Abschiebepraxis

Transcrição

Abschiebepraxis
Universität Wien
Institut für Kultur- und Sozialanthropologie
kein mensch ist illegal
Körper – Gewalt: Schubhaft und Abschiebung von
AsylwerberInnen in Österreich
DIPLOMARBEIT
zur Erlangung des Magistergrades der Philosophie
an der Fakultät für Sozialwissenschaften
der Universität Wien
eingereicht von
Brigitte Hofer
Wien, März 2006
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis........................................................................................................ 2
Einleitung..................................................................................................................... 5
Theoretische Abhandlung zur Schubhaft oder
„Auf der Suche nach dem Warum“?.......................................................................13
I. Die Schubhaft oder
„Willkommen in Österreich“................................................................................... 20
1. Haftgründe........................................................................................................... 21
2. Aufenthaltsverbot................................................................................................ 25
3. Zweck der Schubhaft........................................................................................... 28
4. Gelinderes Mittel................................................................................................. 30
5. In Haft ohne Ermittlungsverfahren...................................................................... 31
6. Dauer der Schubhaft............................................................................................ 32
7. Rechte des/der Festgenommenen ....................................................................... 33
8. Schubhaftbeschwerde.......................................................................................... 34
9. Kosten der Schubhaft...........................................................................................35
10. Haftsituation in Österreich oder „Die im Dunkeln sieht man nicht“................36
11. Orte der Schubhaft............................................................................................. 39
11.1. Das Polizeianhaltezentrum Wien..................................................................40
12. Die Anhalteordnung (AnHO)............................................................................ 43
13. Der „Offene Vollzug“........................................................................................51
14. Widerstandsformen in der Schubhaft................................................................ 54
14.1. Selbstbeschädigung...................................................................................... 55
14.2. Hungerstreik oder
„Österreich darf sich nicht erpressen lassen“........................................................ 56
14.3. Zwangsernährung oder „Heilbehandlung“?................................................ 62
14.4. Suizid............................................................................................................ 66
2
15. Schubhaftbetreuung........................................................................................... 68
15.1. Entstehungsprozess des österreichischen Modells der Schubhaftbetreuung69
15.2. Umsetzung der Schubhaftbetreuung in die Praxis:.......................................71
15.3. NGO´s, die in der Schubhaftbetreuung tätig sind.........................................72
Theoretische Abhandlung zur Abschiebung oder „Auf der Suche nach dem
Warum“?....................................................................................................................79
II. Abschiebung oder
„Aus den Augen, aus dem Sinn“.............................................................................. 85
1. Rechtliche Voraussetzungen................................................................................86
1.1. Aufenthaltsbeendender Bescheid................................................................... 86
1.2. Abschiebungsgründe...................................................................................... 87
2. Schutz vor Abschiebung während des Asylverfahrens ...................................... 88
3. Unzulässigkeit der Abschiebung......................................................................... 90
4. Abschiebepraxis oder „Im Namen des Gesetzes“...............................................91
5. Problemabschiebungen........................................................................................ 92
6. Abschiebung - eine tödliche Praxis..................................................................... 97
7. „Wo ist Marcus Omofuma?“............................................................................... 98
7.1. Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen?
oder „Die polizeilichen Maßnahmen bei der Abschiebung
Omofumas“..........................................................................................................100
8. Weitere menschenrechtlich bedenkliche Folgen von Abschiebungen am Beispiel
Nigeria................................................................................................................... 102
9. DeportatiNO – Abschiebungen verhindern....................................................... 102
Conclusio ................................................................................................................. 106
Anhang......................................................................................................................109
Literaturverzeichnis............................................................................................... 131
3
until the philosophy which hold one race superior
and another inferior
is finally
and permanently
discredited
and abandoned
everywhere is war
that until there (are) no longer
first class and second class citizens of any nation
until the colour of a man’s skin
is of no more significance than the colour of his eyes
me say war
that until the basic human rights
are equally guaranteed to all
without regard to race
this is war
that until that day
the dream of lasting peace
world citizenship
rule of international morality
will remain ’in (nothing) but a fleeting illusion to be pursued
but never attained
now everywhere is war
bob marley
4
Einleitung
Den
Ansporn
für
meine
Diplomarbeit
lieferte
mir
meine
Arbeit
als
Flüchtlingsberaterin. In den zwei Jahren, in denen ich bei der Deserteurs- und
Flüchtlingsberatung in Wien tätig war, haben sich viele Fragen und Unverständnis in
mir aufgestaut. Unverständnis über die rassistische österreichische Gesetzgebung und
das Auseinanderklaffen der theoretischen Richtlinien und Gesetze und deren
Ausübung in der Praxis. Unverständnis darüber, dass die Diskussionen über
Flüchtlinge und MigrantInnen so geführt werden, als handle es sich nicht um
Menschen, sondern um lästige Objekte. Unverständnis darüber, dass es Menschen aus
Nicht- EU Ländern so schwer gemacht wird, im reichen Österreich Fuß zu fassen.
Unverständnis darüber, dass Menschen schwarzer Hautfarbe von Politik und Medien
stigmatisiert und missbraucht werden. Die breite Öffentlichkeit fällt zumeist auch
noch auf diese Lügen herein.
Ich weiß, dass meine Wunschvorstellung von einer Welt, in der alle Menschen
gleichberechtigt
sind,
unabhängig
von
Alter,
Geschlecht
oder
Hautfarbe
wahrscheinlich nie in Erfüllung gehen wird. Aber diese „Das Boot ist vollGesetzgebung“ und mediale (Re)Produktion von Rassismen lehne ich ab.
Heute leben wir im 21. Jahrhundert; freier Geld- und Warenverkehr gehören zum
Alltag der neoliberalen Marktwirtschaft im Zeitalter der Globalisierung. Aber wenn
es um Menschenrechte geht und darum, eine gerechte Welt für alle zu schaffen, sind
wir weit von den Idealen einer gleichen Gesellschaft entfernt. Wo sind die positiven
Nebeneffekte dieser vom Markt getragenen Demokratie, wenn es um Antirassismus,
Antispeziesismus1, Sexismus und Menschenrechte geht? Wieso wird die Angst vor
1
Der Begriff wurde erstmals Anfang der 70er Jahre von dem Psychologen Richard Ryder eingeführt.
Er beschreibt damit die weit verbreitete Diskriminierung, die von Menschen gegenüber nichtmenschlichen Tieren praktiziert wird. Aus dieser Definition von Speziesismus lässt sich eine Parallele
zu Rassismus und Sexismus ziehen. Der Begriff hat sich besonders in der Tierrechts- und
Tierbefreiungsbewegung durchgesetzt, um über die Diskriminierung hinaus die Ideologie zu benennen,
nach der Menschen es als ihr Recht ansehen, über andere Tiere zu herrschen. Der Begriff bezeichnet
alle Einstellungen, die den Mensch als die überlegene Spezies ansehen. In: Rio Radi. Zeitung für
Tierbefreiung und Antispeziesismus Nr. 2, Wien 2001.
5
„Fremden“ derart missbraucht, sodass Individuen, die nicht ins Bild passen, das
Leben so schwer gemacht werden kann. Und außerdem: Wer ist Schuld an der Misere
in der sogenannten „Dritten Welt“? Ich weiß; ich befinde mich nicht in einer Position,
um Schuldzuweisungen aussprechen zu können, aber war es nicht unter anderem der
Kolonialismus, der Strukturen ganzer Länder zerstört, Rohstoffe gestohlen, Menschen
getötet und ihrer Freiheit beraubt hat? Diese Politik machte aus einem Teil der
Menschen „second class people“ aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religionen und
anderen Lebensvorstellungen und ihrer, den Kolonialisten der damaligen Zeit
unverständlichen Gesetzgebungen und Regulierungen sozialer Prozesse. Und jetzt
sind es genau die Menschen aus den ehemals kolonialisierten Ländern, die versuchen,
im reichen Europa Fuß zu fassen, geblendet von falschen Realitätsschilderungen
durch die Medien. Die legale Einreise nach Europa ist nur einer sehr beschränkten
Minderheit gestattet. Die undokumentierte, „unrechtmäßige“ Einwanderung steigt,
weil die Möglichkeit der legalen Einreise stetig eingeschränkt wird. So lange es
Migrationsregulierung gibt, so lange wird es Menschen geben, die aus
verschiedensten Gründen versuchen, diese Regelungen zu umgehen. Strenge
Zuwanderungsregulierung forciert sozusagen die illegalisierte Einreise, was durch die
Realität an den Mauern der "Festung Europa" täglich bestätigt wird.
Das Anliegen der vorliegenden Arbeit ist die Thematisierung einer Fragestellung, die
in der medialen Berichtererstattung nur äußerst marginal behandelt wird. Es geht um
reale Lebenswelten, Handlungsspielräume und Überlebensstrategien von Flüchtlingen
in einem besonders problematischen Stadium des Asylverfahrens, der Phase nach der
rechtskräftig negativen Entscheidung. Wie Österreich auf Grund der geltenden
Gesetzeslage mit dieser Gruppe von Menschen umgeht, ist ein weiterer Punkt, der
vertieft werden soll. Ziel meiner Diplomarbeit ist es, eine Grundlage für die weitere
Auseinandersetzung mit dem Thema Schubhaft und Abschiebung zu schaffen, da auf
sozialwissenschaftlicher Ebene diesem Thema bis jetzt keine große Aufmerksamkeit
geschenkt wurde. Meiner Meinung nach aber ist eine genaue Beschäftigung mit
6
diesem sozialpolitischen Phänomen unumgänglich, da täglich europaweit Tausende
Menschen von Schubhaft und Abschiebung betroffen sind.
Das utopische Ziel dieser Arbeit ist es, mit ihr einen Schritt setzen zu können hin zu
einer Politik der Bewegungs- und Bleibefreiheit für alle.
Im theoretischen Teil wird versucht, die historisch konstruierten und strukturellen
Voraussetzungen für die Existenz und die Situation in den Polizeianhaltezentren
(PAZ) herauszuarbeiten. Es werden Rahmenbedingungen aufgezeigt, die als
Erklärungsversuche dienen können, weshalb im 21. Jahrhundert derartige Missstände
im Zusammenhang mit „Fremden“ vorherrschen. Im empirischen Teil wird eine
Bestandsaufnahme von Fakten bezüglich Schubhaft und Abschiebung in Österreich,
unter Berücksichtigung folgender Fragestellungen vorgenommen: Was ist Schubhaft,
und wer ist davon betroffen? Wie produziert und legitimiert die „Sprache der
Gesetze“ und die politische Kultur eine Realität von Gewalt, Misstrauen, Angst,
Diskriminierung und Rassismus? Wie sind die Polizeianhaltezentren (PAZ)
organisiert und wie schaut der Häftlingsalltag aus? Welche Rechte und Pflichten
haben
die
Angehaltenen?
Welche
Rolle
kommt
den
Schubhaftbetreuungsorganisationen zu? Weshalb werden die inhaftierten Nicht ÖsterreicherInnen als zweitklassig behandelt? Wo liegt der Ursprung eines solchen
Handelns? Wie kommt es dazu, dass Menschen „illegalisiert“ sein können? Wieso
sterben Menschen, die sich in der „Obhut“ der Polizei befinden ohne Folgen für die
BeamtInnen und die polizeiliche Praxis?
In den jeweiligen ersten Abschnitten der beiden Hauptteile habe ich einen kurzen
Streifzug durch den österreichischen Gesetzesdschungel vorgenommen, um zu
veranschaulichen, wie vielen Gesetzen, Vorschriften und Regelungen der Aufenthalt
eines/einer „Fremden“ in Österreich zu Grunde liegt. Die Institution der Schubhaft
und Abschiebung ist nach der Gesetzeslage der Asylgesetzesnovelle 2004 und dem
7
Fremdengesetz 1997 erfasst.2 Besonderes Augenmerk wird auf die Art und Weise der
Formulierung
der
Gesetzestexte
gelegt,
die
den
BeamtInnen
große
Handlungsspielräume offen lassen. Die Gesetzestexte sind durch eine xenophobe
Sprache gekennzeichnet und scheinen geeignet, fremdenfeindliche und rassistische
Strömungen bei den vollziehenden Behörden zu erzeugen, beziehungsweise zu
verstärken. Die gesetzlichen Bestimmungen nehmen Pauschalverdächtigungen von
„Fremden“ vor. Besonders auffallend bei den Analysen des Fremden- und
Asylgesetzes
ist
die
Allgegenwart
eines
Missbrauchsverdachtes
und
Querverbindungen zum Strafrecht.3 Des weiteren soll aufgezeigt werden, wie Gesetze
über „Körper“ („Körper = Mensch“) , entscheiden und welche Formulierungen von
staatlicher Seite benutzt werden, um passiver Gewalt, wie der Inhaftierung eines
Menschen, Legitimation zu schenken.4 Einen Schwerpunkt stellt die Auflistung der
öffentlich bekannt gewordenen Tode bei Abschiebungen und in der Schubhaft dar.
Dadurch soll wiederum das wahre Ausmaß der Fremdengesetze hervorgehoben
werden.
Der Teil über die Widerstandsformen in der Schubhaft soll aufzeigen, welche
Überlebensstrategien entwickelt wurden, um einer möglichen Abschiebung in das
Herkunftsland zu entgehen. Viele Menschen riskieren ihr Leben und ziehen
Selbstmord oder Hungerstreik, der immer mit enormen Gesundheitsschäden
verbunden ist, der Rückkehr in das Herkunftsland vor. Österreich reagierte auf diese
Praxis unter anderem mit der Einführung der Schubhaftbetreuung und mit einem
verschärften
Asylgesetz.
Welche
Möglichkeiten
gibt
es
für
die
Schubhaftbetreuungsorganisationen, diesen Mechanismen entgegenzuwirken und
2
Am 01.01.2006 tritt ein neues Asylgesetz und Fremdenrechtspaket in Kraft, das in
menschenrechtlicher Hinsicht nicht weniger problematisch ist als das von 2004. Auf die wichtigsten
Änderungen, die am 01.01.2006 bezüglich Abschiebung und Schubhaft relevant werden, gehe ich in
den betreffenden Abschnitten ein.
3
Stellungnahme von amnesty international Österreich zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem
das AsylG 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundesbetreuungsgesetz, das Bundesgesetz über den
unabhängigen Bundesasylsenat und das Meldegesetz geändert werden, das Asylgesetz 2005 und das
Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen sowie das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz,
das UBAS-Gesetz und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert
werden. Wien 2005.
4
Das Spannungsfeld zwischen Recht/Gesetz und staatlicher Gewalt kommt im Fremdenrecht sehr
deutlich zum Ausdruck.
8
liegt es in ihrem Interesse, an einer schnellen und problemlosen Abschiebung von
Flüchtlingen mitzuwirken? Im Teil über die Schubhaftbetreuung in Österreich wird
an
Hand
von
zwei
Schubhaftbetreuungsorganisationen
aufgezeigt,
welche
unterschiedlichen Ansätze es bei dieser Arbeit gibt.
Abschiebegefängnisse für Flüchtlinge nehmen in der Europäischen Union zunehmend
eine zentrale Stellung ein. Sie sind die Voraussetzung, um die Ausweisung oder
Abschiebung einer großen Anzahl von Menschen planen und durchführen zu können.
Durch die Darlegung der „Causa Omofuma“ soll die Brutalität, die bei
Abschiebungen an den Tag gelegt wird, verdeutlicht werden und unter anderem auf
das gesetzliche Vakuum, in dem die Handlungen der PolizeibeamtInnen rechtlich
abgesichert sind und als „notwendige“ Maßnahmen dargelegt werden können,
hingewiesen werden. Im Gegensatz dazu formiert sich seit den 90er Jahren eine
Widerstandsbewegung in der Zivilgesellschaft, die die vorherrschende Abschiebeund Schubhaftpraxis in Europa in Frage stellt und mit Informationskampagnen und
Demonstrationen dagegen ankämpft. Gleichzeitig soll vermehrtes Verständnis in der
Öffentlichkeit für die Situation von Flüchtlingen gefördert werden.
Die Kultur- und Sozialanthropologie hat sich bis heute nicht ausreichend mit dem
Thema
„Schubhaft
und
Abschiebung“
befasst.
Die
Migrations-
und
Fluchtbewegungen sind ein relativ junges Forschungsfeld der Kultur- und
Sozialanthropologie wobei die Flüchtlingsforschung eine marginale Position in der
Globalisierungs- und Migrationsforschung einnimmt.5 Es gibt diverse Annahmen,
weshalb das Phänomen der Flucht in der Kultur- und Sozialanthropologie bis in die
achtziger Jahre nur marginal beachtet wurde. Der Anthropologe Ron Baker setzte
sich 1983 mit dieser Frage auseinander. Er geht unter anderem auf die Problematik
des multidisziplinären Forschungsansatzes ein von welchem sich ForscherInnen oft
nicht angesprochen fühlten und weist auf die Möglichkeit hin, dass Flüchtlinge, als
Teil der großen Gruppe der „ImmigrantInnen“ in der Forschung einfach
5
Binder, Susanne; Tosic, Jelena: Flüchtlingsforschung. Sozialanthropologische Ansätze und
genderspezifische Aspekte. In: SWS-Rundschau Heft 4/2003. S. 450.
9
„untergingen“. Durch die Kultur- und Sozialanthropologie könnte aber eine Lücke
zwischen Politik und dem konkreten Menschen geschlossen werden, in unserem Fall
zwischen der aktuellen Tagespolitik und dem Umgang mit AsylwerberInnen in
Österreich. So kann zum Beispiel durch kontinuierliche Feldforschung über die Art
und Weise des Umgangs der Aufnahmegesellschaft mit Flüchtlingen und die
Beobachtung des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Kontextes der
Herkunfts- und Aufnahmeregionen ein gegenseitiges Verständnis gefördert werden.
Die Kultur- und Sozialanthropologie könnte unter anderem zur Aufhebung der
Stereotypisierung von Flüchtlingen als passive Opfer und HilfsempfängerInnen
beitragen, indem der kulturelle und lebensgeschichtliche Kontext sowie die
Selbstorganisation der Flüchtlinge in den Vordergrund gerückt werden.
Aus der Zusammenarbeit von Kultur- und SozialanthropolgInnen mit den „policy
makers“ (politische EntscheidungsträgerInnen) könnten zum Beispiel effektive
Integrationsprogramme entstehen, die auf die tatsächlichen Bedürfnisse von
Flüchtlingen eingehen. So könnten Verbesserungen oder Neuerungsvorschläge, in die
auch die Flüchtlinge selbst einbezogen werden, zu einer Veränderung der staatlichen
Maßnahmen Flüchtlingen gegenüber führen und dadurch eine positivere Beziehung
geschaffen werden. AnthropologInnen könnten durch die Feldforschung, die immer
durch Interaktion mit dem „Erforschten“ gekennzeichnet ist, die Prozesse des
sozialen Wandels erforschen. Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, ihre
Heimat verlassen mussten, stehen vor der Herausforderung, sich in einer neuen
kulturellen Umgebung zurechtfinden zu müssen. Hinzu kommt die existentielle Not
als Auslöser der Flucht.6 „Dieser Prozess hinterfragt die Nützlichkeit von
Glaubensvorstellungen, Werten, Technologien, den gesellschaftlichen Status, von
Tauschsystemen
und
allen
anderen
Gesellschaftsaspekten,
an
denen
die
Anthropologie ein starkes Interesse hat.“7
Die Auswirkungen dieses Prozesses von Harrel-Bond und Voutira beschrieben,
stehen in engem Zusammenhang mit den Menschen in der Schubhaft. Diese
6
Harrel-Bond, Barbara; Voutira Eftihia: Anthropology and the Study of Refugees. In. Anthropology
Today. 8 (4). 199, S. 6ff.
7
Ebenda, S. 9.
10
unterliegen nach erfolgter Abschiebung dem selben Prozess noch einmal, diesmal im
Herkunftsland. Die Nützlichkeit von Glaubensvorstellungen, Werten, Technologien
und so weiter muss gezwungenermaßen (unter Berücksichtigung des Erlebten im
„Abschiebeland“, das ursprünglich als ein Hoffnungsschimmer, als Chance auf ein
besseres Leben in den Köpfen der Menschen gegenwärtig war-) erneut hinterfragt
werden, und dieser Bewusstwerdungsprozess während der Zeit der Inhaftierung
erzeugt eine enorme psychische Belastung.
Die Basis für die Datenerhebung im Rahmen dieser Arbeit bildet eine intensive
Literaturrecherche, die sich als problematisch erwies, da das Thema im sozialwissenschaftlichen Diskurs so gut wie gar nicht existiert. So dienen mir als
Grundlage
und
Bundesministerium
Primärquellen
für
Inneres
hauptsächlich
Gesetzestexte
veröffentlichten
Statistiken
und
die
vom
und
juristische
Abhandlungen über das Fremden- und Asylgesetz. Als Spezialliteratur zum Thema
wurden Veröffentlichungen und Homepages diverser, im Flüchtlingsbereich und in
der Antirassismusarbeit tätigen Gruppierungen und NGO’s herangezogen. Eine
bedeutende Quelle war vor allem die Homepage „no-racism.net“, deren Zielsetzung
es ist, den rassistischen Alltag, sowie Politik und ihre Folgen in Österreich, der
Festung Europa und auch international zu dokumentieren.8
Des weiteren fließen Gespräche mit Experten ein, die im Bereich der
Flüchtlingsarbeit tätig sind. Interviewt wurden:
- Herr Günther Ecker, Geschäftsführer des in der Schubhaftbetreuung tätigen Vereins
„Menschenrechte Österreich“ und Mitglied des Menschenrechtsbeirates,
- Herr Dr. North, mit dem ich über die Arbeit des Vereins „Dialog“9 sprach,
- Herr Thomas Neuwirth, Wachebeamter im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Hernalser
Gürtel. Er gestattete mir Einblicke in die Organisation der Haftanstalt und die Arbeit
der WachebeamtInnen und ihre Beziehungen und Hierarchien untereinander.
8
Entstanden ist no-racism.net aus der Plattform für eine Welt ohne Rassismus. Die erste Version der
Webpage entstand 1999 unter der Domain „www.illegalisiert.at“ als Projekt der Kampagne „kein
mensch ist illegal“.
9
Der Verein „Dialog“ ist im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel für die psychische Betreuung von
Häftlingen zuständig.
11
Gespräche mit „illegalisierten“ Flüchtlingen, die bereits in Schubhaft waren, wurden
ebenfalls geführt. Auf Grund der prekären rechtlichen Situation und auf Bitten der
Interviewten wurden die Interviews nicht aufgezeichnet. Die Angst über das Erlebte
zu sprechen und deshalb wieder in Haft genommen zu werden, war deutlich spürbar.
Während der Interviews wurden Notizen gemacht, um das Erfahrene in die Arbeit
einfließen lassen zu können.
Um mich besser in die Situation des Inhaftiert - Seins hineinversetzen zu können,
besuchte ich im Rahmen eines Geschichteseminars das PAZ Hernalser Gürtel in
Wien. Bei diesem Besuch wurde ein Gespräch mit Oberstleutnant Zinsberger, dem
Direktor des Polizeianhaltezentrums, geführt.10 Es erfolgten ebenfalls Gespräche mit
zwei diensthabenden Wachebeamten im Einzelzellentrakt und dem Wachebeamten,
der uns durch das Gebäude führte. Da wir zufällig bei der Essensausgabe auf einem
Stockwerk waren, konnten kurze Gespräche mit einigen Angehaltenen geführt
werden. Während des Aufenthaltes im PAZ trafen wir auch auf eine unangemeldete
Delegation des Menschenrechtsbeirates (MRB). Es war uns erlaubt, Fotos zu machen,
die sich am Ende dieser Arbeit wiederfinden.
Durch das folgende Zitat Schumachers soll die Situation von AsylwerberInnen in
Österreich noch einmal verdeutlicht werden:
„Es hat sich gezeigt, dass die zwangsweise Durchsetzung des Fremdenrechts an
Grenzen
stößt,
Zwangsmaßnahmen
wenn
die
von
den
angedrohten
Betroffenen
Sanktionen
als
oder
einkalkuliertes
möglichen
Risiko
einer
unrechtmäßigen Zuwanderung in Kauf genommen werden. Können angedrohte Geldund Haftstrafen in weiten Bevölkerungsteilen zu einem normkonformen Handeln
disziplinieren, versagen diese Sanktionsmechanismen, wenn sie gegen Menschen
eingesetzt werden, die (fast) nichts zu verlieren haben. Geldstrafen führen sich dann
ad absurdum, wenn bei den mittellosen Abgestraften nichts zu holen ist und die
öffentliche Hand letztlich auf den Kosten eines aufwändigen Strafverfahrens sitzen
bleibt. Auch Haftstrafen verfehlen ihre Wirkung, wenn sie von den Betroffenen als
geringeres Übel empfunden werden als das Schicksal, das ihnen bei einer
10
Das Gespräch durfte ausdrücklich nicht aufgezeichnet werden.
12
zwangsweisen Rückkehr in ihre Heimat drohen würde. Relativ ratlos stehen
Verantwortliche dem Phänomen gegenüber, dass Menschen bereit sind, ihre
Dokumente zu vernichten, in Hungerstreik zu treten oder sich selbst zu verletzen, um
einer Abschiebung zu entgehen. Und bereit sind, die extremen Lebensverhältnisse
eines unrechtmäßigen Aufenthaltes auf sich zu nehmen, nur um in Österreich bleiben
zu können. Auch eine geglückte Abschiebung ist aus der Sicht der Fremdenpolizei oft
nur ein Teilerfolg. Viele Abgeschobene kehren nämlich nach Österreich zurück und
nehmen erneut (irregulären) Aufenthalt.“11
Theoretische Abhandlung zur Schubhaft oder
„Auf der Suche nach dem Warum“?
11
Schumacher, Sebastian: Fremden und Asylrecht. Skriptum FH. Studiengang Sozialarbeit. Wien
2005, S. 97.
13
Der Pass ist der edelste Teil von einem Mensch. Er
kommt auch nicht auf so einfache Weise zustande wie
ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande
kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne
gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er
auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch
noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.
Bert Brecht, Flüchtlingsgespräche
Schubhaft ist eine Freiheitsberaubung, die ausschließlich „Fremden“ zuteil werden
kann. Schubhaft ist keine Strafhaft. Sie kann ohne Haftprüfungsverfahren von der
Verwaltungsbehörde erlassen werden, um der möglichen (!) Entziehung der
Abschiebung entgegenzuwirken. Die Folgen einer nicht erfolgten Abschiebung sind
ein Leben als „Illegalisierte®“ mit sehr geringen Chancen auf Legalisierung.
Dem Konzept der Schubhaft liegt das Konstrukt des „illegalisierten“ Menschen zu
Grunde. Illegalisierung ist ein Prozess, der sehr rasch vor sich gehen kann (und in
engem Zusammenhang mit der Souveränität der Nationalstaaten zu sehen ist. Eine
theoretische Abhandlung dazu findet sich im zweiten Teil.). Menschen, die vor
Folter, menschenunwürdigen Lebensbedingungen, Hunger, Elend, Ausbeutung oder
Krieg fliehen, erwartet statt des erhofften Schutzes ein Aufenthaltsverbot wegen
fehlenden Meldezettels oder illegalen Grenzübertritts. Es trifft aber genauso
Menschen, die seit Jahren in Österreich leben und arbeiten und die durch
verschiedene Umstände ihr Aufenthaltsrecht verlieren (auf diese Personengruppe
wird hier nicht besonders eingegangen. Ich beschränke mich auf die Darlegung der
Situation von AsylwerberInnen).
Exkurs: Die wenigen Möglichkeiten von keinem beziehungsweise prekären zu einem
„legalen“ Aufenthaltsstatus durch Eheschließung oder Adoption, werden durch das
Asylgesetz
2005
rigoros
Kontrollbestimmungen
beschnitten.
sollen
Zahlreiche
sicherstellen,
dass
Straf-,
Sanktions-,
„Aufenthaltsehen“
und
oder
14
„Aufenthaltsadoptionen“12 (Scheinehen und Scheinadoption) unterbunden werden.
Die Regelungen greifen zum Teil derartig weit in die Privatsphäre von Verlobten
oder Ehepaaren ein, dass sie aus grundrechtlich-rechtsstaatlicher Sicht sehr
bedenklich sind.13 Ab 01.01.2006 unterliegen die Standesämter der Verpflichtung,
jeden Antrag auf Eheschließung, der von einem/einer Drittstaatsangehörigen gestellt
wird, unverzüglich der Fremdenpolizei zu melden (§ 38 PStG 2005). Dies betrifft
nicht nur Ehen zwischen Drittstaatsangehörigen14 und ÖsterreicherInnen/EWR BürgerInnen,
sondern
auch
Eheschließungen
von
Drittstaatsangehörigen
untereinander. Genauso haben Bezirksverwaltungsbehörden alle Anträge auf
Namensänderung und Zivilgerichte alle Anträge auf Adoptionen von Fremden der
Fremdenpolizei mitzuteilen (§ 105 Abs. 4 FPG 2005). Bei dieser Datenweitergabe
geht es nicht um konkrete Verdachtsmomente. Es werden ausnahmslos alle
Eheschließungen und Adoptionen Drittstaatsangehöriger an die Fremdenpolizei
weitergeleitet (was in Hinblick auf das Recht auf Schutz der Privatsphäre und das
Recht auf Datenschutz ausgesprochen bedenklich erscheint). Die Entscheidung, ob
eine Eheschließung oder eine Adoption näher überprüft wird, liegt dann bei der
Fremdenpolizei.15 (Exkurs Ende).
Die österreichische Mehrheitsbevölkerung setzt „illegal“ mit „kriminell“ gleich.
Massenmedien und Aussagen von PolitikerInnen stellen diese Verbindung immer
wieder her und bestärken dadurch den rassistischen Konsens. Nach vorherrschender
Meinung handelt es sich bei Schubhäftlingen um „Kriminelle“, wie zum Beispiel als
Drogendealer
stigmatisierte
AfrikanerInnen.16
Für
die
Mehrheitsbevölkerung
12
Ehen oder Adoptionen die lediglich wegen der Erlangung eines Aufenthaltstitels erfolgen.
Wohnungen werden mitten in der Nacht von PolizeibeamtInnen gestürmt um die „Vollziehung der
Ehe“ zu kontrollieren, Kleiderschränke und Schmutzwäsche werden auf Hinweise der Anwesenheit
des/der Ehegatten/in durchsucht. Zusätzlich werden auch Fragen, die Intimsphäre betreffend gestellt.
14
Angehörige von nicht EWR-Staaten.
15
Stellungnahme von amnesty international Österreich zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem
das AsylG 1997 (AsylG -Novelle 2003), das Bundesbetreuungsgesetz, das Bundesgesetz über den
unabhängigen Bundesasylsenat und das Meldegesetz geändert werden, das Asylgesetz 2005 und das
Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen sowie das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz,
das UBAS - Gesetz und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert
werden. Wien 2005, S. 84.
16
Als eines von vielen Beispielen äußerst problematischer und rassistischer Berichterstattung
österreichischer Printmedien wird hier ein Zitat aus der Kronenzeitung vom 20.12.2002 angeführt:
„3000 Afrikaner als Drogendealer! In Österreich halten sich mehr als 3000 (!) Drogenhändler aus
13
15
erscheint klar: wer nichts getan hat, kommt auch nicht in Haft. Haft hat eben mit
Gefängnis und Gefängnis mit Untat zu tun, und „Illegalität“ weist auf Rechtsbruch,
auf Delikt hin.
Jeder Mensch sollte das Recht haben, selbst zu entscheiden wo und wie er/sie leben
will. Der Regulierung von Migration und der systematischen Verweigerung von
Rechten stellt die Kampagne „kein mensch ist illegal“ die Forderung nach Gleichheit
in allen sozialen und politischen Belangen, nach Respektierung der Menschenrechte
jeder Person, unabhängig von Herkunft oder Papieren entgegen. 17
Um politische Tendenzen, die versuchen, Menschenrechte für bestimmte Gruppen
außer Kraft zu setzen, bekämpfen zu können, ist die genaue Analyse der
diskriminierenden Rhetorik der erste Schritt. Denn die Sprache – vor allem die
politische Sprache – schafft Realitäten. Sprecher und Sprecherinnen besitzen in
bestimmten kulturellen und gesellschaftspolitischen Zusammenhängen Macht und
sind somit in der Lage, Gruppen ein- oder auszuschließen, zu verschlingen oder zu
vernichten. Worte, Parolen und ideologische Programme können Taten vorbereiten
und sind wichtige Signale für potentielle Aktionen. Man sollte diese daher ernst
nehmen. Offensichtlich rassistische Sprache erkennt fast jeder und jede. Die subtilen
problematischen Formulierungen der Gesetzestexte hingegen sind nicht so leicht
greifbar. Bei der Lektüre der Gesetzestexte lässt sich erkennen, wie Österreich auf
verschiedensten Ebenen mit „Fremden“ umgeht.18 Wodak spricht in diesem
Zusammenhang auch von einer Renaissance von antisemitischer, rassistischer
Terminologie als ein österreichisches Spezifikum (im Zusammenhang damit, dass
Österreich das erste westeuropäische Land ist, in dem nach 1945 eine teilweise offen
xenophobe Partei in der Regierung sitzt).19 Eine unmittelbare Auswirkung in diesem
Zusammenhang ist meiner Meinung nach die zweimalige Verschärfung des Fremden-
Afrika auf. Viele von ihnen leben als Asylwerber in Wien, Graz und Linz! Diese alarmierenden Fakten
gab nun das Kriminalamt Wien bekannt. Seit dem Frühjahr wurden insgesamt 19 Drogenringe
zerschlagen und der Verkauf von 400 Kilo Rauschgift nachgewiesen!“
17
„kein mensch ist illegal“. Broschüre S. 1ff.
18
Wodak, Ruth; Menz, Florian: Sprache in der Politik. Politik in der Sprache. Analysen zum
öffentlichen Sprachgebrauch. Klagenfurt 1990. S. 7ff.
19
http://www.bmbwk.gv.at/medienpool/3673/publ2_d.pdf, am 10.12.2005.
16
und Asylgesetzes (2003 und 2005) innerhalb der fünfjährigen Legislaturperiode von
ÖVP/FPÖ.20
Als
einen
wichtigen
Theorieansatz
im
Zusammenhang
mit
dem
Thema
AsylwerberInnen und Schubhaft/Abschiebung erscheint mir die These Giorgio
Agambens. In seinem Buch „homo sacer“ arbeitet er heraus, dass durch die
Institution der Abschiebegefängnisse21 ein entscheidender Schritt gesellschaftlicher
Ausgrenzung und Entrechtung der MigrantInnen und Flüchtlinge hin zu einem Status
von „Illegalen“ vollzogen wird. Agamben weist darauf hin, dass ein Ritual des
Entzuges der Menschen- und Bürgerrechte, der Inhaftierung vorausgeht wo die
Gefangenen nicht mehr als Rechtssubjekte gelten, da sie vom juristischen Standpunkt
aus nicht länger auf dem Staatsgebiet existieren (dürften), auf dem sie sich faktisch
aber aufhalten. So entsteht ein Ausnahmezustand in dem die Festgehaltenen keinerlei
Rechte haben, denn juristisch gesehen, dürften sie nicht mehr „hier“ sein. „Es ist als
wäre ihre physische Existenz vollkommen vom juridischen Status getrennt worden.“22
In der Abschiebehaft bleibt den Inhaftierten nur mehr das nackte Leben; sie sind ohne
jeden rechtlichen Status. Die Abzuschiebenden befinden sich zwar auf dem
Territorium des Nationalstaates, nicht aber innerhalb der Nationalgrenzen, denn
formalrechtlich sind sie bereits abgeschoben und haben nun mehr zu warten, dass sich
ihre Deportation auch praktisch vollzieht.23 Diese Überlegungen Agambens
erscheinen mir als ein grundlegendes Erklärungsmodell der Zustände in den
Polizeianhaltezentren und dafür, dass BeamtInnen, unter deren Aufsicht Menschen im
Gefängnis oder bei Abschiebeflügen sterben, auf rechtlicher Ebene abgesichert sind
und weiterhin im Dienst bleiben.
Als ein weiteres Erklärungsmodell dafür, dient hier das Phänomen des Rassismus.
Meiner Meinung nach findet sich in der Existenz der Schubhaft der Höhepunkt des
20
Wohingegen in der Zeit zwischen 1968 (erstes Asylgesetz) und dem Jahr 2000 ebenfalls zweimal ein
„neues“ Asylgesetz beschlossen wurde 1991 und 1997. In: Gürses, Hakan; Kogoj, Cornelia; Mattl,
Silvia: Gastarbejteri. 40 Jahre Arbeitsmigration. Wien 2004, S. 35 - 44.
21
Begriff für Polizeianhaltezentren in Deutschland.
22
Ohne Bürgerrechte bleibt nur das nackte Leben. Interview mit Giorgio Agamben über Abschiebung
und Lager ohne Namen. In: Reader zur Kampagne gegen Abschiebungen, Abschiebeknäste und
Abschiebelager. Leipzig 2002. S. 44.
23
Ebenda, S. 45ff.
17
Institutionellen Rassismus. Auf wissenschaftlicher Ebene gibt es eine Fülle von
verschiedenen
Rassismusdefinitionen.
Die
Definition
des
Internationalen
Übereinkommens zur Beseitigung jeglicher Formen von Rassendiskriminierung von
1966 lautet: „jede Unterscheidung, jeden Ausschluss, jede Einschränkung oder
Bevorzugung auf Grund von Rasse, Farbe, Abstammung, nationaler oder ethnischer
Herkunft mit dem Ziel oder der Folge, die Anerkennung, den Genuss oder die
Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf gleicher Grundlage im
politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem anderen Bereich des
öffentlichen Lebens aufzuheben oder zu behindern.“24 Bei dieser Formulierung darf
der politisch/rechtliche und zeitliche Charakter nicht übersehen werden und genauso
ist festzuhalten, dass „Rasse“ nicht weiter hinterfragt wird, sondern als gegeben
angenommen wird. ZARA (Verein für Zivilcourage und Antirassismusarbeit)
definiert Rassismus im Gegensatz zu der oben genannten wissenschaftlichen
Definition folgendermaßen: „Rassistische Diskriminierung bedeutet, dass ein
Mensch aufgrund seiner Hautfarbe, seiner Sprache, seines Aussehens, der
Religionszugehörigkeit, Staatsbürgerschaft oder Herkunft in irgendeiner Form
benachteiligt wird.“ Zu dieser Definition wird des weiteren hinzugefügt:
„Benachteiligungen, Beschimpfungen und tätliche Angriffe: Bei der Arbeits- und
Wohnungssuche, in Lokalen und Geschäften, bei Kontakten mit Behörden und mit
Privaten, im öffentlichen Raum und auch durch Medien. So erleben viele Menschen
rassistische Diskriminierungen.“ 25
Wird die Erklärung für Rassismen nicht bloß auf das individuelle Verhalten oder die
ideologische Einstellung reduziert, sondern wird Rassismus als Teil eines Ganzen
gesehen, dann spielt die Funktion der staatlichen Institutionen eine wesentliche Rolle.
Diese Funktion wird zum Beispiel durch mangelnde Strafverfolgung von
rassistischen Handlungen oder beim „Gewähren - lassen“ innerhalb einer Institution
24
Schneider, Robin: Diskriminierung, Rassismus, und Fremdenfeindlichkeit in Europa: Ein Überblick
über die Rechtslage in der EU und Thesen für eine europäische Gleichstellungspolitik. In: Institut für
sozialpädagogische Forschung. Mainz 1997, S. 193.
25
Bachinger, Eva: Anti-Rassismus-Arbeit in Österreich. In: Sammelmappe zu ZARA – Lehrgang
„Rassismus und Zivilcourage“. Wien 2002. S. 2f.
18
sichtbar.26 Essed schreibt in diesem Zusammenhang, dass Strukturen des Rassismus
nicht außerhalb von Handelnden zu fassen sind, sie sind vielmehr durch Handelnde
erzeugt. Spezifische Praxen sind nur dann rassistisch, wenn sie existierende
rassistische Ungleichheiten im System zu aktivieren vermögen.27 Sie unterstreicht
hier also den Zusammenhang von Alltags- und Institutionellem Rassismus (denn
Individuen sind immer Handelnde innerhalb von Machtstrukturen). Alltagsrassismus
ist nach Essed die Integration von Rassismus in Alltagssituationen durch Praxen,
welche darunter liegende Machtverhältnisse relativieren. Dabei ist auch zu beachten,
dass Menschen unterschiedlich involviert und betroffen sein können, abhängig von
Gender, „Klasse“, Status und anderen Faktoren, welche Inhalt und Struktur von
alltäglichem Leben bestimmen.28 Rassismus ist also einerseits als Struktur zu
begreifen, da sich „rassische“ und „ethnische“ Dominanz im System ablagert.
Gleichzeitig aber kommt es zur Reproduktion von Rassismus durch das System in der
Formulierung von Regeln und Gesetzen, sowie durch den Zugang zu Ressourcen.29
Einfacher ausgedrückt bedeutet dies, dass Rassismus in ökonomischen und
politischen Institutionen, im Bereich von Bildung und Erziehung und in den Medien
verankert ist, und gleichzeitig auch wieder durch diese Strukturen reproduziert wird. 30
Essed liefert meiner Meinung nach die treffendste Definition von Rassismus, den sie
sowohl als Struktur als auch als Prozess beziehungsweise Praxis und Ideologie
versteht.
Des
weiteren
fasst
sie
Rassismus
als
Rechtfertigung
und
als
Gruppenphänomen auf. Sie definiert Rassismus folgendermaßen: „Rassismus ist eine
Ideologie, eine Struktur und ein Prozess, mittels derer bestimmte Gruppierungen auf
26
Verena Krausneker kommt in ihrer Studie: “Rassismus in Österreich! Rassismus in Österreich?“
Analyse und theoretische Einbettung von Diskriminierung, unter 5.4. in Bezug auf die Rolle der
Exekutive zu einer ähnlichen Annahme: ....“Auffällig bei der Analyse der Übergriffe im Bereich der
Polizei ist, dass allen ein Brutalitätsniveau eigen ist, das sich in keinem der anderen Gebiete in auch
nur annähernd ähnlicher Art und Weise wiederfinden lässt. Im Zusammenhang mit dem Polizeiapparat
scheint es, dass körperliche Übergriffe und extreme Brutalität vor allem in Dienstzeiten verwirklicht
werden, dass es also strukturelle Eigenschaften der Organisation „Polizei“ gibt, die derartige
Handlungsweisen nicht ausreichend kontrolliert und sanktioniert.“ Diese Studie von Verena
Krausneker, von 1999 wurde vom Bundesministerium für Wissenschaft gefördert.
27
Essed, Philomena: Understanding everyday racism. A Interdisciplinary Theory. London/New Delhi
1992. S. 39.
28
Ebenda, S. 50f.
29
Ebenda, S. 44.
30
Ebenda, S. 266.
19
der Grundlage tatsächlicher oder zugeschriebener biologischer oder kultureller
Eigenschaften als wesensmäßig andersgeartete und minderwertige „Rassen oder
ethnische Gruppen angesehen werden. In der Folge dienen diese Unterschiede als
Erklärung dafür, dass Mitglieder dieser Gruppierungen vom Zugang zu materiellen
und
nicht-materiellen
Ressourcen
ausgeschlossen
werden.“
I. Die Schubhaft oder
„Willkommen in Österreich“
Schubhaft ist keine Strafe, sollte eigentlich keine sein und doch wirkt sie wie eine
Strafe. Und zwar wie eine besonders tückische. Das Wort Haft allein indiziert eine
20
Gleichsetzung der Schubhäftlinge mit Strafgefangenen. Häftlinge sind sie, also
müssen sie auch irgend etwas angestellt haben.31
„Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern
dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltverbotes
oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die
Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.
Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft
nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist,
sie würden sich dem Verfahren entziehen. (§ 61 FrG)“32
„Fremder ist, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. (§ 1
FrG)“33
Schubhaft ist eine Maßnahme, von der lediglich Menschen, die die österreichische
StaatsbürgerInnenschaft nicht besitzen, sich aber trotzdem im Bundesgebiet
aufhalten, betroffen sein können. Für Menschen mit österreichischem Pass gibt es
diese Form des Freiheitsentzugs nicht. Die Schubhaft gilt nicht als Strafhaft, sondern
als
Sicherungsmaßnahme.34
Der
Haftverhängung
liegen
keine
kriminellen
Handlungen zu Grunde.
1. Haftgründe
Die Gründe für aufenthaltsbeendende Maßnahmen und die darauf folgende InSchubhaft - Nahme von AsylwerberInnen und MigrantInnen sind im Fremdengesetz
folgendermaßen festgelegt:
31
Petrovic, Madeleine: Schubhaft – die unverhältnismäßige Strafe. In: Schubhaft. Einperren
-Abschieben. Schubhaft in Österreich. Der Grüne Klub im Parlament. Wien, S. 5.
32
Schumacher, Sebastian: Gesetzessammlung Fremdenrecht. Wien 2003, S. 179.
33
Ebenda, S. 123.
34
Schumacher, Sebastian: Fremdenrecht. Wien 2003, S. 230.
21
-
§ 33 (1) Fremde können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich
nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
-
§ 33 (2) Fremde, die weder über einen Aufenthaltstitel verfügen noch
Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit (§ 30 Abs. 1) genießen, können mit
Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie
1. von einem Strafgericht wegen einer innerhalb eines Monates nach der
Einreise begangenen Vorsatztat, wenn auch nicht rechtskräftig, verurteilt
wurden oder
2. innerhalb eines Monates nach der Einreise bei der Begehung einer Vorsatztat
auf frischer Tat betreten oder unmittelbar nach Begehung der Vorsatztat
glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt wurden, wenn überdies die strafbare
Handlung mit beträchtlicher Strafe bedroht ist und eine Erklärung des
zuständigen Staatsanwaltes vorliegt, dem Bundesminister für Justiz gemäß §
74 ARHG berichten zu wollen,
3. oder innerhalb eines Monats nach der Einreise gegen die Vorschriften, mit
denen Prostitution geregelt ist, verstoßen
4. oder innerhalb eines Monats nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem
Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen oder
5. innerhalb eines Monats nach der Einreise von einem Organ der Zollbehörde,
der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen des
Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten werden, die sie nach
dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätten dürfen, oder
6. unter Missachtung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes oder unter
Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und während dieses nicht
rechtmäßigen Aufenthaltes binnen einem Monat betreten werden
und wenn ihre sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung
erforderlich ist.
22
-
§ 33 ( 3 ) Die Ausweisung gemäß Abs. 2 wird mit ihrer – wenn auch nicht
rechtskräftigen – Erlassung durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich
auszureisen.35
Wird ein Fremder auf Grund seines unrechtmäßigen Aufenthalts (§ 33 Abs. 1)
ausgewiesen, so ist laut Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention
(EMRK)36 und § 37 FrG, sein Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens zu
berücksichtigen. Artikel 8 der EMRK lautet:
Absatz 1: Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und
Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Absatz 2: Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts
ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine
Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale
Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des
Landes, die Verteidigung der Ordnung zur Verhinderung strafbarer Handlungen,
zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und
Freiheiten anderer notwendig ist.37
Nun stellt sich die Frage, inwieweit zum Beispiel eine undokumentierte “illegale“
Einreise, mangelnde Unterhaltsmittel oder illegale Prostitution die öffentliche und
nationale Sicherheit stören oder das wirtschaftliche Wohl des Landes beeinträchtigen.
Inwieweit fallen solche Delikte, begangen durch MigrantInnen oder Flüchtlinge unter
die Voraussetzungen für die Maßnahme der Außerlandesbeschaffung eines/einer
„Fremden“, schafft doch die österreichische Gesetzgebung selbst den rechtlichen
35
Ebenda, S. 153f.
Die EMRK wurde am 4. November 1950 im Rahmen des Europarates ausgearbeitet und trat am 3.
September 1953 in Kraft. Sie enthält einen Katalog von Grund- und Menschenrechten und wurde von
allen Mitgliedern des Europarates unterzeichnet und zu innerstaatlichem Recht deklariert, das heißt,
dass die EMRK in Österreich Verfassungsrang hat. Österreich unterzeichnete die EMRK am 16. April
1956.
37
Schumacher, Sebastian: Fremdenrecht. Wien 2003, S. 239.
36
23
Rahmen, innerhalb dessen die Begehung von Straftaten oft zur scheinbaren
Notwendigkeit für die „Fremden“ wird, wie zum Beispiel durch das Verbot für
AsylwerberInnen,
legal
einer
erwerbstätigen
Arbeit
nachzugehen,
die
problematischen Voraussetzungen für die Aufnahme in die Bundesbetreuung38 oder
die Unmöglichkeit der legalen Einreise, verursacht durch die restriktiven
Einwanderungsgesetze.
Bei AsylwerberInnen wird der Aufenthalt durch das Asylgesetz geregelt. Ist das
Asylverfahren negativ, also haben Asylbehörden festgestellt, dass die Person in
Österreich keinen Anspruch auf Schutz vor Verfolgung hat, muss von diesen
festgestellt werden, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der
Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, (siehe dazu § 57 FrG)39 oder ob die
Voraussetzungen für den Status des „subsidiären Schutzes“ vorhanden sind.
Subsidiärer Schutz bedeutet, dass der/die AntragstellerIn keiner Verfolgung im Sinne
der Genfer Flüchtlingskonvention40 (GFK) unterliegt, aber aus anderen Gründen
41
nicht in ihren/seinen Herkunftsstaat zurückgeschoben werden kann.42
Gründe
für
die
Schubhaftverhängung
gegen
AsylwerberInnen
gemäß
Asylrechtsnovelle 2003:
38
Die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über Maßnahmen zur Grundversorgung für hilfsund schutzbedürftige Fremde wie für AsylwerberInnen und nicht abschiebbare Personen. Den
Betroffenen wird Unterkunft, Verpflegung und ein kleines Taschengeld zur Verfügung gestellt.
Ausgeschlossen werden können jene, die trotz Aufforderung, nicht an der Feststellung ihrer Identität
oder ihrer Hilfsbedürftigkeit mitwirken oder die innerhalb von sechs Monaten nach rechtskräftigem
Abschluss ihres Asylverfahrens einen weiteren Asylantrag einbringen oder wenn nicht an der
Feststellung des für die Asylverfahrensführung notwendigen Sachverhaltes mitgewirkt wird. In:
www.unhcr.at/pdf/924.pdf, am 13.09.2005.
39
Schumacher, Sebastian: Gesetzessammlung Fremdenrecht. Wien 2003, S. 176.
40
Artikel 1 der GFK von 1951 bildet die Grundlage der Flüchtlingsdefinition. Flüchtling im Sinne der
GFK ist, wer aus begründeter Furcht vor Verfolgung auf Grund von Rasse, Religion, Nationalität,
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Überzeugung sich
außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er/sie besitzt, und den Schutz dieses Landes
nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will. In:
http://www.aufenthaltstitel.de/genferkonvention.html#1, am 15.07.2005.
41
Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Todesstrafe oder eine Bedrohung der
Freiheit, des Lebens aus anderen Gründen als in der GFK genannt. In:
http://www.unhcr.at/index.php/cat/56/aid/973, am 15.07.2005.
42
Schumacher, Sebastian: Ratgeber Fremdenrecht Update 1. Mai 2004, S. 15.
24
-
§ 34b. (1) Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann Schubhaft zum
Zwecke der Sicherung der Ausweisung oder Abschiebung mit Bescheid
anordnen, wenn
1.
der Asylwerber sich im Zulassungsverfahren ungerechtfertigt aus der
Erstaufnahmestelle entfernt hat;
2.
gegen den Asylwerber eine – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung
gemäß der §§ 5a und 6 erlassen wurde, oder
3.
der Fremde nach einer rechtskräftigen Zurückweisungsentscheidung im
Zulassungsverfahren oder nach rechtskräftig negativer Entscheidung einen
neuerlichen Asylantrag (Folgeantrag) stellt oder einbringt.43
Aus diesen Gesetzestexten geht hervor, dass es AsylwerberInnen nicht erlaubt ist,
während des Zulassungsverfahrens die Erstaufnahmezentren44 zu verlassen, was
bereits eine Einschränkung der persönlichen Freiheit zur Folge hat. Wird der
Asylantrag im Zulassungsverfahren als unbegründet zurückgewiesen, kann der/die
AntragstellerIn sofort in Schubhaft genommen werden. Durch die Asylrechtsnovelle
2003 wurde den sogenannten “Folgeanträgen“ ein Riegel vorgeschoben. Im
Asylgesetz 1997 gab es noch die Möglichkeit, einen Asylantrag direkt aus der
Schubhaft zu stellen, mit dem Nebeneffekt der Haftentlassung. Diese Praxis wurde
2003 mit dem Vorwand des Asylmissbrauchs verboten. 45
2. Aufenthaltsverbot
43
Schumacher, Sebastian: Gesetzessammlung Asylrecht. Wien 2004, S. 30.
Mit dem Inkrafttreten des Asylgesetzes am 1. Mai 2004 wurde das Zulassungsverfahren eingeführt.
Das Zulassungsverfahren ist der inhaltlichen Prüfung von Asylanträgen in einer der drei
Erstaufnahmestellen (EAST) Traiskirchen, Schwechat oder Thallam in St. Georgen im Attergau
vorgelagert. Es soll der Verfahrensbeschleunigung dienen, indem AsylwerberInnen in einer der
Erstaufnahmestelle angehalten werden und dort im Eiltempo, längstens innerhalb von zwanzig Tagen,
eine Ersteinvernahme und Entscheidung über die Zulässigkeit des Asylantrages erfolgt. In:
http://www.integrationsportal.at/icmpd/public/?&RID=&id=16627&class=container, 18.07.2005.
45
http://www.integrationsportal.at/icmpd/public/?&RID=&id=16627&class=container, 18.07.2005
44
25
Vereinfacht gesagt, ist ein Aufenthaltsverbot eine Ausweisung46 verbunden mit dem
Verbot der Wiedereinreise in das Bundesgebiet. Durch das Aufenthaltsverbot kann
der legale Aufenthalt eines/einer Fremden in Österreich zur Wahrung der öffentlichen
Interessen beendet werden.47 Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes hängt von
der Schwere des Deliktes ab und kann von 3 Jahren aufwärts bis hin zur unbefristeten
Dauer reichen.48 Die Gründe für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes sind im
§ 36 FrG festgelegt. Die Gründe für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen
AsylwerberInnen sind:
(1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf
Grund bestimmter Tatsachen49 die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
1. die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen
zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein
Fremder
1. von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von
mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu
einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten
oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung
beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
4. im Inland wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die Vorschriften,
mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft oder im In- oder
Ausland wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist.
46
Eine Ausweisung ist die Aufforderung an einen „Fremden“, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes
das Inland zu verlassen.
47
Schröttner-Thurner, Birgit: Schubhaft in Theorie und Praxis. Graz 1994, S. 4.
48
Schumacher, Sebastian: Fremdenrecht. Wien 2003, S. 244.
49
„...auf Grund bestimmter Tatsachen“ ist wiederum eine Formulierung, die den BeamtInnen großen
Handlungsspielraum einräumt, da die „bestimmten Tatsachen“ nirgends genauer definiert werden und
die Auslegung somit den BeamtInnen überlassen ist.
26
7. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei
denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des
letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten
Erwerbstätigkeit nachgegangen. (Mittellosigkeit)
8. eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines
Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein
gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nie geführt und für
die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat. (Scheinehe)
9. An Kindes statt angenommen wurde und die Erlangung oder Beibehaltung
ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt
war, jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern
getäuscht wurde. (Scheinadoption)50
Ein Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit, darf für AsylwerberInnen laut § 21
AsylG nicht erlassen werden, wenn sie
-
über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügen (so lange bis über den
Asylantrag rechtskräftig entschieden wurde) und
-
den Asylantrag aus eigenem Antrieb heraus gestellt haben.51
Zu beachten gilt aber, dass trotz der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes, ein(e)
AsylwerberIn im laufenden Asylverfahren nicht abgeschoben werden darf!52.
Grundsätzlich gilt, dass das Aufenthaltsverbot nicht vollstreckbar ist, so lange das
Asylverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.
In der Praxis erweist es sich oft als schwierig, den Betroffenen zu erklären, dass
einem Aufenthaltsverbot, so lange das Asylverfahren nicht rechtskräftig entschieden
ist, keine Bedeutung zu kommt.53
50
Schumacher, Sebastian: Gesetzessammlung Fremdenrecht. Wien 2003, S. 157ff.
Ebenda, S. 252.
52
Ebenda, S. 253.
53
Wie erklärt man Menschen aus verschiedensten Herkunftsländern das österreichische Rechtssystem,
wobei erschwerend hinzukommt, dass die Praxis und die Theorie weit auseinander klaffen? Was wir
als BeraterInnen den KlientInnen den rechtlichen Grundlagen entsprechend als unmöglich erklären,
erweist sich im Alltag der AsylwerberInnen oft als Realität. Die Menschen sind extremen Ängsten
51
27
Im Jahr 2004 wurden laut Statistik des BMI insgesamt
9.132 Aufenthaltsverbote erlassen.
Davon
2.929 wegen Mittellosigkeit,
24 wegen Prostitution,
200 wegen Scheinehe,
36 wegen Scheinadoption,
2.662 wegen einer rechtlichen Verurteilung und
1.819 wegen Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit.
Insgesamt sind bis Ende des Jahres 2004
76.178 Aufenthaltsverbote aufrecht.
Werden die Zahlen nach der Staatsangehörigkeit gegliedert, steht Rumänien mit
11.658 aufrechten Aufenthaltsverboten an erster Stelle der Statistik, gefolgt von
Jugoslawien (Serbien und Montenegro), Afghanistan und der Russische Föderation.
Indien steht an fünfter Stelle mit 3.839 und Nigeria als einziges afrikanisches Land in
der Statistik an siebzehnter Stelle mit 1.526 aufrechten Verboten. Deutschland steht
mit 1.092 aufrechten Aufenthaltsverboten an zweiundzwanzigster Stelle.54
3. Zweck der Schubhaft
„Fremde“ können festgenommen und angehalten werden um:
-
das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots (§ 36 FrG) oder einer
Ausweisung (§ 33 FrG)
-
um die Abschiebung (§ 56 FrG)
-
um die Zurückschiebung (§ 55 FrG) oder
ausgesetzt und verlassen ihre Unterkünfte nur selten, da sie befürchten, bei einer Polizeikontrolle
sofort in Schubhaft genommen zu werden.
54
www.bmi.gv.at/downloadarea/asyl_fremdenwesen_statistik/Jahr2004.pdf., 10.10.2005, S. 87ff.
28
-
um die Durchbeförderung (§ 58 FrG)
zu sichern.55
Zu den genannten Haftgründen kommt laut Verfassungsrecht auch die Voraussetzung
der „Notwendigkeit“ hinzu. Damit die Schubhaft rechtmäßig ist, muss sie zusätzlich
verhältnismäßig sein. In
Art. 1 Abs. 3 PersFrBVG heißt es: „nur gesetzlich
vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist“. In
Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG heißt es außerdem: „wenn dies notwendig ist, um eine
beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern“56
Die laut Verfassung bestehende Verpflichtung zur Prüfung der Notwendigkeit der
Haft wird in § 66 FrG relativiert: „Die Behörde kann von der Anordnung der
Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck
durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann“.57
Die Problematik, die sich aus diesen Gesetzesauszügen ergibt ist, dass die
„Notwendigkeit“ der Haft von der Willkür der BeamtInnen abhängig ist (die Behörde
kann).
Die
Formulierung
Entscheidungsfreiheit,
der
die
Gesetzestexte
durch
den
lässt
den
Behörden
institutionalisierten
sehr
Rassismus
viel
der
österreichischen Gesetzgebungsapparate gedeckt wird.58
Der/die Fremde ist also von den subjektiven Eindrücken, dem Weltbild, den
Lebensvorstellungen und vor allem von der Bildung der BeamtInnen abhängig. Trifft
ein Mensch zum Beispiel auf eine/einen aufgeschlossene/n Beamtin/Beamten, kann
es eher zur Maßnahme des gelinderen Mittels kommen.
So hat zum Beispiel ein Mann aus Nigeria, der durch die österreichische
Berichterstattung in den Massenmedien zum Drogendealer stigmatisiert ist, selten die
Chance auf die Anwendung des gelinderen Mittels (in den öffentlich zugänglichen
55
Kux, Julia: Schubhaft – Haft ohne Delikt. Innsbruck 2001, S. 8.
Ebenda, S. 10.
57
Ebenda, S. 10f.
58
Der institutionelle Rassismus manifestiert sich bereits in § 1 FrG. Dadurch werden Menschen, die
keinen österreichischen Pass haben, von genau definierten Segmenten der Gesellschaft
herausgenommen. AsylwerberInnen wird auf Grund ihrer Herkunft zum Beispiel der Zugang zum
Arbeitsmarkt verwehrt.
56
29
Statistiken des BMI wird die Nationalität der Personen, über die das gelindere Mittel
verhängt wurde nicht erfasst). Eine eventuelle Minderjährigkeit des/der Betroffenen
laut eigenen Identitätsangaben, die oft angezweifelt werden, tut ebenfalls nichts zur
Sache, denn es scheint, dass die Grundlage der Entscheidungen des österreichischen
Bundesasylsamtes und der Fremdenpolizei grundsätzliches Misstrauen allen
AsylwerberInnen gegenüber ist.59
Diese Einstellung spiegelt sich außerdem in der misstrauischen Wortwahl der
Asylbescheide wieder, wenn es zum Beispiel heißt: Ferner gab der Antragsteller
(Ast.) an, den Namen.......zu führen, Staatsangehöriger von Nigeria und am
.......geboren zu sein.
_______
Abb. 160: Einer der Textbausteine, der vom Bundesasylamt in den negativen
Bescheiden verwendet wird, der meiner Meinung das grundsätzliche Misstrauen
ausdrückt.
4. Gelinderes Mittel
Aus den selben Gründen, aus denen die Schubhaft verhängt wird, kann das gelindere
Mittel (§ 66 FrG) zur Anwendung kommen. Bei Minderjährigen sollte per Gesetz
grundsätzlich das gelindere Mittel angewendet werden, was in der Praxis aber oft
missachtet wird. Anwendung des gelinderen Mittels bedeutet, dass sich der/die
59
Zu dieser Schlussfolgerung gelangte ich durch die Erfahrungen aus der Praxis.
Die Abbildung ist auch im Original schief, wodurch man auf eine gewisse Gleichgültigkeit der
BeamtInnen, die mit diesen Bescheiden über „Leben und Tod“ entschieden, schließen könnte.
60
30
Betroffene in einer von den Behörden genannten Unterkunft aufhalten und jeden
zweiten Tag bei einer bestimmten Sicherheitsdienststelle melden mussWird dieser
Verpflichtung nicht nachgekommen, wird die Schubhaft angeordnet. Grundsätzlich
gilt für die Dauer des gelinderen Mittels, dass ein Tag in „Freiheit“ nur ein halber Tag
Haft bedeutet. Die Anordnung des gelinderen Mittels darf also doppelt so lange
dauern wie die zulässige Dauer der Schubhaft.61
Laut Fremdenpolizeilicher Statistik kam das gelindere Mittel im Jahr 2004
362 mal zur Anwendung.
Im Gegensatz dazu waren insgesamt 9.041 Menschen in Schubhaft, wobei zu
beachten ist, dass die genannte Zahl nicht nur AsylwerberInnen beinhaltet, sondern
auch MigrantInnen und andere Menschen, die die österreichische
StaatsbürgerInnenschaft nicht besitzen.62
5. In Haft ohne Ermittlungsverfahren
Bedenklich an der Praxis der Schubhaft ist des weiteren, dass der Gesetzgeber von
der Notwendigkeit eines Ermittlungsverfahrens absieht. Die Schubhaft kann ohne
Haftprüfungsverfahren von der Verwaltungsbehörde erlassen werden. Zweck des
Ermittlungsverfahrens ist laut § 37 AVG: „den für die Erledigung einer
Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien
Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben“.
61
62
Schumacher, Sebastian: Fremdenrecht. Wien 2003, S. 260.
www.bmi.gv.at/downloadarea/asyl_fremdenwesen_statistik/Jahr2004.pdf., 10.10.2005, S. 88.
31
Schubhäftlinge können somit bis zu sechs Monaten (ab 01.01.2006 zehn Monate)
inhaftiert werden, ohne dass ihnen Parteiengehör laut § 37 AVG gewährt wird.63
Hier zeigt sich meiner Meinung nach erneut, dass der Status von „Fremden“ als
Rechtssubjekt nicht gegeben ist. Ganz konkret bedeutet der folgende Passus, dass
Menschen ohne richterlichen Beschluss ihrer Freiheit beraubt werden können. Die
Fremdenpolizei fungiert als letzte Instanz und ihr ganz allein obliegt die
Entscheidung über die Inhaftierung. Da die Schubhaftbetreuungsorganisationen keine
rechtliche Beratung bieten (dürfen) und nicht überprüfen, ob die Inhaftierung im
Rahmen des Fremden- oder Asylgesetzes rechtmäßig ist, sitzen Menschen oft
Wochen und Monate unrechtmäßig in Haft. Grundsätzlich gibt es, bei unrechtmäßiger
Haft, ein Anrecht auf Haftentschädigung, das nach meiner Erfahrung aber nur
spärlich in Betracht gezogen wird. Da die Angst vor erneutem Kontakt mit der
Fremdenpolizei und einer erneuten Inhaftierung zu groß ist.
6. Dauer der Schubhaft
Die Schubhaft sollte laut Gesetz grundsätzlich so kurz wie möglich sein und nur
solange andauern, bis der Grund für die Anordnung wegfällt, oder ihr Ziel nicht mehr
erreicht werden kann (§ 69 FrG).
Laut Statistik des Polizeianhaltezentrums Wien, wurden im Jahr 2004 von insgesamt
4.975 Schubhäftlingen 136 Menschen über drei Monate angehalten. Was der
Terminus „über drei Monate“ genau bedeutet ist nicht erklärt. Es gibt keine öffentlich
zugänglichen Zahlen wie viele Schubhäftlinge die maximal mögliche Dauer von
sechs Monate angehalten wurden.
Grundsätzlich gilt, dass die Schubhaft nur in Ausnahmefällen auf bis zu sechs Monate
ausgedehnt werden kann. In der überwiegenden Zahl der In - Schubhaft- Nahmen
63
Kux, Julia: Schubhaft – Haft ohne Delikt. Innsbruck 2001, S. 6.
32
wird die im Gesetz genannte Ausnahme jedoch zur Regel. Die Schubhaft kann auf
sechs Monate ausgedehnt werden, wenn:
•
die Identität nicht geklärt ist,
•
wenn ein Antrag auf Unzulässigkeit der Festnahme im Laufen ist
•
die notwendigen Ein- und Durchreisepapiere nicht vorhanden sind
(Heimreisezertifikat)
•
oder wenn sich die Person der Schubhaft widersetzt.
Eine/ein Fremde/r darf aber wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines
Zeitraumes von zwei Jahren nicht länger als sechs Monate angehalten werden. Dies
gilt aber nicht für einen Zeitraum von höchstens zwei Wochen zur Durchsetzung
einer Abschiebung nach Einlangen der Bewilligung.64 Aus der Praxis weiß ich, dass
es des öfteren vorkommt, dass Menschen kurz vor dem vollendeten sechsten Monat
entlassen werden, damit die Regelung „6 Monate in 2 Jahren“ nicht zur Anwendung
kommt und die Menschen innerhalb kurzer Zeit wieder in Haft genommen werden
können.
Mit dem 01.01.2006 tritt ein neues Asylgesetz in Kraft, das die Dauer der Schubhaft
auf zehn Monate verlängert, wenn die Unmöglichkeit der Abschiebung dem
Verhalten des/der Fremden zuzurechnen ist.
7. Rechte des/der Festgenommenen
Grundsätzlich ist jede/r Festgenommene „ehestens“ in einer ihm oder ihr
verständlichen Sprache über die Gründe der Festnahme in Kenntnis zu setzten (§ 65
FrG). Bei der Verständigung über die Gründe der Festnahem innerhalb kürzester Zeit
handelt es sich um ein verfassungsgesetzlich festgelegtes Erfordernis (VfGH
10.10.1994, 85/94). Aus § 39a AVG ist abzuleiten, dass jedenfalls eine
64
Kohler, Edelbert: Schubhaft und Abschiebung. Innsbruck 1998, S. 120.
33
DolmetscherIn beizuziehen ist, wenn der/die Fremde die deutschen Sprache nicht
ausreichend beherrscht.
Der/dem Festgenommenen ist ohne unnötigen Aufschub zu gestatten, einen
Angehörigen oder eine sonstige Person des Vertrauens sowie einen Rechtsbeistand
von der Festnahme zu verständigen.
Bei der Festnahme und Anhaltung ist unter Achtung der Menschenwürde und mit
möglichster Schonung der Person vorzugehen.65
Laut § 53c VStG haben die Festgenommenen das Recht, die eigene Kleidung zu
tragen, sich angemessen zu beschäftigen und sich selbst zu verköstigen. Außerdem
ist dafür zu sorgen, dass ausreichend Licht zum Lesen gegeben ist. Der Briefverkehr
darf nur stichprobenmäßig kontrolliert werden. Schriftverkehr mit Behörden,
Rechtsbeiständen und diplomatischen und konsularischen Vertretern des Heimatstaats
darf überhaupt nicht kontrolliert werden. Pakete sind in Gegenwart des Häftlings zu
öffnen. Der Häftling darf innerhalb der Amtsstunden Besuche empfangen.66
8. Schubhaftbeschwerde
Die Verhängung der Schubhaft oder Aufrechterhaltung der Schubhaft kann mit einer
Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) bekämpft werden. Die
Beschwerde kann direkt beim UVS oder bei der Behörde, die den Bescheid erlassen
hat, eingebracht werden (§72 FrG).
Ist die Schubhaft noch aufrecht, hat der UVS innerhalb einer Woche über die
Rechtmäßigkeit
der
Fortsetzung
der
Schubhaft
zu
entscheiden.
Die
Schubhaftbeschwerde kann während aufrechter Schubhaft und auch noch sechs
Wochen nach ihrem Ende erhoben werden. 67 Problematisch ist hier wiederum die
kaum vorhandene Möglichkeit der Schubhäftlinge, mit RechtsberaterInnen in Kontakt
zu treten, um das Mittel der Schubhaftbeschwerde wahrnehmen zu können.
65
Huber, Öllinger, Steiner: Handbuch der Flüchtlingsberatung. Wien 1998, S. 88.
Kux, Julia: Haft ohne Delikt. Innsbruck 2001, S. 54.
67
Schumacher, Sebastian: Fremdenrecht. Wien 2003, S. 260.
66
34
9. Kosten der Schubhaft
Für jeden angebrochenen Tag werden 24 Euro verrechnet. Die Kosten hat der/die
Fremde
selbst
zu
tragen.
Wenn
allerdings
gegen
das
AusländerInnenbeschäftigungsgesetz verstoßen wurde, werden die Kosten dem
Arbeitgeber in Rechnung gestellt. Ist der Schubhäftling während seiner Anhaltung im
Polizeianhaltezentrum einer Arbeit nachgegangen, wird die Arbeitsleistung bei der
Kostenverrechnung berücksichtigt (§103FrG und § 10 FrG-DV).68
„Man kennt alle Nachteile des Gefängnisses: dass es gefährlich ist, dass
es vielleicht sogar nutzlos ist. Und dennoch „sieht“ man nicht, wodurch
es ersetzt werden könnte. Es ist die verabscheuungswürdige Lösung, um
die man nicht herumkommt“.69
68
Ebenda, S. 262.
Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main 1994,
S. 296.
69
35
10. Haftsituation in Österreich oder „Die im Dunkeln sieht man nicht“
Durch den Fall des Eisernen Vorhangs 1989 kam es zu einem enormen Anstieg der
Flucht- und Migrationsbewegungen in Richtung Westen. Eine Vielzahl von Ländern
ist auf Grund politischer, wirtschaftlicher und sozialer Konflikte nicht in der Lage,
den Staatsangehörigen eine Existenz bieten zu können. Viele Menschen ziehen daher
die Möglichkeit der Emigration in Erwägung. Eine der Folgen dieser erhöhten
Wanderbewegung war ein deutlicher Anstieg fremdenpolizeilicher Amtshandlungen
und der Häftlingszahlen in den PAZ.
1989 waren 5.912 Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft in Haft70, 1993
waren es bereits 10.216.71
70
Aus der Literatur geht nicht eindeutig hervor, ob es sich bei den Zahlen nur um Schubhaft handelt,
oder um jegliche Form von Inhaftierung.
71
Comments of the Republic of Austria on the report of the European Committee for the Prevention of
torture and inhuman or degrading treatment or punishment (CPT) in its visit to Austria from 26
September to 7 October 1994, S. 6.
36
Auf Grund der gestiegenen Häftlingszahlen ist die österreichische Justiz neuen
Anforderungen ausgesetzt. Es kommt immer wieder zu Misshandlungen in den
Gefängnissen und die Amtshandlungen haben oft sogar einen tödlichen Ausgang. 72
Dies verstößt ganz konkret gegen den Artikel 3 der EMRK in der es heißt, dass
„Niemand der Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe
unterworfen werden darf“.73
Die in Österreich geltenden rechtlichen Grundlagen für die Anhaltung von Personen
in den PAZ sind in der Anhalteordnung (AnhO) und der Verwahrungsvorschrift
festgelegt. Den internationalen Rahmen bilden die Empfehlungen des CPT
(Europäischer Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und
erniedrigender
Behandlung
oder
Bestrafung)74,
die
Europäischen
Strafvollzugsgrundsätze sowie die Standard-Mindestregeln für Gefangene der
Vereinten Nationen. Alle drei Instrumente zur Kontrolle der Haftbedingungen liefern
zwar Lösungsvorschläge zur Minimierung von Problemsituationen in den
Gefängnissen, ihre Normen haben aber keine bindende Wirkung. 75
So wurden bereits beim ersten Besuch des CPT in Österreich 1990 massive
Unrechtmäßigkeiten in den Schubhaftanstalten festgestellt und im darauffolgenden
Bericht Lösungsvorschläge geboten, denen vom BMI nicht Folge geleistet wurde, wie
sich vier Jahre später, beim zweiten Besuch des CPT herausstellte. So heißt es in
einem Ausschnitt des Berichtes von 1994:
72
Am 4. Oktober dieses Jahres starb der achtzehnjährige Yankuba C. aus Mali im PAZ Linz nach
einem einwöchigen Hungerstreik. Angeblich war er verdurstet. Zwei Stunden vor seinem Tod wurde er
im Linzer AKH untersucht und es wurden keine alarmierende Austrocknung oder Mangelernährung
festgestellt. Was wirklich passiert ist, wird die Öffentlichkeit wahrscheinlich nie erfahren. In: Profil.
Nr. 41, 10. Oktober 2005, S.44f.
73
Das CPT in Kürze. In: www.cpt.coe.int, 24.09.2005.
74
Die Besuche des CPT stützen sich auf die Europäische Konvention zur Verhütung von Folter und
unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe aus dem Jahr 1987. Es handelt sich dabei
um ein nichtgerichtliches System präventiver Natur zum Schutz der Häftlinge. „Das Komitee prüft
durch Besuche die Behandlung von Personen, denen die Freiheit entzogen ist, um erforderlichenfalls
den Schutz dieser Personen vor Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder
Strafe zu verstärken”. (Artikel 1 der Europäischen Konvention zur Verhütung von Folter und
unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe). In: www.cpt.coe.int, 24.09.2005.
75
Bericht des Menschenrechtsbeirates: Haftbedingungen in Anhalteräumen der Sicherheitsbehörden.
In: www.menschenrechtsbeirat.at 23.07.05, S. 11.
37
Wie bereits während des ersten regelmäßig erfolgenden Besuchs im Jahr 1990
wurden
an
die
CPT-
Delegation
zahlreiche
Beschwerden
über
Misshandlungen durch die Polizei herangetragen. (...) Bei den Beschwerden,
die sich meist auf kurz zurückliegende Ereignisse bezogen, ging es um
Misshandlungen sowohl österreichischer Staatsbürger als auch ausländischer
Staatsangehöriger. Die Arten der Misshandlungen ähnelten meist jenen, die
während des ersten regelmäßig erfolgenden Besuchs Gegenstand der
Beschwerden waren.(...) Unterstrichen wird ferner, dass die CPT - Delegation
während des zweiten Besuchs einige Beschwerden über sehr schwerwiegende,
folterähnliche Misshandlungen verzeichnete, zu denen es bei Einvernahmen im
Sicherheitsbüro gekommen sein soll (Überstülpen eines Plastiksacks über den
Kopf, Verabreichung von Elektroschocks). (....) Angesichts aller ihm
vorliegenden Informationen kann das CPT nicht die Schlussfolgerung
zurücknehmen, zu der es nach seinem ersten regelmäßig erfolgenden Besuch
kam, wonach die von der Polizei festgenommenen Personen ernsthaft Gefahr
laufen, misshandelt zu werden. 76
Der CPT empfahl dem BMI bereits 1990 „unverzüglich ein aus unabhängigen
Personen bestehendes Gremium einzusetzen, das befugt ist, allgemeine, eingehende
Untersuchungen über die von Beamten des Wiener Sicherheitsbüros bei der
Inhaftierung
und
Befragung
von
Verdächtigen
angewandten
Methoden
durchzuführen“.77 Diese Weisung wurde erst 1999, nach dem Tod des Asylwerbers
Marcus
Omofuma
bei
seiner
Abschiebung,
durch
die
Gründung
des
Menschenrechtsbeirates realisiert. Die Unabhängigkeit des Menschenrechtsbeirats
kann in Frage gestellt werden, da er dem BMI unterliegt.
Beim Besuch des CPT 2004 kam es zu erneuten Misshandlungs-Vorwürfen gegen die
Österreichische Polizei. Die Kritik des CPT bezog sich vor allem auf die Zustände in
der Schub- und Untersuchungshaft.
So sollen Verdächtige, die nicht gleich ein
76
Inoffizielle deutsche Übersetzung des Resümees des CPT Berichts 1994, S. 58.
Ebenda, S. 59.
77
38
Geständnis ablegen, dem Risiko von Misshandlungen in Form von Ohrfeigen,
Faustschlägen, Tritten sowie Schlägen auf den Kopf mit Telefonbüchern und einem
zu engem Anlegen von Handschellen für längere Zeit, ausgesetzt sein. Der CPT ging
in seinem Bericht auch darauf ein, dass die von der Kommission bereits aufgezeigten
Missstände vor allem im Zusammenhang mit Schub- und Untersuchungshäftlingen
noch immer anhalten und die Unterbringung von Schubhäftlingen inakzeptabel sei.78
Im Bericht über den Besuch von 2004 ist unter dem Kapitel „Unmittelbare
Wahrnehmungen hinsichtlich Artikel 8, Absatz 5 der Konvention79“ zu lesen:
Die erste unmittelbare Wahrnehmung betraf die Polizeigefangenenhäuser
(PAZ) in Linz und Wien Hernalser Gürtel. Beim PAZ in Linz ist der Aufenthalt
im Freien pro Tag praktisch auf 30 Minuten beschränkt, und auch dies wurde
nicht an allen Tagen geboten; weiters war Häftlingen in Absonderung die
Bewegung im Freien überhaupt nicht gestattet. Im PAZ Hernalser Gürtel Wien
wurde dem Großteil der in Schubhaft befindlichen Häftlingen keinerlei
Aktivitäten außerhalb der Zelle, nicht einmal eine Stunde Bewegung im Freien,
gestattet. Die Delegation forderte die österreichischen Behörden auf, Schritte
zu unternehmen, um diese Situation zu beheben. Allen Häftlingen, ohne
Ausnahme, sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich jeden Tag zumindest
eine Stunde im Freien bewegen zu können. Des Weiteren sollten dringende
Schritte unternommen werden, um Schubhäftlingen im PAZ Hernalser Gürtel in
Wien einige Aktivitäten zu bieten.80
11. Orte der Schubhaft
78
Misshandlungs-Vorwürfe gegen Österreichs Polizei. In: http://.derstandard.at, 21.Juli 2005.
Artikel 8, Absatz 5 der Antifolterkonvention schreibt dem Staat die Verpflichtung zum Schutz der
Menschenrechte zu. In: http://www.admin.ch/ch/d/sr/c0_105.html, 10.10.2005.
80
http://www.cpt.coe.int/documents/aut/2005-13-inf-deu.pdf, 10.10.2005.
79
39
Theoretisch verfolgt die Schubhaft einen Sicherungszweck. Jeglicher Strafcharakter
sollte der Haft fehlen. Dass dies in der Praxis anders aussieht, liegt auf der Hand.
Allein die Tatsache, dass die AnHO und § 53c VStG sowohl für Schubhäftlinge als
auch für Verwaltungsstrafhäftlinge gelten, zeigt schon, dass dem Grundsatz, dass
Schubhaft nur sichert, aber keinen Strafvollzug darstellt, nicht durchgängig
entsprochen wird.
Grundsätzlich ist die Schubhaft in den Polizeianhaltezentren jener Behörde zu
vollziehen, die sie verhängt hat. (§ 67.(1) FrG). Wenn die Behörde die Schubhaft, z.
B. auf Grund von Platzmangel nicht vollziehen kann, so ist die nächstgelegene
Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde, die über Haftraum verfügt, um den
Vollzug zu ersuchen.81
In Österreich gibt es in sechzehn Städten achtzehn Polizeianhaltezentren. Sie
befinden sich in: Bludenz, Eisenstadt PAZ 1 und PAZ 2, Graz, Innsbruck, Klagenfurt,
Leoben, Linz, Ried im Innkreis, Salzburg, Schwechat, St. Pölten, Steyr, Villach,
Wels, Wien, Hernalser Gürtel, Rossauer Lände und Wiener Neustadt. 82
11.1. Das Polizeianhaltezentrum Wien
“Every day you see one thing facing the wall. Everything u see remain the same
to you every day. So I believe that it makes peoples lifetime go low not high and
prison may you make thinking, fuck god.Prison make you maybe to have eye
problem because you see one thing for years for months. Prison is not a place
to live. Prison is inside world. Prison is a port to hell. I pray that I not go to
prison again”83
81
Julia Kux, Schubhaft – Haft ohne Delikt, Innsbruck 2001, S. 53.
www.vereinmenschenrechte.at am 12.06.2005.
83
Aus einem informellen Gespräch mit einem Mensch aus Nigeria, der vier Monate unrechtmäßig im
PAZ Hernalser Gürtel in Schubhaft war.
82
40
Das Polizeianhaltezentrum Wien ist auf Grund der Größe der beiden Gebäude sowie
auf Grund der Serviceleistungen, z. B. der Unterstützung anderer Fremdenbehörden
durch die Anhaltung von „Gasthäftlingen“ und als Ausgangspunkt von Luft- und
Landabschiebungen, die zentrale Servicestelle für das Arrestantenwesen. Seit 01. Mai
2005 ist das PAZ auch die Zentralstelle für Vorführungen nach dem Asylgesetz.
Das PAZ Wien besteht aus dem Anhaltezentrum Rossauer Lände (Rossauer Lände 9,
1090 Wien) und dem Anhaltezentrum Hernalser Gürtel (Breitenfelder Gasse 21, 1080
Wien).
Seit 1904 dient das Anhaltezentrum Rossauer Lände (im Volksmund „Liesl“ genannt)
als Haftanstalt. Das PAZ Hernalser Gürtel ist seit Oktober 1990 im Gebäude des
ehemaligen Landesgerichts II untergebracht, der Bedarf ergab sich 1989 durch das
sprunghafte Ansteigen von Schubhäftlingen.
In
beiden
Anstalten
werden
Verwahrungshäftlinge,
Verwaltungsstraf-
VerbüßerInnen, Schubhäftlinge sowie Finanzstrafhäftlinge angehalten. Die Kapazität
des PAZ Rossauer Lände beträgt 360, die des Hernalser Gürtel 317. 84
Zur Unterbringung der Häftlinge im PAZ Hernalser Gürtel stehen vier Stockwerke
zur Verfügung, die jeweils mit acht Achterzellen, eine Sechserzelle und einer
Viererzelle ausgestattet sind. Im E-Trakt (Einzelzellentrakt) gibt es zweiundzwanzig
Einzelzellen.
85
Die Achterzellen weisen eine Größe von 42 – 45m2 auf. Laut den
Empfehlung des CPT sollen jeder Person, die längerfristig angehalten wird, nicht
weniger als 6 m2 zur Verfügung stehen.86 Die Zellengröße entspricht also nicht den
vom CPT vorgelegten internationalen Standards.
Laut Angaben von Oberstleutnant Zinsberger sind im PAZ Hernalser Gürtel 240
BeamtInnen beschäftigt, die pro Monat an die 4.000 Überstunden machen, also einer
totalen Überlastung ausgesetzt sind.87
Sehr auffallend bei unserem Besuch war die große Mitteilungsbedürftigkeit oder die
Notwendigkeit der BeamtInnen, mit unabhängigen Personen über ihren Arbeitsalltag
84
Polizeianhaltezentrum Wien, 2005, S. 1.
Besuch des PAZ Hernalser Gürtel am 20. Juli 2005.
86
Bericht des MRB „Haftbedingungen in Anhalteräumen der Sicherheitsbehörde, Wien 2004, S. 16.
87
persönliches Gespräch mit dem Direktor des PAZ Wien am 20. Juli 2005.
85
41
zu sprechen. In einem informellen Gespräch äußerten sich die Beamten sehr negativ
über die Angehaltenen und ihre Manieren Die Beamten beschwerten sich, dass sie
zum Beispiel kiloweise Brot aus dem Fenster würfen um die Tauben zu füttern, die
Klobrillen zertreten, die Wände beschmieren, nicht duschen gehen, ihren Bereich
nicht sauber halten, das Bettzeug nicht benutzen usw. Der Realitätswahrnehmung der
Beamten erscheint es unverständlich, warum sich die Angehaltenen in so einer Art
und Weise verhalten, wenn es ihnen dort, wo sie herkommen doch so schlecht ginge
und sie hier im „Häfn“ doch alles Nötige zum Leben hätten
„Weil wir müssen ja auch die Gesetze befolgen“, war einer der Lieblingssätze der
Beamten oder „die Häftlinge haben hier im Häfn eine Wesensveränderung von
beinahe 100%, bei den Einvernahmen sind sie herzzerreißend und hier drehns
duach“
Anzahl der Häftlinge:
Gesamt
Verwaltungshäftlinge
Häftlinge nach der
2001
12.425
2.489
3.970
2002
12.268
2.370
4.552
2003
12.836
2.234
5.279
2004
13.546
2.270
5.881
Strafprozessordnung
Schubhäftlinge
(inkl.
5.926
5.340
5.259
4.975
Passanten)
Weibliche
Häftlinge
2.012
1.944
1.871
1.887
gesamt
Jugendliche
Häftlinge
818
523
991
1.032
gesamt
Angehaltene Ausländer
8.393
8.427
8.118
8.314
gesamt
Quelle: Polizeianhaltezentrum Wien
42
12. Die Anhalteordnung (AnHO)
Um die Situation der Menschen, die sich in Schubhaft befinden, zu verdeutlichen,
wird im folgenden Teil die innere Organisation der Haftanstalten anhand der
Anhalteordnung geschildert.
Die Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Anhaltung von Menschen
durch die Sicherheitsexekutive – AnHO, ist am 1.05.1999 in Kraft getreten.
In der AnHO werden Rechte und Pflichten der Häftlinge und des Wachpersonals
geregelt. Pflicht der Aufsichtsorgane ist es, den Angehaltenen gegenüber die
gebotene Zurückhaltung zu üben, ihnen mit Ruhe, Ernst und Festigkeit sowie unter
Achtung ihres Ehrgefühls, der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der
Person gegenüber zu treten. Die Aufsichtsorgane haben des weiteren die Pflicht für
die körperliche Gesundheit und Sicherheit zu sorgen (§ 3 AnHO).
Die Aufsichtsorgane sind im Gegensatz zu den oben genannten Pflichten auch dazu
ermächtigt, ihre Anordnungen mit unmittelbarer Zwangsgewalt durchzusetzen:
Fesseln dürfen den Angehaltenen angelegt werden wenn die Gefahr besteht, dass sie
sich selbst oder andere gefährden, fremde Sachen nicht nur geringen Wertes
beschädigen, flüchten oder eine Amtshandlung vereiteln. Die Verwendung der
Zwangsjacke anstelle von Handfesseln ist dann zulässig, wenn die Annahme besteht,
der/die Angehaltene gefährde auf Grund einer psychischen Krankheit durch
Gewalttätigkeit, Leben oder Gesundheit.
Bei jeder Ausübung der unmittelbaren Zwangsgewalt ist darauf zu achten, dass sie
nach Art, Umfang und Dauer die Verhältnismäßigkeit wahrt, ist also von der Willkür
der WachebeamtInnen abhängig (§ 26 AnHO).
Rechte und Pflichten der Schubhäftlinge:
- Verfügung über Kleidungsstücke und sonstige Effekte (§ 9 AnHO): Schubhäftlinge
dürfen ihre eigene Kleidung tragen. Ist dies nicht möglich, so ist seitens des PAZ
Kleidung zur Verfügung zu stellen. Die zur Körperpflege erforderlichen Gegenstände
43
sowie Lebensmittel und Tabakwaren in geringen Mengen dürfen in der Zelle
aufbewahrt werden. Sie dürfen geringe Geldbeträge (40 Euro)88 bei sich haben, wenn
dies der Kommandant für zulässig erklärt. Medikamente dürfen ausnahmslos nur mit
Zustimmung des Arztes in die Zelle mitgenommen werden
- Ärztliche Betreuung der Häftlinge (§ 10 AnHO): Schubhäftlinge müssen innerhalb
von 24 Stunden nach der Aufnahme vom Amtsarzt auf ihre Haftfähigkeit hin
untersucht werden.
Besteht zu einem späteren Zeitpunkt der Verdacht auf Haftunfähigkeit, sind sie
unverzüglich dem Arzt vorzuführen. Geht vom Angehaltenen Ansteckungsgefahr aus,
so sind vom Amtsarzt die gesetzlich vorgesehenen medizinischen Maßnahmen zu
treffen. Der Amtsarzt
entscheidet über die Verlegung in Einzelhaft oder eine
Entlassung. Schubhäftlinge, die in Hungerstreik treten, sind unverzüglich dem
Amtsarzt vorzuführen, der die Entscheidung über die Verlegung in eine Krankenoder Einzelzelle oder über ein etwaiges Rauchverbot trifft. Häftlingen steht es des
weiteren frei, auf ihre Kosten zu ihrer medizinischen Betreuung einen Arzt ihrer
Wahl beizuziehen, wobei die Betreuung im Haftraum stattzufinden hat. Im Bereich
der medizinischen Betreuung von Schubhäftlingen kommt es, bedingt durch die
fehlenden DolmetscherInnen, oft zu Reibungspunkten.
Der Menschenrechtsbeirat stellt in seinem Bericht zur medizinischen Betreuung
angehaltener Personen fest, dass „die Beiziehung von DolmetscherInnen bei der
ärztlichen Untersuchung zum Großteil nicht üblich sei, nicht für nötig gehalten
werde
und
in
der
Umsetzung
für
zu
kompliziert
erachtet
werde.
Kommunikationsprobleme seien nicht relevant. Eine Amtsärztin stehe auf dem
Standpunkt, dass ein Gespräch nicht unbedingt erforderlich sei, sondern die
nonverbale (Körper-) Sprache hinreichende Aussage bei auftretenden Schmerzen
über die möglichen Ursachen geben könne. Ein Amtsarzt in einem PAZ gibt an,
dass
es
keine
amtlichen
Einschränkungen
bei
der
Zuziehung
von
88
Neuwirth, Thomas: Sozialarbeit im Verwaltungsstrafvollzug. Die Polizeianhaltezentren Wiens als
Neuland für die Sozialarbeit. Wien 2005, S. 110.
44
DolmetscherInnen gebe und es würde davon auch Gebrauch gemacht. Die
Untersuchungen wären dennoch erschwert, da sich durch die Beiziehung von
DolmetscherInnen die Aufnahmeuntersuchungen um Stunden verzögern und sich
teilweise über den Dienstwechsel der PolizeiärztInnen erstrecken würden, wobei
auch dann die Vollständigkeit der Symptomsuche nicht immer gesichert sei.
NGO’s in der Schubhaftbetreuung weisen auf massive Sprachprobleme mit
bestimmten Gruppen von Schubhäftlingen (etwa aus China) hin, die ohne
DolmetscherInnen nicht zu beheben seien.89
Wie kann eine ärztliche Behandlung ohne Kommunikation erfolgen?
- Seelsorge (§ 11AnHO): Den Häftlingen steht es frei, an den Gottesdiensten im
Haftraum teilzunehmen. Auf Verlangen ist der Besuch eines Seelsorgers zu
vermitteln. Befindet sich ein Häftling in Einzelhaft, weil anzunehmen ist, dass er
gegen andere gewalttätig wird, ist von diesem Recht abzusehen.
-Hygiene (§12 AnHO): Den Angehaltenen ist mindestens einmal täglich warmes
Wasser, Seife und bei Bedarf Rasierzeug zur Verfügung zu stellen. Duschen ist
einmal pro Woche erlaubt und erfolgt zellenweise. Laut Aussagen eines
Schubhäftlings sind pro Zelle acht Minuten erlaubt. Desinfektionsmaßnahmen
müssen vom Schubhäftling geduldet werden.
Die Zellen sind von den Insassen täglich zu reinigen und zu lüften; die Fußböden sind
einmal wöchentlich, die sanitären Anlagen täglich zu säubern.
- Verpflegung (§13 AnHO): Schubhäftlinge dürfen sich selbst verköstigen. Ist das
nicht möglich, so haben die Angehaltenen Anspruch auf ausreichende und einmal
täglich warme Verpflegung, sowie auf ausreichende Versorgung mit Trinkwasser.
Auf ärztliche Anordnungen (Schon- Zweck- und Diätkost) oder auf religiöse Gebote
ist Rücksicht zu nehmen. Die Essenszeiten werden von der Behörde festgelegt.
89
Bericht zur medizinischen Betreuung angehaltener Personen, Wien 2002, S.39.
45
Menge, Schmackhaftigkeit und Qualität der Verpflegung sind vom Kommandanten
täglich, vom Arzt und von der Behörde regelmäßig zu kontrollieren.
Im PAZ Hernalser Gürtel gibt es eine „Kantine“, wo die Angehaltenen Essen und
Getränke einkaufen können. Die Kantine gehört einer Privatperson, die Preise werden
von der Direktion des PAZ kontrolliert. Ein Trafikant, der auch fremdsprachige
Zeitungen verkauft, kommt 3 mal in der Woche (siehe Foto Nr. 17).
- Rauchen (§ 14): Sofern für bestimmte Räumlichkeiten kein ausdrückliches
Rauchverbot besteht, dürfen Häftlinge rauchen. Verboten ist das Rauchen für
Hungerstreikende und in Gemeinschaftsnachtzellen.
- Beschäftigung (§ 15 AnHO): Die Hausordnung bestimmt, dass sich Schubhäftlinge
angemessen beschäftigen dürfen, soweit dies nicht gegen die Hausordnung verstößt
oder die Sicherheit gefährdet. Verfügen Häftlinge über batteriebetriebene Fernsehund Radiogeräte dürfen diese, ausgenommen in Gemeinschaftsnachtzellen, verwendet
werden.
Das Lesen von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften ist erlaubt. Im PAZ Hernalser
Gürtel steht auch eine spärlich ausgestattete Bibliothek zur Verfügung (siehe Foto Nr.
16). Gesellschaftsspiele und Kartenspiele ohne Geldeinsatz sind ebenfalls erlaubt. Es
ist täglich mindestens eine Stunde Gelegenheit zur Bewegung im Freien zu geben. Ist
dies aus Witterungs- oder sonstigen anderen Gründen (z.B. Personalknappheit,
Willkür der BeamtInnen) nicht möglich, so ist auf andere Weise für körperlichen
Ausgleich zu sorgen. Der Spazierhof im PAZ Hernalser Gürtel ist auf einer Seite,
welche nicht an das Gefangenengebäude grenzt, von einer hohen Mauer mit
Stacheldraht begrenzt. Im Hof befindet sich eine kleine Grünfläche und ein
Basketballkorb. Von der Behörde werden Basketbälle zur Verfügung gestellt (siehe
Foto Nr. 15).
Der CPT empfiehlt, dass „zum Aktivitätenregime in der Schubhaft Bewegung an der
frischen Luft, ebenso Zugang zu einem Tagesraum und zu einem Radio/Fernsehr, zu
Zeitungen/Zeitschriften, sowie zu anderen geeigneten Freizeitartikeln (z.B.
46
Brettspiele, Tischtennis) gehören sollte. Je länger der Zeitraum ist, für den Personen
festgehalten werden, desto weiter sollten die Betätigungsmöglichkeiten entwickelt
sein, die ihnen angeboten werden.90
Unter Beachtung dieser Empfehlungen liegen die österreichischen Vollzugsanstalten
weit hinter den internationalen Standards.
- Hausarbeit (§ 16 AnHO): Jeder Angehaltene kann nach Wunsch und Bedarf für
Arbeiten
im
Behördenbereich
(Hausarbeit)
herangezogen
werden.
Die
Arbeitsverrichtung erfolgt auf eigene Gefahr und unentgeltlich, abgesehen vom
Entfall der Vollzugskosten (23,88 Euro täglich) und einer Zusatzverpflegung (Milch).
Im PAZ Rossauer Lände verrichten acht Personen (Hausarbeiter) Hilfsdienste in der
Gefängnisküche, drei Hausarbeiter sind für die Reinigung aller zugänglichen
Bereiche
in
den
Stockwerken
(Stiegenaufgang,
Besucherzone,
Spazierhof,
Kantinenbereich) zuständig, sowie für den zweimal wöchentlich stattfindenden
Wäschetausch. Pro Stockwerk werden, je nach Auslastung, drei bis fünf Personen als
Hausarbeiter herangezogen. Hausarbeiter können sich im Stockwerksbereich frei
bewegen und haben Zugang zu jedem Zellenraum.91 (siehe Foto Nr. 12).
-
Unterbringung
(§
4
AnHO):
Die
Schubhaft
erfolgt
grundsätzlich
in
Gemeinschaftszellen. Schubhäftlinge sind von anderen Häftlingen getrennt
anzuhalten, was in der Praxis aber nicht immer möglich ist. Weibliche Schubhäftlinge
sind von männlichen getrennt anzuhalten, Minderjährige gesondert von Erwachsenen.
Eltern und Kinder jedoch nach Möglichkeit gemeinsam. Schubhäftlinge sind in
einfachen und zweckmäßigen Räumlichkeiten unterzubringen, mit ausreichend
Luftraum und Tageslicht. Die Räume sind gut zu lüften und im Winter zu heizen. Sie
sind auch dementsprechend zu beleuchten so dass die Häftlinge ohne Gefährdung des
Augenlichts außerhalb der Zeit der Nachtruhe lesen können.
90
Haftbedingungen
in
Anhalteräumen
der
Sicherheitsbehörden.
S.
43f.
In:
http://www.menschenrechtsbeirat.at/de/index_berichte.html, 28.07.2005.
91
Neuwirth, Thomas: Sozialarbeit im Verwaltungsstrafvollzug. Die Polizeianhaltezentren Wiens als
Neuland für die Sozialarbeit. Wien 2005, S. 121.
47
- Einzelhaft (§ 5 AnHO):
Die Anhaltung in Einzelhaft hat zu erfolgen
1. wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass der Häftling
anderen gegenüber gewalttätig reagiert,
2. wenn vom Gericht darum ersucht wird (bei Häftlingen gegen die ein
gerichtliches Strafverfahren anhängig ist),
3. wenn vom Angehaltenen Ansteckungsgefahr ausgeht oder er auf Grund seines
Erscheinungsbildes oder seines Verhaltens andere Häftlinge erheblich
belasten würde.
Die Anhaltung in Einzelhaft kann erfolgen
1. auf persönlichen Wunsch des Häftlings,
2. während der Nachtruhe, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder
Ordnung erforderlich erscheint,
3. als Disziplinarmaßnahme,
4. wenn es aus organisatorischen Gründen kurzfristig notwendig ist,
5. wenn die Annahme besteht, dass der Häftling durch Gewalttätigkeit sein
Leben oder seine Gesundheit gefährdet (in diesem Fall können Häftlinge im
unbedingt erforderlichen Ausmaß in einer besonders gesicherten, gepolsterten
und sonst leeren Zelle untergebracht werden),
6. wenn sich der Angehaltene in Hungerstreik befindet.
Beim Besuch im PAZ Hernalser Gürtel wurde uns erlaubt, eine Einzelzelle zu
besichtigen und zu fotografieren (siehe Foto Nr.3 - 5). Laut den Angaben der
Beamten findet die Verlegung in Einzelhaft auf eigenen Wunsch der Häftlinge oder
zur Disziplinierung statt. Auch die „Hungerstreiker“92 werden, um die Nachahmung
zu minimieren, in Einzelzellen verlegt. Jedoch ist diese Praxis, laut Aussage der
Beamten, seit circa. 3 Monaten nach einer neuen Verordnung nicht mehr
92
Die Bezeichnung der Wachebeamten für die Anghealtenen, die sich im Hungerstreik befinden.
48
anzuwenden. Nach weiterem Gespräch wurden uns die Disziplinierungszellen
gezeigt. Diese Zelle ist videoüberwacht und befindet sich gleich neben dem Zimmer
der BeamtInnen. Sie gleicht einer klassischen Gummizelle, wie man sie aus dem
Fernsehen kennt Die Zelle ist völlig weiß und mit Plastik gepolstert. In diese Zelle
kommen die Angehaltenen nur für ein paar Stunden zur Beruhigung, falls sie um sich
schlagen oder „durchdrehn“, weil die Verletzungsgefahr kleiner ist wegen der nicht
vorhandenen Ecken und Kanten (siehe Foto Nr. 6 und 7).
Eine weitere Einzelzelle ist für die Anhaltung der sogenannten „body-packer“
vorgesehen. (als body-packer werden jene Angehaltenen bezeichnet, die Drogen
verschluckt haben). Es ist eine grau geflieste Zelle mit einer dünnen Gummimatratze
und einem sogenannten „kroatischen Klo“ (ein Loch im Boden). In dieser Zelle
werden die „body-packer“ so lange angehalten, bis sie die Drogen aus ihrem Körper
ausgeschieden haben. Nach dem Betätigen der Spülung werden die Kugeln durch
einen bestimmten Vorgang vom Rest aussortiert (siehe Foto Nr. 9 und 10).
- Telefongespräche, Briefverkehr (§ 19 und 20 AnHO): In begründeten Fällen ist
Schubhäftlingen das Führen von Telefongesprächen auf eigene Kosten zu
gewährleisten. Mittellosen Häftlingen ist das Führen von Telefongesprächen mit
Angehörigen, Rechtsbeiständen, Behörden sowie diplomatischen Vertretungen
unentgeltlich zu gestatten. Bei Bedarf ist den Angehaltenen Papier und Schreibzeug
unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die Postgebühr hat der Häftling zu bezahlen.
Der Briefverkehr darf stichprobenartig überwacht werden.
- Besuche (§ 21 AnHO): Rechtsbeistände, Vertreter inländischer Behörden,
diplomatische oder konsularische Vertreter des Heimatlandes, sowie Organe, die
durch für Österreich verbindliche internationale Übereinkommen zum Schutz der
Menschenrechte eingerichtet sind, dürfen jederzeit empfangen werden. Wenn
möglich aber während der Amtsstunden.
Private Besuche dürfen inhaltlich überwacht werden. Schubhäftlinge dürfen einmal in
der Woche für eine halbe Stunde privaten Besuch empfangen. Die Besuchszeiten in
49
den PAZ Wien sind am Samstag und Sonntag zwischen 12.30 und 15.30.
Privatbesuche erfolgen mit Plexiglastrennwand und Telefonhörer.
Der sprachliche Austausch gestaltet sich als sehr schwierige Angelegenheit, da die
Leitungen rauschen und oft nur unverständliche Buchstabenaneinanderreihungen
herauskommen. Ein wirkliches Gespräch zu führen ist durch die Abtrennung und die
schlechten Telefone beinahe unmöglich, da man während der Besuchszeit den Raum
noch mit anderen Besuchenden teilt und der Lautpegel, verursacht durch viele
sprechende Menschen, dementsprechend hoch ist.93 (siehe Foto Nr. 20).
Bei den Besuchen können Wäsche, Geld und andere erlaubte Gegenstände abgeben
werden.94 Das Recht eines hungerstreikenden Häftlings, Besuche zu empfangen, kann
nach Rücksprache mit dem Amtsarzt für höchstens zehn Tage aufgeschoben werden.
- Beschwerden, Wünsche und Ansuchen (§ 23 AnHO): Die Angehaltenen haben das
Recht, sich beim Kommandanten schriftlich oder mündlich zu beschweren.
Dafür ist im PAZ Hernalser Gürtel auf jeder Etage, an für die Stockwerksbeamten
uneinsichtigen Stellen ein Beschwerdebriefkasten angebracht, der nach Angaben
eines Wachebeamten beim Besuch im Hernalser Gürtel in den letzten fünf Jahren nur
ein einziges mal Verwendung gefunden hat. Daraus schließe ich, dass die Existenz
dieses Briefkastens den Angehaltenen nicht bekannt zu sein scheint (siehe Foto Nr.
14) oder die Menschen Angst vor den Konsequenzen einer Beschwerde haben.
- Ordnungswidrigkeiten (§ 24 AnHO): Wird eine durch die Hausordnung auferlegte
Pflicht missachtet oder bei Erschleichung vorzeitiger Entlassung, liegt eine
Ordnungswidrigkeit
vor,
worüber
der
Aufsichtsbeamte
Meldung
beim
Kommandanten erstatten muss. Der Kommandant kann je nach Schwere des
Verstoßes ohne förmliches Verfahren eine der folgenden Maßnahmen ergreifen:
1) Verweis
93
94
Persönliche Erfahrungen bei Besuchen im PAZ Hernalser Gürtel.
Neuwirth, Thomas: Sozialarbeit im Verwaltungsstrafvollzug. Wien 2005, S. 127.
50
2) zeitweise Entziehung einer oder mehrerer Rechte (z. B. Einkauf, Beschäftigung)
für höchstens eine Woche
3) Einzelhaft für längstens drei Tage95
Bei informellen Gesprächen mit Menschen, die im PAZ Hernalser Gürtel inhaftiert
waren, stellte sich heraus, dass keinem der Befragten die Existenz einer Hausordnung
bekannt war.
13. Der „Offene Vollzug“
Die Tagung „Zukunft der Schubhaft“, am 8. Juni 2001, sollte die „Initialzündung für
den offenen Vollzug in ganz Österreich sein“ 96. In sechs der achtzehn PAZ (Salzburg,
Klagenfurt, St. Pölten, Eisenstadt, Wien Schwechat und Hernalser Gürtel) gibt es bis
heute noch keinen offenen Vollzug. Nach Informationen der ARGE Schubhaft
Innsbruck werden auch dort, wo der gelockerte Vollzug besteht, die Kapazitäten nicht
genutzt. So sind von den 14 Plätzen in Innsbruck oft nur die Hälfte belegt.97
Am 2. Oktober 2000 startete das PAZ Linz den Probebetrieb einer „offenen Station“.
Die angehaltenen Schubhäftlinge werden nach einem Beobachtungszeitraum nicht
mehr in einer geschlossenen Zelle des PAZ verwahrt, sondern sie können sich in
einem Gebäudeteil frei bewegen. Die Zellen für Schubhäftlinge wurden zu
Aufenthalts- und Fitnessräumen umgebaut.
SOS Menschenrechte in Linz finanzierte eine SAT-Anlage zum Empfangen
fremdsprachiger Sendungen, einen Tischtennistisch, einen Hometrainer, einen
Stepper, ein Rudergerät, eine Eckbank für die Teeküche und unterstützten den
Aufbau einer fremdsprachigen Bibliothek. Der Aufenthaltsraum ist ausgestattet mit
einer Kaffeemaschine, einem Herd, Geschirr und Besteck, fremdsprachigen
Zeitungen und Gesellschaftsspielen. Den Angehaltenen steht ebenfalls ein
Wertkartentelefon zur Verfügung. Das PAZ Linz verfügt über 92 Haftplätze, 55 für
95
Anhalteordnung S. 9.
Offener Vollzug. In: www.bmi.gv.at/oeffentlsicherheit/, Nr. 07-08/2001, 12.09.2005.
97
Umstände, tödlich verkettet. In: Der Standard, 14.10.2005, S. 14.
96
51
Männer und 9 für Frauen in Schubhaft. Die offene Station ist derzeit aber nur für 26
angehaltene Männer zugänglich, die nach einem zwei- bis dreiwöchigen
Beobachtungszeitraum in geschlossener Haft in die offene Station verlegt werden.
Die Haftdauer, Gemeinschaftsfähigkeit und das Fehlen von ansteckenden
Krankheiten werden vom Menschenrechtsbeirat als Kriterien für die Aufnahme in
eine offene Station formuliert. Als Ausschlusskriterien gelten Hungerstreik und der
Wegfall von Gemeinschaftsfähigkeit. Zweifelhafte Identitätsangaben oder Vorstrafen
sollten keine Ausschlussgründe für die Aufnahme in eine offene Station darstellen.98
Die Tages- und Schlafzellen in der offenen Station sind zwischen 07.00 und 19.00
offen. Die Angehaltenen können sich in diesem Zeitraum frei bewegen und ihre
Kleidung tragen. Die separate Verwahrung von Schmuck, Gürteln und Schuhriemen
wurde teilweise eingestellt.99
Im PAZ Rossauer Lände gibt es die offene Station seit 07.06.2004 nur in der
Frauenabteilung. Hier wurde für die angehaltenen Frauen ein strukturierter
Tagesablauf entwickelt. Während eines Zeitraumes von drei bis vier Stunden am
Vormittag und am Nachmittag stehen die Zellentüren offen und uneingeschränkte
Kommunikation, Telefonieren und die Benützung des Gemeinschaftsraumes ist
möglich. Außerhalb dieser Blöcke sind die Zellentüren geschlossen.100
Durch den offenen Vollzug sollen Bedingungen der Anhaltung geschaffen werden,
die die Achtung der Menschenwürde, sowie deren Autonomie über den Tagesablauf
strukturell auf einem höheren Niveau gestatten, als dies derzeit in den
Polizeianhaltezentren möglich ist.101
Der politische Hauptgrund für den Ausbau der offenen Stationen ist eindeutig die
Minimierung des Konfliktpotentials und die Vermeidung von Hungerstreik und nicht
das subjektive Wohlergehen der Angehaltenen.
98
Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates zur Schaffung einer Spezialeinrichtung für den Vollzug
der Schubhaft und Anhalteformen in den Polizeianhaltezentren. S. 3.
99
Offene Stationen. In: www.bmi.gv.at/oeffentlsicherheit/, Nr. 3-4/2002, 12.09.2005.
100
Polizeianhaltezentrum Wien, S. 7.
101
Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates zur Schaffung einer Spezialeinrichtung für den Vollzug
der Schubhaft und Anhalteformen in den Polizeianhaltezentren. S 1.
52
Im PAZ Linz kam es laut Angaben des Magazins für öffentliche Sicherheit des
Innenministeriums
in
der
offenen
Station
zu
keinem
Hungerstreik
oder
Selbstverletzung. Die Zahl der Arztbesuche und Beschwerden ging deutlich zurück.102
Anzahl der Schubhäftlinge in Österreich von 1999 bis März 2005
Jahr
Anzahl der
Anzahl der Asylanträge
1999
Schubhäftlinge
16.628
20.096
2000
2001
2002
2003
2004
2005
14.329
17.306
11.816
11.173
9.041
Jänner:
582
18.284
30.127
39.354
32.359
24.676
Jänner bis März: 4.269
Februar:
593
(27,9% weniger als Jänner
März:
699
bis März 2004)
Quelle: Fremdenrechtsstatistik BMI
Um das Ausmaß der Institution Schubhaft zu verdeutlichen, werden den Zahlen der
Inschubhaftnahmen die Anzahl der Asylanträge gegenübergestellt.
Bei der Betrachtung der Statistiken muss beachtet werden, dass nicht nur Menschen,
die in Österreich einen Asylantrag gestellt haben, in Schubhaft genommen werden. Es
kann ebenso gut Menschen treffen, die seit Jahren in Österreich leben und arbeiten
oder die in Österreich geboren sind, denen aus irgendeinem der bereits genannten
102
Offene Stationen. In: www.bmi.gv.at/oeffentlsicherheit/, Nr. 3-4/2002, 12.09.2005.
53
Gründe,
der
Aufenthaltstitel
„verloren“
geht.
14. Widerstandsformen in der Schubhaft
Die meisten Gründe für eine Inschubhaftnahme sind illegaler Grenzübertritt, fehlende
Dokumente oder der Verdacht auf strafbare Handlungen wie etwa illegalisierte
Beschäftigung.
Schubhäftlinge werden in der Praxis oft gar nicht oder in keiner ihnen verständlichen
Sprache über den Grund ihrer Festnahme informiert. Diese Unwissenheit über die
Dauer der Anhaltung und die prekären Zustände in den Polizeianhaltezentren führen
zu einer hohen psychischen Belastung.
Viele Menschen treten bei der Inschubhaftnahme zum ersten mal im Leben mit der
Polizei
in
Kontakt.
Durch
die
Ausweglosigkeit
der
Situation
stehen
Selbstverstümmelungen, Verschlucken gefährlicher Gegenstände, Hungerstreiks und
Suizidversuche an der Tagesordnung. Menschen in Schubhaft wissen, dass es sich um
die letzte Station ihres Aufenthaltes auf österreichischem Bundesgebiet handelt, und
es spricht sich schnell herum, dass es Möglichkeiten gibt, sich aus dieser misslichen
Lage zu befreien.
Die Mittel, zu denen die Angehaltenen greifen, verdeutlichen, wie groß die Angst vor
einer Abschiebung in das Herkunftsland ist. Von politischer Seite wird das Faktum
der Angst vor der Rückkehr ins Herkunftsland geleugnet und sogar umgedreht, indem
Österreich zum Opfer gemacht wird (Österreich darf sich nicht erpressen lassen103).
Asylsuchenden wird grundsätzlich nicht geglaubt. Sie werden als Fremde, die
lediglich ein Stück vom fetten Kuchen des Wohlstandes in Europa ergattern wollen,
und bereit sind, zu allen Mitteln zu greifen um etwas abzubekommen, dargestellt.104
Laut Asylgesetz, kommen nur jene AsylwerberInnen, deren Asylantrag rechtskräftig
negativ entschieden wurde, in Schubhaft. Zweifel an der Praxis des Ablaufs der
103
Dokumentation: Das Fremdenpaket im Detail. In: www.derstandard.at, 06.07.2005.
Bei einer Profilumfrage „Wer hat Ihrer Meinung nach in Österreich zu viele Privilegien?“, standen
„Ausländer mit 65% an zweiter Stelle. An erster Stelle mit 74% waren Politiker angesiedelt. In: Profil
Nr. 27, 04.07.2005, S. 17.
104
54
Asylverfahren gibt es von Seiten der regierenden Parteien keine. In jüngsten
tagespolitischen Diskussionen wird auf Gründe der Selbstbeschädigungen nicht
eingegangen, sondern hervorgekehrt, dass die meisten Menschen, die in Schubhaft
sitzen, Kriminelle sind und kein Recht haben sollten auf einen Aufenthalt in
Österreich. Der Asylmissbrauch müsse eingestellt werden. So berichtet der Standard:
„Vor allem Fremde, gegen die nach zum Teil schweren Straftaten ein
Aufenthaltsverbot verhängt wurde und die nun außer Landes gebracht werden sollen,
bedienen sich des Mittels des Hungerstreiks, um ihre Entlassung aus der Schubhaft
zu erzwingen.“105
Diese Art von Aussagen dienen zur Vorbereitung und Rechtfertigung restriktiverer
Fremden- und Asylgesetze. Berücksichtigt werden muss auch, unter welchen
Umständen ein Aufenthaltsverbot erlassen wird und dass dazu meistens keine
schwere Straftat notwendig ist (siehe dazu auch Kapitel Aufenthaltsverbot).
14.1. Selbstbeschädigung
Die Palette der Selbstbeschädigungen reicht vom Verschlucken gefährlicher
Gegenstände wie z. B. Essbesteck, Batterien, Feuerzeuge, Rasierklingen, Putzmittel
usw. bis zum Zufügen tiefer, im Extremfall lebensgefährlicher Schnittverletzungen.
In einem informellen Gespräch äußerte sich ein Beamter, dass Selbstbeschädigungen
im Sinne von Zufügen von Schnittverletzungen oder Verschlucken gefährlicher
Gegenstände, keine adäquaten Mittel seien, um die Haftunfähigkeit zu erreichen.
Wird zum Beispiel eine Batterie verschluckt wird an den darauffolgenden Tagen eine
Spezialkost verabreicht (zum Beispiel Sauerkraut) um die Gegenstände zum
Verlassen des Körpers zu animieren. Schnittwunden werden genäht und führen so gut
wie nie zu Haftunfähigkeit.106
105
106
Zahlen: Hungerstreiks in Österreich. In: www.derstandard.at, 10.06.2005.
Informelles Gespräch beim Besuch des PAZ Hernalser Gürtel am 20. Juli 2005.
55
Laut eine parlamentarischen Anfrage im Jahr 1999, betreffend Selbstmorde,
Selbstmordversuche und Selbstbeschädigungen in Schubhaft von Mag. Stoisits
kam es im Jahr 1996 zu 102 Selbstbeschädigungen, 1997 zu 109 und 1998 zu 94
Selbstbeschädigungen.107
Die Menschen, die zur Möglichkeit der Selbstbeschädigung greifen, wollen ihre
Entlassung erwirken und nach einer Möglichkeit des legalen Aufenthaltes suchen. Es
ist absurd, den Menschen zu unterstellen, dass sie die Schubhaft nur verlassen wollen
um in die Kriminalität zurückzukehren.
14.2. Hungerstreik oder
„Österreich darf sich nicht erpressen lassen“
Der Hungerstreik ist die einzige Möglichkeit, die Haftunfähigkeit herbeizuführen und
eine Entlassung zu bewirken. Jeder zweite Hungerstreik endet mit einer
Entlassung.108 Im Jahr 2003 hat der Menschenrechtsbeirat erhoben, wie oft es in
welchen Polizeianhaltezentren zu Hungerstreiks kam. Im Folgenden die Zahlen aus
diesem Bericht:
Polizeianhaltezentrum
Durchschnittliche
Dauer
Durchschnittliche
Durchschnittliche
Anzahl
des Anzahl angehaltener der Hungerstreikmeldungen
Hernalser Gürtel
Rossauerlände
Hungerstreiks
15 Tage
15 Tage
Schubhäftlinge
Ca. 130 Männer
12/Tag
Ca. 110 (Frauen und 4-5/Tag
St. Pölten
Wr. Neustadt
Männer)
9,87 Tage
25
6,63 Tage (Max. 25 XXX
5,15 monatlich
3,24 monatlich
107
Parlamentarische Anfrage 5586/AB XX.GP.
Zwischenbericht des MRB zur Umsetzung der Empfehlungen zum Schwerpunktthema „Spezifische
medizinische Problemlagen“ Quartal III/2003, S. 38.
108
56
Eisenstadt I
Eisenstadt II
Tage)
10,02 Tage
6,15 Tage
Linz
Wels
erhoben werden
4,5 Tage
60
5 Tage (2001 noch 6 15
5 monatlich
1,5 monatlich
Steyr
Salzburg
Innsbruck
VA Bludenz
Graz
Leoben
Villach
Klagenfurt
Tage)
4 Tage
10-12 Tage
5 Tage
6 Tage
5,2 Tage
3 Tage
9,38 Tage
2, 61 Tage
1 monatlich
1-2 täglich
5 monatlich
2
2,5 monatlich
1,6 monatlich
1,08 monatlich
4,9 monatlich
29,35
Konnte
5,87 monatlich
nicht 3,66 monatlich
9
80-90
45
27
40
7
43 monatlich
62,75 monatlich
Quelle: Zwischenbericht zur Umsetzung der Empfehlungen zum Schwerpunktthema
"spezifische medizinische Problemlagen"
Weshalb es zu so großen regionalen Schwankungen kommt, lässt sich wohl darauf
zurückführen, dass Wien als Bundeshauptstadt die größte Anzahl an Schubhäftlingen
zu verzeichnen hat. Die Dauer der Hungerstreiks variiert zwischen 2 und 15 Tagen.
Die Höchstgrenze ist nicht erfasst, wodurch sich die durchschnittliche Dauer
relativieren würde. Die nicht Erfassung der Höchstgrenze bezeugt die Brisanz dieses
Phänomens.
Wie lange der Hungerstreik in der Praxis wirklich dauert,. geht aus der Statistik nicht
hervor und ist individuell von der körperlichen Konstitution der Angehaltenen
abhängig. Hungerstreikende sind täglich dem/der Amtsarzt/ärztin vorzuführen.
57
2004 gab es 1.072 Entlassungen aus der Schubhaft auf Grund von Haftunfähigkeit
herbeigeführt durch Hungerstreik.109
Der Aspekt der Angst vor einer Abschiebung wird auch von Seiten des
Menschenrechtsbeirates nicht berücksichtigt. Als Gründe für einen Hungerstreik
nennt der Menschenrechtsbeirat nicht nur die Haftentlassung, sondern auch
unzumutbare Anhaltebedingungen und psychische Gründe als Beweggründe.110
Entscheidet sich ein Gefangener in den Hungerstreik zu treten, wird es den
WachebeamtInnen oder den SchubhaftbetreuerInnen mitgeteilt. Es erfolgt eine
Hungerstreikmeldung und gemäß der Anhalteordnung sind hungerstreikende
Häftlinge ohne unnötigen Aufschub dem Amtsarzt vorzuführen. Den AmtsärztInnen
liegen
Hungerstreikformulare
vor,
die
eine
einheitliche
medizinische
Mindestdokumentation, sowie die Festlegung von Mindeststandards bei den
Untersuchungen garantieren sollten. Laut dem MRB finden diese Formulare in allen
PAZ Verwendung. Im PAZ Klagenfurt und Villach werden diese ab dem 2. Tag der
Nahrungsverweigerung angelegt. In Graz und Klagenfurt erfolgt laut den
Untersuchungen
des
MRB
aber
keine
lückenlose
Dokumentation
des
Hungerstreiks.111
Bei der ärztlichen Untersuchung von Hungerstreikenden sollten folgende Merkmale
kontrolliert werden: Gewicht, Blutdruck, Puls, Hautturgor, Zunge, Blutzuckerwerte,
Allgemeinzustand, psychischer Zustand, Exiskosezeichen, Body-Maß-Index, Harn,
Hämatokrit, Peristaltik, Ansprechbarkeit, Größe, Herz- und Lungenfunktion,
Inspektion Mund- und Rachenraum.
Trotz Einführung einheitlicher Mindeststandards variieren die vorgenommenen
Untersuchungen der Hungerstreikenden in den einzelnen PAZ erheblich und die
Richtlinien
zur
Untersuchung
von
Hungerstreikenden
werden
laut
dem
109
Zahlen: Hungerstreik in Österreich. www.derstandard.at 10.06.2005.
Ebenda.
111
Zwischenbericht des MRB zur Umsetzung der Empfehlungen zum Schwerpunktthema „Spezifische
medizinische Problemlagen“ Quartal III/2003, S. 9.
110
58
Menschenrechtsbeirat nur mangelhaft angewandt. Eine NGO, die in der
Schubhaftbetreuung tätig ist, berichtet, dass sich im Fall von Hungerstreik die
medizinische Versorgung auf eine grobe Beurteilung beschränke. Die Prüfung des
Mineralhaushaltes und einzelner betroffener Organfunktionen findet in der Regel
nicht statt.112
112
Bericht des Menschenrechtsbeirates zur medizinischen Betreuung von Angehaltenen Personen,
S.40.
59
Abb. 2: Informationsblatt des BMI, das in den PAZ in bis zu 23 Sprachen aufliegt
und den Hungerstreikenden als Information über die gesundheitlichen Folgen der
Nahrungsverweigerung dienen soll. Die zu erfolgende Unterschrift dient der
rechtlichen Absicherung im Fall von Folgeerscheinungen.113
113
PAZ Hernalser Gürtel Wien.
60
14.2.1. Haftunfähigkeit
Menschen, deren Haftunfähigkeit festgestellt oder offensichtlich ist, dürfen nicht
festgehalten werden (§ 7 AnHO).114
Zur Zeit gibt es keine Standards zur Feststellung der Haftunfähigkeit. Es wird jedoch
grundsätzlich der Gesamteindruck der Person bewertet, der von den diensthabenden
ÄrztInnen individuell festgestellt wird. Dass die Bandbreite der unterschiedlichen
Stadien der Haftunfähigkeit dadurch sehr groß ist wird unter Mangel an Alternativen
in Kauf genommen.115
Im Fall von einer Entlassung wegen Haftunfähigkeit werden in Wien die
Schubhäftlinge auf die Straße gesetzt. Einweisungen in ein Krankenhaus erfolgen
selten. Es wird jedoch die Verständigung von Bekannten ermöglicht und die
Schubhaftbetreuung wird von der bevorstehenden Entlassung informiert. In Bludenz
und Wels wird bei einer Entlassung die Caritas benachrichtigt.116
14.2.2. Disziplinarmaßnahmen
Der/die AmtsärztIn hat zu entscheiden ob der/die Angehaltene für die Dauer des
Hungerstreiks in einer Krankenzelle oder in Einzelhaft untergebracht und ob ein
Rauchverbot verhängt werden soll.
Der Menschenrechtsbeirat weist in seinem Bericht darauf hin, dass nach der
geltenden AnHO im Zusammenhang mit Hungerstreik eine Anhaltung in Einzelhaft,
ein Rauch- bzw. Besuchsverbot ausschließlich von den AmtsärztInnen zu entscheiden
ist und nicht von einer Behörde oder einzelnen WachebeamtInnen. Der Grund, dass
sich eine Person im Hungerstreik befindet, darf zu keiner Verschlechterung der
114
Anhalteordnung S. 3.
Ebenda, S. 41.
116
Zwischenbericht des Menschenrechtsbeirates zur Umsetzung
Schwerpunktthema „Spezifische medizinische Problemlagen“ S. 13.
115
der
Empfehlungen
zum
61
Anhaltebedingungen führen, da die Situation unnötig aufgeschaukelt werden
könnte.117
Eine besondere Rolle beim Hungerstreik kommt der Schubhaftbetreuung zu. In die
Schubhaftverträge 2003 wurden Bestimmungen aufgenommen, die eine verstärkte
Einbindung der Schubhaftbetreuung insbesondere im Falle spezifischer Problemlagen
vorsehen. In den Verträgen wird auf die erhöhte Aufmerksamkeit und intensivere
Betreuung von hungerstreikenden Häftlingen eingegangen.118
14.3. Zwangsernährung oder „Heilbehandlung“?
„Es ist noch einmal festzuhalten, dass im österreichischen Strafvollzug keine
Zwangsernährungen
durchgeführt
werden,
sondern
vielmehr
die
Justizanstalten mit psychologischen Mitteln Eskalationen vermeiden. Dies hat
zur Folge, dass weder die Justizwachebeamten/innen noch die Ärzte/innen der
Allgemeinmedizin im österr. Strafvollzug nähere Erfahrungen im Umgang mit
hungerstreikenden Häftlingen haben. Lediglich die Miterabeiter/innen der
sogenannten
Betreuungsdienste
bemühen
sich
in
fachlich
geführten
Gesprächen, die Häftlinge vom Hungerstreik abzubringen.
In den letzten Jahrzehnten kam es daher in den Bereichen Untersuchungshaft
und Strafhaft lediglich ganz vereinzelt zu einer Situation, dass ein Häftling
durch den Hungerstreik – dessen Durchführung außer der Gewichtskontrolle
nicht überprüft wird – in gesundheitliche Gefahr geriet. In diesen Fällen
werden die Häftlinge in das nächstgelegene Spital überstellt, wo eine
intravenöse Ernährung durchgeführt wird, gegen die in den vergangenen 20
Jahren nie ein Widerstand geleistet wurde.
117
118
Ebenda, S. 43.
Ebenda, S. 12.
62
Seit 1999 waren lediglich zwei künstliche Ernährungen in der Dauer von 14
und 27 Tagen zu verzeichnen, die mit Zustimmung der Betroffenen durch die
oben genannte Infusionsbehandlung durchgeführt wurde.“119
Durch das Fremdenrechtspaket 2005 (tritt am 01.01.2006 in Kraft) wird die heftig
umstrittene Möglichkeit der Zwangsernährung von Schubhäftlingen eingeführt. Bei
Hungerstreikenden kann der Leiter eines Polizeianhaltezentrums den Leiter des
gerichtlichen Gefangenenhauses Wien um den Vollzug der Schubhaft in der
medizinischen Einrichtung dieses Gefangenenhauses ersuchen.120
Interessant ist, dass die Möglichkeit der Zwangsernährung von Schubhäftlingen im
Fremdenpolizeipaket an keiner Stelle erwähnt wird, jedoch mittels zweifacher
Verweise auf andere Gesetzestexte ermöglicht wird. So steht im neuen
Fremdenpolizeipaket
nur,
dass
für
die
Anhaltung
in
Schubhaft
§
53d
Verwaltungsstrafgesetz (VStG) gilt. In diesem Paragraphen wird lediglich geregelt,
dass für den Vollzug der verwaltungsbehördlich erlassenen Freiheitsstrafe die
Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes 1969 anzuwenden sind. Dort ist festgelegt,
dass Strafgefangene (obwohl Schubhäftlinge keine Strafgefangenen sind), die die
Aufnahme von Nahrung verweigern, wenn erforderlich, nach Anordnung und unter
Aufsicht des Arztes zwangsweise zu ernähren sind.121 Artikel 8 EMRK schützt
den/die GrundrechtsträgerIn in seinem/ihrem Recht, selbst über seinen/ihren Körper
zu bestimmen. Ärztliche Untersuchungen bedürfen daher der Einwilligung des/der
Patientin. Die zwangsweise Anordnung von Behandlungen stellen einen Eingriff in
dieses Recht dar.
Auch das CPT betont das Selbstbestimmungsrecht der PatientInnen in einer
Haftsituation. „Every patient capable of discenernment is free to refuse treatment or
any other medical intervention. Any derogation from this principle should be based
119
Ebenda, S. 45f.
Schumacher, Sebastian: Fremden und Asylrecht. Skriptum FH. Studiengang Sozialarbeit. Wien
2005, S. 99.
121
Strafrechtler: „Politische Unkultur in reinster Ausprägung“. In: www.derstandard.at, 07.07.2005.
120
63
upon law and only relate to clearly and strictly defined exceptional circumstances
which are applicable to the population as a whole.”122
Die World Medical Association definiert in der Malta Deklaration (Leitlinien zur
Behandlung von Hungerstreikenden) einen Hungerstreikenden als zurechnungsfähige
Person, die den Entschluss zu erkennen gegeben hat, die Nahrungs- und/oder
Flüssigkeitsaufnahme für einen signifikanten Zeitraum zu verweigern.123
Zwangsbehandlung oder –ernährung kommt daher erst in Frage, wenn der/die
PatientIn im Koma liegt oder eine unmittelbare Lebensgefahr besteht. Andernfalls
liegt ein unzulässiger Eingriff aufs Selbstbestimmungsrecht (Art. 8 EMRK) und
daraus folgend eine Körperverletzung vor. Dass eine hungerstreikende Person in
Schubhaft ins Koma fällt, kann in der Praxis aber nicht auftreten, weil dem eine
Entlassung wegen Haftunfähigkeit vorgehen würde.
Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK) Reiner Brettenthaler wies
darauf
hin,
dass
kein
Arzt
zur
Einleitung
einer
Zwangsernährung
bei
hungerstreikenden AsylwerberInnen gezwungen werden dürfe. Er beruft sich dabei
auf eine Deklaration des Weltärztebundes, in der es heißt, dass im Vordergrund bei
der Behandlung von Hungerstreikenden die Interessen des Patienten zu stehen haben
und auch dessen Wille, künstliche Ernährung zu verweigern. Ärzte, die sich nicht an
die Deklaration des Weltärztebundes halten, haben mit Disziplinarmaßnahem zu
rechnen. 124
§ 110 des StGB regelt, dass jemand, der einen anderen ohne Einwilligung behandelt,
mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten zu bestrafen ist.125
122
Stellungnahme von amnesty international Österreich zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem
das AsylG 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundesbetreuungsgesetz, das Bundesgesetz über den
unabhängigen Bundesasylsenat und das Meldegesetz geändert werden, das Asylgesetz 2005 und das
Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen sowie das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz,
das UBAS-Gesetz und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert
werden. Wien 2005, S. 82.
123
Zwischenbericht des MRB zur Umsetzung der Empfehlungen zum Schwerpunktthema „Spezifische
medizinische Problemlagen“ Quartal III/2003, S. 6
124
www.aerztekammer.at/index.php?aid=headlines&tipe=article, 17.08.2005.
125
Zwangsernährung: Ärzten droht Strafe. In: www.derstandard.at, 05.07.2005.
64
Ist Zwangsernährung eine sinnvolle Maßnahme?
Die Meinung der ÖsterreicherInnen zum Thema Zwangsernährung wurde in einer
Online Standard-Umfrage eroiert.
Es wurden insgesamt 1.497 Stimmen abgegeben, wovon sich
37,7% gegen die Zwangsernährung aussprachen,
28.9% sind aus Mangel an Alternativen dafür,
25,6% finden Zwangsernährung auf keinen Fall vertretbar und
9,8% halten sie als Abschreckungsmaßnahme für geeignet.
2,6% sind völlig anderer Meinung.126
126
Ist Zwangsernährung eine sinnvolle Maßnahme? In: www.derstandard.at, 16.06.2005.
65
14.4. Suizid
Für Menschen in Schubhaft steht - wie bei allen Formen der zwangsmäßigen
Anhaltung - die Gefährdung des eigenen Körpers an der Tagesordnung. Diese reicht
von Hungerstreiks und Selbstverstümmelungen bis hin zu Selbstmord. In Österreich
sind uns in den letzten Jahren mehrere Fälle von Selbstmorden in Schubhaft bekannt.
Es gibt keine öffentlich zugänglichen Statistiken über Suizide in Schubhaft.
Einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vom Mai 2005127
"Medienmitteilungen
und
Presseverlautbarungen
nach
zufolge werden
Suiziden
(...)
zur
Verhinderung von Nachahmungen sowie im Hinblick auf die Privatsphäre äußerst
restriktiv behandelt."
Ein Mitglied des Menschenrechtsbeirates geht davon aus, dass es in Folge der
Asylrechtsnovelle 2005 und der Möglichkeit der „Heilbehandlung“ zu einer
Zunahme von Selbstmorden beziehungsweise Selbstmordversuchen kommen wird,.
da durch die Möglichkeit der Zwangsernährung ein Hungerstreik nicht mehr zur
Haftunfähigkeit
führen
kann.
Selbstmorde
und
Selbstmordversuche
von
„illegalisierten“ AsylwerberInnen werden also ganz bewusst in Kauf genommen. 128
Die
Erstuntersuchung
bei
der
Inhaftierung
spielt
beim
Erkennen
von
suizidgefährdeten Personen eine große Rolle. Häftlinge, die suizidgefährdet wirken,
sind so lange wie notwendig unter ärztlicher Kontrolle zu behalten und von
selbstgefährdenden Gegenständen fernzuhalten. Die Gefahr eines Suizids gilt kurz
vor und kurz nach einer Verhandlung oder der Inhaftierung als am höchsten. In
diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass eine psychische Untersuchung ein
Mindestmaß von Vertrauen voraussetzt, das in den Schubhaftanstalten nicht gegeben
ist, woraus zu schließen ist, dass bei Erstuntersuchungen meist nichts zu erkennen ist.
ExpertInnen erklären, dass in einem gewissen Zeitraum vor dem Selbstmord von der
betreffenden Person meist ein „Zeichen“ gesetzt wird, das auf die erhöhte Gefahr
hinweist und das es zu erkennen gilt.
127
128
Parlamentarische Anfrage 2748/AB XXII. GP
Interview mit Günther Ecker am 23. Mai 2005.
66
Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt, dass nach jeder Art von Verdacht auf
Selbstbeschädigung sofort eine psychiatrische Klinik kontaktiert werden sollte. 129
14.4.1. Chronologie der bekannt gewordenen „Suizide“130 in den
Anhaltezentren
 22. Februar 2005: Selbstmord im PAZ Hernalser Gürtel?
Am 22. Februar 2005 wurde der algerische Schubhäftling Ben Habra Saharaoui
tot in einer Einzelzelle im Polizeigefangenenhaus Hernalser Gürtel aufgefunden.
Offiziell starb er einen "Tod durch Erhängen". Es gibt Vorwürfe von
Misshandlung seitens der BeamtInnen, die offizielle Version eines Selbstmordes
wird in Zweifel gezogen.131
 23. Juli 2004: Toter in Schubhaft im PAZ Rossauer Lände
Zeitungsmeldungen zu Folge132 kam es am 23. Juli 2004 zum Selbstmord eines
35-jährigen Schubhäftlings im PAZ Rossauer Lände in Wien.

03. August 2002: Toter in Schubhaft in Bludenz
Medienberichten zufolge wird in den frühen Morgenstunden des 3. August 2002
ein Schubhäftling in einer Zelle entdeckt. Laut Angaben der Polizei soll es sich
nicht um Selbstmord gehandelt haben. Zur Klärung der Todesursache wurde die
Leiche obduziert.133
129
Zwischenbericht des MRB zur Umsetzung der Empfehlungen zum Schwerpunktthema „Spezifische
medizinische Problemlagen“ Quartal III/2003, S. 21.
130
Suizid steht unter Anführungszeichen, da in manchen Fällen nicht eindeutig nachvollziehbar ist, ob
es sich wirklich um Selbstmord handelte. Oft ist die Todesursache unklar und die Obduktionsberichte
der Todesfälle werden meist nicht veröffentlicht.
131
Recherche zum Tod in der Schubhaft. In. www.no-racism.net/article/1138, am 29.07.2005.
132
www.derstandard.at, 20.10.2004.
133
Tod eines Schubhäftlings in Bludenz. In: www.no-racism.net/article/410/, am 29.07.2005.
67

23. September 2001: Selbstmord in den Anhalteräumen am Flughafen
Wien/Schwechat
Im "Zwischenbericht des MRB zur Umsetzung der Empfehlungen zum
'Scherpunktthema medizinische Problemlagen'", Quartal III/2003. stellt der
MRB in einer Empfehlung134 für erforderliche Maßnahmen zur Anhaltung in
Schubhaft fest: "Der tragische Selbstmord eines Schubhäftlings hat drastisch
vor Augen geführt, dass bei einer Überlegung nicht von den erforderlichen
Betreuungsmöglichkeiten
ausgegangen
werden
kann.
Darüber
hinaus
widerspricht die Überlegung dem diesbezüglichen Erlass, der eine Reduktion
der Kapazitäten auf max. vier Haftplätze vorsieht (am Tag des Selbstmordes,
23.09.2001, waren insgesmat 9 Personen angehalten)."
 1996 bis 1998
Nach
einer
parlamentarischen
Anfragebeantwortung
an
den
damaligen
Innenminister Schlögl kam es von 1996 bis 1998 zu insgesamt 305
"Selbstbeschädigungen". Als Selbstmordversuche wurden davon 48 Fälle
gewertet. Da die Bewertung im Einzelfall "nicht immer einfach" ist, kann
durchaus
von
einer
höheren
Zahl
ausgegangen
werden.
Die
von
Selbstbeschädigung betroffenen kommen aus 20 Staaten, unter ihnen 13 Frauen
und 14 Minderjährige. In der Anfragebeantwortung wird von einem Selbstmord
im Jahr 1996 berichtet.
15. Schubhaftbetreuung
134
Empfehlung Nr.
85, S. 18.
68
Die anhaltende Kritik an der Praxis der Schubhaft und die sich häufenden Fälle von
Selbstverletzungen und Suizidversuchen veranlassten das Innenministerium, nach
Lösungen zu suchen.
Seit 1.1.1998 ist die soziale und rechtliche Schubhaftbetreuung in Österreich
gesetzlich geregelt. Zwischen den NGO’s und dem Bundesministerium für Inneres
wurden Verträge zur Finanzierung einer Österreich weiten Schubhaftbetreuung
abgeschlossen. Ziel der Verträge war es, regelmäßige humanitäre, soziale und
psychosoziale Betreuung, sowie rechtliche Beratung sicherzustellen.135
15.1. Entstehungsprozess des österreichischen Modells der Schubhaftbetreuung
Bei den jährlichen Treffen von VertreterInnen des UNHCR (UN-High Commissioner
for Refugees) und verschiedenster, im Flüchtlingsbereich tätiger NGO’s um über
Probleme, Aufgabenstellungen, Zielsetzungen und Forderungen im Bereich der
Betreuung und des Schutzes von Flüchtlingen zu diskutieren, wurde in den Jahren
1995 und 1996 in Linz und in Graz die Idee entwickelt, gemeinsam ein Konzept für
die sozial-rechtliche Betreuung in der Schubhaft zu erarbeiten.
Im November 1996 fand eine Arbeitstagung statt, an der sich VertreterInnen von 30
NGO’s aus allen Bundesländern beteiligten. Man einigte sich auf ein gemeinsames
Konzept für die Schubhaftbetreuung und auf Mindestforderungen, die in
Verhandlungen mit dem BMI durchgesetzt werden sollten.
Jene Teile des NGO-Konzepts, die sich auf die Aufgaben der Schubhaftbetreuung
beschränkten, fanden schnell die Akzeptanz des BMI, wie zum Beispiel der
vorgelegte Leistungskatalog.
Leistungskatalog der Schubhaftbetreuungsverträge:
135
http://tatblatt.net/198/198schubhaftundsozialdienst.htm, 12.06.2005.
69
-
Betreuung von Schubhäftlingen in humanitärer und sozialer Hinsicht
-
Führen von Kontaktgesprächen mit jedem Schubhäftling in der ersten Woche
der Schubhaft
-
Versorgung von Schubhäftlingen mit Hilfsgütern (Hygieneartikel, Bücher) im
Akutfall, bis die entsprechende Versorgung durch den Träger der
Gefangenenanstalt selbst erfolgen kann
-
Begleitung des Schubhäftlings bei ärztlichen Untersuchungen auf seinen
Wunsch
-
Information des Schubhäftlings über behördliche Zuständigkeiten in den ihn
betreffenden anhängigen Verfahren und allfällige rechtliche Schritte
-
Setzung von präventiven Maßnahmen zur Minimierung des Konfliktpotentials
in Schubgefängnissen
-
Information der Behörden über Umstände, die zu einer gesundheitlichen
Beeinträchtigung von Schubhäftlingen führen können
-
Vorbereitung der Schubhäftlinge auf die Abschiebung bzw. Entlassung
-
Hilfestellung bis zu einer Woche nach der Entlassung aus der Schubhaft
-
Hilfestellung zur Umsetzung des „gelinderen Mittels“ insbesondere bei
Jugendlichen und Frauen 136
Im Forderungskatalog der NGO’s waren weitere Punkte enthalten, die keine
Beachtung beim BMI fanden wie zum Beispiel:
-
Entwicklung und Ausbau von Möglichkeiten zur Vermeidung der Schubhaft,
sowie deren gesetzliche Verankerung
-
Vermehrte Amwendung des gelinderen Mittels
-
Bestimmte Personengruppen sollen nicht mehr in Schubhaft genommen
werden. Dazu zählen wir insbesondere AsylwerberInnen im laufenden
Verfahren, unbegleitete Minderjährige und schwangere Frauen.
136
Glanzer, Edith: Möglichkeiten sozial-rechtlicher Betreuung in der Schubhaft? In: Staatsarchitektur.
Vor der Information. Wien 1998, S. 158.
70
-
Gesetzlich
verankert
werden
soll
ein
verpflichtendes
richterliches
Haftprüfungsverfahren137
15.2. Umsetzung der Schubhaftbetreuung in die Praxis:
In den ersten neun Monaten der war den Schubhaftbetreuungsorganisationen der
Zugang zu den Schubhäftlingen generell gestattet, die Organisationen erhielten von
Seiten der Behörde die Neuzugangslisten zugestellt, so dass sie dem Auftrag, den
Schubhäftling innerhalb der ersten Woche zu besuchen, nachkommen konnten.
Dies wurde mit Oktober 1998 eingestellt. Die Begründung von Seiten der Behörde
war, dass die Zusendung der Neuzugänge aufgrund von Datenschutzproblemen nicht
länger möglich sei. In weiterer Folge musste der erste Schritt vom Schubhäftling
ausgehen, der nur durch ein kurzes Informationsblatt über die Möglichkeit einer
Betreuung informiert wird und mit seiner Unterschrift erklären muss, dass er eine
Betreuung wünscht.
Bei den neuen Verträgen 1999 und 2000 stand vor allem der Punkt "rechtliche
Beratung" im Kreuzfeuer der Kritik. Argumentierten die NGO’s, dass ohne rechtliche
Information und Beratung die Arbeit nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden
könne, so war die Tätigkeit einiger SchubhaftbetreuerInnen den Verantwortlichen im
BMI ein Dorn im Auge und in der Folge wurden die Verträge mit gewissen NGO´s
.nicht mehr verlängert wie zum Beispiel von ZEBRA Graz.
Der Sinn der Schubhaftbetreuung, ohne Möglichkeit der rechtlichen Beratung und
Einbringung von Rechtsmitteln, bleibt lediglich die Vorbereitung auf die Deportation
und die Minimierung des Konfliktpotentials in den Polizeianhaltezentren.
Derzeit
sind
mehrere
regionale
und
nationale
Organisationen
in
der
Schubhaftbetreuung engagiert. Neben der großen überregionalen Organisation Caritas
(Burgenland, Steiermark und Vorarlberg) ist der Evangelische Flüchtlingsdienst
(EFDÖ) in Salzburg, Niederösterreich und Kärnten, die ARGE Schubhaft in Tirol
137
Ebenda, S. 156ff.
71
und SOS Menschenrechte in Wien und Niederösterreich in einen Vertrag mit dem
BMI eingebunden.
Daneben gibt es noch andere Organisationen, die sich im Bereich der Schubhaft
engagieren, wie etwa der Flughafensozialdienst, Asyl in Not, Amnesty International,
Deserteursberatung Wien und ZEBRA, die jedoch keinen Vertrag mit dem BMI
haben.138
15.3. NGO´s, die in der Schubhaftbetreuung tätig sind
Um
ein
genaueres
Bild
über
die
verschiedenen
Vereine,
die
in
der
Schubhaftbetreuung tätig sind, zu geben, werden im folgenden Abschnitt zwei
NGO’s genauer dargestellt.
Beide Vereine unterliegen den Vorgaben des Innenministeriums. Der Verein
Menschenrechte Österreich stellt im Gegensatz zur ARGE Schubhaft Innsbruck in
seiner Arbeit die Institution Schubhaft überhaupt nicht in Frage, sondern sieht sie als
eine
notwendige
Form
der
Migrationsregulierung
an.
Daraus
resultieren
unterschiedliche Zugänge in der Arbeit mit den Angehaltenen.
15.3.1. ARGE Schubhaft Innsbruck
Der Verein wurde 1997 aus einer Initiative der Sozialakademie gegründet und steht
seit 1998 unter Vertrag mit dem Bundesministerium für Inneres. Er setzt sich aus
138
In der Steiermark, wo ursprünglich neben der Caritas auch noch ZEBRA einen Vertrag hatte, wurde
aufgrund von Umbaumaßnahmen im Gefangenenhaus, durch die angeblich die Besuchskapazitäten
verringert wurden, nur mehr die Caritas vertraglich gebunden - so zumindest die offizielle Version aus
dem BMI. In: http://www.zebra.or.at/lexikon/s.html#Schubhaft, 21/07/05.
72
einem
ehrenamtlich
arbeitenden
multikulturellen
BetreuerInnenteam
von
ÜbersetzerInnen, RechtsvertreterInnen und VertrauensärztInnen zusammen.
Die BetreuerInnen legen bei ihren wöchentlichen Besuchen großen Wert an der
Information über die Verfahren und der Vermittlung von Rechtsberatung bzw.
Rechtsvertretung. Bei besonders schutzbedürftigen Gruppen wie Minderjährigen,
Betroffene von Frauenhandel und kranken Menschen wird die Anwendung des
Gelinderen Mittels forciert. Es besteht auch eine enge Zusammenarbeit mit anderen
NGOs, Rechtsanwälten und Ärztinnen.
Im Rahmen der politischen Arbeit und Öffentlichkeitsarbeit werden Vorträge an
Schulen organisiert, wo Flüchtlinge über ihre Anhaltung in der Schubhaft berichten.
Es werden Stadtführungen organisiert zu Orten von Flucht und Migration, Schubhaft,
Asylverfahren und Abschiebung. Die Teilnahme an der Tiroler Plattform gegen
Rassismus (Teil des Austrian bzw. European Network against Racism) und am
Integrationsforum ist ein weiterer wichtiger Aspekt der öffentlichen Arbeit.
Die politischen Forderungen der ARGE Schubhaft sind:
•
Abschaffung der Schubhaft
•
Verbesserung der Haftbedingungen / offener Vollzug
•
verstärkte Anwendung des gelinderen Mittels
•
verpflichtete Rechtsvertretung für Häftlinge
•
keine AsylwerberInnen in Schubhaft
•
keine Minderjährigen in Schubhaft
•
Haftprüfungsverfahren
•
Abschaffung / Änderung des Dubliner Übereinkommens 139
139
Das Dubliner Übereinkommen ist seit 1998 in Kraft und legt fest, welches Land für das
Asylverfahren zuständig ist. Laut Dubliner Übereinkommen ist jenes EU-Land, welches von der
Person als erstes betreten wurde, für die Prüfung zuständig. Werden bei der Leibesvisitation in einem
Erstaufnahmezentrum Hinweise auf ein anderes EU-Land gefunden, wird der/die AsylwerberIn in
Schubhaft genommen und in das zuständige Land ausgewiesen. In. Die Zahl der Schubhäftlinge nimmt
zu. In: www.derstandard.at, 02.02.2006.
73
•
Sensibilisierung der Bevölkerung 140
15.3.2. Verein Menschenrechte Österreich
Der Verein Menschenrechte Österreich wurde 2002 von Günther Ecker, der bis dahin
im Verein SOS-Menschenrechte Oberösterreich tätig war, gegründet. Der Verein
stellt im Gegensatz zur ARGE Schubhaftbetreuung keine politischen Forderungen
sondern ist lediglich darauf spezialisiert, Konfliktsituationen in den Haftanstalten zu
minimieren und die angehaltenen Menschen so schnell wie möglich und ohne größere
Probleme abzuschieben oder durch das Programm der „freiwilligen Rückkehr“ den
Menschen die Rückkehr in ihr Heimatland, in dem meistens Folter und
Misshandlungen an der Tagesordnung stehen, schmackhaft zu machen.141
In der NGO Szene wird der Verein als GONGO – Govermental Organized NGO
bezeichnet, da er primär Staatsinteressen vertritt.142
Der
Verein
ist
seit
März
2003
mit
der
Schubhaftbetreuung
in
den
Polizeianhaltezentren in Wien Rossauer Lände und Hernalser Gürtel und in
Oberösterreich, in Linz, Wels und Steyr, beauftragt und zählt derzeit 23
MitarbeiterInnen und vier Zivildiener.143
Das Betreuungsangebot reicht von der sozialen Betreuung in der Schubhaft über
Herstellung von Kontakten mit Angehörigen und Freunden, Unterstützung in der
medizinischen Versorgung durch Bereitstellung von DolmetscherInnen, Prävention
von Konflikten, Selbstbeschädigungen und Hungerstreik, Information zu laufenden
rechtlichen Verfahren, Versorgung bedürftiger Schubhäftlinge mit Hilfsgütern vor
allem Bekleidung und Telefonwertkarten, Verkürzung der Schubhaft durch das
Beibringen von Identitätsdokumenten und Flugtickets, Vorbereitung auf die
Abschiebung durch Informationen über das Abschiebeprozedere, Teilnahme am
Kontaktgespräch mit dem Begleitbeamten der Abschiebung, Mobilisierung von
140
http://www.abschiebehaft.de/gruppen/s37.htm, 13.06.2005.
Persönliche Eindrücke, gewonnen durch ein Interview mit Günther Ecker am 23.05.2005.
142
http://oe1.orf.at/highlights/40514.html, 21.07.2005.
143
http://verein-menschenrechte.at, 17.07.2005.
141
74
Angehörigen zur Abholung vom Flughafen oder von der Grenze bis hin zur
Aushändigung eines Zehrgeldes für mittellose Frauen, die abgeschoben werden.144
Ein weiteres Angebot, das der Verein den Schubhäftlingen bietet, ist das der
„freiwilligen Rückkehr“. Bei der Inanspruchnahme dieses Angebotes hat der
Schubhäftling
die
WachebeamtInnen
Möglichkeit,
Österreich
zu
freiwillig
und
ohne
verlassen
und
in
Begleitung
sein/ihr
von
Heimatland
zurückzukehren. Der Obmann des Vereins, Günther Ecker, äußert sich in einem
Interview folgendermaßen zum Thema „freiwillige Rückkehr“:
„....da kommt dann eben unser Rückkehrprogramm ins Spiel. Das ist unsere letzte
Entwicklung. Wir bieten eine Alternative zur Abschiebung in Polizeibegleitung oder
zur zwangsweisen Abschiebung in Form von der freiwilligen Rückkehr. Auch da gibt
es unterschiedliche Haltungen. Z. b. sind die großen Hilfsorganisationen wie Caritas
oder Diakonie der Meinung, aus einer Haft oder aus einer Haftsituation kann man
nicht freiwillig zurückkehren. Weil man, wenn ich das kurz zusammenfassen darf,
weil wenn man in Haft ist, ist man ja nicht frei in seiner Entscheidung. Das stimmt
natürlich, ist überhaupt keine Frage. Man ist nicht mehr so frei und man hat nicht
mehr so viele Alternativen. Aber auch in Haft hat man Entscheidungen, die man für
sich treffen muss. Und das kann kein Betreuer machen. Ich vergleich das gern mit
Fernsehen. Es ist ein Unterschied, ob ich einen Kabelanschluss habe mit 99
Programmen. Das ist Situation Freiheit. OK, da kann ich entscheiden: wo geh ich
hin, was mach ich, wie beweg ich mich. Diese 99 Alternativen können wir nicht
anbieten. Aber was wir anbieten können, ist ORF 1 und ORF 2. Man kann trotzdem
wählen zwischen ORF 1 und ORF 2. Man kann sagen:“ nein ich will nicht nach
Hause nur quasi wenn’s mich abschieben dann ja“ oder andere die sagen „ja ich
sehe ein, mein Aufenthalt in Österreich geht zu Ende“ Manche wollen auch nach
Hause also das Bild ist ja falsch, dass alle immer nur bleiben wollen, das ist ein
Klischee, das nicht stimmt. Sondern dass gerade, und da bei besonderen
Problemgruppen wie bei Minderjährigen durchaus die Bereitschaft da ist, so schnell
wie möglich nach Hause in die vertraute Umgebung und aus dieser misslichen
144
http://verein-menschenrechte.at, 17.07.2005.
75
schwierigen Situation aus Österreich wegzukommen. Also das ist ein Angebot, das
wir machen können. Momentan ist es so, dass in Oberösterreich 10% aller
Schubhäftlinge mittlerweile mit unserem Rückkehrprogramm zurückkehren und in
Wien sind wir derzeit bei 7% aller Schubhäftlinge, die nicht von der FREPO
,
145
sondern von uns zurückkehren. Und trotzdem ist es eine freiwillige Rückkehr, weil es
hat ja niemand gezwungen zu kooperieren oder die Anträge zu unterschreiben oder
Dokumente beizubringen oder was auch immer.“146
Wie Günther Ecker bereits im Interview andeutet, ist das Konzept der „freiwilligen
Rückkehr“ ein problematisches und purer Euphemismus. Menschen, die in Schubhaft
kommen, halten sich oft bereits mehrere Jahre im österreichischen Staatsgebiet auf,
haben Freundschaften geschlossen oder eine Familie gegründet. Überschattet wurde
ihr Aufenthalt von dem unsicheren Ausgang des Asylverfahrens und jeder Tag in
Österreich ist ein Tag voller Ungewissheit und Angst vor dem Aus des
Asylverfahrens und des Inhaftiert - Werdens. Vor dem Hintergrund der
Zwangssituation in Schubhaft ist die „Freiwilligkeit“ der Rückkehr massiv in Frage
zu stellen.
Den Menschen ist durch Kontakt zu anderen AsylwerberInnen bei den vielzähligen
Behördengängen meist innerhalb kurzer Zeit, nach der Ankunft in Österreich klar,
dass die Aussichten, Asyl zu erhalten, sehr gering sind. Der Aufenthalt in Österreich
gestaltet sich für den Großteil der AsylwerberInnen als eine große psychische und
physische Belastung.
2004 stellten 1.828 Menschen aus Nigeria einen Asylantrag. Es kam zu 455
Entscheidungen. 3 erhielten Asyl, 442 wurden abgelehnt.147
145
Fremdenpolizei
Ausschnitt aus dem Interview mit Günther Ecker.
147
http://www.asyl.at/fakten_8/stat_2005_01.htm, 14.10.2005.
146
76
Ist
das
Asylverfahren
endgültig
entschieden
worden,
heißt
es
für
Die
AntragsterllerInnen entweder Bleiberecht oder Abschiebung. Nicht viele Menschen
sind bereit, ihr Leben als Illegalisierte/r in Österreich zu verbringen.
In der Betreuungspalette des Vereins Menschenrecht Österreich befindet sich auch
das „Monitoring“. Die ehemals betreuten Personen werden innerhalb weniger Tage
oder Wochen nach ihrer Abschiebung angerufen und nach dem Verlauf der Reise,
dem Verhalten der Behörden und der Reintegration ins Heimatland befragt. Die durch
das „Monitoring“ gewonnenen Erkenntnisse werden an das Bundesministerium für
Inneres weitergeleitet. Diese Maßnahme soll menschenrechtliche Problemzonen bei
der Abschiebung aufzeigen.148
In Bezug auf den Tätigkeitsbereich „Monitoring“ wurden seit Aufnahme der
Tätigkeit bis August 2004 537 Fälle bearbeitet. 288 Klienten haben 2004 auf die
Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr zurückgegriffen.149
148
149
Neuwirth, Thomas: Sozialarbeit im Verwaltungsstrafvollzug. Wien 2005, S. 148.
www.verein-menschenrechte.at, 02.02.2005.
77
Freilich gibt es überall Erlässe
Willkür, Ordnung, Polizeigewalt
Und man fragt die Wolken: Habt ihr Pässe?
Und den Baum: wo ist dein Aufenthalt?
bert brecht, flüchtlingsgespräche
78
Theoretische Abhandlung zur Abschiebung oder „Auf der
Suche nach dem Warum“?
Die
Menschheitsgeschichte
unterscheidet sich wesentlich von der
Zoologie. In ihr ist die Rasse nicht
alles, wie bei den Katzen und
Nagetieren, und man hat nicht das
Recht, durch die Welt zu ziehen, den
Leuten die Schädel zu vermessen und
sie dann zu packen und zu sagen: „Du
bist unser Blut, du gehörst zu uns!“
Ernest Renan
Würde das Konzept von Nation/Nationalstaat nicht existieren, gäbe es (unter
anderem) keine Deportationen. Eine theoretische Annäherung an die Entstehung der
Nationalstaaten ist im Zusammenhang mit dem Phänomen der Abschiebung
unumgänglich,
denn
„Nationalität“
gilt
gegenwärtig
als
einer
der
wirkungsmächtigsten Codes für Inklusion und Exklusion.
Es ist ein moderner Trend, Grenzen zu Überschreiten. Für Kapital, Waren und
Menschen mit einem gewissen sozialen Status und der „richtigen“ Nationalität stellt
diese Tatsache auch in keinerlei Hinsicht ein Problem dar. Im Gegensatz dazu stehen
Flüchtlinge, die an den Außengrenzen Europas auf eine Möglichkeit der Einreise in
das goldene Europa warten.
„Es ist genau die interstitielle (zwischenräumliche) Positionierung der Flüchtlinge
im System der Nationalstaaten, welche ihr Leben für das anthropologische
79
Hinterfragen
von
Nation,
Staatenlosigkeit
und
die
Vernetztheit
von
Geschichtserinnerung und nationalem Bewusstsein so einzigartig erkenntnisfördernd
macht.“150
Flüchtlinge werden in einer durch Nationalstaaten organisierten Welt als Bedrohung
empfunden. Interessanterweise gilt als „Problem der Flüchtlinge“ nicht der Umstand,
der zur Flucht zwang, sondern vielmehr sie selbst. In diesem Zusammenhang arbeitet
Malkki das Problem der allgemein gebräuchlichen Metapher der „Entwurzelung“
heraus. Diese Metapher drückt eine tiefe Verbundenheit mit dem Territorium aus und
aus dem Zustand der Entwurzelung werden bestimmte „Eigenschaften der
Flüchtlinge“ abgeleitet. Menschen verlieren durch die „Entwurzelung“, die
„Deterritorialisierung“ ihre Identität bzw. ihre „Kultur“, wodurch sie zu
unkontrollierbaren, verantwortungslosen Elementen der Aufnahmegesellschaft
gemacht werden. Sie seien daher potenzielle „Kriminelle“, „Drogendealer“ oder
„Terroristen“. Flüchtlinge sind sozusagen immer ein Problem: ein humanitäres, ein
rechtliches oder ein psychologisches.151 Die Tatsache, dass die Lebensbedingungen in
der Aufnahmegesellschaft die neu entstehenden Identitäten wesentlich mitprägen,
wird in der aktuellen Politik nicht wahrgenommen. So werden die Bedürfnisse von
Flüchtlingen und MigrantInnen in der Aufnahmegesellschaft oft auf das reine
Erbringen von Sachleistungen wie Nahrungsaufnahme, hygienische und medizinische
Versorgung und Schlafplatz reduziert.152
Nationalismen charakterisieren die moderne Gesellschaft. Der Nationalismusgedanke
gründet sich auf der Vorstellung, dass die Menschen einer Nation durch eine lange
gemeinsame mythische Vorgeschichte, eine gemeinsame „Rasse“, gemeinsame
Sprache und durch natürliche Grenzen verbunden seien.153 Dabei sind Nationen
historisch gesehen etwas Junges und nicht große alte traditionsreiche Gemeinschaften
150
Malkki, Liisa: Purity and Exile. Violence, Memory and National Cosmology among Hutu Refugees
in Tanzania. Chicago 1996. S. 1.
151
Malkki, Liisa: The Rooting of Peoples and the Territorialisation of National Identity among
Scholars and refugees. In: Gupta, Akhil; Ferguson, James: Culture, Power, Place. Exporations in
Critical Anthropology. London 1997. S. 54ff.
152
Malkki, Liisa: Purity and Exile. Violence, Memory and National Cosmology among Hutu Refugees
in Tanzania. Chicago 1996. S. 5f.
153
Heinz Rögl. Eine neue Theorie des Nationalismus. In: IKUS Lectures. S. 29.
80
wie es Nationalisten gerne nahe legen. „...der Fortschritt der historischen Studien ist
oft eine Gefahr für die Nation“, denn die HistorikerInnen zerren die gewaltsamen
Vorgänge ans Licht, „die sich am Ursprung aller politischen Gebilde ereignet
haben.“154 Die „gemeinsame Rasse“ kann ebenfalls kein Grundpfeiler einer Nation
sein aus dem einfachen Grund, dass es wissenschaftlich gesehen keine Rassen gibt.
Auch die Sprache ist kein nationalbildender Faktor. Nationalsprachen sind vielmehr
der Effekt von Nationalbildung als deren Ursache.155 Auch die „natürliche“ Grenze
gilt nicht als Legitimation von Nation: „Denn was soll eine „natürliche“ Grenze sein
– ein Fluss, ein Berg? Und warum ist dann ein Fluss eine Grenze und ein anderer
nicht?156
Einen wichtigen Gedankengang in diesem Zusammenhang bringt Gellner ans Licht,
indem er hervorkehrt, dass die Entstehung des Nationsgedankens in die Zeit des
Industriellen Zeitalters fällt in dem der Imperativ: „ein Staat eine Kultur, eine Kultur
ein Staat“ im Zentrum steht. Die vorindustrielle Welt kannte den Gedanken noch
nicht. Man denke an das heilige römische Reich in dem eine Vielzahl von „Kulturen“
innerhalb einer Grenze lebten, die durch Eroberungsfeldzüge ständiger Fluktuation
unterworfen waren. Das neue „moderne“ Prinzip lautet: jede Kultur braucht einen
eigenen Staat, um sie zu beschützen. Jeder Staat soll sich der schützenden
Aufrechterhaltung einer Kultur widmen.157 (Dieser Gedanke gilt immer noch als
politischer Grundgedanke der einzelnen Nationalstaaten, denn würde sonst unter
anderem von politischer Seite her auf so eine Art und Weise auf Migration und Flucht
reagiert werden?).
Aber Staaten hat es nicht immer gegeben! Norbert Elias vertritt die These, dass die
Entstehung von Staaten auf das Konkurrenzdenken zurückzuführen ist: Anfänglich
kleine Staatengebilde entwickeln sich durch Wetteifer und Fusionsbewegungen (zum
154
Renan, Ernest: Was ist eine Nation? Berlin 1996. S. 38.
Vergleiche zum Beispiel die Schweiz mit vier Sprachen und viele Nationen die eine Sprache mit
anderen Nationen gemeinsam haben.
156
Renan, Ernest: Was ist eine Nation? Berlin 1996. S. 55.
157
Gellner, Ernst: Jenseits des Nationalismus? Kulturelle Homogenität und Vielfalt in modernen
Gesellschaften. In: IKUS Lectures Nr. 3 + 4/1992. S. 37.
155
81
Beispiel Unterwerfung, Hochzeit....) zu mächtigen territorialen Komponenten.158 Am
24. Oktober 1648 kam es nach dem Dreißigjährigen Krieg zum Westfälischen
Frieden
zwischen
Frankreich,
Schweden
und
Deutschland.
Die
nationale
Unabhängigkeit der Niederlande und der Schweiz wurde festgelegt und zum ersten
mal in der Weltgeschichte entstand ein Territorialsystem mit Nationalstaaten und
Grenzen. 1648 entsteht also das Westfälische Staatenmodell, das sich global
ausbreitet und dem drei universale Komponenten eines Staates zu Grunde liegen:
1. Staaten haben territoriale Grenzen, dem Staat obliegt das Gewaltmonopol und die
Gerichtsbarkeit sowie das Steuerrecht.
2. Im internationalen System sind Staaten die einzigen wichtigen Akteure. Jeder Staat
ist souverän und steht an höchster Stelle.
3. Jeder Staat ist gleichberechtigt.
Diese neu entstanden Territorialstaaten müssen dafür Sorge tragen, dass sich die
Menschen, die innerhalb der territorialen Grenzen leben, mit dem Staat identifizieren.
Jetzt erst kommt der Nationalismus ins Spiel. Anderson geht in diesem
Zusammenhang davon aus, dass durch die Entstehung des „print – capitalism“, und
die in diesem Zusammenhang entstehenden „print – languages“ schon sehr früh die
Basis für ein nationales Bewusstsein geschaffen wurde. „Speakers of the huge variety
of Frenches, Englishes, or Spanishes, who might find it difficult or even impossible to
understand one another in conversation, became capable of comprehending one
another via print and paper. In the process, they gradually became aware of the
hundreds of thousands, even millions of people in their particular language-field, and
at the same time that only those hundreds of thousands, or millions, so belonged.
These fellow readers, to whom they were connected through print, formed, in their
secular, particular, visible invisibility, the embryo of the national imagined
community.”159 Diese Entwicklung führte zu enormen Veränderungen in den
gesellschaftlichen Strukturen. Denn nicht mehr bloß der Klerus und andere
158
Norbert Elias. Über den Prozess der Zivilisation 1939. In: Handout der Vorlesung (Post)
Kolonialismus von Marcel van der Linden im SS 2002.
159
Anderson, Benedict: Imagined Comunities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism.
London 1991. S. 44.
82
Angehörige der damaligen Eliten konnten lesen und schreiben lernen, sondern
Sprache und Schrift wurden kontinuierlich universalisiert. Und wenn eine elitäre
Klasse ihre elitären Eigenheiten abgibt, kommt es in einer gewissen Weise zur
Entmachtung dieser Eliten. Die Grenzen zwischen oben und unten verschieben sich
im Laufe der Geschichte der Nationsbildung zu Grenzen zwischen Gruppen
beziehungsweise
Gesellschaften.
In
einer
sich
industrialisierenden
und
vereinheitlichenden Gesellschaft sind nicht mehr die starken Ausprägungen oben und
unten, wie zum Beispiel im Feudalismus, vorhanden, sondern die Grenzen verlaufen
zwischen den Menschen. Aus diesem historischen Fakt leitet Anderson seine
Definition von Nation ab: „It is an imagined political community – and imagined as
both inherently limited and sovereign.“160 Diese Definition von Nation als
vorgestellte
Gemeinschaft,
die
über
tatsächliche
Verbindungen,
wie
Verwandtschaftsbeziehungen hinausgeht, verdeutlicht sehr gut, wie die Nation
gedacht und gelebt wird. Nämlich indem die Menschen ein Wir-Gefühl entwickeln
und sich als Teil eines größeren Ganzen sehen. Dieses größere Ganze bildet in der
Nation eben die politische Gemeinschaft, in der sich einzelne Personen dieser
Gemeinschaft unterordnen und das gemeinsame Wohlergehen über das eigene stellen.
Durch diesen imaginären Charakter von Nation kommt des weiteren zum Ausdruck,
dass die Grenzen der Gemeinschaft nicht fix und über die Zeit hinweg nicht statisch
sind, da – bedingt durch die nicht tatsächliche Gemeinschaft im Sinne einer face - to
face Gesellschaft, in der sich jedes Mitglied persönlich kennt, sondern diese
Gemeinschaft nur eine vorgestellte ist, - jemand unmöglich feststellen kann, ob Leute
dieser Gemeinschaft beitreten oder sie verlassen, es sei denn in der unmittelbaren
eigenen Umgebung. Trotzdem werden diese Grenzen oft genug als fix gesehen. Die
„vorgestellte Gemeinschaft“ ist also eine wesentliche Eigenschaft einer Nation. Eine
Gemeinschaft zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sie ein Wir-Gefühl
besitzt, weil sie von Gemeinsamkeiten (sprachlicher, kultureller der anderer Art)
ausgeht.
160
Ebenda, S. 6.
83
Kommt es nun zu Krisen (Kriege, Naturkatastrophen, wirtschaftliche oder soziale
Umbrüche im Zuge des Globalisierungsprozesses) innerhalb dieser Nationalstaaten,
beginnen die auf dem Territorium lebenden Menschen sich mit dem Gedanken der
Emigration auseinander zu setzen; oder sie werden aus diversesten Motiven zur
Emigration gezwungen. Kelly und Portes unterscheiden vier Typen von Migration:
1. Arbeitsmigration: freiwillig, aus wirtschaftlichen Gründen: („GastarbeiterInnen“,
temporäre Arbeitskräfte, StudentInnen).
2. Postkoloniale Migration: freiwillig, aus politischen Gründen (dazu zählt zum
Beispiel auch die jüdische Migration nach Israel in einer nicht unmittelbar
bedrohlichen Situation).
3. Wirtschaftsflüchtlinge: unfreiwillig aus wirtschaftlichen Gründen (Flüchtlinge, die
nicht in die GFK fallen, ArmutsmigrantInnen, Flüchtlinge vor Hungersnöten und
Naturkatastrophen).
4. Flüchtlinge entsprechend der GFK: unfreiwillig aus politischen Gründen.
Die genaue Zuordnung von Flüchtlingen zu einer dieser Migrationstypen ist nicht
möglich, da die Migrationsmotive oft eine Kombination aller genannten Kategorien
sein können. Fluchtbewegungen werden grundsätzlich aber als unfreiwillige Form der
Migration definiert.161
Parnreiter wiederum sieht Zusammenhänge der Migrationsbewegungen mit der
Entfaltung der internationaler Arbeitsteilung. Die Flüchtlingsbewegungen der letzten
zwanzig bis dreißig Jahre unterliegen neuen Mustern, die im Zusammenhang mit der
Globalisierung stehen. Ökonomische Veränderungen, hervorgerufen durch die
Ausbreitung kapitalistischer Gesellschaftssysteme werden als auslösendes Moment
der Flüchtlingsbewegungen der 1990er Jahre gesehen. Die Entstehung des Begriffs
„Wirtschaftsflüchtling“ wird in diesem Zusammenhang geboren. Aus dem Prozess
der Dekolonialisierung und den Fall des Eisernen Vorhangs resultierten neue
161
Zitiert nach Kelly und Portes. In: Binder, Susanne; Tosic, Jelena: Flüchtlingsforschung.
Sozialanthropologische Ansätze und genderspezifische Aspekte. In: SWS-Rundschau Heft 4/2003. S.
455.
84
Fluchtgründe. Es entstanden neue Staaten, geprägt durch soziale, wirtschaftliche und
politische Konflikte, die dazu beitrugen, Menschen zur Flucht zu bewegen.162
Diese theoretische Abhandlung über die Entstehung der Nation und eine kurze
Erläuterung von verschiedenen Migrationsformen bilden den theoretischen Rahmen
des nachfolgenden Kapitels über die Abschiebung von AsylwerberInnen in
Österreich.
II. Abschiebung oder
„Aus den Augen, aus dem Sinn“
162
Parnreiter, Christof: Migration und Arbeitsteilung. AusländerInnenbeschäftigung in der
Weltwirtschaftskrise. Wien 1994. S. 18.
85
Endet die Schubhaft nicht mit einer Entlassung, setzt die Abschiebung der Schubhaft
und somit dem Aufenthalt in Österreich ein Ende.
Im Jahr 1954 wird mit dem § 13 FrPolG idf BGBL das Rechtsinstitut der
Abschiebung zum ersten mal definiert: Fremde gegen die ein Aufenthaltsverbot
erlassen oder mit gerichtlichem Urteil auf Landesverweisung oder Abschaffung
erkannt worden ist, können durch zwangsweise Beförderung unter Begleitung von
Sicherheitsorganen abgeschoben werden (Schub), wenn sie das Gebiet, in dem ihnen
der Aufenthalt verboten ist, nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist verlassen
oder wenn eine Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ruhe,
Ordnung oder Sicherheit notwendig erscheint.163
Die Abschiebung ist die Maßnahme, durch welche die Ausreiseverpflichtung eines
Fremden umgesetzt wird. Ausreiseanordnungen erfolgen entweder in Form einer
Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes. Mit der Durchsetzbarkeit einer dieser
Bescheide entsteht für den Fremden die Verpflichtung, unverzüglich das
Bundesgebiet zu verlassen. Den Fremdenbehörden kommt ab diesem Zeitpunkt die
gesetzliche Befugnis der Abschiebung unter Anwendung von Befehls- und
Zwangsgewalt, um das erlassene Aufenthaltsverbot oder die Ausweisung
durchzusetzen, zu. ( § 56 Abs. 1 iVm § 60 FrG). Die unmittelbare Ausübung von
Zwangsgewalt (z. B. Festhalten, Anlegen von Handschellen usw.) muss dem/der
Betroffenen gegenüber angedroht werden.164
1. Rechtliche Voraussetzungen
1.1. Aufenthaltsbeendender Bescheid
163
Böhm, Markus: Die Abschiebung als fremdenpolizeiliche Maßnahme nach dem Fremdengesetz
1997. Innsbruck 2000, S. 5.
164
Schuhmacher, Sebastian: Fremdenrecht. Wien 2003, S. 263.
86
Jeder Abschiebung aus Österreich geht ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung in
Form einer Ausweisung (§§ 33 und 34 FrG) oder der Verhängung eines
Aufenthaltsverbotes (§ 36FrG)
voraus. In beiden Fällen wird mit der
Durchsetzbarkeit des Bescheides die Verpflichtung des/der Fremden zum Verlassen
des Bundesgebietes begründet. Einer Berufung gegen ein Aufenthaltsverbot oder der
verpflichteten Ausreise kommt in diesem Fall nach § 40 Abs. 2 FrG keine
aufschiebende Wirkung zu.165 „Hat die Behörde die aufschiebende Wirkung einer
Berufung gegen eine Ausweisung Fremder gemäß § 33 Abs. 1 oder gegen das
Aufenthaltsverbot (45 Abs. 3 oder 4) ausgeschlossen, so werden diese mit Ausspruch
durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen.“166 Hat der/die
Betroffene eine Beschwerde beim VfGH oder VwGH erhoben, und wurde dieser
Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt, darf die Ausweisung oder das
Aufenthaltsverbot nicht durchgesetzt werden.167
1.2. Abschiebungsgründe
Fremde können nach § 56 FrG zur Ausreise verhalten werden, wenn:
die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen
Ruhe, Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint oder
1. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind
2. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer
Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen
3. sie sich trotz aufrechten Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhalten 168
165
Im Gegensatz zum Asylverfahren wo gegen den ersten negativen Bescheid innerhalb von zwei
Wochen eine Berufung eingelegt werden kann, der automatisch aufschiebende Wirkung zukommt.
D.h. wird gegen den ersten negativen Asylbescheid fristgerecht berufen, endet die
Aufenthaltsbewilligung bis zur rechtskräftigen Entscheidung nicht.
166
Schuhmacher, Sebastian: Gesetzessammlung Fremdenrecht. Alle Neuerungen der
Fremdenrechtsnovelle 2002. Wien 2003, S. 161.
167
Fuchs, Carmen: Rechtliche Aspekte der Abschiebung am Beispiel Marcus Omofuma. Innsbruck
2001, S. 7.
168
Schuhmacher, Sebastian: Gesetzessammlung Fremdenrecht. Alle Neuerungen der
Fremdenrechtsnovelle 2002. Wien 2003, S. 175f.
87
2. Schutz vor Abschiebung während des Asylverfahrens
Zurück- und Abschiebungen von AsylwerberInnen während des laufenden
Asylverfahrens sind ausnahmslos verboten.169 Das Verbot der Abschiebung gilt vom
Zeitpunkt des Einbringens bis zum rechtskräftigen Ende des Asylantrages durch den
Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS). Im Asylverfahren muss mit der Ablehnung
eines Asylantrages gleichzeitig die Zulässigkeit der Abschiebung festgestellt
werden.170
169
Fuchs, Carmen: Rechtliche Aspekte der Abschiebung am Beispiel Marcus Omofuma. Innsbruck
2001, S. 7.
170
Siehe dazu Spruch II auf der ersten Seite des Asylescheides.
88
Abb. 2: Erste Seite eines Asylbescheides nach dem Asylgesetz 2004.
89
Wird einer Beschwerde gegen den ablehnenden Asylbescheid vom VwGH oder
VfGH die aufschiebende Wirkung zuerkannt, wird das Asylverfahren neu aufgerollt
und das Verbot der Abschiebung gilt erneut. In der Zeit zwischen der negativen
Entscheidung durch den UBAS und der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung
durch den VwGH oder VfGH sind die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen wirksam,
d. h. der/die Asylwerber/in kann in dieser Zeit ab- bzw. zurückgeschoben werden.171
Abschiebeaufschub:
Ist die Abschiebung unzulässig (§ 57 FrG) oder aus tatsächlichen Gründen nicht
möglich, so ist sie für höchstens ein Jahr aufzuschieben (§ 56 Abs. 2 FrG).
Unmöglich ist eine Abschiebung, wenn deren Durchführung auf Grund fehlender
Dokumente oder eines Heimreisezertifikates scheitert. Ein Abschiebeaufschub ist
nicht mit einer Aufenthaltsgenehmigung gleichzusetzen. Der Aufenthalt des Fremden
wird nur geduldet, ohne dass dem/der Betroffenen Aufenthalts- oder Arbeitsrecht
zukommt. Seit 1. Jänner 2003 kann für Fremde ein einmalig gültiges Reisedokument
zum Zweck der Abschiebung ausgestellt werden. Der Abschiebeaufschub ist bei der
Fremdenpolizei zu beantragen und kostet 16,30 Euro.172
3. Unzulässigkeit der Abschiebung
Liegen die Voraussetzungen für eine aufenthaltsbeendende Maßnahme vor oder ist
der Asylantrag rechtskräftig negativ, so hat die Fremdenpolizei dennoch zu prüfen, ob
eine Abschiebung zulässig ist (Feststellung des non-refoulment).
Eine Abschiebung ist nach § 57 FrG unzulässig, wenn die Person in dem Staat, in den
sie abgeschoben werden soll, aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention
(GFK)173 bedroht wäre, die Person unmenschlicher Behandlung, Strafe oder der
Todesstrafe unterworfen würde oder wenn ihr Leben oder ihre Freiheit in Gefahr
171
Fuchs, Carmen: Rechtliche Aspekte der Abschiebung am Beispiel Marcus Omofuma. Innsbruck
2001, S. 9
172
Schumacher, Sebastian: Fremdenrecht. Wien 2003, S. 264.
173
wenn das Leben oder die Freiheit der Person auf Grund der Rasse, Religion, Nationalität, der
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Anschichten bedroht ist.
90
wäre.174 Dem UNHCR zufolge wurde das Refoulment- Verbot in vielen Fällen nicht
mit der gebotenen Sorgfalt und der erforderlichen Sachkenntnis geprüft, was auf die
mangelhafte Ausbildung der PolizeibeamtInnen in diesem Bereich zurückgeführt
wird. Es kommt immer wieder zu Abschiebungen in Länder, die vom
menschenrechtlichen Standpunkt her bedenklich sind.175
4. Abschiebepraxis oder „Im Namen des Gesetzes“
Zur Abschiebung aus Österreich werden Flugzeuge und andere Verkehrsmittel wie
Bahn und Fahrzeuge der Exekutive eingesetzt. Statistische Aufzeichnungen mit
welchen Verkehrsmitteln und wohin Abschiebungen erfolgt sind, werden nicht
geführt. Nach EU- Vorgaben werden Zurück- und Abschiebungen in einer
gemeinsamen
Statistik
erfasst,
wobei
differenziert
wird,
ob
die
Außerlandesbeschaffung auf Land- oder Luftweg erfolgte.
Abschiebungen
1998
1999
2000
insgesamt
16.992
20.207
18.074
Landweg
14.103
17.698
15.647
Luftweg
2.889
2.509
2.427
Abschiebungen per Flugzeug werden abgebrochen, wenn der Fremde Widerstand
leistet und die Abschiebung unter der Einhaltung der Bestimmungen der EMRK und
des § 29 SPG nicht möglich ist. Ist die Ruhe, Ordnung und Sicherheit an Bord durch
den Widerstand des Betroffenen nicht gewährleistet, kann die Beförderung auf Grund
des Tokioter Abkommens vom jeweiligen Flugkapitän verweigert werden.
Die Richtlinien für die Organisation und Durchführung von Abschiebungen sehen
eine Kontaktaufnahme der BegleitbeamtInnen mit dem Piloten bereits vor Besteigen
des Flugzeuges zum Zweck der Abklärung allfälliger Fragen, die Beförderung
174
Schuhmacher, Sebastian: Gesetzessammlung Fremdenrecht. Alle Neuerungen
Fremdenrechtsnovelle 2003. Wien 2003, S. 176.
175
Hödl, Gertraud; Winter Petra: Auf der Suche nach einem sicheren Hafen. Wien 1998, S. 77.
der
91
betreffend, vor. Bis zum Verschließen der Außentüren des Flugzeugs haben die
BeamtInnen das Recht zur Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 60
FrG. Nach dem Verschließen der Türen geht diese Befugnis an den Pilot über (Art. 6
des Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt BGBI. Nr. 97/1949 Tokioter
Abkommen176). Dieser kann von anderen Besatzungsmitgliedern (wozu ab dem Start
der
Maschine
auch
die
BeamtInnen
gehören)
im
Sinne
des
Verhältnismäßigkeitsprinzips Unterstützung verlangen.
Die Flugtauglichkeit eines Deportees wird längstens 24 Stunden vor dem Flugtermin
durch einen Arzt festgestellt.
Manche Fluglinien verlangen die Anwesenheit von BeamtInnen bei Abschiebungen
aus Gründen der Sicherheit.177
5. Problemabschiebungen
Nach dem Tod von Marcus Omofuma traten am 01. Juni 1999 neue „Richtlinien für
die Organisation und Durchführung von Abschiebungen auf dem Luftweg“ in
Kraft.178 Bis dahin gab es keine generellen Richtlinien für die Vorgangsweise der
Sicherheitsorgane bei Abschiebungen. 179
Grundsätzlich werden für Abschiebungen auf dem Luftweg Linienflüge gebucht.
Charterabschiebungen erfolgen nur, wenn die Gewaltanwendung des/der Fremden,
der/die außer Landes geschafft werden soll, offensichtlich ist oder die Abschiebung
des/der Betroffenen bereits einmal abgebrochen wurde.180 Nach Abbruch einer
Abschiebung wegen Widerstand kann die Schubhaft gemäß § 69 Abs. 4 Z 4 FrG
verlängert werden.181
176
http://www.luftrecht-online.de/einzelheiten/luftfahrer/bordgewalt.htm, 29.09.2005.
Parlamentarische Anfrage und Antwort betreffend Abschiebepraxis. In: http://noracism.net/article/233/, 19.09.2005.
178
Erlass ZI. 19.250/42-GD/99.
179
www.menschenrechtsbeirat.at/de/mrb_bericht_problem_vt.html, 13.06.2005, S. 11.
180
Parlamentarische Anfrage und Antwort betreffend Abschiebepraxis. URL: http://noracism.net/article/233/, 19.09.2005.
181
Schumacher, Sebastian: Gesetzessammlung Fremdenrecht. Alle Neuerungen der
Fremdenrechtsnovelle 2003. Wien 2003, S. 184.
177
92
Problemabschiebungen sind Abschiebungen, bei denen aufgrund bestimmter
Tatsachen zu erwarten ist, dass der Betroffene Widerstand leisten wird.182 Sie werden
vorgenommen wenn:
-
die Abschiebung auf dem Luftweg auf Grund von Widerstandshandlungen
des Abzuschiebenden abgebrochen werden musste
-
oder im Rahmen des fremdenpolizeilichen Verfahrens klar erkennbar ist, dass
sich der Häftling unter Einsatz physischer Gewalt der Abschiebung
widersetzen wird und eine Linienabschiebung nicht durchführbar ist
Diese Richtlinien wurden am 1. September 1999 in einem Erlass183 für
Charterabschiebungen vom BMI festgelegt.184
Die
erste
Charterabschiebung
mit
einem
Lear-Jet
des
internationalen
Flugrettungsdienstes Austria (IFRA) wurde am 24. Juni 1999 durchgeführt.185
Begleitet wurde der Abschiebeflug von Beamten des Einsatzkommandos COBRA
und
einem
Arzt
Menschenrechtsbeirates
des
Flugrettungsdienstes.
von
1999,
der
Die
Hinzuziehung
Empfehlung
eines
des
unabhängigen
Menschenrechtsbeobachters bei Charterabschiebungen186, wurde am 27.10.2001 bei
einer Abschiebung drei nigerianischer Staatsbürger nach Lagos zum ersten mal
umgesetzt.187
Im Dezember 2004 wurden 459 Menschen von Österreich aus in ihre Herkunftsländer
abgeschoben.
Fünfzehn
dieser
Abschiebungen
waren
sogenannte
Problemabschiebungen, die auf dem Luftweg durchgeführt wurden188 (Zielorte sind in
182
www.menschenrechtsbeirat.at/de/mrb_bericht_problem_vt.html 13.06.2005, S. 5.
Erlass Zl. 31.200/50 – III/16/99
184
www.menschenrechtsbeirat.at/de/mrb_bericht_problem_vt.html, 13.06.2005, S. 11.
185
Wie in Österreich Abschiebungen durchgeführt werden. http://no-racism.net/article/641, 26.07.200.
186
www.menschenrechtsbeirat.at/de/mrb_bericht_problem_vt.html, 13.06.2005, S. 27.
187
http://verein-menschenrechte.at/cgibin/index.pl?MAIN=index.html&MENU=menu1.html&NEWS=news1.html&DATA=../diverz/mensc
henrechtsbeobachter.html.
188
www.bmi.gv.at/downloadareas/asyl_fremdenwesen_statistik/012005.pdf, 23.08.2005, S. 62.
183
93
der Statistik, trotz vorliegender Empfehlung des Menschenrechtsbeirates nicht
erfasst).189
Der
Menschenrechtsbeirat
Problemabschiebungen“
hat
im
„Bericht
Empfehlungen
für
über
die
die
sogenannten
Verbesserung
der
menschenrechtlichen Standards bei der Durchführung herausgearbeitet:190
1. Bei Abschiebungen, die mit Zwang durchgesetzt werden, sind die
BegleitbeamtInnen wegen der Intensität des Eingriffs in die Menschenrechte
der abzuschiebenden Person, besonderen Anforderungen ausgesetzt. Die Ausund Weiterbildung der BeamtInnen soll auf diese möglichen Situationen
eingehen.
Speziell
in
Bereichen
wie
Kommunikations-
und
Konfliktlösungsfähigkeit, Erste Hilfe und Wissen über die rechtlichen
Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume in den Zielländern.191 In der
Evaluierung des Menschenrechtsbeirates von 2002 wurde diese Empfehlung
vom BMI als gänzlich umgesetzt, vom MRB als überwiegend umgesetzt
betrachtet.192
2. Von großer Bedeutung für einen korrekten Ablauf der Abschiebung ist die
Kommunikation
zwischen
allen
beteiligten
Personen.
Die
SchubhaftbetreuerInnen sind über den Termin der Abholung zu informieren
und sollten bei der ersten Kontaktaufnahme von BegleitbeamtInnen und
Abzuschiebenden anwesend sein. Empfehlung: überwiegend nicht umgesetzt.
(Problemabschiebungen werden von Wien aus durchgeführt und die
Abzuschiebenden aus jedem PAZ werden zur Durchführung der Abschiebung
nach Wien gebracht. Somit ist die Begleitung der Betreuungsorganisation
nicht möglich). Die Erstellung eines „Laufzettels“ seitens des BMI ist
vorgesehen, wo in kurzer und prägnanter Form die für die Abschiebung
189
Siehe Empfehlung Nr. 9, S. 13.
www.menschenrechtsbeirat.at/de/mrb_bericht_problem_vt.html 13.06.2005, S. 11.
191
www.menschenrechtsbeirat.at/de/mrb_bericht_problem_vt.html 13.06.2005, S. 12ff.
192
Schematische Übersicht zur Evaluierung des Menschenrechtsbeirates
– Stand Juni 2002. In: http://www.menschenrechtsbeirat.at/de/index_evaluierung.html, S. 1.
190
94
wichtigen
Informationen
Hungerstreik,
(psychischer
Selbstverstümmelung,
Zustand,
Verhalten
Suizidversuch
im
usw.
PAZ,
und
Verfahrensschritte von der Behörde und der Schubhaftbetreuungsorganisation
einzutragen sind. Eine Eskalation der Situation soll verhindert werden. Diese
Empfehlung gilt als überwiegend umgesetzt.193
3. Jeder abzuschiebenden Person sollte der Zeitpunkt, die Flugroute, Flug- und
Ankunftszeit und die Begleitpersonen vor der Abschiebung bekannt gegeben
werden. Dafür wurde vom BMI ein Verständigungsblatt in 19 Sprachen
herausgearbeitet. Der Häftling soll die Möglichkeit haben, vor der
Außerlandesbeschaffung persönliche Angelegenheiten zu regeln. Der Person
muss ebenfalls mitgeteilt werden, dass die Abschiebung endgültig
durchgeführt
wird,
und
dass
die
Sicherheitsexekutive
befugt
ist,
Zwangsmaßnahmen durchzusetzen. Der abzuschiebenden Person muss
verdeutlicht werden, dass dieses mal Widerstand sinnlos ist. Die Person sollte
auch über die aktuelle Lage im Heimatland informiert und mit genügend Geld
für die ersten Tage im Zielland ausgestattet werden. Das BMI erachtet diese
Empfehlung als gänzlich umgesetzt, auf Grund der Weitergabe der
Herkunftsländerdokumentation. Der MRB bewertet diese Empfehlung als
nicht umgesetzt, da keine entsprechenden Monitoring Modelle entwickelt
wurden, wodurch eine begleitende Beobachtung der aus Österreich
abgeschobenen Personen möglich wäre.194
4. Nach der Landung im Zielland ist die problemlose Beendigung der
Abschiebung für den Betroffenen und die sichere Heimreise der BeamtInnen
zu gewährleisten.195
193
Ebenda, S. 3.
Ebenda, S. 4.
195
www.menschenrechtsbeirat.at/de/mrb_bericht_problem_vt.html 13.06.2005, S. 17.
194
95
5. Es wird empfohlen, Informationen über die Zielländer der abgeschobenen
Personen einzuholen und diese in die Ausbildung sowie in behördliche
Entscheidungen einfließen zu lassen. Diese Empfehlung wird vom
Menschenrechtsbeirat als nicht umgesetzt eingestuft. Das BMI hingegen
bewertet sie als gänzlich umgesetzt.196
6. Die Belastung der abzuschiebenden Person und der BeamtInnen in Hinblick
auf Länge und Anzahl der Zwischenstopps ist möglichst gering zu halten. Des
weiteren wird empfohlen, Flugstrecken über Länder zu wählen mit denen
Durchbeförderungsübereinkommen bestehen. Diese Empfehlung wird als
nicht evaluierbar eingestuft.197
7. Eine
Charterabschiebung
ist
die
„ultima
ratio“
der
zwangsweisen
Außerlandesbeschaffung. Um Vorwürfen mangelnder Kontrolle zu entgehen,
sollte ein unabhängiger Menschenrechtsbeobachter am Flug teilnehmen.
Sofern die Chartermaschine nicht voll ausgelastet ist, fliegt Günther Ecker,
der
Gründer
des
Vereins
Menschenrechte
Österreich,
als
Menschenrechtsbeobachter mit und verfasst anschließend einen Bericht über
den Vorgang der Abschiebung für das BMI. Aus organisatorischen und
finanziellen
Gründen
ist
eine
regelmäßige
Teilnahme
des
Menschenrechtsbeobachters nicht möglich. In einem Zeitraum von zwei
Jahren begleitete Günther Ecker zwei mal eine Charterabschiebung.198
8. Die angewandten Zwangsmaßnahmen bei einer Abschiebung sind auf die
Wahrung
der
Menschenrechte
und
des
Verhältnismäßigkeitsprinzips
systematisch zu überprüfen.199
196
Ebenda, S. 19.
Ebenda, S. 20.
198
Schematische Übersicht zur Evaluierung des Menschenrechtsbeirates
– Stand Juni 2002, S. 5.
199
www.menschenrechtsbeirat.at/de/mrb_bericht_problem_vt.html 13.06.2005, S. 22.
197
96
9. Die
Anzahl
und
die
Zielländer
der
Problemabschiebungen
sollten
systematisch erfasst werden und in der monatlichen Fremdenstatistik
Niederschlag finden. Empfehlung gilt als nicht umgesetzt.200
6. Abschiebung - eine tödliche Praxis
In Österreich hat der Tod des nigerianischen Asylwerbers Marcus Omofuma eine
breite Öffentlichkeit auf die Problematik von Abschiebungen aufmerksam gemacht.
Der Fall Omofuma ist kein Einzelfall. In verschiedenen europäischen Ländern starben
in den letzten Jahren Menschen bei gewaltsam durchgeführten Abschiebungen.
Im Zuge meiner Recherchen stieß ich auf folgende Abschiebungen mit tödlichem
Ausgang:
 Im August 1994 starb Kola Bankole, nigerianischer Staatsbürger, noch vor
dem Start der Lufthansamaschine. Er wurde ähnlich wie Omofuma wie ein
Paket verschnürt und ein Arzt verabreichte ihm eine Beruhigungsspritze.
Todesursache: Herzversagen.
 Asan Asanov starb am 12. April 1998 bei seiner Deportation von Deutschland
nach Mazedonien in einer Lufthansamaschine.
 Semira Adamu wurde am 22. September 1998 bei ihrer Abschiebung aus
Belgien nach Nigeria von den begleitenden Beamten mit einem Polster
erstickt. Die BeamtInnen wollten mit dieser Praxis ihr Schreien unterdrücken.
Nach diesem Vorfall hat die belgische Fluggesellschaft Sabena die
Beförderung von Schubhäftlingen eingestellt.
200
www.menschenrechtsbeirat.at/de/mrb_bericht_problem_vt.html 13.06.2005, S. 23
97
 Der Palästinenser Khaled Abuzarifeh starb am 3. März 1999 auf dem
Flughafen Kloten (Schweiz). Ihm wurden Fuß- und Handfesseln angelegt und
der Mund verklebt. Zwei Monate zuvor konnte er sich durch Schreien seiner
Abschiebung mit der Swiss Air nach Ägypten entziehen.201
 Marcus Omofuma starb am 01.05.1999 bei seiner Abschiebung. Offizielle
Todesursache: Herzversagen
 Am 28. Mai 1999 starb der Sudanese Aamir Ageeb bei seiner Abschiebung
von Deutschland nach Kairo. Ageeb wurde von den BegleitbeamtInnen an
Händen und Füssen gefesselt und ein Integralhelm aufgesetzt. Er erstickte.202
 Am 30. Dezember 2002 bei einem Abschiebeflug der Air France von
Frankreich nach Argentinien verstarb Ricardo Barrientos. Zum Zeitpunkt
seines Todes war er mit den Füßen an den Vordersitz gebunden, die Hände
steckten in Handschellen, zusätzlich war eine Decke über ihn gelegt worden.
Todesursache: Herzinfarkt.
 Der Somalier Mariame Getu Hagos, starb am 18. Jänner 2003. Bei seiner
Abschiebung mit der Air France aus Frankreich verlor er das Bewusstsein und
verstarb drei Tage später in einem Krankenhaus. 203
7. „Wo ist Marcus Omofuma?“
Der „Fall“ Omofuma soll das Ausmaß der staatlichen Gewalt, des institutionalisierten
Rassismus in Österreich verdeutlichen. Die Suspendierung der drei Kriminalbeamten,
die Marcus Omofuma in den Tod „geschoben“ haben, dauerte von 20. Mai 1999 bis
201
Zwischenfälle bei Abschiebungen. In: http://no-racism.net/article/554/, 19.09.2005.
www.deportation-class.com/lh/log.html, 26.09.2005.
203
www.deportation-class.com/log/index.html, 26.09.2005.
202
98
Februar 2000; nicht einmal ein Jahr. Es stellt sich nun die Frage der
„Verhältnismäßigkeit“ der Amtshandlungen und in wie weit menschenrechtliche
Aspekte durch das Verhalten der Staatsbeamten ausgeblendet oder einfach nicht
beachtet wurden, denn es handelte sich um eine Routineabschiebung, wie sie jeden
Tag vom Flughafen Schwechat (Wien) durchgeführt wird.
Marcus Omofuma wurde am 10. Mai 1973 in Nigeria geboren. Am 16. September
1998 reiste er in Österreich ein und stellte einen Antrag auf Asylgewährung. Am 01.
Mai 1999 erstickte er auf seinem Abschiebeflug.
Der Asylantrag von Marcus Omofuma wurde am 07. Dezember 1998 vom
Bundesasylamt Traiskirchen erstinstanzlich abgewiesen. Am 15. Dezember 1998
ordnete die Bezirkshauptmannschaft Baden die Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG
1997 und die Inschubhaftnahme an. Am 09. Februar 1999 wurde Marcus Omofuma
aus Kapazitätsgründen vom PAZ Schwechat in das PAZ Wien überstellt. Nachdem
sein
Asylverfahren
auch
in
zweiter
Instanz
durch
den
Unabhängigen
Bundesasylsenat204 (UBAS) negativ entschieden wurde und das für die Abschiebung
notwendige Heimreisezertifikat205 der nigerianischen Botschaft eingelangt war,
ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Baden das Fremdenpolizeiliche Büro in Wien
um die Abschiebung des Marcus Omofuma auf dem Luftweg. Am 28. April 1999
wurden beim Österreichischen Verkehrsbüro vier Flugtickets für Marcus Omofuma
und drei Kriminalbeamte für einen Flug mit der Balkan Air bestellt.
Marcus Omofuma gab bereits im Vorfeld seiner Abschiebung wiederholt zu
erkennen, dass er nicht freiwillig in sein Heimatland Nigeria zurückkehren werde.
Laut Medienberichten war der Grund seines Widerstands die Angst vor Verfolgung
durch die Ogboni society206, deren Mitglied er war und gegen dessen Regeln er
204
Der UBAS wurde mit dem neuen Asylgesetz 1997 eingerichtet und stellt die zweite Instanz im
Asylverfahren dar. Das heißt, der UBAS entscheidet über die eingebrachten Berufungen. Gegen die
Entscheidung des UBAS kann beim VwGH Berufung eingelegt werden.
205
Damit eine Abschiebung möglich ist, muss von der Behörde des Herkunftsstaates des/der
Betroffenen ein sogenanntes Heimreisezertifikat ausgestellt werden, wodurch die nötigen Reisepapiere
ersetzt werden und eine Abschiebung überhaupt erst möglich ist. Wird kein solches Heimreisezertifikat
ausgestellt, so gilt der/die Abzuschiebende nicht als Staatsangehörige/r und kann in der Folge nicht
abgeschoben werden.
206
Die Ogboni society ist eine Geheimgesellschaft in Nigeria. Die Mitglieder dieser Gesellschaft
haben einen großen politischen und sozialen Einfluss auf die Bevölkerung und Entscheidungsträger in
99
verstoßen habe. Marcus Omofuma galt auf Grund seines Verhaltens in der Schubhaft
als „unangenehmer“ Schubhäftling, weshalb vom Bundesministerium für Inneres für
die Durchführung der Abschiebung drei Kriminalbeamte angefordert wurden.207
7.1. Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen?
oder „Die polizeilichen Maßnahmen bei der Abschiebung
Omofumas“
Bei der Ankunft am Flughafen begann Omofuma Widerstand zu leisten und versuchte
sich Selbstverletzungen zuzufügen als letzte Chance, die Abschiebung zu verhindern.
Die Selbstverletzungen wurden von den Beamten vereitelt. In der Folge wurde sein
Kopf von hinten festgehalten und die Oberarme und auch die Beine von den Knien
abwärts mit einem Klebeband gefesselt. Da Omofuma laut schrie, wurde sein Mund
mit einem fünf Zentimeter breiten Leukoplastband zugeklebt.
Durch eine Mundbewegung Omofumas löste sich das Band und wurde durch ein
Paketklebeband ausgetauscht, das ihm nun über den Mund und um den Kopf gelegt
wurde. Darüber, ob die Nasenlöcher ebenfalls verklebt waren, sind sich die
ZeugInnen nicht einig. In diesem gefesselten Zustand musste der Abzuschiebende in
das Flugzeug getragen werden. Die zwei letzten Sitzreihen waren nach üblicher
Vorgangsweise für die Abschiebung reserviert. Nachdem Omofuma weiterhin
Widerstand leistete, wurde sein Kopf mit einem Klebeband an der Nackenstütze
fixiert. Ein weiteres Klebeband wurde vom Kinn nach oben über den Kopf gelegt. Als
sich der Verschnürte immer noch gegen die Abschiebung wehrte, wurde sein
Oberkörper mit einem Klebeband an die Rückenlehne geklebt.
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Mitgliedschaft ist oft eine notwendige Voraussetzung für das
wirtschaftliches Wohl und soziale Einbindung. Die Mitgliedschaft bei den Ogboni ist vererbt und jeder
Titel steht im Eigentum einer Familie. In: www.ecoi.net/pub/sb65_acc-nigeria-0902-final.pdf,
01.10.2005, S. 29f.
207
http://www.parlinkom.gv.at, 27.05.2001 In: Rechtliche Aspekte der Abschiebung am Beispiel
Marcus Omofuma. S, 11.
100
Die Umwickelung reichte vom Schulterbereich bis zu den Ellbogen. Die Füße des
Abzuschiebenden wurden mit Hilfe eines Gurtes, der von einem Kriminalbeamten
hinter Omofuma gehalten wurde, fixiert. Da Omofuma in der Startphase versuchte,
seinen Oberkörper nach vorne zu bewegen, wurde von den beiden hinter ihm
sitzenden Kriminalbeamten ein Klettband um seinen Brustkorb gelegt und unter
Einsatz der Knie eine Zugwirkung erzeugt, sodass sich der Abzuschiebende nicht
mehr bewegen konnte. Marcus Omofumas Oberkörper war derartig verklebt, dass das
darunter liegende Gewand nicht mehr erkennbar war. Bei jedem Laut, den Marcus
versuchte von sich zu geben, wurde neuerlich Klebeband um seinen Körper gelegt.208
Omofuma wurde wie ein Paket verschnürt. In dieser Position war es ihm unmöglich
zu sprechen, seinen Kopf oder Körper zu bewegen. Er konnte zum Beispiel nicht
darauf aufmerksam machen, dass er auf die Toilette muss oder er zu wenig Luft
bekommt. Von den Kriminalbeamten wurde eine außergewöhnliche Gefahrenlage
geschaffen, die zum Tod führte.
Der Flug von Wien nach Sofia dauerte eine Stunde. Nach Angaben der Beamten
beruhigte sich Omofuma bereits in der ersten Hälfte des Fluges. Einer der Beamten
kontrollierte vier- bis fünf mal den Atem und den Puls des Verklebten. Die letzten
zwanzig Minuten vor der Landung hatte Marcus seine Augen geschlossen und wirkte
schlafend. Der Schein trübte. Marcus Omofuma war tot.
Todesursache: Erstickung, herbeigeführt durch einen mindestens dreißigminütigen
Sauerstoffmangel. Der Tod des Marcus Omofuma ist ungefähr zwanzig Minuten vor
der Landung in Sofia eingetreten. Die wesentliche Komponente, die zum
Erstickungsvorgang führte, war die Brustkorbkompression, die durch das Festkleben
des Oberkörpers an die Rückenlehne hervorgerufen wurde und verstärkt wurde durch
das nach Hinten drücken des Oberkörpers mit dem Klettband, jedes Mal wenn
Omofuma Laute von sich gab.
208
Das Urteil. In: www.no-racism.net/article/303, 29.09.2005.
101
8. Weitere menschenrechtlich bedenkliche Folgen von Abschiebungen am
Beispiel Nigeria
In einem Interview mit dem Falter äußert sich der nigerianische Botschafter Biodun
Owoseni in Wien folgendermaßen zu dem Thema „nigerianische Drogendealer“:
„Wenn Nigerianer hier wegen Drogenhandel verurteilt und zu uns abgeschoben
werden, dann sperren wir sie in Nigeria noch einmal ein paar Jahre ein, weil sie
Schande über unser Land gebracht haben. Wir bestrafen doppelt!“209
Österreich führt laufend Abschiebungen nach Nigeria durch (die Fremdenstatistik des
BMI gibt keine Auskunft über die Staatszugehörigkeit der Abgeschobenen). In
Nigeria macht sich eine Person nach dem Dekret Nr. 33 Abs. 2 von 1990 schuldig,
wenn eine Straftat im Zusammenhang mit narkotischen Drogen oder psychotropen
Substanzen begangen und dadurch der Namen Nigerias in Verruf gebracht wurde
(bringing Nigeria into disrepute).
Werden Menschen, die in Österreich bereits ihre Haftstrafe abgesessen haben nach
Nigeria abgeschoben, erwartet sie im Sinne dieses Erlasses ein fünfjähriger
Freiheitsentzug und die Beschlagnahmung des persönlichen Vermögens.210 Laut
Amnesty International werden Delikte, die unter das Dekret 33 fallen, vor einem
Sondergericht angeklagt und verurteilt. Somit liegt eine menschenrechts- und
verfassungswidrige
Form
der
Doppelbestrafung
vor.
Von
internationalen
Menschenrechtsorganisationen wird die Haftsituation in nigerianischen Gefängnissen
als lebensbedrohlich eingeschätzt.211
9. DeportatiNO – Abschiebungen verhindern
209
Klenk, Florian. Besuch in Nigeria. Falter 13/05, S. 13.
1000 Jahre Haft. Operation Spring & Institutioneller Rassismus. Resümee einer antirassistischen
Gruppe. Wien, 2005. S. 170.
211
no-racism.net Abschiebung nach Nigeria- Doppelbestrafung. In: http://no-racism.net/article/167,
28.08.2005.
210
102
Den Mut aufzubringen und Abschiebungen zu verhindern heißt, aktive Teilnahme am
Versuch, institutionalisierte Rassismen aufzuzeigen, in Frage zu stellen und in der
Folge abzuschaffen.
Seit Mitte der 90er Jahre formiert sich ein Widerstand gegen die vorherrschende
Abschiebepraxis in Europa. AktivistInnen des Netzwerkes „kein mensch ist illegal“,
starteten 1999 die Kampagne „Deportation Class Stopp“, um die Öffentlichkeit auf
die Abschiebepraxis der Fluggesellschaften aufmerksam zu machen.212
Die wenigsten Menschen denken beim Besteigen eines Flugzeuges daran, dass auch
Menschen an Bord sein können, die eigentlich nicht mitfliegen wollen. Zahlreiche
Menschenrechtsorganisationen, Flüchtlingsgruppen und KünstlerInnen haben sich der
Kampagne angeschlossen und informieren über Geschehnisse, die in den täglichen
Nachrichten unerwähnt bleiben. Das Thema Abschiebung wurde an eine breite
Öffentlichkeit getragen und thematisiert. Die AktivistInnen appellieren auch an
Fluggäste und das Flugpersonal und fordern Zivilcourage und aktives Handeln gegen
Abschiebungen. Erst wenn das Image der Fluggesellschaften in Gefahr ist, wird auf
Abschiebungen verzichtet werden.
Europäische Fluglinien die Abschiebungen durchführen sind Lufthansa, Tyrolian
Airways, AUA, Lauda Air, Air France, KLM und British Airways.213 Swiss Air und
Sabena verkaufen keine Tickets für Abschiebungen.214
Als Folge der Protestaktionen der „deportation class stopp“ Kampagne befasst sich
die Vereinigung Cockpit (Interessensvertretung der PilotInnen) mit den juristischen
Problemen von Abschiebungen in Deutschland. In den letzten Jahren wurden mehrere
Strafverfahren
gegen
FlugzeugführerInnen
eingeleitet,
auf
deren
Flügen
Rückzuführende Schaden erlitten oder zu Tode kamen. Die Vereinigung rät ihren
Mitgliedern, nur jene Abschiebehäftlinge zu befördern, welche freiwillig fliegen.
Dies entspricht den Grundsätzen des WeltpilotInnenverbandes IFALPA, der die
Begriffe „willing to travel“ und „not willing to travel“ eingeführt hat. Die
212
Wie in Österreich Abschiebungen durchgeführt werden. In: http://no-racism.net/article/641/,
19.09.2005.
213
Kahofer,
Martin:
One
way
ticket.
In:
http://oeh.ac.at/oeh/progress/105661573188/105661761818/105661830161, 19.09.2005.
214
www.deportation-class.com/lh/unmensch.html, 19.09.2005.
103
Freiwilligkeit lässt sich durch die Befragung des/der Abzuschiebenden herausfinden.
Fällt die Person in die Kategorie „not willing to travel“ , sollte die Beförderung unter
Hinweis auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip215 verweigert werden. Nach deutschem
Recht haben Polizei oder Bundesgrenzschutz keine Möglichkeiten, den/die PilotIn
zur Beförderung des/der Abzuschiebenden zu zwingen.216
Auch in Österreich obliegt die endgültige Entscheidung, ob ein/eine Deportee
mitgenommen wird, dem/der PilotIn. Er/sie muss vor dem Flug darüber informiert
werden, dass sich ein Schubhäftling unter den PassagierInnen befindet. Als Grundsatz
gilt, dass durch den Transport eines Deportees kein Risiko für die Sicherheit des
Fluges entstehen darf. Gefesselte oder geknebelte Abzuschiebende dürfen auf keinen
Fall befördert werden.217
Der Tod des sudanesischen Flüchtlings Aamir Mohamed Ageeb bei seiner
Abschiebung am 29.05.1999 mit der Lufthansa veranlasste das Flugpersonal der
Lufthansa eine Stellungnahme zur Abschiebepraxis abzugeben:
„Der Tod des jungen Afrikaners hat uns Flugbegleiter tief erschüttert, schließlich
war er nicht das erste Opfer der unmenschlichen Abschiebepraxis in einem Flugzeug
der Lufthansa. Bereits 1994 starb der Nigerianer Kola Bankole mit einem
Strumpfknebel im Mund noch vor dem Abflug vom Rhein-Main-Flughafen ebenfalls
an Bord einer Lufthansamaschine, ohne dass dieser schreckliche Todesfall
Konsequenzen hatte. ...deshalb stehen wir heute hier, um auf die unmenschliche
Abschiebepraxis im Luftverkehr aufmerksam zu machen. Seit die Lufthansa öffentlich
in die Kritik gerät, behaupten Sprecher des Konzerns, die Airline lehne
Abschiebungen gegen den Widerstand der Betroffenen grundsätzlich ab und
befördere sie seit Juni 1999 nicht mehr. Die Realität sieht leider anders aus, denn bis
heute gibt es keine entsprechenden Dienstanweisungen der Lufthansa. So wurden
Flugbegleiter in den vergangenen Monaten wiederholt Zeugen gewaltsamer
Abschiebungen, z.B. auf Lufthansaflügen von Paris nach Berlin und München nach
215
Das Verhältnismäßigkeitsprinzip bindet die gesamte Staatsgewalt beim Eingriff in die Grundrechte.
Vereinigung Cockpit: Beförderung von Deportees unter Hinweis auf das rechtsstaatliche
Verhältnismäßigkeitsprinzip verweigern!. In: www.deportation-class.com/lh/cockpit.html, 19.09.2005.
217
Stellungnahme der Austrian Cockpit Association (ACA) zu einer Anfrage zu Abschiebungen per
Flugzeug. In: www.no-racism.net/article/238, 19.09.2005.
216
104
Sarajewo. Wir rufen auch das Flugpersonal anderer Gesellschaften zur Zivilcourage
und zum Handeln gegen Abschiebungen auf. Auch Passagiere können eingreifen.
Fordern Sie die Piloten zum Abbruch des Fluges auf, wenn sie Zeuge von
Abschiebungen werden. Von der Konzernleitung der Lufthansa erwarten wir, dass sie
diesen Geschäftsbereich endgültig aufgibt.“218
218
Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter fordern: DeportationClassStopp! In: www.deportationclass.com/lh/flugbegleiter.html, 19.09.2005.
105
Conclusio
Schubhaft ist eine Freiheitsberaubung, von der ausschließlich “Fremde” betroffen
sind. Sie wird ohne Haftprüfungsverfahren von der Fremdenpolizei verhängt, um eine
mögliche Abschiebung durchführen zu können. In der Asylgesetzesnovelle 2005 (in
Kraft seit 01.01.2006) wurde die maximale Dauer der Schubhaft von sechs auf zehn
Monate erhöht. Neu ist unter anderem auch, dass Dublin-Fälle219 und straffällig
gewordene „Fremde“, die aus einer Haftanstalt einen Asylantrag stellen, in Schubhaft
genommen werden können. Dementsprechend ist die Zahl der Schubhäftlinge in
Wien seit Jahresbeginn von 140 auf 200 gestiegen.220
Besonders bedenklich ist eine weitere neue Regelung, die illegal eingereisten
Menschen, die Möglichkeit nimmt, einen legalen Aufenthaltsstatus zu erlangen. Seit
01.01.2006 können illegal eingereiste AsylwerberInnen einen Niederlassungsantrag
für Österreich nur mehr im Ausland stellen. Selbst eine Ehe schützt vor dieser
Regelung nicht.221 Des weiteren muss bedacht werden, dass sich Flüchtlinge bei einer
Rückkehr ins Heimatland wieder unter den Schutz dieses Landes stellen und somit
der Fluchtgrund seine Glaubwürdigkeit verliert. Meiner Meinung nach ist dieses
Gesetz eine eindeutig rassistische Regelung.
Ebenfalls
in
Kraft
getreten
ist
eine
Anti-Hungerstreik-
und
Zwangsernährungsanleitung für die Behörden. Als „Versuchsobjekte“ sollen
„kriminelle Schüblinge“ dienen, also jene, die vor der Schubhaft wegen eines
strafrechtlichen Deliktes in Haft saßen, da solchen Personen in der Öffentlichkeit
besonders wenig Sympathie entgegengebracht und sich der Protest in Grenzen halten
219
Siehe S. 76.
Ebenda
221
Bis 01.01.06 war es auch für illegal eingereiste AsylwerberInnen möglich, nach der Eheschließung
bei der Fremdenpolizei eine Niederlassungsbewilligung zu beantragen. Dieser Aufgabenbereich wurde
mit Jahresbeginn an die zuständigen Länderbehörden - in Wien an die MA 20 – ausgelagert. Für
Anträge, die bis Ende Dezember 2005 von der Fremdenpolizei nicht bearbeitet wurden, gilt das neue
Gesetz ebenfalls. Womit 7.000 Menschen vor einer „systematischen Illegalisierung“ stehen. In:
Hunderte Ehepaare in Angst vor „Illegalisierung“. In:www.derstandard.at, 04.02.2006.
220
106
würde.222 Es ist erschreckend, dass als einzige Alternative zur Vermeidung von
Hungerstreik die Zwangsernährung und in Folge dessen eine ansteigende Suizidrate,
und nicht die Abschaffung der Schubhaft gesehen wird. Die Abschaffung der
Schubhaft ist meiner Meinung nach die einzige Alternative, die dem Hungerstreik ein
Ende bereitet.
Im Kapitel über die Schubhaftbetreuungsverträge wurden zwei Vereine mit
unterschiedlichen Arbeitsansätzen vorgestellt. Der Schubhaftbetreuungsvertrag für
die ARGE Schubhaft Innsbruck wurde mit 01. Jänner 2006 vom Innenministerium
gekündigt. Somit geht die Schubhaftbetreuung in Tirol an den Verein
„Menschenrechte Österreich“ über, der somit 53% der Schubhäftlinge in ganz
Österreich betreut, mit einem Budget von einer knappen Million Euro.223 Der Verein
gilt in der NGO Szene als GONGO (govermental organized NGO, siehe dazu S. 76).
„Menschenrechte Österreich“ stellt im Gegensatz zur ARGE Schubhaft Innsbruck in
seiner Arbeit die Institution Schubhaft überhaupt nicht in Frage, sondern sieht sie als
eine
notwendige
Form
der
Migrationsregulierung
an.
Daraus
resultierten
unterschiedliche Zugänge in der Arbeit mit den Angehaltenen.
Seit kurzem erst ist das neue Fremdenpolizei- und Asylgesetz in Kraft. Wie die neuen
Regelungen in die Praxis umgesetzt werden, wird sich erst zeigen. In einem Standard
Interview erklärte Günther Ecker, dass der Haftraum für die Unterbringung von
15.000 Menschen zu erweitern sei.224 Diese Politik der Internierung, Kriminalisierung
und Abschiebung ist keine alleinige Erfindung Österreichs, sondern ist in engem
Zusammenhang mit den Asylharmonisierungsbestrebungen der EU zu sehen. Mit
dem Vertrag von Maastricht 1992 wurde die Asyl- und Migrationspolitik Teil der
gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik. In den darauffolgenden Jahren wurde beinahe
jede
legale
Zugangsmöglichkeit
zu
EU-Territorium
Herkunftsländer von Flüchtlingen wurden Visa -
abgebaut.
Für
alle
Bestimmungen eingeführt.
Flüchtlingen wird aber in der Regel kein Visum ausgestellt. Auf der einen Seite
222
Doch kein Papiertiger. In: www.derstandard.at, 07.01.2006.
Abschiebung soll garantiert werden. In. www.derstandard.at, 02.02.2006.
224
Die Zahl der Schubhäftlinge in Österreich nimmt zu. In: www.derstandard.at, 02.02.2006.
223
107
werden die Möglichkeiten für eine legale Einreise immer geringer und auf der
anderen Seite werden die EU-Außengrenzen aufgerüstet, um die illegale
Einwanderung zu bekämpfen, da diese als Gefahr für die nationale Sicherheit gesehen
wird.225 So zählt auch der Kampf dagegen zu den Prioritäten der österreichischen EURatspräsidentschaft.226
Erst sobald akzeptiert wird, dass Migration keine individuelle Entscheidung, sondern
ein Prozess, ist der durch politisch-ökonomische Systeme strukturiert und geformt
wird, werden Fragen der Kontrolle und Regulierung lösbar. Migrationen stehen
immer in einem Rahmen von Systemen und bis heute hat noch keine Migration das
Ausmaß einer Invasion angenommen. Wer das Problem der Einwanderung begreifen
will, muss sich damit beschäftigen, wie, wann und aus welchen Gründen die
Regierungen, die Wirtschaft, die Medien und die Bevölkerung der hochentwickelten
Länder an diesen Prozessen beteiligt sind.227
225
Kopp, Karl: Umbau- und Abrissarbeiten am europäischen Flüchtlingsschutz. In: Friedrich, Rudi;
Pflüger, Andreas: In welcher Verfassung ist Europa? Grafenau 2004, S. 38.
226
50.000 bis 100.000 „Illegale“ leben laut Schätzungen in Österreich. In: www.migration.cc,
02.02.2006
227
Sassen, Saskia: Migranten, Siedler, Flüchtlinge. Von der Massenauswanderung zur Festung Europa.
Frankfurt/Main 1996, S. 13.
108
Anhang
Foto 1: “Eurodac - Live Scanner”.228
228
Hier werden die Fingerabdrücke der Angehaltenen direkt in das „Eurodac“ System eingespeichert,
um den Vergleich von Fingerabdrücken von AsylwerberInnen und „Illegalisierten“ europaweit zu
ermöglichen. In Österreich ist dieses System seit 15. März 2003 in Anwendung. Die Daten werden bis
zu zehn Jahre gespeichert.
109
Foto 2: „Fotosessel“ für die erkennungsdienstliche Erfassung
110
Foto 3: Blick auf den Einzelzellentrakt (E-Trakt)
111
Foto 4: Einzelzelle
112
Foto 5: Einzelzelle
113
Foto 6: Besonders gesicherte Zelle im E-Trakt
114
Foto 7: Besonders gesicherte Zelle innen
115
Foto 8: Sprechvorrichtung im inneren der Zellen
116
Foto 9: Die „body-packer“ Zelle 229
229
Als „body packer“ werden jene Angehaltenen bezeichnet, die unter Verdacht stehen, ihren Körper
als Versteck für Drogen zu benutzen.
117
Foto 10: Spezielle Klovorrichtung in der „body packer“ Zelle
118
Foto 11: Ein Stockwerk in dem die Angehaltenen in Gemeinschaftszellen
untergebracht sind
119
Foto 12: Aushang der Aufgaben der Hausarbeiter
120
Foto 13: Wochenplan der Angehaltenen
121
Foto 14: Der Beschwerdebriefkasten
122
123
Foto 15: Der Spazierhof
Foto 16: Bibliothek für hundertdreißig Angehaltene
124
Foto 17: Die Kantine oder „shop“
125
Foto 18: Diese Tafeln sind neben jeder Zelle angebracht und informieren die
WachebeamtInnen über die Angehaltenen. Die Anmerkung: „sonstiges :3 x HS“
126
bedeutet, dass sich drei der sieben Angehaltenen in dieser Zelle in Hungerstreik
befinden
Foto 19: Orientierungstafel in den Treppenaufgängen
127
Foto 20: Besucherzone
128
Foto 21: Das Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel Breitenfeldergasse 21, 1080
Wien
129
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Bundesbetreuungsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat
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Meldegesetz
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Die Zahl der Schubhäftlinge nimmt zu, 02.02.2006
Hunderte Ehepaare in Angst vor „Illegalisierung“, 02.02.2006
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Zeitungen und Zeitschriften
Profil Nr. 27, 04.07.2005
Falter 13/05
Rio Radi. Zeitung für Tierbefreiung und Antispeziesismus. Wien 2001
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lebenslauf
brigitte hofer
geboren am 10. juli 1978 in luttach im ahrntal in südtirol italien
besuch der volksschule in luttach, fünf jahre
besuch der mittelschule in st. johann, drei jahre
besuch der handelsschule „projekt 92“ in sand in taufers, drei jahre
besuch der hotelfachschule kaiserhof in meran, drei jahre mit matura
november 1999 emigration nach wien und beginn des studiums der kultur- und
sozialanthropologie, internationale entwicklung, neuere geschichte und zeitgeschichte
von august 2003 bis august 2005 flüchtlingsberaterin bei der deserteurs- und
flüchtlingsberatung wien.
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