre d’hôtes, das sich in einer restaurierten Klosterkirche aus dem 16. Jahrhundert niedergelassen hat und von einem belgischen Ehepaar geführt wird. Der Guide Michelin und der Gault Millau sind sich in ihrem Lob einig. La Font, Eygliers, Tel. +33 492 501620, www.lamaisonduguil.com Claire Girard organisiert „Pflück wanderungen“ durch die Natur und bietet Kochworkshops aus der „Wilden Küche“ (cuisine sauvage). Darüber hinaus vermietet sie Zimmer mit Option zur table d’hôtes. Pra Boyer, Montmorin, Tel. +33 492 660337, www.gitedepraboyer.com ☛ Wassersport Für das Wassersportangebot auf dem Lac du Serre-Ponçon siehe www.tourisme-embrun.com. ☛ Le Jardin Botanique Alpin du Lautaret Ein botanischer Garten auf 2.100 Metern Höhe mit über 2.000 verschiedenen Alpenblumenarten. Von Juni bis einschließlich September täglich geöffnet von 10 bis 18 Uhr. Le Lautaret, Villar-d’Arène, Tel. +33 492 244162 ☛ Abbaye de Boscodon In der Nähe des Lac de Serre-Ponçon befindet sich die Abtei von Boscodon, einst Domizil des Ordens von Chalais, eines Mönchordens, der in seiner Genügsamkeit den Zisterniensern in nichts nachsteht. Die Abteikirche und die Kapelle sind täglich von 9 bis 18.30 Uhr geöffnet, während das Kloster und die Ausstellungen nur an bestimmten Tagen geöffnet sind. Crots, www.abbayedeboscodon.eu. ☛ Seilbahn La Grave La Meije Für diejenigen, die in die Alpen bis auf 3.200 Meter Höhe wollen. In der direkten Umgebung gibt es noch weitere touristische Attraktionen, u.a. für Extremsportlarten wie Rafting, Paragliding und Bergsteigen. Darüber hinaus gibt es ein Gletschermseum mit einer Eisgrotte. La Grave, Tel. +33 476 799109, www.la-grave.com; www.lagrave-lameije.com; www.grottedeglace.com. ☛ VTT Électrique Der neuste Trend im Sportbereich: Das Mountainbike mit Elektromotor, das auch weniger sportliche Urlauber in die Lage versetzt, hohe Berge zu erklimmen. In einer Reihe Hotels in der Umgebung des Lac du Serre-Ponçon kann man sie mieten: Hôtel des Autanes, Hôtel La Ferme de l’Izoard, Hôtel des Peupliers. Das Hôtel des Peupliers bietet verschiedene randonnées auf dem vélo électrique an. Siehe auch www.slowbiketour.fr. ☛ Wintersport Im Osten des Départements Hautes-Alpes befindet sich ein gut entwickeltes Wintersportgebiet mit über 30 Skiorten. www.hautes-alpes.net 62 FRANKREICH MAGAZIN ☛ Quad bikes Mathieu Barniaudy ist ein sehr guter und sympathischer Einweiser sowie Vermieter von Quad Bikes. Place Jean Estournel, Eyguians, Tel. +33 6 13418355, www.qbx-provence.com. ☛ Museoscope du Lac Die Entstehungsgeschichte des Stauwehrs des Lac du Serre-Ponçon. Belvédère de Serre-Ponçon, Rousset, Tel. +33 492 545000, www.museoscope-du-lac.com