Kapitel 11: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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Kapitel 11: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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11. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
11.1 Pressestelle der deutschen Ärzteschaft
Die Bundesärztekammer hat als Spitzenorganisation der deutschen Ärzteschaft eine
herausgehobene Stellung in der Öffentlichkeit und ist bevorzugter Ansprechpartner
der Medien bei berufs- und gesundheitspolitischen Themen. Sie ist auch die Stimme
der Ärzteschaft bei wichtigen medizinischen und vor allem medizinisch-ethischen Fragen. Die Gesamtvertretung der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland wird als solche
auch wahrgenommen, wie die stetig wachsende Anzahl von Anfragen Jahr für Jahr
beweist. Das Spektrum der Themen, mit denen die verfasste Ärzteschaft konfrontiert
wird, hat sich zusehends erweitert. Ursächlich dafür ist nicht allein das gestiegene
Interesse einer älter werdenden Bevölkerung an medizinischen Themen und ihrer
Aufbereitung in den Medien. Es sind vor allem die Fortschritte in Diagnostik und Therapie, die einen großen Informations- und Diskussionsbedarf erzeugen. Auch in allen
weiteren Fragen des Arztberufs ist die Bundesärztekammer gefragter Gesprächspartner der Medien.
Vorrangiges Ziel der Pressestelle der deutschen Ärzteschaft ist es, den Medien und
damit auch der Öffentlichkeit die gesundheits- und sozialpolitischen Vorstellungen
der Ärzteschaft zu vermitteln. Zur notwendigen Darstellung und Positionierung in
den Medien verfügt die Pressestelle über ein vielfältiges Repertoire, das zielgruppenspezifisch eingesetzt werden kann. Dazu gehören neben Interviews, Hintergrund- und
Redaktionsgesprächen, eigenen Artikeln, Pressekonferenzen, Presseseminaren und
Symposien auch Pressemitteilungen sowie eigene Informationsdienste.
Häufig ist die Pressestelle auch zentrale Anlaufstelle für Anfragen aus der Bevölkerung, insbesondere dann, wenn medizinische oder gesundheitspolitische Themen die
Schlagzeilen beherrschen.
Pressearbeit zum 110. Deutschen Ärztetag
Der 110. Deutsche Ärztetag vom 15. bis 18. Mai 2007 in Münster war ein Topereignis
in den Medien. In Zeitungsartikeln, Fernseh- und Rundfunkbeiträgen sowie in Internetveröffentlichungen berichteten Medienvertreter von den Beschlüssen und Diskussionen des Ärztetages. Die Eröffnungsveranstaltung des Ärztetages wurde erneut live
vom Dokumentationskanal Phoenix übertragen. Die Repräsentanten der Bundesärztekammer waren vor und während des Ärztetages begehrte Interviewpartner der
Medien.
Bereits Anfang Mai begann die Vorberichterstattung zum Ärztetag mit einem Interview des Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe,
in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Es folgten Interviews mit Professor Hoppe im
„Deutschen Ärzteblatt“ sowie in den Tageszeitungen „FAZ“, „Die Welt“ und „Frankfurter Rundschau“.
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ARD und ZDF berichteten in ihren großen Nachrichtensendungen „Tagesschau“,
„Tagesthemen“, „heute“ und „heute-journal“ über den Ärztetag. Auch in den öffentlich-rechtlichen Sendeformaten „Morgenmagazin“, „Mittagsmagazin“ und „Nachtmagazin“ sowie in zahlreichen dritten Programmen wurden die Themen des Deutschen
Ärztetages aufgearbeitet. Zudem begleitete der Nachrichtensender „n-tv“ in seiner täglichen Berichterstattung die Beschlüsse der Delegierten.
Der Münsteraner Ärztetag stand noch ganz im Zeichen des im März 2007 gegen alle
Widerstände verabschiedeten GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG). Die
auf dem Ärztetag geäußerte Generalkritik an der Gesundheitsreform wurde in den
Medien überwiegend zustimmend kommentiert. So schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ (15.05.2007):
„Die Ärzteschaft sieht in der jüngsten Reform keine Antwort darauf, wie eine älter werdende Gesellschaft die Behandlung der Kranken finanzieren soll. Für diese Position
bekommt sie viel Zustimmung. Denn erreicht hat die Koalition nur, dass die Beiträge
gestiegen sind und die Kassen einen Milliardenzuschuss erhalten sollen – von dem
keiner weiß, wie er finanziert werden soll, wenn die Konjunktur nicht mehr die Kassen füllt.“
Unter der Überschrift „Ulla Schmidt redet an den Kernproblemen vorbei“ analysierten
die „Westfälischen Nachrichten“ (16.05.2007) die Reden von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich
Hoppe am Eröffnungstag: „Ulla Schmidt steht vorn am Rednerpult, übt sich als Meisterin politischer Unverbindlichkeit. Hoppe verzichtet auf Polemik, wirbt um Verständnis, argumentiert.“ Die „Frankfurter Rundschau“ (16.05.2007) schrieb: „Die
Mediziner haben ihren Protest gegen die Gesundheitsreform nicht aufgegeben, auch
wenn nun politisch weitgehend alles entschieden ist. Der Ministerin trotz ihrer Annäherungsversuche die Stirn zu bieten, ist die Aufgabe von Ärztepräsident Hoppe.
Äußerlich ruhig, aber radikal in der Sache.“
„Wir sind gehört worden in der Öffentlichkeit“
In seiner Rede hatte der Präsident der Bundesärztekammer auf die zahlreichen Proteste gegen die Gesundheitsreform im vergangenen Jahr hingewiesen. „Zehntausende
von Ärztinnen und Ärzten haben demonstriert, haben protestiert und gestreikt. Das
hatte diese Republik bisher noch nicht erlebt.“ Die Ärztinnen und Ärzte hätten deutlich gemacht, dass es ohne vernünftige Arbeitsbedingungen und ohne ausreichende
Freiheitsgrade keine gute Medizin geben könne, sagte Hoppe. „Und wir sind gehört
worden in der Öffentlichkeit. Die Menschen haben uns verstanden, auch viele Politiker.“ Doch es habe wohl Sachzwänge in der Großen Koalition gegeben, die zu wenig
Spielraum für praktische Vernunft gelassen hätten. „Ich habe den Eindruck, dass hier
die Prinzipien der reinen und nicht etwa der sozialen Marktwirtschaft eingeführt worden sind“, sagte Hoppe unter dem lebhaften Beifall der Delegierten.
Neben der Gesundheitspolitik erfuhren auch die anderen Themen des Ärztetages große Aufmerksamkeit in den Medien, u. a. das Thema Kindergesundheit. Schwere Fälle
von Vernachlässigungen hatten in den Monaten vor dem Ärztetag zu öffentlichen
Diskussionen über die Notwendigkeit verpflichtender Vorsorgeuntersuchungen für
Kinder geführt. Breite Resonanz fand deshalb die Forderung des Ärztetages ein
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System verbindlicher Früherkennungsuntersuchungen für Kinder einzurichten und
die Inhalte dieser Untersuchungen zielgerichtet zu erweitern. Eltern, die ihr Kind
nicht zu den Früherkennungsuntersuchungen brächten, müssten über ein Erinnerungsverfahren von der Jugendhilfe oder dem Öffentlichen Gesundheitsdienst zur
Teilnahme aufgefordert werden. Familien mit Risiken für eine ungünstige gesundheitliche Entwicklung von Kindern sollten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt identifiziert werden, um ihnen begleitende Hilfen rechtzeitig zur Verfügung stellen zu
können, forderten die Delegierten. Die Entschließung des Ärztetages fand eine positive Resonanz in den Medien: „Um benachteiligte Kinder zu schützen, forderte der Ärztetag in Münster verpflichtende Untersuchungen. Das ist richtig. Das Jugendamt sollte Eltern ermahnen, wenn sie ihre Kinder nicht zum Arzt bringen“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ (17.05.2007). Und die „Rheinische Post“ (17.05.2007) meinte:
„Der Ärztetag hat Recht, Pflicht-Vorsorgeuntersuchungen zu fordern. Ebenso vernünftig ist es, dass er eine Impfpflicht gegen Masern und Co. verlangt. Auch Masern
und ihre tödlichen Folgen sind vermeidbar. Die Politik muss nachlässige (Unterschichts-)Eltern ebenso in die Pflicht nehmen wie verwirrte (Mittelschichts-)Eltern, die
hinter Impfempfehlungen ein Komplott der Pharma-Industrie sehen.“
Überwiegend zustimmend kommentierten die Medien auch die ablehnende Haltung
des Ärztetages zur Widerspruchslösung bei der Organspende. Der Nationale Ethikrat
hatte eine solche Änderung des Transplantationsgesetzes unmittelbar vor dem Ärztetag ins Spiel gebracht. Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (17.05.2007) hob in
diesem Zusammenhang die hohe Verantwortung der Ärzteschaft für die Organ- und
Gewebetransplantation hervor: „Die Botschaft des Ärztetages darf man außergewöhnlich nennen, denn die Mediziner rufen ausdrücklich nicht nach besseren Gesetzen
oder mehr Geld, sondern fassen sich ziemlich einhellig und kollektiv an die eigene
Nase. Dafür zu sorgen, dass künftig nicht mehr 12.000 Organe im Jahr fehlen, sei ‚die
ureigenste Aufgabe der Ärzteschaft’, so der Vorsitzende der Ständigen Kommission
Organtransplantation der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Hans Lilie.“
Themen des Jahres
Wenn am Ende eines Jahres Bilanz gezogen wird, stehen meist auch Wahlen an: die
Wahl zum „Auto des Jahres“, zum „Tor des Jahres“ oder schlicht zum „Wort des Jahres“. Müsste man auch über das „gesundheitspolitische Topthema des Jahres“ entscheiden, fiele die Wahl äußerst schwer. Nachdem zwei Jahre lang erbittert um die
Gesundheitsreform gestritten worden war, drangen nun wieder verstärkt eine Reihe
anderer gesundheitspolitischer Themen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Viele
dieser Themen waren durch die Debatte um das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz in
den Hintergrund gedrängt worden. Es gab aber auch Projekte der Regierungskoalition,
die bis zum Inkrafttreten des GKV-WSG am 1. April 2007 bewusst zurückgestellt worden waren, wie z. B. die Pflegereform und das Präventionsgesetz. Dem SPD-geführten
Bundesgesundheitsministerium standen nunmehr offensichtlich wieder ausreichend
Kapazitäten zur Verfügung, um neue Gesetzesvorhaben in Angriff zu nehmen. Die
Union zeigte sich hier jedoch weit weniger kompromissbereit, als man es nach den
Erfahrungen mit dem GKV-WSG vermuten durfte. Das schon weitgehend ausgehandelte Gesetz zur Errichtung einer Deutschen Arzneimittel- und Medizinprodukte-
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agentur (DAMA-Errichtungsgesetz) scheiterte am Widerstand von CDU und CSU.
Auch die Vorlagen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur Pflegereform
(„Pflege-Weiterentwicklungsgesetz“) und zum Präventionsgesetz erwiesen sich als
äußerst konfliktträchtig, sodass am Jahresende ein Konsens noch nicht in Sicht war.
Die Initiative zur öffentlichen Diskussion gesundheitspolitischer und medizinischethischer Themen ging aber nicht nur von den Regierungsparteien und der Opposition aus. Auch Organisationen und Verbände im Gesundheitswesen versuchten Anstöße zu geben und meinungsbildend zu wirken. Allein die Bundesärztekammer veranstaltete zehn Pressekonferenzen, mit denen sie gezielt Themen in die Öffentlichkeit
brachte oder einen eigenen Beitrag zu bereits laufenden Debatten leistete.
„Ärztehasserbuch“ und „Korruptionsbericht“
Schnelle Reaktionen sind immer dann erforderlich, wenn offenkundig Unwahrheiten
verbreitet werden oder die Ärzteschaft pauschal an den Pranger gestellt wird. Wenige
Tage vor dem 110. Deutschen Ärztetag in Münster schien sich eine solche NegativKampagne zu Lasten der Ärzteschaft anzubahnen. Ein Wissenschaftsjournalist tingelte mit seinem „Ärztehasserbuch“ durch diverse Talkshows des Fernsehens und das
BMG unternahm erneut den Versuch, mit einem so genannten Korruptionsbericht die
Arbeit der Ärzte in ein schlechtes Licht zu rücken. In einer Pressemitteilung und in
einer Vielzahl von persönlichen Gesprächen und Statements gelang es, die öffentliche
Wirkung der Anschuldigungen zu minimieren. „Mit der ganzen Bandbreite kollektiver Verunglimpfungen, von Habgier bis Halbgott ohne Herz, vom Korruptionsbericht
im Gesundheitswesen bis hin zum Ärztehasserbuch, wird wieder wenige Tage vor
Eröffnung des Deutschen Ärztetages alles geboten, was das Ansehen von Ärztinnen
und Ärzten in den Schmutz ziehen könnte“, kommentierte der Präsident der Bundesärztekammer die Polemiken gegen die Ärzte. Gerade für die Medizinstudierenden sei
die öffentliche Hetze schlichtweg unerträglich und keine Motivation in den Arztberuf
einzusteigen. „Die Demontage des Arztbildes ist maßgeblich auch verantwortlich für
den zunehmenden ärztlichen Nachwuchsmangel in Deutschland“, sagte Hoppe.
Große Aufmerksamkeit erfuhr die Bundesärztekammer auch immer dann, wenn sie
Stellung zu Entwicklungen in der Gesellschaft nahm, wie beispielsweise den AlkoholExzessen unter Jugendlichen („Koma-Saufen“). Die Bundesärztekammer meldete sich
auch dann zu Wort, wenn politische Initiativen eine Antwort erforderten. So unterstütze die Bundesärztekammer ausdrücklich einen Vorstoß der Justizministerkonferenz Ende Juni 2007 für bundeseinheitliche Regelungen zur Leichenschau. Der Präsident der Bundesärztekammer wandte sich aber zugleich gegen die Idee der Justizminister, eine Leichenschau grundsätzlich nur ein Mal vorzunehmen.
Die Bundesärztekammer ergriff Initiative, um gehört zu werden. In den meisten Fällen waren es aber Anfragen der Medien, die der Bundesärztekammer in der Öffentlichkeit Gehör verschafften. Die Jahr für Jahr steigende Anzahl von Anfragen der
Publikumsmedien, seien es Interviewanfragen, medizinische Auskünfte oder die Bitte
um eine aktuelle gesundheitspolitische Stellungnahme, unterstreichen die Bedeutung
der Bundesärztekammer als kompetenter und glaubwürdiger Ansprechpartner in
medizinische Fragen. Beispiele dafür gibt es zuhauf. So nahm die Bundesärztekammer Ende September 2007 als einzige Institution im Gesundheitswesen Stellung zu
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dem so genannten Feinstaub-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das Kommunen
zur Reduktion des Partikelausstoßes verpflichtet. „Die Menschen haben ein Recht, so
weit wie möglich vor gesundheitsschädlichem Feinstaub geschützt zu werden. Hier
sind die Behörden in der Pflicht, die Einhaltung der Grenzwerte konsequent zu kontrollieren“, sagte die Vorsitzende des Ausschusses „Gesundheit und Umwelt“ der
Bundesärztekammer, Dr. Martina Wenker, der „Passauer Neuen Presse“ und anderen
Tageszeitungen.
„Dauerbrenner“ Rauchverbot
Ebenso deutlich wies die Bundesärztekammer auf die gesundheitlichen Gefahren des
Rauchens und auch des Passivrauchens hin. Als im Februar 2007 Ergebnisse einer
neuen Studie zur Belastung der Raumluft durch Zigarettenqualm bekannt wurden,
forderte die Bundesärztekammer umgehend, mit dem Rauchverbot in Gaststätten endlich ernst zu machen. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit hatte in Diskotheken
Feinstaubwerte von über 1.000 Mikrogramm je Kubikmeter Luft gemessen. Auch in
Restaurants (200 Mikrogramm) und Kneipen (220 Mikrogramm) fanden sich stark
erhöhte Werte. Würden im Freien dauerhaft Konzentrationen von 50 Mikrogramm
überschritten, müssten Kommunen einen Luftreinhaltungsplan starten und z. B.
LKW-Fahrverbote verfügen. „Kein Industriebetrieb könnte es sich leisten, seine Mitarbeiter ungeschützt solchen Schadstoffkonzentrationen auszusetzen“, kommentierte
der Präsident der Bundesärztekammer die Ergebnisse der Studie.
Zugleich begrüßte er die Pläne der Bundesregierung, ein Rauchverbot in allen öffentlichen Bundeseinrichtungen, Bahnhöfen und öffentlichen Verkehrsmitteln zu erlassen. Die Bundesregierung dürfe aber nicht auf halbem Wege stehen bleiben. „Auch die
eine Million Beschäftigten in der Gastronomie haben das Recht auf einen rauchfreien
Arbeitsplatz“, sagte Hoppe. Deshalb müsse die Regierung die Ausnahmeregelung für
Gaststätten in der Arbeitsstättenverordnung aufheben. „Ärztekammer fordert strengeres Rauchverbot“, titelte daraufhin die „Süddeutsche Zeitung“ (16.02.2007). Eine
Woche später appellierte die Bundesärztekammer an die Gesundheitsminister von
Bund und Ländern, dem Beispiel anderer europäischer Länder zu folgen und ein konsequentes Rauchverbot in der Gastronomie durchzusetzen. „Ärztekammer fordert
generelles Rauchverbot“, hieß es in der „Frankfurter Allgemeinen“. Der von den Ländern gefundene Kompromiss, abgetrennte Raucherzimmer in Gaststätten und Ausnahmen für Eckkneipen zuzulassen, gehe den Ärzten nicht weit genug, konstatierte
der „Tagespiegel“ (26.02.2007). „Die Länder haben versagt“, zitierte die „Stuttgarter
Zeitung“ (23.03.2007) den Präsidenten der Bundesärztekammer, der die unterschiedlichen Regelungen zum Nichtraucherschutz in den Bundesländern kritisierte. Es sei
einfach nur ignorant, trotz der Gesundheitsgefahren nach immer neuen Ausnahmeregelungen zu fahnden. „Tabakrauch in Restaurants und Kneipen ist nicht nur ein
Geruchsproblem, sondern hochgradig gesundheitsschädlich – für Gäste und Angestellte gleichermaßen“, hieß es in der „Süddeutschen Zeitung“. Und der „Mannheimer
Morgen“ schrieb unter Verweis auf die Bundesärztekammer: „Wenn es um den
Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz geht, darf es keine Scheinlösungen geben.“
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Arztzahlstudie: Nachwuchsmangel auch im Westen
Die Präsentation der „Studie zur Altersstruktur- und Arztzahlentwicklung“ im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) erfuhr in allen Medien eine große Resonanz. Aus der
Studie ging u. a. hervor, dass bis 2012 über 41.000 Ärztinnen und Ärzte in den Ruhestand gehen werden. Ein ausreichender Nachwuchs ist jedoch nicht in Sicht – weder
im ambulanten noch im stationären Bereich. „Uns bricht der Nachwuchs weg“, kommentierte der Präsident der Bundesärztekammer die Ergebnisse der Studie. „Der
Anteil der Absolventen und jungen Ärzte sinkt Jahr für Jahr, obgleich das Angebot an
freien Stellen so groß wie nie zuvor ist. Viele dieser jungen Leute aber wollen nicht
mehr um den Preis ihrer eigenen Gesundheit 60- oder gar 80-Stunden-Dienste in der
Woche schieben, um sich dann auch noch die Qualität ihrer Arbeit von der Politik mies
machen zu lassen“, sagte Hoppe vor der Presse in Berlin.
In den Medien fand vor allem die Tatsache Beachtung, dass nun auch im Westen der
Republik Tendenzen eines regionalen Ärztemangels erkennbar werden. In der „FAZ“
(10.10.2007) hieß es dazu: „Der Ärztemangel erfasst auch die alten Bundesländer.
Neben 34 ostdeutschen gelten auch 30 westdeutsche Bezirke als unterversorgt.“ Das
Magazin „Focus“ (08.10.2007) zitierte unter der Überschrift „Krankheit Ärztemangel“
den Präsidenten der Bundesärztekammer mit den Worten: „Wir schlittern zielsicher in
eine veritable Versorgungskrise, wenn sich die Rahmenbedingungen ärztlicher Tätigkeit nicht schnellstens verbessern.“ Die „Berliner Zeitung“ (10.10.2007) titelte „Ärzte
warnen vor Versorgungslücke. Vor allem auf dem Land fehlen schon jetzt Mediziner“,
die Tageszeitung „Die Welt“ schrieb „Immer mehr deutsche Ärzte wandern aus“, die
„Westfälischen Nachrichten“ meldeten „Auf dem Land werden die Ärzte knapp“ und
der Berliner „Tagesspiegel“ machte mit der Überschrift auf: „Diagnose: Keiner da“.
Das Thema fand fortan immer wieder Eingang in die Berichterstattung. „Ärzte verzweifelt gesucht“ betitelte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (17.11.2007) einen
Hintergrundbericht und ging den Ursachen für den Nachwuchsmangel auf den
Grund:
„Die Berufszufriedenheit hängt nicht allein am Geld. Verbaute Aufstiegschancen, Probleme, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, fehlende Weiterbildungsmöglichkeiten und die Bürokratisierung ärztlicher Tätigkeiten schrecken ab.“
Krankenhäuser sind keine Fabriken
Noch vor der endgültigen Umstellung auf einheitliche Preise in den Krankenhäusern
(„Scharfschaltung der DRGs“) am 1. Januar 2009 hat der von der Politik forcierte Wettbewerb zu erheblichen Veränderungen im Krankenhaussektor geführt. Eine beispiellose Privatisierungswelle hat in den vergangenen Jahren die Krankenhauslandschaft
erfasst. Selbst Universitätskliniken sind nicht mehr vor einem Verkauf an private Investoren gefeit. Bis 2020 sollen 40 bis 50 Prozent der Krankenhäuser in privater Hand
sein, prognostizieren Experten. Welche Folgen aber hat die zunehmende Privatisierung für den Umfang und die Qualität der stationären Versorgung, für die ärztliche
Tätigkeit und das zukünftige Arztbild? Dieser Frage ist die Bundesärztekammer in
einem Bericht zur „Zunehmenden Privatisierung von Krankenhäusern in Deutschland“ nachgegangen, der am 27. Juni 2007 der Öffentlichkeit im Rahmen einer Pres-
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sekonferenz vorgestellt wurde. Der Bericht wurde nicht nur in den Fachmedien interessiert zur Kenntnis genommen.
„Ärzte beklagen Diktat der Ökonomie“, meldete die „Financial Times Deutschland“
(28.06.2007); „Bundesärztekammer fürchtet negative Folgen der Privatisierungswelle“,
titelte das „Handelsblatt“. „Der BÄK-Krankenhausexperte Rudolf Henke warnte vor
einer Verschlechterung der medizinischen Versorgung, sollte der Wettbewerb zwischen den Kliniken forciert werden“, schrieb der Korrespondent des „Handelsblatt“.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ wies auf die Unterschiede in den Trägerstrukturen hin und zitierte den Bericht der Bundesärztekammer: „Private Betreiber könnten
ihre betrieblichen Ziele ohne ein ‚politisches Widerlager’ unmittelbar durchsetzen,
während die Führung kommunaler oder freigemeinnütziger Häuser Veränderungen
in den jeweiligen kommunalpolitischen oder kirchlichen Gremien durchsetzen müssten, heißt es in dem Bericht.“
„Krankenhäuser sind keine Fabriken und Patienten keine Werkstücke“, wurde der Vorsitzende der Krankenhausgremien der Bundesärztekammer in den Nachrichtenagenturen und vielen Tageszeitungen zitiert. „Patienten dürfen nicht unter die Räder übertriebener Renditeerwartungen geraten und Ärzte nicht in den Schraubstock betriebswirtschaftlicher Rationalität gedrängt werden“, sagte Henke. Die Mahnungen
richteten sich besonders an die maßgeblichen Politiker, die den neuen ordnungspolitischen Rahmen für die Krankenhäuser u. a. Anfang Juli 2007 auf der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) berieten. Die Bundesärztekammer nahm auch die
GMK zum Anlass, die Länder davor zu warnen, die Verantwortung für die stationäre
Versorgung preiszugeben.
Diesem Ziel sollte aber offensichtlich ein Eckpunktepapier aus dem Bundesgesundheitsministerium dienen, das wenige Tage nach der GMK für Schlagzeilen sorgte.
„Kassen bestimmen Klinik für Patienten“, titelte „Bild“ (10.07.2007). „Krankenkassen
sollen mit Kliniken für planbare Leistungen (Blinddarm, Prostata) Einzelverträge
abschließen können. Das plant das Bundesgesundheitsministerium“, schrieb die
„Bild“-Zeitung, die zu den Folgen der BMG-Pläne den Experten der Bundesärztekammer befragte: „Dann haben Patienten so gut wie keine Wahl mehr. Dann gibt es für
AOK-Versicherte bald nur noch AOK-Kliniken“, sagte Henke.
Elektronische Gesundheitskarte: Sorgfalt geht vor Schnelligkeit
Im Berichtszeitraum hat sich die Bundesärztekammer mehrmals sehr öffentlichkeitswirksam zum Projekt elektronische Gesundheitskarte (eGK) positioniert. Unter der
Überschrift „Ärzte gehen gegen Gesundheitskarte vor“ zitierte die „Financial Times
Deutschland“ (20.03.2007) den Vorsitzenden des Ausschusses „Telematik“ der
Bundesärztekammer, Dr. Franz-Joseph Bartmann: „Viele Ärzte fürchten, auf den
Kosten für die Infrastruktur sitzen zu bleiben, ohne dass sie einen Nutzen daraus
haben. Und diese Furcht ist auch nicht ganz unbegründet.“ Der Telematikbeauftragte
der Bundesärztekammer wies schon damals auf eine Reihe von Fragen hin, die erst
noch zu klären seien, bevor das Projekt tatsächlich an den Start gehen könne.
Auf Initiative der Bundesärztekammer konkretisierten mehrere Ärzteorganisationen
in einer „Gemeinsamen Erklärung zum Projekt elektronische Gesundheitskarte“ ihre
Vorbehalte gegen eine vorschnelle Einführung der eGK: „Die Ärzte verlangen eine voll409
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ständige Kontrolle heikler Patientendaten durch Mediziner sowie eine umfassende
Vergütung der anfallenden Kosten. ‚Andernfalls wird keine unternehmerische Entscheidung für Investitionen in die Gesundheitskarten-Technologie erfolgen’“, schrieb
die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (09.05.2007) unter Bezugnahme auf die Erklärung der Bundesärztekammer und anderer Verbände. Der Berliner „Tagesspiegel“
titelte: „Ärzte sorgen sich um den Datenschutz. Mediziner machen Front gegen
Gesundheitskarte“ und in der „Frankfurter Rundschau“ hieß es: „Ärzte stellen
Gesundheitskarte in Frage“.
Über den dann folgenden Beschluss des 110. Deutschen Ärztetages in Münster zur
eGK berichteten alle großen Nachrichtenagenturen wie auch die elektronischen
Medien und Tageszeitungen. So titelte die „Stuttgarter Zeitung“ (19.05.2007): „Ärzte
kritisieren Pläne für Gesundheitskarte“ und die „Neue Osnabrücker Zeitung“ schrieb
unter der Headline „Ärzte wollen mehr Sicherheit. Zustimmung zur Gesundheitskarte nur nach Verbesserungen“: „Das Arzt-Patienten-Verhältnis dürfe nicht durch die
Speicherung sensibler Daten auf zentralen Rechnern beschädigt werden, heißt es in
dem von den 250 Delegierten mehrheitlich gefassten Beschluss. Ebenso pochten die
Ärzte darauf, Praxisabläufe nicht zu behindern. Die Kosten der milliardenschweren
Entwicklung sollten nicht auf Ärzte und ihre Patienten abgewälzt werden.“
Nach der Sommerpause bekam das Thema eGK wieder neue Nahrung durch die
Ankündigung des BMG-Staatssekretärs Dr. Klaus-Theo Schröder, auf die Erprobung
der Karte mit bis zu 100.000 Versicherten in den jeweiligen Testregionen („100.000er
Tests“) verzichten zu wollen. Diese Umkehrung des bewährten Grundsatzes „Sorgfalt
vor Schnelligkeit“ forderte eine schnelle und deutliche Antwort der Ärzteschaft heraus:
„Es gibt keinen vernünftigen Grund, die Erprobungsphase abzukürzen oder gänzlich
zur Disposition zu stellen“, wurde der Präsident der Bundesärztekammer in den Nachrichtenagenturen und Tageszeitungen zitiert. Die Tests seien notwendig, um die festgestellten technischen Mängel zu beheben und die Qualität der Dienste im größeren
Rahmen zu testen. „Die Devise muss nach wie vor lauten: Sorgfalt geht vor Schnelligkeit“, betonte Hoppe.
Leitfaden Medikamentenabhängigkeit: „Bemerkenswert selbstkritisch“
„Ärzte warnen vor Medikamentensucht“ titelte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
am 4. April 2007. Die Zeitung berichtete über einen neuen Leitfaden der Bundesärztekammer zur Medikamentenabhängigkeit, der in Zusammenarbeit mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Suchtexperten und Vertretern von Patientenorganisationen erarbeitet worden war. In einer Pressekonferenz wurde der Leitfaden
mit dem Titel „Medikamente – schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit“ am 3. April
2007 der Öffentlichkeit vorgestellt.
Über den Ärzte-Leitfaden berichteten die großen Nachrichtenagenturen, die elektronischen Medien und eine Vielzahl von Tageszeitungen. So hieß es in der „Berliner Zeitung“ (04.04.2007): „Verführerischer Griff zum Rezept – Die Bundesärztekammer
warnt in ihrem neuen Leitfaden vor Medikamentensucht“. „Griff zur Pille wird immer
mehr zur Sucht“ titelte die „Neue Ruhr Zeitung“, „1,5 Millionen Deutsche tablettensüchtig“ schrieb die „Rheinische Post“, und in der Überschrift der „Stuttgarter Nachrichten“ hieß es: „Tablettensucht: Ärzte vor Leichtfertigkeit gewarnt“.
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Der schleichende Prozess einer Abhängigkeit werde von der Außenwelt kaum
bemerkt, betonten die Experten der Bundesärztekammer. Betroffen seien vor allem
Frauen und Ältere. „Wir erliegen zu oft der Illusion, dass mit einer Tablette alle möglichen Befindlichkeitsstörungen beseitigt werden können“, warnte die Vorsitzende des
Ausschusses „Sucht und Drogen“ der Bundesärztekammer, Dr. Astrid Bühren. Dieses
„unreflektierte Reparaturbedürfnis“ verhindere eine ursachengerechte Therapie und
könne schnell zu einer Gewöhnung, schlimmstenfalls zur Abhängigkeit führen.
„Gerade bei Benzodiazepinen besteht die Gefahr, dass eine exakte Diagnostik und richtige Behandlung der Beschwerden verhindert wird“, erklärte Bühren.
In den Medien wurde der Leitfaden deshalb auch als Mahnung an die Ärzte verstanden, bei der Verordnung abhängig machender Arzneimittel die Verschreibungsdauer
und die Mengen genau in den Blick zu nehmen. Das sei „bemerkenswert selbstkritisch“, befand die „Westfälische Rundschau“ (04.04.2007): „Denn hinter dem Leitfaden
für einen sorgsameren Umgang mit Tabletten verbirgt sich das Eingeständnis, dass
manches zu lax läuft in deutschen Arztpraxen.“ Erwähnung fand in der Berichterstattung aber auch der Hinweis auf die Schwierigkeiten, bei mehr als 10.000 verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mögliche unerwünschte Nebenwirkungen fortwährend im Auge zu behalten. Erschwerend komme hinzu, hieß es unter Bezugnahme auf
den Leitfaden, dass abhängige Patienten oftmals mehrere Ärzte parallel aufsuchen
oder frei verkäufliche Medikamente konsumieren.
Die Experten der Bundesärztekammer (v.l.n.r.): Prof. Dr. Martin Gastpar, Dr. Constanze Jacobowski und
Dr. Astrid Bühren bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Leitfadens zum Thema Medikamentenabhängigkeit am 3. April 2007.
Telekommunikationsüberwachung: Zwei Klassen von Vertraulichkeit
Entschieden wehrte sich die Ärzteschaft im Berichtszeitraum gegen das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zur „Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung
und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen“. Prof. Dr. Christoph Fuchs, Haupt-
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geschäftsführer der Bundesärztekammer, mahnte bereits am 7. Mai 2007 auf einer
gemeinsamen Pressekonferenz der Bundesärztekammer, des Bundesverbandes der
Freien Berufe und des Deutschen Journalisten-Verbandes vor Ausnahmeregelungen
zu Lasten der Ärzte und Patienten. Jeder Patient müsse sich seinem Arzt rückhaltlos
offenbaren können, ohne fürchten zu müssen, dass er abgehört werde. Andernfalls sei
das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt zerstört. In einem Interview mit
dem „Hamburger Abendblatt“ (08.06.2006) unter der Überschrift „Patienten können
nicht mehr darauf vertrauen, dass ihre Daten geheim bleiben“ kritisierte Fuchs die
Ungleichbehandlung der Ärzte gegenüber Geistlichen, Strafverteidigern und Abgeordneten, für die das Gesetz ein absolutes Beweiserhebungsverbot vorsah: „Woraus leitet sich das ab, dass Ärzte nicht mehr dasselbe Zeugnisverweigerungsrecht haben sollen wie Geistliche?“.
Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe bekräftigte die
Forderung der Ärzteschaft, Ärzte und Patienten nicht nur vor akustischer Wohnraumüberwachung zu schützen, sondern auch vor verdeckten Ermittlungsmaßnahmen im
Zuge der Telekommunikationsüberwachung: „Gerade die Patient-Arzt-Beziehung ist
auf den absoluten Schutz der Vertraulichkeit angewiesen. Hier darf es keine Einschränkungen zu Lasten der Patienten geben“, wurde er in der „Berliner Zeitung“
(17.09.2007) zitiert. Im „Handelsblatt“ (21.09.2007) führte er aus: „Es darf keine Vertraulichkeit zweiter Klasse für Patienten und Ärzte geben, während Abgeordnete absolute Vertraulichkeit genießen.“ Der Präsident der Bundesärztekammer berief sich
dabei auf entsprechende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die Patienten die höchste Priorität der Vertraulichkeit zubilligen.
„Mit diesem Überwachungsgesetz begründet die Politik eine tiefe Misstrauenskultur
gegenüber den Patienten“, appellierte Hoppe am 9. November 2007 an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, dem Gesetzentwurf der Bundesregierung die
Zustimmung zu verweigern.
Doch trotz anhaltender Kritik der Ärzteschaft, der Freien Berufe, von Oppositionsparteien und Datenschützern stimmte die Koalitionsmehrheit im Bundestag für die Verabschiedung des Gesetzes. Zuvor hatte schon der Bundesrat das Gesetz passieren lassen. Ob es allerdings auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird,
kann nur eine entsprechende Überprüfung durch das höchste Gericht ergeben.
Patientenverfügung: Sterben ist nicht normierbar
Ein herausragendes Thema im Berichtzeitraum war die Debatte über eine gesetzliche
Regelung von Patientenverfügungen. Union und SPD hatten sich bereits Ende 2005
darauf verständigt, dass in dieser Legislaturperiode ein neuer Anlauf für eine Verankerung von Patientenverfügungen im Betreuungsrecht unternommen werden soll.
Unter der rot-grünen Bundesregierung war ein erster Versuch gescheitert. Anders als
noch unter Rot-Grün sollte diesmal der Anstoß zur Gesetzgebung aus der Mitte des
Parlaments kommen. Das Bundesjustizministerium verzichtete darauf, einen eigenen
Entwurf einzubringen. Befreit vom Fraktionszwang konnten die Abgeordneten nach
Möglichkeiten suchen, eine breite Mehrheit für eine Gesetzesänderung zusammenzubringen.
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Schon Anfang des Jahres 2007 zeichnete sich ab, dass mindestens zwei divergierende,
interfraktionelle Entwürfe entstehen würden. Der Einfachheit halber wurden sie nach
den jeweiligen Initiatoren, Strünker (SPD) und Bosbach (CDU/CSU), benannt. Nach
dem Entwurf des stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Bosbach, an dem auch der SPD-Abgeordnete René Röspel entscheidenden Anteil hatte,
sollten Patientenverfügungen grundsätzlich nur dann bindend sein, wenn eine Krankheit unwiderruflich zum Tode führt. Ausnahmen von dieser Regel sollten nur bei
Wachkomapatienten oder Schwerstdementen gelten, die mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ das Bewusstsein niemals wiedererlangen. Demgegenüber
plädierte der SPD-Rechtspolitiker Joachim Strünker in seinem Entwurf dafür, die Festlegungen in einer Patientenverfügung möglichst uneingeschränkt gelten zu lassen,
sofern keine Sterbehilfe verlangt werde. Unterstützt wurde dieser Ansatz von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und Politikern der Opposition.
Die Bundesärztekammer verschaffte sich schon frühzeitig Gehör in der Debatte und
warnte vor dem Irrglauben, die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen könne in
einem Gesetz pauschal geregelt werden. Die Wortmeldungen der Bundesärztekammer
fanden immer wieder sehr große Beachtung in der Öffentlichkeit. Besonders hohe
Aufmerksamkeit wurde der Pressekonferenz der Bundesärztekammer am 27. März
2007 zuteil, bei der die „Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Zentralen
Ethikkommission bei der Bundesärztekammer zum Umgang mit Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen in der ärztlichen Praxis“ vorgestellt wurden. Der Zeitpunkt für die Ansetzung der Pressekonferenz war gut gewählt. Denn schon zwei Tage
später fand im Deutschen Bundestag eine erste „Orientierungsdebatte“ zur Frage
eines Gesetzes für Patientenverfügungen statt.
„Es ist illusorisch anzunehmen, dass man alle denkbaren Fälle mit einer Patientenverfügung erfassen kann. Deshalb ist es mehr als fraglich, ob mit einem Gesetz zur
Patientenverfügung tatsächlich Rechtsklarheit hergestellt werden kann. Krankheitsverläufe sind immer individuell und lassen sich nicht per Gesetz regeln“, sagte Prof.
Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, in seinem Presse-Statement. Der Gesetzgeber solle sich darauf beschränken, eventuell notwendige
verfahrensrechtliche Fragen klarzustellen, wie die Notwendigkeit ein Vormundschaftsgericht einzuschalten.
In den Empfehlungen wird auf das bereits geltende Recht hingewiesen, nach dem der
in einer Patientenverfügung geäußerte Wille grundsätzlich verbindlich ist. Besondere
Bedeutung messen Bundesärztekammer und Zentrale Ethikkommission darüber hinaus der Vorsorgevollmacht bei, mit der ein Patient eine Person des Vertrauens zum
Bevollmächtigten in Gesundheitsangelegenheiten erklärt. Eine Kombination aus Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung sei daher ratsam und gegenüber einer Patientenverfügung ohne Vorsorgevollmacht vorzuziehen.
Die Publikation der Empfehlungen fand ein großes Echo in den Medien. Nachrichtenagenturen, Hörfunk und Fernsehen sowie eine Vielzahl von Tageszeitungen berichteten über die Pressekonferenz der Bundesärztekammer. „Ärzte zweifeln an Gesetz zum
Patientenwillen – Plädoyer für zusätzliche Vorsorgevollmacht“, titelte die „Berliner
Zeitung“, „Hoppe: Patientenwille ist nicht per Gesetz zu regeln“, hieß es in der „Rhei-
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nischen Post“ und die „Süddeutschen Zeitung“ schrieb betont sachlich: „Mediziner
warnen davor, den Weg vom Leben in den Tod mit Paragraphen regeln zu wollen“.
Die „Financial Times Deutschland“ pflichtete der Bundesärztekammer bei, dass der
Gesetzgeber sich auf die Regelung von Verfahrensvorschriften beschränken solle.
Alles, was darüber hinausgehe, überfordere den Gesetzgeber, schrieb die „FTD“ in
ihrem Leitartikel am 30. März 2007 und führte aus:
„Wird das Gesetz zu detailliert, geht es demnächst noch bürokratischer am Krankenbett zu. Dem Willen des Patienten kommt man damit nicht unbedingt näher. Viel
wichtiger als ein solches Gesetz ist etwas anderes: die Förderung der Hospizarbeit und
der sogenannten Palliativmedizin – also lindern da, wo heilen nicht mehr möglich ist.“
Zustimmung erfuhr die Haltung der Bundesärztekammer auch in der Fachpresse. Im
Kommentar der „Ärzte Zeitung“ (28.03.2007) hieß es:
„Krankheitsverläufe sind individuell, das Sterben lässt sich nicht per Gesetz regeln.
Unermüdlich hat Bundesärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe in den vergangenen Monaten für diese Botschaft getrommelt. Jeder, der irgendwann einmal den
Tod etwa eines nahen Angehörigen unmittelbar erlebt hat, der weiß: Hoppes Einschätzung trifft den Kern der Sache.“
Verstärkt wurde die große Resonanz auf die Empfehlungen der Bundesärztekammer
und der Zentralen Ethikkommission durch ein „Spiegel-Streitgespräch“ wenige Tage
vor der Bundestagsdebatte. Professor Hoppe und der Palliativmediziner Professor
Gian Domenico Borasio diskutierten auf Einladung des Magazins „Der Spiegel“ über
die schweren Entscheidungen am Sterbebett, die Angst vor der Apparatemedizin und
das geplante Gesetz zur Patientenverfügung. Überschrieben war das Gespräch mit
einem Zitat des Präsidenten der Bundesärztekammer, auf das in den darauf folgenden
Monaten verschiedene Medien immer wieder Bezug nahmen: „Sterben ist nicht normierbar“.
Wohin die Mehrheit im Bundestag geht, war am Jahresende noch nicht absehbar,
„zumal es eine dritte Linie gibt, die den Ansatz der Bundesärztekammer aufnimmt“,
wie die „Süddeutsche Zeitung“ schon im Frühjahr berichtete. Der Entwurf des CSUPolitikers und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union, Wolfgang Zöller,
und seines CDU-Kollegen Hans Georg Faust, räumt den Ärzten mehr Entscheidungsspielraum ein. Der Entwurf sieht keine Reichweitenbegrenzung vor, stellt aber klar,
dass Patienten nicht den Abbruch der Basisversorgung verlangen dürfen. Sind der Arzt
und der rechtliche Betreuer uneins über die Fortsetzung der Behandlung eines einwilligungsunfähigen Patienten, soll das Vormundschaftsgericht befragt werden. Die
Bundesärztekammer begrüßte den Vorstoß der Unionspolitiker: „Wir unterstützen
diesen Vorschlag, weil er im Wesentlichen Verfahrensfragen regelt und sich in die
Arzt-Patient-Beziehung nicht einmischt“, sagte Professor Hoppe der Wochenzeitung
„Die Zeit“ (06.06.2007).
Gewebegesetz: Erfolgreiche Intervention
Eine Beschränkung auf Verfahrensfragen hätte man sich auch bei dem Gewebegesetz
gewünscht, das eineinhalb Jahre lang im parlamentarischen Raum diskutiert wurde,
bevor es der Bundestag beschloss. Mit dem Gesetz wurde eine entsprechende EU414
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Richtlinie (EU 2004/23/EG) umgesetzt, die bereits bis März 2006 in nationales Recht
hätte umgesetzt werden sollen. Es war nicht zuletzt den auch medienwirksamen Interventionen der Ärzteschaft zu danken, dass der ursprüngliche Entwurf noch abgeändert
und der Organtransplantation grundsätzlich Vorrang vor der Gewebespende eingeräumt wurde. Mit der unterschiedlichen rechtlichen Klassifizierung von Organen einerseits und menschlichen Geweben wie Augenhornhäuten und Herzklappen andererseits entschied sich der Gesetzgeber für einen höchst umstrittenen Weg, vor dem alle
Fachleute gewarnt hatten. Die Kritik der Experten führte immerhin zu über 50 Änderungen an der Gesetzesvorlage.
Auch in der Presse fand die Kritik der Bundesärztekammer und anderer Organisationen des Gesundheitswesens großen Widerhall. Bemerkenswert sei, stellte die
Wochenzeitung „Freitag“ am 9. März 2007 fest, dass kein anderes europäisches Land
die Geweberichtlinie im Sinne der deutschen Vorlage umzusetzen beabsichtigt. Die
„Badische Zeitung“ (07.03.2007) bezeichnete den Kompromissvorschlag der Bundesärztekammer als vernünftig: „Gewebe wie Herzklappen und Hornhäute, die nur aufbewahrt werden, bleiben weiter Transplantate, lautet die Idee. Weiterverarbeitete Spenden wie gezüchtete Knorpelzellen und zerschredderte Knochen werden zum Arzneimittel.“ Dieser Vorschlag fand schließlich – in modifizierter Form – auch Eingang in
den Gesetzestext.
Als „Geburtsfehler“ des Gesetzes bezeichnete die Ärzteschaft jedoch weiterhin, dass
die neuen Regelungen Teil des Arzneimittelgesetzes seien. Der Präsident der Bundesärztekammer kommentierte den Gesetzesbeschluss mit klaren Worten: „Wir hätten
uns gewünscht, dass die Regierung diesen Fehler vollständig korrigiert.“
Erstmalige Präsentation einer bundeseinheitlichen Behandlungsfehler-Statistik
Wer Fehler vermeiden will, muss zunächst einmal wissen, in welchen Bereichen sie
passieren. Dazu bedarf es verlässlicher, aussagekräftiger Daten. Die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern verfügen über solche statistischen Angaben. Sie sind die einzigen Einrichtungen im Gesundheitswesen, die
genaue Daten zu Art und Häufigkeit ärztlicher Behandlungsfehler erfassen. Gut ein
Viertel aller Behandlungsfehlervorwürfe werden von den Gutachterkommissionen
und Schlichtungsstellen bewertet. Im Berichtszeitraum gelang es, erstmals eine
Bundesstatistik der Fehlervorwürfe und nachgewiesenen Fehler zu präsentieren, die
auf der Basis neuer, einheitlicher Erfassungskriterien der Gutachterkommissionen
und Schlichtungsstellen ermittelt worden war. Die statistische Erhebung gab Aufschluss darüber, bei welchen Diagnosen und Therapiemaßnahmen Behandlungsfehler vermutet wurden und welche Fachgebiete betroffen waren.
„Die Erkenntnisse der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen werden
schon seit Jahren intern für die Fortbildung der Ärzte verwertet. Um jedoch nicht nur
im ‚stillen Kämmerlein’ zu arbeiten, haben sie sich nun entschieden, ihre Arbeit auch
nach außen transparenter zu gestalten“, sagte Dr. Andreas Crusius, Vorsitzender der
Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, bei der
Vorstellung der Statistik am 18. April 2007 vor der Presse in Berlin. Mit der bundeseinheitlichen Statistik für das Jahr 2006 hätten Ärztinnen und Ärzte erstmals die Möglichkeit zu prüfen, in welchen Bereichen Patienten Vorwürfe erhoben haben. „Aus
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Behandlungsfehlerschwerpunkten können Fehlervermeidungsstrategien entwickelt
werden, die dazu beitragen, Patientensicherheit und Patientenzufriedenheit zu steigern“, so Crusius. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Christoph Fuchs, wies darauf hin, dass im Umgang mit Behandlungsfehlern ein Umdenken
eingesetzt habe. „Wir haben erkannt, dass wir nicht die Frage stellen dürfen: ,Wer war
schuld?’, sondern, dass wir fragen müssen: ,Was war schuld?’ Nur dieser Ansatz hilft
uns, Ursachen für Fehler zu erkennen und sie für die Zukunft zu vermeiden“, erklärte Fuchs.
Die Resonanz auf die öffentliche Präsentation der Behandlungsfehlerstatistik war
enorm. Die umfangreiche Berichterstattung zeigt, wie groß der Informationsbedarf zu
diesem Thema ist und wie wichtig es ist, die Ergebnisse der statischen Erhebung
mediengerecht aufzuarbeiten. „Ärztefehler oft nicht bewiesen“, titelte die „Frankfurter
Allgemeine Zeitung“ (19.04.2007) und in der „Berliner Zeitung“ hieß es: „Mehrere tausend Behandlungsfehler: Verdachtsfälle werden jetzt einheitlich erfasst“ und die
Tageszeitung „Die Welt“ schrieb: „Rund 3.900 erwiesene Fälle von Ärztepfusch“. Angesichts der gerade in nachrichtenarmen Zeiten häufig kursierenden Schreckenszahlen
von bis zu 100.000 Behandlungsfehlern pro Jahr, leistete die Bundesärztekammer mit
der Vorstellung ihrer Statistik einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung der Medien.
Ärzte und Staatssicherheit: IM Arzt
Eine übergroße Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte in der DDR wahrte Distanz zum
SED-Staat und ließ sich nicht auf Spitzeltätigkeiten für den Staatssicherheitsdienst
ein. Eine Minderheit von drei bis fünf Prozent der Berufsgruppe aber willigte in eine
Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ein. „Es bleibt die
bedrückende Erkenntnis, dass die große Mehrzahl der von der Stasi angesprochenen
Ärzte ohne langes Zögern mit dem MfS zusammenarbeitete und Kollegen bespitzelte“, sagte am 20. November 2007 Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Dr. h. c.
Jörg-Dietrich Hoppe anlässlich der Vorstellung der Studie „Zielgruppe Ärzteschaft.
Ärzte als inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit“ der Historikerin Dr. Francesca Weil.
Die vom Deutschen Ärzteblatt und seinen Herausgebern (Bundesärztekammer und
Kassenärztliche Bundesvereinigung) geförderte Studie des Hannah-Arendt-Instituts
für Totalitarismusforschung Dresden untersucht methodisch und differenziert Art
und Umfang der inoffiziellen Mitarbeit (IM) von Ärzten für den DDR-Staatssicherheitsdienst. Das MfS setzte die Mehrheit der IM-Ärzte – in der Studie 89 Prozent – in
erster Linie auf die Bespitzelung ihrer Berufskollegen an. Ziel war es u. a. frühzeitig
über die Absicht zur so genannten Republikflucht informiert zu werden.
Die Präsentation der Studie „Zielgruppe Ärzteschaft“ hatte ein überwältigendes Echo
in den Medien. Ausführliche Berichte in den Hauptnachrichtensendungen des ZDF
und des MDR sowie Berichte und Kommentare in Tageszeitungen und Online-Medien
zeugen von einem großen Interesse an diesem Kapitel jüngster deutscher Geschichte.
Besonders aufmerksam wurden die Ergebnisse der Studie in ostdeutschen Medien
registriert.
Aber auch über die Landesgrenzen hinaus fand die Studie Beachtung. So schrieb die
„Neue Zürcher Zeitung“ (22.11.2007) unter der Überschrift „Erste Studie über DDR416
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Ärzte als Stasi-Spitzel“: „Der Präsident der deutschen Ärztekammer, Jörg-Dietrich
Hoppe, nannte es bei der Vorstellung der Studie in Berlin ‚absolut unethisch und
durch nichts zu rechtfertigen’, dass Ärzte, die mit der Stasi kooperierten, systematisch
das Arztgeheimnis verletzt hätten.“
Der Präsident der Bundesärztekammer appellierte an die IM-Ärzte, ihr Gewissen zu
überprüfen: „Diejenigen Ärzte, die sich durch ihre Spitzeltätigkeit für die Stasi schuldig gemacht haben, sollten sich offenbaren. Ein Wort der Entschuldigung ist das Mindeste, was die Opfer der Bespitzelung erwarten dürfen.“ Die „Mitteldeutsche Zeitung“
(21.11.2007) in Halle/Saale äußerte Verständnis dafür, dass auf die Nennung von Klarnamen verzichtet wurde und hob den wissenschaftlichen Charakter der Studie hervor:
„Die Studie über die Stasi-Verstrickung von DDR-Ärzten ist ein notwendiger Beitrag
zur Aufarbeitung – frei von Denunziation. Nüchtern stellt die Publikation fest, dass
der Stasi-Apparat es relativ leicht geschafft hat, unter den Ärzten – trotz deren vermeintlicher Distanz zum politischen System – willige Zuträger zu finden, häufig ohne
Zögern. … Die Öffentlichkeit und ganz besonders die Opfer haben ein Recht auf
Wahrheit. Permanentes Schweigen hieße, ethisches Fehlverhalten zu billigen.“
Großer Andrang der Journalisten bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Studie über die Stasi-Verstrickung von Ärzten in der DDR.
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11.2 Außendarstellung/Informationsdienste
Pressearbeit in Berlin
Seit dem Umzug von Regierung und Parlament im September 1999 ist Berlin das Zentrum der Bundespolitik. Zwar haben nach wie vor einige Ministerien ihren ersten
Dienstsitz in Bonn, doch die Berliner Präsenz wird beständig ausgeweitet. Die entscheidenden Gespräche, Diskussionen und Beratungen finden ohnehin in Berlin statt.
Das gilt uneingeschränkt auch für die Gesundheitspolitik. Dieser Tatsache hat die
Pressestelle der deutschen Ärzteschaft schon früh Rechnung getragen und den
Schwerpunkt der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mit dem Regierungsumzug nach
Berlin verlagert. Hier ist die Pressestelle eine zentrale Anlaufstelle für Journalisten
und gilt als kompetenter Ansprechpartner für Medien im gesamten Bundesgebiet.
Die Informationsdienste der Pressestelle
In der publizistischen Außendarstellung haben sich folgende Info-Dienste der Pressestelle etabliert:
BÄK INTERN ist der gesundheitspolitische Informationsdienst der Bundesärztekammer. Er richtet sich an die ehrenamtlichen Mandatsträger der ärztlichen Selbstverwaltung und der Fachgesellschaften, aber auch an die Fachpresse sowie gesundheitspolitisch interessierte Journalisten der übrigen Medien.
Bei der Auswahl der Themen wird der Blick wie gewohnt sowohl nach innen als auch
nach außen gerichtet. Seit dem Relaunch im April 2004 kommen bei besonders kontrovers diskutierten Themen verstärkt Experten aus externen Organisationen und
Institutionen in Interviews zu Wort, beispielsweise Referenten des Interdisziplinären
Forums „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“ der Bundesärztekammer. Auf
diese Weise wurde die Palette an journalistischen Stilformen kontinuierlich ausgebaut.
In den BÄK INTERN-Ausgaben des Jahres 2007 wurden die wichtigsten gesundheitsund sozialpolitischen Themen in Form von Interviews, Hintergrundberichten, Meldungen und Kommentaren mit besonderem Blick auf die Aktivitäten der Bundesärztekammer präsentiert. Ausführlich berichtete die Redaktion über die Themen des
110. Deutschen Ärztetages und des 31. Interdisziplinären Forums der Bundesärztekammer. In Interviews äußerten sich sowohl Vertreter der Bundesärztekammer als
auch Experten aus anderen Institutionen, so z. B. die EU-Kommissarin für Medien
und Informationsgesellschaft, Viviane Reding. Thematische Schwerpunkte waren die
Folgen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes und die Berichterstattung über weitere Gesetzesvorhaben wie das Telekommunikationsüberwachungsgesetz, das Gewebegesetz oder das Präventionsgesetz.
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BÄK GROUND ist der themenspezifische Hintergrund-Informationsdienst für
gesundheits- und sozialpolitische Journalisten. Es hat sich bewährt, die Arbeit der
Journalisten durch die Aufbereitung eines Themas unter verschiedenen Aspekten
inklusive geschichtlicher Entwicklung, Bearbeitung von Randaspekten und Auflistung
weiterführender Quellen zu unterstützen. So hat dieser Hintergrunddienst insbesondere im Vorfeld des Deutschen Ärztetages die Aufgabe, die berufspolitischen Themen
recherchegerecht so aufzubereiten, dass trotz der Komplexität einzelner Themen das
Interesse der Medien auch an solchen Fragen geweckt werden kann.
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Der „BÄK-Newsletter“ ist ein regelmäßig erscheinender E-Mail-Dienst, der möglichst
zeitnah über aktuelle gesundheitspolitische Entwicklungen informiert und exklusive
Hintergrundinformationen zu berufspolitischen Themen bietet. Der Dienst wird als
Text-Mail versendet, so dass der Inhalt direkt und ohne größeren Zeitverlust abgerufen
werden kann.
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IT KOMPAKT ist der Informationsdienst der Pressestelle zur Telematik im Gesundheitswesen. Seit Dezember 2004 sind elf Ausgaben des achtseitigen Dienstes erschienen, in denen regelmäßig über neue Entwicklungen im Bereich E-Health informiert
wurde. In den Ausgaben des Jahres 2007 wurden Experten zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und des elektronischen Arztausweises interviewt und
der Standpunkt der Bundesärztekammer zur Einführung der eGK dargelegt. So
berichteten die Projektleiter der Testregionen Löbau-Zittau und Flensburg in der AprilAusgabe von den bundesweit ersten Testläufen der elektronischen Gesundheitskarte.
Im September-Heft erläuterte Dr. Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender des Ausschusses „Telematik“ der Bundesärztekammer, die Bedenken der deutschen Ärzteschaft gegenüber dem Projekt eGK in seiner bestehenden Form.
Politische Entscheidungen zur eGK und die Entwicklung der Tests in den Modellregionen wurden mit Hintergrundberichten begleitet, ebenso die Arbeit des Projektbüros eArztausweis bei der Bundesärztekammer. In der Rubrik „E-Health international“
berichtete die Redaktion regelmäßig über Entwicklungen auf dem Gebiet der Telematik im Ausland. Darüber hinaus bot jede Ausgabe eine Übersicht über Termine wichtiger Veranstaltungen rund um das Thema E-Health.
IT KOMPAKT kann über die Internetseiten der Bundesärztekammer unter
www.bundesaerztekammer.de kostenfrei abonniert werden und steht auch als Download zur Verfügung. Dort sind seit Dezember 2004 alle wesentlichen Informationen
zum elektronischen Arztausweis verfügbar: Basisinformationen, Antworten auf häufig
gestellte Fragen (FAQ), ein Glossar mit wichtigen Stichworten zum Thema Gesundheitstelematik und Links zu interessanten Websites.
Die „Presseschau“ ist die tägliche Publikation der Pressestelle. Seit September 2005
wird sie als PDF-Datei per E-Mail an die Adressaten versandt. Die wichtigsten Artikel
aus Tageszeitungen, Nachrichtenmagazinen und Wochenzeitungen werden zu einem
umfassenden Überblick über die aktuelle gesundheitspolitische wie auch medizinische Berichterstattung zusammengestellt. Die Pressestelle kann online auf eine
Datenbank zugreifen, in der digital alle Artikel von inzwischen weit über 500 regionalen und überregionalen Medien zur Volltext-Recherche und zum Download zur Verfügung stehen. Dadurch hat sich das Spektrum der auszuwertenden Zeitungen deutlich
erweitert. Die tägliche „Presseschau“ bietet somit ein nahezu lückenloses Bild der
Berichterstattung zur Gesundheitspolitik und weiteren, für die Ärzteschaft relevanten
Themen.
Mit dem E-Mail-Dienst „Berlin im Blick“ hat sich ein weiterer elektronischer Dienst
etabliert. In komprimierter Form werden hier die wichtigsten berufspolitischen und
gesundheitspolitischen Termine der kommenden zwei Wochen aufgelistet, so z. B.
Debatten und Anhörungen im Deutschen Bundestag, Sitzungstermine des Bundesrates und anderer Institutionen.
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11.3 Das Internetangebot der Bundesärztekammer
Die Arbeit an einem mediengerechten, stets aktuellen Informations- und Serviceangebot im Internet ist eine eigenständige redaktionelle Tätigkeit innerhalb des Gesamtspektrums der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Das Internetangebot unter der Adresse http://www.bundesaerztekammer.de richtet sich an die gesamte Öffentlichkeit, insbesondere an Ärzte, Patienten und Journalisten. Letztere können in einem eigenen
Bereich „Presse“ nicht nur Pressemitteilungen, sondern auch Reden und Statements
aus Pressekonferenzen, Pressegesprächen und anderen Veranstaltungen der Bundesärztekammer abrufen; auch Terminankündigungen, Hintergrundinformationen,
Fotomaterial und Kontaktadressen sind hier auffindbar. Darüber hinaus werden tagesaktuelle Interviews und Meldungen zur Bundesärztekammer in gesonderten Kurzbeiträgen aufbereitet.
Relaunch des Internetauftritts
Am 18. Januar 2007 schaltete die Bundesärztekammer ihren komplett überarbeiteten,
aktualisierten und neugestalteten Internetauftritt frei. Das modernisierte Internetangebot soll den steigenden Ansprüchen der verschiedensten Zielgruppen gerecht werden und die Öffentlichkeitsarbeit der BÄK wirksam ergänzen. Mit Blick auf die
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Zugriffsstatistik ist dies auch überzeugend gelungen. Danach hat sich das Interesse
der Benutzer an der Seite der Bundesärztekammer nach dem Relaunch im Laufe des
Jahres 2007 im Vergleich zu 2006 mit teilweise über 1,4 Millionen Zugriffen pro Monat
nahezu verdoppelt.
Ziel des Relaunches war es, dem Benutzer mit Hilfe einer möglichst einfachen Navigation das umfangreiche Informationsmaterial der Bundesärztekammer zugänglich
zu machen und die Inhalte auf einen aktuellen Stand zu bringen. Nach einer kritischen Analyse des bisherigen Internetangebots bereitete die Pressestelle dann in enger
Zusammenarbeit mit den Dezernaten und der Hauptgeschäftsführung der Bundesärztekammer eine vollständige Überarbeitung der über 7.000 Dokumente des Angebots vor. Texte wurden aktualisiert oder neu erstellt und Inhalte gestrafft bzw. neu
gegliedert, um die Voraussetzungen für die Übernahme in den neuen Auftritt zu
schaffen.
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Parallel zu dieser „Konsolidierung“ des Internetangebots entwickelte die Pressestelle
zusammen mit dem neuen Vertragspartner L.N. Schaffrath NeueMedien GmbH ein
neues Design für die Website der Bundesärztekammer mit einer modernen, benutzerfreundlichen Navigation.
Das Informationsangebot ist in drei Bereiche mit den Hauptzielgruppen „Ärzte“,
„Patienten“ und „Presse“ gegliedert. Im Bereich „Ärzte“ finden die Nutzer übersichtlich gestaltet alle relevanten Informationen zu den Arbeitsfeldern der Bundesärztekammer. Im Patientenbereich werden Gesundheitstipps und Bürgerinformationen zu
Themen wie beispielsweise Vogelgrippe und Patientenverfügungen angeboten. Ein
umfangreiches Archiv und die Volltextsuche helfen dem Nutzer, einen schnellen Überblick über die Position der Bundesärztekammer zu gesundheitspolitischen, medizinischen und ethischen Fragen zu erhalten. Die Internetseiten der Bundesärztekammer
sind barrierefrei gestaltet. Zudem bietet der Internetauftritt der Bundesärztekammer
auch einen so genannten RSS-Feed. Diese Möglichkeit eines schnellen Nachrichtenüberblicks wurde im Berichtszeitraum gut angenommen. Täglich nutzen etwa 3.000
Abonnenten den RSS-Feed.
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