Strahlenschutz

Transcrição

Strahlenschutz
Strahlenschutz in der
Medizin
Anatomie, Physiologie und Biophysik, HS 2013, ZHAW
Dr. Reto Treier, Abteilung Strahlenschutz, BAG
Strahlenschutz in der Schweiz
Strahlenschutzgesetz, Art. 28
• Eine Bewilligung braucht, wer:
a.
mit radioaktiven Stoffen oder mit Apparaten oder Gegenständen
umgeht, die radioaktive Stoffe enthalten;
b. Anlagen und Apparate, die ionisierende Strahlen aussenden
können, herstellt, vertreibt, einrichtet oder benutzt;
c.
ionisierende Strahlen und radioaktive Stoffe am menschlichen
Körper anwendet.
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Dr. Reto Treier
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Strahlenschutz in der Schweiz
Bewilligungsbehörden (2)
• Das Bundesamt für Energie (BFE) ist Bewilligungsbehörde für den
Umgang mit ionisierender Strahlung im Kernenergiebereich
• Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist Bewilligungsbehörde für
den Umgang mit ionisierender Strahlung in Medizin, Forschung,
Industrie und Lehre
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Dr. Reto Treier
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Strahlenschutz in der Schweiz
Aufsichtsbehörden (3)
• Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist Aufsichtsbehörde
für die medizinischen Betriebe (Spitäler), öffentliche
Forschungsanstalten (Universitäten) und
Ausbildungsstätten (Schulen) und
• Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) ist
Aufsichtsbehörde für die industriellen und gewerblichen
Betrieb (Arbeitnehmerschutz)
• Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) ist
Aufsichtsbehörde für die Kernanlagen
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Organisation Strahlenschutz am BAG
Eidg. Departement
des Innern (EDI)
BR Alain Berset
Bundesamt für
Gesundheit (BAG)
Pascal Strupler
Direktionsstab
Kranken- und
Unfallversicherung
Aufsicht über
Krankenkassen
Internationales
Öffentliche
Gesundheit
Gesundheitspolitik
Qualitätssicherung
der schweizerischen
Gesundheitspolitik
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Präventionsprogramme
(Alkohol, Tabak, Aids, …)
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Verbraucherschutz
Abteilung
Strahlenschutz
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Organisation Strahlenschutz am BAG
Abteilung
Strahlenschutz
Werner Zeller
Koordinationsstelle
Bewilligungen
Patricia Grimm
NIS und
Dosimetrie
Radiologische
Risiken
Forschungsanlagen
und Nuklearmedizin
Strahlentherapie und
med. Diagnostik
Umweltradioaktivität
Mirjana Moser
Christophe Murith
Nicolas Stritt
Philipp Trueb
Sybille Estier
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Sektion Strahlentherapie und med. Diagnostik
Philipp Trueb
Oberland &
Inselspital
Thomas Theiler
ZH-Land
Roland Landis
Marc Marconato
Reto Treier
David Wittwer
BE-Stadt &
Mittelland
Barbara Ott
ZH - Stadt
Seeland
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Sektion Strahlentherapie und med. Diagnostik
Medizinische Röntgenanlagen in der Schweiz *
~ 7’000 Röntgenanlagen in der Humanmedizin
~ 11’000 Röntgenanlagen in der Zahnmedizin
~ 800 Röntgenanlagen in der Veterinärmedizin
Dental
Mammographie
Radiographie
Durchleuchtung
Durchleuchtung
mobil
CT
Beschleuniger
* Stand 31.01.2013
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Strahlenexposition der Schweizer Bevölkerung
Anzahl Untersuchungen in der Humanmedizin *
6‘000‘000
5‘430‘000
780‘000
255‘000
387‘000
~ 13‘000‘000
Röntgenaufnahmen
Zahnärztliche Röntgenaufnahmen
CT-Untersuchungen
Durchleuchtungen
Mammographie-Untersuchungen
Alle Untersuchungen
Bevölkerungszahl in der Schweiz 2008: ~ 7‘700‘000 Einwohner
* Stand 31.12.2008
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Strahlenexposition der Schweizer Bevölkerung
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Jährliche effektive Dosis pro Kopf [mSv] *
Verhältnis
2008/1998
Mammographie
1.32
Interventionelle Radiologie
1.42
Computertomographie
2.86
Total
1.20
* Exposure of the Swiss population by medical X-rays, IRA Lausanne, 2011
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Strahlenexposition der Schweizer Bevölkerung
CT
PET-CT
SPECT-CT
Quelle: Bewilligungsdatenbank des BAG
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Strahlenexposition der Schweizer Bevölkerung
CT Scanner in der Diagnostik
1
16
4
6
1
16
42
2
5
3
9
4
4
1
19
1
1
35
1
10
9
30
12
22
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Röntgenstrahlung
Ionisation: „ Entfernung eines Elektrons aus einem Atom“
→ Strahlungsenergie > Elektronenbindungsenergie
E  h  h
c

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h: Plank‘sches Wirkungsquantum 6.6·10-34 J·s
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Röntgendiagnostik
Detektor
Röntgenröhre
Strahlenrelief
• Durchdringung (keine WW) → Schwärzung
• Absorption (Photoeffekt)
→ keine Schwärzung
• Streuung (Comptoneffekt)
→ Kontrastverminderung
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Röntgendiagnostik
Photoeffekt (Absorption)
Elektron
Röntgenstrahlung
• Röntgenstrahlung wird vollständig absorbiert
• Energie wird an Elektron übertragen
• Elektron verlässt Atom (Ionisation)
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Röntgendiagnostik
Comptoneffekt (Streuung)
Elektron
Röntgenstrahlung
• Röntgenstrahlung wird gestreut
• Energie wird teilweise an Elektron übertragen
• Elektron verlässt Atom (Ionisation)
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Strahlenbiologische Wirkungskette
Keimzellen
Indirekte
Wirkung
O
H
Genetische
Schäden bei
Nachkommen
H
Körperzellen
Chromosom
(Erbinformationen)
Direkte
Wirkung
Bereiche
Physik
< 10
-16
Biochemie
-2
< 10 s
s
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Früh- oder
Spätschäden
im bestrahlten
Individuum
Biologie, Medizin
Tage, Wochen, Jahre,
Jahrhunderte
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Aufbau der DNS
Länge  5  106 m
• 23 Chromosomenpaare (je eines
vom Vater bzw. von der Mutter)
• DNS-Strang besteht aus Abfolge von
Phosphatgruppe und Zuckermolekül
6
Ø  30  10 m
• An Zuckermolekül greift Base an
(Adenin, Cytosin, Guanin, Thymin)
• 3 aufeinanderfolgende Basen bilden
ein Codon (kodiert eine Aminosäure)
9
Ø  2  10 m
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• Mehrere Codons bilden ein Gen
(kodiert ein Protein)
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Strahleninduzierte DNS Veränderungen
Einzelstrangbruch
Doppelstrangbruch
Basenveränderung
Basenverlust
Vernetzung
Denaturierung
(Aufbrechen der
Wasserstoffbrücken)
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Reparaturmechanismen
Bruchbildung
(Doppelstrangbruch)
Reparatur
Fehlreparatur
keine
Reparatur
Normale
Chromosomen
Fragmente,
Stückverluste
Translokationen
Vitale
Zellen
Zelltod
Frühschäden
Mutationen, Krebs
Spätschäden
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Dosisbegriffe
Energiedosis D
D=
→
Absorbierte Strahlungsenergie
Masse des bestrahlten Volumenelements
[J/kg = Gy]
Physikalische Grösse zur Beschreibung der Anzahl Wechselwirkungen an einem Ort
Äquivalentdosis H
H = Energiedosis · Strahlungswichtungsfaktor
→
[J/kg = Sv]
Grösse zur Beschreibung einer biologischen Wirkung an einem Ort
Röntgenstrahlung (WR=1)
α-Strahlung (WR=20)
Grosse Trefferwahrscheinlichkeit
Kleine biologische Wirksamkeit
Kleine Trefferwahrscheinlichkeit
Grosse biologische Wirksamkeit
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Dosisbegriffe
Effektive Dosis E
E=
→
→
Äquivalentdosis · Organwichtungsfaktor
summiert über alle Organe/Gewebe
[J/kg = Sv]
Grösse zur Beschreibung des Strahlenrisikos einer exponierten Person
Erlaubt Vergleich verschiedener Teilkörperexpositionen
Gewebe/Organ
Lunge, Magen, Dickdarm
Knochenmark, Brust, Rest
Gonaden
Schilddrüse, Speiseröhre
Blase, Leber
Knochenoberfläche, Haut
Hirn, Speicheldrüse
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Organwichtungsfaktor
0.12
0.12
0.08
0.04
0.04
0.01
0.01
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100%
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Deterministische Strahlenwirkungen
Schweregrad der Schädigung nimmt mit der Dosis zu (Frühschäden)
Schweregrad des
Schadens
Schwellendosis
Dosis
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Deterministische Strahlenwirkungen
Schweregrad der Schädigung nimmt mit der Dosis zu (Frühschäden)
Organ
Effekte
Schwellendosis
Haut
Kurzzeitiges Erythem
Temporäre Epilation
Effekte
Permanente
Epilation
Kurzzeitiges Erythem
Hautnekrose
Epilation
Temporäre Sterilität
Epilation
Permanente Sterilität
Hautnekrose
Sterilität
Temporäre Sterilität
Entdeckbare
Trübung
Permanente Sterilität
Katarakt
Sterilität
Herabgesetzte
Blutbildung
Entdeckbare Trübung
Katarakt
Herabgesetzte Blutbildung
2 Sv
3 Sv
Schwellendosis
7
Sv
2 Sv
18
Sv
3 Sv Sv
0.15
7 SvSv
3.5
18 Sv
2.5
- 6 Sv
0.15- Sv
0.5
2 Sv
3.5
5
SvSv
2.5 Sv
- 6 Sv
0.5
0.5 - 2 Sv
5 Sv
0.5 Sv
Organ
Haut
Hoden
Ovar
Hoden
Linse
Ovar
Knochenmark
Linse
Knochenmark
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Deterministische Strahlenwirkungen
Schweregrad der Schädigung nimmt mit der Dosis zu (Frühschäden)
Beispiel: 40-jähriger Patient, 2 koronare Angiographien, 1 koronare Angioplastie
Geschätzte Hautdosis 20 Sv
7 Wochen danach
18 Wochen danach
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20 Monate danach
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20 Monate danach
Nach
Hauttransplantation
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Deterministische Strahlenwirkungen
Schweregrad der Schädigung nimmt mit der Dosis zu (Frühschäden)
Beispiel: Elektrophysiologische Untersuchung unter biplanarer Fluoroskopie
(links) und koronare Angioplastie (rechts)
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Deterministische Strahlenwirkungen
Schweregrad der Schädigung nimmt mit der Dosis zu (Frühschäden)
Beispiel: CT Perfusions Scans bei Patienten mit Hirnschlag in den USA; aufgrund
Software Fehler eine 8-fach erhöhte Dosis (3-4 Sv statt typischerweise 0.5 Sv)
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Stochastische Strahlenwirkungen
Eintrittswahrscheinlichkeit steigt mit zunehmender Dosis (Spätschäden)
Eintrittswahrscheinlichkeit
SPÄTSCHÄDEN:
z.B. Krebs, genetische
Schäden
keine
Schwellendosis
Dosis
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Stochastische Strahlenwirkungen
Eintrittswahrscheinlichkeit steigt mit zunehmender Dosis (Spätschäden)
Eintrittswahrscheinlichkeit
SPÄTSCHÄDEN:
a)
Lineares Modell ohne Schwellwert
b)
Risiko wird unterschätzt
- Bystander Effekt (Exponierte
Zellen senden Signale an Nachbarzellen)
z.B. Krebs, genetische
Schäden
c)
Risiko wird überschätzt
• Keine epidemiologischen
Daten
für
d) Risiko wird
überschätzt
Dosen kleiner als 100
mSv(Bindegewebetumor)
Sarkom
Extrapolatione)
Risiko wird überschätzt
Dosis
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Epidemiologie
• Die Epidemiologie ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der
Verteilung von Krankheiten in einer Bevölkerung beschäftigt.
• Die Strahlenepidemiologie untersucht die Zusammenhänge zwischen
ionisierender Strahlung und dem Risiko, an bestimmten Krankheiten
(z.B. Krebs, Katarakt, Herz-Kreislauf) zu erkranken.
• Grösste Herausforderung → Grösse der Stichprobe
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Epidemiologie
* Mathews JD et al., BMJ, 2013
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Epidemiologie
* Pearce MS et al., Lancet, 2012
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Stochastische Strahlenwirkungen
Dosis
10 μSv
Krebsrisiko
< 1 pro Million
Konventionelle
Radiographie
Konventionelle
Durchleuchtung
Strahleninduziertes
Krebsmortalitätsrisiko
~ 5 % / Sv
Interventionelle
Durchleuchtung
(Angiographie)
Die Bestrahlung von 1000
Personen mit je 100 mSv
führt statistisch zu 5
Krebstoten
Computertomographie
20 mSv
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~ 1 in 1000
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Stochastische Strahlenwirkungen
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Stochastische Strahlenwirkungen
Relatives Krebsrisiko in Abhängigkeit des Alters
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Grundprinzipien des Strahlenschutzes
• Rechtfertigung
 „Diagnostische Vorteile > strahlungsbedingte Nachteile“ (StSG Art. 8)
 Drei Ebenen der Rechtfertigung (Revision StSV)
- Ebene 1: Grundsätzliche Rechtfertigung
- Ebene 2: Rechtfertigung von Untersuchungs- und Therapieverfahren
- Ebene 3: Rechtfertigung der individuellen Anwendung
 Klinische Audits (Revision StSV)
• Optimierung
 Maximierung des Verhältnisses Vorteil / Nachteil (StSG Art. 9)
 Beizug Medizinphysiker (StSV, Art. 747)
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Grundprinzipien des Strahlenschutzes
• Dosisgrenzwerte (StSV, Art. 34)
 Beruflich strahlenexponierte Personen 20 mSv/Jahr
- Schwangere 2 mSv/Jahr
- 16-18-jährige 5 mSv/Jahr
 Nichtberuflich strahlenexponierte Personen 1 mSv/Jahr
• Keine Dosisgrenzwerte für Patienten (StSV, Art. 342a)
 „Dosisgrenzwerte gelten nicht für Strahlenanwendungen an
Patienten zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken.“
→ Diagnostische Referenzwerte (DRW)
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Praktische Schutzmassnahmen
• Baulicher Strahlenschutz
• Technischer / apparativer Strahlenschutz
• Operationeller Strahlenschutz
• Patientenspezifischer Strahlenschutz
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Schutzmassnahmen – baulich
Kontrollierte Zonen
• Bereiche, in denen Personen durch externe
Strahlenexpositionen eine effektive Dosis
> 1 mSv akkumulieren können (alle Röntgenund Bestrahlungsräume)
• Kontrollierte Zonen sind deutlich zu begrenzen
und nach Strahlenschutzverordnung zu kennzeichnen
• Kontrollierte Zonen müssen so abgeschirmt sein,
dass in angrenzenden Räumen folgende Ortsdosisleistungen nicht überschritten werden:
0.02 mSv/W
0.1 mSv/W
z.B. Büro, Wohnung, …
z.B. Korridor, Toiletten, …
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Schutzmassnahmen – baulich
Beispiel eines Bunkers für
einen medizinischen
Beschleuniger @ 18 MV
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Schutzmassnahmen – apparativ
Inverkehrbringen von medizinischen Röntgenanlagen
• Röntgensysteme sind Medizinprodukte und müssen für das
Inverkehrbringen den grundlegenden gesetzlichen Anforderungen
entsprechen (CE-Konformitätserklärung, Normen, Dokumentationen, …)
• In der Schweiz gibt es ca. 100 autorisierte Röntgenfirmen für QS an
Röntgenanlagen, davon sehr viele kleine Betriebe
• Röntgenanlagen oftmals Assembler-Systeme (Generator, Röhre, Stativ, …),
vor allem im Hausarztbereich
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Schutzmassnahmen – apparativ
Bildempfangssystem
• Analoge Film-/Foliensysteme
Eindeutiger Zusammenhang zwischen der Schwärzung eines Films und
der applizierten Dosis
Schwärzung
Schwärzung  Dosis
Grundschleier
Dosis
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Schutzmassnahmen – apparativ
Bildempfangssystem
• Digitale Systeme
Kein Zusammenhang zwischen Bildempfängerdosis und der Schwärzung
(keine Überbelichtung!)
Film-Folien System
Bildempfängerdosis
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Digitales System
Bildempfängerdosis
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Schutzmassnahmen – operationell
Aufenthaltszeit
Abschirmung
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Abstand
Ausbildung
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Schutzmassnahmen – operationell
Aufenthaltszeit
Die Dosis erhöht sich linear
mit der Aufenthaltszeit
• Beschränkung der
Aufenthaltszeit auf
notwendiges Minimum
• Arbeitsvorbereitung,
Arbeitstechnik (z. B.
„last image hold“ Technik
in Fluoroskopie)
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Schutzmassnahmen – operationell
Abschirmung – Schutzmittel
Minimalausrüstung gemäß Röntgenverordnung, Anhang 2
Hodenschutz, -kapsel
≥ 1 mm Pb-Äq.
Ovarienschutz,
≥ 1 mm Pb-Äq.
Mantelschürze
≥ 0.25 mm Pb-Äq.
Halbschürze
≥ 0.25 mm Pb-Äq.
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Bleiglasbrille
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Thyroidschutz,
≥ 0.25 mm Pb-Äq.
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Schutzmassnahmen – operationell
Qualitätssicherung der Schutzmittel (Radiologische Physik Basel)
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Schutzmassnahmen – operationell
Qualitätssicherung der Schutzmittel (Radiologische Physik Basel)
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Schutzmassnahmen – operationell
Abschirmung – Schutzmittel
Beispiel:
Streustrahlungsmessungen
am CT mit Plexiglasphantom
Standort Begleitpersonen,
1 m entfernt von Isozentrum,
1 m ab Boden (Infusionsständer)
•
•
20 mSv/h (ohne Schutzmittel)
0.6 mSv/h (mit Mantelschürze)
Dosisreduktion auf 3%
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Schutzmittel am CT
• Dosismessungen an Alderson Phantom mittels TLD
• Standard Protokolle (Schädel, Thorax, Abdomen/Becken)
• Messungen jeweils mit und ohne Schutzmittel
Schädel CT mit/ohne
Mantelschürze & Thyroidschutz
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Thorax CT mit/ohne
Halbschürze
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Abdomen/Becken CT
mit/ohne Halbschürze
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Schutzmittel am CT
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Schutzmittel am CT
• Absolute Dosisreduktion gering, da der grösste Streustrahlungsanteil
im Körper selbst produziert wird.
• Dosisreduktion in Relation zu einer Standard Röntgenaufnahme des
Thorax p.a. (0.06 mSv).
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Schutzmassnahmen – operationell
Abschirmung – Geräteintegrierte Schutzmittel
2m
BV
ohne
Bleigummivorhang
1m
mit
Bleigummivorhang
110 kV
6 mA
Bleigummivorhang
12 10 8 6 4 2 0
Bleigummilamellen und Bleiglasschilder
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Ortsdosisleistung in mSv/h
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Schutzmassnahmen – operationell
Abstand
Quadratisches Abstandsgesetz
2-fache Entfernung:
1/4 der Dosis
3-fache Entfernung:
1/9 der Dosis
4-fache Entfernung:
1/16 der Dosis
Je weiter weg von der
Streustrahlungsquelle
(Patient), desto geringer
die Dosis
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Schutzmassnahmen – operationell
Abstand
C-Bogen: Der Gefahr ins Auge sehen
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CT: 45° Positionen vermeiden
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Schutzmassnahmen – operationell
Abstand
falsch
richtig (der Gefahr ins Auge sehen)
falsch
richtig (Schutzmittel verwenden)
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Schutzmassnahmen – operationell
Dosimetrie
Personen, welche aufgrund ihrer Tätigkeit oder Ausbildung mehr als
1 mSv/Jahr akkumulieren können oder regelmäßig (mind. 1x pro Woche) in
kontrollierten Zonen arbeiten oder ausgebildet werden, sind beruflich
strahlenexponiert und müssen ein Dosimeter tragen.
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Schutzmassnahmen – operationell
Dosimetrie
• Ganzkörperdosimeter (Messung der effektiven Dosis).
• Thermolumineszenzdosimeter
→ Kristall speichert Strahlungsenergie in langlebigen
Energiezuständen von Kristallelektronen
→ Durch Erhitzen wird gespeicherte Energie in Form von Licht wieder frei
→ Das emittierte Licht wird mit Photomultipliern detektiert
→ Die Lichtmenge ist proportional zur gespeicherten Strahlungsenergie
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Schutzmassnahmen – operationell
Dosimetrie
• Ganzkörperdosimeter (Messung der effektiven Dosis).
• Das Dosimeter wird unter der Schutzkleidung am
Körperrumpf oder auf der Brust getragen.
• Schwangere Frauen tragen das Dosimeter auf
Bauchhöhe.
• Bei dosisintensiven Anwendungen soll ein zweites
Dosimeter über der Schürze und ein Fingerringdosimeter getragen werden.
• Empfindlichkeitsschwelle typischerweise bei 0.1 mSv
(eine Null-Dosis ist nicht nichts!)
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Schutzmassnahmen – operationell
Dosimetrie
• 13 anerkannte Dosimetriestellen werten Dosimeter monatlich aus und
melden die Dosen dem Betrieb und dem BAG
• Der/Die Sachverständige überträgt monatlich
die Dosen in das persönliche gelbe
Dosisdokument (oder in grünes Dokument
bei temporären Anstellungen).
• Das BAG führt das zentrale Dosisregister
für die Statistik und zur Überwachung
hoher Dosen
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Schutzmassnahmen – operationell
Dosisgrenzwerte für beruflich strahlenexponierte Personen
Effektive Dosis
Effektive Dosis für 16 – 18-jährige
Äquivalentdosis Abdomenoberfläche Schwangere
Äquivalentdosis Augenlinse
Äquivalentdosis Haut, Hände, Füße
20 mSv/Jahr
5 mSv/Jahr
2 mSv
150 mSv/Jahr
500 mSv/Jahr
Statement ICRP am 21. April 2011:
Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass die Augenlinse viel
empfindlicher auf Strahlung reagiert als bisher angenommen. Daher
empfiehlt die ICRP einen Grenzwert für die Augenlinse von 20 mSv/Jahr
(Vermuteter Schwellenwert für Kataraktbildung bei 0.5 Gy).
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Schutzmassnahmen – operationell
Dosimetrie
Im Falle von erhöhten Dosiswerten (pro Monat)
Effektive Dosis > 2 mSv
administrative Abklärung
(Fragebogen BAG)
Effektive Dosis > 20 mSv
Abklärung vor Ort durch BAG
Die am häufigsten angegebenen Gründe sind:
- Dosimeter im Bestrahlungsraum liegengelassen
- Zunehmende Anzahl komplexer Untersuchungen
- Keine Erklärung (absichtliche Bestrahlung?)
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Auszug aus zentralem Dosisregister 31.12.2011
Interventionelle Radiologie, Kardiologie
Ungeklärte Dosis,
absichtlich bestrahlt?
Jahresgrenzwertüberschreitung in
interventioneller Radiologie
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Jahresgrenzwertüberschreitung bei
Revisionsarbeiten im KKW (Taucher)
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Schutzmassnahmen – operationell
Auszug aus zentralem Dosisregister 31.12.2011
Periode
Kardiologe
Interventioneller
Radiologe (Junior)
Interventioneller
Radiologe (Senior)
Kardiologe
•
•
•
•
Grenzwertüberschreitung 2011 (27 mSv)
Komplexe Interventionen
Nach BAG Audit leichte Reduktion
Berufl. strahlenexponiert seit 18 Jahren
Interventioneller Radiologe (Junior)
• Grenzwertüberschreitung 2010 (30 mSv)
• Schlechte Praxis
• Nach BAG Audit Reduktion
Interventioneller Radiologe(Senior)
• Dosimeter während letzten 24 Jahren
nicht getragen (bis zum BAG Audit)
• Extrapolierte effektive Dosis: 300 mSv (!)
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Dr. Reto Treier
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Schutzmassnahmen – operationell
Dosimetrie
Echtzeit Dosis Überwachung
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Schutzmassnahmen – operationell
Live Dosimetrie
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Schutzmassnahmen – patientenspezifisch
Diagnostische Referenzwerte (DRW)
• Es existieren keine Dosisgrenzwerte für Patienten
• Bei optimierter Strahlenanwendung wird erwartet, dass die Patientendosen für Standardsituationen unterhalb der DRW liegen.
• Bei Überschreitung der DRW müssen die Ursachen
begründet und die Untersuchungstechnik angepasst
werden (comply or complain).
• DRW erlauben landesweit der Vergleich zwischen
ähnlichen Untersuchungen.
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Schutzmassnahmen – patientenspezifisch
Diagnostische Referenzwerte (DRW)
• DRW repräsentieren Dosisgrössen, welche
 klar definiert
 einfach zu bestimmen
 charakteristisch für die jeweilige Patientenexposition
sein sollten.
• DRW sollten laufend aktualisiert werden.
• DRW bilden die aktuelle radiologische Praxis ab.
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Schutzmassnahmen – patientenspezifisch
• DRW = 75. Perzentile der Dosisverteilung für Standardpatienten.
• Definition eines Standardpatienten → BMI, Gewicht, Durchmesser, …?
Häufigkeit
DRW = 75. Perzentile
Protokoll zu
überprüfen
DRW widerspiegeln die
(aktuelle) radiologische
Praxis in der Schweiz !
Dosisgrösse
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Schutzmassnahmen – patientenspezifisch
Dosisverteilung von CT Untersuchungen des Felsenbeins
x 6
Anzahl
Anzahl
x 5
CTDIvol (mGy)
DLP (mGy*cm)
„Das Ziel des DRW Konzeptes ist es nicht, die DRW selbst, sondern
die Breite der Dosisverteilungen immer mehr zu verkleinern“
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Schutzmassnahmen – patientenspezifisch
Diagnostische Referenzwerte (DRW)
• Interventionelle Radiologie und Kardiologie (Stand 31.01.2008)
(Neue Erhebung geplant 2014)
• Radiographie (Stand 01.07.2011)
(Aktualisierung geplant 2014)
• Computertomographie (Stand 01.04.2010)
(Neue Erhebung ev. 2014)
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Thorax pa 2011
3. Quartile = 0.31 mGy
DRW = 0.15 mGy
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Thorax pa 2012
3. Quartile = DRW 3. Quartile = 0.31 mGy
DRW
= 0.15
mGy
= 0.15
mGy
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Praktikum 10:00-11:35
Berechnung eines Strahlenschutzplanes
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