Die volkswirtschaftliche Bedeutung geistigen Eigentums

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Die volkswirtschaftliche Bedeutung geistigen Eigentums
Die volkswirtschaftliche Bedeutung
geistigen Eigentums und dessen Schutzes
mit Fokus auf den Mittelstand
- Endbericht -
Studie im Auftrag des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Technologie
Prof. Dr. Knut Blind (Projektleitung)
Dipl.-Volksw. Alexander Cuntz
Dipl.-Kfm. Florian Köhler
Mag. Alfred Radauer
Berlin, im Februar 2009
i
Inhalt
Executive Summary ......................................................................................... 1
1. Einführung .................................................................................................... 9
2. Geistiges Eigentum und die Verletzung geistiger
Eigentumsrechte ........................................................................................ 12
2.1. Geistiges Eigentum, Intangibles und Intellectual Property –
Begriffsklärung und Definition............................................................. 12
2.2. Die Bedeutung immaterieller Vermögensgüter ................................... 14
2.2.1. Qualitative Bewertung.................................................................... 15
2.2.2. Quantitativ-monetäre Bewertung ................................................... 18
2.3. Instrumente zum Schutz immaterieller Vermögensgüter..................... 25
2.3.1. Formelle Instrumente ..................................................................... 25
2.3.2. Informelle Instrumente ................................................................... 35
2.4. Verletzungen geistiger Eigentumsrechte............................................. 37
2.4.1. Terminologie .................................................................................. 37
2.4.2. Ökonomische Implikationen ........................................................... 43
3. Quantifizierung von geistigen Eigentumswerten und
Piraterieschäden: Ergebnisse der Sekundärdatenanalyse..................... 48
3.1. Makro-ökonomische Quantifizierung der Ausgaben für
immaterielles Eigentum in der deutschen Wirtschaft .......................... 48
3.2. Datenerhebung und Schätzverfahren zu Verletzungen geistiger
Eigentumsrechte................................................................................. 58
4. Geistiges Eigentum und Produktpiraterie: Ergebnisse der
Unternehmensbefragung........................................................................... 66
4.1. Methodik und Stichprobe .................................................................... 66
4.2. Befragungsergebnisse ........................................................................ 70
ii
4.2.1. Bedeutung des geistigen Eigentums.............................................. 70
4.2.2. Bedeutung von Instrumenten zum Schutz des geistigen
Eigentums...................................................................................... 75
4.2.3. Betroffenheit und Auswirkungen von Verletzungen geistiger
Eigentumsrechte............................................................................ 84
5. Analyse des deutschen Systems an Unterstützungsleistungen
für KMU im Bereich geistiges Eigentum .................................................. 94
5.1. Einführung........................................................................................... 94
5.2. Nutzung von externen Dienstleistungen im Themenbereich IPR
durch deutsche KMU .......................................................................... 97
5.2.1. Vorherrschende Nutzungsmuster .................................................. 97
5.2.2. Erste Schlussfolgerungen für die Gestaltung von
Förderprogrammen und Dienstleistungen.................................... 106
5.3. Übersicht über das KMU-spezifische deutsche Förder- und
Unterstützungssystem im Bereich geistiges Eigentum ..................... 108
5.3.1. Institutionelles Setting .................................................................. 108
5.3.2 Ausgestaltungsmerkmale identifizierter öffentlich finanzierter
Fördermaßnahmen und Unterstützungsleistungen...................... 110
5.4 Zur Zweckmäßigkeit und Performanz des dargestellten IPRspezifischen Unterstützungssystems für deutsche KMU .................. 122
5.4.1 Betrachtung ausgewählter Maßnahmen ....................................... 122
5.4.2 Betrachtung des Gesamtsystems ................................................. 132
6. Politikempfehlungen ................................................................................ 139
Literatur......................................................................................................... 148
iii
Abbildungen
Abbildung 2.1. Ansätze zur Kategorisierung von Intangibles ..................................... 13
Abbildung 2.2. Innovationsintensität in der verarbeitenden Industrie und in
den wissensintensiven Dienstleistungen Deutschlands 19922006 (in %) ......................................................................................... 19
Abbildung 2.3. Innovationsintensität (Innovationsausgaben in Prozent des
Umsatzes) deutscher Unternehmen in den Jahren 2000 und
2004 nach Größenklasse.................................................................... 20
Abbildung 2.4. Anteil immaterieller Werte an der Marktkapitalisierung ...................... 21
Abbildung 2.5. Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben für die
internationale Lizenzierung von Patenten und anderen
Schutzrechten in den Jahren 1994 – 2005 ......................................... 23
Abbildung 2.6. Transnationale Patentanmeldungen ausgewählter Länder
1991 bis 2005 ..................................................................................... 28
Abbildung 2.7. Trend der Markenanmeldungen beim Harmonisierungsamt für
den Binnenmarkt und der World Intellectual Property
Organization ....................................................................................... 29
Abbildung 2.8. Nutzung von formalen Schutzinstrumenten durch
innovationsaktive Unternehmen in Deutschland und der EU16
im Zeitraum 2002 bis 2004 (in %)....................................................... 31
Abbildung 2.9. Nutzung von Patenten sowie von Marken und
Geschmacksmustern oder Geltendmachung von
Urheberrechten durch innovationsaktive Unternehmen in den
Jahren 2002-2004............................................................................... 32
Abbildung 2.10. Entwicklung der Stückzahlen beschlagnahmter Artikel
(Aufgriffe bei Einfuhr in die EU) in den Jahren 2000 bis 2006............ 40
Abbildung 4.1. Anteil der F&E-aktiven bzw. patent- und markenaktiven
Unternehmen, im Sample und innerhalb innovationsaktiver
deutscher Unternehmen nach dem Community Innovation
Survey 2004........................................................................................ 69
Abbildung 4.2. Wichtigkeit der materiellen und immateriellen Werte sowie
deren Bedeutungszuwachs ................................................................ 70
Abbildung 4.3. Bedeutungszuwachs der materiellen sowie immateriellen
Werte, nach Größen- sowie Branchenklassen ................................... 71
Abbildung 4.4. Verhältnis des Wertes von Intangibles zu Tangibles nach
Größenklassen ................................................................................... 74
iv
Abbildung 4.5. Bedeutung sowie Bedeutungszuwachs einzelner formeller
Schutzinstrumente nach Größenklassen............................................ 76
Abbildung 4.6. Bedeutung sowie Bedeutungszuwachs einzelner strategischer
Schutzinstrumente nach Größenklassen............................................ 77
Abbildung 4.7. Vergleich der Bedeutung formeller und informeller
Schutzrechte nach Größen- und Branchenklasse .............................. 79
Abbildung 4.8. Bedeutung sowie Bedeutungszuwachs einzelner formeller
Schutzinstrumente nach Größenklassen
(Patentanwaltsbefragung)................................................................... 81
Abbildung 4.9. Vergleich der Bedeutung formeller und informeller
Schutzrechte nach Größenklasse (Unternehmens- und
Patentanwaltsbefragung).................................................................... 82
Abbildung 4.10. Bedeutung einzelner Funktionen von Patenten nach
Größenklasse ..................................................................................... 83
Abbildung 4.11. Häufigkeit der Betroffenheit von Patent- bzw.
Markenrechtsverletzungen nach Größenklassen ............................... 85
Abbildung 4.12. Häufigkeit von Patent- und Markenrechtsverletzungen
innerhalb bzw. außerhalb der Europäischen Union............................ 86
Abbildung 4.13. Umsatzeinbußen und Zusatzkosten als Folge von
Produktpiraterie .................................................................................. 88
Abbildung 4.14. Ausmaß der Auswirkungen von Verletzungen geistiger
Eigentumsrechte auf Managemententscheidungen ........................... 90
Abbildung 4.15. Veränderung der Auswirkungen von Verletzungen geistiger
Eigentumsrechte auf Managemententscheidungen, nach
Unternehmen mit und ohne direkte Betroffenheit von
Patentrechtsverletzungen ................................................................... 92
Abbildung 4.16. Ausmaß der Auswirkungen von Verletzungen geistiger
Eigentumsrechte auf Managemententscheidungen (Vergleich
Unternehmens- und Patentanwaltsbefragung) ................................... 93
Abbildung 5.1. Methodisches Vorgehen der IPR-Benchmarking-Studie .................... 96
Abbildung 5.2. Nutzungshäufigkeit verschiedener Typen von
Dienstleistungsanbietern im Bereich Geistiges Eigentum
durch die befragten Unternehmen ...................................................... 98
Abbildung 5.3. Nutzungshäufigkeit verschiedener IPR-Dienstleister,
differenziert nach KMU und Großunternehmen.................................. 99
v
Abbildung 5.4. Nutzung von IPR-Serviceprovidern, nach Abhängigkeit der
Nutzungsphase der Schutzrechte..................................................... 100
Abbildung 5.5. Barrieren für die Inanspruchnahme staatlicher
Dienstleistungen im Bereich IPR ...................................................... 101
Abbildung 5.6. Relevanz verschiedener Schlüsselfaktoren für ein
Förderprogramm ähnlich der SIGNO KMU-Patentaktion, Sicht
der Förderempfänger/Unternehmen ................................................. 102
Abbildung 5.7. Relevanz verschiedener Schlüsselfaktoren für
Dienstleistungen ähnlich denen, die das PIZ Stuttgart erbringt,
Sicht der das PIZ Stuttgart nutzenden Unternehmen ....................... 105
Abbildung 5.8. Trägerorganisationen der Patentinformationszentren in
Deutschlan........................................................................................ 119
Abbildung 5.9. Additionalität der monetären Förderung der SIGNO KMUPatentaktion (Quelle: Radauer et al., 2007) ..................................... 124
Abbildung 5.10. Verhaltens- und Know-How-Änderungen in Folge der Nutzung
der SIGNO KMU-Patentaktion.......................................................... 127
Abbildung 5.11. Verhaltens- und Know-How-Änderungen in Folge der Nutzung
des PIZ Stuttgart............................................................................... 131
vi
Tabellen
Tabelle 2.1.
Nutzung von formalen Schutzinstrumenten durch
innovationsaktive Unternehmen im Zeitraum 2002-2004 nach
Größenklasse im verarbeitenden Gewerbe und
Dienstleistungssektor.......................................................................... 31
Tabelle 2.2.
Nutzung von Maßnahmen zum Schutz des geistigen
Eigentums,.......................................................................................... 34
Tabelle 3.1
Kategorisierung der Ausgaben für immaterielles Eigentum
nach Corrado et al. (2005).................................................................. 49
Tabelle 3.2.
Übersicht über die Ausgaben für geistiges Eigentum in
Deutschland bzw. Großbritannien und den USA (Quelle:
eigene Berechnungen, sowie Corrado (2005) und Marrano
und Haskel (2006)) ............................................................................. 57
Tabelle 3.3.
Zusammenfassung von Studien und Datenbanken zu
Produkt- und Markenpiraterie ............................................................. 59
Tabelle 4.1.
Zusammensetzung des Unternehmenssamples nach
Größenklassen und Branchen ............................................................ 67
Tabelle 4.2.
Zusammensetzung des Patentanwaltsamples nach
Größenklassen ................................................................................... 69
Tabelle 4.3.
Monetäre Bewertung der geistigen Eigentumsrechte im
Vergleich zum Wert der Sachanlagen (in Millionen Euro) .................. 73
Tabelle 4.4.
Ursprungsländer unerlaubter Nachahmungen mit häufigste
Nennung ............................................................................................. 86
Tabelle 5.1.
Übersicht über öffentlich finanzierte Förderprogramme und
Unterstützungsmaßnahmen für KMU im Bereich Geistiges
Eigentum in Deutschland (Bundesebene ......................................... 112
Tabelle 5.2.
Übersicht über öffentlich finanzierte Förderprogramme und
Unterstützungsmaßnahmen für KMU im Bereich „Geistiges
Eigentum“ in Deutschland (Länderebene) ........................................ 117
1
Executive Summary
Der vorliegende Endbericht ist Ergebnis der Studie „Die volkswirtschaftliche Bedeutung
geistigen Eigentums und dessen Schutzes mit Fokus auf den Mittelstand“, welche im
Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie durch das FraunhoferInstitut für System und Innovationsforschung, unterstützt durch das Fachgebiet Innovationsökonomie der Technischen Universität Berlin sowie KMU Forschung Austria, im
Laufe des Jahres 2008 erstellt wurde.
Fragestellung und Methodik
Die zentralen Fragestellungen lassen sich in zwei Themenblöcken zusammenfassen:
Gegenstand der Analyse war zunächst, wie sich die Bedeutung des geistigen Eigentums in Relation zu den traditionellen materiellen Anlagegütern in der deutschen
Volkswirtschaft darstellt und welche Entwicklung dieses Verhältnis nimmt. Mit einer
wachsenden relativen Wichtigkeit von immateriellen Vermögensgütern steigt auch die
Bedeutung des Schutzes von Innovationen, sei es über formelle Schutzrechte wie Patente bzw. Marken oder über informelle, strategische Methoden wie technischen Kopierschutz, Geheimhaltungsstrategien oder eine sehr rasche Umsetzung von Innovationsprojekten (zeitlicher Vorsprung). Die Nutzung von Strategien deutscher Unternehmen zum Schutz geistigen Eigentums war daher integraler Analysepunkt der Studie.
Bestandteil der Untersuchung war weiterhin die zunehmende Bedrohung geistiger Eigentumswerte durch unerlaubte Nachahmung in Schwellenländern wie China, aber
auch in Deutschland selbst und in anderen entwickelten Ländern. Die Betroffenheit von
unerlaubten Nachahmungen eigener Technologien oder Designs („Produkt- und Markenpiraterie“) wurde ebenso untersucht wie die daraus resultierenden Schäden. Diese
können finanzieller Art sein, sich in der Bedrohung von Arbeitsplätzen äußern oder in
verzerrten und damit ineffizienten Unternehmensentscheidungen resultieren.
In einem dritten Themenblock wurde analysiert, in wiefern sich aus den beiden beschriebenen Fragestellungen ein Bedarf an wirtschaftspolitischem Handeln ableiten
lässt. Es muss davon ausgegangen werden, dass insbesondere forschungsintensive
kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unter anderem aus Kostengründen gerade
beim Schutz ihrer Innovationen über das Patentsystem benachteiligt sind und auch bei
der Verwertung ihres geistigen Eigentums vor großen Herausforderungen stehen. Von
staatlicher Seite gibt es daher eine Reihe von Anstrengungen, KMU den Zugang zu
gewerblichen Schutzrechten – insbesondere Patenten – zu erleichtern. Vor dem Hintergrund der Schwerpunkte dieser Studie können sich Implikationen für Förderprogramme bezüglich des Schutzes geistigen Eigentums, der effektiven Durchsetzung von
2
Schutzrechten und der wirtschaftlichen Verwertung von Innovationen ergeben. Aus
diesem Grund werden – basierend auf den Erkenntnissen einer detaillierten Analyse
verschiedener KMU-Förderprogramme – Hinweise auf Verbesserungspotentiale oder
Ineffizienzen bei existierenden Unterstützungsmaßnahmen und auf Förderlücken bei
KMU gegeben.
Das methodische Vorgehen dieser Studie war modular aufgebaut. In einem ersten
Schritt wurden durch die Analyse relevanter Literatur die wichtigsten Erkenntnisse aus
wissenschaftlicher Forschung und praxisnahen Projekten zusammengetragen. Ein
zweiter Schritt umfasste eine detaillierte Auswertung existierender Datenbestände,
insbesondere um Indikatoren für den Wert des geistigen Eigentums zu erhalten. Des
Weiteren wurde eine schriftliche Befragung unter ca. 3000 patentaktiven Unternehmen
verschiedener Größenklassen und Branchen durchgeführt, die auf Basis von ca. 300
ausgefüllten Fragebögen eine konkretere Beantwortung der relevanten Forschungsfragen erlaubte. Darüber hinaus wurden semi-strukturierte, leitfadengestützte Interviews
mit Wirtschaftsvertretern sowie mit Experten aus Patenwesen, Innovationsberatung
sowie Förderträgern durchgeführt. Um im Detail Aussagen zur Förderlandschaft im
relevanten Bereich treffen zu können, wurde durch den Projektpartner KMU Austria
eine detaillierte Analyse einzelner Förderprogramme durchgeführt. Diese bildeten zusammen mit den Erkenntnissen aus den anderen Forschungsmodulen die Basis für die
Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen.
Ergebnisse
Die zentralen Erkenntnisse stellen sich wie folgt dar:
Die in einer Vielzahl von Quellen dokumentierte hohe Bedeutung geistigen Eigentums
im Vergleich zu materiellen Vermögensgütern zeigt sich auch in der im Rahmen des
Projektes durchgeführten Erhebung. Eine direkte Frage nach der Bedeutung materieller Sachanlagen im Vergleich zu Bestandteilen der immateriellen Firmenwerte
(Humankapital, Strukturkapital, Beziehungskapital sowie geistige Eigentumsrechte)
liefert Hinweise auf die Bedeutungsverhältnisse: Die immateriellen Werte werden in
allen ihren Ausprägungen im Vergleich zu den materiellen Werten als wichtiger für den
Erfolg des Unternehmens erachtet. Dies stellt nicht in Abrede, dass gerade Industrieunternehmen auch Fertigungsanlagen oder Betriebs- und Geschäftsausstattung benötigen, vielmehr wird hier deren relativer Bedeutungsverlust thematisiert. Dieser zeigt
sich auch in der Frage nach der Entwicklung in den letzten fünf Jahren, für die ein sehr
viel stärkeres Bedeutungswachstum für das immaterielle als für das materielle Vermögen festgestellt wurde (siehe Abbildung 1).
3
Abbildung 1: Wichtigkeit der materiellen und immateriellen Werte sowie deren
Bedeutungszuwachs
Veränderung der Bedeutung
2
4
3,5
3
2,5
1,5
1
0,5
0
2
1,5
-0,5
-1
1
0,5
-1,5
-2
Veränderung der Bedeutung
Bedeutung
Bedeutung
5
4,5
0
Materielle
Sachanlagen
Humankapital
Strukturkapital
Beziehungskapital
Geistige
Eigentumsrechte
Unternehmensbefragung unter 295 deutschen Firmen; Bewertung der Bedeutung auf
einer Skala von 1 („niedrig“) bis 5 („hoch“) / Veränderung der Bedeutung von -2 (stark gesunken) bis
+2 (gestiegen)
Eine Quantifizierung dieser Beobachtung in monetären Größen stellt sich aufgrund der
Bewertungsproblematik immateriellen Eigentums als schwierig dar. Als Indikator können jedoch beispielsweise die gesamtwirtschaftlichen Investitionen in immaterielle
Vermögensgüter aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) herangezogen
werden. Hier wurde laut Statistischem Bundesamt in den 1990er Jahren eine Verdopplung der relevanten Werte konstatiert, zwischen den Jahren 2000 bis 2006 ist ein Anstieg von über 30% zu beobachten, während die Ausrüstungsinvestitionen um ca. 17%
zulegten und die gesamten Bruttoinvestitionen stagnierten bzw. preisbereinigt leicht
zurückgingen. Als weiterer Indikator für die auch quantitativ bedeutsame Dimension
geistigen Eigentums lässt sich über einen weiteren kostenbasierten Bewertungsansatz
der immateriellen Güter erzielen. Die gesamten Ausgaben für geistiges Eigentum in
Deutschland belaufen nach vergleichsweise breiten und für andere Länder verwendeten Definitionsansätzen sich nach den Erhebungen dieser Studie für das Jahr 2004 auf
ca. 154 Mrd. Euro. Dies entspricht ca. 7% des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands.
Über 143 Mrd. Euro würden nach dieser Methode als langlebiges Wirtschaftsgut und
damit als Investition betrachtet werden. Ein Ansatz dieser immateriellen Werte im System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung würde die Investitionen in Deutschland
um ca. 70% erhöhen
Als weiterer Indikator für die Wichtigkeit des geistigen Eigentums bzw. geistiger Eigentumsrechte kann die steigende Zahl der Patentrechte in Deutschland erachtet werden.
Diese Entwicklung ist als Konsequenz einer sowohl in Sekundär- als auch Primäranalyse festgestellten wachsenden Bedeutung von Patenten, Gebrauchsmustern, Marken
und Geschmacksmustern zu sehen. Ein Teil Bedeutungszunahme ist allerdings nicht
auf den reinen Schutz von Innovationen zurückzuführen, sondern liegt in der strategischen Nutzung intellektueller Eigentumsrechte (intellectual property rights (IPR)) be-
4
gründet. Es zeigt sich auch in der hier durchgeführten Unternehmensbefragung, dass
die strategische Nutzung von IPR z.B. als unternehmensinternes Steuerungsinstrument oder als Verhandlungsmasse gegenüber Wettbewerbern in Standardisierungsoder Lizenzierungsvorgängen mit steigender Unternehmensgröße an Relevanz gewinnt.
Bezüglich der Forschungsfrage nach dem geschätzten unternehmensspezifischen und
volkswirtschaftlichen Schaden durch Verletzungen geistiger Eigentumsrechte wurde
zunächst eine systematische Auswertung existierender Studien durchgeführt. Die für
die deutsche Wirtschaft relevanten Erhebungen des Verbandes Deutscher Maschinenund Anlagenbau sowie des Aktionskreises Deutsche Wirtschaft gegen Produkt- und
Markenpiraterie kommen dabei zu ähnlichen Ergebnissen wie die hier durchgeführte
Unternehmensbefragung. Danach muss die Betroffenheit von unerlaubten Nachahmungen rechtlich geschützten Know-hows deutscher Unternehmen als hoch bezeichnet werden. Über zwei Drittel der befragten Unternehmen gaben an, schon einmal von
illegalen Verletzungen rechtlich geschützten Know-hows betroffen gewesen zu sein.
Bei Patentrechten liegt dieser Wert bei ca. 64%, in Bezug auf Markenrechte gibt dies
etwa die Hälfte der befragten Unternehmen an. Der Unterschied begründet sich auch
durch die Tatsache, dass bewusst patentaktive Unternehmen für die Befragung ausgewählt wurden. Zudem sind diese weitgehend dem Verarbeitenden Gewerbe (speziell
Metallverarbeitendes Gewerbe, Maschinenbau sowie Elektrotechnik) zuzuordnen, was
eine generelle Verallgemeinerung der Ergebnisse auf die gesamte deutsche Wirtschaft
ausschließt. In Bezug auf die Unternehmensgröße steigt die Betroffenheit an, was einerseits mit einer höheren Auslandsaktivität von Großunternehmen und damit auch
einer stärkeren Exponiertheit gegenüber Fälschern erklärt werden kann. Andererseits
ist die Nutzung formeller Schutzrechte unter den Großunternehmen stärker ausgeprägt
und eine Überwachung der relevanten IPR in einem höheren Maße gewährleistet. Aus
diesen Gründen kann nicht von einer Entwarnung bzgl. der KMU gesprochen werden,
da bei diesen auch schon ein einzelner Verletzungsfall zu substantiellen Beeinträchtigungen des Geschäftsbetriebes führen kann. In Bezug auf die entstandenen Schäden
durch Verletzungen geistiger Eigentumsrechte geben 12,1% der Befragten Umsatzeinbußen von über 10% an; bei der Mehrheit der befragten Unternehmen liegen diese bei
unter 5%. Befragt wurden die Unternehmen außerdem zu den monetären Aufwendungen, die sie aufgrund der Piraterieproblematik aufzubringen hatten. Dies kann zusätzliche Kosten für die Durchsetzung von Rechten, ein intensiveres Beobachten des Marktes oder technische Schutzmechanismen beinhalten. Die Schätzung beider Kostenpunkte liegt auf Basis der Unternehmensantworten bei ca. 6,2% des Jahresumsatzes
des Bezugsjahres 2007. Bezogen auf den Gesamtumsatz des verarbeitenden Gewerbes, dem die befragten Unternehmen überwiegend zuzuordnen sind, würde dies Pira-
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terieschäden von bis zu 50 Mrd. Euro bedeuten, die dem vom VDMA ermittelten Wert
von 7 Mrd. Euro für den Maschinen- und Anlagenbau ungefähr entsprechen würden.
Der DIHK geht in seinen Hochrechnungen, welche nicht explizit nur forschungs- oder
patentaktive Unternehmen umfassen, lediglich von 29 Mrd. Euro für die gesamte deutsche Wirtschaft aus.
Abbildung 2
Häufigkeit von Patent- und Markenrechtsverletzungen innerhalb
bzw. außerhalb der Europäischen Union
Oft oder sehr oft
Markenverletzungen
Patentverletzungen
0%
Abbildung 3
20%
Selten bis manchmal
40%
60%
80%
100%
Innerhalb der EU
Außerhalb der EU
Innerhalb der EU
Außerhalb der EU
Umsatzeinbußen und Zusatzkosten als Folge von Produktpiraterie
Umsatzeinbußen durch Produktpiraterie
Zusatzkosten durch Produktpiraterie
60
60
50
50
Anteil der Unternehmen in %
Anteil der Unternehmen in %
Nie
40
30
20
10
40
30
20
10
0
0
0%
1-2%
3-5%
6-10%
Umsatzausfall in % (2007)
11-15%
16-20%
0%
1-2%
3-5%
6-10%
11-15%
16-20%
Zusatzkosten in % des Umsatzes (2007)
Zusätzlich zu den monetären Auswirkungen von Produktpiraterie wurde in dieser Studie analysiert, welche qualitativen Auswirkungen auf der Managementebene der Unternehmen als Reaktion auf die Piraterieproblematik zu erwarten sind. Bei den Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern wird dabei von einer stärkeren Nutzung formeller Schutzrechte wie Patenten berichtet, auch bei der Durchsetzung von Schutzrechten
6
signalisieren Großunternehmen wachsende Anstrengungen. Da dies jedoch von den
kleineren Unternehmen oftmals nicht geleistet werden kann, ist hier eine weiter wachsende Kluft in der Patentnutzung zwischen Unternehmen verschiedener Größe zu erwarten. Deutlich wird dies auch bei einem Vergleich der nach Eigenauskunft unmittelbar betroffenen Unternehmen mit einer Vergleichsgruppe, die keine unmittelbare
Schutzrechtsverletzung angegeben hat. Bei größeren Firmen unter den „Piraterieopfern“ wird hier ein signifikant höherer Wert für die Ausweitung der Nutzung und Durchsetzung formeller Schutzmethoden ermittelt, für mittelständische Unternehmen ist
selbst bei unmittelbarer Betroffenheit eine Steigerung ihrer Schutzrechtsaktivitäten offensichtlich nicht möglich oder effizient.
Implikationen für KMU-Förderpolitik im Bereich Intellectual Property
Nach der Untersuchung der beiden übergeordneten Forschungsaspekte wurde die
Analyseebene dieser Studie im Hinblick auf öffentliche Unterstützungsprogramme für
KMU im Bereich Schutz geistigen Eigentums konkretisiert. Hierbei wurde sowohl die
Nachfrageseite – also die Unternehmen selber – als auch die Angebotsseite – die anbietenden Institutionen – einbezogen. Hinsichtlich der Nachfrage wurde ein entsprechender Themenblock bereits in die Unternehmensbefragung integriert und über Experteninterviews konkretisiert. Auf der Angebotsseite wurden entsprechende Programme, wie z.B. die SIGNO KMU-Patentaktion oder die Patentinformationszentren,
identifiziert und im Hinblick auf Zweckmäßigkeit, Effektivität und Effizienz sowie Verbesserungspotentiale untersucht. Dabei wurde deutlich, dass eines der zentralen
Hauptprobleme der Förderlandschaft in der unzureichenden Informationslage der befragten Unternehmen liegt: Viele Unternehmen wissen schlicht zu wenig über die bestehenden Förderangebote. Ferner ist festzustellen, dass das identifizierte Bündel an
Unterstützungsmaßnahmen
sowohl
quantitativ
(gemessen
an
der
Zahl
der
Maßnahmen) wie auch inhaltlich-qualitativ sehr stark auf das Instrument des
Patentschutzes fokussiert. Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt des Weiteren
vornehmlich auf den frühen Phasen der Nutzung des Instrumentes, d.h. der
Anmeldephase und der ihr (meist vorgelagerten) Recherchephase. Innerhalb dieser
Schwerpunktsetzungen – und abgesehen von Details bei der Implementierung – wird
das System der Unterstützungsleistungen von den ExpertInnen als weitgehend
vollständig und zweckmäßig gesehen.
Für den Bereich außerhalb der Schwerpunktsetzungen ist zwar festzustellen, dass die
Zieldefinitionen
der
Patentanmeldezahlen
meisten
zum
Maßnahmen
Inhalt
haben
nicht
die
(zumindest
alleinige
bei
Erhöhung
den
der
wichtigsten
Förderinstrumenten), was positiv zu werten ist. Es kann davon ausgegangen werden,
dass dort, speziell wo Beratung ein Teil des Serviceangebotes ist, auch Alternativen
7
zum Patent angesprochen werden (abhängig vermutlich von der Person und dem
Erfahrungsschatz des Beraters). Dennoch besteht Konsens darüber, dass im Design
des Gesamtunterstützungsrahmens der IP-Management-Gedanke vermutlich nur
ungenügend berücksichtigt und zu stark auf das Thema Patent fokussiert wird. Hier
sind Weiterentwicklungen der Förderportfolios bzw. eine Schärfung des Profils der
Programme anzudenken. Das Thema IP-Management ist deshalb von Bedeutung, weil
es letztlich für ein Unternehmen in bestimmten Fällen kontraproduktiv sein kann,
Patente anzumelden, speziell wenn es sich in einem Feld bewegt, wo die
Durchsetzung des Patentes schwierig wird. In solchen Fällen sind Alternativen zum
Patent zu prüfen, wie die Nutzung von Geschäftsgeheimnissen oder eine defensive
Publikation, die Konkurrenten zumindest davon abhält, ein Re-Engineering (Nachbau)
der Erfindung vorzunehmen und diese dann unter eigenem Namen zu patentieren (und
damit das ursprünglich erfindende Unternehmen aus dem Markt zu drängen). Darüber
hinaus sind Verschränkungen mit anderen Schutzrechtsinstrumenten zu prüfen, wie
Marken oder Designs/Geschmacksmuster. Damit wird letztlich auch die Einbeziehung
betriebswirtschaftlicher Aspekte bzw. des Geschäftsmodells notwendig – am Beispiel
der Firma Coca-Cola, die für ihr Hauptgetränk keinen Patentschutz vorgesehen hat
(der die Rezeptur für (illegale) Nachahmer offengelegt hätte und maximal 20 Jahre
gültig gewesen wäre), dafür aber eine strikte Geheimhaltung und einen starken
Markenschutz als Schutzrechtsstrategie und Geschäftsmodell stark nutzt, ist der
Grundgedanke des IP-Managements klar sichtbar: Die Wahl der optimalen
Kombination aus verschiedenen formellen und informellen Schutzrechten im Kontext
eines klar definierten Geschäftsmodells, ohne a priori einem bestimmten Instrument
einen Vorzug zu geben Eine einseitige Fokussierung auf das Schutzrechtsinstrument
Patent hätte z.B. für den Fall Coca-Cola mit hoher Wahrscheinlichkeit eine langfristig
geschäftsschädigende Wirkung gehabt.
Für das hochkomplexe Themengebiet Intellectual Property ist Expertise und langjährige Erfahrung notwendig, die technische, juristische und betriebswirtschaftliche Aspekte
im Umgang mit IP abdeckt. Derartige ExpertInnen sind jedoch nur in geringer Zahl am
Arbeitsmarkt verfügbar. Daher sollte einerseits die universitäre Ausbildung gerade an
technischen Hochschulen stärker auf das Feld IP-Management eingehen. Andererseits
könnten öffentliche Förderprogramme stärker auf eine Vermittlung von relevantem
Know-how abzielen, z.B. über Beratungsangebote und spezielle Fortbildungen für im
Bereich Innovationsmanagement tätige Mitarbeiter von KMU. Die Fortbildung von Multiplikatoren (Train the Trainer-Konzept) wie das Programm IP4Inno auf europäischer
Ebene könnte ein erfolgsversprechender Weg sein.
Neben den bereits erwähnten Mängeln in der öffentlichen Wahrnehmung der Angebote, welche eine effektivere Kommunikationspolitik der einzelnen Programme erfordern,
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sollte eine bessere Koordination der IPR-Förderaktivitäten von Bund und Ländern vorgenommen werden. Momentan existiert eine Reihe von Angeboten unterschiedlicher
Art und Qualität auf Länder- und Bundesebene. Ein erster Schritt sollte daher die
Schaffung einer möglichst hohen Transparenz der Förderlandschaft über zentrale Ansprechpartner sein. Anschließend müsste eine inhaltliche Abstimmung über die Fördergebiete hinweg durchgeführt werden, welche durch eine bundesweit bekannte und
aktive Einrichtung wie z.B. das Deutsche Patent- und Markenamt koordiniert werden
könnte.
In Bezug auf die Verletzung geistiger Eigentumsrechte im Ausland war eine der Hauptforderungen der befragten Unternehmen, den politischen Druck gegenüber Ländern
mit einem hohen Piraterieaufkommen beizubehalten und notfalls zu verstärken. Auf
operativer Ebene wären auch Programme wie das österreichische Innovationsschutzprogramm (IPP) denkbar, welches KMU bei der Anmeldung und Verfolgung von Patentrechten in Schwellenländern Unterstützung gewährt. Zur effektiven Durchsetzung
von Patenten auch im europäischen Raum würde darüber hinaus auch die Etablierung
eines echten europäischen Gemeinschaftspatentes sowie einer Europäischen Patentgerichtsbarkeit beitragen.
Abschließend soll hier auf die Notwendigkeit einer stärkeren Evaluationskultur bei allen
Programmen im Bereich Innovationsschutz hingewiesen werden. Nur durch eine regelmäßige Erfolgskontrolle der Programme kann die Effizienz der eingesetzten Mittel
gesteigert werden. Eine Evaluation kann dabei nicht eindimensional – etwa über die
Anzahl der erteilten Patente – erfolgen, sondern muss in vielfacher Hinsicht Aussagen
über Verbesserungen im gesamten Innovations- bzw. IP-Management der Teilnehmer
liefern können. Ein deutliches Signal im politischen agenda setting könnte darüber hinaus die Etablierung eines von der Bundesregierung eingesetzten „Beauftragen für
Geistiges Eigentum“ – ähnlich dem US-amerikanische „Coordinator of Intellectual Property Rights Enforcement“ – sein.
9
1. Einführung
Durch die Globalisierung, die dadurch weiter zunehmende internationale Arbeitsteilung
sowie die wachsenden Verflechtungen der Handelsströme zwischen Volkswirtschaften
kann ein Land wie Deutschland nicht mehr im Preis-, sondern nur im Qualitätswettbewerb bestehen. Folglich steigt die Bedeutung geistigen Eigentums als Basis für die
Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit absolut und im Vergleich zu den klassischen
Investitions- bzw. Kapitalgütern, wie z. B. Maschinen, kontinuierlich an. Dieser Trend
lässt sich durch den massiven Anstieg der Patent-, aber auch Markenanmeldungen bei
gleichzeitig eher moderatem Wachstum der FuE-Ausgaben nachvollziehen (Blind et
al., 2006). Obwohl schon seit vielen Jahren zahlreiche staatliche Unterstützungsmaßnahmen hinsichtlich der Anmeldung geistiger Eigentumsrechte eingeführt wurden, ist
dennoch immer noch festzustellen, dass innovative Großunternehmen gerade das
mächtige Schutzrecht der Patentes sehr viel intensiver nutzen als dies KMU tun. Als
Konsequenz ist eine Konzentration der Patentanmelder auf gerade die Unternehmen
mit den meisten Anmeldungen festzustellen: Um die Jahrtausendwende zeichneten
10% der Anmelder für 66,3% der Anmeldungen verantwortlich (Blind et al., 2003). Dies
gilt trotz eines in jüngster Vergangenheit zu verzeichnenden Aufholprozesses, der auf
einen stagnierenden Anteil der patentierenden Großunternehmen zurückzuführen ist
(Blind und Ebersberger, 2007). Diese weiterhin bestehende Diskrepanz lässt sich im
Fall der Patente dadurch erklären, dass Großunternehmen Patente in einem wesentlich stärkeren Ausmaß strategisch nutzen, indem diese zur Mitarbeitermotivation oder
zur Leistungsmessung, aber auch zur Verbesserung des technologischen Images genutzt werden (Blind et al., 2006). Es zeigt sich zudem – und hier ähneln sich KMU und
Großkonzerne –, dass in Branchen wie der Biotechnologie ein (wenn auch nur nachrangiger) Teil der Motivation für Patentanmeldungen auf eine erhoffte Verbesserung
des Zugangs zu Kapitalmärkten zurückzuführen ist. Da auf Seiten der Banken jedoch
eine gewisse Skepsis gegenüber dem Einsatz von Patenten als Kreditsicherungsinstrument festzustellen ist, kann man hier wohl nicht von einem effizienten Einsatz von
Patenten sprechen und muss in diesem Zusammenhang von einer Art von Marktversagen ausgehen. Diese neuen Motive zur Patentierung verbessern das KostenNutzen-Verhältnis für Großunternehmen. Demgegenüber erfahren KMU aufgrund der
durch strategisches Patentierungsverhalten zunehmenden Patentansprüche und die
damit entstehenden Patentdickichte (Shapiro, 2001) eher eine weitere Kostenerhöhung
für ihre Innovationsprozesse. Das Patentsystem schafft damit für KMU im Vergleich zu
den Großunternehmen Wettbewerbsnachteile, die bis hin zur Marktzutrittsbeschränkung führen können. Dies stellt die Wirtschafts- und speziell die Patentpolitik vor neue
Herausforderungen, die nicht einfach mit dem existierenden, auf KMU gerichteten patentpolitischen Instrumentarium zu lösen sind.
10
Trotz oder wegen der wachsenden Wichtigkeit geistigen Eigentums trat in den letzten
Jahren mit dem steigenden Ausmaß an Verletzungen geistiger Eigentumsrechte ein
weiteres Problem auf. Die zunehmende Bedeutung geistigen Eigentums und der entsprechenden Rechte erhöht die Attraktivität bei konkurrierenden Unternehmen, dieses
geistige Eigentum ohne die Beachtung der relevanten Schutzrechte zu nutzen. Durch
den schnellen Aufbau entsprechender technologischer Kapazitäten in den Aufholländern kann das von deutschen Unternehmen entwickelte technologische Know-how dort
nun schneller und effektiver in relevante Produkte und Prozesse umgesetzt werden.
Folglich werden laut OECD (OECD, 2007) gefälschte Produkte in Höhe von mindestens 5% des Welthandelsvolumens in den Umlauf gebracht. Es stellen sich nicht zuletzt hier neue Herausforderungen für die KMU-orientierte Politik, da gerade beim Mittelstand ein Auftreten von Produktpiraterie zu besonders gravierenden Auswirkungen
führen kann und KMU oftmals nicht die Mittel haben, um Produktpiraten nachhaltig zu
verfolgen.
Im Themenfeld „Geistiges Eigentum“ wurden in den letzten Jahren aufgrund der Benachteiligung von kleineren Unternehmen vor allem im Patentsystem zahlreiche KMUspezifische Unterstützungsmaßnahmen in verschiedenen Ländern innerhalb und außerhalb der EU implementiert, die die Nutzung des IPR-Systems durch den Mittelstand
erleichtern sollen – so auch in Deutschland. Bei der Konzeption dieser Programme
stellt sich zusätzlich die Frage, welche Implikationen die Thematik „Verletzung geistiger
Eigentumsrechte“ für die wirtschaftspolitische Agenda hat. Vor diesem Hintergrund
untersucht diese Studie die bestehenden öffentlich finanzierten Unterstützungsangebote im Bereich IPR für deutsche KMU bezüglich deren Zweckmäßigkeit und Effektivität
und identifiziert mögliche Förderlücken und Möglichkeiten einer Anpassung zur Optimierung der Zielerreichung.
Zusammengefasst untersucht die Studie folgende Fragestellungen:
•
Wie hat sich die Bedeutung von IPR für Unternehmen in den letzten Jahren
verändert bzw. um wie viel ist der Anteil geistiger Eigentumswerte an den Unternehmenswerten angestiegen?
•
Wie hoch ist der (geschätzte) individuelle und volkswirtschaftliche Schaden aus
Verletzungen geistiger Eigentumsrechte?
•
Welche wirtschafts- und innovationspolitischen Konsequenzen ergeben sich
aus der veränderten Bedeutung geistiger Eigentumswerte, insbesondere für die
KMU-orientierte Politik?
Das Untersuchungsdesign umfasst mehrere methodische Ansätze: Literaturstudien,
die Sekundäranalyse vorliegender Datenbestände, eine eigene schriftliche Unterneh-
11
mensbefragung, offene, leitfadengestützte Interviews sowie Ergebnisse und Sonderauswertungen der Studie „Benchmarking National and Regional Support Services
for SME in the Field of Intellectual and Industrial Property“ (Radauer et al., 2007).
Der Aufbau der folgenden Seiten orientiert sich sowohl an der gewählten Methodik als
auch an den zu behandelnden Themenblöcken. Kapitel 2 führt in die Thematik ein und
fasst Ergebnisse aus der Literaturanalyse zur Bedeutung geistigen Eigentums, Möglichkeiten der Messung von intangibles, Nutzung von Mechanismen zum Schutz von IP
und zur Problematik von Verletzungen geistiger Eigentumsrechte wie Patente und
Marken zusammen. Kapitel 3 schließt daran mit der Darstellung der Sekundärdatenanalyse an, über die eine Quantifizierung der Bedeutung des geistigen Eigentums und
eine Abschätzung des Ausmaßes von Produktpiraterie erzielt wurde. Der vierte Abschnitt stellt die Ergebnisse der Primärerhebung dar und zieht Parallelen zur bis dahin
durchgeführten Analyse. Dem Thema „Unterstützungsmaßnahmen für KMU im Bereich
IPR“ trägt Kapitel fünf Rechnung: es stellt die Nachfrage nach Förderaktivitäten sowie
die Effizienz der angebotenen Programme dar. Kapitel sechs zieht Schlussfolgerungen
aus den gewonnenen Erkenntnissen und lässt diese in wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen münden.
12
2. Geistiges Eigentum und die Verletzung geistiger Eigentumsrechte
2.1. Geistiges Eigentum, Intangibles und Intellectual Property –
Begriffsklärung und Definition
Auch wenn sich wohl alle Experten dahingehend einig sind, dass dem geistigen Eigentum eine zunehmende Bedeutung bei der Schaffung von ökonomischem Mehrwert
durch die Unternehmen einer Volkswirtschaft zukommt, hat sich eine einheitliche Definition des Begriffes „geistiges Eigentum“ bisher noch nicht durchgesetzt. Eine Reihe
von Bezeichnungen – geistiges Eigentum oder immaterielle Vermögensgüter, intangible assets oder intellectual property – werden in der wissenschaftlichen Diskussion
gebraucht. In der externen Rechnungslegung hat sich der Terminus „immaterielle Vermögensgegenstände“ eingebürgert. Smith und Parr (2000, S. 52) definieren die intangible assets als die Bestandteile eines Unternehmens, die zusätzlich zu monetären
oder physischen Vermögensgütern existieren. Dazu zählen z.B. vertraglich geregelte
Rechte gegenüber Dritten wie Verträge mit Zulieferern über besonders günstige Konditionen oder auch langfristige Arbeitsverträge mit kompetenten Mitarbeitern. Der Arbeitskreis Wissensbilanz (BMWA, 2005) – ein Projekt unter der Schirmherrschaft des
damaligen Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit – verwendet den Begriff „intellektuelles Kapital“ und versteht darunter das „Vermögen eines Unternehmens (…), das
nicht direkt greifbar, aber entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg in der Zukunft
ist.“ Das konstituierende Merkmal ist also die fehlende physische Substanz. Im deutschen Sprachgebrauch entspricht dem Begriff intangible assets wohl am ehesten die
Bezeichnung „immaterielle Vermögensgüter“, die im Folgenden als Oberbegriff synonym zum englischen Terminus benutzt wird.
Zur Definition oder Kategorisierung der Bestandteile immaterieller Vermögensgüter gibt
es eine Reihe von Ansätzen. In jedem spielt das Humankapital eine prominente Rolle.
Die Bedeutung einer qualifizierten und motivierten Belegschaft, der Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter oder der Führungsqualitäten leitender Angestellter kann gar nicht
hoch genug angesetzt werden und ist oftmals entscheidend für den wirtschaftlichen
Erfolg eines Unternehmens. Während also dem Humankapital in jedem Fall eine exponierte Rolle zugestanden wird, besteht bei der Kategorisierung anderer Bestandteile
der Intangibles weniger Übereinstimmung, wie die folgende Abbildung einiger Kategorisierungen von Intangibles zeigt.
13
Abbildung 2.1.
Ansätze zur Kategorisierung von Intangibles (Quelle: Haller und Dietrich, 2001, S. 1045)
Zur Definition, zur Messung und zum Management von Intangibles existiert eine Vielzahl von Ansätzen; unter diesen ist einer der bekanntesten der Intangible Assets Monitor von Sveiby (1997). Der Autor entwickelte Ansätze aus schwedischen Firmen in der
zweiten Hälfte der 1980er Jahre weiter und kategorisiert die Intangibles in Humankapital (also etwa die Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter), externe Struktur (das
Verhältnis zu Kunden, Lieferanten und sonstigen Partnern) und interne Struktur, also
die Organisationsstärke innerhalb eines Betriebes (Sveiby, 1997). Ein weiterer wichtiger Ansatz zur Beschreibung und Messung von Intangibles ist der von Edvinsson während seiner Tätigkeit als Director of Intellectual Capital im schwedischen Versicherungskonzern Skandia entwickelte Skandia Navigator (Edvinsson und Malone, 1997).
Der Ansatz zur Kategorisierung der Intangibles baut auf dem von Sveiby auf und nimmt
Ideen der Balanced Scorecard-Methode (Kaplan und Norton, 1996) auf. Skandia veröffentlicht neben den üblichen Bilanzdaten auch einen Bericht über die Intangibles und
benutzt den Skandia Navigator weiterhin als internes Managementwerkzeug.
In Deutschland wurde das Bewusstsein für das Thema Intangibles sowie dessen Messung und Bilanzierung in letzter Zeit von der auch international stark beachteten Initiative „Wissensbilanz – Made in Germany“ unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vorangetrieben. Die Kategorisierung der Intangibles erfolgt hier in die drei Bereiche Humankapital, Strukturkapital und Beziehungskapital und lehnt sich damit an die Unterteilung nach Sveiby an.
Einem Teil des immateriellen Eigentums von Unternehmen kommt eine besondere
Bedeutung zu, da es sich um Intangibles handelt, die mittels gesetzlicher Regelungen
geschützt sind. Hier wird der Begriff Intellectual Property Rights bzw. „geistige Eigen-
14
tumsrechte“ gebraucht. Dabei handelt es sich um Patente und Gebrauchsmuster sowie
Geschmacksmuster, Markenschutz, Urheberrechte und andere spezielle Schutzrechte
wie z.B. Sortenschutz oder Halbleiterschutz. Jedes dieser Schutzrechte kann in die
Strategie eines Unternehmens eingehen, um das im Unternehmen generierte Knowhow zu internalisieren und nicht an bestehende oder potenzielle neue Konkurrenten zu
verlieren. Die herausragende Bedeutung dieser Schutzrechte zeigt sich auch daran,
dass sie sich einer stark wachsenden Nutzung erfreuen und immer öfter Gegenstand
von Schutzrechtsprozessen werden, wie weiter unten ausführlich dokumentiert wird.
Die folgenden Ausführungen werden sich daher zunächst mit der Bedeutung der Intangibles im Allgemeinen befassen, anschließend – den Zielen der Studie entsprechend –
einen Fokus auf die existierenden gewerblichen Schutzrechte und ihre Bedeutung für
die deutsche Volkswirtschaft setzen. Dazu muss auch darauf eingegangen werden,
welche Methoden zu ihrer Messung zur Verfügung stehen. Neben Messmethoden aus
der betriebswirtschaftlichen Literatur gibt es dabei für die Abschätzung der Wirkungsmechanismen auch ökonometrische Modelle, mit denen der Einfluss der Existenz von
Intangibles auf Größen wie Produktivität, Umsatz oder Gewinn analysiert wird.
2.2. Die Bedeutung immaterieller Vermögensgüter
Ein erstes Indiz für die wachsende Bedeutung von Intangibles sind zunächst die zahlreichen Projekte, Initiativen und wissenschaftlichen Studien, die sich mit dem Thema
Intangibles und spezieller mit der Erfassung des geistigen Eigentums befassen. Beispielhaft genannt werden soll hier das von der Europäischen Union finanzierte
„RICARDIS“-Projekt, das sich umfassend mit verschiedenen Ansätzen zum Intellectual
Capital Reporting befasst und speziell auf kleinere und mittlere Unternehmen ausgerichtet ist (Europäische Kommission, 2006). Hier wird u. a. ein länderübergreifender
Vergleich angestellt, der zu dem Schluss kommt, dass in den nordischen Ländern eine
weitaus höhere Verbreitung der Wissensbilanzierung festzustellen ist. Die treibende
Kraft ist dort eher die Wirtschaft (z.B. mit dem bereits erwähnten Vorreiter Skandia) als
die Politik. Aber auch staatliche Initiativen können sich als wichtige Treiber erweisen,
wie das Beispiel Dänemark zeigt, wo die staatliche Unterstützung dazu geführt hat,
dass eine hohe Zahl an Unternehmen ihre Intangibles methodisch strukturiert erfasst.
Erwähnenswert ist zudem Österreich, das 2004 per Gesetz alle öffentlichen Universitäten zur Erstellung einer Wissensbilanz verpflichtet hat. Die schon oben erwähnte Initiative „Arbeitskreis Wissensbilanz“ zeigt auch in Deutschland im Rahmen der Pilotprojekte mit KMU erste Erfolge in der Bilanzierung von Intangibles (Europäische Kommission,
2006).
15
Über die genannten indirekten Indizien hinaus existiert eine Reihe von Unternehmensbefragungen, die auf direkte Weise die subjektiv empfundene Bedeutung der immateriellen Vermögensgüter ermitteln. Völckner und Pirchegger (2005) fragten Manager
nach dem Einfluss verschiedener immaterieller Werte auf den Unternehmenserfolg.
Über drei Viertel der Befragten schätzten ihr Kundenkapital, also die Beziehung zum
Konsumenten, auf einer 5er-Skala mit dem Höchstwert („eine der wichtigsten Einflussgrößen des Unternehmenserfolges“) ein, 42% gaben den höchsten Wert für das Humankapital an, gefolgt vom Markenkapital mit fast 30%. In der Einschätzung der relativen Wichtigkeit verschiedener Intangibles ergaben sich in der Studie weder Unterschiede nach Branchenzugehörigkeit noch zwischen den Größenklassen. Kleinere
Unternehmen schätzten die Wichtigkeit ähnlich ein wie größere Betriebe. Auch die zukünftige Bedeutung von Intangibles wird nach Ansicht der Befragten noch weiter ansteigen. Besonders in den Branchengruppen „kurzlebige Konsumgüter und Dienstleistungen“ wird der Bedeutungszuwachs als besonders hoch eingeschätzt. In einer Befragung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG (KPMG, 2008) gaben ca. 85% der
befragten Unternehmen an, dass in ihrem Betrieb immaterielle Vermögenswerte in
Form von Marken vorliegen, ca. 82% meinten, die Intangibles in ihrem Unternehmen
liegen in Form von Computersoftware bzw. -lizenzen vor. Kundenlisten wurden zu 75%
genannt und stellen damit – wie auch schon oben erwähnt – einen großen Anteil der
nicht-physischen Vermögenswerte dar. Auch die Unternehmensberatung Capgemini
(2005) analysierte ca. 100 Unternehmen im Hinblick auf ihre Wertschätzung von immateriellen Vermögensgütern. Als ein Ergebnis zeigt sich, dass 60% der befragten Unternehmen immateriellen Vermögensgütern eine stärkere Bedeutung beimessen als materiellem Vermögen und dass vor allem Betriebe in turbulenten oder dynamischen Unternehmensumfeldern diese Einschätzung teilen.
2.2.1. Qualitative Bewertung
Über die direkte Befragung von Unternehmen hinaus soll im Folgenden ein Überblick
über Studien zu den Effekten von Patenten und Markenrechten auf Marktwert und Produktivität gegeben werden, also auf die Art und Weise, wie sich die Bedeutung der
geistigen Eigentumsrechte manifestieren kann.
Zunächst kann auf eine Reihe von Studien zum positiven Zusammenhang von Forschungs- und Entwicklungsausgaben (F&E-Ausgaben) und Marktwert verwiesen werden. Ebenso wie diese basieren auch die meisten Studien zum Effekt von Patenten –
als Maß des Outputs von F&E – auf den Wert eines Unternehmens auf der Annahme,
dass sich dieser aus den tangible assets, also dem Betriebsvermögen wie Maschinen,
Gebäude, Grundstücke etc, sowie den intangibles (Patente, Marken, Know-how etc.)
zusammensetzt (Griliches, 1981); der Wert eines Unternehmens wird dabei über den
16
Börsenwert ermittelt. Dies impliziert die Annahme, dass die beste Schätzung der zukünftigen Ertragschancen eines Unternehmens über den Marktmechanismus der Börse
erfolgen kann. Ein aktueller Beitrag ist die Studie von Hall et al. (2005). Sie weisen
nach, dass Patente einen starken Effekt auf den Marktwert des Unternehmens haben
und dass Unternehmen mit Patenten, auf die in anderen Patentschriften überdurchschnittlich häufig verwiesen wird, einen ca. 50% höheren Marktwert aufweisen als Unternehmen mit einer nur durchschnittlich ausgeprägten Anzahl von Verweisen. McGahan und Silverman (2006) zeigen, dass der Marktwert von Unternehmen unter gewissen Umständen sogar positiv auf Intellectual Property Rights (IPR) von Konkurrenten
innerhalb ihrer Branche reagiert. Dies hängt mit der Ausgestaltung des gesetzlichen
Rahmens von IPR sowie von möglichen Spill-Over-Effekten zwischen Unternehmen
einer Branche zusammen.
Neben dem Einfluss auf den Marktwert ist auch der Effekt von Patenten auf die Produktivität von Unternehmen Untersuchungsgegenstand ökonomischer Studien. Zu den
neueren zählt z.B. die von Greenhalgh und Rogers (2007): Die Autoren weisen mit
Daten der Jahre 1986 bis 1994 nach, dass Firmen mit einer größeren Patentierungsaktivität auch eine höhere Produktivität aufweisen. Allerdings sind die Produktivitätsvorteile nicht sehr langlebig, so dass die Wichtigkeit von kontinuierlich betriebener F&E von
den Autoren als nachhaltiger produktivitätstreibender Faktor hervorgehoben wird.
In letzter Zeit hat sich das Forschungsinteresse neben den weiterhin dominierenden
Patentstatistiken auch auf Eintragungen von Marken erweitert. Diese haben den Vorteil, auch auf Dienstleistungen anwendbar zu sein, während Patenten eine technische
Neuerung zu Grunde liegen muss. In der schon erwähnten Studie von Greenhalgh und
Rogers (2007) wird ein positiver Effekt einer Markenaktivität sowohl auf den Marktwert
als auch auf die Produktivität und das Produktivitätswachstum herausgestellt, andere
Studien weisen einen Einfluss auf Gewinne und Umsätze nach.
Studien zu den ökonomischen Effekten des Copyrights sind deswegen relativ selten,
da (zumindest derzeit) keine Registrierungspflicht für diese Rechte existiert. Für die
Jahre 1910 bis 1991 gab es jedoch eine derartige Regelung in den USA. Anhand dieser Daten zeigen Landes und Posner (2003), dass ein großer Teil, ca. 80%, einen eher
geringen wirtschaftlichen Nutzen aufwies. Andererseits weist die stark wachsende Anzahl von Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen auf einen signifikanten privaten
ökonomischen Wert für die Unternehmen hin.
Geistige Eigentumsrechte können für Unternehmen aus einer Reihe von anderen, strategischen Gründen eine Rolle spielen (Blind et al., 2006). Dies ist vor allem in Großunternehmen der Fall. Dazu zählt die Motivation, durch ein großes Patentportfolio die
17
Reputation des Unternehmens zu erhöhen, die Verhandlungsposition innerhalb von
Unternehmenskooperationen zu stärken sowie Patentanmeldungen in Rahmen unternehmensinterner Anreizsysteme zu verwenden. Ein wichtiger Aspekt ist zudem das
Blockieren von Konkurrenten, das entweder defensiv zur Erhaltung des eigenen technologischen Spielraums als auch offensiv, um Konkurrenten von der Anwendung selbst
nicht weiter verfolgter technologischer Entwicklungen fernzuhalten, betrieben werden
kann.
Auch der Zugang zum Kapitalmarkt als Patentierungsmotiv ist hier zu nennen. Für Patente ermittelten Blind et al. (2006), dass dies als Beweggrund für die Patentierung
zwar von anderen Motivationen – allen voran der traditionellen Schutzfunktion – dominiert wird. Immerhin ein Viertel der mehr als 500 befragten Unternehmen wies diesem
Motiv jedoch eine hohe oder sehr hohe Wichtigkeit zu. Ähnlich wie die erhoffte Verbesserung des technologischen Images eines Unternehmens durch ein umfangreiches
Patentportfolio versuchen Unternehmen, immaterielle Vermögensgüter als Sicherungsinstrumente bei Verhandlungen mit Fremdkapitalgebern zu benutzen. Insbesondere
junge Unternehmen und Start-ups der High-Tech- oder Softwarebranche, die über wenig klassisches Anlagevermögen verfügen, setzen dies vergleichsweise häufig ein.
Eine Untersuchung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (Zimmermann, 2007) ermittelte
eine mit der Unternehmensgröße steigende Wahrscheinlichkeit für den Einsatz von
Intangibles als Kreditsicherungsinstrument. Unternehmen, die Markenrechte neu erstellt oder selbst geschaffen haben, weisen dabei nach den Berechnungen eine um
den Faktor 5,5 höhere Wahrscheinlichkeit auf, immaterielle Sicherheiten zu stellen. Für
Patente kommt die Untersuchung zu keinen signifikanten Ergebnissen, bei Urheberrechten, Gebrauchs- und Geschmacksmustern sinkt diese sogar. Zimmermann (2007)
erklärt diesen Befund mit der Tatsache, dass diese Schutzrechte teilweise ungeprüft
eingetragen werden und damit einen weniger objektivierbaren Wert für den Fremdkapitalgeber aufweisen. Die Akzeptanz unter Banken und Finanzaufsichtsbehörden ist in
den letzten Jahren jedoch gestiegen: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFIN) lässt Patente als Kreditsicherheit zu und auch die Landesbank BadenWürttemberg akzeptiert technische Dokumentationen unter bestimmten Vorraussetzungen als zusätzliches Sicherungsinstrument (OECD, 2006b). Insgesamt zeigt sich
jedoch noch sehr klar eine starke Zurückhaltung bei der Akzeptanz von Intangibles als
Kreditsicherheit, bei lediglich 2,2% aller von der KfW (Zimmermann, 2007) befragten
Unternehmen, die Sicherheiten bei der Kreditvergabe stellten, waren diese immaterieller Art. Falls dies tatsächlich der Fall ist, steht meist nicht die Kreditvergabe an sich zur
Diskussion, sondern lediglich Verhandlungen über die Konditionen. Ein wichtiger
Grund liegt darin, dass oft allgemein anerkannte Bewertungsmethoden fehlen und sich
das Intangible Capital Reporting noch keiner großen Verbreitung erfreut.
18
2.2.2. Quantitativ-monetäre Bewertung
Bei einer auf den monetären Nutzen abzielenden Analyse kann bei der Bewertung von
Intangibles zunächst nach unterschiedlichen Messansätzen unterschieden werden:
1. durch die bei der Generierung der immateriellen Vermögensgüter entstandenen
Ausgaben (kostenorientierter Ansatz),
2. durch die über Marktmechanismen ermittelten Preise wie Lizenzausgaben für
Technologien (marktorientierter Ansatz) oder
3. durch den Umsatz bzw. Gewinn eines Unternehmens, der sich auf die immateriellen Vermögensgüter (z.B. Marken oder Produkte mit patentierter Technologie) zurückführen lässt (ertragsorientierter Ansatz).
Betriebswirtschaftliche Methoden des Managements und des Controllings unterscheiden sich weiterhin danach, ob sie einen qualitativen oder quantitativen Ansatz verfolgen; entsprechend generieren die verschiedenen Methoden monetäre oder nichtmonetäre Maßzahlen.
Um die wachsende Bedeutung immaterieller Vermögensgüter zu bewerten, können
nach dem kostenorientierten Ansatz die Ausgaben analysiert werden, die zu deren
Aufbau nötig sind. Eine der wichtigsten Größen in diesem Zusammenhang sind die
Ausgaben, die innerhalb einer Volkswirtschaft für Forschung und Entwicklung aufgewendet werden. Dies ist der Input, der zu neuen Technologien, Verfahrensweisen, allgemein zu neuem Wissen und Know-how führt. Der oben genannten Kategorisierung
folgend, ist eine Analyse der F&E-Ausgaben ein Element der kostenorientierten Beurteilung von geistigen Vermögenswerten. Daten über den Verlauf der Innovationsaufwendungen in Deutschland liefert z.B. das Mannheimer Innovationspanel, das den
deutschen Beitrag zum Community Innovation Survey (CIS) der Europäischen Union
darstellt. Der Community Innovation Survey wird inzwischen alle 2 Jahre in den Mitgliedsländern der Europäischen Union sowie den Beitrittskandidaten und einigen NichtMitgliedsländern, wie Island und Norwegen, durchgeführt. Dadurch können Entwicklungen im Zeitablauf sowie im Ländervergleich valide dargestellt werden, da die Befragung sowohl zwischen den einzelnen Wellen als auch in den verschiedenen Teilnehmerländern harmonisiert ist. In den für Innovationstätigkeit besonders relevanten Bereichen „verarbeitendes Gewerbe“ und „wissensintensive Dienstleistungen“ ergab der
deutsche Community Innovation Survey im Jahr 2006 Innovationsaufwendungen von
ca. 113,5 Mrd. Euro. Dies umfasst unter anderem Ausgaben für interne und externe
F&E (mit ca. 50% der größte Anteil), den Einkauf von Know-how über Patente oder
Lizenzierungen und Weiterbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Innovationen.
19
68% der Ausgaben fielen in den Bereich der Hochtechnologie, also z.B. die Branchen
Maschinenbau und Elektrotechnik oder die Chemiebranche (Rammer und Weißenfeld,
2008, S. 52). Für diese Sparten wird auch bis zum Jahr 2008 ein Anstieg auf ca. 74
Mrd. Euro erwartet. Der starke Bedeutungszuwachs von Innovationen spiegelt sich in
der Entwicklung der nominellen Aufwendungen in diesem Bereich. Seit 1995 steigerten
sich die realen Innovationsaufwendungen in der Hochtechnologie um 90%, in den wissensintensiven Dienstleistungen sogar um 100%. Allerdings relativiert sich der Anstieg
bei einem Bezug der Innovationsaufwendungen auf den Umsatz der Unternehmen, da
die so ermittelte Innovationsintensität nur in den wissensintensiven Dienstleistungen
anstieg, nämlich von 3,2% im Jahr 1995 auf 5,6% im Jahr 2006 (Rammer und Weißenfeld, 2008, S.55). Ein Vergleich zwischen der dritten und vierten Erhebungswelle aus
dem Jahr 2001 bzw. 2005 zeigt außerdem ein leicht höheres Wachstum bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) als bei den Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern. Dies ist auf die größere Flexibilität von KMU zurückzuführen, die auf die sich
bessernden wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ab dem Jahr 2004 mit einer etwas
stärkeren Erhöhung der Innovationsausgaben reagieren konnten.
Innovationsintensität in der verarbeitenden Industrie und in den wissensintensiven Dienstleistungen Deutschlands 1992-2006 (in %)
(Quelle: Rammer und Weißenfeld (2008, S.55))
7%
6%
Innovationsintensität
Abbildung 2.2.
5%
4%
3%
2%
1%
0%
92
93
94
95
96
97
Hochtechnologie
sonstige verarbeitende Industrie
98
99
00
01
02
03
04
05
wissensintensive Dienstleistungen
06
20
Abbildung 2.3. Innovationsintensität (Innovationsausgaben in Prozent des Umsatzes)
deutscher Unternehmen in den Jahren 2000 und 2004 nach Größenklasse (Quelle:
Eurostat; eigene Darstellung)
4,0%
Innovationsintensität
3,5%
3,0%
2,5%
2,0%
1,5%
1,0%
0,5%
0,0%
Unternehmen mit 10 bis 49
Mitarbeitern
Unternehmen mit 50 bis 249
Mitarbeitern
2000
Unternehmen mit mehr als
250 Mitarbeitern
2004
Um eine weitere quantitative Aussage über den Wert der Intangibles zu treffen, kann
man zunächst auch die immateriellen Vermögensgüter in Betracht ziehen, die in den
Bilanzen der Unternehmen erscheinen. Dies folgt systematisch dem Marktansatz, weil
der Wert der Intangibles über Markttransaktionen, wie z.B. eine Unternehmensübernahme, gemessen wird. Allerdings wird damit ihre Bedeutung stark unterschätzt, da
nach den deutschen Rechnungslegungsvorschriften nur ein sehr geringer Anteil tatsächlich angesetzt werden darf. § 248 II HGB legt ein Bilanzierungsverbot für diejenigen Intangibles vor, die nicht entgeltlich erworben wurden. Immaterielle Werte, die
selbst erstellt wurden, z.B. eine Marke, die selbst auf dem Markt etabliert wurde, oder
ein Patent, das auf eigener Forschungsarbeit basiert, dürfen nicht berücksichtigt wer1
den. Dennoch zeigen sich allein bei Betrachtung der bilanzierten Intangibles, wie z.B.
des Goodwills – der Betrag, der bei Unternehmensübernahmen über den eigentlichen
Wert der materiellen Vermögenswerte hinaus gezahlt wird – sehr hohe Beträge. Nach
einer Analyse von 124 Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen aus den
wichtigsten deutschen Börsensegmenten durch das Institut für Wirtschaftsprüfung an
der Universität Saarbrücken im Auftrag des Handelsblatts hatten die deutschen Unternehmen Ende 2007 durch Firmenübernahmen einen Geschäfts- oder Firmenwert von
durchschnittlich 1,24 Milliarden Euro in den Büchern stehen (Fockenbrock, 2008). Die
1 Hier ist im Rahmen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes eine Änderung der gesetzlichen Regelungen zu erwarten. Zwar ist das Gesetzgebungsverfahren zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Studie noch nicht abgeschlossen,
jedoch ist abzusehen, dass das bisherige Aktivierungsverbot von einer Aktivierungspflicht selbstgeschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (wie z.B. Patente, Gebrauchsmuster und Markenrechte) abgelöst werden soll.
21
Spanne erstreckt sich bei Unternehmen des deutschen Aktienindex von 20 Milliarden
Euro bei der Deutschen Telekom AG bis hin zu 66 Millionen bei BMW. Die hohen Werte hängen zusammen mit einer erhöhten Anzahl an Übernahmen in den letzten Jahren
sowie mit der positiven Börsenentwicklung vor der Finanzkrise des Jahres 2008, die
die Marktkapitalisierung börsennotierter Unternehmen und damit auch die Übernahmepreise in die Höhe schnellen ließ. Auch bei der Entwicklung des Verhältnisses von
Goodwill zu bilanziertem Eigenkapital ist im Vergleich zur Situation von vor zwei Jahren
eine deutliche Bedeutungsverschiebung hin zu immateriellen Werten ablesbar.
Eine weitere marktorientierte Messmethode zur Abschätzung des Wertes von immateriellen Vermögensgütern ist der Vergleich des Marktwertes eines ganzen Unternehmens mit der Summe aller Vermögensgegenstände aus der Bilanz des Unternehmens.
Eine Betrachtung des Gesamtunternehmenswertes kann dabei hilfreich sein, da einzelne Intangibles selten am Markt gehandelt werden. Falls dies doch einmal der Fall
sein sollte, wird über den Preis meist Stillschweigen vereinbart. Der Wert eines Unternehmens kann jedoch bei Vorliegen einer Börsennotierung über die Marktkapitalisierung angenähert werden. Diese spiegelt die Erwartungen des Marktes an die Ertragskraft und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens wider. Verzerrend kann bei dieser Methode jedoch die Existenz von Spekulationsblasen an den Börsenmärkten wirken, die
sich in überhöhten Börsenwerten der Unternehmen äußern kann. Mit der wachsenden
Wichtigkeit von immateriellen Vermögensgütern haben sich dabei Marktwert und
Buchwert der Unternehmen auseinander bewegt. Für die 500 größten börsennotierten
Unternehmen der USA, also die im Index S&P 500 gelisteten Unternehmen, haben
Cradoza et al. (2006) für die letzten Jahrzehnte einen Anstieg des Anteils immaterieller
Werte an der Marktkapitalisierung von ca. 17% auf knapp 80% ermittelt.
Abbildung 2.4.
Anteil immaterieller Werte an der Marktkapitalisierung (Quelle: Cradoza et al. (2008))
100%
80%
60%
40%
20%
0%
1975
1985
1995
2005
22
Auf volkswirtschaftlicher Ebene gibt die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR)
Aufschluss über die Wertentwicklung der Intangibles. In diesem Kontensystem existiert
ein Unterkonto der Bruttoanlageinvestitionen, welches mit „Immaterielle Anlagen“ bezeichnet wird. Allerdings entspricht die Erfassung immaterieller Vermögensgüter nach
dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) in keiner
Weise dem betriebswirtschaftlichen oder gar bilanzierungstechnischen Terminus der
Intangibles. Vielmehr umfasst dieses Konto nur produzierte immaterielle Anlagegüter;
diese setzen sich zu ca. drei Vierteln aus Investitionen in Computerprogramme (und
Datenbanken), ca. einem Sechstel aus Investitionen in Urheberrechte (Originale von
Büchern, Modellen, etc) sowie zu sehr geringen Anteilen aus Suchbohrungen und
Grundstücksübertragungskosten zusammen. Nicht erfasst sind dagegen z.B. Patente,
Lizenzrechte oder ein aktivierter Firmenwert. Doch auch nach der Definition der VGR
zeigt sich in den 1990er Jahren eine Verdopplung der Höhe der (preisbereinigten) immateriellen Bruttoanlageinvestitionen und auch ab 2000 wachsen die Ausgaben real
nochmals um ein Viertel auf 26,35 Mrd. Euro im Jahr 2006 (Statistisches Bundesamt,
2007b).
Für die einkommensbasierte Berechnung des Wertes von Intangibles nennen Smith
und Parr (2000) direkte sowie indirekte Ansätze. Direkte Vorteile aus der Existenz immaterieller Vermögensgüter können ein Preispremium von Markenartikeln gegenüber
No-Name-Gütern sein oder ein Kostenvorteil, der sich aus der Verwendung einer effizienten patentierten Technologie ergibt. Indirekte Ansätze wären der so genannte „Relief from Royalty-Ansatz“, der auf den hypothetischen Kosten basiert, die bei einer Lizenzierung der Technologie entstehen würden. Den Ansatz der geleisteten Lizenzzahlungen aufgreifend, können aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Anhaltspunkte gewonnen werden. Die Zahlungsbilanz der deutschen Volkswirtschaft weist für
das Jahr 2005 ca. 5,4 Mrd. Euro an Einnahmen aus Patenten und anderen Lizenzen
auf. Zur gleichen Zeit haben deutsche Unternehmen Wissen und Technologie für 5,3
Mrd. Euro aus dem Ausland importiert (Bundesbank, 2006). Da nur ein geringer Teil
der deutschen Patente oder Technologien überhaupt über Lizenzen nach außen weitergegeben wird (siehe z.B. Giuri et al., 2007) und die Zahlungsbilanz lediglich Ströme
zwischen Deutschland und dem Ausland, also keine Vorgänge innerhalb Deutschlands
erfasst, ist die Zahl von 5,4 Mrd. Euro zur Annäherung des „wahren“ Wertes des geistigen Eigentums nur sehr eingeschränkt geeignet. Der wahre Wert ist aus mehreren
Gründen um ein Vielfaches höher einzuschätzen: Studien belegen, dass die Generierung von Lizenzerträgen durch Patente ein eher untergeordnetes Element im Patentierungskalkül der Unternehmen ist. So zeigt sich in der Befragung von Blind et al. (2006),
dass nur 21% der befragten Unternehmen die Generierung von Lizenzeinnahmen als
ein wichtiges oder sehr wichtiges Element in ihrer Patentierungsstrategie ansehen.
23
Giuri et al. (2007) kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Sie weisen nach, dass über
alle Größenklassen hinweg insgesamt 13,2% der Patente zur Lizenzierung kommen.
Sie finden darüber hinaus einen starken Größeneffekt, da kleinere und mittlere Unternehmen eine weit größere Neigung zur Vergabe von Lizenzen haben als Großunternehmen. Ein weiterer Grund, die genannte Ziffer lediglich als grobe Orientierungsgröße
zu verwenden, liegt in der Tatsache, dass die Höhe der Ausgaben nicht unbedingt dem
Marktwert der Technologie entsprechen muss. Vielmehr spielen Effekte des Rechnungswesens, steuerliche Gründe sowie konzerninterne Verrechnungspreise eine große Rolle (Bundesbank, 2006;Gehrke und Legler, 2004). Trotz dieser Vorbehalte zeigt
sich bei einer Betrachtung der Zahlungsströme in der Kategorie „Patente, Erfindungen
und Verfahren“ sowohl bei den Einnahmen als auch bei den Ausgaben in der letzten
Dekade ein starker Anstieg, wobei erstere stärker zulegten als letztere. Die Daten belegen daher den in letzter Zeit immer wichtiger werdenden Trend der Open Innovation,
dem zufolge sich Innovationsprozesse stärker nach außen öffnen bzw. sich miteinander verweben und der Strom des technologischen Know-hows zwischen den Unternehmen unter anderem in Form von Lizenzvereinbarungen anwächst (Chesbrough,
2006). Auf der anderen Seite ist diese Entwicklung ein weiteres Signal für die wachsende Bedeutung immaterieller Vermögensgüter im Allgemeinen und formeller geistiger Eigentumsrechte im Speziellen.
Abbildung 2.5.
Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben für die internationale Lizenzierung von Patenten und anderen Schutzrechten in den Jahren
1994 – 2005 (Quelle: Bundesbank, 2006; eigene Darstellung)
8,0
7,0
Milliarden Euro
6,0
5,0
4,0
3,0
2,0
1,0
0,0
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
Einnahmen Patente, techn. Verfahren
Einnahmen übrige Schutzrechte
Ausgaben Patente, techn. Verfahren
Ausgaben übrige Schutzrechte
2004
2005
24
Ein weiterer indirekter Ansatz zur Berechnung des Wertes von Intangibles sind analytische Methoden, die über die monetären Zuflüsse oder die Rendite des Gesamtunternehmens Rückschlüsse auf den Wert des immateriellen Vermögens ziehen. Zwar gehen Studien davon aus, dass die Rendite verschiedener immaterieller Vermögenswerte
als sehr hoch einzuschätzen ist, jedoch geht die Höhe der Schätzung stark auseinander – von ca. 13% (Smith und Parr, 2000) bis 72% für durch mit IT verbundene Intangibles (Cummins, 2004). Dies zeigt wiederum die Schwierigkeit der Messung der Bedeutung von Intangibles und die große Abhängigkeit von den getroffenen Annahmen.
Zur Messung des Wertes von Patenten und zur Güte dieses Indikators für den Output
von F&E-Aktivitäten existiert eine Vielzahl von Studien. Über die reine Anzahl von Patenten hinaus wird der Wert z.B. über die Anzahl der zitierten Patente bzw. über die
Anzahl der Verweise in anderen Patentschriften auf das jeweilige Patent geschätzt,
weil man davon ausgeht, dass eine hohe Anzahl von Verweisen auf eine besonders
grundlegende und wertvolle Technologie hinweist (z.B. Hall et al., 2005). Ein anderer
Ansatz basiert auf der Tatsache, dass Patente in regelmäßigen Abständen erneuert
werden müssen und kalkuliert, dass Patente, die mehrere Male verlängert wurden, für
den Patentinhaber auch einen besonders hohen Wert darstellen (z.B. Lanjouw et al.,
1998). Ein weiterer Aspekt analysiert die Einsprüche, die gegen einen Patentantrag
gestellt werden, wiederum in der Annahme, dass wertvollere Patente auch öfter mit
juristischen Mitteln verhindert werden sollen (Sherry und Teece, 2004). Weiterhin geht
man davon aus, dass der Wert eines Patentes steigt, wenn es in mehreren Ländern
angemeldet ist oder durch weitere Patente ein umfangreiches Patentportfolio mit entsprechenden Synergiepotenzialen zusammengestellt wird (z.B. Parchomovsky und
Wagner, 2005).
Eine Möglichkeit zur Ermittlung des Patentwertes stellt die Befragung von Patentinhabern oder Erfindern nach dem geschätzten Wert ihres gewerblichen Schutzrechtes dar.
Diesen Ansatz wählt die so genannte PatVal-Befragung (Giuri et al., 2007), die die
Antworten von über 9000 Erfindern von beim Europäischen Patentamt registrierten
Patenten zu ihrer Motivation, ihren Informationsquellen und dem Gebrauch bzw. dem
eigentlichen Wert ihres Patentes analysiert. Speziell zu letzterem Aspekt wurden die
Erfinder gefragt, zu welchem Mindestpreis sie ihr Patentrecht am Tag der Patenterteilung verkauft hätten – die Erfinder sollten dabei annehmen, dass sie zum Zeitpunkt des
hypothetischen Verkaufs ihres Patents dieselben Informationen wie am Tag der Beantwortung des Fragebogens gehabt hätten. Das Ergebnis bestätigt die schon in anderen Studien festgestellte Schiefe der Verteilung: Eine kleine Zahl von Patenten hat einen sehr hohen Wert, ca. 7,2% der Patente sind mehr als 10 Millionen Euro wert. Für
68% der Patente jedoch wird ein Wert von weniger als 1 Million Euro geschätzt. Bei der
Unterscheidung nach Branchen zeigt sich, wie in anderen Studien auch, ein im Ver-
25
gleich zu anderen Branchen höherer Wert für Patente in der Chemie- und Pharmabranche.
Nachdem nun die Bewertung von Patenten behandelt wurde, soll im Folgenden kurz
auf den Wert von Marken eingegangen werden. Für die konkrete Ermittlung eines monetären Markenwertes existiert eine ebenso große Anzahl an Methoden wie für die
Patentbewertung. Einen Überblick geben Völckner und Pirchegger (2005). Es sind
qualitative Bewertungen (Markenbekanntheit, Markenimage) und quantitative Bewertungen (Ermittlung des für die Marke erzielbaren Preispremiums, Lizenzpreisanalogie)
üblich. Über eine Kombination mehrerer Ansätze schätzt beispielsweise die Unternehmensberatung BBDO in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Informations- und
Kommunikationsmanagement der Universität Speyer die Markenwerte der deutschen
DAX-Unternehmen Allianz, Deutsche Telekom und Daimler auf je ca. 20 Mrd. Euro.
Am unteren Ende der Skala finden sich Altana (bis Mitte 2007 im DAX), Hypo-RealEstate und Infineon mit 1,7 Mrd. Euro bzw. 1,2 und 0,8 Mrd. Euro.
2.3. Instrumente zum Schutz immaterieller Vermögensgüter
Bei den bisherigen Ausführungen stand die Bedeutung der Intangibles für die Unternehmen und die Volkswirtschaft im Vordergrund. Damit einhergehend wurden bereits
verschiedene Instrumente zum Schutz des geistigen Eigentums genannt, da die Wichtigkeit des geistigen Eigentums sich auch in den Bestrebungen zeigt, dieses vor dem
Zugriff anderer Wirtschaftssubjekte zu schützen. Im folgenden Abschnitt soll noch einmal ausführlicher auf verschiedene Methoden eingegangen werden, welche den Unternehmen zum Schutz ihres geistigen Eigentums zur Verfügung stehen. Die stark
wachsende Nutzung dieser Instrumente spiegelt dabei die wachsende Bedeutung immateriellen Vermögens wider.
2.3.1. Formelle Instrumente
Es existieren diverse gewerbliche Schutzrechte, mit denen Unternehmen oder Einzelerfinder ihre Forschungsleistungen schützen können. Dabei folgen formelle Institutionen zum Schutz des geistigen Eigentums, wie Patente, Gebrauchsmuster, Copyright
und Marken, immer dem Grundgedanken, dass eine höhere Innovationstätigkeit erwartet wird, wenn sich Unternehmen oder Einzelerfinder eines angemessenen wirtschaftlichen Ertrags aus ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit sicher sein können. Es soll
also durch Patente und andere Schutzrechte ein zusätzlicher ökonomischer Innovationsanreiz gesetzt werden, der vor allem dann wichtig ist, wenn die Forschungsaufwendungen sehr hoch sind. Dies ist u.a. in den Branchen Biotechnologie, Medizintechnik oder Fahrzeugbau der Fall, in denen folglich ein hoher Prozentsatz der Unterneh-
26
men von Schutzinstrumenten Gebrauch macht. Auch durch ein staatliches Eingreifen
können die Forschungskosten noch erhöht werden. Dies kann z.B. in der Pharmabranche der Fall sein, wenn durch staatliche Mindestanforderungen an Medikamente, z.B.
zur Arzneimittelsicherheit die ohnehin schon hohen Forschungskosten, aber auch die
time-to-market weiter nach oben geschraubt werden. Auf der anderen Seite ist es aus
ökonomischer Sicht ineffizient, wenn Erfindungen oder Ideen ausschließlich einem
Unternehmen zur Verfügung stehen und das Wissen und Know-how anderen Unternehmen vorenthalten werden. Aus diesem Grund erfüllt vor allem das Patentsystem
auch den Zweck, die Diffusion von Wissen in einer Volkswirtschaft zu beschleunigen.
Die Offenlegung von relevanten Informationen in der Patentschrift ist die Gegenleistung, die ein Anmelder für seine durch das Patent verliehene temporäre Monopolstellung erbringen muss.
Nachdem das allgemeine betriebs- bzw. volkswirtschaftliche Kalkül hinter den gewerblichen Schutzrechten des geistigen Eigentums kurz dargelegt wurde, soll nun auf die
wichtigsten geistigen Eigentumsrechte eingegangen werden.
Patente
Patente werden nach §1 Abs. 1 Patentgesetz „für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf
einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind“ und darüber
hinaus technischer Natur sind. Nach Eingang der Patentunterlagen und Zahlung der
Anmelde- und Prüfungsgebühr recherchiert das Patentamt den Stand der Technik und
prüft, ob dem Antrag nach den Patentierbarkeitskriterien stattgegeben werden kann.
Bei einem positiven Befund wird das Patent auf maximal 20 Jahre erteilt. Um den Patentschutz aufrecht zu erhalten, sind ab dem dritten Jahr Gebühren zu entrichten, die
mit der Dauer des Patentschutzes von 70 Euro für das dritte Patentjahr bis ca. 2000
Euro für das 20. Patentjahr anwachsen. Die Unterlagen des Patentanmelders bleiben
noch 18 Monate geheim, im Anschluss daran werden die Unterlagen der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht, um der oben erwähnten Informationsfunktion Rechnung zu tragen
und die Diffusion von Wissen in der Volkswirtschaft zu beschleunigen. Ein deutsches
Patent gewährt Schutz für den deutschen Rechtsraum. Wenn ein Unternehmen auf
ausländischen Märkten aktiv ist, sollte es auch auf diesen Märkten Patentschutz beantragen. Eine Möglichkeit stellt ein Antrag beim Europäischen Patentamt in München
dar, wo mit einem einzelnen Antrag Patentschutz für einige oder alle der derzeit 28
Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens erreicht werden kann. Das
Patent Cooperation Treaty gibt dem Erfinder darüber hinaus die Möglichkeit, mittels
eines Antrags bei der World Intellectual Property Organization Schutz auch in außereuropäischen Ländern zu erlangen.
27
Das Ausmaß der Nutzung von Patenten spricht eine deutliche Sprache bzgl. der Wichtigkeit dieses Schutzrechtes. Nach den aktuellsten Daten aus dem Jahresbericht des
Deutschen Patent- und Markenamtes (Deutsches Patent- und Markenamt, 2008) gingen dort im Jahr 2007 60.992 Patentanmeldungen zur Prüfung ein, davon stammten
ca. 48.000 Anträge aus Deutschland. Insgesamt wurden 17.884 neue Patente erteilt.
Einschließlich der vom Europäischen Patentamt erteilten Patente ergibt sich damit ein
Bestand von 501.199 Patenten aus dem In- und Ausland beim DPMA.
Um die in den letzten Jahren gewachsene Bedeutung zu dokumentieren, ist der Anstieg in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu analysieren. Dabei zeigt der Jahresbericht 2006 für die Entwicklung der letzten Jahre (2000 bis 2006) einen leichten Rückgang der nationalen Anmeldungen. Zur gleichen Zeit stiegen die deutschen Anmeldungen beim Europäischen Patentamt an, so dass sich das Niveau auf einem hohen Level
stabilisiert. Mit einer zunehmenden Internationalisierung der Märkte steigt auch die
Bedeutung des international gültigen Schutzes von Patenten. Bei der Anzahl der so
genannten Triade-Patente (also Patente, die gleichzeitig beim US-amerikanischen,
europäischen und japanischen Patentamt angemeldet wurden) bzw. der „Transnationalen Patente“ (mit Anmeldung sowohl beim Europäischen Patentamt als auch über das
internationale Anmeldeverfahren im Rahmen des Patent Cooperation Treaty) war in
den 1990er Jahren ein starker Anstieg zu beobachten, der erst Anfang des 21. Jahrhunderts in eine Phase der Konsolidierung mündete und seitdem geringere Wachstumsraten aufweist (siehe Abbildung 2.6).
Anzumerken ist jedoch, dass geistige Eigentumsrechte – und hier vor allem das Patentwesen – von Unternehmen in zunehmendem Ausmaß nicht mehr ausschließlich
zum originären Zweck des Schutzes benutzt werden. Wie in Kapitel 2.2.1 bereits erwähnt, spielen strategische Gründe vor allem in den anmeldestarken Großunternehmen eine größere Rolle und treiben so die Anmeldezahlen nach oben.
28
Abbildung 2.6. Transnationale Patentanmeldungen ausgewählter Länder 1991 bis 2005
(Quelle: Frietsch et al. 2008)
100
90
Anmeldungen (in 1000)
80
70
60
50
40
30
20
10
0
91
US
92
DE
93
94
FR
95
96
CN
97
98
JP
99
00
GB
01
02
KR
03
04
05
Gesamt
Gebrauchsmuster
Das Gebrauchsmuster ist von der Funktion her ähnlich wie das Patent, allerdings bestehen auch einige Unterschiede. Zum einen wird nach einem Antrag auf Gebrauchsmusterschutz vom Patentamt keine umfassende Recherche zu den sachlichen Schutzvoraussetzungen (Neuheit, erfinderische Leistung und gewerbliche Anwendbarkeit)
betrieben. Dies sollte der Antragsteller bereits getan haben, um Schadenersatzprozesse von Inhabern älterer Schutzrechte zu vermeiden. Der Gebrauchsmusterschutz gilt
bis zu 10 Jahre und muss – wie beim Patent – in regelmäßigen Abständen durch Zahlung einer Aufrechterhaltungsgebühr erneuert werden. Die Erlangung eines internationalen Gebrauchsmusterschutzes ist nicht möglich, da keine Eintragung beim Europäischen Patentamt möglich ist und dieser auch nicht in allen Ländern (z.B. der Schweiz)
gesetzlich vorgesehen ist. Die Anzahl neuer Gebrauchsmuster beim Deutschen Patent- und Markenamt im Jahr 2006 belief sich auf 16.638, seit dem Jahr 2000 (18.914
Anmeldungen) ist die Anzahl leicht zurückgegangen (Deutsches Patent- und Markenamt, 2007).
Markenschutz
§ 3 Absatz 1 Markengesetz legt fest, was als Marke geschützt werden kann, nämlich
„alle Zeichen, (…) die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“ Eine Marke dient somit
der Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen von Unternehmen. Das Patent-
29
amt prüft nach Beantragung die Einzigartigkeit der vorgeschlagenen Marke und entscheidet anschließend über den Eintrag in das Markenregister. Dies war im Jahr 2006
für 72.321 Marken der Fall, der Bestand beim DPMA lag bei 744.769. Nach der Eintragung kann der Markenschutz bei Zahlung der Gebühr nach Ablauf von jeweils 10 Jahren unbegrenzt verlängert werden. Wie beim Patent existiert hier eine europäische
Institution (das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt), bei dem eine Gemeinschaftsmarke beantragt werden kann. Ebenfalls möglich ist eine internationale Registrierung bei der World Intellectual Property Organization.
Bei der Nutzung von Marken (Abbildung 2.7.) zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den
Patenten. Während das DPMA seit 2000 einen Rückgang bei der Anmeldung von nationalen Marken ausweist (Deutsches Patent- und Markenamt, 2007), ist auf internationaler Ebene ein positiver Trend auszumachen. Der steigende Verlauf knickt wie auch
bei den Patenten in den Jahren 2000-2002 ein, um danach in abgeschwächter Form
seine Aufwärtsbewegung wieder aufzunehmen.
Abbildung 2.7.
Trend der Markenanmeldungen beim Harmonisierungsamt für den
Binnenmarkt und der World Intellectual Property Organization (Quelle: Gauch (2007))
Trend der Markenanmeldungen
(1997=100)
350
300
250
200
150
100
50
0
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Produktmarken (Deutschland)
Dienstleistungsmarken (Deutschland)
Produktmarken (Summe)
Dienstleistungsmarken (Summe)
Geschmacksmuster
Das Design eines Produktes ist über ein Geschmacksmuster schützbar. Falls das Design des Antragstellers zum Zeitpunkt der Anmeldung „neu ist und Eigenart hat“ (§ 2
Geschmacksmustergesetz), wird es in das Geschmacksmusterregister aufgenommen.
Der Antragsteller bekommt damit das alleinige Recht, das Design zu verwenden. Allerdings wird – wie beim Gebrauchsmuster – nicht geprüft, ob eine Verletzung älterer
Schutzrechte vorliegt; dies wird erst im Streitfall durch Zivilgerichte festgestellt. Der
30
Geschmacksmusterschutz kann bis zu 25 Jahre dauern und ist auf europäischer
(„Gemeinschaftsgeschmackmuster“) oder internationaler Ebene möglich. Beim Deutschen Patent- und Markenamt wurden im Jahr 2006 46.557 Geschmacksmuster neu
registriert, im Jahr 2000 waren es noch 73.617 Fälle. Hier ist also ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen.
Urheberrecht
Im Gegensatz zu den bis jetzt vorgestellten Schutzmechanismen für immaterielle Vermögensgüter besteht beim Urheberschutz nicht die Notwendigkeit, einen offiziellen
Antrag zu stellen, da sich das Schutzrecht direkt aus dem Urhebergesetz ergibt. Geschützt werden nach § 2 Absatz 1 Urhebergesetz Werke literarischer, wissenschaftlicher oder künstlerischer Art. Dem Schöpfer des Werkes wird eine Reihe von Rechten
zu Veröffentlichung, Verwertung, Vergütung, Nutzung etc. eingeräumt. Das Urheberrecht gilt für 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers und ist vererbbar.
Neben der Anzahl der verschiedenen erteilten Schutzrechte ist ein weiterer Indikator
für die Wichtigkeit des formellen Schutzes im Anteil der Unternehmen zu sehen, die
sich eines formalen Schutzrechtes bedienen. Hier liefert die EU-weite Erhebung des
Community Innovation Survey (CIS) Hinweise auf eine überdurchschnittliche Nutzung
unter deutschen Unternehmen. 20% der innovationsaktiven Unternehmen, also jener,
die im Bezugszeitraum 2002-2004 aktiv an Produkt- oder Prozessinnovationen gearbeitet haben, hatten während dieser Zeit auch eine Patentanmeldung zu verzeichnen
(Rammer und Weißenfeld, 2008). Die Eintragung einer Marke rangiert auf dem zweiten
Platz, ca. 18% der deutschen Innovatoren haben dieses Instrument genutzt. Geschmacksmuster liegen in der Verwendung knapp hinter Marken, die Geltendmachung
von Urheberrechten wird hier als nachrangig eingestuft. Dies liegt aber wohl an der
Tatsache, dass der Urheberrechtsschutz keiner aktiven Anstrengung bedarf, sondern
durch den „Schöpfungsakt“ selber entsteht. Eine Differenzierung nach Wirtschaftssektor und Größenklasse zeigt zunächst eine größere Verbreitung der Schutzmaßnahmen
im verarbeitenden Gewerbe und darüber hinaus eine wachsende Nutzung der Schutzinstrumente mit der Unternehmensgröße. Dieser Größeneffekt ist vor allem im verarbeitenden Gewerbe zu beobachten, während die Verteilung in den Dienstleistungsbranchen zwischen den Unternehmensgrößentypen relativ gleich ist.
31
Tabelle 2.1. Nutzung von formalen Schutzinstrumenten durch innovationsaktive Unternehmen im Zeitraum 2002-2004 nach Größenklasse im verarbeitenden
Gewerbe und Dienstleistungssektor (Quelle: Aschhoff et al. (2007))
Verarbeitendes Gewerbe
Patent
Marke
Geschmacksmuster
Urheberrecht
bis 49
20%
17%
4%
9%
Mitarbeiterzahl
50-99
100-499
24%
47%
20%
35%
8%
7%
6%
15%
Dienstleistungsgewerbe
Patent
Marke
Geschmacksmuster
Urheberrecht
bis 49
10%
18%
2%
8%
Mitarbeiterzahl
50-99
100-499
9%
9%
15%
18%
1%
1%
9%
5%
Abbildung 2.8.
ab 500
76%
56%
20%
24%
ab 500
11%
32%
4%
11%
Nutzung von formalen Schutzinstrumenten durch innovationsaktive
Unternehmen in Deutschland und der EU16 im Zeitraum 2002 bis
2004 (in %) (Quelle: Rammer und Weißenfeld (2008))
Anmeldung von Patenten
Eintragung von Marken
Anmeldung von Geschmacksmustern
Deutschland
Geltendmachung von Urheberrechten
EU16
0
5
10
15
20
25
Mehrfachnennungen möglich.
Zum Abschluss des Überblicks zu formellen Schutzrechten soll in einem Exkurs ein
differenzierterer Vergleich mit den anderen Ländern der EU bezüglich der Verwendung
von vier der wichtigsten formellen Schutzrechte (Patente, Marken, Industriedesign und
Urheberrechte) gezogen werden. Festzustellen ist, dass über alle Kategorien hinweg in
Deutschland ein überdurchschnittlicher Einsatz von formellen Maßnahmen zum Schutz
des geistigen Eigentums beobachtet werden kann. So liegt Deutschland z.B. bei der
Nutzung von Patenten im Vergleich mit anderen Ländern der EU auf den vorderen
32
Plätzen. Wie bereits erwähnt, hat etwa ein Fünftel der Unternehmen, die in den Jahren
2002 bis 2004 mindestens eine Produkt- oder Prozessinnovation getätigt haben, dieses Instrument eingesetzt. Im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern liegt
Frankreich mit einer Quote von 22,2% vor Deutschland und Dänemark (19,55%).
Beim Betrachten der Rangfolge der Länder nach Patentaktivität (siehe Abbildung 2.9)
liegen die Länder an der Spitze, die allgemein zur Gruppe der europäischen Spitzenreiter bei der Innovationsaktivität gezählt werden, wie z.B. Frankreich, Deutschland oder
auch die skandinavischen Länder Finnland oder Dänemark. Der Durchschnitt in der
EU15 (ohne England, Österreich und Schweden, für die in diesen Variablen bei CIS 4
keine Daten vorhanden sind) liegt bei ca. 14%. Die drei Spitzenreiter (Frankreich,
Deutschland und Dänemark) bei der Patentaktivität nutzen auch die anderen drei verfügbaren formellen Schutzrechte in hohem Maße, allgemein geht mit einer schwächeren Patentaktivität auch die Verwendung der anderen Schutzrechte zurück. Ausnahmen bilden die neuen Beitrittsländer Tschechische Republik, Polen und die Slowakei
sowie Griechenland, die bei sehr geringer Nutzung des Patentwesens eine überdurchschnittlich hohe Verwendung der anderen drei Schutzrechte aufweisen.
Abbildung 2.9.
Nutzung von Patenten sowie von Marken und Geschmacksmustern
oder Geltendmachung von Urheberrechten durch innovationsaktive
Unternehmen in den Jahren 2002-2004 (Angaben in %) (Quelle: Eurostat, CIS 4)
FR
DE
DK
FI
NO
Länder der Europäischen Union
IE
NL
IT
ES
BE
MT
LT
LU
BG
PT
RO
HU
EE
CZ
PL
SK
GR
CY
0%
10%
20%
30%
40%
50%
Eintragung Marke oder Geschmacksmuster, Geltendmachung von Urheberrechten
60%
Anmeldung eines Patents
70%
33
In Bezug auf andere formelle Schutzrechte zeigt sich folgendes Bild: Das Geschmacksmuster wurde am häufigsten in Frankreich eingesetzt, ca. ein Drittel der französischen Innovatoren haben ein solches Schutzrecht eintragen lassen, gefolgt von
den Dänen mit fast 25%. Auch norwegische Unternehmen sind in dieser Hinsicht relativ aktiv und lassen zu etwa 22% ein solches Recht registrieren. Bei der Eintragung
einer Marke beim nationalen oder europäischen Markenamt werden vor allem für Griechenland, Litauen und Luxemburg hohe Werte ausgewiesen. Luxemburg hat in Bezug
auf die Nutzung des Urheberrechts als formeller Schutzmaßnahme sogar die höchste
Quote aufzuweisen. Norwegen und Frankreich folgen mit der zweit- und dritthöchsten
Nutzung des Urheberrechts als Schutzmaßnahme.
Es ist in der empirischen Forschung häufig zu beobachten, dass kleinere Unternehmen
in geringerem Ausmaß formelle Maßnahmen zum Schutz ihres geistigen Eigentums
einsetzen (siehe z.B. Aschhoff et al., 2007). Zur Erklärung dieses Phänomens wird
eine Reihe von Gründen herangezogen, die zum einen mit der höheren Zahl von erfolgreichen Innovationen in Großunternehmen und einem damit einhergehenden größeren Bedarf an formellen Schutzmechanismen zusammenhängen, zum anderen aber
auch mit den Kosten, die ein Patentantrag oder eine Markeneintragung mit sich bringen. Das britische Patentamt hat auch vor diesem Hintergrund reagiert und die Gebühren für Patent und Markenanträge gesenkt, was als mögliche Ursache für eine höhere
Zahl von Anträgen durch britische KMU diskutiert wird (Greenhalgh et al., 2001). Tabelle 2.2 gibt einen Überblick, wie stark der Unterschied zwischen den Unternehmensgrößenklassen in den einzelnen Ländern ausgeprägt ist. Der größte Unterschied in der
Nutzung von formellen Schutzrechten zwischen kleinen und mittleren Unternehmen
(höchstens 250 Mitarbeitern) und Großunternehmen (mehr als 250 Mitarbeiter) liegt
bezüglich des Patentwesens in den relativ kleinen Volkswirtschaften Luxemburg, Bulgarien und Slowakei vor. Bulgarien hat auch bei den anderen drei Schutzrechten eine
relativ große Verzerrung zu Gunsten der Großunternehmen aufzuweisen. Es fällt auf,
dass der Index „Nutzung von formellen Schutzrechten bei Großunternehmen in Bezug
auf Nutzung bei KMU“ innerhalb der Länder, die allgemein als besonders innovativ
angesehen werden, in Finnland am höchsten ist. Sowohl im Patentwesen als auch
insbesondere bei der Geltendmachung von Urheberrechten liegt in Finnland eine hohe
Verzerrung hin zu den großen Unternehmen vor. In Bezug auf die Position Deutschlands ist festzustellen, dass der Größeneffekt bei der Nutzung von Patenten und Eintragung von Marken im Durchschnitt der erfassten Länder liegt. Im deutschen Patentsystem scheint im europäischen Vergleich keine besonders hohe Benachteiligung von
KMU vorzuliegen. Bei der Eintragung von Geschmacksmustern und der Geltendmachung von Urheberrechten existiert allerdings eine etwas größere Verzerrung zu Gunsten der Großunternehmen.
34
Tabelle 2.2. Nutzung von Maßnahmen zum Schutz des geistigen Eigentums, differenziert nach kleinen/mittleren Unternehmen (Spalte a) und Großunternehmen (Spalte b) im europäischen Vergleich
Land
Anmeldung eines
Patents
a)
b)
Eintragung eines
Industriedesigns
(Geschmacksmuster)
Index
a)
b)
Index
Eintragung einer Marke
a)
b)
Geltendmachung von
Urheberrechten
Index
a)
b)
Index
BE
11,5% 26,4%
2,30
4,2%
10,9%
2,59
16,3% 23,5%
1,44
3,4%
5,5%
1,63
BG
6,3%
23,0%
3,64
5,8%
20,4%
3,52
17,7% 41,4%
2,34
3,2%
9,4%
2,93
CY
1,3%
0,0%
0,00
1,3%
0,0%
0,00
7,2%
22,7%
3,17
1,7%
4,6%
2,62
CZ
4,9%
13,7%
2,79
21,2% 27,7%
1,30
7,8%
14,6%
1,88
3,7%
5,4%
1,46
DE
20,4% 48,9%
2,40
18,4% 41,3%
2,25
19,6% 39,7%
2,03
7,9%
16,0%
2,02
DK
21,5% 40,9%
1,90
10,5% 17,3%
1,65
24,6% 45,1%
1,83
9,8%
22,1%
2,26
EE
5,1%
15,4%
2,99
20,2% 37,2%
1,84
2,0%
6,9%
3,41
3,1%
6,4%
2,04
ES
13,5% 24,6%
1,82
11,9% 15,1%
1,27
23,7% 28,7%
1,21
2,2%
4,0%
1,80
FI
16,8% 49,5%
2,95
9,3%
19,6%
2,11
19,6% 45,1%
2,31
1,5%
8,2%
5,32
FR
22,8% 48,3%
2,11
18,2% 30,6%
1,68
33,5% 56,3%
1,68
9,2%
16,4%
1,79
GR
3,4%
5,5%
1,59
27,6% 32,8%
1,19
6,8%
3,2%
0,47
10,8% 10,1%
0,93
HU
5,9%
12,0%
2,05
9,7%
18,9%
1,96
5,0%
5,9%
1,18
1,6%
2,5%
1,55
IE
18,5% 33,6%
1,82
20,8% 28,8%
1,38
5,6%
16,8%
2,99
8,3%
19,0%
2,30
IT
17,1% 39,8%
2,33
19,4% 36,6%
1,88
9,5%
21,6%
2,27
2,2%
7,6%
3,48
IT
7,9%
16,8%
2,12
22,7% 39,4%
1,73
5,9%
12,4%
2,09
6,1%
8,0%
1,32
LU
6,8%
39,8%
5,88
19,5% 55,2%
2,83
9,7%
25,6%
2,65
12,0% 13,3%
1,11
NL
16,0% 29,4%
1,84
5,9%
9,9%
1,68
17,4% 27,1%
1,55
4,8%
6,7%
1,39
NO
17,7% 35,4%
1,99
9,3%
10,2%
1,10
21,6% 31,6%
1,47
11,5% 17,2%
1,49
PL
4,6%
11,0%
2,39
9,5%
15,5%
1,64
17,7% 29,0%
1,64
6,1%
10,4%
1,71
PT
8,0%
11,6%
1,45
4,4%
9,7%
2,21
21,4% 29,9%
1,40
3,5%
7,5%
2,12
RO
6,2%
11,2%
1,80
16,7% 26,3%
1,57
6,6%
15,9%
2,41
3,4%
5,1%
1,47
SK
2,4%
10,3%
4,34
18,8% 21,7%
1,16
6,6%
9,8%
1,49
5,7%
7,8%
1,36
Anmerkung: Anteil der Unternehmen mit Nutzung von Patenten sowie mit Nutzung von Marke, Geschmacksmuster und
Geltendmachung von Urheberrechten unter den kleinen und mittleren Unternehmen (Spalte a; Mitarbeiterzahl höchstens 250) und den Großunternehmen (Spalte b) in den Jahren 2002-2004 sowie der Index zur relativen Häufigkeit der
Nutzung des Schutzrechts in großen Unternehmen bezogen auf die relative Häufigkeit der Nutzung unter den KMU
(Basis: Unternehmen in der jeweiligen Größenklasse mit mindestens einer Produkt- oder Prozessinnovation in den
Jahren 2002-2004): Quelle: Eurostat – Gemeinschaftliche Innovationserhebung (CIS) 2004; fehlende Daten: UK, SE,
AT, MT, SI
35
Abschließend kann eine Unterscheidung in der Nutzung von Schutzrechten nach Branchenebene relevante Muster aufzeigen. In Deutschland ist die Verwendung der
Schutzrechte Patent, Geschmacksmuster und Marke innerhalb der Industrie sehr viel
verbreiteter als die Geltendmachung von Urheberrechten, wohingegen die Dienstleistungsbetriebe zu einem wesentlich höheren Anteil das Markenrecht nutzen. Ein ähnliches Muster lässt sich auch in Frankreich, den Niederlanden und Finnland beobachten.
Eine Neigung zur Verwendung des Markenrechtes bei Dienstleistungen lässt sich mit
dem immateriellen Charakter von Dienstleistungsprodukten begründen und mit dem
Versuch, die angebotene Dienstleistung über Markennamen zu differenzieren. Allerdings scheint sich in anderen Ländern wie Italien und der Tschechischen Republik
auch das Dienstleistungsgewerbe eher mit anderen formellen Maßnahmen zu schützen (vgl. hierzu auch Frietsch et al., 2008). In den Branchen, in denen Deutschland
traditionell im internationalen Vergleich gut aufgestellt gilt, namentlich im Maschinenund Fahrzeugbau, ist die Verwendung von Patenten mit am stärksten ausgeprägt. Dies
liegt an der Forschungsintensität der genannten Industrien. Den hohen Aufwendungen
für F&E müssen aus Sicht des Unternehmens angemessene Erträge gegenüberstehen; es wird versucht, dies vor allem über den Patentschutz zu sichern.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in Deutschland eine im europäischen
Vergleich relativ hohe Nutzung von formellen Schutzrechten vorhanden ist. Vor allem
der Patentschutz spielt eine große Rolle. Dies hängt mit der Industriestruktur Deutschlands zusammen, in der forschungsintensive Branchen wie Maschinen-, Anlagen- und
Fahrzeugbau eine wichtige Rolle spielen. Wenn man die Nutzung von Schutzmechanismen durch Unternehmen als Indikator für eine erfolgreiche Forschungs- und Entwicklungsaktivität heranzieht, ist Deutschland in diesem Bereich daher relativ gut positioniert. Da die deutsche Wirtschaft jedoch stark durch mittelständische Betriebe geprägt ist und KMU formelle Schutzrechte nur halb so oft wie Großbetriebe benutzen,
muss darauf hingearbeitet werden, diese Benachteiligung im Patentsystem zu verringern. Dies wird umso wichtiger, da auch der Mittelstand zunehmend auf den globalen
Märkten aktiv ist und daher einen wachsenden Bedarf an Schutz seines Know-hows
aufweist.
2.3.2. Informelle Instrumente
Unternehmen schützen ihre immateriellen Vermögensgüter, also vor allem ihr Knowhow, nicht ausschließlich mit formellen Mechanismen wie Marken- oder Patentschutz
(Blind et al., 2006). Gerade letztere Institution wird von manchen Betrieben, insbesondere von kleineren und mittleren Unternehmen, unter Umständen kritisch gesehen, da
sie ihre technischen Erkenntnisse den Wettbewerbern nicht über die Patentdokumentation zur Verfügung stellen möchten und den monetären bzw. organisatorischen Auf-
36
wand scheuen. Vor allem in Ländern wie China, in denen die Durchsetzung der patentrechtlichen Ansprüche tatsächlich oder vermeintlich schwer zu erreichen ist, wird bewusst auf eine Eintragung im Patentregister verzichtet, obwohl gerade dort eine starke
Verbreitung von Produkt- und Markenpiraterie zu beobachten ist. So ergab z.B. eine
Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages unter 650 Mitgliedsunternehmen, dass weniger als die Hälfte der von Produkt- und Markenpiraterie betroffenen Unternehmen in China gewerbliche Schutzrechte angemeldet hat (IHK München,
2007). Eine alternative bzw. idealerweise komplementäre Schutzrechtsstrategie neben
der Nutzung von Patenten kann darin bestehen, durch eine Erhöhung der technischen
Komplexität der Produkte Nachahmungsstrategien zu erschweren. Das sogenannte
Reverse Engineering ist dann mit einem höheren Aufwand bzw. höheren Kosten verbunden und damit potenziell weniger attraktiv. Bei einer steigenden technischen Versiertheit von Produktpiraten scheint es jedoch zunehmend schwieriger zu werden, sich
auf die Komplexität einer Technologie zu verlassen. Zudem ist dies nicht gleichermaßen von kleineren und großen Unternehmen realisierbar (Aschhoff et al., 2007). Eine
weitere Alternative kann es sein, auf den zeitlichen Vorsprung zu setzen, den ein Unternehmen durch eine frühe Markteinführung einer Innovation erlangt. Gegen eine Imitation von am Markt erfolgreichen Neuprodukten kann dann nicht rechtlich vorgegangen werden, allerdings hat das innovierende Unternehmen eine Reihe von „first mover“-Vorteilen auf seiner Seite. Dazu zählt zum einen der positive Effekt auf das Image
des Produktes, das als erstes auf den Markt kommt. So kann eine Kundenstamm aufgebaut werden, der auch für andere Produkte des Unternehmens erschlossen werden
kann. Der Innovator kann zudem als Erster eine starke Marktpenetration erreichen, die
für die Konkurrenz zur Markteintrittsbarriere werden kann. Des Weiteren setzt das zuerst aktive Unternehmen oft Maßstäbe und Standards, die dann von den Konkurrenten
übernommen werden müssen. Dies ist vor allem in Märkten mit Netzwerkeffekten (z.B.
in der Telekommunikation) der Fall. In empirischen Befragungen wird dem zeitlichen
Vorsprung als strategischem Mittel zum Schutz von Innovationen seitens der Unternehmen regelmäßig eine sehr hohe Bedeutung bescheinigt (Aschhoff et al., 2007;Blind
et al., 2006), vor allem unter kleineren Unternehmen, die bei formalen Mechanismen
(z.B. im Patentwesen) strukturell benachteiligt zu sein scheinen. Eine weitere Maßnahme kann sein, Verträge mit Zulieferern so zu gestalten, dass sie zum Vorteil des
Innovators gereichen, beispielsweise durch Exklusivitätsklauseln oder durch besonders
gute Konditionen. Neben den Vereinbarungen mit den Zulieferern sind darüber hinaus
auch die Verträge mit wichtigen Angestellten zu nennen. Je stärker der Mitarbeiter in
den Innovationsprozess eingebunden ist und damit auch Zugang zu sensiblen Daten
und Informationen hat, desto stärker achten Unternehmen darauf, langfristige Verträge
zu vereinbaren oder eine Wettbewerbsklausel aufzunehmen, damit der Mitarbeiter
37
nach Beendigung der Tätigkeit nicht sofort bei einem Konkurrenzunternehmen tätig
werden kann.
2.4. Verletzungen geistiger Eigentumsrechte
2.4.1. Terminologie
Die Rechtsverletzung und mögliche Wege der verbesserten Durchsetzung von Schutzrechten für geistiges Eigentum sind in den vergangenen Jahren zunehmend in den
2
Fokus der nationalen und internationalen Politik gerückt, auch weil damit eine Vielzahl
von Politikbereichen – u.a. die Forschungs- und Technologiepolitik, das Rechtswesen,
die Innen- und Sicherheitspolitik, Industriepolitik, Entwicklungspolitik und Wettbewerbspolitik – auf nationaler und multilateraler Ebene tangiert werden und zur Stellungnahme aufgefordert sind. Als Schutzrechtsverletzung sind alle Aktivitäten von Wirtschaftsakteuren zu bezeichnen, welche – im Sinne des Übereinkommens der Welthandelsorganisation (WTO): Trade Related Aspects of Intellectual Rights (TRIPS) –
3
bestehende Rechte an geistigem Eigentum (Patente, Marken, Copyrights, Industriedesign u.a.) eines Rechtsinhabers (Unternehmen, individueller Anmelder, Forschungseinrichtungen, Universitäten u.a.) beeinträchtigen. Dieses Übereinkommen sieht vor,
dass sich die Mitglieder der WTO wechselseitig minimale Schutzrechte für geistiges
Eigentum zugestehen, bspw. Regelungen über eine adäquate nationale Durchsetzung
der Rechte. Dabei ist es den einzelnen Ländern möglich, Ausnahmen dieser allgemeinen Regelung zu definieren, bspw. im Bereich des Gesundheitswesens. Zusätzlich hat
die Welthandelshandelsorganisation in diesem Zusammenhang ein Schlichtungsverfahren eingerichtet, das es den Mitgliedsländern bei Schutzrechtsstreitigkeiten ermöglichen soll, diese zu beseitigen.
Keine Schutzrechtsverletzung liegt dagegen vor, wenn geistiges Eigentum nicht oder
nur unzureichend durch Rechte (also bspw. außerhalb des geografischen oder inhaltli-
2 „Der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums ist ein Kerninteresse der Verbraucher in allen Ländern, gerade auch
in den Entwicklungsländern. Daher sind wir übereingekommen, gemeinsam mit den Staats- beziehungsweise Regierungschefs der Schwellenländer diese Themen im Rahmen des Heiligendamm-Prozesses zu behandeln. Als
G8 haben wir beschlossen, unsere Zusammenarbeit im Bereich des Schutzes des geistigen Eigentums zu verstärken, insbesondere in Bezug auf unsere Zoll- und Strafverfolgungsbehörden. Wir werden den Privatsektor in
unseren jeweiligen Ländern in effektive Lösungen hinsichtlich der Angebots- und Nachfrageseite von Piraterie und
Fälschung weiter einbinden.“ (G8 Chair Summary, Juni 2007)
3 Ausgenommen sind somit bei der Definition der Verletzung strittige Rechtsansprüche zwischen Wirtschaftsakteuren in
der Phase der Genehmigungsprozesse vor der finalen Rechtserteilung, aber auch alle Aktivitäten, welche nach
den Verlautbarungen des Bundesministeriums des Innern (Verfassungsschutzbericht 2007) unter den Begriff der
Wirtschaftsspionage fallen („staatlich gelenkte oder gestützte, von Nachrichtendiensten fremder Staaten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Betrieben“)
38
4
chen Geltungsraums des gehaltenen Rechtes) geschützt ist oder geschützt werden
5
kann . In diesen Fällen wird die vermeintliche Verletzung des geistigen Eigentums aus
volkswirtschaftlicher Perspektive lediglich als Teil eines legalen Imitations- und Wissensdiffusionsprozesses (Bessen, 2005;Segerstrom, 1991) angesehen, welcher den
(die Gesamtentwicklung und das Wachstum unterstützenden) technologischen Aufholprozess der anderen Marktakteure bereits zu einem früheren Zeitpunkt nach Beginn
6
der Rechtsinhaberschaft beginnen lässt, vergleichbar mit den „Invent around“ .
Die Rechte verletzenden Wirtschaftsakteure sind de jure in einem ersten Schritt die
Wissenschaftler, Techniker und Entwickler oder Produktdesigner, welche den Nachbau
und die Kopie des geistigen Eigentums (u.a. in Form von Produkten oder Produktions7
prozessen) durch Rekonstruktion und Nachgestaltung gewollt oder ungewollt ermöglichen. Erst in einem zweiten Schritt steigen der Grad bzw. die Auswirkungen der Verletzung durch den bewussten, kommerziellen Vertrieb und den Verkauf der Produkte in
großen Stückzahlen, also durch die Einbindung einer Unternehmensorganisation in die
Produktpiraterie. Der Professionalisierungsgrad der Produktpiraten kann hierbei durchaus variieren hinsichtlich
-
-
der technologischen Fähigkeiten der Beschäftigten bzw. des Unternehmens,
des Technologieniveaus kopierter Produkte und Prozesse,
des zentralen Geschäftsmodells (reine Produktpiraterie oder Produktpiraterie neben eigenen Produktions- und Entwicklungsaktivitäten),
der Absicht, Konsumenten durch gefälschte Produkte und Prozesse bewusst zu täuschen oder der Herstellung (kostengünstiger) offensichtlicher
Kopien,
des Zeitpunkt des Angriffs im Produktlebenszyklus, d.h. bspw. aufwendiger
Nachbau von Innovationen oder eher Nachbau einer älteren Produktgeneration und Technologie,
4 Alternativ zur Anmeldung von Rechten an geistigem Eigentum werden Innovationen oftmals auch durch Geheimhaltung der Informationen geschützt, ggf. auch um die Offenlegungsverpflichtung eines Schutzrechtes zu vermeiden.
Jedoch birgt auch eine solche Schutzstrategie Risiken und kann scheitern.
5 Einer Rechtsanmeldung kann generell entgegenstehen, dass das geistige Eigentum bspw. auf Grund der Erfindungshöhe nicht patentierfähig ist (soweit dies ein Erteilungskriterium im nationalen Patentrecht ist), oder die Chancen
einer Rechtsdurchsetzung in einem potentiellen Anmeldungsland mangelhaft sind. Zusätzlich können neben der
Qualität des betroffenen Rechtssystems auch die begrenzten Ressourcen des Erfinders eine Rolle bei der Nichtanmeldung der Rechte spielen (siehe zur KMU-Problematik in diesem Kontext auch Kapitel 2.3. dieses Berichts).
6 Dabei handelt es sich um Forschungs- und Entwicklungsbemühungen der (zumeist) Wettbewerber, welche eigene
technisch (inhaltlich mit der originären, rechtlich geschützten Innovation) verwandte Lösungsansätze entwickeln,
ohne dabei die gehaltenen Rechte des Innovators zu berühren bzw. zu verletzen. Unterstützt werden diese Aktivitäten auch durch die Offenlegungsverpflichtung der Rechtsanmelder.
7 In Extremfällen werden heutzutage für ein professionelles Re-Engineering der Produktpiraten im High-tech Produktbereich selbst High-tech Verfahren wie bspw. Röntgen oder moderne Imaging (3D) Verfahren für die Analyse der
Konstruktion und der Materialien eingesetzt.
39
-
-
8
der Qualität und dem verwendeten Medium des Vertriebs (bspw. Vertrieb
einer Einzelperson über das Internet) und der Logistik (auch in der Beschaffung), vor allem in diesem Zusammenhang Unterstützung durch und Einbindung in die organisierte Kriminalität, und
Produktion in und Bedienung von regionalen, nationalen und / oder internationalen Märkten.
Das letzte Charakteristikum macht deutlich, dass es – auch im Zuge der Analyse der
Auswirkungen der Produktpiraterie – durchaus sinnvoll erscheint, generell zwischen
Produktionsmärkten und Konsumptionsmärkten für Pirateriegüter grundsätzlich zu unterscheiden, da ggf. unterschiedliche Rahmenbedingungen für das Entstehen und
Wachsen dieser Märkte förderlich sein können. Ein anderes wichtiges, verbindendes
Element sind dabei die logistischen Netzwerke der Produktpiraterieproduzenten. Es
stellt sich u.a. auch die Frage, welche Länder oder Regionen aufgrund ihrer Rahmenbedingungen geeignete logistische Knotenpunkte („shipping ports“ oder andere Exportund Importplattformen) sind.
Auf der Seite der Nachfrage lässt sich der Markt gemäß der Definition der OECD
(2007) in zwei relevante Teilbereiche differenzieren: Es gibt einerseits die Konsumenten im primären Nachfragemarkt, welche die Absicht haben, Originalprodukte zu erwerben und stattdessen – nach erfolgreicher Täuschung durch die Produktpiraten –
gefälschte Produkte erhalten. In einem sekundären Nachfragemarkt wird dagegen bewusst Piraterieware konsumiert, oftmals aus Kostengründen.
Illegale Produkte werden allgemein in fast allen Regionen der Welt hergestellt (auch in
Deutschland und in Europa) und konsumiert, wobei sich vor allem die asiatische Region zum größten Produzenten entwickelt hat. Zahlen zum Umfang der Konsumption der
Pirateriegüter in einzelnen Ländern oder Wirtschafträumen liegen nicht oder nur sehr
begrenzt vor. In den vergangenen Jahren hat sich die Herstellung von Piraterieprodukten und -prozessen ausgeweitet, von Luxusgütern (wie z.B. Uhren, Tabakwaren, Spielzeuge oder Designerkleidung) hin zu technologisch anspruchsvolleren Gütern, wie
Medikamenten, medizinischen Geräte, Automobilteilen oder (rechtlich geschützten)
Produktionsverfahren. Damit hat sich auch eine Ausweitung der Schutzrechtsverletzungen von (vorwiegend) Markenrechten auf technologierelevante Schutzrechte, wie
bspw. Patente oder Gebrauchsmuster, vollzogen. Mit dem vermuteten Know-howZuwachs auf Seiten der Produktpiraten ist auch die Anzahl der betroffenen Industriesektoren gestiegen und hat die Intensität in einzelnen Sektoren erhöht. Es kann davon
ausgegangen werden, dass – neben der traditionellen Konsum- und Verbrauchsgüter8 Die Länge der Vertriebswege und die zeitliche Dauer der Vertriebskanäle (bzw. des Marktzugangs) ab den Produktionsstätten der Produktpiraterie spielen eine erhebliche Rolle für die Wahrscheinlichkeit eines Aufgriffs oder einer
Aufdeckung der illegalen Aktivitäten durch die Behörden.
40
industrie – nunmehr auch vermehrt das verarbeitende Gewerbe und die Hochtechnologien (bspw. der Maschinenbau oder die Pharmaindustrie) in das Visier der Piraten gerückt sind. Diese Entwicklungen werden teilweise auch durch die Statistiken der Zollbehörden in den Abbildungen 2.10. und 2.11 belegt.
Abbildung 2.10. Entwicklung der Stückzahlen beschlagnahmter Artikel (Aufgriffe bei
Einfuhr in die EU) in den Jahren 2000 bis 2006, in Mio. (Quelle: EUZollstatistik)
140
120
100
80
60
40
20
0
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Abbildung 2.11. Anteil an gesamten Aufgriffsfällen (bei Einfuhr in die EU) nach Art der
Schutzrechtsverletzung in den Jahren 2000 bis 2005, in % (Quelle: EU-Zollstatistik)
30
78
83
80
83
74
79
25
20
15
10
5
0
2000
Marken
2001
Copyrights und
vgl.bare Rechte
2002
2003
Geschmacks- und Gebrauchsmuster
2004
Patente und
vgl.bare Rechte
2005
keine Angaben
41
Die vorliegenden Zahlen aus der Zollstatistik umfassen jedoch nicht den gesamten
Umfang des Piraterieaufkommens. Vergleichbar mit den Schwierigkeiten der Messung
und Untersuchung der rechtswidrigen Aktivitäten auf Schwarzmärkten (für bspw. Güter- oder Arbeitsmärkte) generell erfassen die beobachteten Zahlen bzw. identifizierten
Transaktionen lediglich einen Bruchteil der Aktivitäten der Produktpiraterie. Auf Grund
der Illegalität werden die Aktivitäten der Produktpiraten nicht in einer herkömmlichen
Statistik geführt und hängen einerseits in hohem Maße vom Engagement und der Sen9
sibilisierung der marktbeobachtenden Akteure ab , andererseits aber auch von der In10
tensität der Beobachtungsprozesse auf den unterschiedlichen Ebenen . Dazu gehören
neben den Zollbehörden (oder anderen staatlichen Behörden wie bspw. Kriminalämter,
Patent- oder Justizbehörden) vor allem die (potenziell) geschädigten Unternehmen
selbst, aber auch ggf. andere (Wettbewerber-) Unternehmen, Zulieferer oder Abnehmer (auf Up- oder Downstream-Märkten) oder kooperationswillige Konsumenten. Die
Marktbeobachtung hat jedoch meist nur Erfolg, wenn die Fähigkeiten dieser Akteure
11
zur korrekten Identifikation der Pirateriegüter ausreichen und zugleich die Erkennung
im Interesse des Akteurs ist (vgl. bspw. die Interessenlage auf den sekundären Konsumentenmärkten). Wird Piraterieware als solche erkannt, kommt es in einem nachfolgenden Schritt zur Entscheidung über die Verfolgung der Rechtsverletzung, zumeist
unter Berücksichtigung der Erfolgspotentiale und generellen Auswirkungen eines solchen Verfahrens. Zu den hierbei relevanten Entscheidungskriterien der Marktbeobachter gehören:
-
-
Umfang und Wert der identifizierten Pirateriegüter, potenzieller Schaden
für den Marktbeobachter,
Individuelle und gemeinsame Interessenlage der Marktbeobachter, bspw.
monetäre Anreize (bspw. Prämienzahlung) bei Meldung an betroffene Unternehmen oder an geeignete Behörden, oder (negative Anreize) mögliche Schädigung der Kunden- und Unternehmensbeziehungen einer
Nachverfolgung,
Nachverfolgbarkeit des Piraterieproduzenten hinsichtlich des Standorts
und generelle Nachweismöglichkeiten der Aktivitäten,
9 Bspw. die Häufigkeit und der Umfang der Stichproben der Zollbehörden bei der Verschiffung von Waren im Export
und Import oder auf Messeveranstaltungen, aber auch die Sensibilisierungsaktivitäten der nationalen und internationalen Konsumenten durch die originären Produzenten.
10 Zu diesen Ebenen gehören die Beobachtung potentieller Produktionsstätten bzw. Standorte der Produktpiraten und
die Beobachtung der Distributionswege und Vertriebsstandorte in einer Vielzahl von Ländern und Regionen der
Welt.
11 Dazu können auch gesonderte, technische Maßnahmen der Kennzeichnung durch die originären Produzenten beitragen, welche die Unterscheidung originaler Waren von Piraterieware erleichtern. Zu diesem Zweck sind aber
oftmals technische Hilfsmittel (bspw. Scan-Vorrichtungen für die Zollbehörden), technische Schulungen oder entsprechendes Informationsmaterial notwendig.
42
-
-
Erfolgschancen eines rechtlichen Vorgehens, auch in Abhängigkeit von
der Qualität des betroffenen Rechtssystems und der dort rechtswirksamen, nationalen Sanktions- und Strafverfolgungsmechanismen für Produzenten und Konsumenten von Produktpirateriegütern nach der Rechtsverletzung oder nach dem Erwerb,
Erfolgschancen einer privaten bzw. privatwirtschaftlichen Verfolgung und
Maßnahmenergreifung, bspw. der Ausschluss aus dem Vertriebsnetz des
originären Produzenten, Messeteilnahmeverbote oder die Auflösung von
Unternehmens- oder Arbeitnehmerbeziehungen.
Für eine angemessene Validierung des Produktpiraterieaufkommens sollten diese Kriterien zu Referenzzwecken herangezogen werden, auch um den Umfang der in den
nachfolgenden Abschnitten beschriebenen Auswirkungen auf mikro- und makroökonomischer Ebene ausreichend präzisieren zu können.
43
2.4.2. Ökonomische Implikationen
Die Verletzung eines Schutzrechtes wirkt sich in vielfältiger Weise auf mikro- und makroökonomischer Ebene einer Volkswirtschaft aus. Die Folgen auf mikroökonomischer
Ebene können neben den Produzenten der Originalprodukte und -prozesse auch die
Konsumenten und die Piraterieunternehmen betreffen. Die Rechtsinhaber bzw. originären Produzenten müssen – im Falle einer Rechtsverletzung durch Produktpiraten und
12
durch die so entstehende, ggf. substituierende Piraterieproduktion – mit einem Einbruch des eigenen Absatzes und damit mit einem Rückgang der Gewinne rechnen. Die
rechtswidrige Konkurrenz der Produktpiraten kann zudem dazu führen, dass durch
Pirateriewaren mit bspw. minderwertiger Qualität die Markenreputation des Originalproduktes geschädigt wird. Dabei nutzen Produktpiraten häufig bewusst den bestehenden Markenwert ohne sich an den Kosten für Werbemaßnahmen zum Zwecke des
Aufbaus dieser Reputation beteiligen zu müssen. Die Free-Rider-Problematik der Produktpiraten spielt in diesem Zusammenhang eine weitere Rolle, wenn nicht nur Markenreputation (bspw. Markenrechte) sondern auch technisches Know-how (bspw. Pa13
tent- oder Gebrauchsmuster) nachgeahmt wird , ohne dass dafür notwendige Investitionen in die Wissensgenerierung geleistet werden müssen. Für die Produktpiraten kann
dies außerdem auch einen enormen Zeitvorteil bedeuten, wenn in diesem Zusammenhang nicht erst zeitaufwendige Forschungs- und Entwicklungsprozesse durchlaufen
werden müssen.
Folglich ist es wichtig, genauer zu beleuchten, zu welchem Zeitpunkt im Produktlebenszyklus die Piraterieangriffe bzw. die rechtswidrigen Nachahmungsprozesse erfolgen, weil damit eng verknüpft mit unterschiedlichen, ökonomischen Auswirkungen auf
Seiten der Rechtsinhaber und auf Seiten der Produktpiraten zu rechnen ist. Erfolgt der
14
Angriff zum Ende bzw. in der späten Sättigungsphase des Zyklus , so ist die Anfangsinvestition typischerweise bereits zu großen Teilen amortisiert, Lernprozesse hinsichtlich der Produktionsverfahren sind abgeschlossen (diese haben ggf. zu einer sukzessiven Absenkung der Produktionskosten geführt), und der Unternehmensnutzen besteht
12 Für die Produkt- und Markenpiraterie besonders anfällig erscheinen vor allem originäre Produkte mit hohen Gewinnmargen (dies bedeutet konkret die Relation der Produktionskosten zu den Verkaufspreisen) und bzw. oder
Produkte mit großen Einsparungspotentialen bei den Produktionskosten (bspw. komparative Lohnkostenvorteile
in den Piraterieproduktion).
13 Bei der Ermittlung der Auswirkungen auf Seiten des Rechtsinhabers müssen auch Schäden im Zusammenhang mit
der (Aus-) Lizenzierung von Schutzrechten berücksichtigt werden. Diese können in finanziellen Einbußen von Lizenzerträgen oder in nicht durchgeführten bzw. abgebrochenen Lizenzierungsvorgängen in Wirtschaftskooperationen bestehen (siehe obige Kapitel des vorliegenden Berichts).
14 Z.B. hat der originäre Produzenten im Heimatmarkt bereits das Produkt vom Markt genommen und die nachfolgende
Produktgeneration eingeführt, während in einem anderen Exportmarkt weiterhin Güter mit der älteren Technologie
vertrieben werden.
44
vor allem in der Abschöpfung der Gewinne des etablierten Produktes. Ein Angriff in
dieser Phase kann mit relativ geringen Hürden für den Produktpiraten verbunden sein,
da Produkt- bzw. Technologieprobleme der Frühphase beseitigt sind und sich bereits
ein verhältnismäßig sicherer Absatzmarkt herausgebildet hat. Im Kalkül des Produktpiraten ist jedoch nach einem Markteintritt rasch mit abnehmenden Profiten zu rechnen,
da ggf. neue Technologien die Piraterieware ablösen können. Erfolgt der Angriff der
Produktpiraten in einer frühen Zyklusphase, während der Forschung und Entwicklung,
welche auf eine erfolgreiche Innovation bzw. Marktneuheit abzielt, so sind die Schadenspotenziale um ein Vielfaches größer. Jedoch wird zumeist auch das mit der
Marktneueinführung verbundene Risiko – hinsichtlich der Qualität und Nachfrage, ggf.
auch zuvor der Innovationserfolgswahrscheinlichkeit – auf den Produktpiraten transferiert und kann dessen hohe Gewinnerwartungen, neben hohen Sanktionierungs- und
Verfolgungsrisiken, drastisch reduzieren und dessen Markteintritt verhindern
15.
Häufen sich die Piraterieangriffe in dieser frühen Phase, kann dies auf Seiten des originären Produzenten langfristig zu einem Absinken der Innovationsanreize – welche
eigentlich durch die Rechtsinhaberschaft garantiert werden sollen – führen, weil das
F&E-Risiko durch das Risiko eines Piraterieangriffes erhöht wird. Es besteht die Gefahr, dass die F&E-Investitionen nicht in vollem Umfang durch Erlöse auf dem Absatzmarkt abgegolten werden können.
Die Auswirkungen auf den Konsumentennutzen sind gemäß der Situation auf dem primären und dem sekundären Nachfragemarkt zu differenzieren. Auf dem primären
Markt werden Konsumenten beim Kauf der Produktpiraterie getäuscht; sie gehen davon aus, originäre Produkte des Rechtsinhabers zu erwerben. Sind die gefälschten
Produkte jedoch von minderwertiger Qualität (hinsichtlich der Haltbarkeit, Leistung,
etc.) im Vergleich zur erwarteten Qualität des Originals, so kann sich der Konsumentennutzen erheblich reduzieren. Die niedrigere Qualität der Fälschung kann sich auch
16
in Gesundheits- und Sicherheitsrisiken bei der Nutzung des Produktes manifestieren ,
z.B. im Bereich pharmazeutischer Produkte. Eine mögliche Konsequenz ist es daher,
dass sich die Gesamtnachfrage (nach Originalen) langfristig auf andere weniger piraterieanfällige Substitute mit geringerem Gefährdungspotenzial richtet, was Absatzeinbußen bei den Rechtsinhabern und den Produktpiraten zur Folge haben kann.
15 Angriffe in der frühen Phase erfordern jedoch auch ein umfassendes, produktspezifisches, technologisches Knowhow bzw. die notwendige Lernkompetenz auf Seiten der Produktpiraten. Zudem müssen die Fähigkeiten bzgl. der
Imitationstechnologien (bspw. Nutzung von Imaging-Verfahren) auf einem hohen Niveau angesiedelt sein. Es
kann daher prinzipiell nicht ausgeschlossen werden, dass auch Produktpiraten (inkrementelle) Innovationen am
Originalprodukt leisten oder langfristig selbst zu (radikalen) Innovatoren werden können.
16 In diesem Zusammenhang wird häufig auch von fehlgeleiteten Haftungsansprüchen der Konsumenten gegen den
Originalhersteller berichtet, welche sich jedoch gegen den Produktpiraten richten müssten.
45
Auf dem sekundären Nachfragemarkt spielen die Preispräferenzen bzw. die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten eine zentrale Rolle, vor allem wenn es sich bei den Piraterieprodukten um – relativ zu den Originalen – preiswertere Güter handelt. Ggf. kann
17
mit einem Preisvorteil dabei auch eine minderwertige Qualität und ein höheres Konsumptionsrisiko kompensiert werden. Produktpiraterie kann in diesem Zusammenhang
zu einer verstärkten Preisdifferenzierung der angebotenen Ware führen, was durchaus
den Nutzen für die Konsumenten erhöhen oder ggf. den Erwerb überhaupt erst ermöglichen kann.
Die mikroökonomischen Auswirkungen der Rechtsverletzung lassen auch auf der Ebene der gesamten Volkswirtschaft nachhaltige Effekte vermuten. Betroffen sind u.a. die
nationalen, staatlichen Institutionen (u.a. Behörden und Legislatur), die nationale und
ausländische Nachfrage (also das aggregierte Gesamtvolumen der Konsumenten) und
das jeweilige Angebot (bspw. verschiedene Industriesektoren) und ggf. auch supranationale Institutionen.
Bezieht man sich bei den makroökonomischen Auswirkungen auf eine einzelne Volkswirtschaft, so ist auf Seiten der Rechteinhaber mit sinkenden Absätzen und ggf. auch
Innovationsanreizen (sinkende Ausgaben in F&E) zu rechnen, vorausgesetzt, die inländische Nachfrage nach Originalen wird durch importierte, ausländische Produktpiraterie verringert oder Exportwaren des inländischen Rechtsinhabers werden auf globalen Absatzmärkten kopiert und dessen Rechte verletzt. Ergänzend kann die mangelnde
Rechtsdurchsetzung zu einem elementaren Vertrauensverlust bei den Unternehmen in
die Funktionsfähigkeit des nationalen oder internationalen Rechtssystems (bspw. des
18
Patentrechtssystems ) führen. Kommt es aus diesen Gründen zu einer insgesamt
nachlassenden Innovationsdynamik in einzelnen, durch die Piraterie betroffenen Industriesektoren, so kann dies langfristig auch Auswirkungen auf das angebotsseitig
getriebene Wirtschaftswachstum
19
der Volkswirtschaft haben. Aus kurzfristiger Per-
spektive müssen die nationalen, staatlichen Einrichtungen einen Rückgang des Steuervolumens aus unternehmerischen Tätigkeiten (u.a. Unternehmens- und Umsatzsteuern) erwarten.
17 Eine unternehmensstrategische Schutzmaßnahme kann es daher teilweise sein, mit entsprechenden Preissenkungen die Produktpiraten am Eintritt in den Markt zu hindern bzw. dieses Motiv in eine international aufgestellte
Preisdifferenzierung zu integrieren.
18 Eine mangelnde Durchsetzung senkt die wahrgenommene Qualität des Rechtssystems und kann die Werthaltigkeit
aller bestehenden (auch der nicht durch Verletzung betroffenen) Rechte reduzieren, vergleichbar mit dem sensiblen Phänomen der Geldwertstabilität.
19 Studien über die genaue Größenordnung der Wirkungen auf das Wirtschaftswachstum liegen zum jetzigen Stand der
Forschung nicht vor.
46
Der durch die Piraterie ausgelöste Produktionsrückgang und die damit einhergehenden
Gewinneinbußen auf Seiten der originären Produzenten können zusätzlich zu Arbeitsplatzverlusten in diesen Unternehmen führen und zusätzliche Belastungen der Sozialsysteme der Volkswirtschaft (bzw. des Haushaltsbudgets der staatlichen Institutionen)
zur Folge haben. Soweit die Vertriebslogistik der Produkt- und Markenpiraten in enger
Kooperation mit der organisierten Kriminalität verläuft, also bspw. Schmuggel und andere (menschen-)rechtswidrige Aktivitäten (u.a. Prostitution, Menschen-, Waffen- und
Drogenhandel) damit verbunden sind, kann die Piraterie außerdem zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage für die gesamte Bevölkerung führen. Kriminelle Organisationen (bis hin zu terroristischen Gruppierungen, siehe u.a. den Verfassungsschutzbericht: BMI, 2008) scheinen die Produktpiraterie vereinzelt zur Finanzierung
und zum Ausbau ihrer Strukturen zu nutzen.
Die makroökonomischen Auswirkungen der Marken- und Produktpiraterie auf den in20
ternationalen Güterhandel und Wissenstransfer sowie die Gesamtwohlfahrt aller davon tangierten Volkswirtschaften sind aufgrund der Komplexität der Beziehungen sehr
viel schwieriger zu erfassen und einzuschätzen. Dabei ist es generell von Bedeutung,
in welcher Volkswirtschaft die originären Produzenten und die Produktpiraten beheima21
22
tet sind , aber auch auf welchem technologischen Niveau sich die gehandelten, materiellen und immateriellen Güter befinden bzw. welche Relevanz diese in den betroffenen Industriesektoren und im internationalen Wettbewerb haben. Die Produktpiraterie
kann langfristig dazu beitragen, dass sich Kräfteverhältnisse zwischen konkurrierenden
Ländern hinsichtlich ihrer komparativen Güter- und Wissensausstattung verschieben.
Aus eher kurzfristiger Perspektive verbessert die Piraterieproduktion mitunter das Arbeitsplatzangebot im Territorium der Verletzung – soweit originäre Produzenten und
23
Piraten in unterschiedlichen Ländern positioniert sind – oder kann den Aufholprozess
einzelner Länder durch den technologischen Wissenstransfer beschleunigen. Dagegen
wird die Produktpiraterie aus Sicht ausländischer Investoren zunehmend als Sicher20 Diese Handels- und Wissensströme sind aufgrund der starken Außenorientierung und Offenheit der deutschen
Wirtschaft (Exportvolumen bei Gütern, Dienstleistungen und immateriellen Technologien) von besonderer Bedeutung.
21 Hierbei kann es sich wie bereits oben erwähnt um eine nationale oder internationale Beziehung handeln. Häufig sind
dies Nord-Süd-Konstellationen zwischen Industrie- und Schwellen- oder Entwicklungsländern. Dies ist jedoch
nicht zwangsläufig der Fall. Grundsätzlich verlaufen die internationalen Wissenstransfers zwischen Volkswirtschaften, wenn auch in sehr unterschiedlichem Umfang, zumeist in beiden Richtungen, so wird bspw. in der Herstellung von Medikamenten in Deutschland auf afrikanische Naturheilverfahren zurückgegriffen (das erfolgreiche
Medikament Umckaloabo eines deutschen Herstellers basiert auf der in Afrika beheimateten Kapland-PelargonieWurzel).
22 Das technologische Niveau drückt sich vielfach in dem Typus des gewählten und verletzten Schutzrechtes aus, so
implizieren Patente eher als Marken ein hohes technologisches Niveau. Eine alternative Näherung an das Niveau
erlaubt eine Beschreibung der F&E-Intensität bei der Herstellung.
23 Sind Piraten und Rechtsinhaber in derselben Volkswirtschaft lokalisiert, können sich Beschäftigungseffekte beider
Seiten kompensieren.
47
heitsrisiko bei Exporten und Direktinvestitionen (FDI) wahrgenommen und findet Eingang in die strategische Ausrichtung des globalen Vertriebs und den Internationalisierungsstrategien von Produktions-, vor allem aber auch von sensiblen F&E-Einheiten.
Neben dem potenziellen Rückgang der FDI in den piraterieaktiven Volkswirtschaften
werden die internationalen Beziehungen auf wirtschaftlicher und politischer Ebene
durch die Produkt- und Markenpiraterie zwischen tangierten Ländern möglicherweise
belastet. Es stellen sich damit neue Anforderungen an supranationale Institutionen bei
der Gestaltung von Harmonisierungs- und Schlichtungsprozessen bei derartigen
Schutzrechtsstreitigkeiten (vergleichbar mit TRIPS-Übereinkommen oder bspw. den
24
humanitären Sonderregelungen zu Orphan Drugs ).
Die empirischen Belege zu den Auswirkungen auf mikro- und makroökonomischer,
aber auch nationaler und internationaler Ebene sind, soweit vorhanden und von objektiver Qualität, in Kapitel 3.1.2.beschrieben.
24 Unter orphan drugs versteht man Medikamente, welche aufgrund ihrer Seltenheit für forschenden Arzneimittelhersteller wirtschaftlich uninteressant sind und die daher u.a. über internationale Zulassungserleichterungen gefördert werden.
48
3. Quantifizierung von geistigen Eigentumswerten und Piraterieschäden: Ergebnisse der Sekundärdatenanalyse
Ein Ziel dieses Projektes ist es, eine umfassende Abschätzung der Bedeutung des
geistigen Eigentums für die deutsche Volkswirtschaft sowie eine Gegenüberstellung
des immateriellen und materiellen Eigentums vorzunehmen. Ferner soll eine Abschätzung der durch Produktpiraterie ausgelösten Schäden vorgenommen werden. Beide
Aspekte wurden bereits durch die Analyse bestehender Studien behandelt und werden
im Folgenden mittels einer weiterführenden Sekundäranalyse vorliegender Datenbestände fortgesetzt.
3.1. Makro-ökonomische Quantifizierung der Ausgaben für immaterielles Eigentum in der deutschen Wirtschaft
Der hier genutzte kostenorientierte Ansatz zur Quantifizierung des immateriellen Eigentums der deutschen Wirtschaft folgt der Methodologie von Hulten (1979) bzw. der Erweiterung von Corrado et al. (2005). Die Autoren argumentieren, dass die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung die Investitionen in traditionelle materielle Güter zwar sehr
genau erfasst, aber den immer wichtiger werdenden Teil der immateriellen Güter bisher weitgehend ausgeklammert hat. Dies wird sich zukünftig insofern ändern, als dass
die Revision des Systems der Volkwirtschaftlichen Gesamtrechnung, welche von der
Statistischen Kommission der Vereinten Nationen (United Nations, 2008) vorangetrieben wird, die Berücksichtigung von Ausgaben für Forschung und Entwicklung als immaterielle Investitionen im Rahmen eines Nebenkontos („Satellitenkonto“) vorschreibt.
Ein ähnlicher Gedanke findet sich auch in der aktuellen Diskussion um das deutsche
Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz wieder, durch welches die immateriellen Vermögensgüter einen stärkeren Eingang in die betriebliche Rechnungslegung bekommen
sollen. Corrado et al. (2005) schlagen daher eine Erfassung der Ausgaben für immaterielle Vermögensgüter vor. Sie entwickeln eine Kategorisierung, die weiter unten näher
definiert wird. Weiterhin stellt sich die Frage, ob die monetären Aufwendungen der Unternehmen als Ausgaben mit der Wirkung einer sofortigen Gewinnminderung in der
Gewinn- und Verlustrechnung behandelt werden sollten. Die alternative Sichtweise
würde implizieren, dass zumindest mit einem Teil der Ausgaben für Intangibles eine
längerfristige Nutzung verbunden ist und sie daher eher als Investitionen in immaterielle Vermögensgüter zu sehen sind. Diese „intertemporale“ Sichtweise führt dazu, dass
für die empirische Analyse ein Zeitrahmen gesetzt werden muss. Wenn ein Ausgabenposten tatsächlich über diesen Zeitrahmen hinaus von wirtschaftlichem Nutzen für ein
Unternehmen ist, können die Ausgaben nicht als konsumtiv, sondern als Investition in
immaterielle Vermögensgüter aufgefasst werden. Um eine Vergleichbarkeit zwischen
49
verschiedenen Studien zu gewährleisten, folgen wir bzgl. der getroffenen Annahmen
der Studie für die Vereinigten Staaten (Corrado et al., 2005) sowie den Folgeuntersuchungen für Großbritannien (Marrano und Haskel, 2006), Japan (Fukao et al., 2007),
Finnland (Jalava et al., 2007) und die Niederlande (van Rooijen-Horsten et al., 2008).
Corrado et al. (2005) schlagen eine Kategorisierung der Ausgaben für Intangibles in
drei große Gruppen vor: „Informations- und Kommunikationstechnologie“, „Innovationskapital“ (wissenschaftliche oder sonstige Forschungsarbeit) und „Marken-, Humanund Strukturkapital“ (siehe auch Tabelle 3.1). Jeder dieser Bereiche wird im Folgenden
vorgestellt und mit Daten für die deutsche Volkswirtschaft hinterlegt. Der zeitliche Bezugsrahmen wird auf das Jahr 2004 gelegt, da die benötigten Datenbestände für aktuellere Jahre teilweise nicht vorliegen.
Tabelle 3.1 Kategorisierung der Ausgaben für immaterielles Eigentum nach Corrado et
al. (2005)
Informations- und Kommunikationstechnologie
Ausgaben für Software (erworben)
Ausgaben für Software (selbst erstellt)
Datenbanken
Innovationskapital
Wissenschaftliche Forschungs- und Entwicklungsausgaben
Suchbohrungen
Ausgaben für Copyright und Lizenzen
Weitere Ausgaben für Produktentwicklung, Design, kreative Forschung
Neuproduktentwicklung Finanzsektor
Designarbeit Architektur/Ingenieurwesen
F&E Sozial- und Geisteswissenschaften
Marken-, Human- und Strukturkapital
Marketing
Ausgaben für Werbung
Ausgaben für Markt- und Meinungsforschung
Humankapital
Ausgaben für betriebliche Weiterbildung (direkt)
Ausgaben für betriebliche Weiterbildung (indirekt)
Strukturkapital
Ausgaben für organisatorische Verbesserungen (erworben)
Ausgaben für organisatorische Verbesserungen (selbst erstellt)
50
zu 1. Informations- und Kommunikationstechnologie
Im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie werden nach Corrado et al.
(2005) die Ausgaben für erworbene sowie selbst erstellte Software erfasst sowie ein
weiterer Posten für Datenbanken addiert. Dies wird als immaterieller Vermögenswert
gesehen, da Software als Wissen in Form von Computerprogrammen betrachtet wird
und die Bedeutung von Wissen für das einzelne Unternehmen und die Volkswirtschaft
nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Bei der Schätzung für Deutschland kann
auf die Studie „Aufwendungen und Investitionen für Informations- und Kommunikationstechnologie“ des Statistischen Bundesamtes zurückgegriffen werden (Feuerhake
und Bundil, 2007). Die hier ermittelten Ausgaben für Software im Jahr 2004 addieren
sich auf 8,1 Mrd. Euro. Die Integration der selbst erstellten Software erweist sich als
schwierig. Als gangbaren Weg empfiehlt die OECD (2003) die Annäherung über die
Gehaltssumme von Personen, die mit Softwareentwicklung befasst sind. Als Anhaltspunkt nennt die OECD, dass ca. ein Drittel aller Investitionen in Software durch die
eigene Produktion entsteht (OECD, 2003, S.69). Diese Größe wird zunächst verwendet, um die selbst erstellte Software zu integrieren, so dass weitere 4,05 Mrd. Euro
einbezogen werden. In der Summe ergeben die Ausgaben für erworbene und selbst
erstellte Software ca. 12,15 Mrd. Euro. Ein zweiter Bereich umfasst Ausgaben für Informationstechnologie in Form von Datenbanken. Aus den Umsätzen der Wirtschaftszweige Datenverarbeitungsdienste und Datenbanken (Wirtschaftszweige 74.3 und 72.4
nach der Wirtschaftszweigklassifikation, Ausgabe 2003) ergeben sich Werte von 10,7
Mrd. bzw. 0,94 Mrd. Euro, in der Summe also ca. 11,64 Mrd. Euro. Analog zum Vorgehen bei Software wird für selbst erstellte Datenbanken ein Drittel an allen Ausgaben für
Datenbanken kalkuliert, so dass der Endwert bei ca. 17,64 Mrd. Euro liegt. In der
Summe belaufen sich die nach der vorgestellten Methode geschätzten Ausgaben „Informations- und Kommunikationstechnologie“ auf ca. 29,79 Mrd. Euro, was einen Prozentsatz von 1,35% des Bruttoinlandsproduktes 2004 ergibt. Die relativen Vergleichszahlen für Großbritannien und die USA liegen in vergleichbarer Höhe bei 1,7% bzw.
1,65%.
Aus dem Unterkonto der VGR „Sonstige Vermögensgüter“, das laut Statistischem
Bundesamt (Statistisches Bundesamt, 2007b) die Kategorien Computerprogramme,
Urheberrechte, Suchbohrungen, Nutztiere und -pflanzungen sowie Grundstückübertragungskosten beinhaltet, konnten die Ausgaben für Software nicht isoliert werden, so
dass auf andere Daten zurückgegriffen werden musste. Des Weiteren werden die Ausgaben für Urheberrechte schon in anderen Bereichen erfasst, so dass aus Gründen
der Vermeidung von Doppelzählungen diese nicht nochmals einbezogen werden dürfen. Das Statistische Jahrbuch 2007 weist für das Jahr 2004 einen Gesamtwert für
51
immaterielle Vermögensgüter von 24,87 Mrd. Euro aus – ein Wert also, der eine ähnliche Größenordnung wie der hier geschätzte Betrag hat.
zu 2. Innovationskapital
Der Bereich Innovationskapital besteht aus den Posten „Forschung und Entwicklung“,
die typischerweise zu Patenten, Copyrights oder entsprechenden Lizenzerträgen führen, sowie nicht-wissenschaftliche Forschungs-, Design- und Produktentwicklungsarbeit, die nicht unbedingt zu einem Patent oder einem ähnlichem Schutzrecht führt. Im
Bereich „Wissenschaftliche F&E“ werden für das Jahr 2004 von Eurostat Gesamtaufwendungen im Unternehmensbereich von 38,3 Mrd. Euro geschätzt. Marrano und
Haskel (2006) reduzieren diesen Posten um die Ausgaben in der Softwarebranche, um
eine Doppelzählung mit den Ausgaben für selbst erstellte Software zu vermeiden. Dies
ist allerdings mit den Daten über F&E-Aufwendungen von Eurostat nur indirekt möglich, da für die Branche Datenverarbeitung und Datenbanken (WZ K72) keine Daten
vorliegen. Alternativ werden hier die internen Ausgaben für den gesamten Wirtschaftszweig k („Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen,
Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen“; 2,562 Mrd.) abgezogen, wobei die verfügbaren Ausgaben in k73 (Forschung & Entwicklung; 774 Mill.) und
im k74 (Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen; 453 Mill.) in
einem zweiten Schritt wieder addiert werden. Der Betrag reduziert sich hier also auf
36,96 Mrd. Euro. Dies entspricht 1,68 % des deutschen BIP (Großbritannien 1,1%,
USA 1,98%) Da die F&E-Intensität für Deutschland eher auf dem Niveau der USamerikanischen als der englischen Wirtschaft liegt, erscheint dieser Wert plausibel.
Corrado et al. (2005) addieren hierzu noch F&E-Daten für den Bergbausektor. Dies ist
jedoch bei der hier verwendeten Erhebung nicht nötig, da dieser Sektor im Gegensatz
zur amerikanischen F&E Erhebung schon enthalten ist. Eine weitere Addition der Werte würde eine doppelte Zählung bedeuten.
Der folgende Posten innerhalb des Innovationskapitals bezieht sich auf die Ausgaben
für die Produktion von Gütern, die typischerweise Einnahmen über Copyrights oder
Lizenzerträge liefern. Diese liegen vor allem in den Branchen Verlagswesen sowie
Film- oder Musikproduktion. Die beiden Vorreiterstudien für die USA und England haben hier unterschiedliche Ansätze. Corrado et al. (2005) nutzen die Ausgaben in der
Filmproduktion und bewerten die anderen Bereiche mit einem Betrag in ähnlicher Höhe, Marrano et al. (2006) benutzen Daten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Hier wird aus zwei Gründen ersterem Ansatz gefolgt: Zum einen geben die vorliegenden Daten aus der VGR lediglich Aufschluss über Ausgaben für Investitionen, die
als materielles Vermögen gesehen werden (Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung), zum anderen würde ein Vorgehen nach Marrano et al. unplausibel hohe
52
Ausgaben von 16,72 Mrd. Euro liefern, während die absoluten Ausgaben für USA und
Großbritannien sich lediglich auf ein Fünftel davon belaufen. Daher werden analog zu
Corrado et al. (2005) die Ausgaben für Filmproduktionen von 565 Mill. Euro herangezogen und mit dem Faktor zwei multipliziert, um die Bereiche Musikproduktion, Verlagswesen etc. zu berücksichtigen.
Ein weiterer Posten umfasst die Neuproduktentwicklung im Finanzsektor sowie Designarbeit in den Branchen Architektur und Ingenieurwesen (WZ 74.2). Bezüglich des
ersteren Postens ist zu beachten, dass die oben einbezogene Summe für F&E im Unternehmenssektor sich auf F&E nach der Definition des Frascati Manuals bezieht. Das
heißt, dass nicht nur streng wissenschaftliche Forschung relevant ist, sondern explizit
auch Ausgaben z.B. für mathematische Methoden zur Risikoanalyse oder ähnliches.
Damit ist klar, dass eine zusätzliche Addition von Ausgaben im Finanzsektor eine Doppelzählung bedeuten würde und keine weiteren Beträge einbezogen werden sollten.
Allerdings besteht die Möglichkeit, dass die F&E Ausgaben hier unterschätzt werden,
da über das Frascati Manual lediglich F&E-Aktivitäten zählen, die „auf einer systematischen Grundlage“ durchgeführt werden. Im Finanzsektor wird F&E jedoch unter Umständen eher ad-hoc durchgeführt und damit nicht erfasst.
Für die Branchen Architektur und Ingenieurwesen (WZ 74.2) ziehen Corrado et al.
(2005) und auch Marrano und Haskel (2006) die Hälfte des entsprechenden Branchenumsatzes heran und korrigieren für Softwarekäufe, Consulting-Dienstleistungen,
Werbung etc. Die vorliegenden Daten der Input-Output-Rechnung liefern keine Aufschlüsselung der Kategorie 74, so dass die Services für Werbung und Beratung, die in
Sektor 74.2. geleistet wurden, nicht exakt abgezogen werden können. Die Anpassung
wird somit unterlassen, zumal die Größenordnung auch in den Berechnungen von Marrano et al. nicht allzu sehr ins Gewicht fallen (20 Mrd. Euro gegenüber 21,4 Mrd. Euro).
Somit wird für Deutschland 50% des Umsatzes von 31,03 Mrd. Euro angesetzt, also
ca. 15,51 Mrd. Euro.
Für Wirtschaftszweig 73.2. „Forschung und Entwicklung in Rechts-, Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften sowie Sprach-, Kultur- und Kunstwissenschaften“ benutzen Marrano und Haskel den Umsatz aus dem WZ 73.2 und verdoppeln diesen, um interne
Forschung zu berücksichtigen (Endwert: ca. 580 Mill. Euro). Prinzipiell ist dieser Posten Bestandteil der oben einbezogenen F&E-Ausgaben nach dem Frascati Manual und
damit bereits berücksichtigt. Allerdings wurde dort lediglich auf den Unternehmenssektor Bezug genommen. Nachdem Sozial- und Geisteswissenschaften primär in Institutionen des öffentlichen Sektors passieren, wird ein Betrag von 958 Millionen Euro einbezogen, der sich aus den Angaben für Forschungsausgaben in Sozial- und Geisteswissenschaften des statistischen Jahrbuch 2007 (S. 158) ergibt.
53
Die Summe für den gesamten zweiten Bereich „Innovationskapital“ beläuft sich damit
auf 54,73 Mrd. Dies entspricht 2,49% des BIP in Deutschland. (3,23% für Großbritannien, 4,57 % für die USA)
zu 3. Marken-, Human-, und Strukturkapital
Der letzte große Ausgabenblock umfasst die Bereiche Marken-, Human-, und Strukturkapital. Zur Bedeutung von Markenrechten für den Erfolg eines Unternehmens wurde
bereits weiter oben Stellung genommen, aber auch die Fähigkeiten und Kompetenzen
der Mitarbeiter eines Unternehmens bzw. die Effizienz organisatorischer Abläufe stellen wertvolle immaterielle Vermögensgüter dar.
Bezüglich des ersten Blocks (Markenkapital) werden Daten zu den Ausgaben für Werbung und Markt-/Meinungsforschung aus dem Projektbericht Dienstleistungsumsätze
nach Arten 2004 (Statistisches Bundesamt, 2007a) entnommen. Insgesamt hatte der
WZ 74.40 (Werbung) im Jahr 2004 einen Umsatz von 16,4 Mrd. Euro (enthalten sind
Verkauf und Leasing von Werbeflächen und -zeit, Planung, Gestaltung und Platzierung
von Werbung und sonstige mit Werbung verbundene Leistungen). Um die Plausibilität
zu überprüfen, wurden auch die Bruttowerbeinvestitionen, ermittelt von Nielsen Media,
herangezogen. Diese weisen für 2004 einen Wert von 18,043 Mrd. Euro auf, also einen
vergleichbaren Wert. Die Umsätze in den Bereichen Markt- und Meinungsforschung
liegen laut Statistischem Bundesamt (Statistisches Bundesamt, 2007a) bei ca. 1,62
Mrd. Euro, eine Verdopplung für in-house erstellte Leistungen analog zu den Studien
für Großbritannien und die USA liefert hier also 3,24 Mrd. Insgesamt liegt der Wert für
Werbung und Markt-Meinungsforschung bei 19,67 Mrd. Euro, dies entspricht 0,9 % des
Bruttoinlandproduktes (BIP) (US. 2,3; UK 1,2%)
Die Ausgaben der Unternehmen für die Fortbildung ihrer Mitarbeiter, also das firmenspezifische Humankapital eines Betriebs, wird in der hier verwendeten Methode über
Weiterbildungsaktivitäten der Unternehmen angenähert. Hier sind jedoch nicht nur die
direkten Kosten, etwa Kursgebühren oder das Gehalt der Lehrenden, sondern auch
indirekte Kosten zu berücksichtigen. Dazu zählen die Opportunitätskosten, also der
Betrag, der den Unternehmen dadurch entgangen ist, dass die Teilnehmer während
der Weiterbildungsveranstaltung nicht ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen können.
Bezüglich der Datenlage zu Weiterbildung kommt zunächst die internationale Studie
Community Vocational Training Survey (CVTS) in Frage. Auch Marrano und Haskel
(2006) ziehen diese in Betracht, benutzen aber für ihre Berechnungen Daten aus einer
englischen Arbeitgeberbefragung. Da der CVTS keine Daten für 2004 bereitstellt, eine
zu enge Weiterbildungsdefinition (nämlich nur formelle Lehrveranstaltungen und nicht
informelles Lernen am Arbeitsplatz) verwendet wird und er sich zudem nur auf Unter-
54
nehmen mit mindestens 10 Mitarbeitern bezieht, wird auch in der vorliegenden Untersuchung auf eine andere Datenquelle zurückgegriffen (Werner, 2006). Die Studie beziffert die Kosten für Weiterbildung im Jahr 2004 auf rund 26,8 Mrd. (9,1 Mrd. direkte und
17,6 Mrd. indirekte Weiterbildungskosten). Dies entspricht 1,2% des BIP, Marrano und
Haskel haben für Großbritannien 2,45% kalkuliert. Gemessen am BIP hätte Deutschland also für Weiterbildung nur halb so viele Ausgaben getätigt. Zur Plausibilitätsprüfung wurde überprüft, ob sich dieses Verhältnis auch im CVTS nachvollziehen lässt.
Bei Betrachtung des Indikators „Weiterbildende Unternehmen an allen Unternehmen“
liegt Deutschland hinter England mit 69% gegenüber 90% für das Jahr 2005 zurück
und auch beim Indikator „Erwachsenenbeteiligung an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen“ (7,4% gegenüber 29,4%) hat Deutschland nur einen Platz im europäischen
Mittelfeld und liegt hinter England zurück. Die beiden Befunde lassen die festgestellten
Unterschiede zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich also plausibel
erscheinen.
Der letzte Punkt in diesem Posten bezieht sich auf Ausgaben, die für organisatorische
Verbesserungen im Unternehmen getätigt werden und daher als Investitionen in das
Strukturkapital von Betrieben aufgefasst werden können. Analog zu Marrano und
Haskel (2006) wird die Wertschöpfung des Wirtschaftszweiges 74.14 (Unternehmensund Public Relationsberatung) aus der Erhebung zu Dienstleistungsumsätzen herangezogen, bereinigt um den Anteil für „Public Relations“ (7,3%), um eine Doppelzählung
mit dem Abschnitt „Werbung“ zu vermeiden. Daraus ergibt sich ein Wert von 8,73 Mrd.
Euro. Für die selbst erstellten Leistungen in diesem Bereich ziehen Marrano und
Haskel (2006) die Einkommen leitender Angestellter in der Privatwirtschaft heran und
gehen anschließend auf Basis von Befragungen davon aus, dass diese 20% ihrer Zeit
mit dem Aufbau organisatorischer Strukturen verbrauchen. Die Datenlage für Verdienste in Deutschland ist für die relevante Gruppe (Senior Managers/leitende Angestellte)
etwas schwach, da diese (in der VGR so genannte Leistungsgruppe I) in der regelmäßigen Verdiensterhebung nicht enthalten ist. Es kann alternativ auf die Gehalts- und
Lohnstrukturerhebung zurückgegriffen werden, diese wird jedoch nur in mehrjährigen
Abständen durchgeführt. Für die letzte Erhebung für das Jahr 2001 existiert nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes eine Gliederung nach Leistungsgruppen jedoch
nur für Arbeiter und das frühere Bundesgebiet. Daher wird hier die Arbeitnehmerstatistik nach Ausbildungsstand herangezogen, wobei die Arbeitnehmer mit (Fach-) Hochschulabschluss als die hier relevante Gruppe aufgefasst werden. Es errechnet sich ein
Wert von 72,58 Mrd. Euro. Corrado et al. (2005) und Haskel und Marrano (2006) argumentieren, dass ca. ein Fünftel der Zeit der Senior Managers für die Entwicklung
besserer organisatorischer Abläufe verwendet wird. Dies bedeutet für Deutschland
einen relevanten Betrag von 14,51 Mrd. Euro. Die Berechnung für erworbene und in-
55
tern durchgeführte („selbst erstellte“) Verbesserungen der Organisationsstruktur von
Unternehmen liefert in der Summe einen Betrag von 23,25 Mrd. Euro. Relativ zum BIP
ergibt sich damit für Deutschland ein Prozentsatz von 1,06 % (Großbritannien 1,92%,
USA 3,13%).
Wie weiter oben dargelegt, wird von den ermittelten Gesamtausgaben für immaterielles
Eigentum von 154,04 Mrd. Euro nur der Teil als Investition angesehen, der über einen
längeren Zeitraum – meist wird der Zeitraum 24 Monate genannt – wirtschaftlichen
Nutzen stiftet. Gemäß den Annahmen von Corrado et al. (2005) wird davon bei 60%
der Ausgaben für Marketing, 80% der selbst durchgeführten organisatorischen Umstrukturierungen und 100% der anderen Ausgaben ausgegangen. Diese Berechnung
ergibt eine Investitionssumme in immaterielle Güter von 143,4 Mrd. Euro (6,51 % des
BIP). Die Daten für Großbritannien liegen bei ca. 10% des BIP, die der USA bei 11,7%.
Es zeigt sich, dass Deutschland auf Basis der hier getätigten Berechnungen bei den
Investitionen in Intangibles einen eher geringen Wert aufweist. Allerdings ist auf Grund
der allgemeinen Schwierigkeiten in der Quantifizierbarkeit von Intangibles, den teilweise unterschiedlichen Datengrundlagen sowie den getroffenen Annahmen eine gewisse
Vorsicht in der Interpretation angebracht. So hat beispielsweise Deutschland einen
relativ aktiven öffentlichen Sektor, der in den Berechnungen zumeist außen vor gelassen wird und für eine Verzerrung nach unten sorgt. So ermitteln z.B. Hao und Manole
(2008) unter Einbeziehung der öffentlichen Hand eine Steigerung der Ausgaben für
Intangibles um ca. einen Prozentpunkt. Des Weiteren ist es möglich, dass Ausgaben
für Forschung im Finanzsektor unterschätzt wurden, da „ad-hoc“-, also nichtsystematische Forschung nicht berücksichtigt wurde, potentiell aber eine große Rolle
spielen könnte. Zudem ergeben sich die größten Unterschiede bei den Ausgaben für
Copyrights und Lizenzen, bei denen eine eher grobe Schätzung vorgenommen werden
musste. Im Block „Marken-, Human- und Strukturkapital“ zeigen sich ebenfalls Diskrepanzen So ergeben die ermittelten Ausgaben für Marketing lediglich etwa die Hälfte
der Ausgaben in England und weniger als ein Drittel der US-Werte. Auch bei den Ausgaben für Strukturkapital zeigt sich ein ähnliches Muster. Zusammenfassend lässt sich
also sagen, dass im internationalen Vergleich ein etwas geringerer Betrag für Intangibles ausgegeben wird, dieser aber hauptsächlich außerhalb der klassischen „engen“
Definition von Forschung und Entwicklung begründet ist.
Zum Abschluss dieses Kapitels soll noch auf das Verhältnis der Investitionen in Intangibles und Tangibles eingegangen werden. Bei einem Vergleich mit den in der VGR
erfassten Investitionen der nicht-staatlichen Sektoren in materielle Güter von 219,80
Mrd. Euro (Ausrüstungs- und Nichtwohnbauinvestitionen), bei denen der in der VGR
erfasste Teil der immateriellen Anlagen außen vor bleibt, wird die Bedeutung immate-
56
rieller Güter ein weiteres Mal deutlich: Bei einer Berücksichtigung der immateriellen
Güter bei der Berechnung der Investitionen in der VGR, ergäbe sich ein um fast 70%
höherer Wert der Investitionssumme. Aufgrund der erwähnten Mess- und Datenprobleme ist jedoch nicht zu erwarten, dass das statistische Bundesamt bzw. Eurostat die
Intangibles nach der hier angewandten Methode in das offizielle Kontensystem überführen wird. Lediglich die Ausgaben für Forschung und Entwicklung werden vorrausichtlich Eingang in die Statistik finden, sei es auch nur als Nebenkonto („Satellitenkonto“) zur offiziellen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Nach vorläufigen Ergebnissen geht das Statistische Bundesamt (2008) dabei davon aus, dass eine Berücksichtigung von F&E-Ausgaben nach der geplanten Überarbeitung des Kontensystems der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (United Nations, 2008) die Bruttoinvestitionen
um ca. 17,6% ansteigen ließe. Laut Statistischem Bundesamt (2008) wird an einer weiteren Verbesserung der Datengrundlagen für das F&E-Satellitenkonto gearbeitet, um
mittelfristig – wie z.B. in den USA bereits geschehen – finale Versionen zu veröffentlichen, welche dann in das System der Hauptkonten der VGR einfließen können.
57
Tabelle 3.2. Übersicht über die Ausgaben für geistiges Eigentum in Deutschland bzw.
Großbritannien und den USA (Quelle: eigene Berechnungen, sowie Corrado (2005) und Marrano und Haskel (2006))
D
Quelle
Ausgaben
(Mrd Euro)
In Prozent Ausgaben
des BIP
(Mrd. Pf.)
2004 (BIP:2207,20 Mrd Euro)
Informations- und Kommunikationstechnologie
Ausgaben für Software:
erworben
Ausgaben für Software:
selbst erstellt
Schätzung nach OECD
Datenbanken
VGR
DESTATIS
Summe IKT
UK
In Prozent
des BIP
US
Ausgaben(Mrd. In Prozent
$)
des BIP
2004
1998-2000
8,1
0,37%
7,5
0,64% n/a
n/a
12,4
1,06% n/a
n/a
1,70%
154
4,05
0,18%
17,64
0,80%
29,79
1,35%
19,8
36,96
1,68%
12,4
1,06%
184
1,98%
-
-
0,4
0,04%
18
0,19%
1,3
0,06%
2,4
0,21%
75
0,81%
-
-
8,0
0,69%
74
0,79%
15,51
0,70%
14,0
1,20%
68
0,73%
0,96
0,04%
0,4
0,03%
7
0,08%
54,73
2,49%
37,6
3,23%
426
4,57%
16,43
0,75%
14
1,20%
217
2,33%
1,65%
Innovationskapital
F&E
Eurostat
Suchbohrung
Ausgaben für Copyright
und Lizenzen
WFPS
Weitere Ausgaben für Produktentwicklung, Design,
Forschung
Neuproduktentwicklung
Finanzsektor
Designarbeit Architektur/Ingenieurwesen
DESTATIS
F&E Sozial- und Geisteswissenschaften
DESTATIS
Summe Innovationskapital
Marken-, Human- und Strukturkapital
Marketing
Ausgaben für Werbung
Ausgaben für Markt- und
Meinungsforschung
DESTATIS
DESTATIS
Summe Marketing
Humankapital
Ausgaben für betriebliche
Weiterbildung (direkt)
Ausgaben für betriebliche
Weiterbildung (indirekt)
IW Weiterbildungserhebung
IW Weiterbildungserhebung
Summe Humankapital
Strukturkapital
Ausgaben für organisatorische Verbesserungen
(erworben)
Ausgaben für organisatorische Verbesserungen
(selbst erstellt)
DESTATIS
3,24
0,15%
4,5
0,39%
19
0,20%
19,67
0,89%
18,5
1,59%
236
2,53%
9,1
0,41%
14,8
1,27%
22
0,24%
17,6
0,80%
13,6
1,17%
94
1,01%
26,7
1,21%
28,5
2,45%
116
1,25%
8,73
0,40%
7
0,60%
81
0,87%
14,52
0,66%
15,3
1,31%
210
2,26%
Summe Strukturkapital
23,25
1,06%
22,3
1,92%
291
3,13%
Summe Marketing, Human- und Strukturkapital
69,62
3,16%
69,3
5,95%
643
6,91%
154,14
143,37
7,00%
6,51%
126,7
116,3
10,83%
10%
GESAMT (Ausgaben)
davon Investitionen in geistiges Eigentums
1223
13,13%
1012,5 ca. 11%
58
3.2. Datenerhebung und Schätzverfahren zu Verletzungen geistiger Eigentumsrechte
Der gegenwärtige Stand der Datenerhebung und die bestehenden Schätzverfahren zur
Bemessung der Verletzungsschäden durch Marken- und Produktpiraterie sind aus
Sicht der Wissenschaft noch in einem sehr unausgereiften und sukzessive zu verbessernden Anfangsstadium.
Eine kontinuierliche Erhebung der Aufgriffszahlen der Produkt- und Markenpiraterie bei
Grenz- oder Messekontrollen wird vor allem von den nationalen und supranationalen
Zollinstitutionen bzw. -netzwerken (u.a. EU, World Customs Organization (WCO)) geleistet. Dabei werden Daten über den Wert, das Volumen, den Ort des Aufgriffs, den
verletzten Schutzrechtstyp und die Herkunft der Waren durch die Zollbehörden aufgenommen und die gefälschten Waren anschließend meist zerstört. Die Behörden agieren in diesem Zusammenhang eigenständig im Rahmen regelmäßiger Stichproben
bzw. Kontrollen der eingeführten Waren, oder aber auf Antrag auf Beschlagnahmung
durch den Rechtsinhaber und nach Hinweisen Dritter.
Konsumenten- und Unternehmensbefragungen auf Seiten der Rechtsinhaber und ggf.
(in anonymisierter Form) auf Seiten der Rechtsverletzter oder Befragungen staatlicher
Einrichtungen zu dieser Thematik werden zumeist durch (forschungsnahe und zumeist
privatwirtschaftliche) Beratungen, Verbände und / oder politische Institutionen – häufig
mit eigenen Rechtsdurchsetzungsinteressen oder juristischer Motivation – auf nationaler bzw. internationaler Ebene durchgeführt, in seltenen Fällen auch auf Seiten der
Wissenschaft. In den nachfolgenden Abschnitten soll vor allem auf Studien und öffentliche Daten Bezug genommen werden, welche die Betroffenheit und Situation Deutschlands hinsichtlich des Umfangs der Produkt- und Markenpiraterie verdeutlichen. Dazu
gehören einige industriespezifische Studien deutscher Verbände, aber auch Studien
zur Situation auf der EU-Ebene und aus globaler Perspektive. Soweit andere Länderstudien (u.a. USA) herangezogen werden, sind diese zumeist aus Sicht der Methodik
für die weitere Untersuchung von Interesse oder stellen einen Meilenstein in der Erforschung und Schätzung des Pirateriephänomens dar. Tabelle 3.2 fasst bestehende Datenbanken
und
aktuelle
Studien
in
einer
kurzen
Übersicht
zusammen.
59
Tabelle 3.3. Zusammenfassung von Studien und Datenbanken zu Produkt- und Markenpiraterie (Quelle: eigene Darstellung)
Veröffentlichte Studien
Institutionentypus
(inter-)
governmental body &
business network
Beschreibung und Konzeption der Erhebungen
oder Schätzungen
Aufkommens- und Schadensschätzungen
Jahr
Referenz
Schadenshöhe bei etwa $ 350 Mrd., d.h. 5-7%
des Welthandels
1997
(OECD, 1998) im Auftrag der International
Chamber of Commerce (ICC)
Schadenshöhe (ohne digitale Piraterie) bei
etwa $ 200 Mrd.
2005
(OECD, 2007)
(inter-)
governmental body
Integrativer Schätzansatz (Unternehmens-, Konsumentenbefragung und Befragung der Zollbehörden),
siehe Referenzen im Text
1999
(WHO, 1999)
(inter-)
governmental body
Stichprobenkäufe und anschließende Laboruntersuchungen in Industriesektoren einzelner Länder
US-Jahresbericht zu Zollstatistiken, generell Aufgriffsdaten 2003 bis 2007 verfügbar
Durchschnittswert gemäß EU- und USZollstatistiken
governmental
body
(inter-)
governmental bodies
Primärdaten: Aufgriffszahlen- und orte, Herkunftsländer, Produktgruppen, Art der Schutzrechtsverletzung
Primärdaten: Aufgriffszahlen- und orte, Herkunftsländer, Produktgruppen, Art der Schutzrechtsverletzung
1982,
1988 und
1996
US International Trade Commission, congressional hearings
governmental
body
k.A.
1999,
2000 und
2002
Centre of Economic and Business Research (CEBR), the economic impact of
Counterfeiting in selected industries of the
EU / UK economy, 1999 and 2000 & Final
report for the European Commission
Counterfeiting Counterfeits: defining a
method to collect, analyse and compare
data on counterfeiting and piracy in the
single market, 2002
economic consultancy
Mikroökonomischer Einfluss auf Unternehmensgewinne und makroökonomische Auswirkungen auf BIP und
Beschäftigung (Schätzmodelle) in UK und EU auf
Grundlage mehrerer Unternehmensbefragungen (vor
allem Fokus auf Markenverletzungen);
Siehe Beschreibung im Text
Gefälschte pharmazeutische Produkte können
10-60 % des Marktangebots in einzelnen
Ländern ausmachen, dabei waren die Inhaltsstoffe in 97% der Testfälle nicht korrekt
Anstieg des US-Warenwertes um 47% (von
$94 auf 138 Mio.)
Zentrales Herkunftsland ist China mit 67 %
aller sichergestellten Waren
Verluste durch Produkt- und Markenpiraterie in
1982 bei $ 5,5 Mrd., 1988 bei $ 60 Mrd. und in
1996 bei $ 200 Mrd.
Reduzierung des EU-BIP um 8 Mrd. € per
annum und Arbeitsplatzverluste von 17.000
Stellen (bezogen auf 4 Produktgruppen: Bekleidung und Schuhe, Kosmetik und Parfüm,
Spielzeug und Sportartikel, pharmazeutische
Produkte)
Tabelle 3.3. (Fortsetzung)
Veröffentlichte Studien
2003
2004
-
2004
Siehe Referenzen im Text
60
Aufkommens- und Schadensschätzungen
Jahr
Referenz
Institutionentypus
Beschreibung und Konzeption der Erhebungen
oder Schätzungen
In 2007-Studie sind 67% der deutschen Unternehmen von Produkt- und Markenpiraterie
betroffen, 18% der Befragten melden Umsatzrückgänge von mehr als 10%
2005
2008
Verband Deutscher Maschinen-und Anlagenbauer e.V.(VDMA, 2007), Studien
Business network
Unternehmensbefragung der Verbandsmitglieder mit
226 antwortenden Unternehmen in 2007
Business network
Unternehmensbefragung der Verbandsmitglieder mit
etwa 650 antwortenden Unternehmen (92% KMU) in
2007
Business network
Siehe Referenzen im Text
Business network
k.A.
Business network
-
Business network
Komplementäre-Güter-Schätzansatz; siehe Beschreibung im Text
media
k.A.
Deutsche Zollbehörden, Stelle für Gewerblichen Rechtsschutz
governmental
body
EU Taxation and Customs Union database,
(inter-)
governmental body
Weltzollorganisation (WCO) Database
(inter-)
governmental body
Primärdaten: Aufgriffszahlen- und orte, Herkunftsländer, Produktgruppen, Art der Schutzrechtsverletzung
Primärdaten: (verpflichtende Erhebung) Individual
member states and aggregate seizure data, Aufgriffszahlen- und orte, Herkunftsländer, Produktgruppen,
Art der Schutzrechtsverletzung
Primär- und Insiderdatenaustausch: keine Länderverpflichtung für Beteiligung an Datenerhebung
Etwa 40% (20%) der (nicht) in China engagierten Befragten sind betroffen von Produkt- und
Markenpiraterie
2007
Länderranking zur Qualität der jeweiligen
Intellectual property (IP)-Systeme
2007
Warenwert $ 450 Mrd., ~9% des Welthandels,
Steuereinbußen der staatlichen Behörden bei
$ 75 Mrd.
Zusammenhang zwischen Produktpiraterie und
terroristischen Netzwerken
In 2003 Unternehmensverluste durch Software
Piracy global bei $ 28 Mrd.
Warenwert der Piraterieprodukte von $ 600
Mrd., (geschätzte Aufgriffsraten von max. 10%)
Bestehende Datenbanken
Deutscher
Industrieund
Handelskammertag (DIHK) und Aktionskreis Deutsche Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM, 2008)
Business Action to Stop Counterfeiting and
Piracy (BASCAP, ICC initiative), survey
findings report 2007 (ICC, 2007)
Global Business Leaders Alliance against
Counterfeiting (GBLAAC), backgrounder
document 2003
International Anti-Counterfeiting Coalition
(IACC, 2005), white paper 2005
Business Software alliance (BSA), Annual
BSA and IDC Global Software Piracy
Studies, hier 2004-Studie
Herald Tribune, “Counterfeiting is out of
control“, 13.5.2005
2000
20042007
2005
Siehe Abbildungen
1994
2007
bis
Siehe Abbildungen
2000
2006
bis
behördeninternes Customs Enforcement Network (CEN) für nationale Zollbehörden
-
61
Generell muss bei fast allen Studien bemängelt werden, dass oftmals die Schätzverfahren des Produkt- und Markenpiraterieaufkommens, aber auch bereits die Erhebungsverfahren, bspw. für die Konsumentenbefragung, nur sehr unzureichend beschrieben bzw. nicht in transparenter Weise dargestellt sind. Dabei wird die Subjektivität der Antwortenden bei den Auswahlprozessen im Rahmen des Samplings und bei
der Validitätsprüfung der zu erhebenden Daten häufig nicht ausreichend berücksichtigt.
Es können also bspw. bewusst falsche, strategische Antworten gegeben werden, um
die eigene Reputation nicht zu gefährden oder eher lobbyistische Interessen zu vertreten. Die nachfolgenden Absätze sollen klären, was präzise gemessen werden kann
und welche Schätzungsverfahren für das Gesamtaufkommen der Produkt- und Markenpiraterie momentan zur Verfügung stehen.
Die Messung des Produktpiraterieaufkommens kann auf der Grundlage der Werthaltigkeit oder der absoluten Produkt- oder Prozesszahlen (Umfang) erfolgen, wobei das
25
letztere; mengenorientierte Verfahren aus den Erfahrungen vergangener Studien überlegen zu sein scheint (CEBR, 2002). Dies ist auch damit zu begründen, dass bei
der Festlegung der Werthaltigkeit der gefälschten Güter weitere subjektive Indikatorenkomponenten integriert werden müssen (bspw. die der Kalkulation zu Grunde liegenden Wechselkurse und die Festlegung auf Produktionskosten- oder Verkaufspreise der
Original- oder Pirateriewaren zur Bestimmung des Verletzungswertes). Mit dieser Problematik eng verknüpft ist die Gefahr, dass unterschiedliche, nationale und internationale Institutionen (bspw. Behörden, Zollbeamte) die Zahlenerhebungen durch den jeweiligen Interpretationsspielraum erheblich verzerren können und so die Vergleichbarkeit
der regionalgeografischen oder zeitlich differenzierten Aktivitäten verhindern. Eine dritte, alternative Messgröße bilden die personenbezogenen Maße, das heißt z.B. die Anzahl der in der Produktpiraterie Beschäftigten oder die absoluten Konsumentenzahlen,
welche Pirateriegüter erwerben. Die verlässliche Erhebung derartiger Zahlen abseits
der herkömmlichen aggregierten Statistiken gestaltet sich jedoch zum jetzigen Zeitpunkt als äußerst schwierig, auch aufgrund der rechtswidrigen Handlungen der
(Schwarz-) Marktakteure.
Auf der Grundlage einer möglichst soliden Datenbasis (u.a. Stichprobenziehung, Befragungssample), wie z.B. der Beschlagnahmungsstatistik des Zolls oder der Ergebnisse einer Konsumentenbefragung, kann nur auf einige wenige (Extrapolations-) Verfahren zurückgegriffen werden, welche die Schätzung des Gesamtvolumens ermöglichen.
Typischerweise wird zu diesem Zweck oftmals auf eine mehr oder minder begründete
25 In diesem Zusammenhang ist der Beobachtungszeitpunkt für die Festlegung des Umfangs der Pirateriewaren im
Produktlebenszyklus von Bedeutung, also bspw. die Referenz auf Produktionszahlen (Inputfaktoren oder Endprodukte), Verkaufszahlen (Erstverkauf oder Vertrieb) oder in der Nutzung befindliche Pirateriegüter.
62
und exogen gegebene Extrapolations- bzw. Aufgriffsrate referenziert. Dabei handelt es
sich um den vermuteten Anteil der gezogenen Stichprobe an der Gesamtaktivität der
Marken- und Produktpiraterie. In einigen Studien liegt dieser Anteil bei lediglich 10%, in
anderen Untersuchungen deutlich höher. Die Festlegung dieser Rate hängt allerdings
von einer Vielzahl von Faktoren ab, also bspw. dem Volumen der (internationalen und
industriespezifischen) Handelsströme, von den bereits oben beschriebenen Motiven
und Fähigkeiten der Marktbeobachter oder den Motiven der Produktpiraten und birgt
daher deutliche Risiken für die Qualität und Verlässlichkeit der finalen Schätzung. Diese konsequente Objektivität ist jedoch nur bei wenigen Studien zur Marken- und Produktpiraterie ersichtlich. Oft wiederholen sich die Fragestellungen der Perzeptionsfähigkeit und -willigkeit hinsichtlich der Extrapolationsrate auch bei den Durchführenden
der Studien selbst (vergleichbar den relevanten Marktbeobachtern) und diese duplizieren damit ggf. das Risiko einer verzerrten Wahrnehmung der Problematik. Das heißt
konkret, dass auch die Studienverfasser teilweise bestimmte Interessen verfolgen
und/oder selbst kognitiven bzw. methodischen Beschränkungen unterliegen.
Eine weitere, relativ viel versprechende Methode zur Schätzung bzw. Extrapolation des
Piraterieaufkommens ist dagegen die Verwendung komplementärer Güter, die als Vehikel für die industriespezifische Messung verwendet werden können und erst bei
komplementärer Nutzung ihren vollen Konsumentennutzen entfalten. Dazu gehört
bspw. der Ansatz der Business Software Alliance (2008), der das Ausmaß der Software-Piraterie anhand eines Vergleichs der produzierten bzw. verkauften mit den potenziell benötigten Software-Anwendungen auf der Grundlage der tatsächlichen Produktions- bzw. Verkaufszahlen der Hardware-Komponenten errechnet. Die Kalkulationen des Mengenaufkommens erscheinen daher durchaus robust und plausibel zu sein;
die daraus abgeleiteten monetären Schadensschätzungen sind jedoch nur bedingt
verlässlich (siehe oben). Ein ähnlicher, gemischter Ansatz wird durch die International
Federation of the Phonographic Industry verfolgt. Dabei werden neben der Produktion
komplementärer Güter (bspw. Verkauf beschreibbarer Datenträger) auch Konsumentenerhebungen herangezogen, welche jedoch nur unzureichend in die Schätzverfahren
integriert sind. Durch die veränderten Erhebungsverfahren ist dann zudem ein intertemporaler Vergleich nicht mehr möglich (CEBR, 2002).
Aufgrund ihrer – lediglich relativ gesehen – etwas höheren wissenschaftlichen Qualität
(Verifizierbarkeit der Schätzmethode, Robustheit des Verfahrens, Größe des Befragungssamples, Validität der ausgewählten Indikatoren etc.) seien hier exemplarisch
zwei Studien ausführlicher beschrieben: dies ist zum einen die Serie der globalen Business Action to Stop Counterfeiting and Piracy (BASCAP)-Studien auf der Grundlage
einer jährlich durchgeführten Unternehmensbefragung, zum anderen die UK- und EUStudie des Center of Economic and Business Research (CEBR) aus den Jahren 1999
63
und 2000 und deren Verfahrenskatalog zur adäquaten Erhebung des Produkt- und
Markenpiraterieaufkommens in den Mitgliedstaaten im Auftrag der EU-Kommission in
2002.
Die Ergebnisse der BASCAP-Studie (auf Initiative der International Chamber of Commerce (ICC)) des Jahres 2007 beziehen sich auf ein sehr begrenztes und zudem äußerst heterogenes Befragungssample, das aus etwa 50 Unternehmen besteht, welche
in 27 verschiedenen Industriesektoren beheimatet und in der Mehrzahl international
tätig sind. Ziel der Untersuchung ist die komparative Analyse der Qualität verschiedener nationaler Schutzrechtssysteme. Vergleichbar mit den Ergebnissen der (CEBR,
1999;2000) oder den Studien der Property Rights Alliance (Thallam, 2006) kommen
26
diese zu der zentralen Erkenntnis, dass aus Sicht der Unternehmen vor allem in den
meisten BRICS-Ländern (Brasilien, Russland, Indien und China) ein relativ schlechteres Schutzumfeld für geistiges Eigentum existiert – verglichen z.B. mit der Situation in
etablierten Industrienationen wie etwa den USA, Deutschland, England und Frankreich. Des Weiteren sind in der Hälfte der betroffenen Vertriebsmärkte der befragten
Unternehmen die Institutionen für eine Rechtsdurchsetzung im Falle einer Rechtsverletzung nur unzureichend geeignet. In 63% der genannten Länder mangelte es dabei
27
vor allem an der Ressourcenausstattung der Behörden . Interessanterweise scheint
dabei die Verbesserung der Durchsetzung der Rechte von größerer Bedeutung zu
sein als der legislative Aus- oder Aufbau des Rechtssystems. Aus Sicht der Unternehmen war in 42% der Länder das (Unrechts-)Bewusstsein für den Schutz und die
Belange des geistigen Eigentums bei den (potentiellen) Konsumenten nur unzureichend ausgeprägt. So wurden in der Bevölkerung Durchsetzungsmaßnahmen der
Schutzrechte oftmals als ausländische Intervention in originär nationale Belange angesehen. Mangelhafte Schutzrechtssysteme können in diesem Zusammenhang einen
erheblichen Einfluss auf die (internationalen) Standortentscheidungen für Produktionsund F&E-Entwicklungseinheiten oder den Umfang und die Formen des Technologietransfers haben.
26 Anhaltspunkte bzw. sehr weiche, subjektive Indikatoren für die Beantwortung der Systemqualität durch die Unternehmen sollten in diesem Zusammenhang (1) die Bereitschaft der nationalen Behörden, den internationalen Verpflichtungen und Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums nachzukommen, (2) die generelle Bedeutung
der Thematik in den nationalen Medien der relevanten Länder und deren Rolle im Bewusstseinsprozess, (3) der
Umfang konzertierter und koordinierter Maßnahmen und die Ressourcenausstattung der nationalen Behörden im
Kampf gegen Produktpiraterie bei der Rechtsdurchsetzung, und (4) die Kontinuität und Klarheit der nationalen Politik (-agenda) hinsichtlich der Thematik, sein.
27 Laut der Befragungsergebnisse bevorzugen die Unternehmen generell eigene, privatwirtschaftliche Durchsetzungsund Schutzmaßnahmen, wie bspw. den Einsatz komplexer Schutztechnologie oder durch weit reichende Produktdifferenzierung, gegenüber staatlichen bzw. gesetzgeberischen Maßnahmen des Rechtssystems und seiner
Durchsetzung.
64
Die methodologischen Untersuchung des Centre of Economic and Business Research
(CEBR, 2002), im Rahmen des „Final Report for the European Commission, Counterfeiting Counterfeits: Defining a Method to Collect, Analyse and Compare Data on
Ccounterfeiting and Piracy in the Single Market“, aus dem Jahre 2002 beschreibt die
investigative Herangehensweise, mit der das Produkt- und Markenpiraterieaufkommen
in 19 unterschiedlichen Produktgruppen, die Kosten und Medien der Erhebung und die
Schätzungen in einzelnen Mitgliedsstaaten ermittelt werden. Dabei wird generell auch
darauf verwiesen, dass – neben einer klaren Definition der geographischen Reichweite und der inhaltlichen Klärung der zu erfassenden Daten und Einschätzungen – Erhebungen zum Konsumentenverhalten den Produktionserhebungen in geeigneter
28
Weise vorgeschaltet sein sollten . Die ausschließliche Verwendung der Zollstatistiken
bzw. der Aufgriffszahlen für die Schätzungen ist demnach nur bedingt zu empfehlen,
da auch diese ungenau sind oder bewusst verschleiert sein können und erst ab einer
29
Schwelle von über 75% in einer einzelnen Produktgruppe die Validität gewährleistet
ist. Keine der untersuchten Produktgruppen erreicht dieses Niveau der Betroffenheit.
Die Studie entwickelt stattdessen einen alternativen Schätzungsansatz, der auf einem
Scoring-Modell basiert und der die untersuchten Länder hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Produktpirateriebetroffenheit in den einzelnen Produktgruppen in Relation
zueinander stellt. Die so entstehende Matrix ermöglicht es, fehlende Erhebungen und
Schätzungen in einzelnen Mitgliedsländern oder in einzelnen Produktgruppen auf
Grundlage vorhandener Ergebnisse zu extrapolieren bzw. zumindest Näherungswerte
zu generieren. Der Kriterienkatalog für die Erstellung der Matrix umfasst daher – neben den bereits oben beschriebenen, generellen Faktoren und Motiven der Marktbzw. Produktpirateriebeobachter in Kapitel 2.4.1 – zusätzlich die nachfolgenden Rationalitäten der Produktpiraten für einen Markteinstieg bzw. für den Umfang ihrer Aktivitäten:
-
Produktionskostenmotive, das heißt bspw. geringere Materialkosten oder
Materialqualität; Produktion unterhalb der vorhandenen Sicherheits-, Qualitäts- oder Umweltstandards; Nutzung des geistigen Eigentums, der Werbemaßnahmen, der Markenreputation oder des allgemeinen Geschäftsmodells anderer Unternehmen ohne eigene Investitionen des Piraten.
-
Die Hürden für den legalen Markteintritt sind verhältnismäßig hoch. Ein
Eintritt wird bspw. durch die monopolistische bzw. kartellhafte Position der
im Markt befindlichen Unternehmen (Marktmacht bei der Preissetzung
oder im Bereich des geistigen Eigentums) verhindert.
28 Alternative Befragungstypen sind bspw. Zulieferer- oder Vertriebsbefragungen, so bei kopierten Ersatzteilen, Stichprobeneinkäufe oder Expertenbefragung (Verfahren zur Identifikation dieser Experten), da die produktspezifische
Expertise zur Identifikation der Piraterieware dort potentiell vorhanden ist – und vor allem Täuschungsmotive bei
der jeweiligen Piraterieware vorherrschen.
29 Es wird in der Studie nicht abschließend deutlich, aus welchen Überlegungen heraus dieses Niveau festgelegt wird.
65
-
Versunkene Kosten („sunk costs“) in der (potenziellen) Produktion des
Produktpiraten können eine Rolle spielen. Diese Grundkosten des Produktionsaufbaus können bei höherwertigeren und investitionslastigen
Produkten Piraterie – auf Grund der Absatzunsicherheit oder mangelnder
Ressourcen – generell verhindern oder aber ggf. zu einer langfristigen,
beharrlichen Weiterführung der Produktpiraterie auch nach einer ersten
Aufdeckung bzw. Sanktionierung der Aktivitäten führen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass vor allem jene Erhebungen und Schätzungen besonders erfolgsversprechend erscheinen, welche eher industrie- oder güterspezifisch fokussiert (bspw. Software) als global konzipiert sind, oder welchen es gelingt, Indikatoren zur Nachfrage- und Angebotseite sowie zu regulativen Kräften (wie
z.B. institutionelle Ressourcen der Zollbehörden oder Stabilität des Rechtssystems) in
einem gemeinsamen Ansatz zu integrieren. Generell sind dabei die Validität und Aussagekraft der erhobenen Daten nach besonders rigiden wissenschaftlichen Grundsätzen zu bewerten, gerade weil sie zur Grundlage der nachfolgenden Hochrechnungen
und Extrapolationen dienen sollen. Die bestehenden Verfahren bzw. Methoden zur
Einschätzung des Gesamtvolumens des Piraterieaufkommens erscheinen jedoch generell eher unzureichend und befinden sich noch in einer Phase der methodischen
Weiterentwicklung. Die Schätzung über geeignete, komplementäre Güter(-bündel) ist
in diesem Zusammenhang als Fortschritt zu werten. Eine abschließende, nachträgliche
Evaluierung unterschiedlicher Schätzungsverfahren muss aufgrund des illegalen,
schwarzmarktähnlichen Charakters der Piraterieaktivitäten abseits der herkömmlich
geführten Statistiken beinahe vollständig ausgeschlossen werden. Aus diesen Gründen
sind auch die Ergebnisse der im Rahmen dieser Studie durchgeführten Erhebung, welche im Folgenden dargestellt werden, mit gewissen Unsicherheitsfaktoren behaftet und
können nur Näherungswerte des „wahren“ Ausmaßes sein.
66
4. Geistiges Eigentum und Produktpiraterie: Ergebnisse
der Unternehmensbefragung
4.1. Methodik und Stichprobe
Basierend auf den Ergebnissen der Sekundäranalyse und den zu beantwortenden Aspekten wurde ein Fragebogen für eine schriftliche Befragung (paper and pencil) konzipiert. Dieser ist in vier Module gegliedert. Modul A befasst sich zunächst mit einer allgemeinen Abfrage der Bedeutung des geistigen Eigentums im Vergleich zur Wichtigkeit der materiellen Sachanlagen. Ferner werden verschiedene Motive für die Wahl von
Strategien zum Schutz des geistigen Eigentums erfasst. Modul B geht zunächst der
Frage nach, welche Eigenschaften von Produkten von der Verletzung geistiger Eigentumsrechte bzw. Produktpiraterie betroffen waren, welche Schutzrechte dabei verletzt
wurden und ob in diesem Zusammenhang rechtliche Schritte eingeleitet wurden. Des
Weiteren werden sowohl quantitative als auch qualitative Auswirkungen auf den Umsatz bzw. auf Managemententscheidungen abgefragt. Modul C umfasst den jetzigen
Stand der Inanspruchnahme staatlicher Unterstützungsmaßnahmen bei Fragen des
geistigen Eigentums sowie Barrieren für die Nutzung und Verbesserungspotenziale in
diesem Zusammenhang. Der letzte Abschnitt – Modul D – betrifft allgemeine Angaben
des Unternehmens bezüglich Umsatzhöhe, Mitarbeiteranzahl und ähnlichen Charakteristika.
Parallel zum Versand der Fragebögen wurde zudem eine Onlineversion mit identischem Inhalt programmiert, um je nach Teilnehmerpräferenz auch eine Internetbasierte Beantwortung zu ermöglichen. Die weiter unten noch ausführlicher beschriebene Parallelerhebung unter den Patentanwälten wurde aus Effizienzgründen ausschließlich internetbasiert durchgeführt.
Die Stichprobe für die Unternehmensbefragung im Rahmen dieser Studie wird durch
einen breiten Ansatz gekennzeichnet. So wurden zum einen die 200 größten Unternehmen Deutschlands ausgewählt, wobei explizit auf die Berücksichtigung der Unternehmen in den Börsensegmenten DAX, MDAX, SDAX und TecDAX Wert gelegt wurde. Zum anderen wurden gezielt Unternehmen angeschrieben, bei denen durch Recherchen in Unternehmens- und Patentdatenbanken ermittelt werden konnte, dass sie
gewerbliche Schutzrechte angemeldet haben oder Forschung und Entwicklung betreiben. Unter diesen Unternehmen sind sowohl kleine und mittlere als auch Großunternehmen. Da sich ein Teil der Studie mit Aspekten der Produktpiraterie bzw. Verletzungen geistiger Eigentumsrechte befasst, wurde zudem Kontakt zu Unternehmen aufgenommen, die auf Veranstaltungen zur dieser Thematik präsent waren. Unter den einzelnen Gruppen gibt es Überschneidungen, so dass ein Unternehmen in zwei oder
67
mehreren Gruppen vertreten sein kann. Insgesamt wurden ca. 3000 Unternehmen kontaktiert.
Die Rücklaufquoten der verschiedenen Gruppen liegen im Bereich von 8,0% bis 15%.
Insgesamt wurden 337 Responses realisiert, 12 Fälle wurden entfernt, da die antwortenden Firmen wegen fehlender Angaben keiner Größen- und Branchenklasse zugeordnet werden konnten. Weitere 29 Fälle wurden für die Mehrzahl der Analysen nicht
mit einbezogen, da sie aus einem Adresspool von Veranstaltungen zu Produktpiraterie
stammten: um eine Verzerrung der Stichprobe bezüglich der Betroffenheit von Produktpiraterie zu vermeiden, werden diese Fälle separat ausgewertet und dargestellt.
295 Fälle stellen damit die Ausgangsdatenbasis für die Auswertungen dar, damit wurde
eine Rücklaufquote von ca. 10 % realisiert. Um die Gründe für eine Teilnahmeverweigerung zu ermitteln, wurde ein Sub-Sample der Nicht-Teilnehmer telefonisch kontaktiert. Insbesondere wurde versucht, mögliche systematische Verzerrungen der Stichprobe aufzudecken. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn die antwortenden Unternehmen dem geistigen Eigentum eine besonders starke Wichtigkeit beimessen oder wenn
diese in besonderem Maße von Piraterie betroffen sind. Die Ergebnisse der Nachbefragung unter den Unternehmen lassen einen solchen Schluss jedoch nicht zu. Vielmehr zeigt sich, dass eine steigende Anzahl von Unternehmen an freiwilligen Befragungen grundsätzlich nicht teilnimmt und sich Umfragen jeglicher Art verweigert.
Die Zusammensetzung der erhobenen Datenbasis nach Größen bzw. Branchenklassen stellt sich wie folgt dar.
Tabelle 4.1. Zusammensetzung des Unternehmenssamples nach Größenklassen und
Branchen
Größenzusammensetzung
Unternehmensgröße
bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
250 bis 499 Mitarbeiter
500 und mehr Mitarbeiter
Total
Anzahl der
Unternehmen
56
52
29
158
295
68
Branche
Verarbeitendes Gewerbe
Ernährung, Textil, Bekleidungs- und Ledergewerbe
Holz- und Papiergewerbe
Mineralölverarbeitung und Chemische Industrie*
Kunststoffindustrie
Glasgewerbe
Metallverarbeitung
Maschinenbau*
Elektrotechnik*
Medizin- und Messtechnik*
Fahrzeugbau*
Herstellung von Möbeln, Schmuck und sonstigen Erzeugnissen
Verarbeitendes Gewerbe gesamt
davon forschungsintensive Industrie
Anzahl der
Unternehmen
7
5
23
16
6
33
67
38
29
15
10
249
172
Handel und Dienstleistungen
Energieversorgung
Handel
Verkehr
Telekommunikation^
Kreditgewerbe^
Softwareentwicklung^
Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen^
Werbebranche^
sonst. Dienstleistungen
Handel und Dienstleistungen gesamt
davon wissensintensive Dienstleistungen
2
8
5
3
5
9
12
1
1
46
30
Total
295
* bzw.^ kennzeichnen forschungsintensive Industrien bzw. wissensintensive Dienstleistungen nach der Systematik
des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (siehe z.B. Aschhoff et al., 2007)
Bedingt durch das Vorherrschen von patentaktiven Unternehmen in der Ursprungsstichprobe zeigen die folgenden Analysen primär das Bild technologie-affiner Unternehmen, die insbesondere im Bereich des produzierenden Gewerbes tätig sind und
von Instrumenten des gewerblichen Schutzrechtes starken Gebrauch machen. Während der Anteil der Unternehmen mit Nutzung von Patenten innerhalb aller innovationsaktiven deutschen Unternehmen bei lediglich 19,11% liegt, haben hier über 90 %
der Unternehmen im Jahr 2007 mindestens ein gültiges Patent besessen Ein ähnlich
hoher Unterschied zeigt sich beim Vergleich der Markennutzung sowie der F&EBeteiligung. Dies ist bei der Bewertung der folgenden Analysen zu berücksichtigen.
69
Abbildung 4.1.
Anteil der F&E-aktiven bzw. patent- und markenaktiven Unternehmen, im Sample und innerhalb innovationsaktiver deutscher Unternehmen nach dem Community Innovation Survey 2004
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
92, 39%
FuE -A kt i v i t ät en
53, 85%
88, 19%
Sampl e
Nut zung von P at ent en
20, 10%
CI S 4
92, 25%
Nut z ung von M ar ken
19, 11%
Zusätzlich zur Unternehmensbefragung wurde im Rahmen dieser Studie eine Parallelbefragung unter Patentanwälten durchgeführt. Dazu wurden knapp 1000 Patentanwälte kontaktiert. Das Fragebogenprogramm speist sich im Wesentlichen aus den Aspekten der Unternehmensbefragung. Eine Reihe von Fragen wurde jedoch aus inhaltlichen
Gründen entfernt, da sie aus dem Blickwinkel eines externen Dienstleisters, wie eines
Patentanwaltes, nicht verlässlich beantwortbar sind. Dazu gehören beispielsweise die
Fragen nach dem Wert der Patente. Hierfür sind Informationen über Umsatz- oder Absatzzahlen nötig, über die Patentanwälte in aller Regel nicht verfügen. Die Adressaten
wurden gebeten, sich bei der Beantwortung auf das Unternehmen zu beziehen, für das
sie persönlich in den letzten drei Jahren am häufigsten tätig waren. Diese Fokussierung hat sich als notwendig herausgestellt, da bei vielen Kanzleien eine beträchtliche
Variation in der Mandantenstruktur vorliegt, sodass eine einzelne Aussage über den
gesamten Mandantenstamm nicht zielführend sein kann. Durch die Fokussierung kann
zudem ein besserer Überblick über die Struktur des Sample gegeben werden, welches
im Folgenden kurz charakterisiert werden soll. Insgesamt liegen 65 auswertbare Fälle
vor. Über die Hälfte der Anwälte hat auf ein Unternehmen mit 500 oder mehr Mitarbeitern Bezug genommen, lediglich 23 Anwälte haben ihre Angaben auf mittelständische
Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern bezogen. Die am häufigsten vertretenen
Branchen sind die Chemiebranche sowie der Maschinen- und Fahrzeugbau und die
Elektrotechnik.
Tabelle 4.2. Zusammensetzung des Patentanwaltsamples nach Größenklassen
Größenzusammensetzung
Größe des Mandanten
bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
250 bis 499 Mitarbeiter
500 und mehr Mitarbeiter
Total
Anzahl der Fälle
14
9
5
37
65
70
4.2. Befragungsergebnisse
4.2.1. Bedeutung des geistigen Eigentums
Einen ersten Eindruck über Bedeutungsrelationen von materiellen Gütern und Intangibles gibt Abbildung 4.2. Die Teilnehmer der Befragung wurden direkt nach ihrer Einschätzung der Bedeutung verschiedener Aspekte des geistigen Eigentums – definiert
nach der Methodologie des Arbeitskreises Wissensbilanz (BMWA, 2005) – gefragt. Es
zeigt sich, dass jeder der Bestandteile der Intangibles (Human-, Struktur-, Beziehungskapital und Geistige Eigentumsrechte) von den Unternehmen als wichtiger empfunden
wird als die materiellen Sachanlagen. Die höchste Bedeutung wird dem Humankapital
und dem Beziehungskapital (also dem Verhältnis zu Kunden, Lieferanten und sonstigen Partnern) zugewiesen. Bei der Einschätzung der Bedeutungsveränderung innerhalb der letzten fünf Jahre wird wiederum dem Humankapital der höchste Bedeutungszuwachs zugewiesen. Bei dieser dynamischen Betrachtungsweise zeigt sich besonders deutlich die zurückgehende relative Wichtigkeit der Tangibles im Vergleich zu
allen anderen Teilaspekten der immateriellen Unternehmenswerte.
Wichtigkeit der materiellen und immateriellen Werte sowie deren Bedeutungszuwachs
Bedeutung
Bedeutung
Veränderung der Bedeutung
5
4,5
2
4
3,5
3
2,5
1,5
1
0,5
0
2
1,5
1
0,5
0
-0,5
-1
-1,5
-2
Materielle
Sachanlagen
Humankapital
Strukturkapital
Beziehungskapital
Veränderung der Bedeutung
Abbildung 4.2.
Geistige
Eigentumsrechte
Bewertung der Bedeutung auf einer Skala von 1 („niedrig“) bis 5 („hoch“) / Veränderung der
Bedeutung von -2 (stark gesunken) bis +2 (gestiegen)
Eine differenziertere Betrachtung nach Größenklassen zeigt, dass die geistigen Eigentumsrechte wie Patente und Marken bei den kleinsten Betrieben mit weniger als 50
Mitarbeitern zwar einen Bedeutungszuwachs erfahren haben, dass dieser aber insbesondere bei größeren Unternehmen zu verzeichnen ist. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Teilnahme am Patentsystem für Kleinstbetriebe mit erheblichen
Hürden verbunden ist. Der Unterschied zwischen der veränderten Bedeutung der immateriellen Gütern gegenüber materiellen Sachanlagen ist in der kleinsten Größenklasse geringer ausgeprägt als bei allen anderen. Die relative Wichtigkeit der immateriellen Güter ist damit also in der Einschätzung der mittleren und größeren Unterneh-
71
men stärker gewachsen als bei Kleinstunternehmen. Dies ändert jedoch nichts an der
generellen Einschätzung der Unternehmen, dass das materielle Vermögen – und dies
gilt unabhängig von der Größe des Unternehmens – in den letzten Jahren an relativer
Wichtigkeit verloren hat, der Bedeutungszuwachs liegt absolut betrachtet unter dem
der immateriellen Werte. Eine Unterscheidung nach Branchen zeigt, dass die Bedeutung geistiger Eigentumsrechte (in diesem Fall wohl eher Patente) in der forschungsintensiven Industrie am stärksten gewachsen ist und der Bedeutungszuwachs von IPR in
wissensintensiven Dienstleistungen, z.B. über Marken, als vergleichsweise gering eingeschätzt wird.
Abbildung 4.3.
Bedeutungszuwachs der materiellen sowie immateriellen Werte, nach
Größen- sowie Branchenklassen
bis 49 M it arbeiter
50 bis 249 M it arbeiter
250 bis 499 M it arbeiter
500 und mehr M itarbeit er
Veränderung der Bedeutung
1
0,8
0,6
0,4
0,2
0
M aterielle
Sachanlagen
Humankapit al
St rukturkapit al
Veränderung der Bedeutung
forschungsintensive Industrie
wissensintensive Dienstleistungen
Beziehungskapital
Geistige
Eigent umsrecht e
sonstige Industrie
sonstige Dienstleistungen
1
0,8
0,6
0,4
0,2
0
Materielle
Sachanlagen
Humankapital
Strukturkapital
Beziehungskapital
Geistige
Eigentumsrechte
72
Neben der gerade dargestellten Analyse der qualitativen Bedeutung von materiellem
bzw. immateriellem Eigentum wurde im Folgenden eine quantitative Bewertungsmethode angewandt. Hierbei wurde der einkommens- bzw. marktbasierte Ansatz gewählt.
Konkret wurden die Teilnehmer der Studie befragt, welchen Betrag sie mindestens
gefordert hätten, wenn sie im Jahr 2007 und im Jahr 2002 sämtliche Patent- und Markenrechte des Unternehmens verkauft hätten. Hier wird davon ausgegangen, dass die
Unternehmen mindestens den Betrag fordern, den sie durch den Besitz dieser Verfügungsrechte erzielt haben und aller Erwartung nach noch erzielen werden. Es wird
also der Anteil der Erträge des Unternehmens isoliert, der auf den Besitz der Patentund Markenrechte zurückzuführen ist. Durch die in Kapitel 2.2. beschriebene Probleme, unter anderem dem Fehlen eines funktionierenden Marktes für Patente, kann hier
wiederum nur von Schätzungen des „wahren“ Wertes ausgegangen werden. Um im
weiteren Verlauf einen Vergleich zwischen Intangibles und Tangibles durchführen zu
können, wurden weiterhin Daten zum Wert des Sachvermögens der Unternehmen erhoben. Sowohl die Beurteilung des Wertes der Patente und Marken als auch die Nennung der bilanzierten materiellen Vermögenswerte wurde von den Teilnehmern, unter
anderem aus datenschutzrechtlichen Gründen, als kritisch erachtet. Daher reduziert
sich das für die folgenden Abschnitte verfügbare Sample auf 65 Betriebe, so dass die
Ergebnisse lediglich einen illustrativen Charakter haben und komplementär zu Ergebnissen aus der Literatur interpretiert werden können. Weiterhin sollte berücksichtigt
werden, dass im Folgenden über den Wert der Patent- und Markenrechte diskutiert
wird. Alle anderen Bestandteile der Intangibles, insbesondere das wichtige Humankapital, werden bei dieser Betrachtung ausgeklammert, weil sie nicht im Fokus dieser Untersuchung stehen.
Tabelle 4.3. listet den Wert der Patente und Marken sowie den Wert des materiellen
Sachvermögens für die beiden Jahre 2007 und 2002 nach Unternehmensgröße auf.
Ein Anstieg des Wertes der materiellen Sachanlagen mit steigender Unternehmensgröße ist dabei unmittelbar einleuchtend. Ein Vergleich mit den Referenzwerten für das
Jahr 2002 zeigt einen Anstieg von 20-30%, lediglich die Unternehmen in der Klasse
„50 bis 249 Mitarbeiter“ berichten von einem leichten Rückgang. Ein ungleich stärkerer
Anstieg ist bei der Bewertung der geistigen Eigentumsrechte zu verzeichnen: In der
kleinsten Größenklasse hat sich dieser nach den Angaben der Unternehmen mehr als
verdoppelt und auch in den Betrieben mit mehr als 250 Mitarbeitern wird von einem
Wertanstieg von 40-60% ausgegangen. Die absoluten Wertangaben für das Jahr 2007
schwanken dabei zwischen 3,5 Millionen für die kleinste Größenklasse und 242,9 Millionen für die Großunternehmen.
73
Tabelle 4.3. Monetäre Bewertung der geistigen Eigentumsrechte im Vergleich zum
Wert der Sachanlagen (in Millionen Euro)
Wert der Patente
und Marken*
bis 49 Mitarbeiter
Wert der
Sachanlagen
2007
2002
2007
2002
3,5 (2)
1,6 (1,1)
1,3
1
5
5,2
50 bis 249 Mitarbeiter
15,9 (13,8)
18,7 (16,8)
250 bis 499 Mitarbeiter
54,3 (34,3)
38,6 (23,1)
35,4
30
500 und mehr Mitarbeiter
242,9 (80,5)
152,5 (54,1)
489
417,6
Total
134,1 (47,2)
85,6 (32,4)
257
219
*Werte in Klammern beziehen sich nur auf Bewertung der Patentrechte
Ein weiterer interessanter Sachverhalt zeigt sich bei der Zusammensetzung des Wertes der geistigen Eigentumsrechte. Während von den kleineren Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern den Patenten ein größerer Wert als den Markenrechten zugemessen wird, machen erstere in der größten Unternehmensklasse nur noch ca. ein
Drittel der Summe aus Patent- und Markenwert aus. Der ungleich höhere Marketingaufwand von Großunternehmen schlägt sich hier in hohen Bewertungen für die Marken
nieder. Die durchschnittlichen Wertansätze von ca. 240 Millionen Euro bleiben dabei
hinter den Ergebnissen anderer Studien zurück (siehe auch Kapitel 2.2.2). Dies ist damit zu erklären, dass die hier analysierten Großbetriebe mit einer durchschnittlichen
Mitarbeiterzahl von ca. 6.800 Angestellten im Vergleich zu den DAX Unternehmen (im
Schnitt über 100.000 Mitarbeiter weltweit) sehr viel kleiner sind. Zum anderen haben
die Unternehmen des Samples hier ihre Aktivität vorwiegend im Geschäftskundenbereich, in dem der Marketingaufwand verglichen mit dem Bereich B2C, also im Kontakt
mit den Konsumenten, geringer ist. Damit ist unter Umständen auch der Wert der Marken nach einer kostenorientierten Einschätzung der Respondenten als etwas niedriger
einzustufen.
Im Weiteren soll auf das Verhältnis zwischen den ermittelten Werten der Intangibles
(bzw. der Patentrechte und Markenrechte) und der Tangibles eingegangen werden.
Die Zahlen ergeben sich implizit aus Tabelle 4.3 und werden hier nochmals explizit
dargestellt. Es zeigt sich, dass das Verhältnis bei den Unternehmen mit weniger als
500 Mitarbeitern über 1 liegt. Dies bedeutet, dass der Wert der geistigen Eigentumsrechte höher eingeschätzt wird als der Wert des materiellen Vermögens. Die befragten
Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern setzen den Wert der materiellen Sachan-
74
lagen allerdings deutlich höher an; umgekehrt heißt dies, dass der Wert des geistigen
Eigentums bei lediglich 40% des Wertes des materiellen Vermögens gesehen wird.
Abbildung 4.4. Verhältnis des Wertes von Intangibles zu Tangibles nach Größenklassen
Verhältnis Intangibles / Tangibles
2002
2007
4
3,5
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
250 bis 499 Mitarbeiter
500 und mehr Mitarbeiter
Die Beobachtungen sind ein Hinweis darauf, dass die wichtigen Unternehmenswerte in
kleinen und mittleren Betrieben im geistigen Eigentum begründet sind. Auch bezüglich
der Entwicklung seit 2002 ist in der kleinsten Größenklasse ein Anstieg der relativen
Bedeutung festzustellen. Bei den Unternehmen in der Größenklasse 50 bis 249 Mitarbeiter ist zwar ein leichter Rückgang zu beobachten. Dieser scheint jedoch durch das
hohe Niveau der Werte für 2002 erklärbar zu sein, da der Wert für 2007 immer noch
deutlich über dem der anderen Größenklasse liegt.
Zwischenfazit
Die qualitative Beurteilung der veränderten Wichtigkeit des geistigen Eigentums legt
zunächst nahe, dass diese mit der Unternehmensgröße zunimmt. Eine Untermauerung
mit Bewertungen der Unternehmen stützt diese Beobachtung zunächst, da der ermittelte Wert der Patente und Marken von 2002 bis 2007 tatsächlich bei den größeren Unternehmen absolut stärker gestiegen ist als bei kleineren Betrieben. Ein Blick auf die
prozentuale Veränderung des Wertes der Patent- und Markenrechte zeigt dagegen,
dass die Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern mehr als eine Verdopplung des
Wertes angeben, während bei den Betrieben mit mehr als 250 Mitarbeitern lediglich
Steigerungen von 40 bis 60% genannt werden. Auch das Verhältnis von immateriellem
zu materiellem Vermögen ist in den Unternehmen mit weniger als 250 Angestellten
höher als in den Großbetrieben. Daraus erschließt sich unmittelbar, dass auch dem
Schutz des geistigen Eigentums bei kleineren Unternehmen eine hohe Bedeutung zukommen muss. Über welche Mechanismen dieser Schutz realisiert wird, ist Thema des
folgenden Kapitels.
75
4.2.2. Bedeutung von Instrumenten zum Schutz des geistigen Eigentums
Wenn die Bedeutung der Intangibles im Allgemeinen und der geistigen Eigentumsrechte im Speziellen also gestiegen ist, wie verhält sich die Entwicklung bei Schutzinstrumenten verschiedener Art? Marken und vor allem Patente spielen aufgrund der Tatsache, dass der Eintragung eine umfassende Prüfung durch das Patent- und Markenamt
vorausgeht, traditionell eine dominante Rolle. Dies gilt vor allem für die Marke im Vergleich zum Geschmacksmuster, in etwas geringerem Ausmaß auch für die technischen
Schutzrechte Patente versus Gebrauchsmuster (Aschhoff et al., 2007). Da die hier
befragten Unternehmen stark F&E-aktiv sind und Patente in hohem Maße nutzen, kann
man erwarten, dass sich dies auch in der Bewertung der Schutzmaßnahmen widerspiegelt. Auch bei den weiter unten folgenden Auswertungen der Patentanwaltsbefragung sollte beachtet werden, dass dadurch – vor allem im Vergleich zu den informellen
Schutzmechanismen – eine gewisse Konditionierung der Antwortenden zu erwarten ist.
Zunächst wird im Folgenden auf die Antworten der teilnehmenden Unternehmen eingegangen. Wie erwartet, erhält der Patentschutz unter den formellen Schutzmethoden
die höchsten Werte – wird also in seiner Bedeutung als am wichtigsten eingeschätzt;
auf dem zweiten Platz folgen die Markenrechte. Auch die Entwicklung der letzen fünf
Jahre wird dahingehend beurteilt, dass die geprüften Schutzrechte leicht wichtiger geworden sind. Angesichts einer stärkeren Bedrohung durch Verletzungen geistigen Eigentums in den letzten Jahren mag die nur leichte Erhöhung verwundern. Allerdings
zeigt der Vergleich mit den anderen Schutzmöglichkeiten eine tendenziell stärker
wachsende Wichtigkeit von Patenten und Marken im Vergleich zu den anderen Schutzrechten. Ein Größenvergleich unter den Unternehmen weist darauf hin, dass mit steigender Betriebsgröße die Wichtigkeit des Patentschutzes in höherem Ausmaß gestiegen ist. Dies gilt ebenso, weniger stark ausgeprägt, auch für die Markenrechte. Für das
Geschmacksmuster und den Urheberschutz wird die Bedeutungsveränderung als sehr
gering eingeschätzt, in der Größenklasse 50 bis 249 Mitarbeiter wird sogar von einer
leicht negativen Tendenz ausgegangen. Im Gegensatz dazu geben diese Unternehmen sowohl bei der momentanen Bedeutung als auch bei der Entwicklung der Wichtigkeit dem Gebrauchsmusters die höchsten Werte. Dies könnte mit der einfacheren Antragstellung sowie den geringeren Kosten zu begründen sein.
76
Abbildung 4.5.
Bedeutung sowie Bedeutungszuwachs einzelner formeller Schutzinstrumente nach Größenklassen
bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
250 bis 499 Mitarbeiter
500 und mehr Mitarbeiter
4,5
4
3,5
Bedeutung
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
Patent
Gebrauchsmuster
bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
Marke
Geschmacksmuster
250 bis 499 Mitarbeiter
Urheberrecht
500 und mehr Mitarbeiter
1
0,8
Bedeutung
0,6
0,4
0,2
0
Patent
Gebrauchsmuster
Marke
Geschmacksmuster
Urheberrecht
-0,2
-0,4
Wie in Kapitel 2.1.2 beschrieben, kommen informellen oder strategischen Maßnahmen
zum Schutz des geistigen Eigentums oftmals eine höhere Bedeutung als den formellen
Schutzrechten zu (Aschhoff et al., 2007). Unternehmen greifen aus unterschiedlichen
Gründen auf strategische Maßnahmen zurück, beispielsweise um eine schnelle Marktpenetration zu erreichen, ohne langwierige Verfahren zur Patentanmeldung abwarten
zu müssen. Des Weiteren wird in dynamischen Märkten, in denen überdurchschnittlich
hohe Markteintrittsraten zu verzeichnen sind, stärker auf informelle Mechanismen wie
z.B. Geheimhaltung gesetzt als in Märkten, in denen die Gefahr des Eintritts neuer
Konkurrenten weniger ausgeprägt ist (Aschhoff et al., 2007).
Auch die befragten Unternehmen dieser Studie weisen dem zeitlichen Vorsprung eine
herausragende Position zu und tun dies auch einheitlich über alle Größenklassen. Geordnet nach absteigender Wichtigkeit folgen die „Vertraulichkeitsklauseln mit Zulieferern“ und „Geheimhaltung“, bei denen jeweils die kleinste Größenklasse aus dem Muster ausbricht: Sie beurteilen die Geheimhaltung höher als alle andere Unternehmen,
77
während das Vertrauen der Kleinstunternehmen, über die Vereinbarung von Vertraulichkeitsklauseln einen wirksamen Schutz zu erreichen, nicht ausreichend hoch zu sein
scheint. Ein weiterer auffallend hoher Unterschied zwischen den Größenklassen liegt
bei der Implementierung technischer Lösungen vor: Hier weist die Größenklasse „250
bis 499 Mitarbeiter“ eine deutlich höhere Bewertung aus als die Unternehmen der anderen Größen.
Abbildung 4.6.
Bedeutung sowie Bedeutungszuwachs einzelner strategischer
Schutzinstrumente nach Größenklassen
bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
250 bis 499 Mitarbeiter
500 und mehr Mitarbeiter
5
4,5
4
Bedeutung
3,5
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
g
g
ern
gen
gen
n gen
it ern
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altun
ferern
prun
rbeit
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arbe
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lic
lic
e
fr
u
u
ti
m
Lang
men
Imple
Vertra
Vertra
Imple
bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
250 bis 499 Mitarbeiter
500 und mehr Mitarbeiter
1
0,9
0,8
Bedeutung
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
g
g
gen
n gen
it ern
rern
n gen
ati on
eitern
altun
prun
tl ösu
arbe
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lic
lic
e
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u
u
ti
m
g
Lan
men
Imple
Vertra
Vertra
Imple
Deutlichere Unterschiede existieren bei der Beurteilung der Bedeutungsveränderung
der verschiedenen strategischen Instrumente. Insgesamt wird der Bedeutungszuwachs
sehr moderat gesehen, allerdings wird auch für keines der Instrumente eine sinkende
Wichtigkeit konstatiert. Der zeitliche Vorsprung hat nach der Meinung der befragten
Unternehmen am stärksten an Bedeutung gewonnen – und dies in besonderem Maße
bei den kleineren Unternehmen. Auch die Geheimhaltung wird von Unternehmen mit
bis zu 249 Mitarbeitern als wichtiger erachtet als bei den größeren Betrieben. Ein ähnliches Muster zeigt sich auch bei der langfristigen Bindung der Mitarbeiter und in gerin-
78
gerem Ausmaß bei der Beschränkung auf exklusive Kundenbeziehungen. Ein strategisches Instrument, bei denen größere Unternehmen einen stärkeren Bedeutungsanstieg verzeichnen, ist die „Defensive Publikation“ – also die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, um damit den Stand der Technik zu erhöhen und die Patentierung konkurrierender Forschungsergebnisse zu verhindern. Auch die Implementierung
von Maßnahmen auf technischer bzw. Managementseite ist bei den Betrieben ab 250
Mitarbeitern in den letzten fünf Jahren wichtiger geworden als bei den KMU mit Beschäftigtenzahlen unter 250.
Abschließend sollen noch einmal die aggregierten Bewertungen für die formellen sowie
die informellen Methoden zum Schutz des geistigen Eigentums nach Größen- bzw.
Branchenklassen aufgezeigt werden. Es ist leicht ersichtlich, dass den informellen Methoden insgesamt in allen Größenklassen ähnliche Bedeutung zugemessen wird, wohingegen die Bedeutung der formellen Methoden mit der Größe anwächst. Andere Erhebungen, bei denen stärker auf die explizite Nutzung – im Gegensatz zur hier abgefragten Bedeutung – der einzelnen Instrumente Bezug genommen wird, kommen zu
dem Ergebnis einer mit zunehmender Größe steigenden Nutzung auch informeller Methoden. Im Branchenvergleich geht die Bedeutung der formellen Schutzrechte im
Dienstleistungsgewerbe im Vergleich mit dem verarbeitenden Gewerbe leicht zurück.
Die informellen Mechanismen zum Schutz der Intangibles erhalten jedoch bei den wissensintensiven Dienstleistungen ähnlich hohe Bewertungen wie in der Industrie. Lediglich die sonstigen Dienstleistungen geben hier niedrigere Bewertungen ab.
79
Abbildung 4.7.
Vergleich der Bedeutung formeller und informeller Schutzrechte nach
Größen- und Branchenklasse
Informelle Maßnahmen
Formelle Maßnahmen
Bedeutung
0
1
2
3
4
5
4
5
bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
250 bis 499 Mitarbeiter
500 und mehr Mitarbeiter
Informelle Maßnahmen
Formelle Maßnahmen
Bedeutung
0
1
2
3
forschungsintensive Industrie
sonstige Industrie
wissensintensive Dienstleistungen
sonstige Dienstleistungen
Der folgende Abschnitt befasst sich nochmals mit der bereits diskutierten Bedeutung
verschiedener Schutzmechanismen. Allerdings wird im Folgenden die Perspektive der
Patentanwälte dargestellt, welche in der Parallelbefragung erhoben wurde. Diese haben potenziell einen neutraleren Blickwinkel als die Unternehmen oder können als externe Dienstleister unabhängig von der jeweiligen Unternehmenskultur oder von unternehmensspezifischen Patentierungsstrategien eine Abschätzung bezüglich der Bedeutung der Schutzmechanismen liefern. Andererseits muss bei der Interpretation auch
berücksichtigt werden, dass die Patentanwälte berufsbedingt einen stärkeren Fokus
auf eingetragene Schutzrechte haben. Dieser Aspekt zeigt sich bei der Analyse der
Bedeutung einzelner formeller Schutzrechte für Unternehmen verschiedener Größe. In
der Unternehmensbefragung hatte sich ein deutlicher Unterschied bei den Patentrechten gezeigt. Unternehmen ab einer Größe von 250 Mitarbeitern hatten Patenten höhere
80
Bedeutung beigemessen als kleinere Betriebe. Die Patentanwälte dagegen schätzen
diese für jede Größenklasse höher ein und sehen auch keinen ausgeprägten Unterschied zwischen den Größenklassen. Dies liegt unter Umständen daran, dass die Unternehmer bei der Bewertung der Wichtigkeit von Patenten ein Kosten-Nutzen-Kalkül
zu Grunde legen, bei dem vor allem bei mittelständischen Unternehmen der Kostenaspekt nicht zu vernachlässigen ist. Die Anwälte sehen primär die Vorteile des Patentschutzes und könnten dadurch zu einem höheren Bewertungsniveau kommen. Bei der
Beurteilung der übrigen Schutzrechte sind die Ergebnisse weitgehend vergleichbar mit
denen der Unternehmensbefragung. Die dynamische Perspektive, also die Frage nach
der Veränderung der Bedeutung der Schutzrechte in den letzten fünf Jahren, zeigt
wiederum die deutlichsten Unterschiede in der Beurteilung der Patente, aber auch bei
den Markenrechten. Bei den Unternehmen war abermals ein mit der Unternehmensgröße ansteigender Trend des Bedeutungszuwachses von Patenten und Marken zu
konstatieren. Die Anwälte dagegen sehen einen Bedeutungsanstieg vor allem bei
Kleinstunternehmen. Auch in Bezug auf Markenrechte sinkt die Bewertung für Betriebe
mit mehr als 500 Mitarbeitern ab.
81
Abbildung 4.8.
Bedeutung sowie Bedeutungszuwachs einzelner formeller Schutzinstrumente nach Größenklassen (Patentanwaltsbefragung)
Mandant bis 49 Mitarbeiter
Mandant mit 50 bis 249 Mitarbeiter
Mandant mit 250 bis 499 Mitarbeiter
Mandant mit 500 und mehr Mitarbeiter
5
4,5
4
Bedeutung
3,5
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
Patent
Gebrauchsmuster
Marke
Geschmacksmuster
Mandant bis 49 Mitarbeiter
Mandant mit 50 bis 249 Mitarbeiter
Mandant mit 250 bis 499 Mitarbeiter
Mandant mit 500 und mehr Mitarbeiter
1,2
1
Bedeutung
0,8
0,6
0,4
0,2
0
Patent
Gebrauchsmuster
Marke
Geschmacksmuster
-0,2
Wie man weiter oben bereits sehen konnte, werden informelle Methoden des Schutzes
von den Unternehmern als wichtige Ergänzung zu Patenten und Marken gesehen und
in ihrer Bedeutung vor allem von den kleineren Betrieben sogar teilweise deutlich höher erachtet. Bei den Patentanwälten ist diese Beobachtung nicht zu machen. Obwohl
die verschiedenen informellen Methoden in ihrer relativen Bedeutung untereinander
ungefähr gleich eingeschätzt werden, schätzen die Anwälte die formellen Methoden
insgesamt als relevanter ein als die Unternehmen ein und geben bei den informellen
Methoden für alle Unternehmensgrößen geringere Bewertungen als die Betriebe. Abbildung 4.9 gibt diesen Sachverhalt wieder, der bei den weiter unten folgenden Ausführungen zur konkreten Ausgestaltung der Unterstützung im Bereich „Schutz des geistigen Eigentums von Wichtigkeit“ sein wird.
82
Abbildung 4.9.
Vergleich der Bedeutung formeller und informeller Schutzrechte nach
Größenklasse (Unternehmens- und Patentanwaltsbefragung)
Informelle Maßnahmen
Formelle Maßnahmen
Bedeutung
1
2
3
4
5
älte
ntanw
Pate
m en
rneh
Unte
wälte
ntan
Pate
250 bis 499
Mitarbeiter
m en
rneh
Unte
wälte
ntan
Pate
500 und mehr
Mitarbeiter
50 bis 249
Mitarbeiter
bis 49
Mitarbeiter
0
älte
ntanw
Pate
m en
rneh
Unte
m en
rneh
Unte
Zum Abschluss der Ausführungen zu Methoden zum Schutz des geistigen Eigentums
soll im Folgenden auf die Motivation für die Nutzung von Patenten und Marken eingegangen werden. Die Gründe wurden hinsichtlich der Schutzrechte generisch abgefragt.
Dies bedeutet, dass sich die Unternehmen auf das für sie wichtigste Schutzrecht beziehen sollten. In über der Hälfte der Fälle waren dies die Patentrechte. Die Daten zeigen in der Gesamtbetrachtung, dass die originäre Schutzfunktion im Vergleich mit den
strategischen Funktionen verschiedener Art als die wichtigste Eigenschaft eines Patentes erachtet wird. Der Unterschied zur jeweils zweitwichtigsten Funktion ist jedoch je
nach Größenklasse unterschiedlich groß. In Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern wird sogar den Blockadefunktionen – also dem Abhalten der Konkurrenz vom
Markteintritt bzw. der Patentierung zur Erhaltung des eigenen technologischen Spielraums – sowie der Steigerung des Unternehmenswertes eine höhere Bedeutung zugemessen. Diese hohe Bewertung der Blockademotive relativiert sich jedoch bei Betrachtung der anderen Größenklassen. Sowohl bei der offensiven als auch bei der defensiven Variante des Blockademotivs ist eine mit steigender Unternehmensgröße
wachsende Bedeutung zu beobachten.
Die Betonung des Effektes von Patenten auf den Unternehmenswert bei kleineren Unternehmen könnte sich aus einem erschwerten Zugang zu Finanzierungsquellen erklären. Durch ein großes Patentportfolio wird dem Markt ein Signal von technologischer
Leistungsfähigkeit gegeben, welche sich in einer verbesserten Kreditwürdigkeit widerspiegelt. Diese Vermutung wird auch durch die für Unternehmen mit weniger als 50
Mitarbeitern höheren Werte beim Motiv „Zugang zum Kapitalmarkt“ unterstrichen.
83
Die Beobachtung, dass Patente in wachsendem Ausmaß als eine Art Währung dienen
und zwischen Unternehmen getauscht bzw. kreuzlizenziert werden, wird hier vor allem
für die Großunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern deutlich. Wenn dagegen das
Ziel der Lizenzierung nicht der Zugang zu anderen Schutzrechten, sondern das Erzielen von monetären Lizenzerträgen ist, signalisiert die kleinste Größenklasse die höchste Relevanz. Dies kann auf das Fehlen von ausreichenden Produktionskapazitäten
bzw. einer strategischen Konzentration auf Forschung mit einer parallelen Auslagerung
des eigentlichen Produktionsvorgangs zurückzuführen sein.
Explizit soll hier nochmals auf die Funktion „Zugang zum Kapitalmarkt“ Bezug genommen werden. In den Daten der Erhebung lässt sich beobachten, dass dieses Patentierungsmotiv eindeutig nachrangig bewertet wird, in der Gesamtbetrachtung aller Unternehmen nimmt es den letzten Platz aller Patentierungsgründe ein. Die kleinste Unternehmensgrößenklasse von Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern vergibt allerdings
höhere Bewertungen. Hier könnte also eine Verbesserung der Finanzierungssituation
von KMU erreicht werden. Dabei kommt es, wie schon weiter oben angesprochen,
darauf an, akzeptierte Bewertungsmethoden von Intangibles zu entwickeln, um die
noch sehr geringe Akzeptanz von immateriellen Werten in der Bankenpraxis auszubauen. Für eine KMU-orientierte Politik kann hier ein potenzieller Ansatz liegen, da
gerade kleine und mittlere Betriebe momentan beim Einsatz von Intangibles gegenüber
größeren Betrieben benachteiligt sind (Zimmermann, 2007).
Abbildung 4.10. Bedeutung einzelner Funktionen von Patenten nach Größenklasse
bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
250 bis 499 Mitarbeiter
500 und mehr Mitarbeiter
5
4,5
4
Bedeutung
3,5
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
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Verw
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ru ng
Einflu
ess e
Verb
Die Bedeutung von Markenrechten beim Zugang zum Kapitalmarkt wird von denjenigen Unternehmen, die ihre Bewertung auf Markenrechte bezogen, etwas höher eingeschätzt als bei den Patenten. Dies deckt sich mit der erwähnten Studie der Kreditan-
84
stalt für Wiederaufbau (siehe Zimmermann, 2007), die herausstellt, das in Betrieben
mit neu erstellten Markenrechten ein höherer Einsatz von immateriellen Gütern zur
Kreditsicherung zu beobachten ist. Auf der anderen Seite ist es wenig verwunderlich,
dass sich die Bedeutung einzelner Funktionen von Markenrechten stärker auf die Abgrenzung gegenüber dem Wettbewerb und der Verbesserung des Unternehmensimages konzentriert, welches als die primären Markenfunktionen gesehen werden.
Auch der Schutz vor Imitation und die Steigerung des Unternehmenswertes werden
hier als herausragend angesehen, vor allem letzterer Punkt wird bei den Marken als
wichtiger angesehen als bei den Patenten. Dies ist unter anderem deswegen plausibel,
da der Unternehmenswert sich hier auf den Ertragswert bezieht und eine starke Marke
das Ertragspotenzial eines Unternehmens maßgeblich positiv beeinflussen kann.
4.2.3. Betroffenheit und Auswirkungen von Verletzungen geistiger
Eigentumsrechte
Im Fragebogenmodul „Verletzung geistiger Eigentumsrechte/ Produktpiraterie“ wurde
unter den befragten Unternehmen erhoben, wie stark sie von Verletzungen geistiger
Eigentumsrechte in der unternehmerischen Praxis betroffen waren und wie sie die daraus resultierenden Folgen beurteilen. Diese können einerseits in direkten monetären
Verlusten (Umsatzverlust) und indirekten Kosten (Kosten für Gerichtsprozesse, Aufwendungen für technische Maßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Fälle von Produktpiraterie) bestehen; andererseits können diese auch qualitativer Art sein, also unternehmerische Entscheidungen auf unerwünschte Weise verzerren. Letzterer Aspekt
betrifft z.B. eine potenzielle Veränderung der Nutzung von Schutzstrategien, eine Verringerung von F&E-Aufwendungen oder die Verringerung von Technologietransfers
über Lizenzierungsvorgänge. Dies wird im Laufe dieses Kapitels eingehend analysiert
werden.
Zunächst soll ein Überblick über die Betroffenheit von Patent- oder Markenverletzungen gegeben werden. Hierbei ist zu beachten, dass hier nicht von einer vollständigen
Information der Unternehmen bzgl. sämtlicher Verletzungsfälle ausgegangen werden
kann. Produktpiraten möchten ihrer illegalen Tätigkeit naturgemäß möglichst unerkannt
nachgehen und Rechteinhaber verfügen nur über eingeschränkte Möglichkeiten auf
allen relevanten Märkten ein Monitoring bzgl. ihres geistigen Eigentums durchzuführen.
Aus diesem Grund ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Bei der Abschätzung
des Ausmaßes von Produktpiraterie bleibt daher immer eine gewisse Unsicherheit. Die
Formulierung der konkreten Frage in dieser Studie lautete „Wie oft war Ihr Unternehmen nach Ihrer Kenntnis von Verletzungen geistigen Eigentums betroffen, obwohl dieses tatsächlich durch ein im jeweiligen Land gültiges formelles Schutzrecht geschützt
85
war?“. Die Abfrage wurde separat für Patent und Markenrechte sowie Verletzungen
innerhalb und außerhalb der Europäischen Union vorgenommen.
Bei der Betrachtung aller Unternehmen zeigt sich, dass knapp 14% „Oft oder sehr oft“
von Patentverletzungen betroffen waren, insgesamt geben knapp 65% an, zumindest
„sehr selten“ betroffen gewesen zu sein. Lediglich ein Drittel hatte noch niemals mit
dieser Problematik zu kämpfen. Der Anteil der stark von Markenpiraterie betroffenen
Unternehmen bewegt sich ebenfalls um die 14%, circa die Hälfte war noch niemals mit
Markenverletzungen befasst. Die relativ gesehen häufigere Betroffenheit von Patentverletzungen im Vergleich mit den Markenverletzungen könnte aber auch daran liegen,
dass sich das Sample aus patent-affinen Betrieben zusammensetzt. Sowohl bei den
Marken als auch beim Patentrecht zeigt sich eine höhere Häufigkeit bei größeren Unternehmen, in Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern geht die Betroffenheit gegenüber der nächstkleineren Gruppe leicht zurück. Dieser Tatsache könnte ein Kalkül der
Fälscher zugrunde liegen, die bei Großkonzernen mit einer rigoroseren juristischen
Verfolgung als bei mittelständischen Betrieben rechnen müssen. Die weniger starke
Bedrohung der kleineren Unternehmen ist aber kein Grund zur Beruhigung, da hier
auch ein singulär auftretender Fall von Produktpiraterie existenzbedrohend sein kann.
Abbildung 4.11. Häufigkeit der Betroffenheit von Patent- bzw. Markenrechtsverletzungen nach Größenklassen
Oft oder sehr oft
Total
500 und
mehr
250 bis 499 50 bis 249
bis 49
Mitarbeiter Mitarbeiter Mitarbeiter Mitarbeiter
0%
20%
Selten bis manchmal
40%
Nie
60%
80%
100%
Patente
Marken
Patente
Marken
Patente
Marken
Patente
Marken
Patente
Marken
Aufschlussreich sind auch die Auswertungen nach der geographischen Herkunft der
Verletzungsfälle: Der Anteil der Unternehmen, welcher bereits schon einmal von Verletzungen der Patentrechte betroffen war, erhöht sich nicht, wenn Bezug auf das außereuropäische Ausland genommen wird. Lediglich die Intensität des Auftretens ist
außerhalb der EU etwas höher. Die Betroffenheit von Markenverletzungen wird zwar
86
insgesamt etwas geringer eingeschätzt, hier ist aber der Unterschied zwischen außereuropäischem und inner-europäischem Ausland etwas höher.
Abbildung 4.12. Häufigkeit von Patent- und Markenrechtsverletzungen innerhalb bzw.
außerhalb der Europäischen Union
Oft oder sehr oft
Markenverletzungen
Patentverletzungen
0%
20%
Selten bis manchmal
40%
60%
Nie
80%
100%
Innerhalb der EU
Außerhalb der EU
Innerhalb der EU
Außerhalb der EU
Eine konkrete Frage nach den Ländern, in denen die Unternehmen am häufigsten von
Verletzungen geistigen Eigentums betroffen waren, ergibt folgende Rangfolge nach
Häufigkeit der Nennung eines Landes. Wie auch in anderen Studie wird China mit Abstand am häufigsten genannt. Bezogen auf die Betroffenheit von unerlaubter Nachahmung technischer Bestandteile eines Produktes geben knapp 30% der Unternehmen
China als Ursprungsland an. Im außereuropäischen Ausland werden nach China auch
die Türkei, die USA sowie Indien und Taiwan genannt. Die Ursprungsländer beschränken sich jedoch keinesfalls auf Gebiete außerhalb der EU. Jedes zehnte befragte Unternehmen nennt Deutschland als Ursprungsland – vor allen anderen EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich, Polen und Großbritannien.
In Bezug auf die Imitation von Produktbezeichnungen zeigt sich, dass wiederum China,
aber auch Indien, die USA, die Türkei und Taiwan am häufigsten genannt werden. Die
innereuropäischen Länder mit den höchsten Vorkommnissen waren Deutschland, Italien, Frankreich, Polen und Tschechien.
Tabelle 4.4. Ursprungsländer unerlaubter Nachahmungen mit häufigster Nennung
Imitation technischer Bestandteile
Innerhalb der EU
Außerhalb der EU
87
Deutschland
Italien
Frankreich
Polen
Großbritannien
China
Türkei
USA
Indien
Taiwan
Imitation von Produktbezeichnungen
Innerhalb der EU
Deutschland
Italien
Frankreich
Polen
Tschechien
Außerhalb der EU
China
Indien
USA
Türkei
Taiwan
Zu den Auswirkungen von Produktpiraterie wurden die Unternehmen bzgl. zwei verschiedener Aspekte befragt. Zum einen wurden Umsatzausfälle und andere durch Produktpiraterie entstandene Zusatzkosten erhoben, zum anderen wurden nach potenziellen Auswirkungen auf Managemententscheidungen gefragt. Die Frage nach den monetären Kosten wurde lediglich an Unternehmen gerichtet, die ihres Wissens nach auch
tatsächlich selbst von Produktpiraterie betroffen waren – und zwar nicht nur von Verletzungen von patent- oder markengeschützten Aspekten, sondern von Nachahmungen
auch nicht formell geschützter technischer Bestandteile, Produktbezeichnungen oder
Produktionsprozesse. Dies war bei 182 Unternehmen der Fall, wobei 25 betroffene
Betriebe keine Angabe zu Umsatzverlusten machen wollten. Die Fragen zu den qualitativen Aspekten dagegen richteten sich an alle Unternehmen des Samples, da hier
nicht nur eine direkte Betroffenheit einen Effekt verursachen kann, sondern auch die
potenzielle Bedrohung durch Patent- und Markenverletzungen für die Anpassung im
Management im Sinne einer proaktiven Unternehmensführung genügt. Da die unmittelbare Betroffenheit im Vergleich zu einer eher diffusen potenziellen Bedrohung Managemententscheidungen unterschiedlich verzerren kann, wird sich die Auswertung
auch getrennt mit der nach eigener Aussage unmittelbar betroffenen Gruppe befassen
und darüber hinaus Unterschiede zu den nur mittelbar tangierten Betrieben aufzeigen.
Die monetären Auswirkungen stellen sich wie in Abbildung 4.13 dar. Die höchste Zahl
der Unternehmen (28,6%) gibt an, dass ihr Umsatz des Jahres 2007 um 1-2% höher
ausgefallen wäre, wenn das Unternehmen nicht von Verletzungen geistiger Eigentumsrechte betroffen gewesen wäre. Etwas mehr als die Hälfte der antwortenden Unternehmen hatte Umsatzausfälle in Höhe von bis zu 5% zu verzeichnen. Verluste von
mehr als 10% traten bei 12,1% der Betriebe auf. Keine Effekte auf den Umsatz des
Jahres 2007 gab ca. ein Viertel der Unternehmen an, obwohl sie von IPR-Verletzungen
88
betroffen gewesen sind. Dies kann damit erklärt werden, dass die gefälschten Produkte
nicht direkt mit dem Original konkurrieren und andere Käuferschichten ansprechen. Ein
anderer Erklärungsansatz ist, dass es sich bei der Fälschung nicht um ausreichend
hochwertige Kopien handelt, so dass potenzielle Abnehmer von einem Kauf Abstand
nehmen. Möglich ist weiterhin, dass es sich um Nachahmungen interner Produktionsprozesse handelt, was sich ebenfalls nicht direkt in Umsatzzahlen bemerkbar macht.
Abbildung 4.13. Umsatzeinbußen und Zusatzkosten als Folge von Produktpiraterie
Zusatzkosten durch Produktpiraterie
60
60
50
50
40
Anteil der Unternehmen in %
Anteil der Unternehmen in %
Umsatzeinbußen durch Produktpiraterie
30
20
10
40
30
20
10
0
0
0%
1-2%
3-5%
6-10%
11-15%
16-20%
Umsatzausfall in % (2007)
0%
1-2%
3-5%
6-10%
11-15%
16-20%
Zusatzkosten in % des Umsatzes (2007)
Auch bei den Zusatzkosten, die z.B. durch die Gerichtsprozesse zur Durchsetzung der
Schutzrechte, verstärkte Marktbeobachtung oder technische Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes gegen Produktpiraterie entstehen können, gibt mehr als ein Viertel der Unternehmen an, keine Kosten gehabt zu haben. Mehr als 50% hatten nach
eigenen Angaben Zusatzkosten von 1-2% ihres Jahresumsatzes 2007. Knapp ein
Fünftel weist Ausgaben zwischen 3% und 10% aus.
Eine Gewichtung der Durchschnitte der Antwortkategorien mit der relativen Häufigkeit
ihrer Nennung ergibt bei den Umsatzeinbußen einen Wert von ca. 4,1% des Jahresumsatzes 2007 sowie weitere 2,1% des Umsatzes an Kosten für Maßnahmen gegen
Produktpiraterie.
Ein weiterer Fokus der vorliegenden Studie wurde auf die qualitativen Auswirkungen
von Produktpiraterie gelegt. Abbildung 4.14 zeigt, in welchem Ausmaß die Unternehmen dadurch ihre Managemententscheidungen beeinflusst sehen. Es ist unmittelbar
89
einzusehen, dass Unternehmen aufgrund der Gefahr von Produktpiraterie ihr geistiges
Eigentum stärker schützen müssen. Allerdings gibt es zwischen den einzelnen Größenklassen interessante Unterschiede: Kleinere Betriebe sehen eine stärkeren Einfluss
auf die Nutzung informeller Methoden, größere Unternehmen werden eher in Richtung
einer stärkeren Nutzung formeller Schutzmechanismen getrieben. Auch der Aufwand
zur Pflege und Durchsetzung des Patent- bzw. Markenportfolios wird eher bei größeren
Unternehmen gesehen, wobei dies wohl primär mit den vorhandenen Ressourcen bei
Großunternehmen begründet werden kann. Die Projektion auf die Veränderung der
Auswirkungen innerhalb der nächsten fünf Jahre zeigt eine Verstärkung dieses Trends,
so dass die Schere in der Nutzung von Patenten zwischen Klein- und Großunternehmen noch weiter auseinander gehen dürfte.
Was weitergehende Reaktionen auf Managementebene betrifft, scheint hier eine größere Elastizität bei KMU vorzuliegen. Sowohl beim Zurückfahren von Vertriebsaktivitäten, als auch bei Verringerungen von Investitionen in F&E oder Produktionsstätten in
pirateriekritischen Märkten sowie bei der Frage nach einem möglichen „Abbruch oder
Veränderungen von Beziehungen mit Kunden oder Kooperationspartnern“ geben die
kleineren Betriebe signifikant höhere Werte für das Ausmaß der Auswirkungen an. Die
Erklärung kann sein, dass kleinere, inhabergeführte Unternehmen flexibler reagieren
und sich so veränderten Marktstrukturen besser anpassen können. Ein weiterer Grund
könnte sein, dass KMU durch Fälle von Produktpiraterie oft in einem kritischeren Ausmaß getroffen sind und so dazu gezwungen werden, ihre Unternehmenspolitik „radikal“
anzupassen. Großunternehmen dagegen können sich stärker auf die Durchsetzung
ihrer Rechte verlassen und haben die finanziellen Mittel für eine stärkere Patentnutzung oder größere Anstrengungen bei der Schutzrechtspflege und Marktbeobachtung.
90
Abbildung 4.14. Ausmaß der Auswirkungen von Verletzungen geistiger Eigentumsrechte auf Managemententscheidungen
bis 49 Mitarbeiter
50 bis 249 Mitarbeiter
250 bis 499 Mitarbeiter
500 und mehr Mitarbeiter
4
3,5
Bedeutung
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
Stärkere Nutzung
informeller
Schutzmechanismen
Stärkere Nutzung formeller
Verstärkung des
Schutzmechanismen
Aufw andes für Pflege und
Durchsetzung von IPR
Einsatz komplexer
Technologien
Verbindung mit
begleitenden
Dienstleistungen
Abbruch oder
Veränderung von
Kundenbeziehungen oder
Kooperationen
Verringerung der
Investitionen in FuE in
kritischen Märkten
Verringerung der
Investitionen in
Produktionsstätten in
kritischen Märkten
Verringerung von
Lizenzierungsaktivitäten
Verringerung des Vertriebs
in kritischen Märkten
Verringerung der
Ausgaben für FuE
allgemein
Einsatz komplexer
Technologien
Verbindung mit
begleitenden
Dienstleistungen
Abbruch oder
Veränderung von
Kundenbeziehungen
oder Kooperationen
Verringerung der
Investitionen in FuE in
kritischen Märkten
Verringerung der
Investitionen in
Produktionsstätten in
kritischen Märkten
Verringerung von
Lizenzierungsaktivitäten
Verringerung des
Vertriebs in kritischen
Märkten
Verringerung der
Ausgaben für FuE
allgemein
1
0,8
Veränderung der Bedeutung
0,6
0,4
0,2
0
-0,2
-0,4
-0,6
-0,8
-1
Stärkere Nutzung
informeller
Schutzmechanismen
Stärkere Nutzung
formeller
Schutzmechanismen
Verstärkung des
Aufwandes für Pflege
und Durchsetzung von
IPR
91
Eine getrennte Analyse der unmittelbar von Patentverletzungen betroffenen Unternehmen im Vergleich zu den Betrieben, die lediglich vor einer potenziellen, jedoch (noch)
nicht realisierten Bedrohung stehen, zeigt lediglich bei einigen Aspekten signifikante
Unterschiede (siehe Abbildung 4.15.). Während im Hinblick auf die stärkere Nutzung
von informellen Schutzmechanismen mittelbar und unmittelbar betroffene Betriebe einen ähnlichen Einfluss auf ihre Entscheidungen ausweisen, zeigt sich bei den Unternehmen, die schon einmal konkrete Erfahrungen mit Patentverletzungen gemacht haben, eine deutlich stärkere Neigung hin zur zukünftig intensiveren Nutzung von formellen Schutzrechten wie Patenten oder Marken. Dies ist vor allem für die größeren Betriebe des Samples der Fall, für KMU dagegen nicht signifikant nachweisbar. Hier
scheint sich also ein Unterschied zwischen der mittelbaren und unmittelbaren Bedrohung zu zeigen. Letztere führt dazu, sich intensiver mit Aspekten des gewerblichen
Rechtsschutzes zu befassen. Dies ist allerdings eher für die größeren Unternehmen
realisierbar, wodurch sich die Benachteiligung von KMU im Patentsystem weiter verstärkt.
Bei der Verringerung der Ausgaben für F&E gibt es ebenfalls einen leichten Unterschied zwischen den nach Pirateriebetroffenheit unterschiedenen Gruppen. Bei beiden
wird ein negativer Einfluss eindeutig niedrig angesiedelt. Allerdings ist der Effekt – auf
sehr geringem Niveau – bei den unmittelbar betroffenen Unternehmen signifikant höher. Es bleibt also bei der Einschätzung, dass ein Rückgang der F&E-Ausgaben eher
nicht zu erwarten ist. Deutlich wird dieser Sachverhalt auch bei Betrachtung der Beurteilung der nächsten Jahre: Während die nur mittelbar betroffenen Unternehmen eine
Reduzierung der F&E-Ausgaben als Folge von Produktpiraterie in Zukunft voraussichtlich seltener in Betracht ziehen, verzichten betroffene Betriebe gänzlich auf eine Reduzierung.
In Bezug auf andere mögliche Auswirkungen schlägt sich in jeder der Kategorien eine
Betroffenheit von Piraterie in einer – meist auch statistisch signifikant – höheren Bewertung nieder. Deutlich wird auch hier nochmals, dass die Unternehmen ohne konkrete Betroffenheit von einer stärkeren Nutzung informeller Maßnahmen im Vergleich zu
formellen Maßnahmen ausgehen, während das Verhältnis bei den betroffenen Betrieben umgekehrt ist. Erst eine akute Erfahrung scheint also Unternehmen zu einer stärkeren Nutzung von Patenten und/oder Marken zu motivieren.
92
Abbildung 4.15. Veränderung der Auswirkungen von Verletzungen geistiger Eigentumsrechte auf Managemententscheidungen, nach Unternehmen mit
und ohne direkte Betroffenheit von Patentrechtsverletzungen
Unternehmen ohne unmittelbare Patentrechtsv erletzung
Unternehmen mit unmittelbarer Patentrechtsv erletzung
0,8
0,6
Bedeutung
0,4
0,2
0
-0,2
-0,4
Stärkere Nutzung
Stärkere Nutzung
Verstärkung des
Einsatz komplexer
Verbindung mit
Abbruch oder
Verringerung der
informeller
formeller
Aufwandes für Pflege
Technologien
begleitenden
Veränderung von
Ausgaben für FuE
Dienstleistungen
Kundenbeziehungen
allgemein
Schutzmechanismen Schutzmechanismen und Durchsetzung von
-0,6
IPR
oder Kooperationen
-0,8
Im Folgenden soll eine Gruppe von Unternehmen betrachtet werden, die bei den bisherigen Analysen außen vor gelassen wurden. Hierbei handelt es sich um Unternehmen,
bei denen von einem substantiellen Schaden durch Verletzung von Patent- oder Markenrechten ausgegangen werden kann und die gleichzeitig aktiv gegen die IPRVerletzung vorgegangen sind. Diese beiden Merkmale äußern sich darin, dass die Betriebe bei den Zollbehörden einen Antrag auf Grenzbeschlagnahme gestellt haben. Bei
einem Vergleich der von Piraterie betroffenen Unternehmen mit den Antragstellern
zeigt sich, dass letztere sich durch das Auftreten des Pirateriefalles in einem signifikant
höheren Ausmaß zu einer Verstärkung des Aufwandes bezüglich der Pflege und
Durchsetzung veranlasst sehen. Dies manifestiert sich schon allein durch die Tatsache, dass das Unternehmen den Grenzbeschlagnahmeantrag gestellt hat. Die Auswirkungen auf eine stärkere Nutzung von formellen Schutzmechanismen werden von ihnen leicht höher eingeschätzt, während informelle Maßnahmen geringere Bewertungen
erhalten. Dies bestätigt wiederum die Beobachtung, dass eine akute Betroffenheit dazu
führt, sich stärker mit IPR und rechtlichen Schritten zur Durchsetzung des geistigen
Eigentums auseinanderzusetzen.
Zum Abschluss des Kapitels zu den Auswirkungen von Produktpiraterie wird die Sicht
der Patentanwälte analysiert und auf die Frage eingegangen, welche Reaktionen die
Fachleute des gewerblichen Rechtsschutzes von den Unternehmen erwarten. Dabei ist
abermals zu beachten, dass einige der Kategorien unternehmensinterne Entscheidungsprozesse sind, bei denen Patentanwälte keine aktive Rolle einnehmen. Ein Beispiel ist die Verbindung von Produkten mit begleitenden Dienstleistungen, bei der die
Patentanwälte im Normalfall nicht involviert sind. Auf der anderen Seite befassen sich
93
die Patentanwälte intensiv mit der Durchsetzung von Patenten und können daher aus
den Mandantengesprächen wertvolle Einsichten gewinnen. Aus diesen Gesprächen
scheint sich nach den Angaben der Befragung eine stärkere Neigung zur Nutzung von
formellen Schutzrechten zu ergeben. Dies trifft in der Einschätzung der Anwälte in einem höheren Maße zu, als die Unternehmensbefragung es ergab. Dargestellt ist dieser
Sachverhalt in Abbildung 4.16. Auf der anderen Seite wird die Erhöhung des Aufwandes für informelle Maßnahmen von den Anwälten etwas niedriger eingeschätzt. Dies ist
ein weiteres Indiz dafür, dass Unternehmen, die akut von Piraterie betroffen sind bzw.
diese Problematik auch mit ihrem Anwalt diskutieren, in einem höheren Maße auf die
gewerblichen Schutzrechte wie Patente und Marken zurückgreifen und sich weniger
stark auf informelle Methoden wie Geheimhaltung verlassen. Der mit Abstand größte
Unterschied in der Einschätzung der beiden Befragungsgruppen ist beim Einsatz komplexer Technologie zum Schutz gegen Produktpiraterie zu beobachten, der in der
Gruppe der Anwälte als deutlich weniger relevant gesehen wird. Der Grund hierfür
kann jedoch wieder darin liegen, dass diese Vorgehensweise unternehmensintern abläuft und nicht im Aufgabengebiet des Patentanwalts liegt. Ein weiterer Aspekt betrifft
die Auswirkungen auf Investitionen in F&E, Produktionsstätten oder Vertriebskapazitäten. Hier ist zu beobachten, dass die Anwälte in jeder der Kategorien höhere Auswirkungen erwarten. In der unternehmerischen Praxis scheinen diese Aspekte jedoch
eine eher geringe Relevanz zu haben.
Abbildung 4.16. Ausmaß der Auswirkungen von Verletzungen geistiger Eigentumsrechte auf Managemententscheidungen (Vergleich Unternehmensund Patentanwaltsbefragung)
Unternehmen
Patentanwälte
Bedeutung
0
Stärkere Nutzung informeller Schutzmechanismen
Stärkere Nutzung formeller Schutzmechanismen
Verstärkung des Aufwandes für Pflege und Durchsetzung von IPR
Einsatz komplexer Technologien
Verbindung mit begleitenden Dienstleistungen
Abbruch oder Veränderung von Kundenbeziehungen oder Kooperationen
Verringerung der Investitionen in FuE in kritischen Märkten
Verringerung der Investitionen in Produktionsstätten in kritischen Märkten
Verringerung von Lizenzierungsaktivitäten
Verringerung des Vertriebs in kritischen Märkten
Verringerung der Ausgaben für FuE allgemein
1
2
3
4
5
94
5. Analyse des deutschen Systems an Unterstützungsleistungen für KMU im Bereich geistiges Eigentum
5.1. Einführung
Das Thema „geistiges Eigentum“ hat, wie die Analysen in den vorangegangen Kapitel
gezeigt haben, zweifellos eine hohe und steigende Bedeutung für Unternehmen aller
Größenklassen, insbesondere auch KMU. Gleichzeitig ist ersichtlich, dass KMU das
System des gewerblichen Rechtsschutzes in geringerem Maße nutzen als Großunternehmen. Zur Erklärung dieses auch in anderen Analysen festgestellten Verhaltens
werden Gründe wie eine geringe Sensibilisierung für das Thema „intellectual property
rights“, (subjektiv) hohe Kosten des Systems des gewerblichen Rechtsschutzes (speziell hinsichtlich des Instrumentes des Patentes) oder antizipierte Probleme bei der
Durchsetzung der Immaterialgüterrechte ins Feld geführt (siehe hierzu auch Abschnitt
2.3). Da in diesem Sachverhalt ein Marktversagen hinsichtlich der Nutzung des IPRSystems durch KMU gesehen werden kann, wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche KMU-spezifische Unterstützungsmaßnahmen in verschiedenen Ländern innerhalb und außerhalb der EU implementiert, die die Nutzung des IPR-Systems durch den
Mittelstand erleichtern sollen – so auch in Deutschland.
Vor diesem Hintergrund untersucht das folgende Kapitel, die bestehenden öffentlich
finanzierten Unterstützungsangebote im Bereich IPR für deutsche KMU bezüglich deren Zweckmäßigkeit, Effektivität und etwaig vorhandener Förderlücken. Im Einzelnen
wird hierbei folgenden Fragestellungen nachgegangen:
• Auf welche Art von Dienstleistungsanbietern (öffentliche Förder- und Serviceeinrichtungen, private Dienstleister) greifen deutsche Unternehmen – KMU wie auch größere Unternehmen – zurück, wenn sie mit Problemen im Themenfeld geistiges Eigentum konfrontiert sind? (Abschnitt 5.2)
• Welche öffentlich finanzierten Institutionen bieten in Deutschland Unterstützung in
Fragen des geistigen Eigentums an? Welche Instrumente stehen zur Förderung
des Mittelstandes im Themenbereich „Geistiges Eigentum“ in Deutschland zur Verfügung? (Abschnitt 5.3)
• Wie ist dieses Instrumentarium in Bezug auf die Zweckmäßigkeit, Effektivität und
Effizienz zu beurteilen? (Abschnitt 5.4)
95
Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen wurde auf folgende Methoden zurückgegriffen:
(i) Es erfolgt eine Sonderauswertung der Studie „Benchmarking National and Regional
Support Services for SMEs in the Field of Intellectual and Industrial Property” (Radauer
et al., 2007), die die KMU FORSCHUNG AUSTRIA in den Jahren 2006 und 2007
zusammen mit einem Konsortium mit der Technopolis Group und mehr als 30
internationalen Partnern im Auftrag der Europäischen Kommission (Generaldirektion
Unternehmen und Industrie) durchgeführt hat. Ziel dieser Studie war es, (i) alle
bestehenden
öffentlich
finanzierten
nationalen
und
regionalen
Unterstützungsmaßnahmen in den Ländern der EU-27 sowie in Kanada, den USA,
Japan und Australien mit Bezug zum Thema geistiges Eigentum
zusammen mit
wesentlichen Eckdaten zu katalogisieren, (ii) eine Auswahl dieser Services in der Folge
einem Benchmarkingprozess zu unterziehen, um Anhaltspunkte zu jeweiligen Stärken
und Schwächen zu finden und (iii) ein Subset von letztlich 15 Services, die eine
besonders gute Performance aufweisen, detailliert als „good practices“ darzustellen.
Der methodische Ansatz orientierte sich an diesen drei konsekutiven Zielen: In einer
ersten Identifikationsphase wurde auf desk research zurückgegriffen, um die Services
zu erfassen, zu klassifizieren und in eine Datenbank einzuspielen. In der
Benchmarkingphase wurden die vielversprechendsten der erfassten Services mit Hilfe
eines detaillierten Fragebogens bewertet (wobei jeweils ein Interview mit einem/r
Vertreter/in des Services durchgeführt und Dokumente zu den Maßnahmen
ausgewertet wurden). In der dritten Phase erfolgte die Erstellung von Fallstudien,
wobei auf vier bis fünf offene Interviews mit nationalen IPR-Experten und Stakeholdern
der jeweiligen Maßnahmen und eine standardisierte Erhebung unter den nutzenden
KMU zurückgegriffen wurde (Zielgröße waren hier 50 ausgefüllte Fragebögen je
Service). Der verwendete Fragebogen für die Unternehmen war für alle analysierten 15
Services identisch, um Länder- und Servicevergleiche an Hand einheitlicher Kriterien
durchführen zu können – gleichzeitig muss aber auch festgehalten werden, dass diese
Vorgehensweise
viele
Maßnahmenspezifika
nicht
berücksichtigen
und
daher
detaillierte Evaluierungen nicht ersetzen kann.
Die folgende Abbildung skizziert den methodischen Aufbau der Benchmarking-Studie
grafisch. Insgesamt wurden 279 Services identifiziert, 72 dem Benchmarking und 15
der Fallstudienanalyse unterzogen. Von den damals 13 identifizierten deutschen
Services wurden letztlich zwei – die SIGNO/INSTI KMU-Patentaktion und das System
der deutschen Patentinformationszentren (mit dem PIZ Stuttgart als primärem und
beispielhaftem
Untersuchungsgegenstand)
–
in
die
Auswahl
der
Fallstudienmaßnahmen aufgenommen. Die in der Abbildung dargestellte Beschreibung
der 15 Fallstudien als Services mit „good practice elements“ spiegelt das Ergebnis
96
wider, dass nur wenige der Maßnahmen auch in der letzten Runde als Beispiele guter
oder bester Praxis im Design und im Betrieb von IPR-Services angesehen werden
können. Vielmehr wurden bei den Services sowohl vorteilhafte, als auch weniger
vorteilhafte Performancefaktoren meist in deutlicher Weise identifiziert. Insgesamt
wurden (im Rahmen der Nutzerbefragung) 630 Unternehmen befragt sowie etwa 120
nationalen IPR-Experten und Serviceprovider (auf Deutschland bezogen: 86
Unternehmen und ca. 10 Experten).
Abbildung 5.1.
Methodisches
Vorgehen
der
IPR-Benchmarking-Studie
(Quelle: Radauer et al., 2007)
Study IPR Expert
Group
Core
Research
Team:
Field work (by
partner network)
- Analysis
Field work (by
partner network)
- Guidelines
- Selection
process
Results validation
15 services
exhibiting “good
practice”
characteristics
Results dissemination
(ii) Die Informationen, die im Rahmen der Benchmarking-Studie zu deutschen
Unterstützungsmaßnahmen erfasst wurden, wurden über desk research für die
vorliegende Untersuchung aktualisiert. So musste z.B. der Neuausrichtung der INSTIAktion als nunmehriges Programm „SIGNO Unternehmen“ ebenso Rechnung getragen
werden, wie der Auflösung der Fraunhofer-Patentstelle (Fraunhofer PST) in München
zum 1.1.2008. Gleichzeitig wurden auch Informationslücken geschlossen, die in Bezug
zu Deutschland in der Benchmarking-Sudie existiert haben. In diesem Zusammenhang
wurden vor allem auf Bundeslandebene weitere relevante Programme und
Unterstützungsleistungen identifiziert.
(iii) Für das System der Patentinformationszentren wurde an Hand eines kurzen
standardisierten Fragebogens eine Datenabfrage vorgenommen, um die Leistungen
und Charakteristika der einzelnen Patentzentren besser darstellen zu können.
Derartige Informationen lagen im Rahmen der Benchmarking-Studie noch nicht vor.
(iv) Schließlich wurden Fragen zur Nutzung von Fördermaßnahmen und externen IPRDienstleistungen in die Unternehmensbefragung des Fraunhofer ISI integriert, sowie
weitere etwa 10 weitgehend offene leitfadengestützte Interviews mit Experten per
97
Telefon durchgeführt, wobei die Experten u.a. zur Zweckmäßigkeit, Effektivität und
staatlichem Handlungsbedarf im gegenständlichen Themenfeld befragt wurden.
5.2. Nutzung von externen Dienstleistungen im Themenbereich
IPR durch deutsche KMU
5.2.1. Vorherrschende Nutzungsmuster
Zunächst soll im vorliegenden Abschnitt untersucht werden, welche Nutzungsmuster
bei deutschen Unternehmen, speziell KMU, hinsichtlich des Rückgriffs auf externe
Dienstleistungsanbieter im Themenbereich „Geistiges Eigentum“ vorherrschen, wobei
hier sowohl der Privatsektor als auch der öffentliche Förder- und Dienstleistungssektor
angesprochen wird.
Die folgende Abbildung 5.2. zeigt, an welche Art von Dienstleistungsorganisationen
und
-institutionen
sich
die
befragten
Unternehmen
bei
IP-bezogenen
Problemstellungen vorzugsweise wenden. Deutlich an der Spitze stehen hier
Patentanwälte, die von 60 % der befragten Unternehmen „sehr oft“ oder „oft“ zu Rate
gezogen werden und von 31 % zumindest „selten“. Damit kommt den Patentanwälten
als Dienstleistungsanbieter im Themenfeld IPR eine herausragende Rolle zu. Auf
Rechtsanwälte
30,
der zweitwichtigsten Gruppe von Serviceanbietern, greift rund ein
Viertel der befragten Betriebe “sehr oft“ oder „oft“ zurück; 46 % nutzen VertreterInnen
dieser Berufsgruppe zumindest gelegentlich. An das Europäische Patentamt (EPA)
und das Deutsche Patentamt (DPMA) wenden sich jeweils rund 25 % bzw. 27 %
häufig, 35 % (EPA) bzw. 37 % (DPMA) zumindest manchmal. Etwa 15 % sind
intensivere Nutzer der Dienstleistungen von Patentinformationszentren (PIZZEN),
wobei aber weitere 38 % hin und wieder auf die PIZZEN zurückgreifen. Eher geringe
Bedeutung weisen Branchenverbände und Handelskammern auf, die etwa ein Drittel
der Unternehmen gelegentlich nutzt. Einrichtungen der EU (wie der IPR-Helpdesk),
regionale Förderagenturen und Banken sind hingegen nur für eine deutliche Minderheit
von KMU als Dienstleister in IPR-Fragen von Relevanz.
30
Die Unterscheidung zwischen Rechts- und Patentanwälten ist vor allem wegen dem deutlich unterschiedlichen
Qualifikations- und Tätigkeitsprofil der beiden Berufsgruppen wichtig. Die Ausbildung zu einem Patentanwalt
bedingt den Abschluss eines naturwissenschaftlichen Studiums oder einer technischen Studienrichtung (mit
anschließender juristischer Ausbildung im Patentwesen). Klassische Rechtsanwälte können, bei einer
ausschließlich juristischen Grundbildung, keine den Patentanwälten alleinig zugedachten Aufgaben übernehmen
(wohl aber bei Gericht in Patentstreitfragen auftreten oder in anderen Fragen des Immaterialgüterrechts Klienten
vertreten).
98
Abbildung 5.2.
Nutzungshäufigkeit verschiedener Typen von Dienstleistungsanbietern im Bereich Geistiges Eigentum durch die befragten Unternehmen
(Angaben in Prozent)
oft/sehr oft
sehr selten/manchmal
Betriebe in %
100
80
31
60
46
35
40
37
38
60
20
0
34
10
12
8
1
0
1
0
25
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25
27
15
n
MA
tre
DP
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sz
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rm
nfo
i
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Pa
A
EP
Die Differenzierung zwischen KMU (Betriebe mit weniger als 250 Angestellten, für die
die meisten Förderprogramme aufgrund der Ausgestaltung der Förderkriterien
besonders relevant sind) und Großunternehmen (mit 250 oder mehr Beschäftigten)
zeigt,
dass
KMU
seltener
auf
externe
Dienstleister
zurückgreifen
als
Großunternehmen, wobei dies für alle abgefragten Typen von Dienstleistungsanbietern
gilt (siehe Abbildung 5.3.). Dies lässt sich dadurch erklären, dass KMU generell
weniger vom System der formalen Schutzrechte Gebrauch machen (siehe Abschnitt
4.2.2.) und daher wohl auch weniger Bedarf an externen Dienstleistern in dem Bereich
artikulieren. (Gleichwohl muss hier die Frage gestellt werden, ob nicht die
Notwendigkeit von externer Unterstützung/Beratung auch bei der Anwendung
informeller Schutzrechtsstrategien von vielen KMU unterschätzt wird). Die relative
Relevanz der verschiedenen Arten von Dienstleistungsanbietern, gemessen an der
Reihung der Häufigkeit der Inanspruchnahme, unterscheidet sich bei KMU hingegen
kaum vom Gesamtdurchschnitt – auch hier bilden die Patentanwälte die wichtigste
Kontaktstelle, gefolgt von den Rechtsanwälten, den Patentämtern (EPA, DPMA) und
den Patentinformationszentren. Regionale bzw. nationale Förderagenturen und
-banken sowie EU-Einrichtungen (und andere Arten von Dienstleistungsanbietern)
werden auch von KMU kaum frequentiert.
99
Abbildung 5.3. Nutzungshäufigkeit verschiedener IPR-Dienstleister, differenziert nach
KMU und Großunternehmen (Angaben in Prozent)
bis 249 Mitarbeiter
250 und mehr Mitarbeiter
100
Betriebe in %
80
60
96
82
40
80
72
69
53
20
14
12 14
8
38
12
45
51
49
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o
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56
27
4
0
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Bu
Fö
EU
Es
zeigt
sich
weiter,
dass
die
befragten
A
EP
ti
ten
Pa
a
rm
nfo
Unternehmen
auf
externe
Dienstleistungsanbieter vor allem in frühen Phasen der Nutzung von Schutzrechten
zurückgreifen (siehe Abbildung 5.4.). So gaben 81% der KMU (83% der
Großunternehmen)
an,
in
der
Recherchephase
(z.B.
bei
der
Suche
in
Patentdatenbanken) externe Services zu nutzen; für die Anmeldung von Schutzrechten
tun dies 89% der Großunternehmen und 78% der KMU. Bei Vertrags- und
Lizenzverhandlungen – also in einer späteren Phase, in der Schutzrechte schon
bestehen – suchen 52% der Großunternehmen (aber nur 30% der KMU) externe Hilfe.
Bei Schutzrechtsverletzungen liegt der Anteil der Großunternehmen, die externe
Serviceanbieter einbinden, bei 78% (KMU-Anteil: 45%). Damit besteht ein deutlicher
Unterschied zwischen KMU und Großunternehmen hinsichtlich der Nutzung von
externen
Services
bei
Vertrags-
bzw.
Lizenzverhandlungen
und
in
Rechts-
durchsetzungsfällen.
Wichtige Aufschlüsse über die Notwendigkeit und/oder die Wirksamkeit staatlich
finanzierter Unterstützungsprogramme und -dienstleistungen für KMU im Bereich
geistiges Eigentum – und damit auch Anhaltspunkte, die das Nutzungsmuster aus
Abbildung 5.3. mit erklären können – lassen sich aus der Analyse der Gründe ableiten,
welche
Barrieren
die
befragten
Unternehmen
hinsichtlich
einer
Inanspruchnahme staatlicher Dienstleistungen im Themenfeld IPR sehen.
etwaigen
100
Abbildung 5.4. Nutzung von IPR-Serviceprovidern, nach Abhängigkeit der
Nutzungsphase der Schutzrechte (Angaben in Prozent)
bis 249 Mitarbeiter
250 und mehr Mitarbeiter
100
Betriebe in %
80
60
40
81
83
89
78
78
52
20
45
30
0
Recherchen zu IPR
Anmeldung von IPR
Vertrags- und
Lizenzverhandlungen
Bekämpfung
Schutzrechtsverletzungen
Wie aus Abbildung 5.5. ersichtlich, ist der mit Abstand wichtigste Grund für die
Nichtinanspruchnahme von IPR-Dienstleistungen der, dass Unternehmen einfach nicht
ausreichend über Fördermöglichkeiten und verwandte Dienstleistungsangebote
Bescheid wissen. So gaben 45% der befragten Unternehmen an, über zu wenige
Informationen zu den Förderangeboten mit IPR-Bezug zu verfügen, was einer Nutzung
entsprechender Maßnahmen entgegenstünde. Da den Betrieben kaum Informationen
zu Förderangeboten vorlagen, konnten vergleichsweise viele Unternehmen die
Relevanz der anderen abgefragten Barrieren nicht beurteilen – der Anteil der „weiß
nicht“-Antworten bewegte sich in einer Bandbreite zwischen 38% (fehlende
Notwendigkeit staatlichen Eingreifens) und 63% (mangelnde Qualität des Angebots).
Neben der schlechten Informationslage gaben vergleichsweise viele Unternehmen
(34%) einen zu hohen administrativen Aufwand als Barriere für die Nutzung von IPRFörderangeboten an, sowie zu lange Bearbeitungs-/Prozesszeiten. Dies dürfte zu
einem Teil, wie sich aus Einzelkommentaren und Expertenmeinungen herauslesen
lässt, einer vorhandenen Unzufriedenheit mit Aspekten des Patentwesens geschuldet
sein, speziell der als zu lang empfundenen Dauer, bis Patente durch die Patentämter
erteilt werden. Vergleichsweise geringe Barrieren werden in Förderhöhen (bzw. im
Umfang der Unterstützung), in der Qualität des Angebotes und im prinzipiellen
Vorhandensein geeigneter Angebote gesehen, wobei bei diesen Aspekten der hohe
Anteil an „weiß nicht“ Antworten besonders berücksichtigt werden muss. 42% der
Unternehmen waren der Meinung, dass eine fehlende Notwendigkeit, öffentliche
101
Maßnahmen in Anspruch zu nehmen, keine Barriere für die Nutzung von IPR-Services
darstellt, d.h. dass durchaus Bedarf an staatlicher Hilfe besteht
Abbildung 5.5. Barrieren für die Inanspruchnahme staatlicher Dienstleistungen im
Bereich IPR (Angaben in Prozent)
Barriere
keine Barriere
weiß nicht
100
27
Betriebe in %
80
38
40
52
55
59
63
60
28
25
40
20
42
27
26
27
20
45
34
15
29
18
10
21
0
keine geeigneten
Förderprogramme
vorhanden
Mangelnde Qualität
des Angebotes
Zu w enige
Informationen über
Förderungen
Zu hoher
administrativer
Aufw and
Zu geringe
Förderhöhe/inhaltl.
Unterstützung
Zu lange Dauer des
Prozesses
Fehlende
Notw endigkeit
staatlichen
Eingreifens
Um die Nachfrage adäquat decken zu können, ist es bei der Konzeption von IPRDienstleistungen für KMU notwendig, über jene Faktoren Bescheid zu wissen, die KMU
als wichtig für entsprechende Serviceangebote erachten. Im Umkehrschluss können
durch einen Vergleich eines so erstellten Anforderungsprofils mit Charakteristika
bereits existierender Unterstützungsmaßnahmen erste Hypothesen formuliert werden,
die auf mögliche Stärken und Schwächen der Maßnahmen hinweisen.
Anhaltspunkte für die Erstellung eines derartigen Anforderungsprofils liefern z.B. die
Resultate der Benchmarking-Studie (Radauer et al., 2007): Im Rahmen der
Nutzererhebung bei den als Fallstudien ausgewählten Unterstützungsleistungen
wurden dort die KMU, die einen bestimmten Service genutzt haben, gebeten, aus einer
Liste von Faktoren diejenigen auszuwählen, welche als qualitäts- bzw. erfolgsrelevant
für eine Dienstleistung/Förderung ähnlich dem genutzten Angebot anzusehen sind.
Abbildung 5.6 stellt diese Faktoren und die Einschätzung der jeweiligen Relevanz
durch die nutzenden KMU für die INSTI (jetzt SIGNO) KMU-Patentaktion dar:
Der wichtigste Qualitätsfaktor für ein Förderprogramm, wie die SIGNO KMUPatentaktion, ist für KMU, die das Programm genutzt haben, die Qualifikation des
operativ
tätigen
Personals:
Etwa
83%
der
befragten
KMU
messen
der
Personalqualifikation eine hohe, weitere 17% zumindest eine mittlere Relevanz bei. Die
102
Wichtigkeit dieses Faktors wird auch durch die Experteninterviews bestätigt und ergibt
sich aus der Komplexität der Thematik des gewerblichen Rechtsschutzes (bzw. des
bewussten Umgangs mit und der Nutzung von geistigem Eigentum). Idealerweise
muss eine Person, die im Rahmen der SIGNO Patentaktion (bzw. auch anderweitig bei
IPR-Fragen) KMU berät, über technisches Know-how verfügen (d.h. die technische
Dimension der Erfindung verstehen und bewerten können), relevantes juristisches
Wissen beibringen (z.B. in Fragen des Patentrechtes, aber evtl. auch Alternativen zum
Patentieren – siehe weiter unten) und betriebswirtschaftliche Aspekte der Erfindung
(z.B. hinsichtlich Verwertungsoptionen oder der Risikoabschätzung bzw. der
Durchsetzbarkeit der Rechte gegenüber dem Wettbewerb) berücksichtigen. Die
Anforderungen
an
das
betriebswirtschaftliche
Wissen
bedingen
zudem
das
Vorhandensein von Kenntnissen über die relevanten Branchen und Märkte, d.h. dass
das betriebswirtschaftliche Know-how nicht nur methodische Aspekte abdecken muss.
Abbildung 5.6. Relevanz verschiedener Schlüsselfaktoren für ein Förderprogramm ähnlich
der
SIGNO
KMU-Patentaktion,
Sicht
der
Förderempfän-
ger/Unternehmen (Unternehmen in Prozent; Quelle: Radauer et al.,
2007)
hohe Relevanz
Qualifikation des Service-erbringenden Personals
mittlere Relevanz
17
83
Zeitnahe Leistungserbringung
70
21
Leichte Identifizier- und Sichtbarkeit
68
23
Administrativer Aufw and
66
Kosten
17
36
59
Informationen zu versch. IP Strategien ("w arum
und w arum nicht patentieren")
32
47
Individuelle Kontaktperson
38
42
Breite/Tiefe des Service
51
36
Technische Informationen ("w ie patentieren")
53
32
Vorhandensein von und Weiterleitung an andere
interne Services
43
26
Weiterleitung an externe DL/Services
43
17
Geographische Distanz
51
8
0
20
40
60
80
100
103
Zweitwichtigster Faktor ist die zeitnahe Dienstleistungserbringung, die für 70% der
KMU von hoher und für weitere 21% von zumindest mittlerer Relevanz ist. Die
Bedeutung der zeitnahen Leistungserbringung steht hierbei zunächst in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem Wesen des gewerblichen Rechtsschutzes, wonach jene
Partei, die zuerst eine Anmeldung für ein Schutzrechtsinstrument durchführt, im
Regelfall auch das Recht am geistigen Eigentum erhält. Im Falle der SIGNO KMUPatentaktion spielt hier die enge Koppelung des Förderprozesses an Meilensteine im
Patenterteilungsprozess
(beide
Prozesse
müssten
idealerweise
synchronisiert
ablaufen) in die Bewertung hinein. Aber auch den Aspekt time to market gilt es in
diesem Kontext zu berücksichtigen.
Der drittwichtigste Aspekt zielt auf die leichte Identifizier- und Sichtbarkeit des
Serviceangebotes ab und steht damit in unmittelbarem Zusammenhang mit der
Vermarktung und dem Vertrieb des Angebotes. So lange das Angebot und dessen
möglicher Nutzen
den
KMU
nicht
hinreichend
detailliert
bekannt
ist, kann
natürlicherweise nicht von einer hohen Nutzungsintensität ausgegangen werden. 68%
der KMU sehen in diesem Aspekt einen Faktor von hoher, 23% von mittlerer Relevanz.
Da bei der im Rahmen dieser Studie durchgeführten Unternehmensbefragung bereits
festgestellt wurde, dass nur vergleichsweise wenige Unternehmen über einschlägige
Förderangebote Bescheid wissen, lässt sich – in Kombination mit den Ergebnissen der
Benchmarking-Studie – daraus bereits eine mögliche Schwäche der SIGNO KMUPatentaktion indikativ ableiten (siehe hierzu auch Abschnitt 5.4).
Wichtig erscheint es den Unternehmen weiterhin, den administrativen Aufwand bei der
Beantragung und Nutzung des Förderangebots (für 66% ein sehr relevanter und für
17% ein Faktor von mittlerer Relevanz) sowie die Kosten (für 59% ein hoch- und für
36% ein mittel-relevanter Faktor) so gering wie möglich zu halten. Allerdings ist bei der
Interpretation dieser Ergebnisse zu berücksichtigen, dass auch bei Fördermaßnahmen
mit objektiv geringem administrativen Aufwand und niedrigen Kosten für die Nutzung
erfahrungsgemäß mit einem Sockelanteil an Unternehmen zu rechnen ist, der diese
Aspekte betont und/oder mit diesen unzufrieden ist. Insofern dürfte in der Praxis den
genannten Faktoren eine etwas geringere Bedeutung zukommen, als aus der
Darstellung abgeleitet werden kann.
Dagegen ist die vergleichsweise hohe Bedeutung, die dem Aspekt „Bereitstellung von
Informationen
zu
verschiedenen
Schutzrechtsstrategien“
beigemessen
wird,
überraschend. Es artikuliert sich – bei einem Programm, das primär auf Patente
fokussiert und Unterstützung im Anmeldeprozess bietet – klarer Bedarf bei 47% (Anteil
der Unternehmen, die diesen Aspekt als hoch-relevant ansehen) bzw. weiteren 32%
(Anteil an KMU, die den Faktor mittlere Relevanz beimessen) an Informationen,
104
weshalb diese Unternehmen überhaupt patentieren sollen und welche Alternativen
hierzu bestehen. Dieses Thema (das letztlich in das Betätigungsfeld IP-Management
führt, welches sich u.a. mit Entscheidungsprozessen rund um die Nutzung oder NichtNutzung
verschiedener
Schutzrechtsinstrumente
in
individuellen
betrieblichen
Kontexten befasst) erscheint den Unternehmen wichtiger, als über prozesstechnische
Aspekte des Patentwesens informiert zu werden (ein Faktor, der „nur“ für 32 % von
hoher Relevanz ist).
Faktoren, wie die geografische Distanz zum Ort der Dienstleistungserbringung oder die
Weitervermittlung an andere Dienstleistungsangebote sind für die Nutzer der SIGNO
KMU-Patentaktion von vergleichsweise geringer Relevanz. Dies kann dahingehend
interpretiert
werden,
dass
KMU
bereit
sind,
auch
längere
Distanzen
zu
Dienstleistungsanbietern zurückzulegen, wenn sie dort kompetente und umfassende
Informationen und Dienstleistungen – im Sinne eines One Stop Shops – rund um das
Thema gewerblicher Rechtsschutz und geistiges Eigentum erhalten.
Die folgende Abbildung 5.7. stellt die Antworten zu den Qualitätsfaktoren für Nutzer
von Patentinformationszentren dar. Konkret wurde das PIZ Stuttgart untersucht, das
auf Grund seiner Größe und vorhandenen KMU-Serviceangeboten beispielhaft für
Patentinformationszentren in Deutschland ausgewählt wurde. Die Verteilung der
Antworten weist im Vergleich zur SIGNO KMU-Patentaktion nur relativ geringe
Unterschiede auf: Wie bei SIGNO, so sind auch bei den Nutzern des PIZ Stuttgart die
wichtigsten
Faktoren
die
folgenden:
Qualifikation
des
Personals,
zeitnahe
Leistungserbringung und leichte Sicht- und Identifizierbarkeit. Das Thema IPManagement steht hier, bei einer auf Patentinformationen fokussierten Einrichtung,
erst an vierter Stelle in der Rangliste relevanter Erfolgsfaktoren. Für das System der
Patentinformationszentren ebenso überraschend – vor dem Hintergrund, dass die PIZ
ihren Ursprung als regionale/ortsnahe Patentschriftenauslegestellen hatten – ist die wie
bei SIGNO niedrige Bewertung des Faktors der geografischen Distanz. Dies lässt sich
durch die heutigen Möglichkeiten von Patentdatenbankenrecherchen im Internet (z.B.
über espa@cenet oder depatisnet) erklären – zumindest was KMU betrifft, die bereits
Erfahrung mit derartigen Recherchen haben (dies betrifft einen großen Teil des
Samples der Befragung). Ein Besuch einer physischen Auslegestelle bzw. eines
Lesesaals ist – wenn nicht weitere Informations- und Beratungsdienstleistungen
genutzt werden sollen – für solche Betriebe meist überflüssig.
105
Abbildung 5.7.
Relevanz verschiedener Schlüsselfaktoren für Dienstleistungen ähnlich denen, die das PIZ Stuttgart erbringt, Sicht der das PIZ Stuttgart
nutzenden Unternehmen (Unternehmen in Prozent; Quelle: Radauer
et al., 2007)
hohe Relevanz
Qualifikation des Service-erbringenden Personals
mittlere Relevanz
6
94
Leichte Identifizier- und Sichtbarkeit
11
86
Zeitnahe Leistungserbringung
23
74
Informationen zu verschiedenen IP Strategien
("w arum und w arum nicht patentieren")
31
57
Breite/Tiefe des Service
43
54
Technische Informationen ("w ie patentieren")
40
51
Administrativer Aufw and
40
46
Vorhandensein von und Weiterleitung an andere
interne DL/Services
43
37
Weiterleitung an externe DL/Services
49
23
Kosten
74
20
Individuelle Kontaktperson
40
17
Geographische Distanz
66
14
%
0
20
40
60
80
100
Betrachtet man neben der SIGNO Patentaktion und dem PIZ Stuttgart die äquivalenten
Ergebnisse zu den relevanten Erfolgsfaktoren auch bei den anderen 12 Fallstudien in
der EU Benchmarking-Studie, sowie die Ergebnisse der ähnlich gelagerten
Untersuchung in der Schweiz (Radauer und Streicher, 2008), so ist das Gesamtbild
erstaunlich stabil: Unabhängig von der Art der analysierten, sehr heterogenen
Services, werden als wichtigste Faktoren meist die Personalqualifikation, die zeitnahe
Leistungserbringung, die Sichtbarkeit sowie das Thema „IP-Management“ identifiziert,
während z.B. die geographische Distanz nur eine geringe Rolle zu spielen scheint.
Dies legt den Schluss nahe, dass hier eine Menge an Qualitätsfaktoren vorliegt, die
generische Ausprägungen für Unterstützungsprogramme im IPR-Bereich aufweist und
daher in diesem Kontext als weitgehend allgemeingültig anzusehen ist.
106
5.2.2. Erste Schlussfolgerungen für die Gestaltung von
Förderprogrammen und Dienstleistungen
Aus den in den Vorabschnitten dargelegten Analyseergebnissen lassen sich bereits
erste Schlussfolgerungen für die Gestaltung einer Förder- und Unterstützungspolitik im
Themenbereich
„Geistiges
Eigentum“
ableiten
und
Aspekte
aufzeigen,
die
förderpolitisch berücksichtigt werden sollten:
(i) Eine zentrale Erkenntnis ist die prominente Rolle, die Patentanwälte als Dienstleister
und (Erst-)Anlaufstelle für Fragen des geistigen Eigentums für deutsche KMU
einnehmen. Dieses – auch in anderen europäischen Staaten sichtbare – Ergebnis
erklärt sich zum einen durch die umfangreiche Ausbildung und das entsprechenden
Know-how, das diese Berufsgruppe in technischen und juristischen Fragen aufweist.
Zum anderen ist die Rolle der Patentanwälte auch historisch bedingt, da viele
Förderangebote erst seit vergleichsweise kurzer Zeit bestehen. Das vorhandene
profunde Wissen von Patentanwälten stellt sicher, dass diese auch in Zukunft zentrale
Eckpfeiler des Unterstützungs- und Dienstleistungssystems im Bereich IPR darstellen
werden.
(ii) Aus den Resultaten der Experteninterviews – sowohl der aktuellen Untersuchung,
als auch jener für die EU und in der Schweiz – ergibt sich, dass viele ExpertInnen es
nichtsdestotrotz befürworten, wenn neben dem System der Patentanwälte auch
weitere Arten von IPR-Dienstleistern stärker von KMU genutzt und somit weitere
Eintrittsportale für Unternehmen in die „IP-Welt“ geschaffen würden. Ein wesentlicher
Grund ist zunächst darin zu sehen, dass viele KMU Patentanwälte teilweise für
vergleichsweise einfache Dienstleistungen aufsuchen, die sie selbst kostengünstiger
durchführen oder beauftragen könnten (z.B. Recherchen in Patentdatenbanken). In
einer Untersuchung in England, die dieses Thema genauer analysiert hat, wird hierzu
festgestellt, dass die in der Folge ineffektiv eingesetzten und hohen Finanzmittel dazu
beitragen, KMU von einer stärkeren Nutzung des Patentwesens – speziell der Nutzung
von Patentinformationen in der betrieblichen Innovationsstrategie – im gewissen
Umfang abzuhalten: „SMEs (…) do not know the knack on how to use a patent attorney effectively (…)[In such circumstances] patent attorneys constitute rather a barrier
to patent information usage than an enabling function“ (Hall et al., 2003).
Wie das Beispiel des Service “Begleitende Patentrecherchen” in der Schweiz zeigt,
können auch Patentanwälte von Angeboten alternativer IPR-Dienstleister profitieren
(Radauer und Streicher, 2008). Im Rahmen dieses Services führt das Eidgenössische
Institut für Geistiges Eigentum (IGE) – das Schweizer Pendant zum DPMA – zu
geringen
Kosten
zusammen
mit
und
für
KMU
halbtägige
Recherchen
in
107
Patentdatenbanken durch, die sowohl einen Schulungsaspekt für das Unternehmen
haben, als auch Informationen über die Sinnhaftigkeit der Patentierung bestimmter
Erfindungen liefern. Dokumentiert sind Fälle, wo Patentanwälte KMU für eine
Erstrecherche an das IGE verweisen. Die Patentanwälte haben so den Vorteil,
generische Aktivitäten, die evtl. dazu führen, dass ein Projekt nicht weiter verfolgt wird
(weil die Idee nicht patentierbar ist), an eine externe Stelle auszulagern. Aber selbst
wenn das Projekt verfolgenswert ist, profitieren die Patentanwälte von günstig
erstellten Patentinformationsrecherchen, die die Basis für weitergehende Tätigkeiten
bilden
können.
Schließlich
können
andere
Eintrittspunkte
ins
IPR-
Unterstützungssystem auch die Dienstleistungen von Patentanwälten vermarkten und
Interessenten VertreterInnen dieser Berufsgruppe verweisen.
(iii) Weiterhin ergibt sich aus den Analyseergebnissen, dass dem Thema „IPManagement“ eine hohe und weiter steigende Bedeutung bei der Ausgestaltung von
Förder- und Dienstleistungsangeboten zukommt. IP-Management geht von der
Prämisse
aus,
dass
Entscheidungen
für
oder
wider
ein
bestimmtes
Schutzrechtsinstrument die Vor- und Nachteile des jeweiligen Instruments genauso
berücksichtigen müssen wie die spezifische Markstellung und das technologische
Standing eines Unternehmens. Im Falle des Patents sind hier die vielfältigen
Nutzendimensionen – wie Schutz vor Nachahmung, Erzeugung von Einkommen über
Lizenzerträge oder strategische Überlegungen (siehe hierzu auch Abschnitt 2.3.1.) –
den Nachteilen der Veröffentlichung eines Betriebsgeheimnisses (was im Falle
schwieriger Durchsetzungsbedingungen negativ wäre) oder die beschränkte Laufzeit
(maximal 20 Jahre) entgegenzuhalten. Manchmal dürfte es daher vorteilhafter sein, auf
alternative Instrumente wie den bewussten Umgang mit Geschäftsgeheimnissen oder
defensiven Publikationen (die zumindest vor Patenten des Wettbewerbs, die auf ein
legales Re-Engineering der Erfindung beruhen, schützt) zu setzen. Unter der
Annahme,
dass
Getränkerezepturen
nicht
prinzipiell
von
der
Patentierung
ausgeschlossen sind, zeigt sich am Beispiel der amerikanischen Firma Coca-Cola
einleuchtend, dass die Nutzung eines Betriebsgeheimnisses zusammen mit einem
starken
Markenschutz
für
das
konkrete
Unternehmen
langfristig
die
betriebswirtschaftlich sinnvollere Wahl gegenüber einem Patentschutz war. Für den
Umgang mit geistigem Eigentum – und damit auch für die Ausgestaltung eines
Fördersystems in dem Bereich – ergibt sich in Konsequenz die Forderung nach einem
ganzheitlichen Ansatz, der alle Arten von Schutzrechtsinstrumenten (formellen wie
auch informellen Strategien) berücksichtigen muss und dabei a priori neutral
gegenüber der Anwendung spezieller Instrumente wie dem Patent ist. Die
Entscheidung für oder wider die Nutzung eines Instrumentes ergibt sich dann aus dem
individuellen betrieblichen Kontext, wobei es speziell bei Patenten nicht darauf
108
ankommt, die Zahl der Anmeldungen zu maximieren, sondern deren qualifizierte
Nutzung zu verbessern. Öffentlich finanzierte (Förder-) Einrichtungen könnten – sofern
entsprechend ausgestaltet – in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen, da
sie keine kommerziellen Interessen verfolgen. Vor diesem Hintergrund wäre z.B. die
Neutralität gegenüber dem Einsatz von Patenten glaubwürdig darstellbar.
5.3. Übersicht über das KMU-spezifische deutsche Förder- und
Unterstützungssystem im Bereich geistiges Eigentum
5.3.1. Institutionelles Setting
Im folgenden Abschnitt soll eine Übersicht über jene öffentlich finanzierten Institutionen
und Einrichtungen gegeben werden, die als Trägerorganisation für IPR-bezogene
Unterstützungsleistungen und Förderprogramme auftreten oder aber als operativ
umsetzende Einrichtungen fungieren.
Bundesebene
Auf Bundesebene befassen sich folgende Ministerien und Organisationen mit dem
Thema
„Geistiges
Eigentum“
und
bieten
in
unterschiedlichem
Ausmaß
Dienstleistungen an, die sich – implizit oder explizit – an KMU richten:
• das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi);
• das Bundesministerium der Justiz (BMJ);
• die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK)
• sowie – auf Forschungsvorhaben zur Produktpiraterie eingeschränkt – das
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF);
Zentraler Akteur und hauptverantwortlich für die wichtigsten Fördermaßnahmen für
KMU ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Das BMWi ist
zum einen Trägerorganisation des SIGNO-Programms (Schutz von Ideen für die
gewerbliche Nutzung), dessen Schiene „SIGNO Unternehmen“ das wohl bedeutendste
Bündel an Fördermaßnahmen mit IPR-Bezug für Betriebe in Deutschland darstellt
(allerdings kann auch „SIGNO Erfinder“ kann eine gewisse KMU-Förderfunktion
zugesprochen werden, siehe hierzu den folgenden Abschnitt 5.3.2.). Unter den
verschiedenen Angeboten von „SIGNO Unternehmen“ hat vor allem die SIGNO KMUPatentaktion, im Rahmen derer Patentanmeldungen von KMU finanziell gefördert
werden, eine herausragende Stellung. Operativ betrieben wird SIGNO vom Institut der
deutschen Wirtschaft (IW Köln), das die zentrale Koordination des Programms
109
übernimmt und die Anträge abwickelt. Die eigentliche Leistungserbringung erfolgt
durch ein Netzwerk von insgesamt 31 regionalen SIGNO-Partnern.
Neben dem SIGNO-Programm betreibt das BMWi zum anderen den Patentserver, der
Informationen
rund
Förderangebote,
um
das
Thema
Gesetzestexte;
Patente
bereitstellt
Informationsbroschüren
(Auskünfte
zum
über
Download,
weiterführende Links).
Das Bundesministerium der Justiz ist aus drei Gründen von Belang: Zum einen obliegt
ihm die Aufsicht über das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), das als zentrale
Behörde, die mit der Erteilung und Prüfung von Patenten befasst ist, eine wichtige
Rolle für das System des gewerblichen Rechtsschutzes in Deutschland einnimmt. Das
DPMA bietet darüber hinaus eine Reihe von Basisdienstleistungen, die auch KMU
nutzen können, an (siehe hierzu Abschnitt 5.3.2.). Zum anderen sind dem BMJ die
Exekutivorgane der Polizei sowie des Zolls unterstellt, wobei vor allem letztere
essentielle Ansprechpartner für KMU im Bereich der Bekämpfung der Produkt- und
Markenpiraterie sind (vor allem hinsichtlich der Überwachung von Güterströmen und
hinsichtlich der Beschlagnahmung von gefälschten Gütern und deren etwaiger
Zuführung zur Vernichtung).
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wiederum hat (nur) insofern als
IPR-Serviceprovider für KMU Bedeutung, als dass es Forschungsvorhaben fördert, die
sich
mit
technischen
Möglichkeiten
zum
Schutz
des
geistigen
Eigentums
auseinandersetzen: Im Rahmen des Förderkonzeptes „Forschung für die Produktion
von
morgen“
werden
vorwettbewerbliche
im
Themenfeld
Forschungsvorhaben
„Innovationen
gefördert,
die
gegen
die
Produktpiraterie“
Entwicklung
von
Technologien zum Ziel haben, (i) die einen Nachbau von Produkten erschweren (dies
umfasst auch Entwicklungs-/Entstehungs-/Vertriebsprozesse), (ii) die Nachverfolgung
und Kennzeichnung von Produkten erlauben sowie (iii) weitergehende Schutzkonzepte
gegen Produktpiraterie implementieren, welche auch organisatorische oder rechtliche
Maßnahmen zum Inhalt haben können. Die Fördermittel werden im Rahmen von
Verbundprojekten ausgeschüttet, wobei auch KMU sich an derartigen Kooperationen
beteiligen können. Über dieses Forschungsprogramm hinaus bietet das BMBF keine
speziellen Fördermöglichkeiten oder Dienstleistungen für KMU an. Damit ist die Rolle
des BMBF als Dienstleistungsanbieter im IPR-Bereich gegenüber früher, als das BMBF
Träger des SIGNO-Vorgängerprogramms INSTI war und den Patentserver betrieben
hat, deutlich reduziert.
Bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) ist insbesondere der
Aktionskreis Produkt- und Markenpiraterie (APM) hervorzuheben, der seit 1997 in
110
Zusammenarbeit mit dem Markenverband und dem Bundesverband der deutschen
Industrie (BDI) Unternehmen – also auch KMU – offen steht, um die Chancen einer
Durchsetzung ihrer geistigen Eigentumsrechte zu verbessern. Der Aktionskreis betreibt
hauptsächlich Aufklärungsarbeit und stellt entsprechende Informationsmaterialen
bereit. Der APM hat eine China-Kontaktstelle eingerichtet, an die sich Unternehmen
speziell bei Problemen mit Wettbewerbern und Nachahmern in diesem Land wenden
können.
Regional bzw. Länderebene
Im föderalen System Deutschlands können KMU auch auf IPR-bezogene Förderungen
und Unterstützungsleistungen auf regionaler (Bundesland-)Ebene zurückgreifen. Die
Trägerorganisationsstruktur ist hierbei sehr heterogen ausgestaltet, was nach der
Meinung der Gesprächspartner der Experteninterviews, eine länderübergreifende
Koordination erschwert und die Sichtbarkeit der einzelnen Angebote reduziert.
Im Einzelnen sind folgende regionale Angebote unterscheidbar:
• Bei den Patentinformationszentren (PIZ) handelt es sich meist um recht alte
Einrichtungen, die sich darauf spezialisiert haben, Recherchedienstleistungen
in Patentdatenbanken zur Verfügung zu stellen. Insgesamt gibt es 23
Patentinformationszentren, die in einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE PIZ e.V.)
miteinander vernetzt sind.
• Die regionalen Industrie- und Handelskammern (IHKs) bieten meist einfache
Weitervermittlungsdienstleistungen an oder organisieren Sprechtage mit
lokalen Patentanwälten, wo KMU eine kostenlose Erstberatung zu Patentfragen
erhalten können. Einige IHKs haben aber auch ein deutliche breiteres IPR
Dienstleistungsangebot (z.B. die IHK Hamburg mit ihrem Patentzentrum).
• In insgesamt 6 Bundesländern (vornehmlich in Ostdeutschland) sind auch explizit
Förderprogramme
vorhanden,
über
die
finanzielle
Zuschüsse
für
Patentanmeldungen oder für IPR-bezogene Beratungsleistungen bezogen
werden können; die Modalitäten unterscheiden sich jedoch stark (siehe auch
Tabelle 5.2.in Kapitel 5.3.2.)
5.3.2 Ausgestaltungsmerkmale identifizierter öffentlich finanzierter
Fördermaßnahmen und Unterstützungsleistungen
Stand im vorhergehenden Abschnitt der Überblick über jene Organisationen auf
regionaler und auf Bundesebene im Vordergrund, die sich für die Implementierung und
das Design von IPR-bezogenen Unterstützungsleistungen für KMU in Deutschland
111
verantwortlich
zeichnen,
Dienstleistungsangebote
so
und
sollen
in
diesem
Abschnitt
Unterstützungsprogramme
die
eingehender
konkreten
diskutiert
werden.
Bundesebene
Tabelle 5.1. stellt zunächst jene Förderprogramme und Dienstleistungen dar, die auf
Bundesebene
identifiziert
wurden.
Insgesamt
wurden
–
entlang
31
Identifikationskriterien der Benchmarking-Studie – acht Angebote erfasst.
der
32
Wie in Abschnitt 5.3.1. bereits erwähnt, bilden die Angebote des SIGNO-Programms
des BMWi, speziell die Programmschiene SIGNO Unternehmen, eine zentrale
Ecksäule
des
Unterstützungssystems
im
Themenfeld
„Geistiges
Eigentum“.
Wichtigstes Teilprogramm ist hierbei die SIGNO KMU-Patentaktion. Diese soll KMU
beim Vorhaben unterstützen, ihr geistiges Eigentum erstmalig durch Patente oder
Gebrauchsmuster zu schützen. Gefördert werden nur Unternehmen, die zum ersten
Mal ein derartiges Schutzrecht anmelden wollen (bzw. keine derartige Anmeldung in
den letzten 5 Jahren durchgeführt haben). KMU erhalten für die Anmeldung der
besagten Schutzrechte einen Zuschuss für einen Teil der damit verbundenen Kosten
(bis zu 8.000 Euro).
31 Es wurden insgesamt vier Kriterien definiert, die eine Unterstützungsleistung oder ein Förderprogramm erfüllen
musste, damit es als „IPR Support Service“ im Sinne der Benchmarking-Studie gelten konnte: Zunächst musste
es sich um ein Angebot handeln, dass (i) zumindest teilweise durch die öffentliche Hand finanziert wurde. Des
Weiteren musste der analysierte Service (ii) einen KMU-Fokus haben – entweder indem es explizit als Einrichtung
für KMU vermarktet wurde oder implizit (z.B. über eine höhere Anzahl von KMU, die das Angebot nutzen). Als
dritter Faktor musste das Angebot (iii) in abgrenzbarer Weise das Thema geistiges Eigentum adressieren, wobei
hier alle Methoden der Nutzung und des Schutzes von IP angesprochen wurden (auch informelle wie der Umgang
mit Geschäftsgeheimnissen). Schließlich musste es sich um ein nationales oder regionales Angebot handeln –
Maßnahmen, die direkt von Einrichtungen der Europäischen Union angeboten werden (z.B. der IPR Helpdesk),
wurden somit nicht berücksichtigt.
32 Prinzipiell könnte auch das Anfang 2009 gestartete „Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand“ des BMWi als neuntes Angebot dazugerechnet werden, da gemäß der entsprechenden Richtlinie unter anderem auch Kosten im Zusammenhang mit der Nutzung von gewerblichen Schutzrechten förderwürdig sind - allerdings fehlen für die Frage,
inwieweit das Programm tatsächlich für IPR Zwecke herangezogen wird, noch Erfahrungswerte.
112
Tabelle 5.1. Übersicht über öffentlich finanzierte Förderprogramme und Unterstützungsmaßnahmen für KMU im Bereich Geistiges Eigentum in Deutschland
(Bundesebene)
Fördermaßnahmen auf Bundesebene
Nr.
1
2
3
4
Titel bzw. Inhalt
6
7
SIGNO KMU-Patentaktion
SIGNO InnovationMarket
SIGNO Erfinderfachauskunft
Patentserver des BMWi
RALF (Rechtsstand-Auskunfts und
förderungsdienst)
Verfahrenskostenhilfe
Basisinformationen und Seminare
8
Aktionskreis Produkt- und Markenpiraterie (APM)
5
Lizenz-
Trägerorganisation
Programmmanagement
BMWi
BMWi
BMWi
BMWi
IW Köln
IW Köln
IW Köln
BMWi
BMJ
DPMA
BMJ
BMJ
DIHK, BDI und Markenverband
DPMA
DPMA
DIHK
Die Ziele der SIGNO KMU-Patentaktion stellen sich hierbei wie folgt dar:
• Eine Reduktion der Barrieren und Vorbehalte bei KMU hinsichtlich der Nutzung
von Patenten wird angestrebt.
• Das Innovationsmanagement der geförderten KMU soll optimiert werden.
• Die Zahl der qualifizierten Patentanmeldungen durch KMU soll erhöht werden.
• KMU
sollen
über
die
wirtschaftlichen
und
Verwertungsaspekte
des
Patentierungsprozesses aufgeklärt werden.
• Patentinformationen sollen durch KMU mehr als Informationsquelle genutzt
werden.
• Die Rahmenbedingungen in den KMU für eine Kommerzialisierung der Patente
sollen verbessert werden.
Aus den Zielen ist somit ersichtlich, dass – wenngleich das Förderprogramm einen
expliziten Fokus auf Patente hat – nicht einfach die Zahl der Patentanmeldungen
erhöht werden sollen, sondern darüber hinaus nachhaltig weitere Effekte bei KMU im
Umgang mit intellectual property angestrebt werden. Zu diesem Zweck erfolgt die
Auszahlung der Förderung in einem fünfstufigen, insgesamt maximal 18-monatigen
Prozess, wobei jeweils definierte Meilensteine erreicht werden müssen. Die Förderung
deckt, neben amtlichen Gebühren, auch die Inanspruchnahme von externen
Beratungsdienstleistungen ab (z.B. Patentanwälte, Datenbankrechercheure oder
113
allgemeine Innovations- bzw. Schutzrechtsberatung durch die SIGNO Partner). Über
den Umweg der finanziellen Förderung wird so sichergestellt, dass zentrales Knowhow zu IP- und Patentfragen die KMU verpflichtend erreicht.
Die einzelnen förderwürdigen Prozessschritte bei der SIGNO KMU-Patentaktion stellen
sich wie folgt dar:
1. Recherchen zum Stand der Technik, der erste Prozessschritt, werden mit bis
zu 800 Euro gefördert.
2. Eine Kosten-/Nutzenanalyse wird mit bis zu 800 Euro bezuschusst.
3. Die Kostenunterstützung der DPMA Anmeldung liegt bei bis zu 2.100 Euro
(und deckt auch entsprechende Leistungen eines Patentanwaltes).
4. Die Vorbereitung für eine Verwertung wird mit bis 1.600 Euro gefördert.
5. Ausländische Anmeldungen unter Zuhilfenahme eines Patentanwaltes werden
mit bis zu 2.700 Euro unterstützt.
Die durchschnittliche ausgeschüttete Förderung liegt bei etwa 4.000 Euro je Förderfall.
Das Programm wird zentral durch das Institut der deutschen Wirtschaft Köln
koordiniert. Die eigentliche Leistungserbringung erfolgt durch ein Netzwerk von 31
regionalen Partnern. Diese Partner stellen sich hinsichtlich der institutionellen
Ausgestaltung
sehr
heterogen
dar
–
die
Bandbreite
deckt
z.B.
private
Unternehmensberater, Technologiezentren aber auch Patentinformationszentren ab.
Einen deutlichen Mehrwert gewinnt die SIGNO KMU-Patentaktion durch die Tatsache,
dass sie Teil eines ganzen Maßnahmenbündels an IP-bezogenen Dienstleistungen ist.
SIGNO kommt damit der Forderung vieler KMU nach einem „One Stop Shop“ für
Fragen des geistiges Eigentum weitgehend nach und hat damit die Möglichkeit,
Synergieeffekte zu realisieren, die sich aus der gemeinsamen Nutzung der
verschiedenen Dienstleistungen (und dem daraus sich aufbauenden Erfahrungsschatz
bei den Förderstellen) ergeben können. Diese als „integrierter Ansatz“ bezeichnete
Vorgehensweise – gegenüber isoliert, ohne flankierende Maßnahmen, implementierten
Fördermaßnahmen – ist gemäß den Ergebnissen der Benchmarking-Studie als
deutlich erkennbarer generischer Erfolgsfaktor für IPR-Services und -programme zu
werten.
114
Neben der Patentaktion sollen in diesem Zusammenhang auch die Angebote von
SIGNO InnovationMarket und SIGNO Erfinderfachauskunft
erwähnt werden, von
denen KMU bei Fragen zum Thema geistiges Eigentum profitieren können.
33
• Bei der SIGNO InnovationMarket/Verwertungsaktion handelt es sich um einen
elektronischen Marktplatz, auf dem KMU ihre Technologien und Patente zur
Lizenzierung
anbieten
oder
aber
Lizenzsuchende
nach
lizenzierbaren
Technologien suchen können. Zielgruppe des Marktplatzes sind aber auch
Investoren,
die
hier
die
Möglichkeit
haben,
nach
wirtschaftlich
erfolgsversprechenden Technologien Ausschau zu halten. Zu diesem Zweck
können Inserate in drei Rubriken „Innovation sucht Kapital“, „Innovation sucht
Unternehmen“ und „Unternehmen sucht Innovation“ geschaltet werden. Die
Inserate
werden
hierbei
von
SIGNO
Partnern
nach
festgelegten
Qualitätskriterien angefertigt, was laut SIGNO den Markt deutlich von anderen
Angeboten – wie dem kommerziellen Dienst yet2.com – abhebt. Die nutzenden
KMU haben zudem Anspruch auf eine Förderung der Inseratkosten im Ausmaß
von 30% der Rechnungssumme (maximal 800 Euro)
• Die
SIGNO
Netzwerkpartner
bieten
auch
eine
kostenlose
SIGNO
Erfinderfachauskunft an, die sich an alle erfinderisch tätigen Personen (aber
auch KMU) richtet. Da somit die Zielgruppe nicht primär jene der Unternehmen
ist, ist dieses Serviceangebot – neben den SIGNO Erfinderclubs – Teil der
Programmschiene
„SIGNO
Erfinder“.
Inhaltlich
wird
eine
4-stündige
Erstberatung durch die SIGNO-Partner zu Fragen der Verwertung und des
Schutzes geistigen Eigentums geboten, die eher auf wirtschaftlich-strategische
Punkte abzielt. Die Erfinderfachauskunft ähnelt Angeboten auf regionaler
Ebene (von den IHKs) oder in anderen Ländern (wie den sogenannten
Patentsprechtagen in den österreichischen Wirtschaftskammern), wobei aber
dort meist externe Patentanwälte diese Erstberatung anbieten und ein
entsprechender Fokus auf die rechtlichen Aspekte gelegt wird.
Nach den Förder- und Unterstützungsprogrammen des BMWi soll nun auch ein
Blick auf die Angebote des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA), das dem
Bundesministerium der Justiz unterstellt ist, geworfen werden – nicht zuletzt vor
dem Hintergrund das sich 27% der befragten Unternehmen oft oder sehr oft bei
IPR-Fragen an das Amt wenden (siehe 5.2.). Auf folgende Serviceangebote –
33 Bis Ende 2008 gehörte zum SIGNO Programm auch die Innovationsaktion, die das Ziel verfolgte, die Planung und
Organisation innerbetrieblicher Innovationsprozesse zu professionalisieren. Die Teilnahme an den diesem Rahmen angebotenen Innovationsdienstleistungen wird jedoch seit 01.01.2009 nicht mehr finanziell gefördert.
115
neben den hoheitlichen Aufgaben der Auskunftspflicht, Prüfung und etwaigen
Erteilung von Patenten – können KMU bei dieser Organisation zurückgreifen:
• Verfahrenskostenhilfe: Bei der Verfahrenskostenhilfe handelt es sich um finanzielle Unterstützung, die von Patentanmeldern nach §129 Patentgesetz (PatG)
beantragt werden kann (damit auch von KMU), zumeist jedoch von Einzelerfindern in Anspruch genommen wird. Dabei werden nicht nur amtliche Gebühren
erlassen, sondern unter Umständen auch Kosten für eine patentanwaltliche
Vertretung übernommen, wenn der Antragstellende entsprechend bedürftig ist
und sich die Gebühren nicht leisten kann.
• RALF – Rechtsstands-Auskunft und Lizenzförderungsdienst: Mit Hilfe des
Dienstes RALF besteht für Patentinhaber die Möglichkeit, Patente, für die
Lizenzen erworben werden können, entsprechend in der Patent- und
Gebrauchsmusterregister zu markieren. Parteien, die an der Lizenzierung einer
geschützten Erfindung interessiert sind, können so einfach im Rahmen einer
Recherche in den Datenbanken feststellen, ob der Rechteinhaber dies
prinzipiell vorgesehen hat.
• Veranstaltungen und Seminare zum Thema gewerblicher Rechtsschutz: Das
DPMA organisiert oder beteiligt sich mit Vorträgen an Veranstaltungen,
Workshops
und
Seminaren,
in
denen
Basisinformationen
zu
den
Schutzrechten, für die das DPMA zuständig ist, vermittelt werden. Einen Fokus
bilden hierbei Workshops und Schulungen zur Nutzung der frei zugänglichen
Patentdatenbanken (z. B. DEPATISnet).
• Mitwirkung im Projekt „IP Awareness and Enforcement: Modular Actions
for SMEs“ (vormals “IP-Base”): Das DPMA wirkt als Kooperationspartner bei
diesem im Jahr 2007 von der Europäischen Kommission gestarteten und
finanzierten Projekts mit. Ziel des Projekts, an dem sich 20 nationale
Patentämter innerhalb der EU beteiligen, ist die Sensibilisierung von KMU für
Fragen des geistigen Eigentums und die Information von KMU über Optionen
bei der Rechtsdurchsetzung. Dies erfolgt unter anderem über die Entwicklung
von Informationsmaterialen; gleichzeitig erfolgt auch ein Ausbau der Webseiten
innovaccess.eu und ipr-helpdesk.org.
Bereits aus der Auflistung der Maßnahmen wird sichtbar, dass das DPMA nur sehr
eingeschränkt Dienstleistungen für KMU anbietet, die über den hoheitlichen Bereich
des Patentwesens hinausgehen. Zumeist handelt es sich um generische Auskunftsund Grundinformationsdienste, die im Rahmen der so genannten „Annexkompetenzen“
des DPMA erbracht werden und für die auch keine größeren Budgetmittel zur
116
Verfügung gestellt werden dürfen. Damit unterscheidet sich das DPMA grundlegend
von anderen europäischen Patentämtern wie beispielsweise dem französischen Institut
National de Proprieté Intellectuelle (INPI), dem englischen Intellectual Property Office
oder dem Eidgenössischen Institut für geistiges Eigentum (IGE) in der Schweiz. Den
genannten ausländischen Patentämtern ist gemein, dass diese seit einigen Jahren
damit beschäftigt sind, umfangreiche Servicepakete und Unterstützungsprogramme für
KMU – meist im Bereich der weitergehenden Patentrecherchedienstleistungen und im
Hinblick auf Erstberatungsangebote – aufzubauen. Zudem ist allein durch Änderungen
bei der Namensgebung – beim englischen Patentamt im Zuge der Umsetzung von
Empfehlungen aus dem Gowers Report (Gowers, 2006) – erkennbar, dass sich die
Aufgaben der Ämter immer stärker auf den gesamten Bereich der Schutzrechtsinstrumente ausdehnt, der nicht nur Patente und Marken, sondern auch informelle
Schutzmethoden umschließt, um damit dem vorherrschenden IP-ManagementGedanken Rechnung zu tragen. Diese Entwicklung kann – siehe hierzu auch die
Ergebnisse der Benchmarking-Studie – vor dem Hintergrund erklärt werden, dass
nationale Patentämter im Zuge der immer deutlich werdenden Signifikanz des
Europäischen Patentamtes (EPA) tendenziell als reine Ämter für die Anmeldung bzw.
Erteilung von Schutzrechten an Bedeutung verlieren und sich als Reaktion über die
Entwicklung von Dienstleistungen quasi neu erfinden. Derartige, durchaus mit
Herausforderungen verbundene Möglichkeiten dürften dem DPMA auf Grund der
gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland (föderale Struktur mit primärer
Zuordnung der Wirtschaftsförderung im engeren Sinn zu den Ländern sowie die
Zuordnung des DPMA zu den Einrichtungen der Rechtspflege) derzeit weitgehend
verwehrt bleiben.
Abschließend soll für die Darstellung der Maßnahmen auf Bundesebene auch kurz auf
den Aktionskreis Produkt- und Markenpiraterie der Deutschen Industrie- und
Handelskammer
(DIHK)
eingegangen
werden.
Dieser
zusammen
mit
dem
Bundesverband der Industrie (BDI) und dem Markenverband initiierte Aktionskreis hat
derzeit 80 Mitglieder, meist größere Industriebetriebe. Aktivitätsfelder sind vor allem
neutrale
Öffentlichkeitsarbeit,
branchenübergreifender
Informationsaustausch,
Unterstützung der Politik durch Bereitstellung von Informationen zum Thema
Produktpiraterie und Unterstützung jener Mitglieder, die mit Rechtsverstößen auf dem
Gebiet des geistigen Eigentums konfrontiert sind. Außerdem kooperiert APM eng mit
Ermittlungsbehörden und dem Zoll. Der Aktionskreis dürfte somit die umfassendste
Initiative dieser Art in Deutschland sein, wobei es vielfach ähnliche, meist auf
Branchenebene organisierte, Initiativen gibt.
117
Regionale bzw. Länderebene
Auf regionaler Ebene konnten insgesamt neun Maßnahmen identifiziert werden, die in
Tabelle 5.2. erfasst sind.
Tabelle 5.2. Übersicht über öffentlich finanzierte Förderprogramme und Unterstützungsmaßnahmen für KMU im Bereich „Geistiges Eigentum“ in Deutschland (Länderebene)
Fördermaßnahmen auf Landesbenee
Nr.
9
10
11
12
13
14
15
16
17
Titel bzw. Inhalt
Bundesland
System der Patentinformationszentren (PIZ)
(eingeschränkt) Patentverwertungsagenturen (PVA)
IPR Services der Industrie und Handelskammern (IHKs)
Bayerisches Technologieförderprogramm (BayTP)
Markteinführung innovativer Produkte und Dienstleistungen
Beihilfen für gewerbliche Schutzrechtsaktivitäten durch KMU
Patentverwertungsprogramm
FIT (Förderung von Innovation und Technologie)
Patentförderung
Alle
Alle
Alle
Bayern
Bremen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Sachsen-Anhalt
Eine der wichtigsten Einrichtungen im Bereich der Patent und IP-bezogenen
Unterstützungseinrichtungen
ist
das
System
der
regionalen
Patentinformationszentren (PIZ), die von den jeweiligen Ländern finanziert werden
(zumindest in weiten Teilen; einige PIZ haben auch andere Einnahmen- oder KoFinanzierungsquellen – siehe weiter unten). Insgesamt gibt es in Deutschland 23
Patentinformationszentren,
die
alle
Mitglied
der
Arbeitsgemeinschaft
Patentinformationszentren (ARGE PIZ) sind.
Ihren Ursprung haben die PIZ als physische Auslege- und Lesestellen für
Patentschriften und verwandte Dokumente. Ziel war, einen regional leichten Zugang zu
den relevanten Informationen zu schaffen, damit an Patenten interessierte Personen
nicht immer die Räumlichkeiten des DPMA aufsuchen mussten. Diese Funktion ist im
Lichte der neuen Recherchemöglichkeiten via Internet tendenziell in den Hintergrund
gerückt. Im Gegenzug bietet die gestiegene Menge an Informationen und die
gegenüber früher vielfältigeren Einsatzfelder von IP neue Möglichkeiten zur Betätigung
der
PIZ,
z.B.
hinsichtlich
weitergehender
Recherchedienstleistungen
(unter
Zuhilfenahme neuer Such- und Auswertungsmethoden) oder die Umsetzung spezieller
Beratungsangebote.
Auffällig ist die Heterogenität der PIZ hinsichtlich verschiedener Aspekte wie
Ressourcenausstattung,
Finanzierung
oder
Organisationseinbettung.
Eine
Datenabfrage bei den einzelnen PIZ, an der sich insgesamt 18 der 23
118
Patentinformationszentren beteiligt haben, und eine Auswertung der Daten der PIZ
ergibt folgendes Bild:
• Bei den PIZ handelt es sich teilweise um sehr alte Institutionen. Die Hälfte der
befragten PIZ wurde vor 1984 gegründet, acht bereits im 19. Jahrhundert.
• Die organisatorische Einbettung unterscheidet sich – nach Auswertung der
Homepage der ARGE PIZ e.V. – deutlich: Etwa 57% der PIZ sind Teil einer
Hochschulbibliothek und 17% (vier PIZ) sind an eine regionale Förderagentur
angedockt. Jeweils zwei PIZ gehören zu einer technischen Prüfanstalt (TÜV),
eine
PIZ
ist
bei
einer
IHK
angesiedelt,
ein
weiteres
ist
Teil
des
Verwaltungsapparates einer Landesregierung.
• Ein weiteres Differenzierungsmerkmal stellen die Finanzierungsquellen dar,
wobei sich bei vielen PIZ die Einnahmen auf mehrere Kanäle verteilen: Etwa 72%
der befragten PIZ finanzieren sich über ihre Recherchedienstleistungen, die
Hälfte bekommt Mittel direkt vom Land, etwa 44% wird direkt von der
Trägerorganisation finanziert und 22% haben sonstige Einnahmenquellen (z.B.
Mitgliedsbeiträge).
• Heterogen gestalten sich auch die Dienstleistungsangebote der PIZ. Als
Kernkompetenz erlauben es zwar alle PIZ, Recherchen in Patentdatenbanken
durchzuführen, doch wurden vielfach die Dienstleistungsangebote erweitert, z.B.
um Recherchemöglichkeiten in anderen Schutzrechtsdatenbeständen, die
Abhaltung von Seminaren und Trainings oder die Einführung spezieller
Arbeitskreise.
Zwei
Drittel
der
befragten
PIZ
haben
spezielle
Dienstleistungspakete für KMU entwickelt, wie zum Beispiel ermäßigte
Recherchemöglichkeiten.
• Die Ressourcenausstattung mit Personal bewegt sich in einer Bandbreite
zwischen 0,75 Vollzeitäquivalenten und 11,5 Vollzeitäquivalenten. Die Hälfte der
PIZ muss mit weniger als 3,5 Vollzeitäquivalenten auskommen.
Diese
deutlich
heterogene
länderübergreifende
Struktur
Koordination
der
stellt
nach
den
Aktivitäten
der
ExpertInnnen
PIZ
für
durchaus
die
eine
Herausforderung dar. Schließlich kann angenommen werden, dass die Heterogenität
unterschiedliche Zielvorstellungen und Interessenslagen nach sich zieht. Dies dürfte
sich zunächst negativ auf die Gesamtsichtbarkeit der Dienstleistungen der einzelnen
PIZ auswirken.
119
Abbildung 5.8.
Trägerorganisationen der Patentinformationszentren in Deutschland
IHK
4%
Regionalregierungsorganisation
9%
sonstige
9%
technische
Prüfanstalt
9%
Universität
oder FH
53%
Regionale
Förderagentur
16%
Als zweites Element hinsichtlich vorhandener IPR-Unterstützungsstrukturen auf
Landesebene ist – in eingeschränktem Umfang – die Programmschiene „SIGNO
Hochschulen“ des BMWi zu nennen. SIGNO Hochschulen fasst die früher im Rahmen
der Verwertungsoffensive des BMBF eingeführten Patentverwertungsagenturen
(PVA) zusammen. Diese werden meist von den Ländern kofinanziert und sind daher
der einfachen Darstellung wegen für den Zweck dieser Untersuchung den
Landesunterstützungsleistungen zugeordnet. Primäre Aufgabe der PVA ist es, die
Verwertung von an Universitäten erstellten geistigen Eigentumsrechten zu verbessern,
indem entsprechende Patente angemeldet und daraus Lizenzeinnahmen (wie auch
z.B. aus begründeten Urheberrechten) erzielt werden sollen. Eine KMU-Förderaktivität
ist insofern möglich, als dass PVA auch die Gründungen von Spin-Offs (die dann meist
KMU sind) als eine Verwertungsoption forcieren sollen. Unter Umständen können auch
Lizenzen
über
Patente
von
Universitäten
an
KMU
vergeben
werden.
Die
Einschränkung als KMU-Dienstleistungsanbieter ergibt sich letztlich dadurch, dass die
PVA der Maximierung des IPR-Verwertungspotenzials der Universitäten verpflichtet
sind und daher bei Lizenzverträgen, die sowohl KMU als auch die Hochschule als
Vertragspartner betreffen, in Zielkonflikte geraten könnten (wenn denn das explizite
Ziel der PVA auch in der Verbesserung der Nutzung von IPR durch KMU liegen würde)
– inwieweit eine derartige Situation tatsächlich auftritt kann hier aber nicht
abschließend beurteilt werden. Dem Autorenteam sind keine diesbezüglichen Analysen
bekannt, auch nicht aus anderen Staaten und dort implementierten Technologietransfereinrichtungen. Zudem kann auch davon ausgegangen werden, dass die
meisten PVA ihre Dienstleistungen nicht direkt für KMU anbieten. Interessanterweise
ist aber auch festzustellen, dass zumindest eine PVA als Partner von SIGNO
Unternehmen auftritt.
120
Die dritte Säule nach den PIZ und den PVA bilden die Dienstleistungen der IHKs, die
meist in einfachen Weitervermittlungsdiensten bestehen oder in der Organisation von
kostenlosen Erstberatungsveranstaltungen/-sprechtagen mit lokalen Patentanwälten.
Davon unabhängig haben einige wenige IHK, z.B. die IHK in Hamburg, auch
weitergehende Angebote. Am Beispiel der IHK Hamburg wird auch sichtbar, dass auf
Grund der unterschiedlichen organisatorischen Ausgestaltung in den Ländern die
Trennlinien zwischen den einzelnen Programmanbietern nicht immer eindeutig sind: So
kann in einem Bundesland eine Organisation gleichzeitig SIGNO-Partner und PIZ sein,
während in anderen Ländern die entsprechenden Funktionen von verschiedenen
Organisationen wahrgenommen werden (wobei im Sinne des Argumentes für
integrierte Lösungsansätze One Stop Shops zumindest prinzipiell erstrebenswerter
sein dürften).
Neben den Patentinformationszentren, den PVA und den Dienstleistungen der IHK
bieten einige Bundesländer schließlich auch finanzielle Zuschüsse für Beratungen in
Fragen des geistigen Eigentums an oder fördern die Anmeldung von Schutzrechten
(meist Patenten) mit monetären Mitteln. Im Einzelnen sind dies:
• Bayern:
Das
„Bayerische
Technologieförderprogramm
(BayTP)“
soll
es
Unternehmen ermöglichen, die Entwicklung neuer Technologien und Verfahren
(sog. Entwicklungsvorhaben) und/oder die Anwendung moderner Technologien in
Produkten
und
Produktionsprozessen
(sog.
Anwendungsvorhaben)
voranzutreiben. Je nach Art des Vorhabens können Zuschüsse oder Darlehen mit
Fördersätzen zwischen 7,5 % und 35 % der Projektkosten an KMU vergeben
werden. Zeit- und vorhabensanteilige Kosten für Patente und Lizenzen sind
explizit als förderwürdige Kosten gekennzeichnet.
• Bremen: Das Bundesland Bremen fördert über das Programm „Markteinführung
innovativer Produkte und Dienstleistungen“ projektbezogene Kosten, die KMU bei
der Markteinführung von Innovationen entstehen. Dies umfasst gemäß Richtlinie
u.a. auch explizit Kosten für eine Patent- und Lizenzberatung. Die maximale
Förderhöhe liegt bei 40.000 Euro je Projekt (Maximalbschränkung: 3 Projekte je
Unternehmen).
• Mecklenburg-Vorpommern: Das Land Mecklenburg-Vorpommern gewährt auf
Grundlage der „Richtlinie zur Förderung von Forschung, Entwicklung und
Innovation“ sogenannte „Beihilfen für gewerbliche Schutzrechtsaktivitäten durch
KMU“. Schutzrechtsaktivitäten bilden damit einen der sechs Förderschwerpunkte
der Richtlinie. Gefördert werden Kosten, die in Verbindung mit der Anmeldung
von Schutzrechten (national wie auch international) entstehen, wobei die Höhe
121
der Förderung die Förderintensität des zu Grunde liegenden FuE-Vorhabens
nicht übersteigen darf. Der Maximalbetrag ist zudem auf 50.000 Euro je Objekt
limitiert, zudem ist ein Verwertungsplan für eine wirtschaftliche Verwertung in
Mecklenburg-Vorpommern vorzulegen. Abgewickelt wird das Programm vom TBI
Technologie-Beratungs-Institut GmbH in Schwerin, das gleichzeitig auch Patentinformationszentrum ist.
• Niedersachsen: Das niedersächsische „Patentverwertungsprogramm“ bietet
KMU ebenfalls die Möglichkeit, Zuschüsse für Stammanmeldungen beim DPMA
und PCT-Nachmeldungen zu erhalten. Gleichzeitig ist aber eine Verwertung in
einem eigenen oder fremden Unternehmen (insbesondere im Rahmen einer
Unternehmensgründung oder durch Lizenzvergabe) zwingend vorgeschrieben.
Im Falle einer Verwertung über Lizenzierung und/oder durch eine fremde Firma
hat die Wertschöpfung im Land Niedersachsen zu erfolgen. Die Förderintensität
liegt bei maximal 35% (maximal jedoch 2.100 Euro) für die Anmeldekosten (dies
schließt auch die Leistungen eines Patentanwaltes ein) und 50% für die Kosten
eines
externen
Patentverwerters
(maximal
jedoch
6.000
Euro).
Die
Gesamtförderhöhe liegt demnach bei maximal 8.100 Euro.
• Nordrhein-Westfalen: Der Erwerb von gewerblichen Schutzrechten wird bei
KMU mit bis zu 25% der anfallenden Kosten bei experimentellen Entwicklungen
und mit bis zu 50% der Kosten bei industriellen Forschungsvorhaben gefördert.
Grundlage hierfür ist die „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen für
Forschung, Innovation und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen (FIT)“,
Träger ist das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes.
• Sachsen-Anhalt: Im Rahmen der Richtlinie „Patentförderung“ fördert das
Ministerium für Wirtschaft und Arbeit Stammanmeldungen von KMU beim
deutschen Patentamt, EP- und PCT-Nachmeldungen und Funktionsnachweise
patentierter Erfindungen. Die Förderintensität (der Anteil der Projektkosten, die
gefördert werden) liegt bei bis zu 70%. Die Förderung wird vom ESA
Erfinderzentrum Sachsen-Anhalt abgewickelt.
122
5.4 Zur Zweckmäßigkeit und Performanz des dargestellten IPRspezifischen Unterstützungssystems für deutsche KMU
Im vorliegenden Abschnitt soll nun die Zweckmäßigkeit und Performanz der in den
Abschnitten 5.2 bis 5.3 dargestellten Unterstützungsleistungen betrachtet werden.
Hierfür wird vor allem auf die Aussagen der Experteninterviews zurückgegriffen. Des
Weiteren können für die beiden wichtigsten Maßnahmen – dem System der Patentinformationszentren und der SIGNO Patentaktion – detailliertere Analysen, basierend
auf den Fallstudien in der Benchmarking-Studie, erstellt werden.
5.4.1 Betrachtung ausgewählter Maßnahmen
Hinsichtlich einzelner Maßnahmen, sind – nach Auswertung der ExpertInneninterviews
und den Ergebnissen der Benchmarking-Studie – folgende Aussagen möglich:
Mehrheitlich skeptisch wird die Verfahrenskostenhilfe des DPMA als Förderinstrument für KMU angesehen. §130 Abs.1 PatG, der u. a. der Verfahrenskostenhilfe zu
Grunde liegt, besagt, dass der Antragsteller „bei hinreichender Aussicht auf Erteilung
des Patents“ Verfahrenskostenhilfe erhält. Nachdem diese Einschränkung in der Praxis
kaum hinreichend den Aspekt der betriebs- (und volks-) wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit
des Patents berücksichtigt, sieht sich das Patentsystem mit einer Zahl von qualitativ
fragwürdigen Patentanträgen konfrontiert. Die Arbeitsbelastung der Patentämter steigt
dadurch weiter an, ohne dass Aufwand und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis
stehen. Zudem haben die von der Hilfe getragenen Kosten als Entgelt für einen Patentanwalt kein wettbewerbsfähiges Niveau, so dass die finanziellen Anreize für den
Anwalt zur Übernahme des Mandats auf Basis der Verfahrenskostenhilfe als eher gering einzuschätzen sind. Dies wiederum ist der Erfolgsaussicht der Patentanmeldung
nicht förderlich. Ein Überdenken des Systems der Verfahrenskostenhilfe scheint daher
angebracht.
Betreffend der SIGNO KMU-Patentaktion ist zunächst die Nutzungsintensität festzuhalten: 2007 wurden 611 Projektbewilligungen erteilt. 80% der geförderten Projekte
führen im Durchschnitt zu erteilten Patenten. 36% der Teilnehmer an der KMUPatentaktion streben eine internationale PCT-Anmeldung an. Die meisten Patentanmelder kommen aus Bayern (rd. 20%), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (ca. 16%),
Baden-Württenberg (ca. 14 %) und Sachsen (ca. 13%). In Bundesländern, wo es Förderprogramme mit deutlichen finanziellen Anreizen für Patentanmeldungen gibt, dürfte
es gemäß ExpertInnen zu Wechselwirkungen kommen, d.h. dass in solchen Fällen auf
einen finanziellen Zuschuss von SIGNO tendenziell verzichtet und stattdessen die
123
Landesförderung in Anspruch genommen wird. Ferner erscheint es wichtig zu unterstreichen,
dass
sich
die
KMU-Patentaktion
–
wie
die
meisten
IPR-
Unterstützungsmaßnahmen in Europa – vorwiegend an Kleinstunternehmen richtet, die
weniger als 10 Beschäftigte haben (in der Benchmarking-Studie lag der Anteil der Mikrounternehmen mit 0 bis 9 Beschäftigten für die KMU-Patentaktion bei der Nutzerbefragung bei 78%). Zu berücksichtigen ist in dem Zusammenhang, dass derartig kleine
Unternehmen in den Stichproben der meisten Statistiken und Studien meist unterrepräsentiert sind.
Neben der reinen Nutzungsintensität (und den Ausbringungsmengenparametern) ist es
für eine Förderung auch wichtig festzustellen, wie hoch der Nettoeffekt der Förderung
ist. Es soll also eruiert werden, inwieweit die Förderung tatsächlich etwas bewirkt hat,
was über eine Entwicklung hinausgeht, die auch ohne das Eingreifen des Fördergebers zustande gekommen wäre. Diese so genannte Additionalität gilt es zu maximieren, die gegenteiligen Mitnahmeeffekte hingegen zu minimieren. In Bezug auf Patente
gilt es hier sowohl einen quantitativen Aspekt (Anzahl der Anmeldungen bzw. erteilten
Patente) wie auch einen qualitativen (Wert der Patente oder induzierte Verhaltensänderungen) zu berücksichtigen.
Für die SIGNO KMU-Patentaktion bieten sich zur Additionalitätsfeststellung als erster
Anhaltspunkt die Ergebnisse einer extern durchgeführten Evaluierung von 2003 an.
Diese Evaluierung attestierte der KMU-Patentaktion einen hohen Förderhebel – mit
relativ wenig Mitteln (die durchschnittliche Förderhöhe beträgt 4.000 Euro) wird ein
vergleichsweise hoher Output erzielt. Hier muss in Erinnerung gerufen werden, dass
diese durchschnittliche Förderhöhe nur 10 % der typischen Kosten einer EPA/PCTAnmeldung ausmacht (ca. 40.000 Euro).
Allerdings kann mit Hilfe der festgestellten Größen noch keine Aussage darüber getroffen werden, inwieweit die zustande gekommenen Patente mit der Förderung ursächlich
in Zusammenhang stehen. Abbildung 5.9. stellt diese alternative Form der
Additionalität der SIGNO KMU-Patentaktion dar. Sie beantwortet die Frage, welcher
Anteil der Projekte (der hier mit der Zahl der Patentanmeldungen gleichzusetzen ist)
nur auf Grund der Förderung durch die SIGNO KMU-Patentaktion zustande gekommen
ist (reine Additionalität), und welche Patente unabhängig von der Inanspruchnahme der
Förderung angemeldet worden wären (reine Mitnahmeeffekte).
Es zeigt sich, dass bei der SIGNO KMU-Patentaktion mit reinen Additionalitätseffekten
im Ausmaß von etwa 10% zu rechnen ist – d.h., etwa jedes zehnte Patent wäre ohne
die Förderung nicht angemeldet worden und es wäre auch keine andere
Schutzrechtsstrategie angewandt worden. Dagegen gab etwa ein Viertel der befragten
124
Unternehmen an, dass sie in jedem Fall – auch ohne staatliche Bezuschussung – das
Patent angemeldet hätten, und zwar ohne Einschränkungen jeglicher Art. Die
verbleibenden 65% der angemeldeten Patente weisen gemischte Additionalitäts- bzw.
Mitnahmeeffekte auf. So hätten 11% die Patentanmeldung zu einem späteren
Zeitpunkt durchgeführt, 23% hätten um Patente mit einem geringeren Schutzumfang
angesucht (z.B. hätte der beantragte Patentschutz bei PCT-Anmeldungen dann
weniger Länder umfasst), 20% hätten das Schutzrecht begründet, aber auf andere
Förder- bzw. Finanzierungsquellen zurückgegriffen und 12% hätten auf einen
Patentschutz verzichtet und bewusst ein alternatives Schutzrecht bzw. eine informelle
Schutzmethode gewählt.
Abbildung 5.9.
Additionalität der monetären Förderung
Patentaktion (Quelle: Radauer et al., 2007)
10%
der
SIGNO
KMU-
Reiner Mitnahmeeffekt
Reine Additionalität
25%
Vorhaben wäre ohne Änderung durchgeführt
worden
Vorhaben wäre zu einem späteren Zeitpunkt
durchgeführt worden
11%
11%
20%
Vorhaben wäre in einem geringeren Umfang
durchgeführt worden (z.B. in Bezug auf
geographische Abdeckung der Patente)
Vorhaben wäre mit anderer
Finanzierungsquelle durchgeführt worden
Vorhaben wäre nicht durchgeführt worden statt dessen Nutzung anderer
Schutzmethoden
23%
Vorhaben wäre überhaupt nicht durchgeführt
worden
Wenngleich die dargestellten Additionalitätswerte Anhaltspunkte dafür liefern, inwieweit
Patente mit Hilfe der Förderung zustande gekommen sind, so geben die errechneten
Zahlen keine Auskunft darüber, welchen Wert die mit Hilfe der SIGNO KMUPatentaktion zustande gekommenen Patente haben. Es kann somit nicht gesagt
werden, ob es sich bei den 10 % der Patente, die ohne SIGNO nicht angemeldet
worden wären, um „gute“ oder „wertvolle“ Patente handelt. Es könnte auch sein, dass
genau jene Patente gefördert wurden, die keine oder nur eine mäßig erfolgreiche
Kommerzialisierung erwarten lassen und die daher unter normalen Umständen nicht
angemeldet worden wären – entsprechende Kommentare aus den Experteninterviews
dürften jedenfalls in diese eher unvorteilhafte Richtung weisen. Eine abschließende
Beurteilung ist jedoch nur im Rahmen einer weitergehenden Evaluierung möglich, die
in einem angemessenen Zeitabstand (etwa 4-7 Jahre nach erfolgter Anmeldung) die
weitere Nutzung der geförderten Patente verfolgen müsste.
125
Eine weitere Limitation, die die klassische Additionalitätsmessung mit sich bringt, ist die
Tatsache, dass sie nicht beantworten kann, ob durch die Nutzung der Förderung
nachhaltige Verhaltensänderungen bei den geförderten KMU induziert wurden. Damit
wird
jenem
Fall
nicht
Rechnung
getragen,
wo
die
Förderung
eines
Patentierungsprozesses, der entweder zu einem kommerziell nicht wertvollen Patent
führt und/oder der aber auch ohne Förderung vollinhaltlich durchgeführt worden wäre
(sprich im Fall eines klassischen Mitnahmeeffektes), trotzdem nachhaltig positive
Lerneffekte bei den KMU bewirken konnte. So wäre es denkbar, dass die geförderten
KMU dem Aspekt des Schutzes geistigen Eigentums auf Grund der Erfahrungen im
geförderten Projekt allgemein mehr Beachtung schenken und bei zukünftigen
Entwicklungen
deutlich
häufiger
auf
bestimmte
Schutzrechtsmechanismen
zurückgreifen als früher.
Die Benchmarking-Studie hebt diese zweite Limitation teilweise auf, indem sie das
Konzept
der
„Behavioural
Additionality“
(frei
übersetzt:
förderungsinduzierte
Verhaltensänderung) der OECD im Kontext von IPR-Services operationalisiert (siehe
auch OECD, 2006a). Die Unternehmen wurden in der Nutzererhebung vor diesem
Hintergrund befragt, ob die Inanspruchnahme der Fördermaßnahme nachhaltige
Verhaltensänderungen im Umgang mit geistigem Eigentum hervorgerufen hat. Den
KMU wurde hierbei die Wahl gegeben, ob sie bestimmten Aspekten des IPR-Systems
mehr, gleich bleibende oder auch weniger Beachtung schenken, ob ihr Kenntnisstand
in IPR-Fragen gestiegen ist (oder auch gesunken) und schließlich auch, ob die
Nutzungsintensität
der
verschiedenen
formalen
und
informalen
Schutzrechtsinstrumente zugenommen (oder abgenommen) hat. A priori wird hierbei
keine Annahme darüber getroffen, ob eine Änderung in eine gewisse Richtung – z.B.
eine höhere Nutzung von Patenten in der betrieblichen Schutzrechtsstrategie – positiv
oder negativ zu sehen ist. Damit wird u.a. die Argumentation im IP-Management
berücksichtigt, wonach die Entscheidung für oder wider ein bestimmtes Schutzrecht
bzw.
eine
Schutzrechtsstrategie
vom
betrieblichen
Kontext
und
von
Branchencharakteristika abhängt.
Trotz dieser Einschränkung ergeben sich bei der Analyse der Ergebnisse für die
SIGNO KMU-Patentaktion eine Reihe interessanter Beobachtungen (siehe Abbildung
5.9.):
• Die deutlichsten „Behavioural Additionality“-Effekte betreffen zunächst die
Aspekte „Wissensmanagement Know-how“, das bei rund 55% der KMU in Folge
der Förderung durch SIGNO gestiegen ist, „Patentwissen im betrieblichen
Umfeld“, das bei rund 38% der Betriebe erhöht ist, und eine generell höhere
Sensibilisierung für Fragen des geistigen Eigentums, die 34% der Unternehmen
126
bejahen. Die (geringen) Anteile der Unternehmen (zwischen -2% und -6%), die
bei diesen Aspekten ein geringeres Wissensniveau als vor Inanspruchnahme
von SIGNO angaben, lassen nur den Schluss zu, dass in diesen Fällen die
Beratung im Rahmen von SIGNO nicht erfolgreich war.
• Hinsichtlich der Nutzung der verschiedenen Schutzrechtsinstrumente ist
überraschend, dass die Substitutionseffekte zwischen verschiedenen formellen
und informellen Schutzrechtsinstrumenten nur im geringen Umfang zu Tage
treten. Per Saldo werden fast alle Methoden geistiges Eigentum zu schützen
(und zu nutzen) nach den Erfahrungen mit SIGNO häufiger genutzt – eine
höhere Patentnutzung verdrängt somit nicht (oder nur im geringen Umfang) die
Nutzung von Geschäftsgeheimnissen.
• Es ist insbesondere festzustellen, dass die Nutzung von Geschäftsgeheimnissen
in Folge von SIGNO (etwa ein Viertel der befragten Nutzer greifen häufiger auf
Geschäftsgeheimnisse als Schutzrechtsinstrument zurück, nur 2% tun dies im
geringeren Umfang) sogar deutlicher gestiegen ist, als jene der Patente (die
17% stärker in der betrieblichen Schutzrechtsstrategie anwenden). 8% der
Betriebe greifen interessanterweise weniger auf Patente zurück als vor Nutzung
der Förderaktion.
• Auch die Nutzung anderer Schutzrechte wurde durch SIGNO beeinflusst. Per
Saldo ist die Nutzung von Marken genauso gestiegen wie jene von Gebrauchsund Geschmacksmustern. Im geringen Umfang wurde auch die Nutzung von
Urheberrechten beeinflusst.
• In Bezug auf informelle Strategien ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Etwa 8%
der Unternehmen, die sich häufiger als zuvor auf einen zeitlichen (Innovations-)
Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb verlassen, steht ein ebenso hoher Anteil
an Betrieben gegenüber, die dieser Strategie weniger Beachtung schenken.
Hinsichtlich des Vertrauens auf die Komplexität der technischen Erfindung als
Schutz vor Nachahmern ergibt sich ein ähnliches Bild, mit einem leichten
Überhang von einem Prozentpunkt an Betrieben, die diese Strategie nun
seltener aufgreifen.
• Interessanterweise hat die Förderaktion auf die Lizenzierungsaktivitäten der
Firmen kaum Auswirkungen, was damit zusammenhängen könnte, dass SIGNO
auf die Anmeldephase fokussiert und nicht auf spätere Patentnutzungsphasen.
In Summe ergibt sich für die SIGNO KMU-Patentaktion das Bild, dass die Förderaktion
substanzielle Verhaltensänderungen entlang einer Reihe von Aktivitätsdimensionen in
127
Bezug auf den Umgang mit geistigem Eigentum bewirken konnte, die – trotz des engen
Patentfokus des Förderprogramms – deutlich über die Nutzung von Patenten
hinausgehen und damit durchaus IP-Managementaspekte berücksichtigen. Inwieweit
noch stärkere Verhaltensänderungen bei der Nutzung von Schutzrechtsinstrumenten
bei einem breiteren, weniger auf Patente ausgerichteten Förderansatz zustande
gekommen wären, bleibt – ebenso wie die Bewertung der Zweckmäßigkeit und des
Umfangs der festgestellten Verhaltensänderungen – weitergehenden Analysen
vorbehalten.
Abbildung 5.10. Verhaltens- und Know-how-Änderungen in Folge der Nutzung der
SIGNO KMU-Patentaktion (Unternehmen in Prozent; Quelle: Radauer
et al., 2007)
gestiegen
Wissensmanagement Know-How
-2
betriebsspezifisches Patentwissen
55
-6
38
Generelle Sensibilisierung für Themen des Geistigen Eigentums
-4
Nutzung von Geschäftsgeheimnissen
-2
Nutzung von Patenten
-8
Nutzung von Gebrauchs- und Geschmacksmustern
-8
Nutzung von Marken
34
25
17
13
-8
Vertrauen auf einen zeitlichen Innovationsvorsprung vor Wettbewerbern
11
-9
Nutzung von Urheberrechten
Auslizenzierungsaktivitäten
Vertrauen auf die technische Komplexität der Erfindungen gegen
Nachahmung
9
-6
9
-8
8
-9
Aus- und Weiterbildung im Bereich Geistiges Eigentum
gefallen
8
-4 6
Formale Verantwortlichkeiten für IP Fragen im Unternehmen
-2 6
Einlizenzierungsaktivitäten
-8
-20
4
0
20
40
60
80
100
Die Erfolgsfaktoren und Herausforderungen der SIGNO KMU-Patentaktion lassen sich
abschließend wie folgt umreißen. Dabei muss aber hier wieder darauf verwiesen werden, dass die dargestellten Faktoren nur indikativ gelten und keinesfalls eine umfassende Evaluierung ersetzen können:
• Erfolgsfaktoren: Die KMU-Patentaktion bildete die erste und bislang einzige
Maßnahme auf Bundesebene, die die Entwicklung und Nutzung von Patenten
durch KMU direkt unterstützt. Als Teil eines kompletten Maßnahmenbündels im
Bereich „Geistiges Eigentum“ profitiert sie zusätzlich von komplementären Angeboten und entsprechenden Synergieeffekten. Zentraler Erfolgsfaktor ist vor
allem die strukturierte Vorgehensweise, d.h. die Bindung der Förderung an bestimmte Meilensteine und die Nutzung externer Dienstleister für deren Errei-
128
chung. Dies zwingt KMU dazu, sich mit verschiedenen Aspekten des Patentierungsprozesses auseinanderzusetzen, die ansonsten bei einem normalen Anmeldeprozess von Betrieben – gemäß ExpertInnen – häufig nicht beachtet werden. Insofern hat die SIGNO KMU-Patentaktion eine intendierte Sensibilisierungsfunktion für verschiedene Aspekte im Umgang mit geistigem Eigentum,
was letztlich auch erklärt, warum die förderungsinduzierten Verhaltensänderungen im Bezug auf die betriebliche Handhabung des Themas IPR so ausgeprägt
ausfallen. Wie die Evaluierung von 2003 gezeigt hat, kann auch mit geringen
Mitteln viel bewirkt werden kann. Schließlich ist noch die Qualifikation des beteiligten Personals als Erfolgsfaktor hervorzuheben.
• Herausforderungen: Eine der wesentlichen Herausforderungen besteht (i) in der
Koordination des Partnernetzwerkes und der Sicherstellung, dass die SIGNODienstleistungen überall in gleicher Qualität und angemessener Intensität angeboten werden: Hierzu hat das SIGNO Programmmanagement entsprechende
Controllinginstrumente entwickelt. Eine weitere Herausforderung ergibt sich (ii)
aus dem prinzipiellen Programmkonzept, nur Erstpatentanmelder zuzulassen.
Die Zugangsvoraussetzungen werden von einigen ExperInnen als zu strikt angesehen, was die Qualität der letztlich erteilten Patente negativ beeinflussen
könnte. Die Zulassung auch von Zweit- oder Drittanmeldern wäre hier angeraten. Der dritte Punkt, dem Beachtung geschenkt werden müsste, ist (iii) die
Dauer des Förderprozesses, der mit 18 Monaten zuweilen unter dem oftmals
vorherrschenden Zeitrahmen von 24 Monaten liegt, die das DPMA für die erfolgreiche Durchführung einer Anmeldung benötigt. Dadurch kann eine Situation entstehen, in der der Förderprozess und Anmeldeprozess nicht synchron
ablaufen, was speziell für die vorgeschriebene fristkonforme Erreichung der
Meilensteine problematisch sein kann. Schließlich ist (iv) das schon in Abschnitt
5.2 angesprochene Thema der geringen Sichtbarkeit zu nennen.
Bestandteil des SIGNO Förderprogramms ist weiter der so genannte InnovationMarket bzw. die SIGNO Verwertungsaktion. Ziel ist die Förderung der
wirtschaftlichen Verwertung von Patenten über die Vermittlung von Innovationsanbietern, Kapitalgebern und Unternehmen. Als Weg wird ein web-basiertes
Portal in Verbindung mit Unterstützungsleistungen durch SIGNO-Partner gewählt. Trotz deren Beratungsanstrengungen zeigt sich, dass die Vermittlung
von Lizenznehmern und -gebern in der Praxis schwierig zu sein scheint. Nötig
scheint vor allem die Forcierung von Diensten mit einer individuelleren Vermittlung zwischen Lizenznehmer und -geber zu sein. Gerade die Ausarbeitung von
Lizenzverträgen, vor allem bei Unternehmen mit beschränkten personellen
Ressourcen, erfordert eine individuelle, kompetente Beratung, da hochsensib-
129
les Know-how aus dem Unternehmen gegeben wird und entsprechend juristisch abgesichert werden muss. Daher sollte die grundsätzlich begrüßenswerte
Förderung des in Deutschland noch vergleichsweise schwach entwickelten
Technologietransfer- und –lizenzierungsaufkommens in einem stärkeren Maße
von einem individuellen Coaching begleitet werden. Die Erhöhung des relevanten Know-hows in KMU z.B. mittels der Ausarbeitung von Modelllizenzverträgen
oder der Vermittlung von Kenntnissen bezüglich Bewertungsmethoden sollte
dabei zusätzlich adressiert werden, ersetzt jedoch keinesfalls das individuelle
Coaching. Das SIGNO-Teilprogramm InnovationMarket sollte daher einer detaillierten Evaluierung hinsichtlich seiner Effektivität unterzogen werden und die
Machbarkeit einer Erweiterung in Richtung der erwähnten Aspekte untersucht
werden.
Die Heterogenität der Patentinformationszentren (PIZ) macht eine allgemeingültige
Aussage über die Performanz der PIZ schwierig. Dennoch zeigt die Datenerfassung
bei den PIZ allgemein, dass der Anteil von KMU am Kundenstamm der Zentren sich in
einer Bandbreite zwischen 25% und 90% bewegt; bei der Hälfte der befragen PIZ liegt
der KMU-Kundenanteil bei über 65%. Damit bilden kleine und mittlere Unternehmen für
jedes PIZ eine signifikante Nutzergruppe, wenngleich die dargestellte Heterogenität der
organisatorischen Ausgestaltung in jeder Region auch ihren Niederschlag auf die Kundenstruktur hat. Erwartungsgemäß sind KMU bei PIZ, die bei wirtschaftsnahen Fördereinrichtungen angesiedelt sind, als Kunden in der Regel häufiger anzutreffen als bei
universitätsnahen Zentren.
Das PIZ Stuttgart wurde als exemplarischer Vertreter eines PIZ im Rahmen der
Benchmarking-Studie genauer analysiert. Die Auswahl erfolgte auch vor dem Hintergrund der Größe des PIZ (und damit erwarteten Skalenerträgen), der wirtschaftsnahen
Organisationsstruktur (das PIZ ist dem Regierungspräsidium Stuttgart unterstellt) und
der Tatsache, dass das PIZ Stuttgart mit speziellen Angeboten für KMU aufwarten
kann (z.B. mit einem regelmäßigen Arbeitskreis Patente). Die Analyse der Nutzerbefragung ergab einen zufriedenen Kundenstamm, wobei die befragten Betriebe zwar
großteils auch Mikrounternehmen, jedoch im Durchschnitt größer waren als jene bei
der SIGNO KMU-Patentaktion.
Abbildung 5.11 zeigt in der Folge die Ergebnisse der Analyse der „Behavioural Additionality“, analog zu der Darstellung für die SIGNO KMU-Patentaktion. Wie bei dieser sind
durch die Inanspruchnahme der PIZ-Dienstleistung Wirkungen vor allem im Bereich
„Wissensmanagament Know-how“ sichtbar (für 77% der Betriebe gestiegen). Für ein
Patentinformationszentrum nicht überraschend sind zudem deutliche Effekte im Bereich Patentwissen: 63% der befragten Betriebe gaben an, dass sich ihr Wissen um
130
Patentierungsaktivitäten des Mitbewerbs (oder auch möglicher Kooperationspartner) in
Folge der Nutzung des PIZ erhöht hat. 57% sind generell mehr für Themen im Bereich
„Geistiges Eigentum“ sensibilisiert. Infolge der Dienstleistungsnutzung sind im Bereich
Aus- und Weiterbildung ebenfalls deutliche Wirkungen sichtbar (37% investieren in
diesem Themenfeld mehr). Des Weiteren werden Geschäftsgeheimnisse bewusst häufiger verwendet (Steigerung bei insgesamt 31% der Betriebe), mehr noch als Patente
(Steigerung bei 26%). Deutlich zurückgegangen ist einzig die Nutzung der Strategie
„Vertrauen auf die Komplexität der Erfindung als Schutz vor Nachahmung“; kaum Wirkungen wurden hinsichtlich der Lizenzierungsaktivitäten beobachtet.
In Summe ergeben sich für die PIZ folgende Erfolgsfaktoren und Herausforderungen:
• Erfolgsfaktoren: Wichtigster Erfolgsfaktor ist die Qualifikation und Erfahrung der
MitarbeiterInnen im Umgang mit Patentinformationen, was als Kernkompetenz
der PIZ gelten kann. Zwar können Recherchen in Patentdatenbanken mittlerweile über das Internet auch durch KMU selbst durchgeführt werden, doch sind
sowohl Einrichtungen als auch Lehrangebote zu derartigen Recherchen nötig.
Mitunter fehlt es an der Expertise, wie spezielle Rechercheergebnisse interpretiert werden sollen – hier ergibt sich durchaus auch in Zukunft ein breites Betätigungsfeld für PIZ, wobei nicht nur KMU bedient werden, sondern auch z.B.
auch Patentanwälte. Die KMU-spezifischen Zusatzangebote bilden den zweiten
Erfolgsfaktor – damit werden die Patentinformationszentren zu „One-Stop
Shops“ in Patentfragen, und manchmal auch für andere Schutzrechtsdatenbeständen wie Marken oder Gebrauchsmustern. Die Regionalität ist zwar nicht
mehr als zentraler Erfolgsfaktor zu sehen, aber zumindest für Einsteiger in das
Thema „Geistiges Eigentums“ bietet sich die Möglichkeit, in relativ kurzer Distanz eine Erstberatung und -auskunft bei Patentfragen zu erhalten.
131
Abbildung 5.11. Verhaltens- und Know-how-Änderungen in Folge der Nutzung des
PIZ Stuttgart (Unternehmen in Prozent; Quelle: Radauer et al., 2007)
gestiegen
Wissensmanagement Know-How
gesunken
77
-3
betriebsspezifisches Patentwissen
63
Generelle Sensibilisierung für Themen des Geistigen Eigentums
57
Aus- und Weiterbildung im Bereich Geistiges Eigentum
37
Nutzung von Geschäftsgeheimnissen
Vertrauen auf einen zeitlichen Innovationsvorsprung vor
Wettbewerbern
Nutzung von Patenten
34
-3
29
-6
26
Nutzung von Marken
26
-3
Formale Verantwortlichkeiten für IP Fragen im Unternehmen
20
Nutzung von Gebrauchs- und Geschmacksmustern
Vertrauen auf die technische Komplexität der Erfindungen gegen
Nachahmung
Einlizenzierungsaktivitäten
17
-3
17
-20
3
Auslizenzierungsaktivitäten
3
Nutzung von Urheberrechten
-3 3
-20
0
20
40
60
80
100
• Herausforderungen: Eine wesentliche Herausforderung der PIZ ist (i) in der
unterschiedlichen regionalen Ausgestaltung zu sehen, die eine Koordination der
Aktivitäten bzw. Kooperation über Landesgrenzen hinaus erschwert. Für KMU
reduziert sich in der Folge die Sichtbarkeit der einzelnen Angebote deutlich,
speziell
hinsichtlich
der
Identifikation
eindeutiger
thematischer
Spezialisierungen bei individuellen PIZ. Auch könnte natürlich eine stärkere
Koordination die Bildung derartiger „Kompetenzzentren“ als effizienzsteigernde
Maßnahme weiter vorantreiben. Die mangelnde Sichtbarkeit (ii) ist denn auch
die zweite Herausforderung der PIZ. Bei einigen PIZ stellt sich (iii) sicher auch
die Frage nach der kritischen Masse, um eine hinreichende Anzahl an KMU zu
bedienen;
viele
PIZ
sind
relativ
kleine
Einrichtungen
mit
geringer
Ressourcenausstattung. Ein weiteres Aktivitätsfeld, dem Beachtung geschenkt
werden sollte, bildet auch (iv) die Governance der Einrichtungen, speziell was
eine externe Leistungsbeurteilung betrifft: Gemäß Datenerhebung wurde nur
die Hälfte der PIZ einer externen Evaluation unterzogen, wobei die
Evaluationen teilweise weit zurückliegen. Fehlende Evaluierungen lassen nur
schwerlich eine Beurteilung zu, ob ein PIZ effektiv und effizient arbeitet; auch
sind Schwächen hinsichtlich der Kundenorientierung wahrscheinlicher (wobei
z.B. hierfür ein erster möglicher Indikator die Existenz und Pflege eines KMU
Kontaktdatenbestandes
ist).
Die
Weiterentwicklung
der
Services
stellt
schließlich die (v) letzte Herausforderung für die PIZ dar. Vor dem Hintergrund,
132
dass die Recherchemöglichkeiten über das Internet immer leistungsfähiger
werden, müssen auch die Mehrwertdienstleistungen der PIZ für KMU
kontinuierlich adaptiert bzw. ausgebaut werden (ohne natürlich gleichzeitig
einen funktionierenden privaten Markt zu verdrängen). Vor allem könnte auch
bei den PIZ der IP-Managementgedanken stärker im Serviceangebot
berücksichtigt werden.
5.4.2 Betrachtung des Gesamtsystems
Die Analysen zum System der Unterstützungsleistungen in seiner Gesamtheit ergeben
folgendes Bild:
• Das identifizierte Bündel an Unterstützungsmaßnahmen ist, sowohl quantitativ
(gemessen an der Zahl der Maßnahmen) wie auch inhaltlich-qualitativ, sehr
stark auf das Instrument des Patentschutzes fokussiert. Der Schwerpunkt der
Maßnahmen liegt des Weiteren vornehmlich auf den frühen Phasen der
Nutzung des Instrumentes, d.h. auf der Anmeldephase und der ihr (meist
vorgelagerten) Recherchephase. Innerhalb dieser Schwerpunktsetzungen –
und abgesehen von Details bei der Implementierung (siehe hierzu Abschnitt
5.4.2) – wird das System der Unterstützungsleistungen von den ExpertInnen als
weitgehend vollständig und zweckmäßig angesehen.
• Für den Bereich außerhalb der Schwerpunktsetzungen ist zunächst festzustellen,
dass die Zieldefinitionen der meisten Maßnahmen (zumindest bei den
wichtigsten Förderinstrumenten) nicht die alleinige Erhöhung der Patentanmeldezahlen zum Inhalt haben, was positiv zu werten ist. Es kann davon
ausgegangen
werden,
dass
speziell
dort,
wo
Beratung
Teil
des
Serviceangebotes ist, auch Alternativen zum Patent angesprochen werden
(abhängig von der Person und dem Erfahrungsschatz des Beraters). Dennoch
besteht Konsens darüber, dass im Design des Gesamtunterstützungsrahmens
der IP-Managementgedanke vermutlich nicht hinreichend berücksichtigt und zu
stark auf das Thema Patent fokussiert wird. Es fehlt gemäß den interviewten
ExpertInnen eine stärkere Betonung der betriebswirtschaftlichen Komponente.
im Systemdesign. Diese ist zentral für eine Entscheidung über die
Sinnhaftigkeit eines bestimmten Schutzrechtes im speziellen Kontext. Zudem
scheint eine explizite Integration anderer Schutzrechtsinstrumente in die
praktische Beratungsleistung, so vor allem der informellen Methoden zum
Schutz geistigen Eigentums, unzureichend zu sein. Hier sind etwaige
Weiterentwicklungen des Förderportfolios anzudenken.
133
• Neben der stärkeren Berücksichtigung von IP-Managementaspekten wurden
sowohl von einigen der interviewten ExpertInnen, als auch seitens der
befragten Unternehmen – großen wie auch kleinen und mittleren Unternehmen
– mehr Maßnahmen bzw. Unterstützung im Bereich der Durchsetzung geistiger
Eigentumsrechte und der Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie
gefordert. Dies betrifft sowohl die Durchsetzungsproblematik in Drittländern (vor
allem China), aber auch innerhalb Deutschlands und der EU. Ansprechpartner
können hier Institutionen wie die Außenhandelskammern sein, über deren Angebote KMU allerdings noch stärker informiert werden könnten und sollten. Interessant wäre auch neu zu schaffende Programme/Einrichtungen ähnlichem
dem österreichischen Innovationsschutzprogramm IPP (siehe hierzu weiter unten). Ebenso wichtig wie Institutionen vor Ort sind die politische Einflussnahme
und ein entschiedenes öffentliches Einsetzen für die Wichtigkeit von geistigem
Eigentum (wie z.B. auf dem G8 Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm). Gerade
gegenüber offiziellen Vertretern von Ländern mit einer höheren Zahl von Verletzungsfällen ist dies bedeutsam. Allerdings sollte auch das öffentliche Bewusstsein in Deutschland dahingehend geschärft werden, dass die Verletzung nicht
nur von Patent- oder Markenrechten, sondern auch von Urheberrechten erheblichen Schaden mit sich bringt. Eine weitere Sensibilisierung auch der Verbraucher ist hier notwendig, wobei einem koordinierten Gesamtkonzept gegenüber
einer Reihe Einzelaktionen verschiedener Branchenverbände der Vorzug gegeben werden sollte.
• Ein weiteres Thema, das KMU und interviewte ExpertInnen gleichermaßen
angesprochen haben, war jenes der Transparenz des relevanten Förder- und
Unterstützungssystems. Diese wurde großteils als ungenügend angesehen und
war
Ursache
der
festgestellten
geringen
Sichtbarkeit
der
einzelnen
Maßnahmen. Dies ist – ähnlich wie auch in den meisten anderen Staaten der
EU zu beobachten – unter anderem auf die institutionelle Arbeitsteilung
zwischen Organisationen zur Unterstützung in Fragen geistigen Eigentums und
Institutionen, die allgemein Forschungs-, Technologie und Innovationsförderung
(FTI) betreiben (Förderagenturen und -banken) zurückzuführen. Es entsteht
somit eine Situation, in der Innovationsunterstützung und IPR-Support häufig
aus getrennten Kanälen erbracht werden, obwohl das IPR-Management
eigentlich integrativer Teil des Innovationsmanagements sein sollte. Das
Transparenzproblem entsteht letztlich dadurch, dass die den KMU deutlich
näheren
und
Förderagenturen
bekannteren
häufig
nicht
(weil
häufiger
in
ausreichend
in
Anspruch
Ausmaß
mit
genommen)
den
IPR-
Dienstleistungsanbietern kooperieren. In der Folge wird das Thema IPR zu
134
einem Spezialthema, so dass es für die IPR-Serviceprovider schwierig wird, auf
sich und die Wichtigkeit des Themas aufmerksam zu machen. So tendiert das
Fördersystem
dazu,
das
Thema
„Geistiges
Eigentum“
relativ
spät
anzusprechen – nämlich nicht zu Beginn, sondern eher gegen Ende eines F&EVorhabens, wenn ein Verwertungsschema der F&E-Ergebnisse erstellt werden
muss
oder
überhaupt
erst
dann,
wenn
Probleme
mit
geistigen
Eigentumsrechten anderer Unternehmen sichtbar werden.
• Einschränkend zum vorherigen Punkt ist aber auch zu festzuhalten, dass der
Faktor der getrennten IPR- und Innovationsförderungskanäle in Deutschland
weniger bedeutsam ist als in anderen Ländern der EU, wo das nationale
Patentamt oft der zentrale IPR-Serviceanbieter ist, aber nicht als Einrichtung
des Innovationssystems angesehen wird. So können je nach Bundesland die
IPR- und Innovationsförderangebote auch stark miteinander verzahnt sein, z.B.
in Schleswig-Holstein, wo das „Servicecenter Schutzrechte“ prominent in das
Leistungsportfolio
der
dortigen
zentralen
Förderagentur
WTSH
(Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Gmbh) integriert ist. Diese
regionalen Unterschiede stellen aber für sich genommen den zweiten Faktor
bzw. Hauptgrund für die fehlende Transparenz dar: Bedingt durch den
föderalen Ansatz in der Wirtschafts- und FTI-Politik unterscheiden sich die
Organisationsstrukturen – wie auch die einzelnen Förderangebote – so
deutlich,
dass
selbst
die
interviewten
ExpertInnen
die
verschiedenen
Fördermöglichkeiten zum Teil nicht kennen. Zudem wird durch den Ansatz auch
die bundeslandübergreifende Kooperation und Koordination erschwert. Damit
wird es z.B. sehr schwierig, Ansammlungen von IPR-Kompetenzen, die sich in
einem Bundesland gebildet haben, als solche auszumachen, obwohl diese
sicher bestehen (und für KMU, speziell im IPR-Kontext, angesichts des hohen
Spezialisierungsgrades bei vielen IPR-Fragestellungen, wichtig zu identifizieren
wären).
• Eine bessere Koordination der verschiedenen regionalen Aktivitäten wäre daher
anzustreben, wobei sich auch eine Bundesinstitution mit Erfahrung in IPRFragen, zum Beispiel das DPMA, als Koordinationseinheit in Frage käme. Angebote wie der Patentserver des BMWi (http://www.patentserver.de) oder die
Förderberatung
„Forschung
und
Innovation“
des
Bundes
(http://www.foerderinfo.bund.de) sind wichtig, insbesondere um einen gebündelten Überblick über existierende Förderprogramme zu geben. Zwecks einer
Erhöhung der Sichtbarkeit wäre auch eine stärkere Nutzung bestimmter Institutionen als Kommunikationskanal möglich. Diese können Informationen über die
Existenz der existierenden IP-bezogenen Förderprogramme effektiv in die inte-
135
ressierten Betriebe tragen und würden damit als „Eintrittspunkte“ in die Welt der
IPR-Unterstützung fungieren. Wenngleich auch direkte Vermarktungsaktivitäten
erhöht werden sollten, so erscheint eine reine Erhöhung der PR-Aktivitäten wenig zweckmäßig, da sonst die Gefahr besteht, dass die IP-Förderangebote
werbemäßig mit anderen Innovationsförderaktivitäten in Konkurrenz treten würden. Eine Kooperation erscheint auch im Lichte eines integrierten Innovationsund IP-Managementansatzes zweckdienlicher.
• Positiv zu werten ist, dass die Angebote auf Bundesebene in stark integrierter
Form erbracht werden, d.h. als Bündel aufeinander abgestimmter Förder- und
Unterstützungsmaßnahmen. Dadurch können Synergiepotenziale realisiert
werden, die speziell vor dem Hinblick eines knappen Angebots an ausreichend
qualifizierten Spezialisten von zentraler Bedeutung sind. Die Umgliederung/strukturierung der verschiedenen BMWi Angebote in den SIGNO Rahmen wird
in diesem Zusammenhang von den ExpertInnen positiv gesehen, u.a. auch weil
die Portfoliodarstellung die ministeriellen und institutionellen Zuständigkeiten
und Zusammenhänge klar(er) widerspiegelt.
• Das knappe Angebot an Spezialisten für die Erbringung von Dienstleistungen
definiert ein weiteres wichtiges, allerdings nicht unmittelbar mit dem Design
oder der Implementierung von Fördermaßnahmen für KMU in Zusammenhang
stehendes Handlungsfeld für die Politik im Bereich der Bildung. Es besteht
breiter Konsens bei den interviewten ExpertInnen, dass das Thema Intellectual
Property, insbesondere das IP-Management im betriebswirtschaftlichem Sinn,
an den relevanten technischen, naturwissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten und Fachhochschulen in
Deutschland
nicht
ausreichend
gelehrt
wird.
Dadurch
fehlt
vielen
AbsolventInnen Wissen im Bereich der Nutzung der gewerblichen Schutzrechte
bzw. darüber, wie diese im Rahmen neuer Geschäftsmodelle genutzt werden
können. Derartiges Wissen fehlt dann am Arbeitsmarkt und ist damit für
Betriebe aller Größenklassen schwer abrufbar. Neben der Vermittlung von
Basiswissen in verschiedenen Studienrichtungen könnte auch überlegt werden,
mit einem „IP-Coach“ oder „IP-Berater“ ein einheitliches neues Berufsbild zu
schaffen, deren VertreterInnen ergänzend zu Patentanwälten tätig sind, aber
einen breiteren betriebswirtschaftlichen sowie patentneutralen Zugang zum
Thema IPR haben – erste Ansatzpunkte für die Entwicklung eines Marktes für
derartige Dienstleister sind bereits erkennbar, es fehlt aber an einheitlichen
Standards.
136
• Des Weiteren ist bei der Gestaltung und Weiterentwicklung des Förderportfolios
die Interaktion mit dem Sektor der privaten Dienstleistungsanbieter, speziell der
Patentanwälte, aber auch anderer Akteure, als Erfolgsfaktor zu nennen.
Einerseits soll und darf die Politik nicht einen funktionierenden privaten Markt
mit eigenen Angeboten verdrängen. Andererseits zeigt sich, dass gute
Kooperationsbeziehungen mit dem Privatsektor eine „win-win“ Situation
ermöglichen, wo sowohl das staatliche Angebot (Stichwort Sichtbarkeit), als
auch
der
private
Dienstleister
(Stichwort
Marketing,
gemeinsame
Dienstleistungserbringung) voneinander profitieren. Entsprechende potenzielle
Konfliktfelder
liegen
derzeit
vor
allem
im
Bereich
der
erweiterten
Patentdatenbankrecherchen (siehe hierzu u.a. auch Radauer & Walter, 2008).
Als zweckmäßiges Instrument zur Vermeidung derartiger Konflikte und zur
Maximierung des Nutzens bietet sich die Einrichtung regelmäßiger Treffen
eines Beirats mit Patentanwälten und anderer privater Dienstleistungsanbieter,
aber auch mit Vertretern von KMU als Zielgruppe der Serviceangebote an. So
könnte
die
Entwicklung
der
Förderprogramme
sinnvoll
begleitet
und
unterstützet werden. Dies wird z.B. vom Eidgenössischen Institut für geistiges
Eigentum in der Schweiz praktiziert (siehe Radauer & Streicher, 2008).
• Anhaltspunkte für mögliche neue bzw. ergänzende Dienstleistungsangebote
können auch aus bestehenden Unterstützungsprogrammen im Ausland
gewonnen werden. Beispielhaft seien hierfür folgende Maßnahmen genannt,
die Aspekte aufweisen könnten welche eventuell für eine Umsetzung oder
Adaptierung in Deutschland diskutiert werden könnten (für eine weitergehende
Betrachtung, wie auch weiteren Maßnahmen, sei auf Radauer et al., 2007 und
Radauer & Streicher, 2008 verwiesen):
o IP Prédiagnosis (FRA): Dieses Programm des französischen Patentamts
INPI (Institut National de Proprieté Intellectuelle) sieht die Durchführung
eines
1,5
tägigen
IP-Audits
bei
Unternehmen
durch
speziell
ausgebildete Berater (des INPI, aber auch externen) vor. Mit Hilfe eines
standardisierten Fragebogens bzw. Leitfadens wird der Status Quo des
geistigen Eigentums des geförderten Unternehmens ermittelt, darauf
aufbauend
werden
Unternehmen
werden
Dienstleistung
kostenlos
Handlungsempfehlungen
pro-aktiv
ausgewählt
(wenngleich
sie
gegeben.
und
über
erhalten
die
Die
die
tatsächlich
anfallenden Kosten informiert werden). Wesentliches Charakteristikum
des Programmkonzeptes – das derzeit auch in anderen Ländern
umgesetzt wird, u.a. mit Hilfe des EPA – ist die Fokussierung auf ein
137
Unternehmen als Ganzes (nicht ein Projekt) sowie die Abdeckung
sämtlicher formeller und informeller Schutzrechtsinstrumente.
o IPR Roadmap (SUI): Im Rahmen des Gründerprogramms „CTI Start-up“
der Schweizer Innovationsagentur CTI werden Start-Ups, die sich für
das Programm qualifiziert haben, 18 Monate durch verschiedene
Coaches bei der Betriebsgründung begleitet. Insgesamt werden 200
Stunden an Coaching-Leistungen gefördert, wobei auch ein IPSpezialist (IP-Coach) zu Rate gezogen werden kann. Dieser IP-Coach
erstellt eine umfassende – nicht nur auf Patente fokussierte –
Schutzrechtsstrategie, die sogenannte IPR-Roadmap. KMU, die den
Förderprozess erfolgreich durchlaufen, erhalten als Qualitätssiegel das
„CTI Start-up“ Label, das im Anschluss daran für Marketing- und
Finanzierungszwecke verwendet werden kann.
o Innovationsschutzprogramm
schutzprogramm
Wirtschafts
IPP“
IPP
der
Service
(AUT):
Das
österreichischen
Gmbh
(aws)
„Innovations-
Förderbank
spricht
Austria
das
Thema
„Rechtsdurchsetzung in Drittländern“ an und betreibt Büros in Österreich
und in China. Diese fungieren als Anlaufstellen für österreichische KMU,
welche mit Verletzungen ihres geistigen Eigentums konfrontiert sind. Die
aws unterstützt die KMU u.a. mit Beratungsleistungen vor Ort (inkl.
eines IP-Audits), vermittelt Interessenten an lokale Patentanwälte,
betreibt einen Monitoring-Service um IP-Verletzungen rechtzeitig zu
erkennen
und
stellt
Schutzrechtsanmeldungen
zwischen
30 %
und
finanzielle
in
100 %
Förderungen
Schwellenländern
je
nach
für
(Förderintensität:
Innovationsgrad)
und
Durchsetzungsfälle (Förderintensität: bis zu 50 % der anfallenden
Kosten) zur Verfügung.
o Intellectual Assets (IA) Centre Scotland (UK): Das Intellectual Asset
Centre ist eine stark genutzte Serviceeinrichtung in Schottland, wo KMU
bei Fragen im Umgang mit geistigem Eigentum und insbesondere auch
Intellectual Property (wiederum das ganze Spektrum an formellen und
informellen
Maßnahmen
abdeckend)
Beratung
im
betriebs-
wirtschaftlichen Kontext geboten wird. Hierfür stehen geschulte Berater
zur Verfügung, die auf standardisierte Instrumente wie Checklisten und
e-learning-Tools zurückgreifen können.
138
o ip4inno (EU): Eine gangbare Option, das Dienstleistungs- und
Serviceangebot im Bereich IPR zu verbessern, besteht auch darin,
wichtige Stakeholder und Multiplikatoren entsprechend weiterzubilden.
Das EU-Projekt ip4inno implementiert eine derartige Train-the-trainer
Initiative. Bei ip4inno handelt es sich um einen modular aufgebauten
Trainingskurs mit standardisierten Foliensätzen, der das gesamte
Spektrum von IP abdeckt (inklusive informeller Schutzrechte sowie dem
Thema Durchsetzung).
o SCORE (Service Corps of Retired Executives): SCORE ist ein zentral
koordiniertes Netzwerk, das pensionierte Spezialisten aus allen
Fachgebieten (auch IPR), die während des Ruhestandes noch
„produktiv“ ihren Erfahrungsschatz gratis an Unternehmen weitergeben
wollen, an interessierte KMU weitervermittelt. SCORE deckt auch den
Bereich IPR ab und hat wegen der Performanz des Programms 2005
den prestigeträchtigen „Summit Award“ der American Society of
Association Executives erhalten.
• Allgemeiner Tenor in den Experteninterviews ist die Betonung der Wichtigkeit eines europäischen Gemeinschaftspatentes. Sowohl von Unternehmensseite als
auch von IP-Dienstleistern wird darauf gedrängt, die Bestrebungen in Richtung
eines echten europäischen Patents zu verschärfen. Von einem Gemeinschaftspatent erwarten sich die Beteiligten effizientere Strukturen und insbesondere
Kostenersparnisse für die Teilnehmer am Patentsystem. Für eine weitere wirtschaftliche Integration der Europäischen Union ist dies ein wichtiger Schritt. Kritische Punkte dabei sind unter anderem die Anforderungen an die Übersetzung
der Patentdokumente sowie Regelungen bezüglich der Vertretungsbefugnis
deutscher Patentanwälte vor einer neuen europäischen Patentgerichtsbarkeit.
139
6. Politikempfehlungen
Zielsetzung dieser Studie war unter anderem eine umfassende Darstellung der Bedeutung des geistigen Eigentums für die deutsche Volkswirtschaft. Aufbauend auf der Analyse relevanter Studien und wissenschaftlicher Forschung wurden mittels Auswertungen von Sekundärdaten sowie über eine schriftliche Befragung unter Unternehmen
mehrere Ansätze zur Dokumentation dieses Aspektes dargestellt. Die zunehmende
Wichtigkeit geistigen Eigentums manifestierte sich dabei in vielfältiger Weise: So weisen die befragten Unternehmen immateriellen Werten (unter anderem geistigen Eigentumsrechten) eine höhere Bedeutung zu als den materiellen Gütern; auch eine monetäre Bewertung geistigen Eigentums nach dem kostenorientiertem Ansatz zeigt eindrucksvoll die volkswirtschaftliche Relevanz der Intangibles: Deren Wert beläuft sich
auf circa 7% der deutschen Wirtschaftsleistung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt
2004. Gleichzeitig zeigte die Untersuchung der zweiten Forschungsfrage dieser Studie
– Verletzungen geistiger Eigentumsrechte – ein hohes Ausmaß an Betroffenheit von
Produktpiraterie. Ungefähr zwei Drittel der befragten Unternehmen gaben an, schon
einmal von Patentverletzungen betroffen gewesen zu sein, bei Markenrechten beläuft
sich die Quote auf circa 50%. Das Ausmaß des Jahresumsatzverlustes von ca. 6%
deckt sich weitgehend mit den Ergebnissen des Verbandes Deutscher Maschinen und
Anlagenbau (VDMA, 2007).
Aus den erwähnten Aspekten ergeben sich unmittelbare Herausforderungen für eine
KMU-orientierte Wirtschaftspolitik. Da für kleinere und mittlere Unternehmen geistiges
Eigentum zwar von hoher Bedeutung ist, sie jedoch vor allem bei der Nutzung von Patentrechten und der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Innovationen gegenüber Großunternehmen benachteiligt sind, ergeben sich Anknüpfungspunkte für öffentliche Förderprogramme. Die gegenwärtige Nutzung dieser Programme sowie Probleme, die durch
ihre Konzeption oder Durchführung entstehen, waren Bestandteil einer weitergehenden
Analyse. Hierfür konnte auf Vorarbeiten aus einer groß angelegten Studie zu Fördermaßnahmen in einer Vielzahl europäischer Staaten zurückgegriffen werden (Radauer
et al., 2007). Erweitert durch Interviews mit einer Reihe von Experten und mittelständischer Unternehmen werden im Folgenden Handlungsempfehlungen für eine optimierten Ausgestaltung von KMU-Fördermaßnahmen gegeben.
140
Fokus auf IP-Management
statt Maximierung von Patentzahlen
Der volkswirtschaftliche Nutzen einer KMU-orientierten Wirtschaftsförderung kann sich
nur dann entfalten, wenn die Erfindung eines Unternehmers einer wirtschaftlichen Verwertung zugeführt werden kann. Der Fokus der momentan existierenden Förderlandschaft dagegen richtet sich zwar auf einen wichtigen, jedoch nicht ausreichenden Aspekt des IP-Managements, nämlich primär auf den Schutz der Erfindung über das Patent. Elemente der früheren SIGNO Innovationsaktion gingen dabei zwar durchaus
über den Schutzaspekt hinaus in eine sinnvolle Richtung, indem Aspekte wie MarktMonitoring, das Coaching von Innovationsprozessen, die Bewertung sowie Verwertung
von Patenten bezuschusst wurden. Da gerade diese Programmschiene jedoch Ende
2008 eingestellt wurde, beschränken sich die in Zukunft verfügbaren Programme noch
stärker auf den Einzelaspekt „Schutz geistigen Eigentums“ bzw. „Patentanmeldung“,
auch wenn Elemente des neugeschaffenen „Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand“ die wirtschaftliche Umsetzung von Forschungsergebnissen und Aspekte des
Innovationsmanagements unter Umständen adressieren. Dennoch ist die vorherrschende implizite Konzentration auf Schutzaspekte und dabei vorwiegend auf nur eine
der möglichen Schutzstrategien, nämlich Patente, als unzureichend zu bezeichnen.
Vielmehr sollte das gesamte Instrumentarium von informellen und formellen Möglichkeiten genutzt werden und eine damit abgestimmte Verwertungsstrategie bzw. ein Business-Plan zusammen mit dem entsprechenden Unternehmen entworfen werden.
Mögliche Ansätze sind hierbei die Einbeziehung von Business Angels; ein Beispiel ist
das US-amerikanische SCORE-Netzwerk. Erfahrene Fachleute des jeweiligen Technologiefeldes können in diesem Rahmen wertvolle Ratschläge zum IP-Management und
zur Verwertung von Innovationen weitergeben. Eine umfassende Initialberatung bezüglich einer IP-Strategie zu Stärken und Schwächen einzelner formeller oder informeller
Schutzmechanismen sollte weitgehend objektiv gegenüber einzelnen Methoden sein.
Inspirationsquellen für integrative und patent-neutrale Beratungsleistungen stellen z.B.
das französische Programm IP Prédiagnosis oder der Intellectual Assets Centre in
Schottland dar (siehe Radauer et al., 2007 für detaillierte Beschreibungen der Programme). Ein sichtbares politisches Signal für die Wichtigkeit des integrativen Ansatzes kann bereits bei der Namensgebung der relevanten Referate gesetzt werden, indem die begriffliche Beschränkung auf „Patentpolitik“ zugunsten einer umfassenderen
141
Bezeichnung „Schutz und Verwertung geistigen Eigentums/Intellectual property“ oder
Ähnlichem aufgehoben wird.
Die eben beschriebene Relevanz des wirtschaftlichen Know-hows bei der Förderung
von Innovationen muss auch dahingehend verbessert werden, dass die Qualität der mit
öffentlichen Fördermitteln erteilten Patente stärker überprüft werden sollte. Evaluierungen der Unterstützungsprogramme müssten hierbei auch die wirtschaftlichen Perspektiven der patentierten Erfindung einbeziehen. Dazu sollte überlegt werden, den Zugang
zu Förderprogrammen stärker an Gutachten zur potenziellen Marktfähigkeit zu orientieren und die Beschränkung auf Erstanmelder zu überdenken.
Formelle Schutzmechanismen geben dem Rechtsinhaber – im Gegensatz zu den informellen Methoden wie Geheimhaltung – die Möglichkeit, gegen unerlaubte Imitationen auf juristischem Wege vorzugehen. Dies kann ein entscheidender Punkt für die
Entscheidung zugunsten einer Patentnutzung sein. Die Verbesserung der Durchsetzung von Patentrechten muss daher als ein weiterer Bestandteil patentbezogener Wirtschaftspolitik angesehen werden.
Adressierung der Bereiche „Durchsetzung von
Patenten“ sowie „Schutzrechte im Ausland“
Vor dem Hintergrund des zweiten Aspektes dieser Studie – der Verletzung geistiger
Eigentumsrechte – sollte ein weiterer Fokus auf die Durchsetzung bestehender Patentrechte gesetzt werden. Dies muss sich sowohl auf das Inland als auch auf die (noch
problematischere) Durchsetzung im Ausland beziehen. Zunächst werden im Folgenden
die Implikationen von Schutzrechtsverletzungen außerhalb Deutschlands bzw. der EU
betrachtet. Ein zentraler Aspekt in nahezu allen Experteninterviews war dabei die Forderung, gegenüber Ländern, welche durch eine Häufung von Patent- oder Markenrechtsverletzungen auffällig geworden sind, permanenten Druck auf politischer Ebene
auszuüben bzw. aufrechtzuerhalten. Die bisherigen Anstrengungen (z.B. auf dem G8
Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm) werden dabei durchaus gewürdigt und müssen
auch weiterhin aufrechterhalten werden. Auf der operativen Ebene, d.h. bei der konkreten Unterstützung von betroffenen Unternehmen, sollte eine stärkere Kooperation von
Unternehmen mit den Zollbehörden angestoßen werden, da diese im Kampf gegen
Produkt- und Markenpiraterie eine Schlüsselrolle einnehmen. Ein ausgeprägteres Bewusstsein dieser Tatsache und die Anregungen von Kooperationen mit ausländischen
142
Zollbehörden kann die illegale Konkurrenz durch Produktpiraten zumindest eindämmen. Eine diesbezüglich stärkere Sensibilisierung und Aufklärung unter KMU und entsprechenden Branchenverbänden ist zu befürworten.
Des Weiteren wird die Etablierung einer zentralen Anlaufstelle für betroffene Unternehmen in relevanten Ländern wie China angeregt. Als Inspiration kann hierbei das
österreichische KMU-Programm IPP dienen. Dieses unterstützt neben der LobbyArbeit in Schwellenländern (v.a China, aber auch Indien oder Russland) KMU konkret
mit 50% der Kosten für ausländische Patente. Außerdem leistet das Programm Unterstützung durch ein Markt-Monitoring und berät Unternehmen über die Möglichkeiten
und Erfolgsaussichten verschiedener Wege, eine Patentrechtsverletzung zu verfolgen.
Als wichtigster Punkt kann zudem der Aufbau eines lokalen Netzwerkes angesehen
werden. Dadurch wird der persönliche Kontakt zu den relevanten Behörden vor Ort
erleichtert, welcher in vielen Fällen von entscheidender Bedeutung ist. Die Etablierung
einer ähnlichen Einrichtung auch für deutsche Unternehmen sollte in Erwägung gezogen werden.
Neben der Adressierung der Durchsetzung im Ausland ist auf nationaler bzw. europäischer Ebene die weitere strategische Verfolgung eines echten europäischen Gemeinschaftspatentes sowie einer europäischen Patentgerichtsbarkeit von Bedeutung. Dadurch versprechen sich Experten finanzielle Entlastungen für patentaktive Unternehmen sowie ein einheitliches, effizientes Vorgehen bei Patentverletzungsstreitigkeiten.
Auch die momentan gegebenen Möglichkeiten, in Deutschland ein gerichtliches Verfahren in Patentstreitigkeiten innerhalb eines akzeptablen Zeitfensters zu beenden,
sind de facto extrem begrenzt. Daher muss u.a. höchste Aufmerksamkeit auf eine adäquate personelle Ausstattung der Gerichte gelegt werden. Detaillierte Änderungsvorschläge zu gerichtlichen Verfahrensabläufen liegen jedoch außerhalb des Fokus dieser
Analyse,
welche
sich
primär
auf
Unterstützungsprogrammen konzentriert.
Handlungsempfehlungen
zu
KMU-
143
Ein weiterer inhaltlicher Aspekt, welcher einer höheren Aufmerksamkeit bedarf und
stark mit dem auszubauenden Aspekt „IP-Management“ verbunden ist, ist der Bereich
Lizenzierung und Verwertung von Patenten.
Optimierung von
Patentlizenzierung und -verwertung
Bestandteil des SIGNO Förderprogramms ist der so genannte InnovationMarket bzw.
die SIGNO Verwertungsaktion. Ziel ist die Förderung der wirtschaftlichen Verwertung
von Patenten über die Vermittlung von Innovationsanbietern, Kapitalgebern und Unternehmen. Als Weg wird ein web-basiertes Portal in Verbindung mit Unterstützungsleistungen durch SIGNO-Partner gewählt. Trotz deren Beratungsanstrengungen zeigt sich,
dass die Vermittlung von Lizenznehmern und -gebern in der Praxis schwierig zu sein
scheint. Nötig scheint vor allem die Forcierung von Diensten mit einer individuelleren
Vermittlung von Lizenznehmer und -geber zu sein. Gerade die Ausarbeitung von Lizenzverträgen, vor allem bei Unternehmen mit beschränkten personellen Ressourcen,
erfordert eine individuelle, kompetente Beratung, da hochsensibles Know-how aus dem
Unternehmen gegeben wird und entsprechend juristisch abgesichert werden muss.
Daher sollte die grundsätzlich begrüßenswerte Förderung des in Deutschland noch
vergleichsweise schwach entwickelten Lizenzierungsaufkommens in einem stärkeren
Maße von einem individuellen Coaching begleitet werden. Die Erhöhung des relevanten Know-hows in KMU z.B. mittels der Ausarbeitung von Modelllizenzverträgen oder
der Vermittlung von Kenntnissen bezüglich der Bewertungsmethoden sollte dabei zusätzlich adressiert werden, ersetzt jedoch keinesfalls das individuelle Coaching. Das
SIGNO-Teilprogramm InnovationMarket sollte daher einer detaillierten Evaluierung
unterzogen werden und die Machbarkeit einer Erweiterung in Richtung eines verbesserten aktiven Matchings von potenziellen Lizenznehmern und -gebern untersucht
werden. Der zentrale Erfolgsfaktor liegt in der individuellen Beratung von KMU und vor
allem in deren Qualität. Daher ist es von entscheidender Wichtigkeit, die Kompetenz
und das Wissen von KMU in Fragen des IP-Managements auszubauen und die Mitarbeiter der Förderprogramme für ihre anspruchsvolle Arbeit stetig weiter zu qualifizieren.
144
Verbesserung der Ausbildung im Bereich
IP-Management und Mitarbeiterqualifikation
Nach Meinung einiger Experten besteht bei einer großen Zahl kleiner und mittlerer Unternehmen Nachholbedarf beim Know-how im Umgang mit ihrem geistigen Eigentum.
Dies ist umso problematischer, als dass der Bereich des IP-Managements nicht nur
sehr komplex ist, sondern auch einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor darstellt.
Daher sollte in Zukunft stärker darauf gedrängt werden, relevante Curricula an Universitäten und Fachhochschulen stärker zu verankern. Momentan werden zwar Teilsaspekte wie Patentrecht und Innovationsmanagement an Universitäten gelehrt, teilweise
auch Vorträge explizit zum IP-Management angeboten. Es existieren jedoch zu wenige
regelmäßige Lehrveranstaltungen zu Methoden des Schutzes des geistigen Eigentums, Schutzrechtsstrategien oder der Verwertung von Intellectual Property. Aufgrund
der Vielzahl an betroffenen Fachgebieten bieten sich dabei fakultätsübergreifende Veranstaltungen mit juristischen, wirtschaftlichen und technischen Inhalten an.
Neben der Basisausbildung an Hochschulen muss darüber hinaus Wert auf eine stetige Weiterqualifizierung der Mitarbeiter öffentlich geförderter Institutionen, z.B. wie Innovationsbanken oder Erfinderzentren, gelegt werden. Der Erfolg der öffentlichen Programme hängt in einem hohen Maße von der individuellen Kompetenz der Mitarbeiter
ab. Daher sollten Programme wie Ip4Inno im Rahmen der PRO INNO Europe-Initiative
der Europäischen Kommission stärkere Aufmerksamkeit bekommen. Hierbei handelt
es sich um ein „Train the Trainer“-Konzept für Personen, die in der Beratung zum IPManagement tätig sind. Diese werden in Schulungen weiterqualifiziert und können als
Multiplikatoren in Richtung KMU agieren.
145
Zusätzlich zu den vorgestellten inhaltlichen Aspekten wird im Folgenden eine Reihe
von Punkten angesprochen, welche sich der effektiven Umsetzung und Organisation
der Förderprogramme widmen. Zunächst wird ein zentraler Kritikpunkt angesprochen,
der sich sowohl in den Befragungsergebnissen widerspiegelt als auch in vielen Experteninterviews wiederholt zu Sprache kam.
Erhöhung der Sichtbarkeit der Förderangebote
z.B. durch institutionelle Kooperationen
Ein wichtiges Defizit der momentan existierenden Förderlandschaft ist die unzureichende Sichtbarkeit der Angebote in der Zielgruppe, vor allem also bei den KMU. Auf
die Frage nach den Barrieren, welche einer verstärkten Nutzung von staatlichen Fördermaßnahmen im Wege stehen, war die Aussage „Zu wenige Informationen über
Förderungen“ der mit Abstand relevanteste Punkt. Um dieser Situation entgegenzuwirken, sollte das Marketingkonzept von SIGNO detailliert auf seine Effektivität untersucht
werden; hier besteht ein offensichtlicher Verbesserungsbedarf. Abhilfe könnte eine
verstärkte Kooperation mit Institutionen wie der Industrie- und Handelskammer, Förderagenturen oder auch dem Deutschen Patent- und Markenamt führen. Diese Institutionen haben einen hohen Bekanntheitsgrad bei den Unternehmen und können als
Eintrittspunkte für interessierte Unternehmen dienen. Dabei muss im Sinne des integrativen Ansatzes bei der Förderung der Verwertung geistigen Eigentums darauf geachtet werden, Institutionen mit einem möglichst breiten Kompetenzfeld wirtschaftlicher, juristischer und technischer Art zu adressieren. Eine (erstrebenswerte) prinzipielle Patentneutralität bei Erstanfragen kann z.B. bei den IHKs gewährleistet sein, bei den
Patentämtern ist dies dagegen eher weniger der Fall. Die Patentanwälte können jedoch auch von einem prinzipiell patentneutralen Fördersystem profitieren. Beispiele
einer entsprechenden Organisationsstruktur zeigen sich in der Schweiz mit dem Dienst
der „begleitenden Patentrecherchen“, bei dem die Ausführung einer Initialberatung
durch Mitarbeiter des nationalen Patentamtes sowie die Durchführung einer Patentrecherche bezuschusst werden.
146
Ein weiterer Vorteil der stärkeren Einbindung von Institutionen in die Förderlandschaft
ist das damit zur Verfügung stehende überregionale Netzwerk, mit dem der regionalen
Zersplitterung der existierenden Förderangebote begegnet werden kann.
Stärkere Koordination der
Förderaktivitäten von Bund und Ländern
Bedingt durch das föderale System Deutschlands gibt es einen hohen Koordinationsbedarf zwischen Förderprogrammen des Bundes und der Länder, um die Gesamtförderlandschaft effizient zu organisieren. Diese Koordination scheint in der Praxis noch
zu wenig stattzufinden. Als Konsequenz entsteht ein auch für Experten nahezu undurchschaubarer Dschungel an relevanten Fördermöglichkeiten. Zur Diskussion gestellt werden hier mehrere Vorschläge: Zum einen erscheint es angebracht, eine stärkere Kooperation der SIGNO-Partner und der Patentinformationszentren zu etablieren.
Hier kann es sinnvoll sein, Kompetenzzentren zu finden, in denen sich die entsprechenden Partner nach Technologiefeldern bündeln. Dies hätte zur Folge, dass die
Sichtbarkeit der relevanten Ansprechpartner für Interessenten erhöht und eine stärkere
Transparenz ermöglicht wird. Die Koordination der Netzwerke von Förderträgern könnten z.B. durch das DPMA erfolgen. Angesichts einer zunehmenden Verlagerung der
Patentierungsvorgänge von der nationalen auf die europäische Ebene könnte hier ein
alternatives Betätigungsfeld für das DPMA liegen. Ein erster operativer Schritt in Richtung einer höheren Transparenz des Fördersystems sollte die Schaffung bzw. verstärkte Bekanntmachung einer zentralen Kontaktstelle (One Stop Shop) sein, welche eine
erste Analyse der Bedürfnisse der Interessenten erstellt, umfassendes Wissen über die
Leistungen und Auswahlkriterien der Programme von Bund und Ländern hat und so ein
schnelle Vermittlung an die einzelnen in Frage kommenden Förderträger leisten kann.
Die zentrale Förderberatung "Forschung und Innovation" des Bundes und der dort angebotene „Lotsendienst“ oder die Förderdatenbank des BMWi ist dabei der richtige
Weg. Dieser sollte verstärkt verfolgt werden, auch wenn er eine inhaltliche Koordination der Förderangebote nicht ersetzen, sondern nur Information über die Vielzahl von
Angeboten liefern kann.
Abschließend sollen hier nochmals Punkte zur Verbesserung der Konzeption und des
Managements der Förderprogramme und strategischen Optionen zur prominenten Positionierung des Themas geistiges Eigentum zur Sprache gebracht werden.
147
Verbesserung der Governance
der Förderprogramme durch Evaluation
Um die Effektivität und Effizienz in der Organisation der Förderangebote zu überprüfen
und gegebenenfalls Optimierungspotenziale auszuschöpfen, sollte bei allen Programmen eine verstärkte Evaluierungskultur integriert werden. Durch detaillierte Evaluationen können mögliche Fehlentwicklungen identifiziert und eine Überprüfung der Zielerreichung durchgeführt werden. Dabei muss aufgrund der Komplexität des Themas IPManagement ein umfassender und integrativer Ansatz gewählt werden. Wie oben dargestellt, ist beispielsweise die alleinige Konzentration auf die Zahl der Patentanmeldungen nicht genügend. Vielmehr muss auch die Nutzung von informellen Schutzmethoden oder weiche Faktoren wie z.B. Lernerfolge in der Professionalität des IPManagements berücksichtigt werden. Sowohl bei der Evaluation als auch bei der anschließenden Optimierung der Förderangebote sollte darauf geachtet werden, alle
wichtigen Akteure wie Branchenverbände, KMU, Patentanwälte und Vertretern von
Wissenschaft und Forschung mit einzubeziehen, um der Komplexität der Thematik
Rechnung zu tragen. Die relevanten Akteure könnten zudem in einem zu etablierenden
neuen Beirat eingebunden werden, welcher praxisnahe Verbesserungsvorschläge liefern kann. Diese könnten Probleme wie den Bürokratieabbau und die Beschleunigung
von Prozessen betreffen, die in den Experteninterviews unter IP-Dienstleistern explizit
als Hemmnisfaktoren genannt wurden, beispielsweise eine verzögerte Auszahlung
bereits genehmigter Fördergelder.
Ein abschließender Hinweis bezieht sich auf die von anderen Ländern gewählte Herangehensweise an das Thema Intellectual Property. Der Wichtigkeit der Thematik
entsprechend wurde z.B. im US-Wirtschaftsministerium der Posten eines „Coordinators
of Intellectual Property Rights Enforcement“ geschaffen, der eine institutionenübergreifende Abstimmung der nationalen Anstrengungen zum Schutz des geistigen Eigentums vornimmt. Die Schaffung eines ähnlichen Postens, eventuell in der Form eines
„Beauftragten für Geistiges Eigentum“ (analog zum normungspolitischen Sprecher der
Bundesregierung oder dem Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik)
könnte ein deutliches Signal liefern, dass der Schutz geistigen Eigentums in einem von
seinem Humankapital und Erfindungsgeist abhängigen Land wie Deutschland von
höchster Bedeutung ist.
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