Strahlenschutz
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Strahlenschutz
Strahlenschutz in der Medizin Anatomie, Physiologie und Biophysik, HS 2013, ZHAW Dr. Reto Treier, Abteilung Strahlenschutz, BAG Strahlenschutz in der Schweiz Strahlenschutzgesetz, Art. 28 • Eine Bewilligung braucht, wer: a. mit radioaktiven Stoffen oder mit Apparaten oder Gegenständen umgeht, die radioaktive Stoffe enthalten; b. Anlagen und Apparate, die ionisierende Strahlen aussenden können, herstellt, vertreibt, einrichtet oder benutzt; c. ionisierende Strahlen und radioaktive Stoffe am menschlichen Körper anwendet. Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 2 Strahlenschutz in der Schweiz Bewilligungsbehörden (2) • Das Bundesamt für Energie (BFE) ist Bewilligungsbehörde für den Umgang mit ionisierender Strahlung im Kernenergiebereich • Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist Bewilligungsbehörde für den Umgang mit ionisierender Strahlung in Medizin, Forschung, Industrie und Lehre Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 3 Strahlenschutz in der Schweiz Aufsichtsbehörden (3) • Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist Aufsichtsbehörde für die medizinischen Betriebe (Spitäler), öffentliche Forschungsanstalten (Universitäten) und Ausbildungsstätten (Schulen) und • Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) ist Aufsichtsbehörde für die industriellen und gewerblichen Betrieb (Arbeitnehmerschutz) • Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) ist Aufsichtsbehörde für die Kernanlagen Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 4 Organisation Strahlenschutz am BAG Eidg. Departement des Innern (EDI) BR Alain Berset Bundesamt für Gesundheit (BAG) Pascal Strupler Direktionsstab Kranken- und Unfallversicherung Aufsicht über Krankenkassen Internationales Öffentliche Gesundheit Gesundheitspolitik Qualitätssicherung der schweizerischen Gesundheitspolitik Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Präventionsprogramme (Alkohol, Tabak, Aids, …) Dr. Reto Treier Verbraucherschutz Abteilung Strahlenschutz 5 Organisation Strahlenschutz am BAG Abteilung Strahlenschutz Werner Zeller Koordinationsstelle Bewilligungen Patricia Grimm NIS und Dosimetrie Radiologische Risiken Forschungsanlagen und Nuklearmedizin Strahlentherapie und med. Diagnostik Umweltradioaktivität Mirjana Moser Christophe Murith Nicolas Stritt Philipp Trueb Sybille Estier Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 6 Sektion Strahlentherapie und med. Diagnostik Philipp Trueb Oberland & Inselspital Thomas Theiler ZH-Land Roland Landis Marc Marconato Reto Treier David Wittwer BE-Stadt & Mittelland Barbara Ott ZH - Stadt Seeland Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 7 Sektion Strahlentherapie und med. Diagnostik Medizinische Röntgenanlagen in der Schweiz * ~ 7’000 Röntgenanlagen in der Humanmedizin ~ 11’000 Röntgenanlagen in der Zahnmedizin ~ 800 Röntgenanlagen in der Veterinärmedizin Dental Mammographie Radiographie Durchleuchtung Durchleuchtung mobil CT Beschleuniger * Stand 31.01.2013 Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 8 Strahlenexposition der Schweizer Bevölkerung Anzahl Untersuchungen in der Humanmedizin * 6‘000‘000 5‘430‘000 780‘000 255‘000 387‘000 ~ 13‘000‘000 Röntgenaufnahmen Zahnärztliche Röntgenaufnahmen CT-Untersuchungen Durchleuchtungen Mammographie-Untersuchungen Alle Untersuchungen Bevölkerungszahl in der Schweiz 2008: ~ 7‘700‘000 Einwohner * Stand 31.12.2008 Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 9 Strahlenexposition der Schweizer Bevölkerung Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 10 Jährliche effektive Dosis pro Kopf [mSv] * Verhältnis 2008/1998 Mammographie 1.32 Interventionelle Radiologie 1.42 Computertomographie 2.86 Total 1.20 * Exposure of the Swiss population by medical X-rays, IRA Lausanne, 2011 Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 11 Strahlenexposition der Schweizer Bevölkerung CT PET-CT SPECT-CT Quelle: Bewilligungsdatenbank des BAG Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 12 Strahlenexposition der Schweizer Bevölkerung CT Scanner in der Diagnostik 1 16 4 6 1 16 42 2 5 3 9 4 4 1 19 1 1 35 1 10 9 30 12 22 12 Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 13 Röntgenstrahlung Ionisation: „ Entfernung eines Elektrons aus einem Atom“ → Strahlungsenergie > Elektronenbindungsenergie E h h c Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 h: Plank‘sches Wirkungsquantum 6.6·10-34 J·s Dr. Reto Treier 14 Röntgendiagnostik Detektor Röntgenröhre Strahlenrelief • Durchdringung (keine WW) → Schwärzung • Absorption (Photoeffekt) → keine Schwärzung • Streuung (Comptoneffekt) → Kontrastverminderung Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 15 Röntgendiagnostik Photoeffekt (Absorption) Elektron Röntgenstrahlung • Röntgenstrahlung wird vollständig absorbiert • Energie wird an Elektron übertragen • Elektron verlässt Atom (Ionisation) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 16 Röntgendiagnostik Comptoneffekt (Streuung) Elektron Röntgenstrahlung • Röntgenstrahlung wird gestreut • Energie wird teilweise an Elektron übertragen • Elektron verlässt Atom (Ionisation) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 17 Strahlenbiologische Wirkungskette Keimzellen Indirekte Wirkung O H Genetische Schäden bei Nachkommen H Körperzellen Chromosom (Erbinformationen) Direkte Wirkung Bereiche Physik < 10 -16 Biochemie -2 < 10 s s Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier Früh- oder Spätschäden im bestrahlten Individuum Biologie, Medizin Tage, Wochen, Jahre, Jahrhunderte 18 Aufbau der DNS Länge 5 106 m • 23 Chromosomenpaare (je eines vom Vater bzw. von der Mutter) • DNS-Strang besteht aus Abfolge von Phosphatgruppe und Zuckermolekül 6 Ø 30 10 m • An Zuckermolekül greift Base an (Adenin, Cytosin, Guanin, Thymin) • 3 aufeinanderfolgende Basen bilden ein Codon (kodiert eine Aminosäure) 9 Ø 2 10 m Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 • Mehrere Codons bilden ein Gen (kodiert ein Protein) Dr. Reto Treier 19 Strahleninduzierte DNS Veränderungen Einzelstrangbruch Doppelstrangbruch Basenveränderung Basenverlust Vernetzung Denaturierung (Aufbrechen der Wasserstoffbrücken) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 20 Reparaturmechanismen Bruchbildung (Doppelstrangbruch) Reparatur Fehlreparatur keine Reparatur Normale Chromosomen Fragmente, Stückverluste Translokationen Vitale Zellen Zelltod Frühschäden Mutationen, Krebs Spätschäden Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 21 Dosisbegriffe Energiedosis D D= → Absorbierte Strahlungsenergie Masse des bestrahlten Volumenelements [J/kg = Gy] Physikalische Grösse zur Beschreibung der Anzahl Wechselwirkungen an einem Ort Äquivalentdosis H H = Energiedosis · Strahlungswichtungsfaktor → [J/kg = Sv] Grösse zur Beschreibung einer biologischen Wirkung an einem Ort Röntgenstrahlung (WR=1) α-Strahlung (WR=20) Grosse Trefferwahrscheinlichkeit Kleine biologische Wirksamkeit Kleine Trefferwahrscheinlichkeit Grosse biologische Wirksamkeit Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 22 Dosisbegriffe Effektive Dosis E E= → → Äquivalentdosis · Organwichtungsfaktor summiert über alle Organe/Gewebe [J/kg = Sv] Grösse zur Beschreibung des Strahlenrisikos einer exponierten Person Erlaubt Vergleich verschiedener Teilkörperexpositionen Gewebe/Organ Lunge, Magen, Dickdarm Knochenmark, Brust, Rest Gonaden Schilddrüse, Speiseröhre Blase, Leber Knochenoberfläche, Haut Hirn, Speicheldrüse Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Organwichtungsfaktor 0.12 0.12 0.08 0.04 0.04 0.01 0.01 Dr. Reto Treier 100% 23 Deterministische Strahlenwirkungen Schweregrad der Schädigung nimmt mit der Dosis zu (Frühschäden) Schweregrad des Schadens Schwellendosis Dosis Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 24 Deterministische Strahlenwirkungen Schweregrad der Schädigung nimmt mit der Dosis zu (Frühschäden) Organ Effekte Schwellendosis Haut Kurzzeitiges Erythem Temporäre Epilation Effekte Permanente Epilation Kurzzeitiges Erythem Hautnekrose Epilation Temporäre Sterilität Epilation Permanente Sterilität Hautnekrose Sterilität Temporäre Sterilität Entdeckbare Trübung Permanente Sterilität Katarakt Sterilität Herabgesetzte Blutbildung Entdeckbare Trübung Katarakt Herabgesetzte Blutbildung 2 Sv 3 Sv Schwellendosis 7 Sv 2 Sv 18 Sv 3 Sv Sv 0.15 7 SvSv 3.5 18 Sv 2.5 - 6 Sv 0.15- Sv 0.5 2 Sv 3.5 5 SvSv 2.5 Sv - 6 Sv 0.5 0.5 - 2 Sv 5 Sv 0.5 Sv Organ Haut Hoden Ovar Hoden Linse Ovar Knochenmark Linse Knochenmark Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 25 Deterministische Strahlenwirkungen Schweregrad der Schädigung nimmt mit der Dosis zu (Frühschäden) Beispiel: 40-jähriger Patient, 2 koronare Angiographien, 1 koronare Angioplastie Geschätzte Hautdosis 20 Sv 7 Wochen danach 18 Wochen danach Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 20 Monate danach Dr. Reto Treier 20 Monate danach Nach Hauttransplantation 26 Deterministische Strahlenwirkungen Schweregrad der Schädigung nimmt mit der Dosis zu (Frühschäden) Beispiel: Elektrophysiologische Untersuchung unter biplanarer Fluoroskopie (links) und koronare Angioplastie (rechts) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 27 Deterministische Strahlenwirkungen Schweregrad der Schädigung nimmt mit der Dosis zu (Frühschäden) Beispiel: CT Perfusions Scans bei Patienten mit Hirnschlag in den USA; aufgrund Software Fehler eine 8-fach erhöhte Dosis (3-4 Sv statt typischerweise 0.5 Sv) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 28 Stochastische Strahlenwirkungen Eintrittswahrscheinlichkeit steigt mit zunehmender Dosis (Spätschäden) Eintrittswahrscheinlichkeit SPÄTSCHÄDEN: z.B. Krebs, genetische Schäden keine Schwellendosis Dosis Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 29 Stochastische Strahlenwirkungen Eintrittswahrscheinlichkeit steigt mit zunehmender Dosis (Spätschäden) Eintrittswahrscheinlichkeit SPÄTSCHÄDEN: a) Lineares Modell ohne Schwellwert b) Risiko wird unterschätzt - Bystander Effekt (Exponierte Zellen senden Signale an Nachbarzellen) z.B. Krebs, genetische Schäden c) Risiko wird überschätzt • Keine epidemiologischen Daten für d) Risiko wird überschätzt Dosen kleiner als 100 mSv(Bindegewebetumor) Sarkom Extrapolatione) Risiko wird überschätzt Dosis Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 30 Epidemiologie • Die Epidemiologie ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Verteilung von Krankheiten in einer Bevölkerung beschäftigt. • Die Strahlenepidemiologie untersucht die Zusammenhänge zwischen ionisierender Strahlung und dem Risiko, an bestimmten Krankheiten (z.B. Krebs, Katarakt, Herz-Kreislauf) zu erkranken. • Grösste Herausforderung → Grösse der Stichprobe Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 31 Epidemiologie * Mathews JD et al., BMJ, 2013 Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 32 Epidemiologie * Pearce MS et al., Lancet, 2012 Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 33 Stochastische Strahlenwirkungen Dosis 10 μSv Krebsrisiko < 1 pro Million Konventionelle Radiographie Konventionelle Durchleuchtung Strahleninduziertes Krebsmortalitätsrisiko ~ 5 % / Sv Interventionelle Durchleuchtung (Angiographie) Die Bestrahlung von 1000 Personen mit je 100 mSv führt statistisch zu 5 Krebstoten Computertomographie 20 mSv Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 19.12.2012 Dr. Reto Treier ~ 1 in 1000 34 Stochastische Strahlenwirkungen Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 35 Stochastische Strahlenwirkungen Relatives Krebsrisiko in Abhängigkeit des Alters Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 36 Grundprinzipien des Strahlenschutzes • Rechtfertigung „Diagnostische Vorteile > strahlungsbedingte Nachteile“ (StSG Art. 8) Drei Ebenen der Rechtfertigung (Revision StSV) - Ebene 1: Grundsätzliche Rechtfertigung - Ebene 2: Rechtfertigung von Untersuchungs- und Therapieverfahren - Ebene 3: Rechtfertigung der individuellen Anwendung Klinische Audits (Revision StSV) • Optimierung Maximierung des Verhältnisses Vorteil / Nachteil (StSG Art. 9) Beizug Medizinphysiker (StSV, Art. 747) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 37 Grundprinzipien des Strahlenschutzes • Dosisgrenzwerte (StSV, Art. 34) Beruflich strahlenexponierte Personen 20 mSv/Jahr - Schwangere 2 mSv/Jahr - 16-18-jährige 5 mSv/Jahr Nichtberuflich strahlenexponierte Personen 1 mSv/Jahr • Keine Dosisgrenzwerte für Patienten (StSV, Art. 342a) „Dosisgrenzwerte gelten nicht für Strahlenanwendungen an Patienten zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken.“ → Diagnostische Referenzwerte (DRW) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 38 Praktische Schutzmassnahmen • Baulicher Strahlenschutz • Technischer / apparativer Strahlenschutz • Operationeller Strahlenschutz • Patientenspezifischer Strahlenschutz Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 39 Schutzmassnahmen – baulich Kontrollierte Zonen • Bereiche, in denen Personen durch externe Strahlenexpositionen eine effektive Dosis > 1 mSv akkumulieren können (alle Röntgenund Bestrahlungsräume) • Kontrollierte Zonen sind deutlich zu begrenzen und nach Strahlenschutzverordnung zu kennzeichnen • Kontrollierte Zonen müssen so abgeschirmt sein, dass in angrenzenden Räumen folgende Ortsdosisleistungen nicht überschritten werden: 0.02 mSv/W 0.1 mSv/W z.B. Büro, Wohnung, … z.B. Korridor, Toiletten, … Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 40 Schutzmassnahmen – baulich Beispiel eines Bunkers für einen medizinischen Beschleuniger @ 18 MV Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 41 Schutzmassnahmen – apparativ Inverkehrbringen von medizinischen Röntgenanlagen • Röntgensysteme sind Medizinprodukte und müssen für das Inverkehrbringen den grundlegenden gesetzlichen Anforderungen entsprechen (CE-Konformitätserklärung, Normen, Dokumentationen, …) • In der Schweiz gibt es ca. 100 autorisierte Röntgenfirmen für QS an Röntgenanlagen, davon sehr viele kleine Betriebe • Röntgenanlagen oftmals Assembler-Systeme (Generator, Röhre, Stativ, …), vor allem im Hausarztbereich Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 42 Schutzmassnahmen – apparativ Bildempfangssystem • Analoge Film-/Foliensysteme Eindeutiger Zusammenhang zwischen der Schwärzung eines Films und der applizierten Dosis Schwärzung Schwärzung Dosis Grundschleier Dosis Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 43 Schutzmassnahmen – apparativ Bildempfangssystem • Digitale Systeme Kein Zusammenhang zwischen Bildempfängerdosis und der Schwärzung (keine Überbelichtung!) Film-Folien System Bildempfängerdosis Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Digitales System Bildempfängerdosis Dr. Reto Treier 44 Schutzmassnahmen – operationell Aufenthaltszeit Abschirmung Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier Abstand Ausbildung 45 Schutzmassnahmen – operationell Aufenthaltszeit Die Dosis erhöht sich linear mit der Aufenthaltszeit • Beschränkung der Aufenthaltszeit auf notwendiges Minimum • Arbeitsvorbereitung, Arbeitstechnik (z. B. „last image hold“ Technik in Fluoroskopie) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 46 Schutzmassnahmen – operationell Abschirmung – Schutzmittel Minimalausrüstung gemäß Röntgenverordnung, Anhang 2 Hodenschutz, -kapsel ≥ 1 mm Pb-Äq. Ovarienschutz, ≥ 1 mm Pb-Äq. Mantelschürze ≥ 0.25 mm Pb-Äq. Halbschürze ≥ 0.25 mm Pb-Äq. Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Bleiglasbrille Dr. Reto Treier Thyroidschutz, ≥ 0.25 mm Pb-Äq. 47 Schutzmassnahmen – operationell Qualitätssicherung der Schutzmittel (Radiologische Physik Basel) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 48 Schutzmassnahmen – operationell Qualitätssicherung der Schutzmittel (Radiologische Physik Basel) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 49 Schutzmassnahmen – operationell Abschirmung – Schutzmittel Beispiel: Streustrahlungsmessungen am CT mit Plexiglasphantom Standort Begleitpersonen, 1 m entfernt von Isozentrum, 1 m ab Boden (Infusionsständer) • • 20 mSv/h (ohne Schutzmittel) 0.6 mSv/h (mit Mantelschürze) Dosisreduktion auf 3% Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 50 Schutzmittel am CT • Dosismessungen an Alderson Phantom mittels TLD • Standard Protokolle (Schädel, Thorax, Abdomen/Becken) • Messungen jeweils mit und ohne Schutzmittel Schädel CT mit/ohne Mantelschürze & Thyroidschutz Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Thorax CT mit/ohne Halbschürze Dr. Reto Treier Abdomen/Becken CT mit/ohne Halbschürze 51 Schutzmittel am CT Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 52 Schutzmittel am CT • Absolute Dosisreduktion gering, da der grösste Streustrahlungsanteil im Körper selbst produziert wird. • Dosisreduktion in Relation zu einer Standard Röntgenaufnahme des Thorax p.a. (0.06 mSv). Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 53 Schutzmassnahmen – operationell Abschirmung – Geräteintegrierte Schutzmittel 2m BV ohne Bleigummivorhang 1m mit Bleigummivorhang 110 kV 6 mA Bleigummivorhang 12 10 8 6 4 2 0 Bleigummilamellen und Bleiglasschilder Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier Ortsdosisleistung in mSv/h 54 Schutzmassnahmen – operationell Abstand Quadratisches Abstandsgesetz 2-fache Entfernung: 1/4 der Dosis 3-fache Entfernung: 1/9 der Dosis 4-fache Entfernung: 1/16 der Dosis Je weiter weg von der Streustrahlungsquelle (Patient), desto geringer die Dosis Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 55 Schutzmassnahmen – operationell Abstand C-Bogen: Der Gefahr ins Auge sehen Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier CT: 45° Positionen vermeiden 56 Schutzmassnahmen – operationell Abstand falsch richtig (der Gefahr ins Auge sehen) falsch richtig (Schutzmittel verwenden) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 57 Schutzmassnahmen – operationell Dosimetrie Personen, welche aufgrund ihrer Tätigkeit oder Ausbildung mehr als 1 mSv/Jahr akkumulieren können oder regelmäßig (mind. 1x pro Woche) in kontrollierten Zonen arbeiten oder ausgebildet werden, sind beruflich strahlenexponiert und müssen ein Dosimeter tragen. Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 58 Schutzmassnahmen – operationell Dosimetrie • Ganzkörperdosimeter (Messung der effektiven Dosis). • Thermolumineszenzdosimeter → Kristall speichert Strahlungsenergie in langlebigen Energiezuständen von Kristallelektronen → Durch Erhitzen wird gespeicherte Energie in Form von Licht wieder frei → Das emittierte Licht wird mit Photomultipliern detektiert → Die Lichtmenge ist proportional zur gespeicherten Strahlungsenergie Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 59 Schutzmassnahmen – operationell Dosimetrie • Ganzkörperdosimeter (Messung der effektiven Dosis). • Das Dosimeter wird unter der Schutzkleidung am Körperrumpf oder auf der Brust getragen. • Schwangere Frauen tragen das Dosimeter auf Bauchhöhe. • Bei dosisintensiven Anwendungen soll ein zweites Dosimeter über der Schürze und ein Fingerringdosimeter getragen werden. • Empfindlichkeitsschwelle typischerweise bei 0.1 mSv (eine Null-Dosis ist nicht nichts!) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 60 Schutzmassnahmen – operationell Dosimetrie • 13 anerkannte Dosimetriestellen werten Dosimeter monatlich aus und melden die Dosen dem Betrieb und dem BAG • Der/Die Sachverständige überträgt monatlich die Dosen in das persönliche gelbe Dosisdokument (oder in grünes Dokument bei temporären Anstellungen). • Das BAG führt das zentrale Dosisregister für die Statistik und zur Überwachung hoher Dosen Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 61 Schutzmassnahmen – operationell Dosisgrenzwerte für beruflich strahlenexponierte Personen Effektive Dosis Effektive Dosis für 16 – 18-jährige Äquivalentdosis Abdomenoberfläche Schwangere Äquivalentdosis Augenlinse Äquivalentdosis Haut, Hände, Füße 20 mSv/Jahr 5 mSv/Jahr 2 mSv 150 mSv/Jahr 500 mSv/Jahr Statement ICRP am 21. April 2011: Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass die Augenlinse viel empfindlicher auf Strahlung reagiert als bisher angenommen. Daher empfiehlt die ICRP einen Grenzwert für die Augenlinse von 20 mSv/Jahr (Vermuteter Schwellenwert für Kataraktbildung bei 0.5 Gy). Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 62 Schutzmassnahmen – operationell Dosimetrie Im Falle von erhöhten Dosiswerten (pro Monat) Effektive Dosis > 2 mSv administrative Abklärung (Fragebogen BAG) Effektive Dosis > 20 mSv Abklärung vor Ort durch BAG Die am häufigsten angegebenen Gründe sind: - Dosimeter im Bestrahlungsraum liegengelassen - Zunehmende Anzahl komplexer Untersuchungen - Keine Erklärung (absichtliche Bestrahlung?) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 63 Auszug aus zentralem Dosisregister 31.12.2011 Interventionelle Radiologie, Kardiologie Ungeklärte Dosis, absichtlich bestrahlt? Jahresgrenzwertüberschreitung in interventioneller Radiologie Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier Jahresgrenzwertüberschreitung bei Revisionsarbeiten im KKW (Taucher) 64 Schutzmassnahmen – operationell Auszug aus zentralem Dosisregister 31.12.2011 Periode Kardiologe Interventioneller Radiologe (Junior) Interventioneller Radiologe (Senior) Kardiologe • • • • Grenzwertüberschreitung 2011 (27 mSv) Komplexe Interventionen Nach BAG Audit leichte Reduktion Berufl. strahlenexponiert seit 18 Jahren Interventioneller Radiologe (Junior) • Grenzwertüberschreitung 2010 (30 mSv) • Schlechte Praxis • Nach BAG Audit Reduktion Interventioneller Radiologe(Senior) • Dosimeter während letzten 24 Jahren nicht getragen (bis zum BAG Audit) • Extrapolierte effektive Dosis: 300 mSv (!) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 65 Schutzmassnahmen – operationell Dosimetrie Echtzeit Dosis Überwachung Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 66 Schutzmassnahmen – operationell Live Dosimetrie Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 67 Schutzmassnahmen – patientenspezifisch Diagnostische Referenzwerte (DRW) • Es existieren keine Dosisgrenzwerte für Patienten • Bei optimierter Strahlenanwendung wird erwartet, dass die Patientendosen für Standardsituationen unterhalb der DRW liegen. • Bei Überschreitung der DRW müssen die Ursachen begründet und die Untersuchungstechnik angepasst werden (comply or complain). • DRW erlauben landesweit der Vergleich zwischen ähnlichen Untersuchungen. Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 68 Schutzmassnahmen – patientenspezifisch Diagnostische Referenzwerte (DRW) • DRW repräsentieren Dosisgrössen, welche klar definiert einfach zu bestimmen charakteristisch für die jeweilige Patientenexposition sein sollten. • DRW sollten laufend aktualisiert werden. • DRW bilden die aktuelle radiologische Praxis ab. Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 69 Schutzmassnahmen – patientenspezifisch • DRW = 75. Perzentile der Dosisverteilung für Standardpatienten. • Definition eines Standardpatienten → BMI, Gewicht, Durchmesser, …? Häufigkeit DRW = 75. Perzentile Protokoll zu überprüfen DRW widerspiegeln die (aktuelle) radiologische Praxis in der Schweiz ! Dosisgrösse Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 70 Schutzmassnahmen – patientenspezifisch Dosisverteilung von CT Untersuchungen des Felsenbeins x 6 Anzahl Anzahl x 5 CTDIvol (mGy) DLP (mGy*cm) „Das Ziel des DRW Konzeptes ist es nicht, die DRW selbst, sondern die Breite der Dosisverteilungen immer mehr zu verkleinern“ Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 71 Schutzmassnahmen – patientenspezifisch Diagnostische Referenzwerte (DRW) • Interventionelle Radiologie und Kardiologie (Stand 31.01.2008) (Neue Erhebung geplant 2014) • Radiographie (Stand 01.07.2011) (Aktualisierung geplant 2014) • Computertomographie (Stand 01.04.2010) (Neue Erhebung ev. 2014) Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 72 Thorax pa 2011 3. Quartile = 0.31 mGy DRW = 0.15 mGy Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 73 Thorax pa 2012 3. Quartile = DRW 3. Quartile = 0.31 mGy DRW = 0.15 mGy = 0.15 mGy Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 74 Praktikum 10:00-11:35 Berechnung eines Strahlenschutzplanes Strahlenschutz in der Medizin – Vorlesung vom 18.12.2013 Dr. Reto Treier 75