ich gönn` dir nix

Transcrição

ich gönn` dir nix
AUSGABE 2/2011 EUR 4,– SFR 5,10 $ 5,70
MUCHA
S
EINMALIG. ERLESEN. EDEL.
DIE NEIDIGSTEN ÖSTERREICHER
ich gönn’ dir nix
BLIND VOR WUT:
JÄGER & MEISTER:
SCHÖN & GUT:
falsche brillen
geh’n ins aug’
gesch(l)ossene
gesellschaft
beauty-repair
ohne messer
inhalt
E D E L .
10
40
Katzendompteur:
Max Lauda und sein Jaguar
XK 140 Drop Head Coupé
62
105
98
96
88
Auto-Erotisch:
Ein praktizierender
Fetischist outet sich
85
78
70
78
Soziologisch betrachtet
Woher kommen die Eliten?
From rags to riches:
Es müssen nicht
immer Aktien sein
62
60
59
54
46
40
38
32
26
22
16
elite
Coverstory:
Ich gönn’ Dir nix! Die
neidigsten Österreicher
46
Leserbriefe
19
Editorial
14
MODELL: Ekaterina Mucha
STYLING: derwerbefotograf.at
BRILLE: Missoni, TS-Optik
SCHMUCK: Kornmesser,
Armband in 18 Karat
Weißgold und Diamanten
in Brillantschliff, zusammen
ca. 31 Carat, 66.000 E
KLEID: Ferragamo
FOTO: Roland Froschauer
ASSISTENZ: Boris Maier,
Peter Weißböck
LOCATION: Ana Grand Hotel
Die große Leere:
Wenn Prominente Erlösung
im Freitod suchen
70
76
38
Jäger & Meister
Die Wirtschaftselite auf der Pirsch
Blind vor Wut:
Falsche Brillen
geh’n ins Aug’
52
E R L E S E N .
44
E I N M A L I G .
Plötzlich Prinzessin:
Der Adel und das
bürgerliche Ja-Wort
98
Umfrage
Was ist schlimmer: Geiz oder Neid?
Die große Pelzlüge:
Böse Gerüchte ins
rechte Licht gerückt
Begehrte Gesichter:
Lukrative Nebengeschäfte der Stars
162
162
170
180
178
166
170
166
165
164
163
162
Elitäres Green:
Der Golfplatz
als Charity- und
Businessplattform
155
154
151
138
139
134
133
126
124
116
116
110
108
107
106
Hot Stuff:
Beim heißesten
elite-Mode-Shooting
des Sommers
Sicher & Schön
Binäre Welt der Elite
138
Society:
So feiert
die Elite
Modetrends:
Die absoluten Must-Haves
für die Frau mit Stil
Perfect Beauty:
Wie Sie Makeln ohne
Messer zuleibe rücken
134
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der Vertrieb von Zeitschriften und sonstigen Druckwerken Geschäftsführung: Wolfgang Christian
Mucha‚ Gesellschafter: 99,8 Prozent Mucha Privatstiftung, 0,2 Prozent Wolfgang Christian Mucha
elite
11
elite
EDITORIAL
Vom Abwägen, Wagen
und Gewinnen …
Von 1.000 angedachten Medienprojekten werden nur 100 realisiert. 98 scheitern.
E
❜
14
Dies ist die erste
Luxus-Zeitschrift,
die es jenen
Top-Marken,
die neppen,
schonungslos
zeigt.
elite
s gibt Dinge im Leben, von denen
lässt man besser die Finger. Wer
etwa glaubt, dass man mit Medien reich
wird, der träumt. Ist naiv. Und kennt das
Gesetz dieses brutalen Marktes nicht.
Trotzdem wagen rund um den Globus
allwöchentlich tausende aberwitzige
Phantasten, Optimisten und Realitätsverweigerer den Sprung in die Selbständigkeit mit einem Medienunternehmen.
Kaum ein Projekt überlebt.
In den bald fünfunddreißig Jahren, in
denen ich unser Medienhaus mit großem
(auch wirtschaftlichem) Erfolg führe,
habe ich vor allem zwei Dinge gelernt:
Vorsicht und Demut. Eigenschaften,
die viele meiner ehemaligen Mitarbeiter
nicht schätzten. Die lernten bei uns einiges, waren nach kurzer Zeit überzeugt,
dass das Mediengeschäft ein Lercherl ist
und machten sich flugs selbständig. Blinkende Euro-Zeichen in den Augen. Doch
dieses Geschäft ist erbarmungslos. Von
all denen (ich habe bei achtzig zu zählen
aufgehört) gibt es noch einen Einzigen,
der ein armseliges Dasein mit einem Special-Interest-Medium fristet. Alle anderen sind Pleite gegangen. Ausnahmslos.
Angesichts des hier Geschriebenen beginnen Sie nun zu verstehen, welcher Teufel
mich geritten haben muss, als ich im September des Vorjahrs beschloss, eine irrwitzige Idee in die Tat umzusetzen. Ende
August mündete ein Streitgespräch zwischen meiner Frau und mir zum Thema,
wie die Superreichen bei Schmuck über
den Tisch gezogen, übervorteilt, hinters
Licht geführt und betrogen werden, darin, dass mir der Satz entschlüpfte, man
müsste eine Luxus-Zeitschrift machen,
die das einfach schreibt. So wie’s ist.
Diamanten-Röster. Eine Zeitschrift, die
berichtet, dass Fancy Yellow-Diamanten
der edlen Sorte Vivid nur in den seltensten Fällen kanarigelb in der Natur wachsen, sondern dass zartgelbe Diamanten
(häufiger und viel billiger) so lange geröstet werden, bis sich der erwünschte
Farbton einstellt. Was glatter, blanker
Betrug am Kunden ist.
Dass Rubine in den seltensten Fällen
schweineblutfarben (der edelsten aller
Farben) gefördert werden, sondern dass
die mit Speziallackierungen überzogen
werden, Risse mit Pasten gefüllt werden,
Steine in mehreren Schichten zusammengeklebt werden, etc. Ekaterina runzelte
ihre schöne Stirn: „Wenn wir das tun,
dann werden aber nicht viele Firmen
elite
EDITORIAL
bei uns inserieren, oder?“ Derartige Einwände meiner liebreizenden Frau lösen
bei mir reflexartig Macho-Verhalten
aus: Dann will ich ihr nämlich justament beweisen, dass es eine Quadratur
des Kreises gibt, dass das geht, klappt,
funktioniert und überhaupt, dass ich insbesondere recht habe.
Gewagt, getan. Von Anfang September bis zum 10. Dezember, dem Erscheinungstag unserer ersten Ausgabe elite,
war so irrwitzig wenig Zeit, dass man
sich das kaum vorstellen kann. Denn
neben der neuen Zeitschrift, die den
großen Marken auf die Finger klopfen
sollte, mussten wir ja noch alle anderen
Zeitschriften unseres Verlags durch die
Weltwirtschaftskrise begleiten, stützen
und laben.
elite, so beschlossen wir, sollte sich
nicht scheuen, die Produktphilosophie
von IWC zu kritisieren. Wo man lesen
würde, dass in der IWC-Portugieser ein
ETA-Uhrwerk schlummert, das es samt
Gehäuse um knapp 1.000 Euro auf dem
Markt gibt (die Portugieser kostet rund
7.000 Euro). Oder dass Cartier seine
Kundinnen mit 2.700-Euro-Uhren verwöhnt, die von einem Quarz-Uhrwerk
betrieben werden, das es auf dem Weltmarkt um unter 50 Euro einzukaufen
gibt.
Nacht & Nebel. Wir hatten keine Grafik, kein Konzept, keine Typo, keinen
Aufbau, keine Artikel, nur diese Idee,
tollkühnen Mut, die anmutige Kreativität meiner Frau und meine Sturheit. Ich
werde Ihnen nie erzählen, wie wir die
Grafik zusammengeschustert haben, wo
wir Musterseiten gestohlen haben und
wie angst und bang uns bei diesem „Huber & Pichler“-Projekt war (für jene, die
das nicht kennen: diese Firma ist damit
bekannt geworden, dass sie Halbferti-
ganzüge günstig vertreibt). Doch dann
geschah das Unerwartete. Das, was in
tausend Fällen maximal zweimal eintritt:
Die Idee gefiel. Die Inserenten rissen sich
förmlich darum, in so einer Zeitschrift
präsent zu sein. Zumindest jene, die anständige Produkte mit einem guten Gewissen vertreiben. Und das waren genug,
um einen sechsstelligen Gewinn mit der
Null-Nummer zu erwirtschaften. Seither
sind fünf Monate vergangen. Wir haben
das verdiente Geld gut eingesetzt, uns bemüht, all das, wofür wir bei der ersten
Ausgabe weder Zeit, noch Geld, noch
Konzept hatten, mit all unserer Professionalität zu einem gefälligen Ganzen zu
fügen.
Viele Leser der ersten Ausgabe, darunter
Fotograf Roland Froschauer und PixelArt-Boss Alexander Walterskirchen, denen zwar das Konzept gefiel, die jedoch
unsere Umsetzung bemängelten, haben
uns geholfen, nun ein gefälliges Magazin
zu gestalten. Einzig den Mut haben wir
von der ersten Ausgabe mitgenommen:
Wenn wir die neidigsten Österreicher
vorstellen, in der Pelzgeschichte erzählen,
wie Marken-Pelzmäntel nachgeschneidert werden, oder in der Automobil-Sektion Verrücktheiten und Radlosigkeiten
publizieren.
Ob die Übung gelungen ist? Das müssen Sie beurteilen. Regen Sie uns doch
an, oder lassen Sie’s uns bitte wissen,
wenn das regen bei Ihnen mit „auf“ beginnt, wünscht sich
❜
Auf Seite 38 packt
ein Optiker-Meister
aus. Passen wirklich skandalöse
30 Prozent der
heimischen
Brillengläser nicht?
Ihr
Christian W. Mucha
Herausgeber
[email protected]
elite
15
elite
COVERSTORY
Ich gönn’
Dir NIX
Er ist der kleine Bruder des Hasses – und er
nistet in jedem von uns: Der Neid. Er ist aber
auch ein großer Gleichmacher: Sogar Reiche
und Prominente sind davor nicht gefeit. Und
er hat einen Zwillingsbruder, den Geiz. Die
gemeinsamen Chromosomen: beide können
nicht gönnen. elite hat die Hitparade jener,
die geizig oder neidig sind …
F
ür die Kirche gilt er als eine der sieben Todsünden. „Aber sie ist die einzige, die keinen Spaß
macht“, lästerte der amerikanische Essayist Joseph Epstein über den Neid. Es beginnt schon
in der Kindheit: Mit der bunteren Plastikschaufel des
Nachbarn geht es los, dann kriegt der Bruder das größere Eis, der Mitschüler die besseren Noten. Die Kollegin hat sich einen attraktiveren Mann geangelt, der
Nachbar fliegt im Urlaub weiter weg. Jeder, wirklich
jeder, kennt diese Situationen. Und keiner kann da
den ersten Stein werfen – der Neid ist unser ständiger
Begleiter, oft und gerne gepaart mit dem Geiz.
Niki Lauda zum Beispiel gilt den meisten Österreichern als geizigster Landsmann, steht hier unangefochten auf der Pole Position. „Er hat einen Igel im
Brieftascherl“, lästern sogar Freunde. Die Wahrheit
ist aber: Er hat gar keine Brieftascherl mit. So soll er
im In-Cafe „Blaustern“ am Döblinger Gürtel jederzeit
46
elite
Roland Froschauer, istock
Von HARALD ZEILINGER
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COVERSTORY
elite
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gratis konsumieren können – aber
nur, wenn er sich an einen Fensterplatz setzt und dadurch von außen
jederzeit für Passanten sichtbar
ist. Auf die Frage, warum er – als
erfolgreicher Chef einer Fluglinie
– denn in einem winzigen Büro hocke, grantelte Lauda: „Damit meine
Mitarbeiter kein größeres verlangen
können.“ Dass er mit dem Slogan
„Ich hab’ ja nix zu verschenken“
Werbung für eine Bank macht, ist einer der seltenen Fälle, in denen dem
Werbebotschafter bedingungslos
geglaubt wird.
Obwohl, im Interview mit der „Süddeutschen“ streitet er alles ab: „Das
ist ein blödsinniges Gerücht. Woher
das kommt, weiß ich nicht. Ich habe
ein gesundes Verhältnis zum Geld.“
NEIDER ODER BENEIDETER?
Isabel Weicken (oben) wurde Opfer einer
Prügelattacke, weil ihr die Rolle der Evita in
dem gleichnamigen Musical geneidet wurde. Niki Lauda gilt als Österreichs geizigster
Prominenter, hat „nix zu verschenken“. Und
Mario-Max Prinz zu Schaumburg-Lippe,
geborener Mario-Helmut Wagner, setzte
schon früh auf die Kraft eines klingenden
Namens und ließ sich adoptieren.
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elite
Stänkerei. Dass Neid auch in Kreisen, die vor 1918 dem Adel zugerechnet wurden, durchaus comme
il faut ist, zeigt das Beispiel eines
Kolumnisten einer mittlerweile immer weniger gerne gelesenen Tageszeitung: Während Dutzende
Beschäftigte aus Einsparungsgründen entlassen wurden, beharrte der
Schreiber auf seiner vereinbarten
Gage von mehreren hundert Euro
pro täglicher Kolumne und stänkert
darin zu allem Überfluss regelmäßig
über erfolgreichere Kollegen. Hier
ist Neid in seiner giftgelben Form
weithin sichtbar.
Von verarmten Adeligen zum
„schönsten, klügsten und besten“
Politiker (Selbsteinschätzung), den
Österreich in den letzten Jahren hatte: Wo immer Karl-Heinz Grasser
auftaucht, umgibt ihn eine Dunstwolke aus Neid – egal, was er macht
oder unterlässt.
Nächstes Beispiel: Der skurrile Erbschaftsstreit zwischen Schauspieler
Albert Fortell und seinem Bruder
Marius Fortelni, der behauptet, um
sein Erbe gebracht worden zu sein.
Fortelni, der von der Mutter immer
wieder finanzielle Unterstützung
für seine zum Teil waghalsigen Firmenkonstruktionen bekommen hat,
kann offenbar den Hals nicht vollkriegen. 2007 stirbt die Mutter; es
gibt Diskussionen wegen dem Erbe,
die dann völlig aus dem Ruder laufen und vor Gericht enden. Ganz
gleich wie die Geschichte ausgeht
– es ist momentan noch ein schwebendes Verfahren –, eines steht fest:
Für Marius Fortelni gilt: „Ich bin so
neidig, ich lass meinem Bruder das
Erbe der Mutter sicherlich nicht
(wobei elite nicht weiß, was da
wirklich passiert ist), aber wenn du
nicht bereit bist, mir meinen geforderten Anteil zu geben, dann ab mit
dir ins Gefängnis.“ Das Ganze wird
also zum Offizialdelikt mit einer Anzeige gegen den eigenen Bruder. Der
eine ist neidig, der andere geizig. Zusammengemischt eine hyperexplosive Mischung.
Der Soziologe Sighard Neckel, er unterrichtet an der Uni Wien, hat das
Phänomen Neid erforscht: „Paradoxerweise beklagen sich Hip, High
and Mighty viel häufiger über den
Neid der Besitzlosen, als dass sie von
diesen tatsächlich beneidet würden.
Neid spielt sich zumeist in der sozialen Nachbarschaft ab. Wenn die Reichen und Mächtigen glauben, vom
Neid der anderen verfolgt zu werden, so ist hier oft der Wunsch der
Vater des Gedankens. Beneidet zu
werden, stellt den finanziellen Oberschichten weit mehr ein Bedürfnis
dar, als dass ihnen die Missgunst anderer tatsächlich lästig sein müsste.
Aber wie so häufig weisen die vier
Finger der Hand, die auf andere
zeigt, auf die eigene Person zurück.“
Oft ballt sich diese Hand aber auch
zur Neidfaust und schlägt zu. Wie in
jenem Kriminalfall aus Österreich,
der 1991 das Land erschütterte:
Kurz vor der Premiere des Musicals „Evita“ ließ der Liebhaber der
Zweitbesetzung den Star des Musicals, Isabel Weicken, krankenhausreif prügeln. Neid als Motiv für die
Attacke – es endete im Gefängnis.
Noch schlimmer kann es unter
Forschern zugehen: Einem Arzt in
der Berliner Charité wurde Gift ins
Niki Lauda: flyniki, Archiv
COVERSTORY
elite
COVERSTORY
THE GOOD, THE BAD AND THE UGLY? Dompfarrer Toni Faber (links) ist Geiz und Neid nach eigenen Angaben völlig fremd. Ex-ORF-Grande
Elmar Oberhauser (Mitte) verpestete jahrelang mit seinen Zigarren das Nobellokal Do&Co, wo er gratis geschmaust haben soll. Mausi Lugner
(rechts) soll sich bei einem Promi-Begräbnis sogar das spärlich bemessene Trinkgeld für den Pompfüneberer geschnorrt haben.
Trinkwasser gemischt, der Biomediziner überlebte nur knapp. Als Täter
vermutet die Polizei einen weniger
erfolgreichen Kollegen – die Ermittlungen laufen.
„Mitleid bekommt man geschenkt,
Neid muss man sich erarbeiten“,
wusste schon Dagobert Duck. Einer,
der beides in sich vereint, treibt sich
seit einigen Jahren durch die heimischen Boulevardblätter, immer ein
schiefes Grinsen im Gesicht: MarioMax Prinz zu Schaumburg-Lippe.
Geboren als Mario-Helmut Wagner
hatte der Salzburger schon in jungen
Jahren die vorteilhafte Idee, sich von
seinem Stiefvater, einem verarmten,
aber echten zu Schaumburg-Lippe,
adoptieren zu lassen. Seitdem nervt
er auf diversen Promi-Events und
treibt die echten Blaublüter derer
von zu Schaumburg-Lippe ob seines oft wenig standesgemäßen Benehmens regelmäßig zur Weißglut.
Den Neid hat er sich tatsächlich
erarbeitet, das Mitleid bekommt er
dafür wirklich geschenkt: Wenn er
unbeholfen auf Astro-TV die „Diamonds of Eternity“, fünf Glassteine
und um 499 Euro sagenhaft günstig,
im Stile eines Gemüsehobel-Propagandisten anpreisen muss oder
bei den „Lugners“ auf ATV den
Schwiegersohn ersetzt. Denn auch
Prinzen brauchen Geld zum Leben,
und seien sie auch nur adoptiert.
Und wer sich derart hart sein Geld
verdienen muss, schaut darauf, dass
er es hat, wenn er es braucht. Böse
Zungen kolportieren heute noch die
Geschichte, dass der Prinz bei einer
„Licht ins Dunkel“-Spendengala
angeblich einen kleinen Euro-Schein
zückte und sich dann noch herausgeben ließ. Neider, vermutlich …
Tatort Marchfelderhof. In diesem Promi-Lokal versammeln sich
ebenfalls regelmäßig Mitglieder
der Neidgesellschaft. Solange man
eingeladen wird, spielt Geld keine
Rolex: Öfters angeführt von Paulus
Manker, der gerne mit kompletter
Entourage aufläuft. Weil es nix kostet – was im Marchfelderhof für Prominente immer der Fall ist –, wird
gegessen, was der Bauch fasst. Da
stört es die Geladenen auch nicht,
wenn der mittlerweile leicht versulzte Manker in Todesverachtung
einem durchtrainierten Fotografen
Schläge androht. Genie und Wahnsinn liegen offenbar ganz dicht beisammen, getrennt nur durch einen
schmalen Spalt, gefüllt mit Neid.
In letzter Zeit weniger oft im Marchfelderhof gesichtet wurde hingegen Christina „Mausi“ Lugner,
abgelegte Gattin des berüchtigten
Baumeisters. Zeugen zitieren heute noch genüsslich, wie Mausi bei
einer Promibestattung vor dem
offenen Grab einen Trauernden
um zwei Euro angeschnorrt haben
soll, um dem Pompfüneberer einen
Schmattes zu reiben. Für sie gilt die
Unschuldsvermutung. So wie auch
für Ex-ORF-Granden Elmar „der
Bär“ Oberhauser. Der Duft seiner
Zigarren waberte jahrelang durch
das Do&Co, trübte den Ausblick
auf den Stephansdom. Tempi passati. Mit dem einflussreichen Posten
schwanden auch die Gratis-Einladungen, womöglich muss sich der
ORF-Problembär sein Essen jetzt
selbst zahlen.
Von Neidigen zu Beneideten, von
Dicken zu Gertenschlanken: Neider
hat der schönste Körper der Wiener
Staatsoper – der von Karina Sarkissova – sogar im eigenen Betrieb. Die
Primaballerina wurde weltweit bekannt, als sie wegen Nacktfotos für
den „Wiener“ von Ballettdirektor
Manuel Legris fristlos gefeuert wurde. Die Kündigung wurde allerdings
schnell wieder rückgängig gemacht,
als weitere Nacktfotos auftauchten
– diesmal allerdings von Legris. Er
hatte als Tänzer vor Jahren die Hosen fallen lassen. Von ihm spricht
elite
49
elite
COVERSTORY
Ein Fest gegen Neid
Viele sagen: Der Österreicher ist im Neidigsein besser als im Skifahren. Dem
wollte Heribert Kasper, alias „Mr. Ferrari“, mit seinem ersten „Fest gegen Neid”
in der Wiener Skybar entgegenwirken. „Es gibt Feste für AIDS, für Krebs, Feste
gegen Gewalt, warum sollte man nicht auch einmal eine Charity für die
Psyche machen?“, ist Kasper von seiner Mission überzeugt. Deshalb hat er
auch gleich einen Brief an Bundespräsident Heinz Fischer geschrieben, damit
dieser den 22. Februar als den offiziellen „TAG GEGEN DEN NEID“ausrufe.
Unterstützt wurde Kasper von zahlreichen Prominenten wie Toni Polster. „Ich
bin von ganzem Herzen Österreicher, aber hier habe ich immer das Gefühl,
mich für Erfolg entschuldigen zu müssen“, ärgerte sich der Ex-Fußballer.
Ähnlich sieht es Kabarettist Alexander Bisenz und zitierte seinen verstorbenen
Kollegen HANS-PETER-HEINZL: „Die Österreicher sind so neidig, dass sie
einem nicht einmal den Krebs vergönnen.“ Und er konnte sich den Nachsatz
nicht verkneifen: „Die Einzigen, die man hierzulande nicht beneidet, sind
Karl-Heinz Grasser und Helmut Elsner.“ Für Dompfarrer TONI FABER ist Neid
sowieso eine Hauptsünde. „Zuerst sollte man den Neid wahrnehmen und zulassen und nicht einfach gleich zur Seite stoßen. Neid kann man nur mit Liebe
transformieren.“
NEID-PARTY: „Mr. Ferrari“ Heribert Kasper kämpft mit hübscher Unterstützung und einer
eigenen Veranstaltung gegen den Neid seiner Mitmenschen. Ob das hilft?
NEID-HYMNE: Austro-Popper Leo Aberer und Ex-Miss-Austria Patricia Kaiser zelebrierten
gemeinsam mit Kasper die Uraufführung der selbstkomponierten Neid-Hymne.
50
elite
kaum jemand, Karina ist seitdem
aber ein gefeierter Star abseits der
Bühne, sie verschönert auch viele
Promi-Partys, sieht ihre Situation
aber realistisch: „Ich bin in meiner
Welt von Neid umhüllt. Das liegt an
der starken Konkurrenz in der Oper.
Auch ich war oft auf Kolleginnen
neidisch, die mit besseren Rollen
besetzt wurden als ich. Mit den Jahren habe ich versucht, diese Neidgefühle in mir zu bekämpfen. Heute
konzentriere ich mich nur mehr auf
mich selbst.
Doch Neid kann auch etwas Positives sein. Für manche Menschen ist
Neid ein Ansporn, eine Art Triebfeder, sich weiterzuentwickeln. Wer
das nicht in sich spürt, dem fehlt oft
der Antrieb zur Veränderung. Möglicherweise hat darin auch der Neid
seinen natürlichen Ursprung.“
Oder Anna Hammel, bezaubernde Miss Austria 2009: auch sie,
ein nettes Mädel, das trotz des Erfolgs natürlich geblieben ist, wird
nicht nur bewundert: „Ich habe
in den letzten Jahren viele Erfahrungen mit Neid gemacht. Wenn
er von Fremden kommt, versuche
ich immer, ihn als Kompliment zu
sehen, das gelingt mir aber nur bedingt. Wesentlich schwerer zu ertragen ist der Neid, wenn er von
Menschen kommt, die sich früher
‚Freunde‘ genannt haben. Das
schmerzt mich richtig.“
Konkurrenz. Einer, an dem sich der
Neid anderer regelrecht abarbeitet, ist Wiens berühmt-berüchtigter
Baumeister Richard „Mörtel“ Lugner. Während ihn kein Mensch um
seine Englischkenntnisse beneidet,
hat er dennoch mit den Anfeindungen seiner Umwelt zu kämpfen. Vor
allem Elisabeth Sereda, Intimfeindin und ORF-Hollywood-Korrespondentin, schmeißt Messer und
Hackeln, wo immer es nur geht.
„Wahrscheinlich, weil alle meine
bisherigen Opernballgäste besser
ausgeschaut haben als sie“, diagnostiziert Mörtel, „vielleicht aber auch,
elite
COVERSTORY
WENN NEID ZUM HASS WIRD:
Tonya Harding, Daley Thompson und
Lindsey Vonn schrieben mit Neid gegen
ihre Konkurrenten Sportgeschichte.
weil sie finanziell nicht mitschneiden kann.“ Ein Streit, der vermutlich erst vor dem Jüngsten Gericht
entschieden werden wird. Und dann
war da noch Jung-Kicker Marko
Arnautovic. Der Teamstürmer fällt
momentan vor allem außerhalb des
Spielfeldes auf, sei es durch verbale
Ausritte, kleine Rangeleien in der
Kabine oder Streitigkeiten mit den
Trainern. Sein Beitrag zur Neiddebatte: Der 22-jährige Jungstar
fuhr mit einem nagelneuen Bentley
beim Teamtraining vor. Wie dozierte einst Erfolgstrainer Max Merkel,
als sein Lieblingsspieler Gustl Starek
„einen Kasten voll Geld“ forderte:
„Blöder Lausbub, wichtig ist nicht,
was du jetzt verdienst, sondern was
du mit 40 Jahren erreicht hast.“ 20
Jahre später trafen sie sich zufällig
vor einem Wiener Nobelheurigen.
Starek: „Trainer, ich bin jetzt 40 und
das da ist mein 500er Mercedes.“
Dass der echte Neid nicht einmal vor
den Gottesmännern haltmacht, bestätigt Dompfarrer Toni Faber: „Ich
bin selbst in einfachen und ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen.
Mir ist Neid fremd. Ich kenne aber
genug Leute, die mir Erfolg, Anerkennung und Öffentlichkeit neiden.
Nicht nur aus Kirchenkreisen bekommen Kardinal Schönborn und
ich oft gehässige Briefe. Das macht
mich besonders traurig. Ich versuche, den Kritikern offen und höflich
zu begegnen und ihnen Wertschätzung entgegenzubringen. Am besten
macht man es wie der Kardinal. Er
vergisst es einfach.“
Partytime. Ferrari-Importeur Heribert Kasper war in seinem Leben schon mit allen Facetten der
Todsünde konfrontiert – und organisierte deshalb im Februar eine
vielbesuchte „Neidparty“ in Wien
(siehe links): „Die Leute glauben,
ich bin reich, nur weil ich mit teuren
Die böse Konkurrenz
Der Neid auf die Konkurrenten: Vor allem im Sport kommt es deshalb immer wieder zu unfassbaren Aktionen – denn hier steht man dem „Gegner“
meist von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
Traurige Sportgeschichte schrieb der Fall von „Eishexe“ TONYA HARDING: Die Eiskunstläuferin verpflichtete einen Schläger, der ihrer größten
Konkurrentin um Olympia-Gold, NANCY KERRIGAN, am 6. Jänner 1994
mit einer Eisenstange das Knie blutig drosch. Kerrigan erholte sich aber
rasch; es kam in Lillehammer zum großen Showdown auf dem Eis. Weltweit
sahen noch nie so viele Menschen bei einem Sportereignis zu wie in dieser
Nacht. Die Gerechtigkeit nahm ihren Lauf: Harding riss der Schnürsenkel,
sie wurde nur Achte, Kerrigan holte sich Silber. Das Ende der Geschichte:
Nancy verdiente Millionen; Tonya wanderte ins Gefängnis, zuletzt drehte
sie Pornos und lebt heute als Einsiedlerin in einem Holzhaus in den Wäldern von Vancouver.
Neid war und ist aber auch unter Männern verbreitet. Der „lustigste“ Fall
ereignete sich 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul, wo die beiden Zehnkämpfer DALEY THOMPSON und JÜRGEN HINGSEN wieder
einmal aufeinandertrafen – keiner gönnte dem anderen den Erfolg. Der
Brite Thompson – er war immer der erfolgreichere der beiden – spazierte
mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „Ist der zweitbeste Zehnkämpfer der Welt
schwul?“ zum Finale des 100-Meter-Laufes. Der Deutsche Hingsen ärgerte
sich darüber so sehr, dass er dreimal einen Fehlstart produzierte und disqualifiziert wurde. Daley holte Gold.
Mit einem Toten endete in Deutschland ein unfassbarer Fall aus dem Tennismilieu. Um die Konkurrenten seines Sohnes auszuschalten, mixte ihnen
Hans-Jörg. P. Beruhigungsmittel in die Fitnessdrinks. Einer der vergifteten
Sportler schläft auf der Heimfahrt von einem Spiel im Auto ein und kommt
ums Leben, nachdem er einen Baum gerammt hatte.
Und der bisher letzte Fall von Sportler-Neid spielt im Skiweltcup der Damen:
Jahrelang trainierten LINDSEY VONN (USA) und MARIA RIESCH (D)
zusammen, waren unzertrennlich. Als aber jetzt Riesch der US-Amerikanerin
im letzten Rennen der Saison die Kristallkugel wegschnappte, war es
vorbei mit der Freundschaft. Vonn schmollte, kam nicht zur Hochzeit von
Riesch und sorgte damit für mehr Schlagzeilen als die Braut.
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COVERSTORY
NEID ALS ANSPORN.
Karina Sarkissova, Primaballerina der Wiener Staatsoper und mit Nacktfotos weltweit bekannt
geworden, ist von Neidern umgeben: Doch für sie ist Neid ein Ansporn und eine Triebfeder,
sich künstlerisch weiterzuentwickeln. Angeblich beneidet die schöne Karina selbst niemanden.
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Autos zu tun habe. Natürlich sind
das Firmenautos. Ich verdiene vielleicht besser als ein leitender Angestellter. Aber ich habe keine eigenen
Häuser, sondern wohne im Hotel.
Ich versuche auf die Leute – auch
auf den Golf-Fahrer – offen zuzugehen und den ersten Schritt zu machen. Sonst sagen sie zum Schluss
noch, er ist arrogant. Das ist auch
mein Handicap bei Frauen – reich,
Single, prominent – da entstehen oft
Vorurteile. Für mich zählt ein ehrlicher Charakter und nicht jene, die
nur aufs Geld schauen. Mit meiner
Neidparty wollte ich die Leute zum
Nachdenken anregen.“
Das finale Statement kommt von
Schwimm-Star Markus Rogan. Zuerst hochgejubelt, nach einer DiscoSchlägerei fallengelassen und jetzt
wieder ganz oben, hat er gelernt,
mit den hämischen Bemerkungen
und dem Neid seiner Umwelt zu
leben: „Nach geraumer Zeit in den
Vereinigten Staaten glaube ich zu
wissen, dass die Amis genau so viel
Neid spüren wie wir Österreicher.
Es stimmt aber auch, dass man in
den USA seinem Nachbarn gratuliert, wenn er seinen ersten (oder
vierten) Ferrari kauft. Wenn also
Österreicher und Amerikaner Neid
auf gleiche Art und Weise spüren,
es aber ganz anders ausdrücken,
finde ich, muss da noch was anderes mitspielen. Ich glaube, dass die
Antwort relativ einfach ist. Wir
haben in Österreich zu wenig Platz
für alle unsere Egos. Rein flächenmäßig ist es schon eng, und in Wien
nochmal viel enger. Also finde ich
zwar, dass man sich Neid erarbeiten
muss und es viel Charakter kostet,
jemandem anderen etwas zu gönnen, aber schlussendlich kommt’s
einfach nur auf ‚Ego pro Quadratmeter‘ an. Es ist herrlich für mich
und mein Ego, auf das offene Meer
hinauszuschwimmen!“
Große Worte, gelassen ausgesprochen. Aber der Neid bleibt ein ewiger Stachel. Und bei vielen Promis
sitzt er offenbar tief in der Haut. ❦
elite
M
UCHA
UMFRAGE
S
Edi
Birgit
FINGER JUN.
REITBAUER
Geiz ist menschlich. Neid ist
unmenschlich. Der Geizige hat sein
Geld zumeist erarbeitet und will
es nicht teilen. Das ist eigentlich
keine besonders schlechte Charaktereigenschaft. Der Neidige ist
ein schlechter Mensch. Er hat sich
nichts erarbeitet und sieht neidig
auf den anderen. Der Geizige hat
drei Rolls-Royce und lässt seine
Freunde trotzdem nicht fahren.
Wenn man erfolgreich ist, gibt es
immer Neider. Da darf man nicht
nach links und rechts schauen.
Das ist wie im Sport. Man muss
Ehrgeiz haben und schauen, dass
man im Leben weiterkommt, denn
nur dann hat man Erfolg. Ich glaube aber, dass Geiz schlimmer ist.
Geizige Leute haben viel weniger
vom Leben, denn sie versagen sich
all das Schöne.
Luigi
Otto
SCHOBER
SCHENK
Beides entspricht einem Minderwertigkeitskomplex und ist mir
völlig fremd. Neid ist viel verbreiteter, weil Neid aus dem direkten
Vergleich kommt. Menschen,
die aus der eigenen Energie nicht
schöpfen können, schauen immer
neidisch auf andere. Geiz ist die
Anwendung des Minderwertigkeitskomplexes am Parkplatz der
Selbstvernichtung.
Das ist mir wurscht. Wenn
einer neidisch ist auf das, was
ich kann oder mache, tut er
mir leid. Ich habe nicht so
eine hohe Meinung von mir,
dass ich auf mich neidisch
wäre. Geiz ist etwas Komplizierteres und Vielfältigeres.
Wenn man nur Geiz sagt,
weiß man nicht, welche Art
von Geiz gemeint ist.
Peter
Heinz
SIMONISCHEK
STIASTNY
Neid ist, neben der Sonne, der
größte Energiespender. Neid, Geiz
und Gier wird die Menschen aber
trotzdem von diesem Planeten
fegen. Denn der Neid ist ungleich
verteilt. Es gibt Menschen, denen
der Neid aus dem Knopfloch
guckt. Geiz ist eine trostlose,
spießige Eigenschaft. Der „Geiz ist
geil“-Erfinder sollte in der Hölle
schmoren.
Geiz ist eine persönliche Sache. Ein
Mensch ist geizig oder nicht. Aber
Neid ist ein Verhalten. Man spürt
es, wenn jemand etwas neidet.
Daher ist Neid für mich um vieles
schlimmer. Ich hab das selbst
durch den Erfolg der Bank INGDiBa erlebt. In anderen Ländern
klopft man dir bei Erfolg auf die
Schulter. In Österreich passiert dir
das nicht wirklich. Im Gegenteil.
Hutter, Eckharter
WAS IST SCHLIMMER? GEIZ ODER NEID?
elite
DIE FALSCHE BRILLE
Reine Einstellungssache
Hat wirklich jeder dritte falsche Brillengläser? – dann ist der Skandal perfekt. Von CHRISTIAN W. MUCHA
E
s sollte ein toller, aufwändiger Cover und eine beeindruckende Werbekampagne werden: Für das
diesmalige elite und seine Titelgeschichte „Die
neidigsten Österreicher – Ich gönn’ Dir nix“ hatten wir uns ein tolles Styling überlegt, mit teurem Diamantschmuck von Juwelier Kornmesser, im edlen Outfit,
fotografiert in bester Innenstadtlage, vor dem Grand Hotel,
seitlich vor dem aufpolierten Rolls-Royce – so sollte das
Shooting ablaufen. Eine Königin der Schönheit, auch dem
Reichtum durchaus zugetan, sollte da stehen, umlagert von
Fotografen und Schaulustigen, die ihr die bösen Blicke des
Neides schicken. Eines der wichtigsten Accessoires dabei:
die richtige Brille. Also auf zu „TS Optik“, zu Thomas
Scheibl, einem Optikermeister, der über tausend Brillen
im Angebot hat und in dessen Regalen viele internationale
Top-Marken liegen.
Und dort erleben wir dann eine der größeren Überraschungen der letzten Jahre. Ich nutze die Gelegenheit, habe
Scheibl zwei Brillen von mir persönlich mitgebracht und
will mir aus seinem Sortiment eine neue Abendbrille aus-
38
elite
suchen. Denn meine Chanel ist schon ziemlich zerkratzt …
Scheibl lässt sich meine alten Brillen geben und setzt mich
vor den Computer, der die Sehstärke misst, schaut meine
Brillen an und verzieht das Gesicht. Dann begibt er sich zu
einem anderen Gerät und misst die Stärke meiner Gläser.
Jetzt merke ich, dass er einigermaßen böse wird. Was ist
geschehen?
Nach längeren Untersuchungen und einem zwanzigminütigen sogenannten subjektiven Test, wo ich dann die berühmte Übung „Erkennen Sie die Zahlen und Buchstaben“
machen muss, steht fest, dass ich seit eineinhalb Jahren mit
völlig falschen Brillen herumlaufe, und dass noch dazu
meine kurz hintereinander, bei verschiedenen Optikern erstandenen Gläser unterschiedliche Dioptrien-Zahlen und
einen unterschiedlichen Astigmatismuswert aufweisen. Ergebnis: Auf dem linken Auge habe ich etwa eine dreiviertel
Dioptrie weniger als das, was mir meine Brille bietet. Auf
dem rechten Auge ist meine Sehstärke gar um eine Dioptrie
besser als die der Brille. Dazu ist der Astigmatismus falsch
und zu allem Überdruss hat Scheibl ein verstecktes Schielen
OPTIKERMEISTER Thomas Scheibl – Ehefrau
EXAKT. Mit dem Scheitelbrechwertmesser
(Lensmeter) misst Thomas Scheibl die Werte
Sidonie hält sich im Hintergrund – ist umgeben
von tausend Fassungen und verliert die doch nie. (Dioptrien, Zylinder, Achse) der alten Gläser.
PERFEKT. Am Autorefraktometer wird die
entdeckt, das nur mit speziell konstruierten Prismengläsern reduziert werden kann.
Ist das die Erklärung, warum es mir
nicht mehr so leicht fällt, von Wien
nach Florenz durchzufahren? Warum ich schon nach zwei, drei Stunden
Autofahrt Ermüdungserscheinungen
zeige? Warum mein Kopfweh in den
letzten Jahren gestiegen ist? Warum
ich doppelt so viele Medikamente gegen vermeintliche Migräne einnehme,
warum ich immer wieder Nackenschmerzen habe? Scheibl nickt zustimmend. Man muss sich nur vorstellen,
dass man bei völlig perfekter Sehkraft
eine Brille verpasst bekommt, die eine
Dioptrie hat und einen falschen Astigmatismus. Und mit dieser vorgesetzten
Brille fährt nun ein gesunder Mensch
nach Salzburg. Der bekommt die Fraisen. Das ist äußerst unangenehm und
kontraproduktiv. Doch was danach
kommt, macht die Sache, wie wir
von elite meinen, erst so richtig zu einem Skandal. Denn vielleicht ist es ja
in meinem Fall den Veränderungen
durch die Alters-Weitsichtigkeit zuzuschreiben, vielleicht liegt es auch daran, dass ich schon seit bald drei Jahren
bei keinem Augenarzt mehr war und
vielleicht war ich bei der subjektiven
Prüfung nicht ganz auf der Höhe, habe
keine optimalen Angaben gemacht,
was es dem Optiker natürlich auch
nicht gerade leicht macht, die richtige
Brillenstärke zu eruieren.
Doch Scheibl gibt mir auf meine nächste Frage eine Antwort, die mich aus
den Socken jagt. Wie viele Menschen
oder gar nicht erst erkannt. Abhilfe
schaffen hier die neuen Computer, die
etwa auf 0,25 Dioptrien genau einen
blitzschnellen ersten Richt-Befund ausstellen. Doch diese Geräte dürfen z.B.
nicht für Kinder verwendet werden,
liefern dort kein brauchbares Ergebnis.
laufen denn auf der Straße mit falschen
Brillen herum, was schätzen Sie, frage
ich ihn? „Rund ein Drittel“, meint
Scheibl. Das kann nicht sein, einer
von drei Sehbehinderten hat um teures
Geld Brillen gekauft und die stimmen
dann nicht? Ich kann es nicht glauben
und besuche verschiedene Filialen von
Optikern. Dort gibt es ähnliche Auskünfte. Im Riverside in der Pearl-Filiale teilt mir ein Optiker mit, dass nach
seinem Erfahrungswert mindestens
15, wahrscheinlich über 20 Prozent
der Menschen falsche Brillen haben.
Hier muss man die Sache dahingehend
einschränken, dass eine geringe Abweichung vom objektiv richtigen Wert
nicht so dramatisch ist. Scheibl meint,
dass alles, was sich innerhalb eines Toleranzbereichs von weniger als 0,5 Dioptrien abspielt, kein gewaltiges Drama ist. Darüber hinausgehend wird es
freilich problematisch.
Hinter vorgehaltener Hand erzählen
mir Optiker dann, was die wahrhaftigen Gründe für diese Horrorzahl
sind: Im Diskontgeschäft bewegen
sich nicht nur gut ausgebildete und gut
bezahlte sogenannte Fachleute. Dort
geht es um jeden Cent. Dort wird geschleudert und gehuscht.
Falsche Brillen bekommt man, wenn
falsch gemessen wird, wenn zu viel
gehudelt wird, wenn es um den subjektiven Test geht. Es passieren Übertragungsfehler, aber auch die Gläserhersteller liefern nicht immer das, was
bei ihnen bestellt wurde. Komplizierte
Dinge, wie z.B. mein Schielen, werden
oftmals unter den Tisch fallen gelassen
optische Vermessung des Auges durchgeführt
– Daten liegen postwendend vor.
Fazit: Das was Herr und Frau Österreicher auf der Nase tragen, ist vielfach nicht nur Schrott, sondern gefährlicher Schrott, der das Leben nicht
erleichtert und verbessert, sondern
kontraproduktiv erschwert. Jeder von
uns kann sich dagegen wappnen, indem man eine Reihe von Punkten berücksichtigt: Erstens empfehlen wir,
niemals ausschließlich den subjektiven
Test zu machen. Gehen Sie zu einem
Optiker, der sich auch ein Computermessgerät leistet, das die Werte Ihrer
Augen ausdruckt. Dadurch haben Sie
etwas Schriftliches in der Hand. Zweitens: nur der ausgebildete Optiker
kann Ihnen helfen. Drittens: bei Fragen oder Problemen sollte man stets
den Augenarzt konsultieren. Viertens:
unbedingt wenigstens einmal alle
zwölf Monate die Brillen überprüfen,
besonders bei fortgeschrittenem Alter,
und: Wenn Sie sich nicht wohlfühlen,
wenn Sie Kopfschmerzen haben oder
wenn Sie auch nur das Gefühl haben,
dass Ihre Brille nicht passt, lassen Sie
diese doch nochmals überprüfen und
nehmen Sie sich für die Untersuchung
Zeit. Denn dort zehn Minuten zu sparen und dann das ganze nächste Jahr
eine falsche Brille zu tragen, lohnt sich
❦
wirklich nicht …
elite
39
elite
JAGD
Gesch(l)ossene
Gesellschaft
Wenn Männer und Frauen mit Gewehren durch den Wald schleichen, geht es um mehr, als 805.000 Tieren im Jahr den Garaus zu
machen. Eine konservative Wirtschaftselite stellt hier ihre interne
Rangordnung her. Realität oder Jägerlatein?
E
inst versorgte die Jagd die
Menschen mit dem Lebensnotwendigen; das erlegte
Tier lieferte Fleisch, Fell und
Knochen. Doch mit der Etablierung
des Feudalwesens im Fränkischen
Reich, etwa ab dem 9. Jahrhundert,
wurde die Jagd zu einer exklusiv
dem Adel vorbehaltenen Veranstaltung. Sie war fester Bestandteil der
mittelalterlichen und neuzeitlichen
Hofkultur: vornehmer Zeitvertreib
und Ausdruck elitären Selbstverständnisses. Das Jagdprivileg trennte
die Führungsschicht vom gemeinen
Volk. Das aristokratische Vorrecht,
bei der niederen Landbevölkerung
verhasst, entwickelte sich zur steten
Quelle sozialen Unmuts, zumal höfische Jagdgesellschaften zu Pferde oft
rücksichtslos die Äcker ihrer Untertanen zertrampelten. Doch erst mit
der Revolution von 1848/49 kam
der Wandel: Seitdem ist das Jagdrecht ans Grundeigentum geknüpft,
22
elite
ganz gleich, ob der Besitzer Bauer,
Bürger oder Aristokrat ist. Mehr als
46 Prozent der Fläche Österreichs
ist mit Wald bedeckt. Die 3,877.000
Hektar an Forstflächen befinden
sich fest in privater Hand: 82 Prozent der Waldfläche teilen sich mehr
als 214.000 Eigentümer, 18 Prozent
sind öffentliches Eigentum. Rund
1,6 Millionen Hektar werden von
mehr als 213.000 Bauern bewirtschaftet, während mehr als 1,7
Millionen Hektar im Eigentum von
Großgrundbesitzern stehen, die jeweils Forstgüter von mehr als 200
Hektar besitzen. Die Waldbesitzer
handeln überwiegend mit ererbtem
Vermögen. Das zeigt ein Blick auf
die Liste der größten heimischen
Forstbesitzer, die der Agrarverlag
alljährlich in seinem „Forst Jahrbuch“ herausgibt. Erst an 16. Stelle
(ohne Kirche!) findet sich mit Friedrich Flick ein nicht-adeliger Forstbesitzer. Die vorderen Ränge sind
hingegen schon seit Generationen
unverändert. So kommt es, dass
Österreichs größte Waldbesitzerin, Melinda Esterházy, mit 28.305
Hektar nur den zweiten Rang einnimmt, weil bei der Familie MayrMelnhof Franz mit 27.369 Hektar
zwar nur an die zweite Stelle käme,
zusammen mit Friedrichs mehr als
7.000 Hektar aber locker den ersten Rang erreicht. Die Liste liest sich
wie ein Who’s Who des Geldadels:
Fürstlich Schwarzenberg’sche Familienstiftung, Vaduz, Stiftung Fürst
Liechtenstein, Prinz Alfred von und
zu Liechtenstein, Flick Privatstiftung, die Familien Hoyos, Habsburg
Lothringen, Rothschild, Hohenberg, Graf Anton Philipp Revertera,
Philipp Hutter
Von RALF DZIOBLOWSKI
elite
JAGD
BAMBI darf nicht sterben: Rehe
müssen als Sündenböcke für
schießwütige Jäger herhalten.
Prinz Clemens von Croy, Gottfried
Johann und Ägyd Pengg, Philipp
Freiherr von und zu Guttenberg,
Franz Meran, Ulrich Stubenberg,
Georg Kapsch, Thomas Prinzhorn
und selbst Jörg Haider wird mit einem Forstbesitz von 1,277 Hektar
auf Platz 34 der Liste geführt. Wer
Forst besitzt, besitzt auch die größten Jagdflächen. Denn ganz Österreich ist ein einziges Jagdrevier, ein
wahres Eldorado. Nur zwei Prozent
des Staatsgebiets sind abschussfreie
Zone. Wer auf ihrem Land schießen
darf, bestimmen die Besitzer. „Das
ist ganz klar eine Demonstration des
Vermögens. Man kann damit diskret Leute einladen, die einem dann
etwas schulden, die eine Gegenein-
ladung aussprechen müssen“, sagt
Harald Katzmair, der in Wien und
New York das Netzwerkanalyseinstitut FAS.research betreibt. Die
Jagd schweißt zusammen. Gerade
Manager und Neureiche wollen oft
nur den schnellen Abschuss und die
möglichst große Trophäe – so wie in
ihrem richtigen Leben.
Geschossen wird auf alles. In der
Jagdstatistik 2009/2010 der Statistik Austria heißt es lapidar: Mit
insgesamt 805.000 wurden im Jagdjahr 2009/2010 um 16,7 % weniger Abschüsse getätigt als noch in
der letzten Saison, wobei die Zahl
der Abschüsse beim Haarwild um
14,4 % auf 597.000 Stück nach-
gab, beim Federwild um 22,8 auf
208.000 Stück. 14.230 Hirsche,
72.835 Rehkitze, 121.083 Hasen,
55.957 Füchse, 103.180 Fasane,
3.584 Schnepfen, 434 Auerhähne
und vieles andere Getier mehr ging
hinüber in die ewigen Jagdgründe.
Hochburg der Jäger ist das Ennstal. In den malerischen Wäldern
der Niedertauern haben einige
der reichsten Familien und Manager Österreichs Tausende Hektar
Grund gekauft oder gepachtet. „Die
Crème de la Crème der Wirtschaft,
alles, was Rang und Namen hat in
Österreich, geht hier jagen“, sagt
Wolfgang Hofer und meint damit
nicht das gesamte Ennstal, sondern
elite
23
elite
JAGD
DER MENSCH als Jäger und Sammler: Auf den Messen „Die Hohe Jagd & Fischerei“ und „Jaspowa & Fischerei“ tummeln sich 50.000 Grünröcke.
nur einen speziellen Flecken in einem südlichen Seitenarm nahe von
Irdning. Dort liegt, was er „das prestigeträchtigste Jagdgebiet Mitteleuropas“ nennt. Hofer ist Geschäftsführer der B&C Holding, einer
Beteiligungsgesellschaft der B&C
Privatstiftung, in der die Bank Austria unter anderem ihre Anteile an
dem Zelluloseproduzenten Lenzing,
dem Gummihersteller Semperit und
dem Baustoffkonzern Porr geparkt
hat. Fast 30 Jahre lang gehörte zu
diesem bunten Gemisch auch die
Alwa Güter- und Vermögensverwaltung, eines der größten zusammenhängenden Jagdgebiete des
Landes – insgesamt 23.000 Hektar
im Burgenland, in Niederösterreich,
Ungarn und der Steiermark. Deren
Filetstück sind die 11.000 Hektar im steirischen Ennstal, nahe der
1.200-Einwohner-Gemeinde Donnersbach, in der der Verwaltungssitz
der Alwa liegt. „Da jagt jeder gern,
auch wenn er vielleicht woanders
schon eine andere Jagd hat“, sagt
Hofer, der die Alwa in Jagdgebiete
eingeteilt hat. Die werden an jene,
die es sich leisten können und eine
Jagdkarte besitzen, verpachtet. In
den Achtzigern war das schon einmal Hannes Androsch, der ehemalige SPÖ-Finanzminister und heutige
Großindustrielle. Der schon damals
als „Salonsozialist“ kritisierte Ge-
24
elite
schäftsmann geht heute nicht mehr
jagen und will deswegen auch nicht
mehr darüber reden. Im November
2009 meldete das WirtschaftsBlatt,
dass die Wiener Familie Breiteneder
die Alwa für 125 Millionen Euro
erworben habe. Mit dem Bau von
Tiefgaragen ist der heute 80-jährige
Johann Breiteneder zu einem ansehnlichen Vermögen gekommen,
seine 40-jährige Tochter Bettina, die
„Parkhauskönigin“, ist begeisterte
Jägerin. Doch die Garagendynastie,
die 2003 das Wiener Einkaufscenter
Donauzentrum um 270 Millionen
Euro verkaufte, dementierte. Zugeschlagen hatte überraschenderweise
der deutsche Boehringer IngelheimAktionär Ernst Wilhelm von Baumbach, der die Flick-Stiftung mit 120
Millionen ausgestochen hatte.
Das Geschäft mit der Jagd hat einen beträchtlichen wirtschaftlichen
Stellenwert – gerade in Österreich.
Der Gesamtumsatz, der dadurch
im Jahre 2008 generiert wurde, beläuft sich auf 475 Millionen Euro.
So wurden für Jagdpacht und Abschussgebühren 54 Millionen, für
Jagdkarten und Jagdgebühren sowie
Versicherungen 26 Millionen, für
Wildbret 28 Millionen, für Löhne
und Gehälter der Berufsjäger, Jagdaufsichtsorgane und Beschäftigten
im Jagdwesen 199 Millionen, für
Biotoppflegemaßnahmen 36 Millionen, für Jagdwaffen, Jagdoptik,
Munition, Brauchtum, Bekleidung
und Weiterbildung 132 Millionen
ausgegeben. Dennoch sagt Martin
Fehringer, Leiter Verkauf beim traditionsreichen Jagdgewehrhersteller
Steyr Mannlicher: „Wir sind keine
schießwütige Gesellschaft. Der Jäger in Österreich feuere im Durchschnitt nicht mehr als 20 Schuss pro
Jahr ab. Das Führen mit einer Waffe,
der „Braut des Jägers“, sei eine Charakterfrage und unterliege zurecht
strengen gesetzlichen Auflagen. Der
Spruch, „Wer etwas auf sich hält,
hat eine Yacht und eine Pacht“, gilt
auch für ihn nicht. „Der überwiegende Teil der Jäger in Niederösterreich sind Menschen mit Affinität
zur Landwirtschaft, die in den Genossenschaftsjagden und Gemeindejagden des Landes ihrem Hobby
nachgehen. Die Jägerei ist kein elitärer Sport. Jagd ist eine Passion“.
Für diese Leidenschaft bietet der
Premiumhersteller in 60 Ländern
Präzisionsgewehre – der Durchschnittsjäger hat drei Silberbüchsen
im Gewehrschrank – von 1.500 bis
feinziselierte Exemplare mit High
Tech-Optik um 100.000 Euro an.
Die Jagd ist ein Mordsspaß.
Konnten die Waidmänner in „Auf,
auf zum fröhlichen Jagen“ noch
elite
JAGD
fröhlich schmettern: „Das edle Jägerleben vergnüget meine Brust,
dem Wilde nachzustreifen, ist meine höchste Lust. Wo Reh und Hirsche springen, wo Rohr und Büchse
knallt, wo Jägerhörner klingen, da
ist mein Aufenthalt“ haben es Jäger
heute nicht leicht. Gar lustig ist die
Jägerei schon lange nicht mehr, denn
sie steht in der Kritik. Militante
Tierschützer fordern enerviert, dass
der blutige Krieg in unserer „Restnatur“ abgeschafft werden müsse:
„Seit Jahren will die Jägerschaft
die Öffentlichkeit glauben machen,
Jagd sei „bewaffneter Naturschutz“
und als solcher unverzichtbar“, so
ihr Credo. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass eine „Besitzstandsregulierung“ durch die Jagd überflüssig
ist. Während in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts
Deutschlands Altbundespräsident
Prof. Theodor Heuss konstatierte:
„Die Jägerei ist eine Nebenform
menschlicher Geisteskrankheit“,
heißt es im österreichischen Magazin DATUM: „Die Jagd war noch
nie nur dazu da, sich den Bauch mit
Hasenbraten, Rehrücken oder Fasanfilets vollzuschlagen. Sie ist der
kleinste gemeinsame Nenner einer
stockkonservativen Wirtschaftselite.“ Wer da dabei sein wolle,
der gehe jagen. „Das sagt auch der
Wiener Soziologe Roland Girtler,
der sich seit Jahrzehnten mit dem
Biotop Jagdgesellschaft beschäftigt:
„Die alte Tradition der Jagd als eine
Sache der noblen Leute hat sich bis
heute in die Managerriegen hinein
gehalten.“ Den exklusiven Habitus lässt Hans-Friedemann Zedka,
Chefredakteur von „Weidwerk“, indes nicht gelten und verweist auf das
Profil der 110.000 österreichischen
Grünröcke (darunter 6-8 Prozent
Frauen), die schwer bewaffnet die
Wald und Flur durchstreifen oder
im Hinterhalt auf Hochsitzen lauern: 30 Prozent sind Landwirte und
Forstwirte, 36 Prozent Angestellte,
unselbständige Erwerbstätige und
Arbeiter, 25 Prozent Selbständige,
9 Prozent Jagd- und Forstpersonal.
Jäger stellen nur 1,5 Prozent (zum
Vergleich in Deutschland 0,3) der
Bevölkerung und beherrschen trotzdem fast die gesamte Natur. Das
Faszinierende sei, „wenn man die
Auswüchse mal weglässt, die es in
jeder Berufssparte gibt, dass man als
Jäger die Verantwortung für einen
kleinen Teil der Natur übertragen
bekommt und zwar mit sehr genau
vorgegebenen Regeln, wie Jagd- und
Naturschutzgesetzen, die dennoch
eine Bandbreite an Spielraum für
gestalterische Tätigkeiten lassen.
Wenn man durch die Jahre hinweg
diese Bewirtschaftung durchgeführt
hat, dann darf man sich durchaus über eine Trophäe, einen alten
Hirsch, einen Rehbock oder eine
Sau freuen und sagen, das habe ich
in meinem Revier erlegt. Das ist ein
Selbstverständnis, das wir für uns
beanspruchen“, meint Zedka.
Jäger genießen die Freiheit: Kein
Assistent, der mit wichtigen Papieren in der Hand durch die Bürotür
stürmt, kein Handy, das unaufhörlich klingelt, keine hereintrudelnden E-Mails. Die Jagd als Ausrede,
nicht erreichbar zu sein. Mächtig
sind die, die es nicht notwendig
haben, antworten zu müssen. „Bei
der Jagd trifft man sich, da geht
man eben einem noblen Abenteuer nach. Körperliche Arbeit ist für
noble Menschen nur interessant,
wenn sie sinnlos und sauteuer ist.
Sie darf nicht dem eigenen Broterwerb dienen,“ analysiert der Soziologe Girtler die Psyche des Jägers.
Wer in Österreich jagen geht, ist
geheim. Die Namen im Jagdregister fallen unter den Datenschutz.
Doch viele verbergen gar nicht,
dass sie durch den Wald pirschen:
Finanzministerin Maria Fekter gehört genauso dazu wie ihr Parteifreund, der niederösterreichische
Landeshauptmann Erwin Pröll.
Der Kartonagenfabrikant Friedrich Mayr-Melnhof war sogar
Salzburger Landesjä
TROPHÄEN, die in keinen Schrank
passen. Für den Abschuss eines Bären
zahlen Jäger bis zu 50.000 Euro.
❜
Wir sind keine
schießwütige Gesellschaft. Der Jäger in
Österreich feuert im
Durchschnitt nicht
mehr als 20 Schuss
pro Jahr ab.
Martin Fehringer,
Steyr-Mannlicher
elite
25
elite
INTERVIEW
ÖK-Rat Dr. Christian Konrad setzt sich für
die waidgerechte Jagd ein.
germeister, genauso wie es der Aufsichtsratspräsident der Raiffeisen
Zentralbank, Christian Konrad, es
heute in Niederösterreich ist. Als
Aufsichtsratspräsident der Raiffeisen Zentralbank ist er aufgrund der
unzähligen Firmenbeteiligungen in
Industrie, Agrarwirtschaft und Medien einer der mächtigsten Männer
im Land. Die weithin prominenteste Diana ist die ehemalige ORF-Generaldirektorin Monika Lindner,
die erzählt, wie sie zur Jagd kam:
„Ausgehend davon, dass ich vor
fast 20 Jahren mit meinem Mann
ein Haus im Wald in der Nähe von
Gutenstein gekauft habe und direkt
mit der Natur in Berührung gekommen bin. Es hat plötzlich geröhrt:
das hat mich auf der einen Seite erschreckt, auf der anderen Seite sehr
fasziniert. Da hab ich mir gedacht,
entweder fürcht’ ich mich weiter
oder ich beginne, mich mit der Sache auseinanderzusetzen. Und hab
dann den Jagdkurs belegt.“ Das
erste, was eine Jägerin können müsse, sei eine tadellose Schussleistung.
„Das ist das Allerwichtigste. Und
von daher sind wir vom Landesjagdverband unter Vorsitz von Dr.
Konrad sehr dahinter, dass es ein
26
elite
dunkelte, wurde Nacht. Ich verlor
den Weg. Geriet in einen Sumpf und
sank. Ich schrie um Hilfe, niemand
hörte mich.“ – „Und wie kamen
Sie wieder heraus?“, fragte die Zuhörerin erbleichend. – „Gar nicht.
Ich ertrank.“ Wie lustig die Jägerei aus Sicht der Tiere ist, versteht
wohl nur Dr. Dolittle. Der Wiener
Dirigent Martin Sieghart: „Musik
ist meine Sucht, Jagen mein Ausgleich.“ Kritik müsse man akzeptieren. „Denn Jagd hat mit Töten zu
tun. Und das darf niemals ein Sport
sein, es ist eine verdammt große
Verantwortung. Jagen ist sicher die
humanste Art der Fleischbeschaffung. Die Tiere hören den Schuss im
Idealfall nicht einmal mehr. Solange
man es verantwortungsvoll macht
und nicht aus 400 Metern des Jagdfiebers wegen schießt.“ „Fleisch ist
bei der Jagd heute leider ein Nebenprodukt“, sagt Zedka. „Sie können
in manchen Gegenden 15.000 Euro
dafür verlangen, wenn jemand einen erstklassigen Hirsch in Ihrem
Gebiet schießen will. Das Wildbret
können Sie dann um gerade einmal 150 Euro an den Großhändler
verkaufen.“ Um einen wirtschaftlichen Profit geht es also nicht. Aber,
um was dann?
Die „Farm der Tiere“ von George
Orwell brachte es der Eber Napoleon auf den Punkt: „Vier Beine
gut, zwei Beine schlecht. Jäger haben Angst, dass man ihnen selbst
den Garaus macht. Man stelle sich
vor, irgendwann steht im Naturhistorischen Museum in einer Vitrine
gleich einem Dodo ein ausgestopftes Objekt. Betitelt: Der letzte Jäger. Einkehrschwung zu einem versöhnlichen Ende: Jäger sind sicher
nicht die besten, gewiss aber auch
nicht die schlechtesten Menschen.
Gleichwohl auf Platz 20 der größten Schurken aller Zeiten – sorry,
seit Kurzem einen Platz vorgerückt
– der Mörder von Bambis Mutter
rangiert. Das werde ich ihm niemals
❦
verzeihen, diesem Schuft.
Roznovsky
ÄMTER UND TROPHÄEN: Raiffeisen-Chef
alle drei Jahre zu wiederholendes
Pflichtübungsschießen gibt, um die
Schussleistung zu überprüfen.“ In
ihrem Schrank stehen zwei Repetierer verschiedenen Kalibers und eine
Schrotflinte – die Grundausstattung
eben. Glühend berichtet sie von ihrer größten Trophäe: „Es war ein
Steinbock. Es war ein unglaublich
spannendes Erlebnis, weil es sehr
herausfordernd und anstrengend
war. Das passiert einem nur einmal
im Leben, wenn überhaupt.“ Für
den niederösterreichischen Landesjägermeister Christian Konrad ist
das Jagen „eine Leidenschaft, die
ich von meinem Vater geerbt habe.“
Er bedauert, dass er nicht mehr als
zwei Dutzend Mal im Jahr Zeit hat,
ein paar Tage nach seinem Revier
zu sehen. Irgendwo in Donaunähe
pachtet er auch „bescheidene“
160 Hektar, wo er besonders gerne Wildschweine jagt. Er sei einer,
dem es beim Jagen wirklich nur um
die Sache gehe, das Gerede von einem Mauschelnetzwerk sei ohnehin nicht wahr. „Ich brauche meine
Jagdkarte nicht für Cocktailpartys
– was bei manchen anderen der Fall
sein mag –, sondern aus meinem
Interesse für die Natur.“
Jäger sind skurril und alles muss
standesgemäß sein, heißt es gemeinhin und weitläufig. Und bisweilen streifen sie gar mit einem
Luder durch den Wald, was nichts
mit einer Frau, die einem promisken Lebensstil führt, zu tun hat,
sondern ein totes Tier zum Anlocken ist. Waidmänner trinken nicht
nur Hubertus-Bier, sondern haben
auch ihre eigene Sprache und einen hervorstechenden Humor. Das
mit dem Feste feiern sei allerdings
„stark übertrieben“, so Lindner.
„Davon ist keine Rede. Nach der
Jagd, da hält sich das Feiern in
Grenzen, da ist mancher Kegelclub
besser drauf.“ Eine Kostprobe „Jägerlatein“ gefällig? „Einmal, im
letzten Herbst“, erzählte der Jäger,
„folgte ich einem herrlichen Stück
Rotwild. Ich vergaß die Zeit, es
elite
INTERVIEW
Herr Dr. Konrad, was macht das
Faszinosum Jagd aus?
Jeder Mensch jagt nach irgendetwas. Die waidgerechte Jagd auf
Wildtiere in unserem Land hat –
also für mich – das Faszinierende im
Erleben der Natur, in der Ruhe, in
der Beobachtung, im Abwarten, im
Sortieren des Wildes – also, was alle
Altersklassen angeht. Die Statur des
Wildes, die ausreichende Anzahl des
Wildes, der verschiedenen Arten frei
lebender Wildtiere. Und da gehört
natürlich auch dazu, wenn man die
Erkenntnis hat, dass ein Stück reif
ist und man es schießen kann, auch
dieser Moment ist bei der Jagd dabei, also es gibt sehr viel emotionale, aber auch rationale Zugänge zur
Jagd. Ich bin durch meinen Vater
zur Jagd gekommen und habe immer wieder herrliche Erlebnisse mit
Freunden bei der Jagd.
Autorennfahrern sagt man nach,
sie hätten Benzin im Blut, was fließt
durch die Adern eines Jägers?
Es kann sein, ein bisschen. Jedenfalls bei mir war es so, und alle, die
das nicht geerbt haben, die die Jagd
ausüben, weil es vielleicht chic oder
gesellschaftsfähig wäre, denen rate
ich davon ab. Wenn man keine innere Beziehung zur Ausübung der
Jagd hat, wenn man das als bloßes
Hobby begreift, das ist es nicht.
Jagd ist Verantwortung in der Natur, für die Natur – und Jagd muss
immer auch mit Leidenschaft verbunden sein, sonst funktioniert sie
nicht.
Kein Hobby?
Das Wichtigste ist, dass es ein verantwortungsvoller Umgang mit der
Natur ist.
Wie schafft man es, junge Menschen
für die Jagd zu begeistern?
Entweder familiär oder das Beispiel
von Freunden. Und ich habe auch
ein paar junge Kollegen, die Kinder
von Freunden, die sich sehr dafür
interessieren, denen habe ich die
Möglichkeit eröffnet, einmal mitzugehen, sich das anzuschauen, und
wenn sie dann dabei bleiben, dann
Im Interview: Jagd-Guru C. Konrad
WAIDMANNS HEIL,
WAIDMANNS DANK:
Landesjägermeister Dr. Christian
Konrad (r.) ist die Galionsfigur der
heimischen Jägerei. Unser Foto zeigt
ihn mit Umweltminister Niki Berlakovich.
helfe ich ihnen gerne und führe sie
weiter ein.
Es gibt nun auch Menschen, die stellen Jäger an den Pranger.
Es gibt ja auch Missbildungen bei
der Jagd. Die Jäger sind Menschen,
da gibt es solche und solche. Aber
ich glaube, dass man die Jagd auch
heute im 21. Jahrhundert erklären
kann: die wirklichen Aufgaben der
Durchführung der waidgerechten Jagd. Wenn die Menschen sich
die Zeit nehmen, zuzuhören, dann
kann man erklären, welche Auswirkungen und welchen Nutzen
die Jagd auf die Gesellschaft und
den einzelnen Menschen hat. Niederösterreich ist eines der wenigen
Länder in Mitteleuropa, in dem
sie, wenn sie am Morgen oder am
Abend über die Landstraße fahren,
an den Waldrändern oder an den
Feldern noch Wild sehen können:
Rehe, Fasane, Hasen, Wildenten,
da gibt es manches Mal auch Rebhühner. Und es gibt nicht viele Länder oder Landstriche in Europa, wo
man das sehen kann.
Was sagen Sie zu dem Einwand, Jä-
gerei sei nur etwas für Betuchte?
Das stimmt ganz einfach nicht. Die
Jagd ist seit fast 200 Jahren demokratisiert, es sind viel mehr Durchschnittsbürger Jäger als ein paar Betuchte, aber die fallen halt mehr auf.
Und die haben mehr Öffentlichkeit,
das stimmt schon, aber das ist nicht
der Sinn der Jagd.
Was war ihre größte Jagdtrophäe?
Ich messe meine Trophäen nicht
nach Punkten, messe sie auch nicht
nach Gewicht, sondern nach dem Erlebnis, das ich dabei habe. Ich habe
einmal einen alten Rehbock jahrelang gejagt, bis ich ihn dann endlich
erlegen konnte und da war er schon
ganz klein, zurückgebildet die Trophäe, aber mit der habe ich viel mehr
Freude, weil ich viel mehr Erfolg damit verbinde als mit einer prachtvollen Trophäe, die man als Gast irgendwo vorbereitet bekommt.
Haben Sie schon einmal an einer Safari teilgenommen?
Nein, das ist etwas gänzlich anderes,
eine Safari habe ich noch nicht unternommen.
Danke für das Gespräch.
❦
elite
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SANFTE METHODEN
126
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SANFTE METHODEN
DIE REINSTE PIEK-SHOW
Ein Tabuthema wird salonfähig: Botox & Co
mutieren gleichsam zum Prestigeobjekt.
Ohne Messers Schneide
Perfekte Körper und makellose Gesichter: Ein seltenes Naturphänomen. Und doch sind sie
tagtäglich in den Medien zu bewundern. Nicht nur Skalpell sei Dank – denn die ästhetische Medizin hat zahlreiche Tricks auf Lager.
Von VERENA PLANK
istock
E
ine mimik-lose Gwyneth Paltrow Marke Botox oder Meg Ryan mit multiplem Schmollmund: Derlei Bilder kursieren zuhauf im Internet und finden
in Vorher-Nachher-Manier Niederschlag in
Society- und Beauty-Magazinen. Die Hochglanzschönen einmal nicht perfekt zu sehen
(möglichst garniert mit hämetriefenden Kommentaren), tut einfach gut. Es raubt ihnen den
göttlichen Anstrich unerreichbarer Makellosigkeit. Und zeigt, dass selbst Beauty-Ikonen
zu optischen Hilfsmaßnahmen greifen.
Die Rede ist dabei nicht nur von den Trickkisten der Visagisten: Lifting, Fettabsaugen, Botox oder Nasenkorrekturen haben längst Einzug in die Alltagskommunikation gehalten.
Und stehen auf vielen Wunschzetteln. Nicht
zuletzt die mediale Präsenz von Beauty-Tuning
sorgt dafür, dass Eingriffe enttabuisiert und
sogar salonfähig werden.
Für jene, die nicht der Natur-pur-Fraktion angehören, zählen vor allem zwei Aspekte: Geld
und Risiko. In beiden Fällen hat die nicht-operative ästhetische Medizin gegenüber der sogenannten Schönheitschirurgie die Nase vorn.
Zwar lassen sich klarerweise nicht alle unliebsamen Makel (etwa eine zu kleine Oberweite)
mit Spritzen, Peeling oder Laser behandeln,
doch für viele gibt es bereits softe Alternativen.
Ganz. Schön. Riskant. Rund 40.000 Eingriffe
werden laut Austrian Standards Institute (ASI)
in Österreich jährlich im plastisch-ästhetischen
Bereich durchgeführt – Tendenz steigend. Ganz
oben auf der Hitliste der chirurgischen Eingriffe
stehen Fettabsaugungen, beliebt sind auch
elite
127
elite
SANFTE METHODEN
Brustvergrößerungen, Bauchdeckenstraffungen oder Nasenkorrekturen.
Nicht nur die Medien-Berichte
über all die Schönen, die „etwas machen lassen“ reduzieren
die Hemmungen. Botox-Partys,
Schönheits-OPs im schicken Hotel
(wie z.B. im Royal Spa Kitzbühel)
oder auch die Verlosung selbiger
per Telefon-Gewinnspiel nehmen
den Eingriffen ihren Schrecken.
Eine bedenkliche Entwicklung
in den Augen seriöser Mediziner.
Vor allem der Marketinggag mit
der Verlosung – eine gemeinsame
Aktion von Schönheitschirurg
Artur Worseg und Radio Energy
– sorgte für Rumoren in der Fachwelt. Man sei „erschüttert“ über
solche Maßnahmen, „nur um in
die Medien zu gelangen“, meinte
Rechtsanwalt Harald Redl, Vorstand der Österreichischen Plattform für Kosmetische Chirurgie
(ÖPKC). Die Verlosung berge
die Gefahr einer leichtfertigen
Entscheidung und sei ethisch „in
höchstem Maße fragwürdig“.
Graubereiche. Generell wird der
HAU(P)TSACHE VERTRAUEN.
Eingehende Beratung beim
Spezialisten ist auch bei sanften Methoden
ein Muss – und ein Zeichen der Seriosität.
128
elite
Ruf nach einer klareren Regelung
im Bereich ästhetische Chirurgie
immer lauter. Beschwerden wegen misslungener Behandlungen
trudeln regelmäßig bei Patientenanwälten ein, von unschönen
Narben über Unverträglichkeiten
bis hin zu Infektionen kann vieles schief gehen. Faktum ist: Jede
Operation ist mit Risiken verbunden – wer sich beispielsweise
wegen einer Brustvergrößerung,
die aus medizinischer Sicht nicht
notwendig ist, unters Messer legt,
muss sich dessen bewusst sein.
Doch die laxen Vorschriften im
Bereich der Schönheitsoperationen erhöhen die Gefahr noch.
„Schönheitschirurg“ oder „ästhetischer Chirurg“ darf sich im Prinzip jeder Arzt nennen, da es sich
um kein definiertes Fachgebiet
handelt. Ein Experten-Komitee er-
arbeitet daher derzeit eine Norm
für ästhetische Chirurgie, um
Klarheit in die „Graubereiche des
boomenden Marktes“ zu bringen,
so Komitee-Leiter Dr. Karl Grün.
Sanfte Methoden liegen im
Trend. Das bestätigt auch Dr.
Greta Nehrer, die 2010 eine Ordinations-Außenstelle im Royal
Spa Kitzbühel eröffnete. „Dies
liegt vor allem daran, weil bereits
nach einer kurzen Zeit eine Rückkehr ins Berufsleben möglich ist“,
meint die Schönheitschirurgin.
Zudem sind Risiko und finanzielle Belastung bei nicht-operativen
ästhetischen Maßnahmen tendenziell geringer. Dazu zählen u.a. Behandlungen mit Botox, Faltenunterspritzungen mit verschiedenen
Füllmaterialien (z.B. Hyaluronsäure), Fruchtsäure- oder chemische Peelings, Dermabrasion oder
Laserbehandlungen.
Wer etwa seine Falten loswerden
möchte, muss sich nicht zwangsläufig einem chirurgischen Lifting
(Kosten je nach Aufwand ab ca.
2.500 bis zu 15.000 Euro) unterziehen. Als schnittfreie Alternative hat sich die Thermage einen
Namen gemacht. Dabei kommen
hochfrequente Radiowellen zum
Einsatz, die durch Hitze einen
sanften Lifting-Effekt herbeiführen. Die Methode, zu deren Fans
Talk-Queen Oprah Winfrey oder
Topmodel Linda Evangelista gehören, verspricht straffere Haut,
sichtbare Hautverjüngung und
Faltenglättung. Kostenpunkt: Im
Schnitt zwischen 1.200 und 3.500
Euro.
Auch die Unterspritzung mit
Hyaluronsäure (einem körpereigenen Bestandteil, der in der ästhetischen Medizin in Gel-Form
zur Anwendung kommt) wird
häufig im Kampf gegen Falten
eingesetzt. Mit ihrer Hilfe wird
Zornes- oder Dekolletee-Falten
zu Leibe gerückt, ebenso möglich
sind u.a. das Auffüllen von Au-
elite
SANFTE METHODEN
genringen, Lippenmodellierung
oder sogar Penisvergrößerung – je
nach körperlichen Voraussetzungen, versteht sich. Hyaluronsäure
soll wachstumsfördernd auf Zellen wirken und eine Neubildung
von Kollagenfasern auslösen.
Der Effekt: Wird beispielsweise eine Nasolabialfalte einmal
damit behandelt, wird sie selbst
nach vollständigem Abbau der
Hyaluronsäure nicht wieder die
ursprüngliche Tiefe erreichen. Die
Behandlung kostet im Schnitt ab
350 Euro pro Ampulle. Etwas teurer ist die Penisvergrößerung (ca.
1500 Euro).
Sehr beliebt – aber auch immer
wieder diskutiert – ist die ästhetische Behandlung mit Botox.
Ab rund 200 Euro pro Behandlung geht es damit den Falten an
den Kragen. Botox wird direkt in
den Muskel injiziert (der durch
zu starke Kontraktion eine Falte
verursacht). Der Wirkstoff Botulinumtoxin A hemmt die Übertragung von Nervensignalen an den
Muskel, der sich somit entspannt.
Botox wird auch zur Behandlung
von übermäßigem Schwitzen eingesetzt. Immer wieder wurde und
wird Botox kritisiert: Maskenhafte Gesichter oder sogar verminderte Gehirnleistung wurden dem
Präparat angelastet. Experten
wehren sich gegen diese Angriffe:
Immer vorausgesetzt, dass richtig
dosiert werde, sind die Nebenwirkungen gering, Langzeitwirkungen seien keine bekannt.
Ein umfassendes Spektrum bietet
der Bereich der Laser-Behandlungen: Mit dem Fractionallaser können etwa Augen- und Mundfältchen oder ein schlaffes Dekolletee
behandelt werden, ein Farbstofflaser eignet sich für Pigmentflecken, der Diodenlaser im Kampf
gegen Couperose oder lästige
Härchen (zumindest für dunkle)
usw. Auch bei Tätowierungen,
Dehnungsstreifen oder den verhassten Besenreisern kann eine
Laserbehandlung Abhilfe schaffen. In punkto Kosten gibt es entsprechend der breit gefächerten
Möglichkeiten ebenfalls eine große Spannweite: Von durchschnittlich unter 100 Euro (z.B. Entfernung erweiterter Äderchen) bis
über 1.000 Euro. Bei Tätowierungen wird der Preis zum Teil nach
Quadratzentimetern berechnet.
Vorsicht: Softe Methoden bedeuten nicht, dass es dabei nichts zu
beachten gibt. Wer Risiken und
Nebenwirkungen gering halten
will, fragt seinen Schönheitsdoc.
Ist dieser kompetent und seriös,
wird er eine Behandlung ohnehin nicht ohne eingehendes Beratungsgespräch durchführen.
Dann erst wird spruchreif, welche
Methode bzw. welches Präparat
sich am besten eignet, wann der
richtige Zeitpunkt dafür ist und
was nach der Behandlung zu beachten ist – um die Sache zu einem
schönen Ende zu bringen.
❦
NERVENSACHE.
Stark gefragt und heiß umstritten: BotoxBehandlungen wurde sogar eine negative
Auswirkung auf das Gehirn nachgesagt –
Experten dementieren derlei Nebenwirkungen.
Top Five ohne Skalpell
Der Wirkstoff Botulinumtoxin A wird z.B. zur Behandlung von Stirnfalten, Krähenfüßen und Zornesfalten eingesetzt. Das bekannteste Präparat, das zum Synonym für diese Art von Behandlung wurde, ist BOTOX. Eine Auffrischung ist etwa
alle 6-9 Monate nötig. Eine Verschönerung der Hautoberfläche wird mit dem
CHEMICAL PEEL erreicht: Unregelmäßigkeiten und Alterserscheinungen werden durch eine Ablösung von Hautschichten entfernt. Eingesetzt werden dafür
ätzende Substanzen wie Fruchtsäure (leicht), Trichloressigsäure (mittel) und Phenol (tiefes Peeling). Zur FALTENUNTERSPRITZUNG mit Füllmaterialien werden
aufpolsternde Substanzen (z.B. Hyaluronsäure-, Kollagen-, Milchsäurepräparate)
verwendet. Eine Auffrischung wird gewöhnlich nach 6-12 Monaten nötig. LASER
wird u.a. zur Behandlung von Rötungen oder erweiterten Äderchen, zur Haaroder Tattoo-Entfernung oder gegen Pigmentflecken eingesetzt, aber auch zur
Fältchenreduktion. Laserbehandlungen sollten idealerweise im Winter durchgeführt werden. Die sanfte Alternative zum chirurgischen Lifting ist die THERMAGE
(Thermalift). Die unteren Hautschichten werden durch hochfrequente Energie
erhitzt. Studien zufolge hält der Verjüngungseffekt fünf bis sieben Jahre an.
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INTERVIEW
❜
Die Zusatzausbildung
für ästhetische Medizin
ist meiner Ansicht nach
vom Gesetzgeber nicht
ausreichend geregelt.
Voraussetzung sollte sein,
dass von jenem Bereich
bzw. Organ, mit dem
ich mich beschäftige,
eine profunde Kenntnis
vorhanden ist.
❜
130
Wenn man einen
Porsche kauft und es
tritt ein Problem auf,
bringt man ihn in
eine Porsche-Werkstatt
– und nicht nach
Ungarn zu einem billigen Bastler. Seltsamerweise tun manche
aber genau das mit
ihrem Gesicht.
elite
Herr Dr. Palatin, Sie sind Dermatologe
und haben sich auf kosmetische Korrekturen spezialisiert.
Wir bezeichnen das als Spezialisierung
auf das ästhetische Fach. Eine Korrektur würde bedeuten, dass etwas nicht in
Ordnung ist – davon gehe ich nicht aus.
Meine Philosophie zielt nicht darauf
ab, Menschen zu verändern, sondern
sie in einem optimalen Zustand zu halten. Oberstes Gebot ist die Sanftheit.
Was heißt das genau?
Wir haben in der ästhetischen Medizin
eine besondere Situation: Mir sitzt, im
Gegensatz zu anderen Fächern, ein gesunder Mensch gegenüber. Das Wort
Patient kommt vom lateinischen patio, das heißt: Ich leide. Der ästhetische
Patient leidet nicht. Er ist nicht krank,
sondern möchte eine Verbesserung seiner Lebenssituation. Meine Aufgabe
ist es, diesen Wunsch zu erfüllen – und
zwar so behutsam, dass aus dem gesunden Menschen kein kranker wird.
Haben Sie auch männliche Patienten?
Frauen sind nach wie vor in der Mehrheit, aber der Trend zeigt bei Männern
eindeutig nach oben. Ungefähr 30 Prozent meiner Patienten sind männlich.
Ist es schon vorgekommen, dass Sie
eine Behandlung abgelehnt haben?
Das ist leider das, was ich am häufigsten mache. Die Hohe Schule unseres
Fachs ist das Nein-Sagen. Sicherlich
bin ich auch an meinem ökonomischen
Erfolg interessiert. Aber zufriedene
Patienten sind die treuesten Patienten.
Meine Patienten sollen sich nach einer
Dr. Palatin
Ästhetik-Experte und Dermatologe Dr. Michael Palatin im elite-Interview über die hohe Kunst des Nein-Sagens, falsche Versprechungen
der Kosmetik-Industrie und warum er von Medizin-Tourismus nichts hält.
elite
INTERVIEW
Behandlung bei mir nicht der Diskussion aussetzen müssen, ob das eine
gute oder eine schlechte Idee war.
Ästhetische Medizin ist in den Medien sehr präsent. Ein ehemaliges TabuThema scheint salonfähig zu werden.
Es wird sogar zum Prestige-Objekt.
Die furchtbare Entwicklung in dieser
Branche ist folgende: Die Patienten
werden durch Medien über diverse
Möglichkeiten informiert, entwickeln Bedürfnisse und meinen dann,
sie könnten wie in einem Supermarkt
aussuchen, was sie gerne hätten. Dabei sind sie völlig ahnungslos. Eine
noch häufigere Triebfeder ist, dass
man bei jemand anderem eine Verbesserung durch eine Behandlung sieht.
Und dann genau dasselbe will. Das
ist selten sinnvoll, denn jeder Mensch
hat eine andere Konstellation. Das
Schlimmste, was den meisten Patienten passieren könnte, ist, dass man
ihnen exakt ihre Wünsche erfüllt.
Man kennt Hyaluronsäure & Co
auch von Beauty-Produkten. Naiv
gefragt: Warum soll ich viel Geld für
eine Behandlung ausgeben, anstatt
mir einfach eine Creme mit diesem
Bestandteil zu kaufen?
Wenn eine Creme könnte, was ich
kann, wäre ich arbeitslos. Selbstverständlich würden die meisten Patienten lieber eine Creme auftragen
als sich der ökonomischen und körperlichen Belastung einer ärztlichen
Behandlung auszusetzen. Was die
kosmetische Industrie da verspricht,
ist nicht wahr. Es gibt – zum Glück
– sehr straffe Vorschriften, was eine
Creme beinhalten und bewirken darf.
Wenn man sich die EU-weite Kosmetikverordnung, die sich auch mit
der amerikanischen oder asiatischen
weitgehend deckt, durchliest, muss
man über solche Werbung lächeln.
Weshalb?
Weil da im Klartext steht, dass in einer
Creme nichts enthalten sein darf, das
wirkt. Das hat einen guten Grund:
Der Konsument darf sie selbst auswählen. Hätte eine Creme eine starke
Wirkung – die auch immer mit Nebenwirkungen verbunden ist –, dann
müsste ein Fachmann entscheiden,
ob das Produkt geeignet ist. Was der
Gesetzgeber der kosmetischen Industrie aber freistellt, ist die Gestaltung
der Werbung. Tatsache ist: Nur ganz
wenige Substanzen können über die
Haut in den Organismus penetrieren.
Deshalb ist es illusorisch, sich von
am freien Markt erhältlichen Cremes
große Wunder zu erwarten.
Kliniken im osteuropäischen Ausland
werben mit bis zu 70 Prozent billigeren Behandlungen als in Österreich.
Sehen Sie das als Bedrohung?
Für mich persönlich nicht. Ich halte
aber wenig von Medizin-Tourismus.
Idealerweise kann ein Patient ein gutes Verhältnis zu einem Arzt aufbauen. Das ist schwierig, wenn er weit
weg ist. Ebenso verhält es sich mit
Nachgesprächen. Ich halte es auch
für keine gute Idee, nach einem (größeren) Eingriff zu reisen.
Woran erkenne ich als Patient, ob ich
mich in seriösen Händen befinde oder
an einen Scharlatan geraten bin?
Das ist schwierig. Allerdings wundere
ich mich manchmal über eine gewisse Naivität von Patienten. Wenn man
einen Porsche kauft und es tritt ein
Problem auf, bringt man ihn in eine
Porsche-Werkstatt – und nicht nach
Ungarn zu einem billigen Bastler. Seltsamerweise tun manche aber genau
das mit ihrem Gesicht.
Aber auch im Inland: Woher weiß
ich, ob es eine Porsche-Werkstatt ist?
Man sollte darauf achten, über welche Ausbildung und fachliche Qualifikation ein Arzt verfügt. In der
ästhetischen Medizin gibt es meiner
Ansicht nach zwei Gruppen, die berufen sind: Plastische Chirurgen und
– für die konservativen, nicht-chirurgischen Methoden – Dermatologen.
Die Zusatzausbildung darf aber jeder
Mediziner machen …
Die Zusatzausbildung für ästhetische Medizin ist meiner Ansicht
nach vom Gesetzgeber nicht ausreichend geregelt. Voraussetzung
sollte sein, dass von jenem Bereich
bzw. Organ, mit dem ich mich beschäftige, eine profunde Kenntnis
vorhanden ist. Sonst ist es, als würde man ein Haus aufstocken, ohne
ein Fundament zu haben. Manche
Mediziner trauen sich aber mit ungeheurem Selbstbewusstsein zu, im
ästhetischen Gebiet zu wildern.
Was ist für Sie „schlecht gemacht“?
Jede Behandlung, bei der hinterher
augenfällig ist, dass etwas gemacht
wurde. Es gibt unglaublich viele Varianten von Schönheit. Diese Vielfalt
sollte man bestehen lassen. Das genetische Geschenk sollte optimal ausgenützt werden. Vom „Umfrisieren“ auf
einen anderen Typ halte ich nichts.
Damit sprechen Sie sich aber gegen
Schönheits-OPs aus; der sichtbare
Effekt ist dort immerhin gewollt.
Das muss man differenziert sehen.
Bedenklich finde ich, wenn 14-Jährige aufgrund eines Modetrends nach
Korrekturen lechzen. Es ist normal,
dass in diesem Alter der Blick in den
Spiegel nicht immer Zufriedenheit
hervorruft. Wenn man Jugendlichen
aber zur Matura eine Schönheitsoperation schenkt, wie das in den USA
häufig passiert, ist das aus der Norm.
Sind Sie bei jungen Patientinnen
strenger?
Ja, viel strenger. Ich habe viele junge Patienten, die mit dem Thema
„schöne Haut“ zu mir kommen. Dafür habe ich absolutes Verständnis;
Akne und unreine Haut können ein
Fluch sein. Wenn aber eine 17-Jährige die Lippen aufgespritzt haben
will, spiele ich nicht mit. Da wollen
junge Menschen etwas imitieren, das
sie nicht reflektiert haben.
Darf man, sollte man zu seiner Behandlung stehen?
Ich finde es kindisch, nicht dazu zu
stehen. Nur weil man älter wird, akzeptiert man ja auch nicht, dass einem drei Vorderzähne fehlen. Nur:
Ich lasse mir ja von meinem Zahnarzt keine Milchzähne implantieren.
Manche Frauen erwarten aber von
mir vergleichsweise genau so etwas.
Das ist lächerlich. Es muss zum Alter passen. Und dann kann man auch
offen dazu stehen.
❦
Vielen Dank für das Gespräch.
elite
131
elite
LUXUS-MOBIL
OBEN OHNE. Ein Steuerberater mit Benzin
im Blut: Max Lauda verhätschelt seinen Jaguar
nicht nur, er gibt auch regelmäßig die Sporen.
Das hält Mensch und Maschine auf Trab.
Katzendompteur
Er will ja nur spielen. Steuerberater Max Lauda hat nicht nur seine Bilanzen im Griff. Der Oldtimer-Rallye-Fahrer zähmt in seiner
Freizeit auch gerne edle britische Katzen aus Blech. Für elite
führte er seinen wertvollsten Schatz – den Jaguar XK 140 Drop
Head Coupé – Gassi. Wir folgten seiner Fährte.
E
chte Schätze glänzen hierzulande im Verborgenen. Exzellent erhaltene Exoten, rare
Oldtimer, illustre Zeitzeugen
fristen ihre alten Tage in sorgfältig
verschlossenen Garagen, genießen die
persönlichen Streicheleinheiten und
die Hochglanzliebe ihrer Eigentümer und sind nur ganz selten in freier
Wildbahn zu beobachten – wenn sie
40
elite
ihre Eigner Gassi führen. Doch manche komme öfters an die frische Luft,
wie jenes Kätzchen von Max Lauda.
Tierschützer. Der Jaguar XK
140 Drop Head Coupé ist so eine
vom Aussterben bedrohte Raubkatze. Ein geducktes längliches,
jederzeit zum Zupacken bereites
sprunghaftes Wesen, von dem
nur 2.700 Exemplare existieren.
Dieser hierzulande seltene Jaguar bedarf eines gewieften Dompteurs. In unserem Fall eines Mannes, den man praktisch nie in den
Societykolumnen, im Scheinwerfer,
in der plattitüden Öffentlichkeit der
erstbesten Gesellschaft findet. Das
hängt ein bisschen mit Tradition,
ein bisschen mit dem Namen, dem
Fotos: Roland Froschauer
Von CHRISTIAN W. MUCHA
elite
LUXUS-MOBIL
ER WILL JA NUR SPIELEN. Max Lauda mit
seinem Prachtstück, dem Jagur XK 140. Obwohl
Baujahr 1955, hat das Kätzchen stolze 210 PS
unter dem Fell und schafft so 225 km/h. Miau!
Beruf und ein bisschen mit seiner
inneren Einstellung zusammen.
Manche mögen es auch Charakter
nennen. Wir sprechen hier von Max
Ritter von Lauda. Der stammt aus
einer – in der Monarchie geadelten
– Familie, die Tradition, Familiensinn und Contenance bis in 21.
Jahrhundert hinüber gerettet hat.
Ja, so etwas gibt es noch. Und weil
derselbe die unangenehme Aufgabe
hat, einer der Vorstände der Mucha
Privatstiftung zu sein, blieb ihm
kaum etwas anderes übrig, als sich
von uns ablichten zu lassen. Der
elite-Leser dankt es an dieser Stelle.
Benzinblütler. In den Kreisen, in
denen die Laudas sich bewegen,
fragt man ja üblicherweise nicht.
elite
41
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LUXUS-MOBIL
UNDERSTATEMENT. Edle Details, wie jene Inschriften über die Siege in Le Mans,
verstärken die Faszination, die vom Jaguar XK 140 aus geht. Die Sexy-Linie der Karosserie
ist – für britische Verhältnisse – beinahe schon als frivol einzustufen.
Wenn doch, dann wäre die erste Frage stets dieselbe: Sind Sie
verwandt mit Niki Lauda? Die
richtige Antwort lautet: „Ja!“
Die aus dem Lauda-Clan haben
alle Benzin in den Adern. Und
Max, der XK 140-Fahrer, brachte schon unseren armen Verleger
an den Rand eines Nervenzusammenbruchs, als er mit einem
Mini Cooper vor über 30 Jahren
ins Oberinntal düste, um dort im
Zollfreigebiet bei Samnaun über
die Sandstraße zu driften. Damals fuhren die Einheimischen
von Nauders aus die Strecke in
zehn Minuten. Lauda schaffte
das unter acht – mit Vollvisierhelm und Sechs-Punkt-Gurt. Das
Erbrochene des Verlegers auf
dem Beifahrersitz tat der Freundschaft keinen Abbruch. Im Jahr
darauf begann die Rennkarriere
von Max Lauda, die allerdings
immer Hobby blieb. Nach nationalen Tourenwagenrennen
folgte neben dem Studium eine
Zeit als Kartfahrer, in der er sich
nach Siegen in der österreichischen Staatsmeisterschaft auch
bei der Kart-Weltmeisterschaft
u.a. gegen Leute wie Ayrton Senna (damals noch „Senna da Silva“) matchte. Doch schließlich
entschloss sich ML für Familie
und einen bürgerlichen Beruf.
Als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater wurde er dann wegen
seiner vermeintlichen Rechenkünste von einem Freund als
Rallye-Copilot angeheuert. Doch
bald wechselte er auf die ihm gewohntere Fahrerseite und fährt
heute pro Jahr ein paar Oldtimer-Rallyes, die einem 57-jährigen Körper besser bekommen als
die harten Karts.
Spielzeug. Aber kommen wir nun
zu seinem Spielzeug, das er mittlerweile seit sechs Jahren bewegt. Vorausgesetzt seine Werkstatt hat nicht
daran zu basteln. Aber das muss er
schon selbst erzählen:
Blitzporträt Max Lauda
NAME:
GEBOREN:
STERNZEICHEN:
FAMILIENSTAND:
AUSBILDUNG:
HOBBIES:
42
elite
Mag. Max Lauda
1953 in Wien
Skorpion
verheiratet, zwei Söhne
Wirtschaftsuniversität, geprüfter Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer
Er besitzt den Pferdehof Gut Hartberg für alte und
kranke Pferde, die dort auf artgerechte Art und Weise
in der Gruppe gehalten werden.
elite
LUXUS-MOBIL
MÄNNERTRAUM. Max Lauda wusste es schon in seiner Kindheit: „Der Jaguar ist mein absoluter Traumwagen.“ Ans Steuer darf
manchmal sogar seine Ehefrau, allerdings erfordert das Schalten einiges an Kraftaufwand und einiges an Fingerspitzengefühl.
Sind Sie Oldtimerfan im Allgemeinen oder Jaguarfan im Speziellen?
Ich bin ein Automensch durch
und durch. Schon mein Vater
hatte einen Jaguar als Dienstwagen. Das hat mich als Kind geprägt. Mein Traum war immer
ein Jaguar E, ich habe dann aber
gefunden, dass der XK 140 einfach die schönere Linie hat. Ich
habe über Jahre nach so einem
Auto gesucht und schließlich
auch gefunden. Damals war der
XK zwar auch nicht billig, aber
so ein Auto hat man nicht nur ein
paar Jahre. Und eine gute Wertanlage ist es auch. Mit welchen
Wertpapieren kann man schon so
viel Spaß haben?
nichts von der Straße, keine Unebenheit, keine Wellen. Beim Jaguar
müssen Sie noch ins Lenkrad greifen, Sie spüren jeden Kieselstein am
Boden. Das schnelle Bewegen dieser
alten Autos macht einfach Spaß. Ich
fahre damit bei Oldtimer-Rallyes
mit. Der XK ist kein Fahrzeug, das
bei mir nur in der Garage steht.
Welche Macken hat das gute Stück?
Welches Verhältnis haben Sie zu
diesem Fahrzeug?
Natürlich kann man hier nicht einfach einsteigen und los fahren. Hier
muss man sich viel mehr um die
Technik kümmern, z.B. den Ölstand
oder die Bremsen überprüfen. Es
werden immer wieder Dinge kaputt.
Bei meinen Rallyes habe ich immer
die Ungewissheit im Hinterkopf,
ob ich auch ans Ziel komme. Man
muss das Fahrzeug ein wenig über
die Strecke tragen: also schonend
fahren, um durchzukommen.
Aktuelle Automodelle sind für mich
uninteressant zu fahren. Man spürt
Legen Sie am Auto auch selbst
Hand an?
❜
Schon mein Vater
hatte als Dienstwagen
einen Jaguar. Das hat
mich als Kind geprägt.
Ich bin ein Automensch
durch und durch.
Max Lauda
elite
43
elite
LUXUS-MOBIL
WAHRE LIEBE muss man pflegen. Steuerberater Max Ritter von Lauda kontrolliert vor jeder Ausfahrt die Flüssigkeitsstände persönlich. Technisch
anspruchsvollere Arbeiten erledigt aber ein Oldtimerspezialist für ihn. „Der weiß, wo man welche Originalteile bestellen kann“, so Max Lauda.
❜
Bei meinen vielen
Rallyes habe ich immer
die Ungewissheit im
Hinterkopf, ob ich es
überhaupt bis ins
Ziel schaffe. Solche
Autos muss man
manchmal über die
Strecke tragen: also
schonend fahren, um
ins Ziel zu kommen.
Max Lauda
Nein. Ich überprüfe nur die Flüssigkeitsstände. Ich habe einen guten Oldtimer-Mechaniker, der das
für mich macht. Vor jeder Rallye
gibt es einen Check. Außerdem
weiß er immer ganz genau, wo
man Teile bestellen kann und wo
es eventuell gebrauchte gibt.
Was sagt Ihre Frau zu diesem Hobby?
Sie ist auch begeistert. Wir fahren
jetzt gemeinsam in die Schweiz. Da-
elite
Darf Ihre Frau auch ans Steuer?
Ich habe sie unlängst fahren lassen. Das Fahrzeug ist allerdings
sehr schwer zu beherrschen. Beim
Schalten muss man Zwischengas geben. Aber Frauen haben oft
❦
mehr Gefühl als Männer.
Jaguar XK 140 Drop Head Coupé
Fachleute bezeichnen dieses Modell oft als den SCHÖNSTEN JAGUAR
aller Zeiten. Die Linienführung und die ausladenden Rundungen vermitteln
einen fast erotischen Gesamteindruck. Mit der XK-Baureihe begann bei
Jaguar auch der sportliche Erfolg. Immerhin gewann Jaguar mit diesem
Automobil in den Jahren 1951, ’53, ’55 und ’56 das Rennen von LE MANS.
TECHNISCHE DATEN
MOTOR:
V6
HUBRAUM:
3442 ccm
LEISTUNG:
210 PS
44
bei bewegen wir uns immer auf den
Nebenstraßen. Da sind wunderbare
Pässe zu finden. Ist das Wetter gut,
dann genießt sie es wie ich.
V-MAX.
BAUJAHR:
SCHALTUNG:
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elite
PELZE
Die Pelz-Lüge
„Nur reiche Leute sollten Pelz tragen. Wenn
du ihn dir nicht leisten kannst, dann vergiss
es. Benutze ihn nicht als Anlage, um Leuten zu zeigen, wie reich du bist. Benutze
ihn wie ein billiges, selbstgestricktes Ding.
Er ist wie ein großer Stein. Schön, wenn du
einen großen Stein hast, aber wenn es
dich finanziell in Schwierigkeiten bringt,
den Stein zu besitzen, dann hol dir keinen.“
Klaus Lagerfeld, Mode-Designer
138
elite
elite
PELZE
KUNSTWERKE AUS FELL.
Die Herstellung eines Pelzes ist sehr aufwändig, da diese meist nach Maß
gefertigt werden. Entsprechend begehrt sind Designer-Schnittmuster.
W
enige Tage nach Erscheinen der ersten
Ausgabe von elite,
wo wir die wunderbare Pelz-Fotostrecke gebracht
hatten, passierte Merkwürdiges:
Eine aufgedunsene, extrem nach
Parfum riechende Blondine, Baujahr Spätfünfziger-Jahre, stürmte
förmlich das Büro, in dem elite produziert wird. Sie wolle, schrie sie,
sofort den Chefredakteur sprechen.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Pelzhaus Liska
Aufgedeckt. Waltraud Dimand,
die freundlichste aller Empfangsdamen zwischen Wels und Wladiwostok, die dank ihrer jahrelangen
Erfahrung freilich auch über ein
ausgeprägtes Abwimmel-Potenzial verfügt, beschloss, wider ihre
Natur, der blonden Vertrocknung
nachzugeben: Schon wenig später
enthüllte die ihr schreckliches Geheimnis. Dies mag zu einem veritablen Skandal im Pelz-Gewerbe führen – oder auch nicht. Die Frage ist
nur, wieviel Tusch da noch ins Spiel
gebracht wird. Zum Vertuschen.
Mit weit ausholenden Gesten startete die Blondine bei Adam und
Eva, um zur aktuellen Situation der
Pelzhändler zurückzukehren: „Alles“, so meinte sie, „wird kopiert:
Mein Mann hat jüngst eine RolexUhr um 480 Euro gekauft, perfekt.
Selbst die Datumseinstellung funktioniert. Im Bazar von Istanbul bekommt man falsche Taschen, falsche
Brieftaschen, falsche Kostüme, gefälschte Hermès-Tücher. Aber das,
was ich erlebt habe, schlägt alles.“
Mittlerweile hatten wir uns ein
wenig Zeit genommen, die dralle
Endfünfzigerin unter die Lupe zu
nehmen. Ihr Schmuck war echt, das
Gewicht lag – trotz eines Werktages – bei definitiv über 5 Karat. Das
Kostüm hörte auf den eleganten Namen „Prada“, die Schuhe kosteten
wenigstens 500 Euro und der Nerz,
den sie nicht an der Garderobe abgegeben hatte, sondern der neben
ihr auf dem Besprechungssessel lag,
war auch nicht gerade von schlechten Eltern. Was sie uns danach enthüllte, konnten wir kaum glauben.
Sie hatte bei einem namhaften, mit
seiner Internationalität prahlenden
Pelzhaus einen Markenpelz – sauteuer – von einem italienischen Designer gekauft. Der hing dort unter
Dutzenden anderen und sie wollte
ihn, weil er ihr perfekt passte, sofort mitnehmen. Bezahlt wurde bar.
Das gute Stück war schon verpackt,
als plötzlich der Filialleiter heranstürmte. Es gäbe da noch ein kleines
Problem. Der Mantel müsse unbedingt noch drei Tage hier bleiben,
danach könne sie ihn haben. Frau
N.N. (Name ist der Redaktion bekannt) protestierte, doch alles half
nichts. Also zog sie mit einer Bestätigung für den bereits bezahlten
Pelz und ohne das gute Stück ab.
„Die nächsten Tage“, so erzählte
sie uns, „plagten mich Albträume.“
Pelz-Kopien. Wollte man sie um
das gute Stück prellen? War die
Firma in Konkurs? War der von
ihr bezahlte Kaufpreis für alle Zeiten verloren? Wollte man ihr einen
anderen Pelz unterjubeln? Bei der
Abholung war alles in Ordnung.
Sie probierte das gute Stück, erinnerte sich an einen kleinen Faden,
der ihr schon beim Kauf auf der
linken Innenseite aufgefallen war
und kehrte glücklich nach Hause zurück. Und wenn sie nicht gestorben
ist, dann trägt sie ihn noch heute.
Leider hat das Märchen noch ein
kleines Nachspiel. Wenige Wochen
❜
Man kann davon
ausgehen, dass ein
Schnittmuster über den
Pelz gelegt wurde, um
ihn zu kopieren. In den
nächsten Monaten kommen dann fein säuberlich
kopierte Markenpelze mit
diesem Schnittmuster auf
den Markt. Viele Markenpelze sind einfach keine
Originale mehr.
Frau N.N.,
geprellte Pelz-Kundin aus Wien
elite
139
elite
PELZE
später wollte die dralle Dame den
besten aller Ehemänner mit einem
faszinierenden Sexspiel überraschen
und schlüpfte nackt in ihren neuen
Pelz, was ihr nicht gut bekam. Denn
sie jagte sich zwei Stecknadeln in
ihren Körper. Die befanden sich im
Pelzmantel. Wozu, so fragte sich die
Gute, stecken in einem nagelneuen Modellpelz, einem italienischen
Top-Markenprodukt jüngster Provenienz der aktuellen Saison, zwei
lange Stecknadeln. Die Erklärung
verriet ihr eine gute Freundin, die
Insiderin und Schneiderin ist. „Was
glaubst denn du“, grinste die, „die
haben in den drei Tagen, wo der Pelz
im Geschäft zurückblieb, das gute
Stück abgenommen, haben es umgedreht, haben Schnittmuster über
das bestehende Stück gelegt, um es
zu kopieren. Das Papier, mit dem
die Schnitte hergestellt werden, wird
mit Nadeln an das bestehende Stück
angeheftet. Zwei haben die wohl
vergessen. Du kannst davon ausgehen, dass in den nächsten Monaten
mehrere Exemplare deines individuellen, sauteuren Markenpelzes unter demselben Markennamen, fein
säuberlich kopiert, mit hervorragenden Pelzen hergestellt, dann wieder
auf den Markt kommen werden.“
Dieses wollte uns die Gute erzählen. Und sie ruft via elite die
Kundinnen auf, einmal ganz genau nachzuschauen, ob ihre Markenpelze, die sie gekauft haben,
auch wahrhaftig Originale sind.
Wenn nicht, dann sollte man sich
an elite wenden. Doch nun zu unserer geplanten Pelz-Reportage:
WIEDER EN VOGUE. Der Kampfschrei der
Tierschützer „Lieber nackt als mit Pelz“ ist längst
verhallt. Zumindest scheint sich kaum ein StarDesigner heute mehr daran zu erinnern.
140
elite
Pelze reloaded. Pelz erlebt eine
Renaissance. Nicht nur in der High
Society, auch allgemein. Und jedes
Modehaus, das etwas auf sich hält,
bringt auch eine Prêt-à-porter-Kollektion in Pelz auf die Laufstege dieser Welt. Heute gibt es kaum mehr
einen Designer, der darauf verzichten wollte.
Das war nicht immer so. Noch 2007
hatte sich Ralph Lauren mit PETA
(People for Ethical Treatment of
Animals) dahingehend geeinigt,
keine Pelze mehr zu verarbeiten.
2010 präsentierte er in New York
fünf Modelle, die Pelze mal stärker,
mal dezenter eingearbeitet hatten.
Auch in seiner am 17. Februar 2011
in New York präsentierten Kollektion nutzte er Pelz als Aufsatz.
Pelz ist also wieder im Kommen.
Und die durch eine Wertveränderung erfolgte Baisse der Pelzmode in
den letzten zwanzig Jahren hat die
Branche dazu genutzt, sich inhaltlich zu verändern und moderner zu
werden. Die Designs der Branche
haben sich verändert und auch ihr
Zugang zur Öffentlichkeit. Man
stellt sich den Gegebenheiten und
den Argumenten, die immer wieder
gegen sie vorgebracht werden. Viele
Herangehensweisen wurden geändert, sowohl im Stil wie auch in der
Verarbeitung. So werden hauptsächlich nur noch Tiere aus der menschlichen Nahrungskette verarbeitet wie
Lamm oder Kaninchen. So werden
leichte Stoffe mit feinem Pelz kombiniert. Die Pelzbranche ist dabei, sich
selbst neu zu erfinden.
Und auch die Saison für Pelz wurde verlängert. Durch die neue Herangehensweise der Aufsätze oder
Zwischenstücke ist Pelz auch in den
Frühlings- und Herbstmonaten zu
tragen, während die früheren schweren Pelze ausschließlich für die kalten Wintertage vorgesehen waren.
Aber auch die gibt es heute noch.
Pelze „Who is Who“. Die am häufigsten verarbeiteten Pelze sind jene
aus der menschlichen Nahrungskette, also Lamm und Kanin. Das
wohl bekannteste Lammfell ist der
sogenannte Persianer. Es ist leicht erkennbar am klein und dicht gekräuselten Fell. Seine natürliche Farbe ist
entweder schwarz, weiß, grau oder
silbergrau. Etwas seltener kommt es
auch in braunen und beigen Variationen vor. Die Felle kommen meist
aus der freien Tierhaltung Afghanistans, der GUS-Staaten oder Namibi-
elite
PELZE
as. Der klassische Pelz für Schaffellmäntel stammt vom Boscount, das
auch Tibetlamm genannt wird. Es
stammt aus der asiatischen und europäischen Tierhaltung zur Fleischgewinnung.
Ebenso bekannt, wenn auch schon
nicht mehr aus der menschlichen
Nahrungskette, ist der Rotfuchs.
Diese Felle stammen oft aus Australien, weil dort eine Überpopulation des Rotfuchses vertreten ist; das
ist auch ein ökologisches und ein
Gesundheitsproblem, weil der Rotfuchs ein Krankheitsüberträger ist.
Weitere Fuchsfelle sind der Blaufuchs, dessen Fell durch zahlreiche
Schattierungen sowie eine Mischung aus dicken und dünnen Haaren bestimmt ist, sowie der Silberfuchs, der wie der Blaufuchs aus der
Fanghaltung stammt. Das Haar ist
lang, glänzend und leicht und in der
natürlichen Färbung schwarz oder
weiß, was einen silbernen Schimmer
erzeugt.
Ein Tier, das auch in Europa durch
Überpopulationen von sich reden
macht, ist der Waschbär. Die Oberfläche des Pelzes ist helldunkel gestreift gezeichnet. Die langen Haare
sind besonders wasserabweisend.
Das Nutria-Fell ist gekennzeichnet
durch das typisch dichte Unterfell
und lange, glänzende Deckhaare.
Auch der Nutria wird in vielen Ländern aufgrund von Überpopulationen gejagt.
Ebenso wird auch die Bisamratte
vor allem in Holland und den USA
gejagt, weil das Tier dort wichtige
Dämme unterhöhlt und unwirksam
macht. Das Unterfell ist wasserdicht
und die Oberhaare lang und glänzend. Dabei reichen die Farben von
hellbraun bis schwarz.
Marder-Pelze stammen hauptsächlich aus Kanada und den USA. Das
Unterfell ist weich und seidig, das
Oberfell ebenso weich und glänzend.
Auch der Nerz, der sogenannte
„Königspelz“, ist eine Marder-Art
– ebenso wie das Hermelin (Großes
Wiesel) –, der durch die Säumung
von Krönungsumhängen der Könige berühmt wurde, heute jedoch
nicht mehr verarbeitet wird. Der
Nerz ist durch moderne Verarbeitungsmethoden leicht und seidig.
Der wohl teuerste Pelz ist der Zobel. Der Zobel stammt aus der Gattung des Echten Marders und ist
hauptsächlich in der russischen und
asiatischen Taiga beheimatet. Die
sehr dichte Behaarung ist mittellang, feinseidig und außerordentlich
weich. In seiner natürlichen Fär-
RAFFINIERT. Im Trend sind
gefederte und gewirkte Pelze.
Manchmal wird Pelz mit anderen
Materialien kombiniert.
❜
Pelz ist ein Naturprodukt.
Pelz ist warm und leicht.
Pelz ist ein wertvolles
Produkt. Ein Produkt, das
mehrmals in der Fasson
verändert werden kann.
Und Pelz ist ein Stück, das
man jahrzehntelang haben, tragen und besitzen
kann. Das alles macht
Pelz zu dem einzigartigen
Produkt, das es ist.
Michael Gnädig, Kürschner,
stv. Innungsmeister Wien
elite
141
elite
PELZE
bung ist der Zobel dunkelbraun mit
Schattierungen von braungelb bis
tiefdunkelgelb. Der Kehlfleck variiert von grau bis rötlich-orange. Oft
ist er auch nur angedeutet.
Beim Zobel muss man zwischen dem
Russischen oder Sibirischen Zobel
und dem amerikanischen Zobel
(Fichtenmarderfell) unterscheiden.
Berühmt wurde der Zobel auch als
Kronenzobel, der vom russischen
Zaren an ausländische Würdenträger verschenkt wurde.
NEUE PELZ-IDEEN. Heute wird ein Großteil
der Pelze als Versatzstücke genützt. Viele Pelze
werden auch als Einarbeitungen in klassische
Stoff-Textilien verwendet. Dazu wirken sich neue
Veredelungsmethoden auf die Designs aus.
142
elite
Veredelungstechnik. Neben dem
natürlichen Fell haben sich unterschiedlichste Veredelungstechniken
entwickelt, die entweder den Tragekomfort erhöhen oder die Optik
noch exquisiter gestalten sollen. Für
den Tragekomfort ist das Rupfen
eine der wichtigsten Veredelungstechniken. Dabei wird das Deckhaar
– die sogenannten Grannen – entfernt und das weiche Unterfell stark
betont. Das Ergebnis ist ein leichterer
und weichere Pelz. Dasselbe gilt für
das Scheren, wobei mit einer Schermaschine der Pelz auf die gewünschte Länge – Minimum 0,5 mm – gekürzt wird. Auch hier ergibt sich
neben dem Ergebnis der besonderen
Oberfläche auch ein leichteres Fell.
Die womöglich bekannteste Technik für die optische Gestaltung, aber
auch für den Tragekomfort, ist das
Gallonieren. Dabei werden Leder-,
Bänder- oder Stoffstreifen abwechselnd mit Pelzstreifen verarbeitet, um
Gewicht und Volumen des Gewandes zu reduzieren.
Ein wachsender Trend ist das Verschönern oder Verzieren von Pelz,
was dekorative Effekte ermöglicht.
Techniken dabei sind Lochen, Umsäumen, Laserstrahlschneiden und
die Maskentechnik bzw. Schablonieren.
Ebenso trendig sind geflochtene und
gewirkte Pelze, die – in schmalste
Streifen geschnitten – als Fäden mit
farbiger Baumwolle verflochten
werden, was zu einer Art strickbares Garn führt. Auch das Weben
ermöglicht es, Pelz mit anderen Textilien wie Wolle oder Spitze zu vermischen. Alle diese neuen Techniken
und Trends geben den Designern
die Möglichkeit zu größeren Gestaltungsspielräumen.
Maßarbeit. Die Herstellung eines
Kleidungsstückes aus Pelzen ist aufwändig, insbesondere wenn es maßgeschneidert sein soll. In Zusammenarbeit mit dem Kürschner sucht der
Kunde eine Fellart aus, die ihm – oder
besser: ihr – am besten zusagt. Es ist
sowohl eine Frage des Geschmacks
als auch der Nutzung. So wird man
für stark zu strapazierende Kleidungsstücke eher Kurzhaarfelle wie
Lamm, Persianer, Kanin oder Nutria
auswählen, während für Abendgaraderoben und Winterausflüge eher
Langhaarfelle wie Fuchs oder Marder eine gute Wahl darstellen.
Nach Auswahl des Felles wird die
Fasson festgelegt. Entweder hat die
Kundin selbst Vorschläge dabei oder
sie lässt sich vom Fachmann beraten, was denn zur Statur der Kundin
passt. Danach wird Maß genommen.
Die Maße nutzt der Kürschner für
die Erstellung des Schnittes. Der
Schnitt ist quasi der Grundriss des
späteren Kleidungsstückes und ist
eine herausfordernde Aufgabe, die
große Qualifikation und Genauigkeit verlangt. Je nach Komplexität
wird vorab auch noch ein Leinenschnitt angefertigt. Dieser Leinenschnitt ist ein aus Leinenstoff gefertigtes Duplikat des späteren Mantels
bzw. der späteren Jacke.
Muss ein Leinenschnitt angefertigt
werden, kommt es vor dem Beginn
der Pelzverarbeitung zur Leinenprobe mit der Kundin, um etwaige Stellen ausfindig zu machen,
die noch besser an den Körper angepasst werden müssen, um den
Tragekomfort zu erhöhen.
Bei der Verarbeitung werden die
ausgewählten Pelze zuerst einmal
zugeschnitten. Danach erfolgt das
sogenannte Aufzwecken, bei dem die
elite
PELZE
Felle zuerst mit einer Wasserlösung
bestrichen werden, dann auf einer
wendbaren Pressspanntischplatte
mit Luftdruckmaschinen festgeklammert werden und mit Strahlern
erwärmt werden. Dies ist für die
Spannung des Pelzes notwendig. Danach wird das Schnittmuster auf die
Felle mit Kreide aufgezeichnet und
nach dem Abzwecken zugeschnitten.Um spätere Risse durch die
Nähte zu vermeiden, werden die
Ränder mit speziellen in den Farben des Pelzes gehaltenen Bändern
geleimt. Sie stellen praktisch eine
innere, nahtlose Säumung und Sicherung des Pelzes dar.
An der Nadel. Ein weiterer Schritt
zur Sicherung der Qualität ist das
Pikieren des Pelzes. Dabei wird ein
spezieller Pikier-Stoff auf das Fell
aufgenäht, in den meisten Fällen
mit einer speziellen Pikiermaschine
mit eigener Nadelform – die Nadel
ist leicht gebogen, sodass das Leder
nur halb erfasst wird. Bei sehr feinen
Modellen wird auch mit der Hand
pikiert. Dieser Schritt ist notwendig,
damit sich das Fell nicht verzieht
und die Form über viele Jahre erhalten bleibt.
Nach dem Pikieren werden die größten Stücke für die Fellprobe zusammengenäht. Bei dieser Probe wird
noch einmal die Passform überprüft
bzw. werden Änderungen vorgenommen. Dann wird vom Kunden
das Futter, also der Innenstoff, ausgesucht. Dies wird heutzutage mit
speziellen Musterkarten durchgeführt, wo die Kundin eine große
Auswahl an Stoffen vorfindet, die
der Kürschner jedoch nicht mehr
lagernd haben muss, wie dies früher
noch der Fall war. Als letzter Schritt
werden die nun zusammengenähten Teile wie Vorderteil, Rücken,
Kragen und Ärmel zusammengenäht und das Futter eingearbeitet.
Pelz-Trends. Ein Großteil der heutigen Pelze werden als Versatzstücke
und Einarbeitungen in klassische
Stoff-Textilien genutzt. Auch die
neuen Veredelungstechniken wirken
sich massiv auf die neuen Designs in
der Pelzmode aus.
Ein wesentlicher Trend des modernen Pelzes ist der Umstand, dass er
gerne innen getragen wird. Das bedeutet, dass außen ein Stoff-Textil
gezeigt wird, während als Futter
der Pelz getragen wird, wodurch –
gerade an kühlen Herbst- oder kalten Wintertagen – der wärmende,
auch kuschelige Effekt des Pelzes im
wahrsten Sinne des Wortes zum Tragen kommt.
Auch Wendepelze sind trendy. Wie
der Name schon sagt, kann das
Stück gewendet werden, wodurch
man die Möglichkeit hat zwischen
Pelz- und Stoffaußenseite zu variieren. Für die Aufsätze werden vor
allem Fuchsfelle verwendet. Diese
sind nur ein Teil, oder in Kombination mit dem Stoff eingesetzt.
Weniger häufig, aber doch oft in
urbanen Räumen zu sehen, ist die
über Stoff getragene Fuchsjacke,
die auch gerne ärmellos getragen
wird. Silberfuchs wird auch gerne
zu Organze-Stoff verarbeitet und
lässt sich ausgezeichnet gallonieren, was von Designern gerne verwendet wird.
Nerz wird traditionell gern ausgelassen verarbeitet. Was bedeutet
das? Das Auslassen bedeutet, dass
ein Fell zu Längsstreifen verarbeitet wird, die aneinandergereiht
Vorderseite und Rücken ergeben.
Moderner ist die Technik des Aufsetzens. Dabei werden ganze Felle
untereinander gesetzt – was bei einem Nerz eine Breite von ca. zehn
bis zwölf Zentimeter ergibt.
Pelz-Alternativen. Wer sich nicht
mit echten Pelzen anfreunden kann,
der muss trotzdem nicht auf das
flauschige Erlebnis Pelz verzichten.
Moderne Fertigungsmethoden garantieren das fast perfektes Fell-Feeling mit Webpelzen. Dabei handelt
es sich um Imitate, bei denen Garne
mit hohem Flor verwebt werden.
Diese Fasern sind vorwiegend aus
synthetischen Fasern mit einer Basis
aus Baumwolle. Dabei ist das meist
aus Baumwolle bestehende Grundgarn stark verzwirnt und gemeinsam
mit den bereits in sich verzwirnten
Florfäden werden beide Garne mittels Spezialwebstühlen auf die Sichtseite gebracht. Um ein Ausfallen der
Garne zu vermeiden – sie stellen ja
die Haare dar –, wird auf der Rückseite der elastische Kleber Polyurethan aufgetragen. In der Blütezeit
des Webpelzes wurde er sowohl zur
Fertigung von Jacken und Mäntel
als auch für Auf- und Besätze und
Krägen genutzt.
Zu den bekanntesten Herstellern
von Webpelzen in Europa zählen
Girmes-Niedieck aus Deutschland
und Tissavel aus Frankreich.
Aber wie jedes Material hat auch der
Webpelz seine Vor- und Nachteile.
Die Vorteile:
• KleidunginderArtvonPelz
geschützter Tierarten
produzierbar
• Webpelzistwaschbar(Pelze
werden mit in Spiritus
getränktem Holzmehl gereinigt)
• Webpelzistkostengünstiger
als natürlicher Pelz
Die Nachteile:
• Verbrauchbegrenzter
Ressourcen(Erdöl)
• Biologischnichtabbaubar
• Nichtreparierbare
thermoplastische Verformung
ab 60° Celsius
• StatischeAuladung
Aber Karl Lagerfeld, der bis vor
kurzem die Pelzindustrie verteidigt hatte und einer der ersten war,
die Pelz wieder nutzten, zeigte bei
„seiner“ Chanel-Show in Oslo
2011 vor allem Webpelz. Welche
Strategie Lagerfeld in Bezug auf
Pelz verfolgt, ist unklar. Nur eines
ist sicher: er wird uns und die Modewelt sicherlich wieder überra❦
schen.
elite
143
elite
ALTERNATIVE ANLAGEN
Rock macht reich
Es müssen nicht immer Aktien sein. Schallplatten,
Comix, Gitarren, Jeans oder Hi-Fi-Geräte können
auch gutes Geld bringen – sofern man in die richtiVon CHRISTIAN PRENGER
gen Objekte investiert.
62
elite
elite
ALTERNATIVE ANLAGEN
M
anche Menschen verdienen ein kleines
Vermögen in Wühlkisten. So wie der
Kanadier Warren Hill, der sich im
Big Apple auf Einkaufstour begab.
Für schmale 75 Cent erstand er im
New Yorker Stadtteil Chelsea bei
einem Trödler eine reichlich alt
aussehende Langspielplatte.
Doch die hatte es definitiv in sich.
Der neue Besitzer hielt ein Promotion-Exemplar von „The Velvet Underground & Nico“ in den Händen,
mit dem sich die von Andy Warhol
protegierte Band 1966 auf Plattenvertrags-Suche begab. Es handelte
sich um ein Acetat, von dem nur
wenige Stücke gefertigt wurden. Zu
hören waren die Songs sogar in ganz
anderen Versionen als auf dem späteren Debut. Hill zeigte die Scheibe
einem Händler in Oregon, der hielt
den Atem an: Die ersten Aufnahmen einer Pionier-Band der Rockgeschichte, Der zielstrebige Kanadier
fackelte auch nicht lange. Besagtes
Kleinod wurde auf dem OnlineAuktionshaus eBay um ansehnliche
25.000 Dollar verkauft.
istock, privat
Schwarzes Gold bringt Geld.
Ob hier ein besessener Sammler sein
Sparbuch für das neue Auto einfach
umgeleitet hat, bleibt ungeklärt. Es
könnte auch ein Investor gewesen
sein, der wusste, dass schwarzes
Gold mit der Zeit gutes Geld bringen kann. Denn Vinyl, von der CD
zum vermeintlichen Auslaufmodell
degradiert, gilt heute als Wertanlage. Rare Scheiben sind Kult, werden
gesucht und erzielen öfters Fantasiepreise.
Jene klingenden Glücklichmacher
sind gleichzeitig auch ein deutliches
Beispiel dafür, dass man nicht nur
mit Aktien, Provisionen oder gar
harter Arbeit reich werden kann. Es
gibt gleichzeitig alternative Anlagen, die keinen Marathon zwischen
Banken und Beratern erfordern.
Sondern Know-how, welches nur
auf den ersten Blick profane Alltags-Objekte Sammlern, Fans und
anderen den Atem raubt. In Sachen
schwarzes Gold sind es verschollene
Alben, Platten mit Mini-Auflagen,
Limited Editions, farbige Ausgaben, Fehlpressungen, Privatauflagen oder Emplare für die Presse mit
unveröffentlichtenTracks. „Seltene
Platten erzielen eine Wertsteigerung
von rund 20 Prozent jährlich“, unterstreicht Thomas Epple, der mit
www.vinyltom.at eine Anlaufstelle
für Sammler betreibt.
Eine sichere Bank bilden Legenden
wie Rolling Stones und Beatles. Spezialmaterial der Liverpooler gehört
zu den absoluten monetären Highlights. Für ein Acetat des weißen Albums löhnen Fanatiker heute rund
20.000 Euro. Paul McCartney, John
Lennon und George Harrison sind
noch an einem anderen Phänomen
beteiligt. 1958 nahmen sie mit zwei
weiteren Musikern als The Quarrymen „That’ll Be The Day“ auf. Wer
eine jener wenigen orginalen Singles
will, braucht Budget: 120.000 Euro
sind kein Pappenstil.
1 Million für die Stones. Von der
einstigen Hauptkonkurrenz der
Pilzköpfe existiert auch ein Mythos.
1972 sollte „Necrophilia“ von den
Rollling Stones erscheinen – dann
wurde angeblich der Plattenfirma der Boden zu heiß aufgrund
von deftigen Texten. Die Veröffentlichung wurde abgesagt,
ganze fünf Testpressungen plus
Cover gelangten an die Außenwelt. Bis zu
ca. 30.000
Euro bieten Interessenten, falls
eines der
Teile auftaucht. Ein
Gerücht hält
sich hartnäckig: Ein Austro-Sammler
❜
Seltene Schallplatten
erzielen eine Steigerung
im Wert von mehr als
20 Prozent im Jahr. Eine
sichere Bank sind Werke
von echten musikalischen
Legenden, wie z.B. den
Beatles oder den
Rolling Stones.
Thomas Epple, Sammler
HARTE WÄHRUNG.
Heavy Metal als Investment. Manche
Bands veröffentlichen limitierte Alben
und verknappen so den Markt.
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63
elite
ALTERNATIVE ANLAGEN
Kohle mit Kino
Filmreife TERMINGESCHÄFTE: Auf Online-Marktplätzen können Cineasten jetzt auch mit Hollywood spekulieren. Blockbuster bringen bekanntlich
eine Menge Geld. In bestimmten Fälle nicht nur Stars und Produzenten,
sondern auch dem Normalo-Publikum. Denn HOLLYWOOD STOCK
EXCHANGE bietet jetzt Konsumenten die Gelegenheit, mit Einspielergebnissen von Hollywood zu spekulieren. Jene amerikanische Online-Terminbörse, Teil des Finanzkonzerns Cantor Exchange, gilt als Vorreiter einer
völlig neuen Form des Wertpapier-Handels. „Auf jenem Marktplatz können
private Anleger im Filmgeschäft ihr Geld investieren“, verkündet Präsident
Richard Jaycobs, „die Menschen lieben diese Art der Unterhaltung und
reden gerne darüber. Jeder hat eine Meinung, Medien berichten intensiv
– das macht dieses Feld ja auch so attraktiv.“ Wer eine Rolle in besagtem
Business spielen will, muss am Ball bleiben. Die Streifen werden ein halbes
Jahr vor dem Start als sogenannte „DOMESTIC BOX OFFICE RECEIPTS
(DBOR)“ zur Auktion feilgeboten. Der Trader zahlt einen festgesetzten
Preis: 100 Dollar für jede Million Dollar, die als Resultat prognostiziert wird.
Nach vier Wochen wird abgerechnet. Sollte das Objekt die Erwartung
übertroffen haben, verdient der Investor im entsprechenden Anteil. Oder
kann sauer verdientes Cash bei Flops vergessen. Investoren mit zittrigen
Fingern durften zu Beginn auf einer Seite ihre Nerven ohne bare Münze
spielerisch testen. „Robin Hood“ von Regisseur Ridley Scott stand dort
mit 167 Millionen Dollar zu Buche. Ein DBOR kostete also 167 Dollar. Bei
200 Millionen Dollar konnten Anleger pro Kontrakt 33 Dollar ernten. Bei
50 Millionen Dollar wären immerhin schon 117 Dollar vom Winde verweht
gewesen. Was nach einer lockeren Angelegenheit aussieht, ruft auch Kritiker auf den Plan. Denn Kenner fürchten, dass speziell INSIDER der Szene
in Hollywood Vorteile besitzen. Denn Verbraucher dürften bei rund 600
Filmen, die Cantor jährlich listen möchte, in der Bewertung hoffnungslos
überfordert sein. Dazu kommt ein veritables Risiko: Niemand kennt auch
nur annähernd sichere Anhaltspunkte, ob sich ein Streifen als STRASSENFEGER oder TIEFLIEGER entpuppen wird. „Solche Geschäfte sind immer
riskant, doch das betrifft nicht nur unsere Industrie“, weist Jaycobs Vermutungen aller Art zurück. „Sollte jemand im Bereich Unterhaltung spekulieren, trifft er meist auf Mediakonzerne, die alles anbieten: TV, Online, Print.
Wir beschränken uns auf ein Gebiet. Das macht es viel überschaubarer
für Investoren“. Laufen dürfte das Geschäft ohnehin gut. Denn andere
folgen dem Beispiel. So wie etwa TREND EXCHANGE des Risikokapitalfonds Veriana, allerdings nur gedacht für institutionelle Anleger. Amateure
sind hier weniger gefragt, müssen sich aber bei ausreichend Kleingeld
nicht grämen. Sollte sich das monetäre Lichtspieltheater weiter rentieren,
ist mit weiteren Start-ups zu rechnen. Vom Erfolg her angesiedelt irgendwo
zwischen Titanic und Goldfinger.
64
elite
soll eine Million Schilling bezahlt
haben. Auch jene kleine Auflage
von The Freewheelin’ Bob Dylan,
die nie in die Geschäfte kommen
sollte, sichert den Traumurlaub.
Diese enthielt im Gegensatz zur
späteren finalen Version vier Songs
mehr – wofür eingefleischte Anhänger des Musikers rund 30.000
Euro investieren. Eine erstaunliche
Karriere hat auch Punk absolviert.
Rohkost der NoFuture-Bewegung,
meist nur auf einige hundert Stück
begrenzt, erzielt Toppreise. Ikonen
wie Sex Pistols bewegen sich in höheren Sphären. Eine limitierte Single „God Save The Queen“ kostet
vierstellige Summen.
Wertvolles Kraut. Als heiße Empfehlung gelten auch rare Werke
des Krautrock. In den 1970ern
mischten sich deutsche Bands
stark in die globale Popularmusik ein, wurden hämisch beäugt
und in Läden um fünf Schilling
geschleudert. Wer sich mit LPs
der Labels Pilz, Ohr, Brain, Spiegelei oder Kosmische Kuriere
eingedeckt hätte, wäre heute auf
der Sonnenseite. Speziell Titel
aus dem tiefsten Underground erzielen teilweise Unsummen. Das
gleichnamige Album von Analogy beispielsweise steht mit 3.500
Euro zu Buche.
Jubeln dürfen Wissende auch über
vielgesuchte Ware aus frühen Tagen von Kult-Plattenlabels wie
„Decca“ mit den Rollling Stones
und John Mayall oder „Vertigo
Swirl“ mit Black Sabbath, wo
alleine der Markenname Nachfrage auslöst. So wie auch Elvis
Presley, ein wertstabiler Dauerbrenner, wo Schellacks in den
USA für mindestens 4000 Dollar
den Schrank wechseln. Es müssen
aber nicht nur Rock-Helden sein:
Die 1958er-LP „The Congregation“ von Saxofonist Johnny Griffin auf dem vielgesuchten JazzLabel „Blue Note“ ist selten unter
1000 Euro zu haben.
elite
ALTERNATIVE ANLAGEN
Das Anlage-Business kann auch
mit aktuellen Scheiben begonnen
werden – schließlich hat nicht jeder Kleingeld für das Horten der
Perlen von Beatles & Co. Seit Vinyl ein fulminantes Comeback
feiert, haben die Tonträgerfirmen
reagiert. Immer mehr Outputs erscheinen auch auf Platte, häufig
limitiert und handnummeriert.
Oder mit Bonustracks, die nicht
auf der CD sind. Speziell bei Kultbands wie White Stripes lohnt sich
Zugreifen. Solche Auflagen sind
rasch aus den Läden und verschaffen später feinste Rendite.
Ein Effekt, den auch gewisse legendäre Gitarren erzielen können.
Das Modell C.F. Martin D-28,
Baujahr 1941, war der Hammer
bei einer Auktion von Christie’s
am 2. April 2007: Für unfassbare
264.000 Dollar landete das akustische Stück bei einem betuchten
Bieter. Im New Yorker Rockefeller Center wechselten zwei EGitarren der Marken Gibson Les
Paul Custom 1955 sowie Fender
Broadcaster 1951 den Besitzer im
Rahmen einer Auktion. Die erste
für 52.800 Dollar, die zweite um
60.000 Dollar.
Gitarren der Stars. Wer in Zukunft kassieren möchte, sollte
genau aufpassen, ob gerade ein
prominenter Zeitgenosse sein Instrument veräußert. „Blackie“,
eine Fender Stratocaster von
Ex-Cream-Gitarrero Eric Clapton, fand um eine Million Dollar ihren Abnehmer. Das Objekt
des verstorbenen Beatles George
Harrison erreichte bei Christie’s
600.000 Dollar. Besonders wertvoll wird die Sache, wenn der Star
auch noch sein Autogramm schön
sichtbar am Brett hinterlässt.
Krisenresistent sind speziell Modelle aus den fünfziger und sechziger
Jahren, die schon aufgrund ihrer
überaus hochwertigen Bauweise
boomen. Retro-Bonus inklusive.
Doch Saiten-Anleger benötigen
Wertanlage Vinyl
„Platten sind Sammlern mehr Wert als
Geld“ – Thomas Epple, Chef von www.vinyltom.at, über emotionale Werte, Scheiben
in allen Farben und den Faktor Rendite.
Wenn jemand in den Sixties und Anfang der Seventies geahnt hätte, was bestimmte, sehr rare Schallplatten einmal wert sein würden –
müsste dieser begabte Hellseher heute eigentlich noch arbeiten gehen?
Sagen wir einmal so: Hätte dieser Mensch heutzutage keinen Job, könnte
er zumindest in Ruhe die 40 Jahre alten Scheiben anhören und sich sein
Einkommen zusätzlich mit dem Verkauf einzelner Raritäten anständig
auffetten. Im Prinzip verzeichnen spezielle Schallplatten aus diesem Zeitraum einen enormen Wertzuwachs und lassen sich mitunter zu sehr beachtlichen Preisen an Sammler bringen. Das gezielte Einkaufen und dann
noch dazu der richtige Riecher, was einmal wertvoll werden könnte, sind
da aber schon sehr schwierig unter einen Hut zu bringen.
Warum gilt Vinyl heute als echte Wertanlage?
Von der Rendite her kann man Schallplatten durchaus als Wertanlage sehen. Allerdings stellen die Scheiben ja auch einen recht hohen
emotionalen Wert dar. Darum würde ich „echte“ Anlage schon etwas
relativieren. Slicke Börsenprofis, die keinen Spaß an Vinyl haben und
auch Null Know-how von der Materie besitzen, könnten auf jenem
Markt gar nicht wirklich mitmischen. Zum Glück.
Mit welcher Wertsteigerung ist bei Raritäten jährlich im Durchschnitt
zu rechnen?
Ich habe den weltweiten Second Hand-Markt der letzten fünf Jahre sehr genau beobachtet und dabei hat sich gezeigt, dass wirklich
rare Alben von etwa 100 Euro aufwärts im Schnitt einen jährlichen
Zuwachs von rund 20 Prozent verzeichnen. Wie immer gilt der Topzustand des Objektes als absolute Voraussetzung. Also hier sehe ich
schon eine sehr interessante Form der Kapitalanlage, wenn man entsprechend diversifiziert und gestreut kauft.
Was soll man heute sammeln, um künftig nicht mehr arbeiten zu müssen? Was sind kommende Überflieger?
Entweder die oben zitierten Raritäten der 60s und 70s in bestmöglichem Zustand oder alles, was an limitierten Neuerscheinungen gepresst wird, speziell auf buntem Vinyl. Sicherheitshalber gleich alle
Farbvarianten. Das mit dem nicht mehr arbeiten müssen, ist so eine
Sache: Ich muss auch noch immer arbeiten, aber dafür habe ich jeden
Tag Freude an Schallplatten. Dieses Feeling geht an Sammler weltweit.
Das alleine ist es wert.
Sind LPs vielleicht sogar die besseren Aktien, an denen Wirtschaftskrisen aller Art abprallen?
Absolut. Die Schallplatte ist ein so positiv besetztes Stück, das jedem
wahren Sammler bei weitem wichtiger als Geld ist. Alben kann der
Fan im Gegensatz zu Aktien jederzeit angreifen und spielen. Im Krisenjahr 2009 habe ich selbst die Erfahrung gemacht, dass die Absätze
nur im unteren und mittleren Preissegment eingebrochen sind. Die
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wirklich raren Stücke verkauften sich wie eh und je.
Bitte lesen Sie weiter auf Seite 66 ➢➢
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A LT E R N ATIVE ANLAGEN
➢➢ Fortsetzung von Seite 63
BLAUE NOTE. Was dem Philatelisten die
„Blauen Mauritius“, ist dem Vinyl-Sammler
eine Veröffentlichung des Blue-Note-Label.
PICTURE VINYL. Oft wird Vinyl auch
mit Bildern hinterlegt. Fans reißen
sich um diese Exemplare.
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einen langen Atem: Wer eine Les
Paul Sunburst aus dem Jahr 1959
sucht, braucht das massive Glück,
eine der 653 hergestellten Stücke
zu erwischen. Dann sollte die Pensionsvorsorge gelungen sein.
Ein wenig Geld werfen auch
schon museale Hi-Fi-Geräte ab.
Hier ist ein interessanter Markt
entstanden, wo speziell chronisch
Audiophile für Spitzengeräte
durchaus nette Beträge zahlen.
So bringt ein Plattenspieler der
Marke Thorens TD 124 aus den
Swinging Sixties in Topzustand
1.500 Euro. Auch klassische Steroe-Anlagen, unter anderem von
Akai aus den Seventies, erfreuen
sich als Collectors Item einer stetig ansteigenden Popularität.
Doch der Klang des rollenden Rubels erfordert wie alle anderen Anlageformen der etwas anderen Art
ein gehöriges Maß an Instinkt und
Engagement. Gute Stücke zu finden ist ebenso anspruchsvoll wie
die richtige Streuung von geeigneten Objekte. Dazu kommt der
Geduldfaktor: So manches gute
Stück kommt erst nach Jahren auf
monetäre Touren – da heißt es für
den Besitzer Nerven bewahren.
Oder in der Zwischenzeit: Lesen.
Denn selbst Comix sind mehr als
buntes Papier. Die einst bei Eltern
verrufene Lektüre macht heute
in manchen Fällen wohlhabend.
So wurde im Vorjahr Heft Nummer 27 aus der Serie „Detective Comics“ für
mehr als 490. 000
Dollar bei Heritage Auctions
versteigert. Jene
megarare Ausgabe
führte nämlich den
Fledermaus-Gutmensch Batman als
neuen Helden ein.
Solche höchst erstaunlichen Summen sind zwar garantiert Ausnahmen,
doch speziell Serien
könnten sich laut Spezialisten in
Zukunft durchaus finanziell verwerten lassen. Als Hoffnungsträger gelten besonders Kultreihen
wie etwa „Civil Wars“ aus dem
legendären Hause Marvel Comics
oder ebenso „Sin City“ von Dark
Horse Comics.
60.000 Dollar für Uralt-Jeans.
Als Idee aus dem gezeichneten
Imperium dürften viele auch die
Option abtun, Jeans als Weg zur
Aufbesserung des Budgetas zu
kaufen. Weit gefehlt, das Beinkleid kann dem Konto schon Beine machen. So wie ein bereits 120
Jahre altes Exemplar von Levis.
Die imposante Vintage Rarität
wurde im web via eBay für rund
60.000 Dollar an einen Sammler
in Japan weitergereicht.
Wer angesichts dieser Zahl sofort
Platz im Schrank schafft und eine
Einkaufstour plant, muss sorgfältig wählen. Experten empfehlen
als Anlage unter anderem Custom
Jeans von Ernest Sewn, wo der
Kunde über das Aussehen entscheidet. Als echter Geheimtipp
gehandelt wird weiters die Marke
True Religion: Bei HollywoodStars hoch im Kurs, verspricht
dieser Brand in 10 Jahren ansehnliche Gewinne – meinen Kenner in
Sachen Cash und Mode, die auch
auf Modelle der Marke 7 For All
Mankind verweisen.
Vielleicht erleben ja fleißige Aufbewahrer mit Weitblick ähnliches
wie der Sohn eines ehemaligen
EMI-Managers. Dieser fand doch
glatt im Kasten seines Vaters eine
Kiste orginalverschweißter Beatles-Singles, auch noch in Mono.
Plus Schriftverkehr zwischen Führungskraft und Musikern, was die
Authentizität des Materials bei
Interessenten belegen konnte. Pro
Jahr sowie einer verkauften Single konnte der glückliche Finder
schon wieder einen Luxusurlaub
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buchen.
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