Schopenhauer-Nietzsche-Bukowski

Transcrição

Schopenhauer-Nietzsche-Bukowski
Schopenhauer – Nietzsche – Bukowski
– three related minds –
by Roni
Address held at the Schopenhauer-Society in Frankfurt, April 2006
with an abstract in English
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N o p a r t o f t h i s m a y b e u s e d i n A n y w a y w i t h o u t written permission by me,
roni, the author!
( - u s u a l l y I Do g i v e t h i s p e r m i s s i o n i f y o u r i n t e r e s t i n i t
isn't too stupid or selfish or out of place – so just ASK !)
(p.s.:
[email protected]
don't
try
to
screw
me
on
this
concer n.
I
can
get
VERY
unpleasant
and
aggravating beyond your imagination if needed.)
Kein Teil dieses Schriftstückes darf ohne meine, Ronis, also des Autors
schrif t l i c h e
Genehmigung
(normalerweise
gebe
ich
in
irgendeiner
diese
Erlaubnis
Form
ohne
verwendet
Probleme,
werden!
wenn
keine
ernsten Gründe dagegen sprechen. Also FRAGT einfach!)
-
[email protected]
(p.s.: und versucht bitte nicht, mich diesbezüglich zu umgehen oder zu bescheißen.
Ich kann da sehr sehr unangenehm werden!
1
sehr ! e c h t ! )
abstract:
There are lots of parallels between Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche and Charles Bukowski.
These occur mostly out of their similar view of life in general and mankind in special, plus their
resulting ways to respond to these views, as well as of their most individual, untamed characters.
This character is an unbending if not stubborn one. All three were Not willing to be nice, diplomatic brown-noses
just in order to climb any social or career ladder. What they share the most is: They are true individual persons with
the strong will to live their individuality.
Their attitude on life and 'the world' is pessimistic, negative, rejecting. (The fact that Nietzsche changed parts of this
view after facing death around his 35th year in order to stay alive doesn't touch the assumption of the parallels in the whole, yet
is much too complex to be discussed here, sorry.)
- All three have a very strong negative attitude Against mankind, humanity in general.
- All three have a special hate against 'the masses', the 'herds'.
- All three (to counter that last point) value the individual (up to the point of idolizing 'the genius' being the most
individual individual - got that?).
- All three (which comes out of these last two points) were Outsiders. They didn't Fit into society and didn't Want to.
- From their outsider's point of view they were able to see even clearer what happens 'inside' the society, which
helped them to Unmask and Expose what's going on in there.
- Out of all this, all three were consciously living the life of outsiders even More, which means all three developed a
Need for Loneliness (being alone), avoiding company.
- All three hate deception, especially self-deception. They are Decent, they are Honest. And claim others to be too!
- To survive This Life, everydaylife, a World like This, all three developed a high level of 'dis-involvement', of staying
Away from the concerns of mankind, not only physically but also emotional. All three developed some 'Wall'
between them and the world in order to defend themselves. (which – in all three cases – does NOT mean, they
weren't sensitive or vulnerable at all. The contrary is the case!)
- The elaborated version of this survival-technique is called 'Stoa' and all three have practiced it in the most
exemplary way. [of course, I'm Not talking about the Stoa-movement in the strong sense, like Seneca or sth.! – so don't be smartasses and
try to prove me wrong in this point! I promise: you are NOT wanting to discuss this against me!]
It means: all three made their way
through Coolness.
- coming to writing-style now: all three used the method of polemic accusation on a High level against Everything
they sensed as enemies: Be it 'the masses', 'the major majority', 'the ruling opinion', the system of education,
politics, businessmen, the authorities, bosses, colleagues (other authors or philosophers), ... – these cats NEVER
took prisoners! They were always like "EVERYTHING OR NOTHING !" - Their writing was a Weapon, a bazooka,
Bukowski called his typewriter his 'machinegun'. In all cases: when one of these cats took offence and started
attack – one would Never mistake it as simple discomfort.
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- so much for tonight.
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SCHOPENHAUER – NIETZSCHE – BUKOWSKI
- Drei Verwandte im Geiste –
(mein Original Vortragspapier für den Vortrag vor der Schopenhauer-Gesellschaft !
- in diesem Zusammenhang sei nochmals auf den Copyright-Hinweis auf Seite 1
aufmerksam gemacht. Ich zieh mich hier nackt aus – da erwarte ich entsprechende Fairness! )
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Schopenhauer und Nietzsche – zwei Verwandte im Geiste, das ist nicht neu, darüber
wurde schon viel gesagt und geschrieben – teilweise sogar Intelligentes.
Aber, bitte, Bukowski??? Der amerikanische Schriftsteller, der sich selbst als 'Dirty
Old Man' bezeichnete, der proletarische Undergroundpoet, der – So will es das
Klischee – nur über Sex und Saufen schreibt !!!?? Was soll Den mit diesen edlen
Genien verbinden?
Sehr Vieles, wie ich Ihnen gleich zeigen werde.
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Zunächst ein einleitendes Zitat von 'unserem Philosophen', Arthur Schopenhauer:
"Im Ganzen genommen liegt, wie längst gesagt ist, die Welt im Argen:
die Wilden fressen einander und die Zahmen betrügen einander,
und Das nennt man den Lauf der Welt."
(PPI,447: Aphorismen zur Lebensweisheit.
Paränesen und Maximen,29)
"Man denke nicht, dass es mit dem Gange der Dinge sich jemals bessern
werde. Die elende Beschaffenheit des Menschengeschlechts nimmt zwar in
jeder Generation eine etwas veränderte Gestalt an, ist aber zu allen Zeiten
die selbe." (PPII,420: Über Urteil, Kritik, Beifall und Ruhm,XX,§242)
Diese Meinung finden wir, zwar in anderes Vokabular gekleidet, doch inhaltlich
identisch, auch bei Charles Bukowski. – Bei ihm geht das so:
4
"Ein Grabstein für den ganzen Schlammassel
und darauf gehört die Inschrift:
Menschheit –
Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu!"
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Ich möchte zu Beginn einen kurzen Überblick geben, Was denn die Dinge sind, die
Bukowski mit Schopenhauer und Nietzsche teilt – und was nicht:
--------Da wäre zunächst das pessimistische Welt- und Menschenbild. Insbesondere die
Abneigung gegen die Massenmenschen, die Herde. Daraus resultiert – bei allen drei
– eine übersteigerte Heroisierung des Individuums bis hin zum Geniekult.
Eine weitere Folge dieser Weltsicht ist der beinahe systematische Rückzug aus der
Gesellschaft.
- - - Nein. Gesellig waren sie alle drei nicht. Sie waren Einsiedler, Eigenbrötler, mit
einem ausgeprägten Hang zum Alleinsein.
Schopenhauer: "Dem intellektuell hochstehenden Menschen gewährt die Einsamkeit einen
zweifachen Vorteil: erstlich den, mit sich selber zu sein, und zweitens den, nicht mit Andern zu
sein. (PP I, 420. Aphorismen. Paränesen und Maximen,9)
Bukowski: "Ich habe mich im Umgang mit den Mitmenschen noch nie wohlgefühlt, und das ging
schon in der Grundschule los. Ich merkte, dass ich nicht dazugehöre." (BUK,Briefe89, 6/65)
– Aus diesem Abstand zum alltäglichen Leben und Treiben, diesem erhöhten
Beobachtungspunkt entsteht eine Klarheit der Sicht und also eine Fähigkeit zum
ENTLARVEN. Darin waren alle drei besonders schonungslos.
Oft musste ihre Umwelt, auch ihre Freunde, darunter leiden, denn eine weitere
Eigenschaft, die sie teilen ist, dass sie nicht nur schreiben, sondern auch LEBEN
was sie schreiben und glauben und fühlen. Sie sind im höchsten Maße
AUTHENTISCH.
Sie hassen Selbstbetrug und die Masken, die die Menschen allgemein zur Schau
tragen. Das öffnet einen Teufelskreis, weil sie das natürlich noch mehr zu
Außenseitern macht, die dann von ihrer Außenposition aus wieder leichter den
entlarvenden Blick finden.
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Eine derart schwierige Situation ruft natürlich nach adäquaten Bewältigungsstrategien und auch hier gegen unsere Drei teilweise den selben Weg :
Das Stilmittel der Polemik, der Zynismus, das teilweise aggressive 'Trotzdem' und
'Jetzt erst recht' können wir immer wieder finden.
Die stetigen Angriffe gegen als feindlich empfundene Kräfte:
die angepasste Masse, die Herde, die vorherrschende Meinung, das
Bildungssystem, die Autoritäten, Kollegen – all das ohne Rücksicht auf Verluste, im
vollen Bewusstsein, dass man sich das Leben einfacher machen könnte, wenn man
sich anpasste oder wenigstens zurückhielte. Aber dazu waren sie zu WAHRHAFTIG.
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Eine weitere Gemeinsamkeit ist, wie bei allen sensiblen Menschen, die Erkenntnis
des Leides in der Welt und das Mitleiden. Hier ging zwar Nietzsche seit der Zeit von
'Menschliches - Allzumenschliches' einen anderen Weg, nämlich den der zur Schau
gestellten Härte, aber selbst er gibt zu – sogar noch in seinem Spätwerk 'Ecce Homo'
– dass er dies quasi gezwungenermaßen tat, zu seinem Schutz.
Er fällt hier also nur bedingt aus der Reihe, aber das ist wiederum ein so komplexes
Thema, dass wir es hier nicht vertiefen können ohne es zu verflachen. Es ist auch
nicht Unser Thema heute.
Jedenfalls pflegte auch Bukowski eine Mitleidsethik, wie wir nachher, wenn uns die
Zeit hinreicht, an einigen bemerkenswerten Beispielen sehen werden.
Das bereits erwähnte Einsiedlertum zeigt auch ähnliche Züge dahingehend, dass alle
drei 'sich einrichten', dass sie nach einer gewissen Gelassenheit, Stoa, streben.
Diese ergibt sich einerseits daraus, dass Außenseiter automatisch weniger involviert
sind, andererseits fungiert sie bewusst eingesetzt als wichtiger Selbstschutz :
eben WEIL man nicht dazu gehört, nicht dazu gehören KANN, hält man sich gezielt
heraus, nimmt willentlich noch mehr Abstand zum Geschehen, auch emotional.
Übrigens gelingt dies allen dreien nur sehr bedingt – noch eine Parallele. Aber dazu
später.
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Jetzt noch kurz, worin sie sich unterscheiden:
Da haben wir zunächst als hervorstechendstes Merkmal den gänzlich anderen
Sozial- und Bildungshintergrund bei Bukowski. Damit im Zusammenhang, und damit
dass er eben kein Fachphilosoph sondern Literat war, finden wir bei ihm weder eine
Systematik noch eine metaphysischen Überbau (oder Unterbau).
Er analysiert zwar auch viel, aber selten intellektuell, er ist ein Bauchdenker. Dass er
dabei oft zu ähnlichen Ergebnissen kommt, wie Nietzsche und Schopenhauer zeigt,
dass es viele Wege nach Rom gibt.
[ Wir finden bei ihm aber Nichts Vergleichbares zu den Willenskonzepten – außer vielleicht einem
'Willen zum Durchhalten', den er immer wieder proklamiert. 'Endurance' ist ein wichtiges Wort für ihn,
Weitermachen, egal wie schlecht es steht. Aber das ist natürlich nicht metaphysisch untermauert, wie
bei Nietzsche oder Schopenhauer. ]
Ein weiterer Unterschied, der ins Auge springt ist Bukowskis Alkoholismus.
Man muss es klar sehen und dazu stehen: Bukowski war ein schwerer Trinker.
Das hat sicher viel kaputt gemacht, nicht nur seine Gesundheit, aber es hat ihm
auch, wie er immer wieder betont, das Leben gerettet.
Es mag traurig klingen, aber ohne Alkohol hätte Bukowski, seinen eigenen Aussagen
zufolge, wohl Selbstmord begangen. - Alkohol half ihm durchzuhalten; das
Gesamtsystem am Leben zu halten, auch wenn dabei Teile kaputt gehen.
[ Und meine Welt wäre ärmer, wenn er nicht weiter gemacht hätte. Und ich hoffe, dass ich vielleicht
heute Abend den ein oder anderen so sehr für meinen Autor interessieren kann, dass er, oder sie, das
auch einmal für sich sagen kann.
– Zurück zum Thema: ]
eine derartige Affinität zu Substanzdrogen findet sich bei den anderen beiden nicht.
[ Es gibt eine ganze Menge weitere Unterschiede. Auf die muss man nicht hinweisen, die sind
offensichtlich – und auch nicht so spannend, wie die Gemeinsamkeiten. Und es sind die
Gemeinsamkeiten, von denen wir heute handeln wollen : ]
Wenn man anfängt, durch das Werk dieser Drei zu lesen, stößt man immer wieder
auf Aussagen, die auch von einem der beiden anderen stammen könnten. Nicht in
der Formulierung - im Inhalt. Das ist das Faszinierende.
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Unsere drei 'Helden' waren keine Zeitgenossen. Schopenhauer konnte zu den
anderen beiden nichts sagen, Nietzsche nur zu Schopenhauer – und hat es
ausgiebig getan – Bukowski nun konnte sich zu beiden äußern – und hat es getan.
Ein besonders schönes Zeugnis ist hier das Spätgedicht 'A funny Guy'. Es ist nicht
zu lang, deshalb möchte ich es hier vollständig zitieren:
Gedicht: A Funny Guy
[You get so alone, p124]
[ Bemerkenswert ist hier mehreres : Zunächst erwähnt Bukowski eine weniger bekannte
Schopenhauer-Stelle. Es handelt sich um ein Kapitel aus den 'Parerga' mit dem Titel 'Über Lärm und
Geräusch' (PP II Kap XXX[30] bzw. §378, 551f) […..- aus Artikel weiter…….] - ]
-----------------------------------------------------[ Nietzsche meinte übrigens – ich zitiere - : "Das, was an Schopenhauer allzu menschlich war, führt
uns gerade im menschlichen Sinne in seine Nähe." (N1,359 Schopenhauer als Erzieher) ]
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Biografisches über Bukowski
Henry Charles Bukowski, jr. - 1920 in Andernach am Rhein geboren. Der Vater ist
ein in Deutschland stationierter Amerikanischer GI, die Mutter eine Einheimische. Mit
zwei Jahren kommt er in die USA. Die Familie gehört der kleinbürgerlichen
Mittelschicht an.
Vom Vater regelmäßig verprügelt, von den Schülern gemieden oder als Deutscher,
als 'Heini' gehänselt, (Deutschland hatte wenig zuvor einen wichtigen Krieg verloren),
aufgewachsen während einer schweren Wirtschaftskrise und dann noch mit einem
Fall von Akne geschlagen, der so schlimm ist, dass er sogar ein halbes Jahr vom
Schulbesuch befreit wird. (Blutige, eitrige Beulen.)
Das sind so die Voraussetzungen für sein Leben.
Er bricht das Journalistikstudium nach 2 ½ Jahren ab und beginnt quer durch die
USA zu reisen. Von einer Stadt in die nächste, einem Job zum nächsten. In
Philadelphia bleibt er 3 Jahre. Dann zurück nach L.A.
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Zu Beginn dieser Wanderjahre hatte er viele Short-Stories geschrieben und mit 24
Jahren sogar Veröffentlichungen in zwei führenden Literaturzeitschriften. Dann brach
er schlagartig seine literarische Produktion ab. Für 10 Jahre.
Mit 35 Jahren bricht ein Magengeschwür auf. Im Armenkrankenhaus liegt er drei
Tage ohne Versorgung, dem Tod nahe, bevor er mit 8 [!] Blutkonserven gerettet wird.
Nachdem er aus dem Krankenhaus kommt, fängt er wieder an, zu schreiben.
Diesmal Gedichte.
Er fängt einen Job bei der Post an als Briefsortierer in der Nachtschicht. Den wird er
zehn Jahr lang behalten. Sein Rekord.
Nach einer zweijährigen Ehe mit einer Texanerin kommt er wieder mit seiner ersten
großen Liebe zusammen: Jane Cooney Baker. Sie trinkt noch schlimmer als er und
im Jahr 62 stirbt sie daran. Ein Schmerz, den er nie überwindet. Einige seiner
bewegendsten Gedichte sind ihr gewidmet.
Er beginnt im literarischen Underground bekannt zu werden. Erste Gedichtbände
erscheinen. - Mitte der 60er ist er schon so etwas wie eine Berühmtheit. V.a. die
revolutionär gesinnte Studentenszene begeistert sich für seinen Nonkonformismus.
1964 kommt seine Tochter Marina Louise zur Welt. Die Beziehung mit der Mutter hält
nicht lang. Zur Tochter behält er zeitlebens Kontakt. Jeder Beobachter schildert ihn
als liebevollen Vater – ganz anders als sein raubeiniges Image.
Nachdem ein Verleger ihm eine monatliche 'Rente' von 100 Dollar anbietet kündigt er
Anfang 1970 seinen Job bei der Post.
Mit 50 Jahren erst kann Bukowski von seiner Schriftstellerei leben!!!
Er schreibt seinen ersten Roman in Rekordzeit und finanziert sich hauptsächlich mit
Short-Stories, meist für Sex-Magazine. Auftragsarbeiten. Zum Überleben. Aber diese
sind es, die ihm dauerhaft den Ruf eines Trivialschreibers einbringen, der nur über
Sex & Saufen schriebe.
Trotzdem finden sich auch in seiner Kurzprosa einige große Perlen.
Und seit 1968 hat er eine regelmäßige Kolumne, die 'Notes of a Dirty Old Man'.
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Gedichte schreibt er nach wie vor in riesigen Mengen. Von denen kann er natürlich
nicht so leben, wie von der Prosa. Aber sie sind ihm wichtig. Der enorme Output
bringt starke Qualitätsschwankungen mit sich. Aber es sind so viele unsterbliche
Gedichte darunter, dass bereits in den 60er Jahren Literaturprofessoren anfangen
mit ihm zu korrespondieren und die University of California legt den Grundstein zu
einem noch heute bestehenden, enormen Bukowski-Archiv.
Anfang der 70er wird Bukowski auch in Deutschland bekannt und binnen kurzer Zeit
Kult – auch hier v.a. in studentischen Kreisen. Bald verdient er mit seinen Büchern in
Deutschland mehr als in der Heimat.
Ende der 70er zieht Bukowski zusammen mit seiner späteren Ehefrau Linda Lee
nach San Pedro, er schreibt ein Drehbuch, das später mit Mickey Rourke und Faye
Dunaway verfilmt wird; Schreibt bis zu seinem Tod insgesamt etwa 50 Bücher, davon
7 Romane, Hunderte von Short-Stories, Tausende von Gedichten. Noch heute, 12
Jahre nach seinem Tod kommt fast jedes Jahr ein dickes Buch mit nachgelassenen
Werken auf den Markt.
In der Nacht vom 9. März 1994 stirbt Bukowski an einer Lungenentzündung, da sein
Körper durch Blutkrebs zu geschwächt ist.
Zwei Jahr später, 1996, wird die Charles-Bukowski-Gesellschaft gegründet.
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Um nun meine These zu stützen, dass Schopenhauer, Nietzsche UND Bukowski drei
Verwandte im Geiste sind, muss ich mich aus Zeitgründen leider auf einige
Kernpunkte beschränken.
Wir können gerne im Anschluss an diesen Vortrag das ein oder andere Thema noch
vertiefen, entweder in der anschließenden Frage- bzw. Diskussionsrunde oder auch
danach bei einem Glas Wein oder zwei.
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Die erste augenfällige Parallele, die ich präsentieren möchte, ist – als einzige – nicht
durch Einzelzitate zu belegen, sondern nur aus der Kenntnis ihrer Persönlichkeit,
ihrer Biografie, ihrer Art zu leben, zu Schreiben – jeweils im Kontext der eigenen Zeit
betrachtet – , ihres Gesamtwerkes, und ihres Wesens, wie es uns (auch aus fremden
Quellen) erschlossen wird.
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Sie alle drei waren nämlich, und ich beschränke mich hier auf eine bloße Auflistung,
(aber im Falle, dass Sie mit den Biografien vertraut sind, werden Sie mir recht
geben,) sie alle drei waren ihrem Wesen nach :
- Kompromisslos
- Unangepasst
- unbeugsamer Charakter
- Freiheitsliebend
- Individuum (dazu wird später noch einiges ausgeführt)
- Wahrheitsliebend (v.a. gegen jeden Selbstbetrug – auch dazu später
mehr!)
- Gegen Anpassung , – und zwar gegen jede Anpassung, auch wenn
dadurch persönliche Nachteile entstehen.
- sie waren auch Schwierig und
- oft 'Offending', also gewissermaßen Angriffslustig, - auch gegen Freunde.
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Sie werden bemerkt haben, dass die erwähnten Eigenschaften - das Psychogramm,
das sich ergibt - schon sehr viel an gemeinsamer Persönlichkeit ausmachen.
Vielleicht steckt in dieser kurzen Zusammenstellung das ganze Geheimnis – und die
Auswirkungen auf das Werk, die bloßen Folgerungen daraus, also das, was ich im
Folgenden genauer aufliste, sind eigentlich sekundär. Vielleicht.
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Ich gehe jetzt also in die Details und fahre fort mit dem WELT- UND
MENSCHENBILD. Es ist in allen drei Fällen pessimistisch wie es schlimmer kaum
sein könnte.
- Keiner der drei gibt etwas auf die Menschheit.
Schopenhauer schreibt:
"Sobald ich zu denken angefangen, habe ich mich mit der Welt entzweit gefunden. Mein ganzes
Leben hindurch habe ich mich schrecklich einsam gefühlt und stets aus tiefer Brust geseufzt:
Jetzt gib mir einen MENSCHEN! Vergebens. Ich bin einsam geblieben. Nichts als elende
Wichte, von beschränktem Kopf, schlechtem Herzen, niedrigem Sinn habe ich gefunden." (HN
IV 2,116f nach Bio29) (vgl. auch Zitat-paper S.2 / B1 + S.3)
11
Das Zitat stammt aus dem handschriftlichen Nachlass.
Ein weiteres Beispiel ( – Wie Sie sicher wissen, eines von sehr Vielen ) – diesmal
aus den 'Fragmenten zur Geschichte der Philosophie':
"In Folge des alten, unversöhnlichen Krieges, den überall und immerdar Unfähigkeit und
Dummheit gegen den Geist und Verstand führt, - Sie durch Legionen, Er durch Einzelne
vertreten, - hat Jeder, der das Wertvolle und Echte bringt, einen schweren Kampf zu bestehn,
gegen Unverstand, Stumpfheit, verdorbenen Geschmack, Privatinteressen und Neid, Alle in
würdiger Allianz." (PP I,135f, Fragmente zur Geschichte der Philosophie)
-----------------------------------------------------Nicht weniger hart Friedrich Nietzsche:
"Meine Humanität besteht NICHT darin, mitzufühlen, wie der Mensch ist, sondern es
AUSZUHALTEN, dass ich ihn mitfühle. - Meine Humanität ist eine beständige
Selbstüberwindung. – Aber ich habe EINSAMKEIT nötig; will sagen, Genesung, Rückkehr zu
mir, den Atem einer freien leichten spielenden Luft. – Der EKEL am Menschen, am 'Gesindel',
war immer meine grösste Gefahr." (N 6,276: Ecce Homo)
Hier begegnet uns etwas, das man bereits als Bewältigungsstrategie bezeichnen
könnte : Die Strategie, oder Folge aus dem Menschenbild, um die es geht, ist die
Flucht - in die Einsamkeit, das Alleinsein.
Nietzsche schreibt über Schopenhauer: "Er war ganz und gar Einsiedler." (N 1,353: Schop
als Erz.) - Das trifft auf Beide zu. Und auch auf Bukowski.
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Hören wir nun zu diesem ganzen Themenkomplex Charles Bukowski
[ - und ich bitte Sie – das gilt für alle Bukowski-Zitate – zu beachten, dass hier jemand 100 Jahre nach Nietzsche und 130 Jahre
nach Schopenhauer spricht. – Deren Ausdrucksweise war für ihre Zeit sehr drastisch und direkt – Bukowski ist das für heute;
und er hat mit Schimpfwörtern nicht hinterm Berg gehalten. –
Also nun Bukowski zum Thema : ]
"Vielleicht liegt's an der Menschheit, vielleicht sind wir einfach voller Scheiße und ohne inneres
Licht, vielleicht sind wir immer noch voll Scheiße, wenn wir direkt vom Klo kommen. Es gibt
einen Haufen Sachen, die mich quälen: Mir ist klar, dass ich noch nie auf der Straße jemandem
begegnet bin, den ich leiden konnte – die Meisten geben eine Ansammlung ekelerregender
Stolpersteine ab und Staub-fressende, Dreck-fressende Würmer. Ich kann die Menschheit
einfach nicht ausstehen." (BUK,Briefe80f, 12/64 – Übersetzung: Roni)
Und zum Einsiedlertum und Alleinsein:
12
"Das Radio läuft, ich bin allein, und das muss ich immer wieder sein. Die vier Wände geben mir
Kraft. Menschen machen mich konfus. Alle so 'vernünftig'. Die Arschlöcher machen mir Angst.
Ein Glück, dass ich über sie schreiben kann, sonst müsste ich mich im Irrenhaus verkriechen.
Ich bin stärker als sie und gleichzeitig schwächer. Ich sehe was sie sehen, nur kann ich nichts
damit anfangen. Was für sie Honig ist, ist für mich Sägemehl." (BUK,Briefe326, 6/78)
Das war ein Brief aus dem Jahr 1980.
In den Briefen finden sich noch mehr sehr schöne Statements, wie z.B.:
"In großen Menschenmengen fühle ich mich gelangweilt – ach was, verzweifelt! - Ich kriege
Schaum vor dem Mund, rede wirres Zeug, verdrehe die Augen, und der Himmel bebt."
(BUK,Briefe78, 11/64)
Das ist so der typische Bukowski-Humor : Der Versuch, einer belastenden Sache
einen witzigen Dreh zu geben. (durch Übertreibung)
Nun – Weiter, noch mal aus einem Brief:
"Ich habe mich noch nie einsam gefühlt. Die schönsten Augenblicke meines Lebens waren
immer die, wenn ich eine Tür hinter mir zumachen und allein sein konnte." (BUK,Briefe371, 6/80) (siehe
auch Zitate-paper S.2 / N1. evtl. auch Zitatepaper S.9 / B3)
Damit Sie aber sehen, dass solche Sachen nicht nur in seinen Briefen zu finden sind,
hier ein Zitat aus dem Roman 'Faktotum', der kürzlich mit Matt Dillon in der
Hauptrolle verfilmt wurde:
"Zum ersten mal seit fünf Tagen war ich wieder allein. Ich war ein Mensch, für den Einsamkeit
lebensnotwendig war; ohne sie war ich wie Einer, der nichts zu essen und zu trinken hatte.
Jeder Tag ohne Alleinsein schwächte mich. Einsamkeit – ich brauchte sie zum überleben."
(Faktotum, 35)
Bei Meister Schopenhauer klingt das so:
"Ganz Er Selbst sein darf jeder nur so lange er allein ist: W er also nicht die Einsamkeit liebt, der
liebt auch nicht die Freiheit: Zwang ist der unzertrennliche Gefährte jeder Gesellschaft. Zudem,
je mehr Einer an Sich Selber hat, desto weniger kann er außerhalb finden."
(PP I,416 und 418;
Aphorismen zur Lebensweisheit)
Das war nun aus den 'Aphorismen zur Lebensweisheit'.
Wir befinden uns also genau in jenem Terrain, wo natürlicherweise die meisten
Ähnlichkeiten zu erwarten sind, da ja die 'Aphorismen' zum Ziel haben, trotz der
eigenen Schwäche, die die Verneinung des Willens verhindert, Leben zu können.
13
oder, wie der großartige Schopenhauer-Biograf Volker Spierling festhält, "An die
Stelle der faktisch unerreichbaren Figur des welt-entsagenden Heiligen, die des
weltklugen Weisen." (Bio203) zu setzen.
Es geht, wie Spierling weiter schreibt
"in seiner (Schopenhauers) Metaphysik um Erlösung VOM Leid – in den
Aphorismen um
nonkonformistische
Selbstgenügsamkeit
IM
Leid
–
die
unerschrockene Haltung eines unbeugsamen wie gelassenen TROTZDEM."
(Bio204f)
Das trifft auf alle Drei zu.
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Dieses Quasi-Hauptthema – die Schlechtigkeit der Welt und der Menschen und die
daraus folgende ENTFERNUNG davon – sind Eines der wichtigsten Themen, die
unsere Drei verbinden.
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Die generelle Abneigung gegen das Menschengeschlecht ist – bei allen Dreien –
v.a. verbunden mit einer Abneigung gegen Die MASSE – und zugleich mit einer
Heroisierung des Individuums.
"Jeder auserlesene Mensch trachtet instinktiv nach seiner Burg und Heimlichkeit, wo er von der
Menge, den Vielen, den Allermeisten erlöst ist, wo er die Regel 'Mensch' vergessen darf, als
deren Ausnahme." (N5,44. Jenseits von Gut und Böse,26)
Dieser Satz stammt von Nietzsche – NICHT von Schopenhauer, NICHT von
Bukowski.
Und
dennoch
KÖNNTE
er von Jedem der drei mit gleicher
Wahrscheinlichkeit dastehen. Es ist wunderbar.
Eines der Dinge, die Schopenhauer als am Schlimmsten an 'Der Masse' empfunden
hat, war ihr Anblick : Der Anblick der totalen Konformität.
Hier ein Zeugnis, es stammt aus dem zweiten Band der 'Welt als Wille und
Vorstellung':
14
"Der Stempel der Gewöhnlichkeit, der Ausdruck von Vulgarität, welcher den allermeisten
Gesichtern aufgedrückt ist." (WWII Kap31,443)
Die Gesichter! – Bukowski spricht z.B. von "Gesichtern wie leere Einmachgläser" –
Oder formuliert es so:
"Alles macht uns am Ende fertig; ob Karotten oder Stechuhren oder keine Stechuhren.
Das - und die Gesichter! Gesichter wie versteinerte Knetmasse mit Rosinen als Augen; und wie
ihre Besitzer gehen und lachen und lieben und Autos fahren." (BUK,Briefe78, 11/64) (+ Zitate-paper S.9 / B4)
------------------------------------------------------
[ - Jetzt wieder Schopenhauer, UNSER Philosoph:
"Der gewöhnliche Mensch, diese Fabrikware der Natur, wie sie solche täglich zu Tausenden hervorbringt" (WI,255§36) kann, nach Schopenhauer, Alles nur im Hinblick auf seine Interessen betrachten.
"Daher", ( so Schopenhauer weiter ) , "wird er so schnell mit allem fertig. Mit dem eigentlich überall bedeutsamen
Anblick des Lebens in allen Szenen; Mit der Betrachtung des Lebens selbst als solchen verliert er keine Zeit. - Der
Geniale dagegen verweilt bei der Betrachtung des Lebens selbst." (WI §36,255 - vgl.Bio142)
Bukowski gab sich regelmäßig der langen "Betrachtung des Lebens selbst" hin. In den Bars, den
Straßen, auf der Pferderennbahn. Vieles was für Durchschnittsmenschen langweilig oder zumindest
unspektakulär scheint, wurde bei ihm zum Thema. Und stets überträgt er, was er sieht, in einen
allgemeinen Zusammenhang, blickt hinter das Beobachtbare und sucht nach den Mechanismen, die
da greifen.
Er erfüllt dabei, was Spierling bei Schopenhauer erkennt : "Der Geniale sieht im Einzelnen das Allgemeine."
(Bio143) - Wörtlich bei Schopenhauer: "Im Einzelnen stets das Allgemeine zu sehen, ist gerade der Grundzug des
Genies." (WW II Kap31,442)
Man vergleiche dies mit Nietzsche:
"Lies nur DEIN Leben – und verstehe daraus die Hieroglyphen des allgemeinen Lebens." (N 1,357: Schop als Erz.) - ]
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Wichtig im Zusammenhang mit der Abneigung gegen die Masse, ist deren
Gegenentwurf : Das selbst-bewusste, selbt-mächtige Individuum. In seiner höchsten
Ausprägung : Das GENIE.
Nietzsche proklamiert in seinen Schriften besonders laut die Notwendigkeit zur
Differenzierung. Es geht ihm um "die Vielheit der Typen, der Wille, man SELBST zu
sein, sich ABZUHEBEN." (N6,138: Götzendämmerung37)
15
Und er, Nietzsche, konstatiert für Schopenhauer : "ein tiefes Verlangen nach dem Genius in
sich. Hier ist die Wurzel aller wahren Kultur, worunter ich die Sehnsucht verstehe, als Heiliger
und als Genius wiedergeboren zu werden. Wenige Denker haben in dem Maße und der
unvergleichlichen Bestimmtheit empfunden, dass der Genius in ihnen webt." (N 1,358: Schop als Erz.)
"Das sind jene wahrhaften Menschen, jene Nicht-mehr-Tiere: die Philosophen, Künstler und
Heiligen;" (N 1,380: Schop als Erz.) (siehe auch Zitate-paper S.3 / Nx.)
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Für Schopenhauer besteht das Wesen des Genies v.a. in dessen besonderer
Erkenntnisfähigkeit. Aus der Erkenntnisfähigkeit des Genies entsteht das Bedürfnis,
dem Geschauten Form zu geben. So entsteht die Kunst als innere Notwendigkeit
Er schreibt:
"die anschauende Erkenntnis veranlasst die Wiederholung derselben in einem Bilde:
so entsteht der Maler und der Bildhauer."
(WWII, Kap31,440)
– Das kommt aus dem
Hauptwerk, der 'Welt als Wille und Vorstellung', Kapitel 31 . Zwei Seiten später wird
er noch deutlicher: "Es folgt auch, dass die Werke desselben [d.i. des schöpferischen
Genies] nicht aus Absicht oder Willkür hervorgehen, sondern es dabei geleitet ist von
einer instinktartigen Nothwendigkeit." (WWII Kap31,442f)
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Diese innere NOTWENDIGKEIT zum Erschaffen, zum kreativen Verarbeiten des
Geschauten ist ebenfalls bei Bukowski ein häufiges Thema. In einem Brief von 1970:
"Ich muss einen Haufen Gedichte schreiben, um nicht wahnsinnig zu werden. Es geht nicht
anders. Manchmal schreibe ich zehn bis zwölf Stück am Tag und zum Abschluss noch eine
Story. Mag sein, dass ich zum klinischen Fall werde, aber die Produktion läuft auf Hochtouren.
Ich klammere mich an die Maschine und schreie es raus." (BUK,Briefe215, 9/70)
Zum selben Thema in einem Interview von 1974:
"Ich brauche das Schreiben. Es ist mein Psychiater, meine Mätresse. Ich brauche es einfach."
(BUK, Kaputt 117, Interview)
(s.a. Zitatepaper S.1 / B1)
In einem Gedicht aus den frühen 60er Jahren:
"Es ist schon wichtig, dass du
aufschreibst wie dir zumute ist.
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Es ist besser, als wenn du dich
rasierst oder dir Bohnen mit
Knoblauch machst. Es ist das Wenige
was wir tun können, dieses kleine
bisschen Mut, und klar zu werden
über uns selbst […]"
(Gedichte,416: Bohnen mit Knoblauch)
In einem anderen Gedicht, es heißt 'Das Wunder', thematisiert er den Zauber, der im
kreativen Prozess liegt – ich zitiere auszugsweise :
"Etwas zu schaffen, das bleibt
[…] verlangt
die besten Männer in ihren besten
Augenblicken, und wenn sie sterben
und etwas anderes überlebt
dann haben wir das Wunder: etwas
Unsterbliches –
Männer, die anfingen als Menschen
und von uns gingen als Götter;
[…]
Götter, die uns jetzt den Mut geben
weiterzumachen, wenn alles sagt: gib auf."
(Gedichte,549: Bohnen mit Knoblauch)
Kann es eine schönere, rührendere Verbeugung vor dem schöpferischen Genie
geben als das? Ich sehe dabei problemlos unsere drei Helden vor meinem geistigen
Auge – und es kribbelt mir sogar ein bisschen am Rücken entlang.
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Es lässt sich noch Vieles zum Thema der Individualität, des Genies und des
Kreativen sagen und zitieren. Ich mache wieder an dieser Stelle Schluss, um noch
weiteren Themen Platz zu geben. Leider können wir das nicht alles erschöpfend
behandeln. Aber der gemeinsame Punkt in diesem Bereich dürfte klar geworden
sein.
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Kommen wir jetzt zu einer Charaktereigenschaft, die alle drei unbedingt fordern –
und wieder fast nirgends finden, außer bei sich selbst und wenigen Auserwählten :
Es ist ein Drang nach Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, gegen Betrug und besonders
gegen Selbstbetrug. Auch darin waren sie Außenseiter. Denn wer nicht 'Außen' sein
will, sondern 'IN', der muss lügen, der muss 'scheinen', im mehrfachen Wortsinn.
Ich beginne wieder mit Nietzsche, und zwar mit dem besonders reizvollen, Essay
über "Schopenhauer als Erzieher". - Reizvoll, weil wir auf diese Weise gleich etwas
über Beide erfahren und zwar über solche Dinge, die Beide – zumindest aus Sicht
Nietzsches – miteinander verbindet. Er legt besonderen Wert auf Schopenhauers
Aufrichtigkeit.
Auf der Suche nach einem Lehrer, der ihn – ich zitiere –
"über das Ungenügen der Zeit hinausheben könnte und wieder lehrte, EINFACH und EHRLICH,
im Denken und Leben" (N 1,346: Schop als Erz.) zu sein, fand der junge Nietzsche - Schopenhauer.
Einfachkeit und Ehrlichkeit, ja schonungslose Ehrlichkeit, v.a. zu sich selbst, sind auch Dinge,
die wir bei Bukowski finden.
Die weiter folgenden Worte Nietzsches über Schopenhauer treffen auf Bukowski ebenso zu:
"Schopenhauer will nie scheinen : betrüge niemanden, nicht einmal dich selbst!" (N 1,346:
Schop als Erz.)
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Wenige Zeilen später fordert er: "Ein redliches, derbes, gutmüthiges Aussprechen, vor einem
Hörer, der mit Liebe hört. Solche Schriftsteller fehlen uns. Schopenhauer versteht es, das
Tiefsinnige einfach, das Ergreifende ohne Rhethorik, das Streng-Wissenschaftliche ohne
Pedanterie zu sagen." (N 1,347: Schop als Erz.)
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– Abgesehen vom Wissenschaftlichen finden wir diese Tugenden auch bei Bukowski.
Auch er hat übrigens in programmatischen Schriften sehr häufig genau diese Dinge
eingefordert und die als künstlich empfundenen rhetorischen und literarischen 'Tricks'
anderer Autoren angeprangert. z.B.:
"Natürlich ist mein Zeug nicht sorgfältig gearbeitet, sondern schnell hingehauen. Darum geht’s
doch grade! Ich notiere mir, was ich brauche. Lyrische Tricks und Formkram fand ich schon
immer sterbenslangweilig." (BUK,Briefe216, 9/70)
So nimmt es auch nicht Wunder, dass er auf die Frage nach seinem 'Verdienst' um die Literatur
folgendermaßen antwortet: "Mein Beitrag war es, die Lyrik loszulösen und sie einfacher zu
machen, sie menschlicher zu gestalten. Ich habe ihnen beigebracht, dass man ein Gedicht in
der gleichen Art schreiben kann wie einen Brief und dass zu einem Gedicht nicht
notwendigerweise ein Anflug von Heiligkeit gehört." (BUK,111) (s.a. Zitatepaper S.9 / B1)
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Also Aufrichtigkeit im INHALT UND im STIL. - Das sind wichtige Leitlinien.
-----------------------------------------------------Nietzsche verlässt das Thema der unbedingen Ehrlichkeit nicht so schnell. Er zitiert
Schopenhauer: "'Ein Philosoph muss ehrlich sein, um sich keiner poetischen oder
rhetorischen Hülfsmittel zu bedienen.' [und er, Nietzsche, fährt fort:]
Dass Ehrlichkeit eine Tugend ist, gehört freilich im Zeitalter der öffentlichen
Meinungen zu den privaten Meinungen, welche verboten sind." (N 1,348: Schop als Erz.)
Dann konstatiert er, Schopenhauer "ist ehrlich auch als Schriftsteller; und so wenige
Schriftsteller sind es, dass man eigentlich gegen alle Menschen, welche schreiben,
misstrauisch sein sollte." (N 1,348: Schop als Erz.) – Das war Nietzsche über
Schopenhauer.
Ein gesundes Misstrauen gegen Schriftsteller, also seine Kollegen, hatte auch
Bukowski (Motiv 'Kollegenschelte') :
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"Seit drei Jahrzehnten sage ich, dass Dichter der letzte Dreck sind – und sie
bestätigen mir immer wieder, wie recht ich habe." (BUK,Briefe185, 10/68) schreibt er 1968
in einem Brief.
1980, ebenfalls in einem Brief, sagt er:
"Wir haben Bataillone von halbgaren Schreiberlingen, die einem den Fuß in die Tür
stellen und rumtönen. - Die Meisten von ihnen können nicht schreiben. Das gilt für
alle, die ich getroffen oder gelesen habe. Ich hoffe, es gibt noch andere. Wir
brauchen sie. Es sieht ausgesprochen trüb aus. Autoren! Der Herr bewahre mich vor
den Autoren. Die Konversation der Nutten von der Alvarado Street war wesentlich
origineller und interessanter. (BUK,Briefe372f, 6/80) (s.a. Zitatepaper S.9 / B2)
Da haben wir das. Und zugleich wieder eines der vielen schönen Beispiele, wie
wunderbar unsere drei Helden schimpfen und fluchen können.
Wo wir gerade bei den Schriftstellern sind. Schopenhauer zum Thema:
"Den deutschen Schriftstellern würde durchgängig die Einsicht zu Statten kommen, dass man
zwar, wo möglich, denken soll wie ein großer Geist, hingegen die selbe Sprache reden wie
jeder Andere" (PPII,461:Über Schriftstellerei und Stil,XXIII,§283)
Das war nun eine Sache, die auch Bukowski explizit gefordert hat. Er sagte, er will
Gedichte schreiben, die auch der Zeitungsverkäufer an der Ecke verstehen kann.
Schopenhauer wieder :
"Jedes überflüssige Wort wirkt seinem Zwecke geradezu entgegen."
(PPII,463:Über Schriftstellerei und
Stil,XXIII,§283)
Auch diesen Hinweis hat Bukowski beherzigt. Obwohl sein Lehrer in diesem Fall ein
anderer war, nämlich Hemingway.
"…sich vor allem nicht notwendigen rhetorischen Schmuck, allen unnützen Amplifikationen und
überhaupt vor allem Überfluss im Ausdruck zu hüten! Das Gesetz der Einfachheit! Die echte
Kürze des Ausdrucks!" (PPII,464:Über Schriftstellerei und Stil,XXIII,§283)
Alles Forderungen, die wir bei Bukowski in mustergültiger Weise erfüllt sehen.
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Natürlich finden wir auch einiges in Bukowskis Stil verwirklicht, gegen das sich
Schopenhauer in diesem Kapitel 23 des zweiten Bandes der Parerga stellt:
Schlampigkeit zum Beispiel.
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[ - Gehen wir vom Schriftsteller wieder zurück zum allgemeinen Motiv der schonungslosen Ehrlichkeit
und was Nietzsche über "Schopenhauer als Erzieher" in seinem Essay festhält, nämlich die Bürde, die
er durch die Ehrlichkeit auf sich nimmt:
"Er vernichtet sein Erdenglück durch seine Tapferkeit, er muss selbst den Menschen, die er liebt feindlich sein, er
darf weder Menschen noch Dinge schonen, ob er gleich an ihrer Verletzung mit leidet." (N 1,372: Schop als Erz.) –
Auch Bukowski hat es sich allzu oft mit Freunden verschissen durch seine schonungslose Kritik und
Ehrlichkeit. Allerdings nahm diese bei ihm - besonders unter Alkoholeinfluss - auch tatsächlich
beleidigende Züge an. Trotzdem gilt auch für ihn, wenn Nietzsche sagt:
"Er weiss so gut als jeder kleine Mensch, wie man das Leben leicht nehmen kann und wie weich das Bett ist, in
welches er sich strecken KÖNNTE, wenn er mit sich und seinen Mitmenschen artig und gewöhnlich umginge." (N
1,373: Schop als Erz.)
– aber in dieses weiche Bett haben sich alle drei nicht gelegt. - ]
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Die Zeit fliegt uns davon.
Ich möchte gern noch zwei Punkte ansprechen,
einmal die Mitleidsethik,
zum anderen die Bewältigungsstrategie der Stoa, der Gelassenheit.
Falls Sie, verehrte Zuhörer also noch die nötige Gelassenheit aufbringen, möchte ich
Sie um Ihre Geduld bitten. Es wäre schade, wenn diese Punkte vollständig unter den
Tisch fallen müssten.
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Um Zeit einzusparen, lasse ich hier eine Erörterung des schwierigen Verhältnisses
Nietzsches zu Schopenhauers Mitleidsethik beiseite. Sie werden sich mit dieser
Problematik selbst bereits auseinandergesetzt haben.
<SHORT
VERSION>
Auch bezüglich Schopenhauers Entwurf dürfte Ihnen der Grundgedanke bekannt sein. Die
Erfahrung des Leides in der Welt, etc.
Falls Sie zuhause noch mal auffrischen möchten: Er behandelt das Thema ausführlich im
Kapitel 46 des 2.Bandes der Welt als Wille und Vorstellung mit dem Titel "Von der Nichtigkeit
und dem Leiden des Lebens" (WWII Kap.46,665fff). - Damit in direktem Zusammenhang
stehen seine §§ 56-59 des ersten Bandes / sowie Kapitel. 11 und 12 des zweiten Bandes der
Parerga. In all diesen Texten finden wir detailliert auseinander gesetzt eine Fülle von
Schopenhauers Einstellung zu diesen Dingen, wie wir sie auch bei Bukowski erkennen können.
Für beide auch ; ist dies eines der zentralen, immer wiederkehrenden Themen überhaupt:
die Nichtigkeit und das Leiden des Daseins.
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Kommen wir speziell zum Leiden und Mitleiden. Ich zitiere Bukowski aus einem
Interview der frühen 80er Jahre:
"Die Natur ist nicht freundlich, der Natur ist alles scheißegal. Und mir ist es nicht egal. Wenn ich
sehe, dass irgendwas irgendwas anderes tötet, dann gefällt mir das nicht. Die ganz Intelligenten
sagen: 'So ist das nun mal: Dieses tötet jenes und dieses ernährt das. Es ist für alles gesorgt.' Nur wenn denen einer was tut, dann schreien sie, nicht wahr? Sie versetzen sich nicht IN die
Spinne und die Fliege. Ich schon. Ich bin die Fliege, Das ist die Spinne, verstehst du? Die
halten sich raus. Ihnen ist gleichgültig, was geschieht. 'Oh, das ist interessant! Schau mal!'
Dabei geht es doch auch um sie. Nur wird es bei ihnen ein Mensch sein, der sie tötet. Aber das
wissen sie nicht. Sie unterstützen es und wissen es nicht. Sie sind dumm. Fast alle Menschen
22
sind dumm. Sieh dir an, wie sie ins Restaurant zum Essen gehen: Sie wollen gar nicht essen,
sie gehen nur hin, weil gerade Essenszeit ist, sie haben nichtmal Hunger! Je mehr ich über die
Menschheit nachdenke, desto weniger will ich über sie nachdenken."
(BUK-Tapes 'Nature')
</SHORT VERSION>
<LONG V E R S I O N >
Es ist eines von Schopenhauers großen Themen, wie Sie wissen. Er behandelt es ausführlich
im Kapitel 46 des 2.Bandes der Welt als Wille und Vorstellung mit dem Titel "Von der
Nichtigkeit und dem Leiden des Lebens" (WWII Kap.46,665fff). Damit in direktem
Zusammenhang stehen seine §§ 56-59 des ersten Bandes / sowie Kapitel. 11 und 12 des
zweiten Bandes der Parerga. In all diesen Texten finden wir detailliert auseinander gesetzt eine
Fülle von Schopenhauers Einstellung zu diesen Dingen, wie wir sie auch bei Bukowski
erkennen können. Für beide auch, ist dies eines der zentralen, immer wiederkehrenden
Themen überhaupt: die Nichtigkeit und das Leiden des Daseins.
Einige Beispiele aus diesem Kapitel zur Illustration:
Er spricht von der – Zitat – "unablässigen Mühe und steten Sorge, [vom] Kampf mit der Not,
täglich errungene, kärgliche Erhaltung dieses Daseins selbst." (WWII Kap46,666)
etc. – Bukowski spricht in diesem Zusammenhang vom "alltäglichen Krieg".
Einem Gedichtband gab er explizit den Titel "War all the Time" also etwa "Dauernd ist Krieg".
Er meint damit: Das ganze Leben ist ein Krieg.
[ - Es gäbe gerade hier sehr sehr Vieles zu zitieren, vom guten alten Meister Buk.
Ich greife nur zwei Dinge heraus:
"Ich hatte einen Horror vor dem Leben; vor dem, was ein Mann alles tun musste, nur um essen und schlafen und
sich was zum Anziehen kaufen zu können. Also Blieb ich im Bett und trank. Wenn man trank, war die Welt zwar
immer noch da draußen, aber wenigstens hatte sie einen im Augenblick nicht an der Kehle."
(Faktotum, 35)
"Alles öde und mies; wieder mal ein Tag voll Nieselregen und Verdammnis, die Pflanzen schnaufen und keuchen
und schwitzen in der ausgelaugten Luft, und übers Fliegengitter kriechen die letzten zwei stupiden Fliegen des
Sommers, denen es irgendwie nicht gelungen ist, eine Spinne zu finden und zu sterben."
23
(BUK,Briefe79, 12/64)
-]
Schopenhauer wieder:
"Das Leben stellt sich dar als ein fortgesetzter Betrug, im Kleinen, wie im Großen." (WWII
Kap46,666)
– Bei Bukowski – so :
"... der Schrecken ist immer da. Das Hässliche ist immer da. Es gibt kein Entrinnen, es gibt kein
Entfliehen – vor gar nichts. Immer wirst du enttäuscht. Nie ist irgendwo Heiterkeit, Leichtigkeit.
Du wirst betrogen bis hinein ins Grab. Egal wie viel du weißt oder fühlst, du wirst
betrogen, betrogen, betrogen. Bis zum letzten Atemzug. Machst du ein Senfglas auf,
wirst du betrogen. Öffnest du eine Dose Katzenfutter wirst du betrogen. Alles ist Betrug. "
– (BUK-Tapes 'The Tragedy of the Leaves')
Dann (Schopenhauer wieder):
"Die Wahrheit ist: wir SOLLEN elend sein und sind's. Dabei ist die Hauptquelle der Übel der
Mensch selbst: homo homini lupus. Die Welt als eine Hölle, welche die des Dante dadurch
übertrifft, dass Einer der Teufel des Andern sein muss." (WWII Kap46,671) [ vgl. Buk-Tapes: 'Nature': "Nur
dass es bei Ihnen ein Mensch sein wird ..." ]
Kurz darauf noch einmal:
"Man hat geschrieen über das Melancholische und Trostlose meiner Philosophie: es liegt
jedoch bloß darin, dass ich nachwies, dass in der Welt auch schon etwas Höllenartiges sei."
(WWII Kap46,675)
– Bukowski zum Höllen-Thema:
"Wenn ich in die Gesichter der Menschen sehe, dann sehe ich die Hölle. Das Leben der
Menschen ist die Hölle. Ich reagiere darauf, dass wir in der Hölle leben. Deshalb bleibt meine
Schreibmaschine in Bewegung."
Interview zu seinem 60. im Jahr 1990.]
[ - Das Motiv finden wir bei Schopenhauer wenige Seiten weiter nochmals:
"Vom Menschengeschlecht leben neun Zehntel in beständigem Kampfe mit dem Mangel, stets am Rande des
Untergangs, sich mit Not und Anstrengung über demselben balancierend. Also durchweg sind die Bedingungen
knapp und kärglich gegeben, aber nichts darüber. Daher geht das individuelle Leben in unaufhörlichem Kampfe um
die Existenz selbst hin; während bei jedem Schritt ihm Untergang droht." (WWII Kap46,679)
– Das, sehr verehrte Zuhörer, ist, wie wir inzwischen gesehen haben, Bukowski pur: "WAR ALL THE TIME!" - ]
24
Noch mehr Bukowski zum Leid und Mitleids-Thema (und ganz nebenbei noch mal zum
Menschenbild) – diesmal aus einem Interview Anfang der 80er:
"Die Natur ist nicht freundlich, der Natur ist alles scheißegal. Und mir ist es nicht egal. Wenn ich
sehe, dass irgendwas irgendwas anderes tötet, dann gefällt mir das nicht. Die ganz Intelligenten
sagen: 'So ist das nun mal: Dieses tötet jenes und dieses ernährt das. Es ist für alles gesorgt.' –
Nur wenn denen einer was tut, dann schreien sie, nicht wahr? Sie versetzen sich nicht IN die
Spinne und die Fliege. Ich schon. Ich bin die Fliege, Das ist die Spinne, verstehst du? Die
halten sich raus. Ihnen ist gleichgültig, was geschieht. 'Oh, das ist interessant! Schau mal!'
Dabei geht es doch auch um sie. Nur wird es bei ihnen ein Mensch sein, der sie tötet. Aber das
wissen sie nicht. Sie unterstützen es und wissen es nicht. Sie sind dumm. Fast alle Menschen
sind dumm. Sieh dir an, wie sie ins Restaurant zum Essen gehen: Sie wollen gar nicht essen,
sie gehen nur hin, weil gerade Essenszeit ist, sie haben nichtmal Hunger! Je mehr ich über die
Menschheit nachdenke, desto weniger will ich über sie nachdenken." (BUK-Tapes 'Nature')
</LONG VERSION>
------------------------------------------------------
Gut. kommen wir jetzt zum Abschluss:
Wir haben gesehen, dass unsere drei Freunde eine Menge Probleme haben.
Mit der Welt, der Menschheit, mit sich selbst. Es ist ein hartes Leben. Man braucht
Strategien zur Bewältigung der vielen Probleme und Hindernisse, die einem in den
Weg gelegt werden.
Schopenhauer nennt in der 'Welt als Wille und Vorstellung' zwei "Mittel" zur
Bewältigung des Lebensproblems.
Einmal die 'eu-la-beia' - Klugheit bzw. Vorsicht.
"Zweitens, [ich zitiere] der Stoische Gleichmut, welcher jeden Unfall entwaffnen will durch
Gefasstsein auf alle und Verschmähen von Allem: Praktisch wird er zur kynischen Entsagung.
Sie macht uns zu Hunden, wie den Diogenes in der Tonne. (WWII Kap46,671)
Er zeigt:
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"Die Unfälle, jeder Art und Größe, wenn sie auch schmerzen, werden ihn nicht mehr
wundern. Dies wird ihm sogar, bei Allem was geschehen mag, eine wundersame
Gelassenheit geben." (WWII Kap49,739)
[s.a. Das Erdbeben-Gedicht]
Bei Nietzsche wird diese Einsicht zu dem, was er 'Russischen Fatalismus' nennt.
(Zitatepaper S.6)
Ich spare mir jetzt die Zitate und verweise beispielhaft auf sein Spätwerk 'Ecce
Homo', das Kapitel 'Warum ich so weise bin', dort v.a. den Abschnitt Nummer 6.
Und dass mein Meister Bukowski dieses Grundgefühl der Gelassenheit, der Stoa
gelebt hat, auch dafür gäbe es wieder einen ganzen Bunker voll Zitate.
Um aber nun zu einem Ende zu kommen, begnüge ich mich mit einem Gedicht zu
diesem Thema, das die Sache hinreichend zusammenfasst.
Wer anschließend noch interessiert ist, vertieft in die Materie einzusteigen, kann mich gerne
fragen. Auch habe ich vor, jetzt in irgendeinem netten Lokal einzukehren, wo man einen Wein
trinken kann – und Sie sind herzlich eingeladen, mich zu begleiten.
Nun also das letzte Gedicht:
Was macht dein Herz? [in: Roter Mercedes, 148f)
("Das Entscheidende ist, wie gut man durchs Feuer geht!")
- ENDE -
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stichworte
- Welt- und Menschenbild – Pessimismus (Lebenseinstellung) – sowie Bewältigungsstrategien
- (Misanthropen) vs Masse / pro Individuum
- Geniekult
- Rückzug aus der Gesellschaft, Hang zum Alleinsein
- Abstand => Entlarven => 'Teufelskreis' weil aus dem Geschauten das
Außenseitertum verstärkt wird.
zumindest dann, wenn man über eine weitere Tugend unserer drei verfügt:
- Ehrlichkeit
- Anti-Politik und der Nicht-Glaube an einen Staat, Nationalität oder dass Politik
etwas Ändern könnte. (zitate-paper S.4 )
- Polemik als Stilmittel – sich Feinde machen.
Viele Angriffsziele:
- die angepasste Masse, Herde, vorherrschende Meinung,
das Bildungssystem, die Autoritäten, Kollegen, Hörigkeitsgläubige, ...
- Einsicht in das Leid der Welt und der Menschen
- Mitleidsethik
- Stoa , Gelassenheit
- biografisches: erst später Ruhm (Posthum geboren!) / N&B: fast Tod mit 35.
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