Welchen Einfluss hat die Klima- erwärmung für die Fischerei

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Welchen Einfluss hat die Klima- erwärmung für die Fischerei
interview
FIBER – Beratung
Welchen
Einfluss hat
unddie
Weiterbildung
Klimaerwärmung
von
Fischernfür die Fischerei?
Ein Interview mit Andreas
Bänz Lundsgaard-Hansen
Hertig
Bänz Lundsgaard-Hansen
Bänz Lundsgaard-Hansen hat in Bern Biologie studiert. Schon
während seinem Studium hat er in einem Ökobüro erste berufliche Erfahrungen im Bereich Fischerei sammeln dürfen. 20092013 hat er an der Eawag in Kastanienbaum im Rahmen seiner
Dissertation die ökologische Ursachen und Folgen der Artbildung von Felchen in Schweizer Seen untersucht. In dieser Zeit
hat er ebenfalls an zahlreichen anderen Projekten mit einheimischen Fischen mitgearbeitet. Bänz Lundsgaard-Hansen leitet
die FIBER seit 2013.
FIBER - Beratung und Weiterbildung von Fischern
Die Schweizer Fischereiberatungsstelle ist ein Bindeglied zwischen fischereirelevanter Forschung,
Verwaltung und Angelfischerei. FIBER vermittelt wissenschaftliche Erkenntnisse und informiert
über Entwicklungen in der Verwaltung in den Bereichen Gewässer, Fischökologie und Fischereimanagement.
Die Fischerei in der Schweiz – es steht uns ein grosser Wandel bevor!
An der FIBER-Tagung (Fischereiberatungsstelle) vom 27. Februar 2016 in Olten wurde der Bachforellenrückgang thematisiert. In der Schweiz ist der Bestand zwischen 1980 bis 2015 von
1`500`000 auf rund 370`000 eingebrochen. Das bedeutet einen Rückgang um 75%. Die Entwicklung ist in den Bergregionen weniger massiv ausgefallen. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass in
den Mittellandkantonen die Ergebnisse schlechter sein dürften. Das sind dramatische Zahlen!
Nach Fischnetz und vielen weiteren Studien in den letzten 20 Jahren konnte der Niedergang der
Bachforellenbestände, wie auch der Äschen, nicht wirklich gestoppt werden.
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Woran liegt das aus Sicht der FIBER?
Bänz Lundsgaard-Hansen: Meiner Einschätzung nach sind die fehlende Lebensraumvielfalt, fehlende Vernetzung der Gewässer und Probleme mit der Wasserqualität die Hauptgründe, warum es
unseren Fischen nicht besser geht. Aber für den Fangrückgang gibt es sehr viele Gründe, die in jedem
Gewässer etwas anders sind und anders zusammenwirken. Es mag zuweilen frustrierend sein, wenn
man als Fischer auf solche Fragen keine konkreteren Antworten erhält. Aber die Natur ist so komplex,
dass sie sich nur sehr schwierig auf einen Nenner reduzieren lässt.
Im Vortrag von Herrn Vuille, Fischereiinspektor des Kantons Bern, wurden zwei Hauptquellen genannt.
1. Der Temperaturanstieg in den Gewässern, ausgelöst durch den Klimawandel.
2.Die viel zu hohen Pestizidwerte in unseren Gewässern, welche endlich massiv gesenkt
werden müssen.
Darüber hinaus machte er klar, dass das Renaturieren alleine nicht den gewünschten Erfolg
bringt! Wie kommen diese Aussagen bei FIBER an?
Bänz Lundsgaard-Hansen: Thomas Vuille bezog sich mit diesen Aussagen auf Beobachtungen
an der Sense oder der Aare. An der Sense hat man trotz scheinbar intakten Lebensräumen mit einem
starken Forellenrückgang zu kämpfen. Das zeigt, dass die Lebensraumvielfalt bezüglich der Morphologie des Flussbettes nicht immer der limitierende Faktor für intakte Fischbestände ist. Daraus würde ich
jedoch nicht ableiten, dass wir mit unserem ehrgeizigen Renaturierungsprogramm nicht einen guten
Weg eingeschlagen haben. Aber es zeigt, dass Revitalisierungen sorgfältig geplant werden müssen,
damit sie dort gemacht werden, wo sie «limitierende Faktoren beheben» und möglichst viel bewirken.
Ebenfalls an der Tagung sagte Dr. Marcel Michel von der Fischerei- und Jagdverwaltung des
Kantons Graubünden, dass es im 2015 extrem wenig Wasser hatte in den Stauseen, logischerweise auch in den Fliessgewässern. Nachdenklich fragte er ins Publikum: «Wenn wir ja
schon in den Bergen zu wenig Wasser haben, woher sollen denn die Kantone im Mittelland
das Wasser nehmen»? Tatsächlich, in vielen Kantonen hatten wir enorm viele Notabfischungen in Fliessgewässern. Wie sehen Sie das Problem und macht es überhaupt noch Sinn, alle
Gewässer wieder mit Fischen, meistens Bachforellen, zu besetzen?
Bänz Lundsgaard-Hansen: Die Klimaerwärmung führt ganz direkt zu erhöhten Wassertemperaturen. Weniger bekannt ist vielleicht, dass auch mit grossen Veränderungen bei den Abflüssen zu rechnen
ist. Wenn die Gletscher verschwinden und im Sommer weniger Regen fällt, fehlt den Gewässern im
Sommer das Wasser und die direkte Erwärmung wird noch stärker. Das führt dazu, dass mancher Fluss
oder Bach als Forellenlebensraum nicht mehr geeignet sein wird. Wenn die Temperaturen die kritischen
Grenzen in einem Gewässer regelmässig übersteigen, macht ein Besatz mit Forellen meiner Meinung
nach keinen Sinn – auch wegen dem Wohl der Fische selbst.
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Lukas Bammatter, ein junger Biologe vom BAFU und begeisterter Fischer, bemerkte an der
Tagung, dass im Winter 2015/16 die Wassertemperaturen des Zürichsees im sauerstoffreichen Oberflächenwasser erstmals nicht unter sechs Grad gefallen sind. Wasser ist ja
bekanntlich bei einer Wassertemperatur von vier Grad am schwersten. Dies hatte zur Konsequenz, dass das sauerstoffreiche Oberflächenwasser nicht in die Tiefe sinken konnte. Es
scheint noch unklar zu sein, was die Auswirkungen sind. Wie schätzen Sie das Problem ein?
Bänz Lundsgaard-Hansen: Man geht davon aus, dass erhöhte Temperaturen zu weniger vollständigen oder seltener eintretenden Durchmischungen führen werden und sich deshalb die Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers und des Seegrundes verschlechtern dürfte. Vor diesem Hintergrund
erscheint es umso wichtiger, dass wir uns dank grossen Anstrengungen im Gewässerschutz heute in
vielen Seen wieder den natürlichen Nährstoffkonzentrationen von früher nähern und sich die Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers und des Gewässergrundes in den letzten Jahrzehnten deshalb massiv
verbessert hat.
Wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre von FIBER anschaut, so hat aus Sicht der
IG Dä Neu Fischer eine lobenswerte Entwicklung eingesetzt. Insbesondere wurden die Besatzmassnahmen der Kantone genauer unter die Lupe genommen und hinterfragt.
Der Ökologie wird klar der Vorrang vor dem Ertrag gegeben. Wie ist es zu diesem eigentlichen Paradigmen-Wechsel in den Empfehlungen von FIBER zur Besatzstrategie gekommen?
Bänz Lundsgaard-Hansen: Ich würde nicht von einem Paradigmenwechsel sprechen und ich würde Schutz und Nutzung nicht als zwei Gegensätze darstellen. Der Erhalt der natürlichen Vielfalt ist für
uns zum Beispiel deshalb ein so zentrales Ziel, weil wir überzeugt sind, dass gute Erträge langfristig nur
möglich sind, wenn wir eben diese Vielfalt erhalten.
Wie sieht es mit der Verbreitung der PKD in der Schweiz aus?
Bänz Lundsgaard-Hansen: Die PKD ist nach wie vor weit verbreitet und einer dieser eingangs erwähnten «vielen Gründen», die meiner Einschätzung nach für den Forellenrückgang mitverantwortlich
sind.
Gibt es eine wirksame Schutz-Strategie dagegen?
Bänz Lundsgaard-Hansen: Als Fischer müssen wir uns an die goldenen drei Regeln halten: Gerätschaften desinfizieren, keine Fische, keine Köderfische und kein Wasser zwischen Gewässern hin- und
her bewegen. Auch beim Besatz muss wahnsinnig aufgepasst werden, dass PKD nicht in bisher nicht
betroffene Gewässer verschleppt wird. Und schliesslich können wir Fischer uns auch gegen die weitere
Erwärmung der Gewässer wehren, in dem wir uns z. Bsp. für eine Bestockung von kleinen Gewässern
einsetzen (Anmerkung der Redaktion: PKD führt vor allem bei erhöhten Temperaturen zu Problemen).
Tipps dazu gibt es in der Broschüre «Fischer schaffen Lebensräume» vom SFV.
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Was können wir als Fischer tun, die Situation zu verbessern?
Bänz Lundsgaard-Hansen: Fischer tun schon heute viel für Fische und Gewässer! In der Broschüre
des SFVs gibt es viele Ideen, wie sich Fischer für intakte Lebensräume einsetzen können und eigene
kleine Aufwertungsmassnahmen planen und durchführen können. Das ist eine tolle Sache! Bei der
Bewirtschaftung muss man wahnsinnig aufpassen, dass der Besatz nicht plötzlich ungewollt zur Gefahr
für die Fische wird. Wir von der FIBER beraten Fischer und Fischerinnen in Bewirtschaftungsfragen sehr
gerne.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Fischbestände insgesamt in der Schweiz?
Bänz Lundsgaard-Hansen: Den Fischen in Seen geht es heute besser als vor 25 Jahren, über die
Fische der Fliessgewässer kann man das leider nicht sagen. Doch dank der tollen gesetzlichen Grundlagen, die etwa Aufrüstungen von ARAs, Ausscheiden des Gewässerraums, Revitalisierungen und die
ökologische Sanierung der Wasserkraft fordern, bin ich vorsichtig optimistisch. Die Gesetze müssen
nun zügig umgesetzt und dürfen nicht verwässert werden. Im Interesse der Natur und der Fischerei.
Wie ist die Akzeptanz der neuen Gewässerschutzverordnung in den Kantonen bzw. wie
steht es mit deren Umsetzung? Eine Eischätzung von FIBER dazu.
Bänz Lundsgaard-Hansen: Da müssen die Kantone direkt gefragt werden. Aber mich dünkt, die
Umsetzungen laufen recht gut an, zahlreiche verheissungsvolle Projekte wurden schon realisiert oder
stehen kurz davor. Aber natürlich gibt es für die Verwaltungen auch Probleme. Das Beschaffen von
Land für Revitalisierungen ist zum Beispiel eine grosse Herausforderung und so läuft man Gefahr, statt
nach ökologischen Kriterien rein nach dem Opportunitätsprinzip zu revitalisieren.
Zum Schluss noch ein letzte Frage an Sie. Was wünschen Sie sich für die Fische und die
Fischer in der Schweiz?
Bänz Lundsgaard-Hansen: Die Rückkehr des Lachses, kein allzu extremes Klimaerwärmungsszenario und eine zügige und konsequente Umsetzung des neuen Gewässerschutzgesetzes. Denn wenn
diese drei Wünsche in Erfüllung gehen, wird sich das sowohl positiv auf die Ziele in Bezug auf den Erhalt
der Biodiversität als auch auf die Fänge der Fischer und die Attraktivität der Fischerei in der Schweiz
auswirken.
Lieber Herr Lundsgaard-Hansen, herzlichen Dank für das Interview.
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