Kultur der Kooperation
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Kultur der Kooperation
19.01.11 13:35:51 [Teilseite 'NWE_H1_KUL_REG' - NOZ | Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG | Neue Osnabrücker Zeitung | Mantel | Kultur Regional] von r.doering (Color Bogen) (82% Zoom) KULTUR REGIONAL DIENSTAG, 18. JANUAR 2011 Kultur der Kooperation KOMPAKT Künstler geben Kurse für Malen und Zeichnen 20 Neue Veranstaltungsreihe im Stadtteiltreff „Alte Kasse“ in Hellern OSNABRÜCK. In der Gale- rie schwarz|weiss beginnen neue Mal- und Zeichnen-Workshops. Freie Plätze gibt es noch im Kurs „good morning painting“ von Manila Bartnik. Er beginnt am 31. Januar und findet an acht Terminen montags um 9.30 Uhr statt. Im Kurs „draw up – Grundkurs Zeichnen“ von Künstler Jakob Bartnik sind ebenfalls noch nicht alle Plätze besetzt. Der Kurs findet ebenfalls an acht Terminen donnerstags um 19.30 Uhr statt. Starttermin: 27. Januar. Anmeldungen unter Tel. 05 41/2 79 06. Laut und lustig: Rock und Pop der Musikschule OSNABRÜCK. „Schon wie- der! Junge Leute machen Musik, die laut und lustig ist“ heißt das Konzert der Rock- und Popabteilung der Musik- und Kunstschule am Freitag, 21. Januar, um 19 Uhr im Haus der Jugend. Mit dabei sind: HSI Drummers, Head under Water, Jam Salad, Shit minus 23, O-Town Blues Band, headless men in topless bars, Prometheus, S.K.O.R. und als Gäste Before they are hanged & Schinkel. Fräulein Gerlinde stolpert wieder in die Oper OSNABRÜCK. Mit einem Riesenappetit auf Torte, Musik und Liebe stolpert Fräulein Gerlinde nicht nur durchs Leben, sondern auch durch den clownesken Abend „Fräulein Gerlinde in der Oper“. Am Samstag, 22. Januar, um 20 Uhr ist eine weitere Auflage der Show im Ersten Unordentlichen Zimmertheater zu sehen. Wie immer umrahmt Herta von Streichzart den Abend mit Cello und Gesang. Kasinopark: Blues mit Keith Dunn GEORGSMARIENHÜTTE. American Style Blues: Am Sonntag, 23. Januar, um 19.30 Uhr tritt Keith Dunn in Café & Bar am Kasinopark auf. Begleitet wird der Harmonika-Spieler und Sänger von Gitarrist Jimmy Reiter, Pianist Chris Rannenberg und Drummer Alex Lex. Weitere Konzerte mit Keith Dunn im Kasinopark finden am Sonntag, 27. Februar, und Sonntag, 27. März, jeweils um 19.30 Uhr statt. Kartentel.: 0 54 01/8 56 82 59. KURZ NOTIERT Netenjakob MELLE. „Multiple Sarkas- men“ verbreitet Moritz Netenjakob in seinem aktuellen Programm. Am Freitag, 21. Januar, um 20 Uhr spielt der Comedian in Honerkamps Ballsaal in Melle. Kartentelefon 05 41/ 7 60 77 80. Pop-Session OSNABRÜCK. Musiker des Studienprofils Pop am Institut für Musik werden sich am Donnerstag, 20. Januar, zur letzten Session des Wintersemesters 2010/ 2011 im „Unikeller“ im Osnabrücker Schloss treffen. Beginn ist um 21 Uhr, der Eintritt zu dem Abend ist frei. Ismail Türkers Weg in die Sonne jaka OSNABRÜCK. Das ist Von Corinna Berghahn OSNABRÜCK. In der „Alten Kasse“ in Hellern ist derzeit eher von Abschied als von Aufbruch die Rede: Der Stadtteiltreff soll geschlossen werden. Trotzdem startete jetzt mit einem Konzert von Christina Lux eine neue Veranstaltungsreihe. „Das hier ist kein Konzertraum, sondern eine Begegnungsstätte“, sagt Werner Sievers, pädagogischer Mitarbeiter des Stadtteiltreffs „Alte Kasse“ in Hellern. Umso mehr Mühe haben sich die Veranstalter gegeben, den Raum so gemütlich wie möglich zu gestalten. Mit Erfolg: Der bräunliche Teppich auf dem Bühnen-Podest vermittelt ein wenig WohnzimmerStimmung im zweckmäßig gekachelten Saal. Sievers ist einer der Initiatoren der fünfteiligen Veranstaltungsreihe „Kultur und Kleinkunst in Hellern“, die vergangenen Freitag mit einem Konzert der in Köln lebenden Sängerin Christina Lux gestartet ist. „Die Reihe ist ein Kooperationsprojekt des Stadtteiltreffs und der Musikschule Hellern“, erklärt deren Leiter Stefan Hypius. Die Idee kam den zwei Männern im Sommer 2010; seitdem wird organisiert. Wobei die geplante Schließung des Stadtteiltreffs die Organisation des Kulturprojekts zwar nicht gefährdet, aber doch belastet habe, so Sievers. „Das Wort ,Kleinkunst‘ soll zeigen, dass die Reihe sich nicht nur auf Musik beschränkt, sondern offen in alle Richtungen ist“, sagt Hypius. So ist beispielsweise auch eine Lesung mit Akkordeonmusik eingeplant. „Unser Konzept ist, dass der jeweilige Abend mit einem kurzen Auftritt eines Nachwuchskünstler aus der Region beginnt, danach folgt der Hauptact“, so Hypius. Er ist für die Auswahl und Kontaktierung der Künstler zuständig. Für den Auftaktabend hat er die Osnabrücker Sängerin Katrin Remmert für das Vorprogramm gewinnen können. „Mit zwölf Euro Eintrittsgeld haben wir uns ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt“, sagt Stefan Hypius und lacht. Den Preis erklärt er damit, dass nach Abzug aller Unkosten das restliche Geld „komplett an die Künst- Politische Singer-Songwriterin: Christina Lux. ler geht“. Er ist froh, dass der Abend trotzdem ausverkauft ist. So müssen einige der mehr als 80 Zuschauer das Geschehen auf der kleinen Bühne sogar stehend verfolgen. Remmert unterhält das Publikum dann auch mit luftig-leichten Pop-Songs, die sich ums Verlieben, Lieben und Entlieben drehen. Ihr sofortiges Eingestehen einer enormen Nervosität ist sympathisch, und als sie ihr Plektron im plüschigen Teppich verliert, eilen sofort mehrere Besucher mit Ersatz zur Bühne. Von Nervosität ist bei Christina Lux hingegen nichts zu merken. Die 45Jährige verfügt ja auch über enorme Bühnenerfahrung, sei es als Background-Sängerin von Jule Neigel oder im Vorprogramm von Status Quo. Mit dunkler Stimme erzählt sie kleine Geschichten und singt in ihren poppigen Liedern mal englisch, dann wieder deutsch über die Dinge, die sie bewegen. Dabei greift sie immer wieder politische Themen, die Irrungen und Wirrungen der Liebe und die Suche nach sich selbst auf. Gekonnt spielt sie auf ihren zwei Gitarren, der „Blonden und der Brünetten“ und verzaubert das Publikum derart, dass es sie selbst nach zwei Zugaben nur ungern gehen lässt. Dabei war sie, wie sich den Gesprächen in der Pause entnehmen lässt, den wenigsten der Anwesenden im Vorfeld bekannt. „Wir haben in Hellern ein mögliches Publikum“, ist sich Sievers sicher. Die Resonanz selten: Ismail Türker ist bei seinem Konzert der einzige Musiker auf der Bühne. Er ist Instrumentalist, er ist Sänger, er ist Komponist, und er ist Textdichter in einer Person. Sein Instrument ist eine dreisaitige Langhalslaute, Saz oder Baglama genannt. Er ist der einzige Saz-Lehrer an einer deutschen Musikschule, wie Manfred Blieffert eingangs betont. Seinem zierlichen Instrument entlockt Ismail Türker ungemein zarte Klänge, mit denen er seine kräftige Stimme begleitet, die dabei vor Spannung vibriert. Das klingt schwärmerisch, sehnsuchtsvoll. Durch das Fremdartige fühlt man sich schnell in andere Gefilde versetzt. „Sommer im Winter“ war das Programm in der Konzertreihe „SonnTAKTE“ der Musik- und Kunstschule überschrieben. Ismail Türker sang darin vor allem Lieder über seine türkische Heimat und Liebeslieder. Zwischen seine eigenen Schöpfungen mischte er alte, meist anonyme türkische Lieder. Wenn Sehnsucht und Schwärmerei aus diesen Liedern und seiner Stimme klingen, so ist das kein Zufall. Im Lied „Ay balam“, zu Deutsch „Meine Liebe“, heißt es: „Von deiner Sehnsucht lebe ich die Nächte wie die Tage/ Und den Winter wie den Frühling.“ Wehmütige Erinnerungen und Eindrücke eines zerbrechlichen Glücks scheinen Ismail Türkers Musik und seine Texte nachhaltig zu prägen. Manchmal sind es Fotos: Elvira Parton auch bereits verlorene Dinge, die er verarbeitet. So berichtet Ismail Türker über die Entstehung seines Liedes „Istanbul“, dass er es in der Nähe der Blauen Moschee geschrieben habe. Doch seien im heutigen Istanbul viele traditionelle Bauwerke und Straßen der Vergangenheit abgerissen, habe sich die Stadt völlig verändert. „Deine alten Schulen, deine Ruinen, deine geplünderten Museen.../ Darum baten die Müezzine mit ihrem Gebetsruf/ Um deine Verzeihung.“ Viele seiner Lieder klingen melancholisch, doch zum AbNeue Partner: Stefan Hypius (links) und Werner Sievers schluss greift Ismail Türker organisieren „Kultur und Kleinkunst in Hellern.“ besonders virtuos in die Saiten. Die Aleviten in der Türauf den Abend scheint ihm spielt die in Frankfurt an der kei, so erklärt er, spielten die recht zu geben. Oder beheimatete Band „Oti- Baglama nämlich auch zu tis Media“. Weitere Informalebhaften Tänzen. „Günesli Das nächste Konzert der tionen bei Stefan Hypius unYol“ nennt er diesen letzten Reihe findet am Freitag, 8. ter der Telefonnummer Titel, „Sonniger Weg“. Es ist – April, ab 20 Uhr statt. Dann 05 41/6 68 72 36. Sommer im Winter. Ästhetik aus Tristesse Ein ganzes Jahr für Liszt Neue EMAF ArtBox im Foyer der Stadtbibliothek Konzert mit dem Pianisten Menachem Har-Zahav thb OSNABRÜCK. Es ist, als würde man großstädtische Wohnarchitektur betrachten und dabei in einen Tagtraum verfallen. Die Realität verwandelt sich in eine Art mediales Kunstwerk, in dem Tristesse zu reiner Ästhetik umgeformt wird. „Rauschen und Brausen I“ nennt Daniel Burkhardt seine Videoinstallation, die ab heute in der EMAF ArtBox im Foyer der Stadtbibliothek zu sehen ist. Der Bochumer Medienkünstler schuf aus Filmmaterial von einem Wohnhochhaus, vor dem Autos, Busse und Lastkraftwagen vorbeibrausen, eine höchst interessante Collage, indem er das Gebäude wegzoomt und multipliziert, bis es zu einem nicht mehr identifizierbaren, vertikalen Streifenmuster mutiert. Derweil zerlegt er die vorbeifahrenden Fahrzeuge in fragmentarische horizontale Panels, die zusehends abstrahierter werden – bis am Ende nur noch ein von hypnotischem Elektrosound unterlegtes Patterngefüge übrig bleibt. Ein grafisches Kunstwerk von hoher Intensität entsteht so, in das der Betrachter wie von einem Strudel angesaugt wird. „Rauschen und Brausen I“ von Daniel Burkhardt wird in der Artbox, einer Kooperation zwischen dem European Media Art Festival, dem Literaturbüro West-Niedersachsen und der Stadtbibliothek Osnabrück, präsentiert. Foyer der Stadtbibliothek: Videoinstallation „Rauschen & Brausen I“ von Daniel Sound der Straße: „Rauschen und Brausen I“ von Daniel Burckhardt. Bis 1. März wähBurckhardt. Foto: EMAF rend der Öffnungszeiten. Von Martina Binnig OSNABRÜCK. Im Konzert von Menachem Har-Zahav wirkt alles genau geplant: Im Programmheft ist sogar angegeben, zwischen welchen Stücken geklatscht werden darf und zwischen welchen nicht. Für sein mittlerweile drittes Konzert im Lutherhaus hat der israelisch-amerikanische Pianist ausschließlich Kompositionen von Franz Liszt aufs Programm gesetzt; ein Programm, das er vollständig auswendig vorträgt. Eine enorme Konzentrationsleistung. Deswegen wirkt der 1967 in Tel Aviv geborene Har-Zahav, der in Frack, weißer Fliege und der „Kippa“, der traditionellen jüdischen Kopfbedeckung, auftritt, wohl auch so ernst. Selbst beim Applaus zeigt er kein Lächeln, und während des Konzerts spricht er kein einziges Wort. Nicht einmal vor der Zugabe lässt er sich zu einer Erklärung hinreißen. Einzig die Musik Liszts lässt er sprechen. Und auf die versteht er sich. Denn Har-Zahav, der zurzeit in Deutschland lebt, konzentriert sich gerne ein ganzes Jahr lang auf einen einzigen Komponisten. So kam er letztes Jahr mit seiner Hommage an Frédéric Chopin etwa auf beachtliche sechzig Konzerte. Dieses Jahr also, passend zum 200. Geburtstag, Franz Liszt: Mit zwei „Études d’ exécution transcendante“, der Ballade h-Moll, der Paganini-Etüde „La Campanella“, dem „Liebestraum“ als berühmtem Bonbon und einem eigenen Arrangement des „Totentanzes“ zeigt Har-Zahav die unterschiedlichsten Facetten des Komponisten und Pianisten Liszt. Dabei geht er in die Extreme: Ungemein zart kann Liszt bei ihm klingen, aber auch harsch und wütend. In „Harmonies du Soir“ zelebriert Har-Zahav zunächst eine kontemplative Abendstimmung, die er mit ruhiger Gestik unterstreicht, lässt aber gleich darauf die Bässe umso mehr grollen. Manchmal scheint ihm die Tastatur für die virtuose Dra- matik der Musik fast nicht auszureichen. Geradezu unbekümmert klingt dagegen „En reve“ mit perlenden Trillern und unvermitteltem Verstummen, in impressionistische Farbgebung taucht er das von Raffaels berühmtem Gemälde „Die Vermählung Mariä“ inspirierte „Sposalizio“ aus den „Années de pèlerinage“. Doch als Schlusspunkt seines Konzerts setzt Har-Zahav „Unstern!“ und „Totentanz“ und betont damit wieder die düstere und dämonische Seite Liszts: „Unstern!“ etwa beginnt mit dem Tritonus, dem spannungsvollen Intervall, das die Oktave in zwei genau gleiche Hälften teilt und das über Jahrhunderte als „diabolus in musica“, als der Teufel in der Musik, verfemt wurde. Gerade bei diesem Stück, das die Grenzen der DurMoll-Tonalität sprengt, ahnt man, dass es sich für einen Pianisten wirklich lohnen kann, sich ein ganzes Jahr lang auf Liszt zu konzentrieren. Aber kaum ein Pianist nimmt sich eben diese Zeit so wie Menachem Har-Zahav.