METHODEN DES LERNENS AM ARBEITSPLATZ
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METHODEN DES LERNENS AM ARBEITSPLATZ
LEARN & WORK METHODEN DES LERNENS AM ARBEITSPLATZ Maria João Filgueiras-Rauch BFZ - Bildungsforschung NÜRNBERG 1 1. EINLEITUNG 3 1.1 Begründung 3 1.2 Methodische Vorgehensweise 5 2. THEORETISCHER HINTERGRUND DES “LERNENS AM ARBEITSPLATZ”8 2.1 Allgemeine Charakterisierung/Lernkonzepte 8 2.2 Spezielle Charakterisierung 2.2.1 Traditionelle Methoden 2.2.2 Handlungsorientierte Formen des betrieblichen Lernens 2.2.3 Gruppenorientierte, dezentrale Weiterbildung 2.2.4 Individuelle arbeitsplatzintegrierte Weiterbildung (Nutzung konventioneller Ressourcen und Methoden) 2.2.5 Individuelle arbeitsplatzintegrierte Weiterbildung (auf neuen Technologien basierende Methoden) 13 13 15 17 2.3 Selbstgesteuertes Lernen 26 3. LERNEN AM ARBEITSPLATZ IN DER PRAXIS 29 3.1 Die Human Ressource Entwicklung als Unternehmensphilsophie (VISION – ein gutes Beispiel sein) 30 3.2. Integration neuer Mitarbeiter in das Unternehmen 33 3.3. KMU als Lernende Organisationen 36 21 23 23 3.4. Einige Beispiele von Maßnahmen des Lernens am Arbeitsplatz – Neue Lernmethoden 37 4 : FALLSTUDIEN 40 Fall 1: MERCEDES, Gaggenau 40 Fall 2: NUMMI - New United Motor Manufacturing Inc., California (USA) 42 Fall 3: Spagl GmbH, Hutthurm 44 Fall 4: Bolta Werke, Diepersdorf 50 Literatur 52 2 1. Einleitung 1.1 Begründung Innerhalb des letzten Jahrzehnts basierten die Organisationstrends bezüglich des Unternehmensmanagements und der Arbeitsmodelle auf einer Abstufung von Hierarchien sowie einer Dezentralisierung von Arbeitsstrukturen bei mehr und besserer Partizipation. Arbeitsintensive Modelle wurden nun durch technologieintensive Modelle ersetzt. Diese Merkmale sind die natürliche Konsequenz von Rationalisierungen zusammen mit einer größeren Notwendigkeit zu Wettbewerbsfähigkeit, um in einer globalen Welt zu überleben (dies war unter anderem die Einführungszeit von Lean Production und Just in Time). Diese Trends bedeuten auch für die Mitarbeiter einen veränderten Kontext. Während es bei tayloristischer Arbeitsteilung möglich war, einen Beruf auf Lebenszeit zu erlernen, steht man heute ständig neuen Lernanforderungen gegenüber, Flexibilität und Autonomie sind gefordert, Anforderungen und Standards ändern sich. Dieser tiefe Wandel in den Charakteristiken des Arbeitsmarktes stellt auch eine große Herausforderung für das System der beruflichen Bildung dar. Er bedeutet den Wandel von einem strukturierten und traditionellen Bildungsmodell hin zu einem Modell des lebenslangen Lernens. Diese Situation beeinflusst ebenso die Ansprüche in Bezug auf Angebote für das lebenslange Lernen und Weiterbildung auf dem Markt. Dies sind die Hauptgründe, warum in den letzten Jahren ein neues Interesse bezüglich informeller Lernformen und deren Bewertung als ein flexiblerer Weg diesen genannten Veränderungen zu begegnen, erwacht ist. Wegen dieses Bedarfs, auf die Ansprüche des Marktes zu reagieren, folgte die Entwicklung des beruflichen Bildungssystems nicht dem strukturierten Modell der Erstausbildung und hatte sehr schwache und eher willkürliche Verbindungen zum System der Erstausbildung. Diese Lücke zwischen den beiden Systemen hat den 3 Bedarf nach alternativen Lernwegen, welche dies überbrücken, geweckt. Die Lernwege sollten auf flexibleren Modellen basieren, welche der wachsenden Schwierigkeit begegne n, Kompetenzanforderungen vorauszuplanen, aber dennoch durch die geforderten Bewertungsmethoden Verbindungen zum formalen System herstellen. Der Entwicklungsstand der Arbeitsorganisation stellt hohe Ansprüche an Flexibilität und Innovation. Arbeit ist nicht nur im Bezug auf die an die Mitarbeiter gestellten Anforderungen umstrukturiert, sondern auch in Bezug auf deren Entscheidungsfähigkeit und Verantwortung. Die Qualifikation der Mitarbeiter muss steigen, um sie zu Kompetenzen wie Selbststeuerung, Selbstverantwortung und Selbstlernen zu befähigen. Diese neuen Organisationsmodelle und die daraus folgenden Qualifikationsanforderungen erfordern mehr denn je ein neues Lernmodell, in welchem der Lernprozess hauptsächlich am Arbeitsplatz unter einer integrierenden Perspektive stattfindet. Auch die Europäische Kommission betonte diese Ideen schon vor langer Zeit im Weißbuch ”Wachstum, Wettbewerb und Beschäftigung“ 1993; in neuerer Zeit im Weißbuch über „Erziehung und Bildung – Lehren und Lernen für eine wissensbasierte Gesellschaft“. Letzteres geht sogar noch weiter, indem es die Idee hin einer „Lerngesellschaft“ propagiert, in welcher die erfolgreich sein werden, die lernen, seien es Individuen oder Unternehmen. Die EU-Politik will ganz klar den Zugang zu Bildung und Weiterbildung für jeden Bürger erleichtern und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, insbesondere KMU, erhöhen, indem sie ihr Humankapital verbessern und flexibilisieren, durch Einsatz von Informations und Kommunikationstechnologien. In jüngeren Veröffentlichungen zeigt der Bedarf nach Konzepten, die Arbeits- und Lernprozesse integrieren, dass dies ein Thema ist, welches, insbesondere da es hohe Effizienz bietet, noch immer überall in Europa diskutiert wird. Die 4 Transferfähigkeit auf den Arbeitsprozess erhöht die Motivation der Mitarbeiter viel schneller, indem sie in sehr kurzer Zeit die Ergebnisse ihrer Anstrengung sehen. Aus diesen Gründen kann man auch verstehen, dass sich auch die Kosten/Effizienz-Relation entscheidend verbessert. In diesem Handbuch werden einige Beispiele dargestellt. Zusammenfassend kann man sagen, dass das in den Arbeitsprozess integrierte Lernen am Arbeitsplatz speziell für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Zukunft entscheidend sein wird, weil: • es möglich ist, die Arbeitskräfte auf den neuesten Wissensstand zu bringen, ohne sie in eine Weiterbildungseinrichtung zu schicken; so können die entsprechenden Kosten gespart werden; • es durch den direkten Transfer in die Arbeitspraxis stärker auf Motivation abzielt; • es dazu befähigt, den wachsenden Bedarf nach Anpassung von Kompetenzen, basierend auf einem kontinuierlichen Lernschema, zu erfüllen; Daher begannen immer mehr Unternehmen, diese Formen des Lernens in ihre eigenen Systeme des lebenslangen Lernens und der Anpassung von Kompetenzen zu integrieren. 1.2 Methodische Vorgehensweise Im Kontext der Reorganisation des Arbeitsprozesses ist es klar, dass die sogenannten informellen Lernformen, die Verwertung von Arbeitserfahrung und die Anpassungsfähigkeit an neue Strukturen immer wichtiger werden. Im Gegensatz dazu verlieren die zielgerichteten und organisierten/strukturierten Weiterbildungsformen an Bedeutung. Jedoch muss man betonen, dass beide Formen existieren müssen, da es aus ökonomischen Gründen teilweise immer noch passender ist, standardisierte Weiterbildungsprozesse zu nutzen. 5 In diesem Rahmen wandeln sich die Lernmethoden in der Weiterbildung von der Input-, Trainer-, Hierarchie-, Arbeitsteilungs- und Wissensorientierung hin zu Methoden, die integrativ, mitarbeits- und lernerorientiert sind. Durch die Natur des Lernprozesses wird es auch immer schwieriger, Grenzen zwischen Arbeitsund Lernprozess zu ziehen. Diesen Integrationsgrad bemerken bereits einige Mitarbeiter. In einer Umfrage der Qualifikations -Entwicklungs-Management AG 1998 stimmten 78% der befragten Mitarbeiter folgender Aussage zu: "Viele Arbeiten sind so herausfordernd, dass Lernen am Arbeitsplatz sowieso ständig notwendig ist.“. Jüngsten Trends im Bereich der Erstausbildung zufolge gibt es auch einen Wandel in Weiterbildungskonzepten: den Ersatz des Begriffes „Qualifikation“, der die zertifizierbaren Fähigkeiten eines Einzelnen meint, durch den Begriff „Kompetenz“, der die unbegrenzten und vielschichtigen Fähigkeiten eines Einzelnen umfasst. In diesem Kontext kann man von der Entwicklung von Kompetenzen statt von beruflicher Bildung sprechen und dies befähigt zur Selbstanpassung an den sich verändernden Kontext. Vor diesem Hintergrund will dieses Handbuch die KMUs in dem schwierigen Prozess der ständigen Anpassung an veränderte Anforderungen unterstützen, indem es ihnen ein praktisches Instrument an die Hand gibt, wie man einen Lernen und Arbeiten integrierenden Prozess konstituiert. Da die Charakteristik und der derzeitige Stand für die KMU in den verschiedenen Ländern der Projektpartnerschaft sehr unterschiedlich ist, wurde entschieden, die drei Blöcke der Möglichkeiten des Lernens am Arbeitsplatz zu präsentieren. Die Bestimmung dieser Blöcke basiert auf der existierenden Literatur, versucht aber auch, die verschiedenen diskutierten Theorien systematisch zu arrangieren. Die drei Blöcke sind: die eher traditionellen Methoden, inklusive der handlungsorientierten Lernformen im Unternehmen und der dezentralisierten Lernformen; ein zweiter Block individuelles Lernen am Arbeitsplatz und ein dritter Block mit 6 dem modernsten Konzept von selbstorganisierten Lernprozessen basierend auf dem Konzept der Entwicklung von Kompetenzen. In diesem Zusammenhang ist Kapitel 2 ein theoretisches Kapitel, in welchem die Blöcke und entsprechenden Formen mit den zusammengefassten, unterstützenden, theoretischen Konzepten vorgestellt werden und mit den entsprechenden Literaturempfehlungen zur weiteren Vertiefung, wenn wünschenswert und notwendig, ergänzt werden. Das dritte Kapitel versucht, eine Anleitung zu den einzuführenden Verfahrensweisen zu geben, um die jeweilige Methode des Lernens am Arbeitsplatz zu nutzen. Man muss sehr klar hinzufügen, dass es keine fertigen Rezepte gibt. Was möglich ist, ist die Ergebnisse von Erfahrungen bei der Einführung zu systematisieren. Zumeist werden in der Praxis mehrere der vorgestellten Methoden gleichzeitig eingeführt. Um mehr Klarheit in den praktischen Prozess zu bringen, beinhaltet Kapitel 4 die Beschreibung verschiedener Fälle von Unternehmen, welche die verschiedenen Methoden erfolgreich eingeführt haben. Da die meisten der Unternehmen größer sind und die Prozesse von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sind, bilden diese Beispiele wiederum ein Hilfsinstrument, welches mit den Beschreibungen in Kapitel 3 zu verbinden ist. So können alle notwendigen Elemente gesammelt werden, um die individuelle, passende Lösung für jedes Unternehmen zu entwickeln. Im Anhang findet sich eine Sammlung von Instrumenten, die für die Einführung der im Handbuch vorgestellten Methoden hilfreich sein können. 7 2. Theoretischer Hintergrund des “Lernens am Arbeitsplatz” 2.1 Allgemeine Charakterisierung/Lernkonzepte Wie bereits erwähnt, gab es innerhalb des letzten Jahrzehnts einen entscheidenden Wandel im Hinblick auf Organisation und Inhalt der Arbeit, häufig entgegen der tayloristischen Prinzipien, hin zu einem ganzheitlichen Ansatz statt eines fragmentierten. Dies führt zu einem wachsenden Bedarf an weitreichenderen Schlüsselkompetenzen und folglich der Entwicklung neuer Lernformen in der beruflichen Weiterbildung. Andererseits haben sich auch die pädagogischen Modelle von Trainingskonzepten, in denen der Dozent die zentrale Rolle spielte, zu Modellen, die sich auf den Lernenden konzentrieren, verändert. Das heißt, nun spielen der Lernende und das, was er lernen muss, nämlich zu lernen wie man lernt, die wichtigste Rolle. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um diesen Wandel zu begleiten; Intensivere und stärker arbeitsintegrierte Formen des Lernens erfordern ein enges Nachverfolgen grundsätzlicher Einflussfaktoren und ihres Veränderungseffekts auf persönlicher und organisatorischer Ebene. Unter diesen Faktoren findet sich die persönliche Interaktion und wie damit umgegangen wird, die Art der Arbeit, die Ziele und Anforderungen für das Lernen am Arbeitsplatz, die Verteilung des Lehr- und Lernprozesses auf verschiedene Lernorte, das Erforschen verschiedener Lernmethoden und Ressourcen, etc. Die Modelle, die diesem herausfordernden Wandel entsprechen sollen, müssen jedoch eine Übereinstimmung mit ökonomischen und pädagogischen Zielen beachten. Das bedeutet, man muss gleichzeitig die Bedürfnisse der Unternehmen, die Anpassung an technische Entwicklungen durch den auf den 8 Arbeitsplatz konzentrierten Lernprozess und an die persönlichen Entwicklungsbedürfnisse erfüllen. Die in der beruflichen Weiterbildung angenommenen Lernmethoden müssen heutzutage nicht nur den Bedarf nach Transfer von Wissensinhalten, sondern auch nach Aneignung abstrakter Lernkompetenzen und sozialer Kompetenzen erfüllen. In der beruflichen Weiterbildung am Arbeitsplatz werden die Aufgaben, im Gegensatz zur Erstausbildung, an die Bedürfnisse des Arbeitsprozesses angepasst. Sie werden entsprechend didaktischer Kriterien ausgewählt und die potenzielle „Manipulation“ ist beschränkt. Dann, wenn der Lernprozess auf die Arbeitsaufgaben konzentriert ist, muss der pädagogische Einfluss auf der Präsentation und, wenn nötig und möglich, auf der Reorganisation dieser Arbeitsaufgaben liegen. Das bedeutet: • die Arbeitsaufgaben und ihre Abfolge müssen dem Mitarbeiter in zusammenhängender und folgerichtiger Weise präsentiert werden, um einen verständlichen und einfachen Zugang zu gewährleisten; • das Arbeitsumfeld und, wenn möglich, die Arbeitsaufgaben selbst, müssen didaktisch aufbereitet werden und basieren auf der Bereitstellung didaktischer Mittel am Arbeitsplatz: Medien, Methoden, Organisation, Kommunikation Die gewählten Methoden müssen sich darauf konzentrieren, dass sie die Vereinbarkeit von Arbeits- und Lernprozess am Arbeitsplatz unterstützen. Vom Arbeitsprozess kann man keinen bestimmten Grad an qualifizierendem Potential erwarten. Daher ist dies der Faktor, der durch pädagogische Eingriffe methodischer und methodologischer Verfahren ausgeglichen werden muss. Sie 9 bilden die notwendige Brücke zwischen den persönlichen Bedürfnissen der Lernenden und dem im Arbeitsprozess integrierten Lernpotential. Die Definition pädagogischer Methoden ist in diesem Kontext relativ weit: sie geht von komplexeren pädagogischen Verfahren zur Annahme der Aufgaben selbst und zu eher verständlichen und beobachtbaren Übungen, die den Lernprozess fördern. Beispiele sind: die Geschwindigkeit automatischer Prozesse zu verringern, um Beobachtung zu ermöglichen oder Kommunikations kanäle zwischen einzelnen „Trainees“ (in diesem Fall Lernende). Das beinhaltet jede pädagogisch orientierte Veränderung, die durch den Arbeitsprozess hervorgerufen wurde. Idealform des integrierten Lernens am Arbeitsplatz Lernender Arbeitsprozess Individuelle Lernbedürfnisse LernProzess Arbeitsplatz Lernbedürfnisse Lernen am Arbeitsplatz mit Hilfe Pädagogischer Methoden Lernender Arbeitsprozess Individuelle Lernbedürfnisse Lernprozess Ausgewählte Methoden ArbeitsplatzLernbedürfnisse 10 Zusammenfassend kann man sagen, dass die pädagogischen Methoden Instrumente der pädagogischen Experten beruflicher Weiterbildung sind, die den beruflichen Qualifikationsprozess mit dem Arbeitsprozess verbinden. Berücksichtigt man das oben genannte, wird klar, dass die Auswahl der Methoden eng mit pädagogischen Zielen und dem Lerninhalt verbunden ist. Die Lernziele beinhalten nicht nur technische/fachliche Inhalte, sondern auch die sogenannten Schlüsselkompetenzen oder Soft Skills, verbunden mit sich ändernden Einstellungen und persönlicher Entwicklung der Lernenden. Die verschiedenen Lernformen am Arbeitsplatz sind also mit den Arten des Arbeitsprozesses verbunden und können sich orientieren an: dem Ablauf, den Regeln oder Prozeduren, die mit dem Prozess einhergehen. In jedem Fall sind die zu wählenden Methoden natürlich unterschiedlich, genau wie die zu nutzenden didaktischen Ressourcen. Aus Tabelle 1 kann man den Zusammenhang zwischen Lernorientierung, Methoden und didaktischen Ressourcen ablesen. 11 Tabelle 1: Zusammenhang zwischen Lernorientierung, entsprechenden Methoden und didaktischen Ressourcen Lernorientierung: Methoden Didaktische Ressourcen ablauforientiert Sprachgestütztes Training aufgabenrelevanter Arbeitsabläufe (Bezug: Einzelaufgabe Lernkarten zur Unterstützung einer bildhaft-begrifflichen „Doppel-Codierung“. regelorientiert Erarbeitung und Vermittlung von Regeln zum Umgang mit Situationen und Problemen. Regelwerke zur Selbststeuerung problemorientierten Verhaltens verfahrensorientiert Sprach- und Verfahrensvorschriften, regelgestütztes Training Regelwerke und effizienter Wissensspeicher Arbeitsverfahren (Bezug: Aufgabenklassen) Quelle: Severing "Arbeitsplatznahe Weiterbildung " - 1994, S. 103 Die in Tabelle 1 genannten Methoden nutzen die realen Arbeitselemente und nicht die pädagogischen Lernsequenzen mit ihren Elementen. Aus diesem Grund ist es notwendig, die Beziehung zwischen diesen Methoden und den Lernformen, die damit einhergehen, zu schaffen. Tabelle 2: Berufliche Weiterbildung am Arbeitsplatz Traditionelle Methoden der Arbeitsunterweisung am Arbeitsplatz Vormachen/Nachmachen 4-Stufen-Methode; Analytische Arbeitsunterweisung Handlungsorientierte Formen des betrieblichen Lernens Projektlernen Gruppenorientierte, dezentrale Weiterbildung Qualitätszirkel Leittextmethode Lernstatt Lerninseln Erkunden und Präsentieren Job-Rotation 12 Individuelle arbeitsplatzintegrierte Weiterbildung Einarbeitung Training a m Arbeitsplatz Selbstqualifikation am Arbeitsplatz mit computergestützten Lerntechnolgien Selbstgesteuertes Lernen Quelle: Severing "Arbeitsplatznahe Weiterbildung " – 1994, S. 103 Versucht man, ein „Profil“ für das Lernen am Arbeitsplatz zu definieren, kann man sagen, dass diese Lernformen generell folgende Charakteristik besitzen: • ORT – Arbeits- und Lernplatz sind der selbe; • ZEIT – Die Lernprozesse laufen normalerweise während der Arbeitspausen ab; • INHALT – Bezieht sich so viel wie möglich auf die Arbeitsbedürfnisse; • ORGANISATION – Individuelles Lernen. 2.2 Spezielle Charakterisierung Im Kontext der Präsentation aus Tabelle 2 folgt eine spezifischere Charakterisierung jeder der 4 Gruppen von Lernmethoden am Arbeitsplatz. 2.2.1 Traditionelle Methoden Die traditionellen Methoden werden weit verbreitet in der beruflichen Erstausbildung genutzt, speziell in KMU. Im Kontext der beruflichen Weiterbildung gibt es weniger Informationen, in wie weit sie genutzt werden. Jedoch und wegen der relative n Nähe der Methode zur Arbeitspraxis und auch wegen des niedrigen Bedarfs an benötigten Ressourcen, wird angenommen, dass sie wahrscheinlich nicht selten als Lernprozess im Unternehmen genutzt werden. a) Vormachen/Nachmachen Die erste Art der genannten traditionellen Methoden ist die „Learning by Doing“ genannte Strömung. In dieser Lernform wird der Lernende einem anderen 13 Arbeitnehmer zugeordnet, der ihn unterweist und als Beispiel dient. Dieser “Modell-Mitarbeiter“ zeigt und erklärt dem Lernenden, was er tut. Der Lernende beobachtet die Arbeitsabfolge, um sie so perfekt wie möglich selbst ausführen zu können. Es gibt bereits einige Variationen dieses Lerntyps, in welchen das “Modell” den Lernenden über andere technische Mittel wie Video oder modernere Kommunikationstechnologien wie CD-ROM oder ähnlichem anleitet. b) 4-Stufen-Methode Der Name dieser Methode ist mit den vier formalen Schritten einer normalen Weiterbildung, die der Lernende nutzt, verbunden: Vorbereitung, Vorführung, Nachvollzug und Abschluss/Übung. Diese vier Schritte haben Auswirkung auf die Handlung des Lehrenden und des Lernenden. Ersterer muss: erklären was und wie etwas zu tun ist, es beispielhaft vorführen, korrigieren wann immer nötig und bewerten; der Lernende muss: zuhören, beobachte n, um das Beispiel nachzumachen und üben. Diese Methode stellt eine Weiterentwicklung des „Learning by doing“ dar, aufgeteilt in vier aufeinander folgende Schritte, um pädagogisch leichter nachvollziehbar zu sein. c) Analytische Arbeitsunterweisung Diese Methode ist wiederum eine Weiterentwicklung der vorhergehenden Methode. Die Vier-Stufen-Methode wird in diesem Fall durch die Analyse von Praxis und Wissen des “Modell-Mitarbeiters“ oder Lehrenden systematischer und detaillierter genutzt. Dies bedeutet eine detaillierte Analyse des Arbeitsinhalts und seiner entsprechenden Methoden. 14 2.2.2 Handlungsorientierte Formen des betrieblichen Lernens Dies sind einige der sogenannten modernen Methoden, in welchen die Autonomie und die Selbstaktivität der Lernenden im Lernprozess speziell gefördert werden. Diese Methoden wurden entwickelt, um auf die neuen Ansprüche in der beruflichen Weiterbildung zu reagieren, die aus der Einführung neuer Technologien in den Produktionsprozess der Unternehmen entstanden sind. Diese Methoden werden sehr oft in der beruflichen Erstausbildung, weniger häufig in der beruflichen Weiterbildung, genutzt. a) Projektlernen Die Projektmethode, eine der meist genutzten in den letzten Jahren, umfasst eine Aufgabe oder ein Problem aus der Arbeitspraxis, welches die Basis eines Selbst- oder Team-Lern-Prozesses ist. Diese Methode, in welcher der Einzelne oder das Team den Lernprozess und die entsprechenden Aufgaben selbst organisieren, wird häufig in technischen oder organisatorischen Bereichen genutzt und basiert auf einer Simulation realer Arbeitsprobleme der Produktion. Um ein besseres Selbstmanagement des Lernprozesses zu ermöglichen, entstand die zweite Methode in dieser Kategorie: Die Leittextmethode. b) Leittextmethode Diese Methode, heute in einigen Varianten entwickelt, zielt vor allem darauf ab, eine Orientierung für den Selbstlernprozess, welcher speziell in der Projektlernmethode abläuft, zu schaffen. Die Methode konzentriert sich auf die Entwicklung von Werkzeugen und Instrumenten, die den Selbstlernprozess unterstützen, indem sie eine Orientierung dafür schaffen. Dies geschieht in Form von schriftlichem Material 15 mit Leitfragen, um den Lernprozess durch Fokussierung und Strukturierung zu vereinfachen. In der beruflichen Erstausbild ung beinhaltet diese Methode sechs Phasen: • Informieren: Die Leitfragen müssen dem Lernenden ein Bild der erwarteten Lernergebnisse verschaffen; • Planen: Der Lernende muss seinen eigenen Arbeits-/Lernplan entwickeln, allein oder im Team; • Entscheiden: In dieser Phase fällt die Entscheidung, ob der vom Mitarbeiter/Lernenden präsentierte Plan durchführbar ist und welche Ressourcen und welches Wissen notwendig sind. • Einführen: Der Arbeits-/Lernplan wird nun vom Mitarbeiter/Lernenden eigenverantwortlich durchgeführt; • Kontrollieren: Der Lernende muss, immer mit den nötigen Leitfragen als Instrument, eine ständige Selbstkontrolle durchführen, • Bewerten: Die letzte Bewertung ist eine konkrete Produktbewertung. Diese auf der Individualisierung Individualisierung des basierende Lernprozesses am Methode Arbeitsplatz. ermöglicht die Flexibilität und Selbststeuerung sind entscheidende Bedingungen der Integration von Lern- und Arbeitsprozess. 16 2.2.3 Gruppenorientierte, dezentrale Weiterbildung Die früher beschriebenen Methoden bezogen sich auf den Arbeitsplatz, um speziell die berufliche Erstausbildung so nah wie möglich am Arbeitsprozess durchzuführen, um Zeit für den Transfer (Anwendung des Gelernten auf den Arbeitsprozess) zu sparen.. Jedoch wurden sie nicht in den Arbeitsplatz integriert. Die unter dezentralisierter beruflicher Weiterbildung vorgestellten Methoden beziehen sich direkt auf den Arbeitsplatz. Diese Methoden basieren auf der Organisation von Gruppen, die darauf abzielen, technische und organisatorische Probleme zu analysieren und entsprechende Lösungen zu finden, indem sie eine Lerndynamik unter den verschiedenen Mitgliedern schaffen. Diese Arbeits/Lerngruppen befassen sich normalerweise mit Themen wie der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Reduzierung von Produktionskosten und ziehen sich durch den kompletten Produktionsprozess hindurch. Das bedeutet, dass der Lernprozess mit der Vervollständigung der Methode Hand in Hand geht. Aus dem Erklärten kann man schließen, dass diese Methode durch einen gemeinsamen Arbeits- und Lernprozess mit der Kompetenzentwicklung der Gruppenteilnehmer einhergeht, was besonders wichtig ist in der beruflichen Weiterbildung. a) Qualitätszirkel Qualitätszirkel sind Arbeitsgruppen mit 3 bis 10 Teilnehmern, die in Teamarbeit technische und organisatorische Probleme analysieren und nach entsprechenden Lösungen für Verbesserungen suchen. Die Gruppe hat einen Leiter, der die Arbeit des Teams strukturiert und erleichtert. Die Gruppe und jeder Teilnehmer muss den Arbeitsplatz nicht nur als Arbeiter, sondern auch aus der Perspektive von Planung und Qualitätskontrolle sehen. 17 Diese Gruppen sind besonders auf Gebieten wie Kommunikation und Teamarbeit wichtig und können zu wirklichen Verbesserungen in Arbeitsprozess und Arbeitsabläufen mit daraus folgenden Einsparungen führen. Neben den Organisationseffekten spielt diese Art von gemeinsamer Arbeit eine Rolle für die Kompetenzentwicklung jedes einzelnen Teilnehmers der Gruppe. Qualitätszirkel sind am besten für die Lösung von Problemen im Bezug auf den Arbeitsablauf oder –prozess geeignet. Als Methode der beruflichen Weiterbildung verstärkt sie insbesondere die Kooperation in der Problemlösung und dadurch die Verbesserung des kooperativen Selbstlernens und den transferorientierten Weiterbildungsprozess. Die Grenzen der Methode liegen in der Tatsache, dass man immer von einem zu lösenden Problem ausgehen muss. b) Lernstatt Diese Methode ist viel stärker lernorientiert als der Qualitätszirkel, in welchem lernen durch Analyse und Verbesserung auf organisatorischer Ebene stattfindet. Die Lernstatt, eine Mischung von „Lernen” und “Werkstatt”, ist eine pädagogische Selbstlernmethode im Betrieb, die auf die Bedürfnisse des Arbeitsplatzes ausgerichtet ist. Aus pädagogischer Sicht können sich Teilnehmer, wie auch in jeder anderen strukturierten Weiterbildungsmethode, sowohl Sozial- als auch Fach- kompetenzen aneignen. Jedoch ist das Lernen, das in der Praxis der Unternehmen stattfindet, sehr häufig auf Qualitätszirkel beschränkt, auch wenn es „Lernstatt“ genannt wird. Normalerweise wird diese „Lernstatt” von einer zentralen „Lernstatt“ organisiert und koordiniert, in welcher sich pädagogische und Weiterbildungsexperten befinden. Diese zentrale Einheit koordiniert, plant und begleitet die Arbeit jeder einzelnen dieser dezentralisierten „Lernstätten“ im Produktionsbereich. Die 18 Koordinatoren dieser individuellen Einheiten sind Moderatoren, die ebenso aus dem Produktionsbereich kommen. Sie unterstützen die Arbeit der Lerngruppen, die aus mehreren Mitarbeitern aus verschiedenen Bereichen bestehen, jedoch ohne Anwesenheit von Aufsehern oder Vorarbeitern, um Hierarchiekonflikte zu vermeiden. Diese Gruppen werden gebildet, um sehr präzise Probleme zu lösen. Die Mitglieder werden entsprechend der Art des Problems ausgewählt. In dieser Methode unterstützen das Wissen und die Erfahrung der teilnehmenden Mitarbeiter den Lernprozess direkt. Ein Schlüsselfaktor ist die Rolle der Moderatoren, die ebenso dafür weitergebildet werden müssen, die genannte Unterstützungsrolle zu spielen. Zur Unterstützung des Lernprozesses können in diesem Fall einige der bereits vorgestellten Methoden, wie beispielsweise die Leittextmethode, verwendet werden. Die Grenzen dieser Methode liegen in der relativ begrenzten Orientierung auf die Arbeitsabfolge. Dies hatte zur Folge, dass der Einsatz sich normalerweise an didaktischen Gruppenmodellen für spezielle Lernsituationen/bedürfnisse orientiert. c) Lerninseln Diese Methode wurde im wesentlichen von großen Unternehmen, speziell in der Automobilbranche, entwickelt, um die Erstausbildung im Dualen System (Deutsches Ausbildungssystem) und die neuen Organisationsformen in der Produktion zu vereinbaren. Sie ermöglichte es, einen Teil der Erstausbildung direkt in der Produktion durchzuführen (am Arbeitsplatz). Das Konzept der Lerninseln basiert darauf, einige ausgewählte, aufeinanderfolgende Schritte des Produktionsprozesses an speziellen Arbeitsplätzen (Insel-Arbeitsplätze) außerhalb des normalen Produktions prozesses durchzuführen. Auf diesen Arbeitsplätzen führen die Auszubildenden- 19 /Beschäftigten ihre Aufgaben unter Aufsicht von Trainern entsprechend vorher entwickelter pädagogischer und didaktischer Kriterien durch. Die Lerninseln Arbeitsplätzen werden außerhalb innerhalb des des Produktionsbereiches, Produktionsprozesses, aber untergebracht. an Der Lernprozess wird von den Praktikanten (Einzelne oder Gruppen) nach einem Katalog pädagogischer Ziele und unter Aufsicht der Trainer organisiert und geplant. Normalerweise wird sie nicht isoliert eingesetzt, sondern im Rahmen kombinierter Lernmethoden. Diese Methode wird bisher in der beruflichen Weiterbildung wenig eingesetzt und dies trotz passender Charakteristik: die Praktikanten bringen ihre Aufgaben selbständig in die Produktion ein; Teamarbeit findet statt; Integration qualifizierten technischen Personals wird integriert; durch Rückgabe von Ergebnissen aus dem Qualifikationsprozess in den Produktionsprozess selbst entstehen innovative Wirkungen. Dies ist alles möglich durch die große Parallelität zwischen Lern- und Produktionsprozess und dem Potential des Transfers innerhalb des Weiterbildungsprozesses. d) Job-Rotation Der Prozess von Job-Rotation-Programmen wird durch den Wechsel Einzelner innerhalb verschiedener Arbeitsplätze, normalerweise mit technischen Ähnlichkeiten, erreicht. So sollen flexible Einsatzmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens erzielt und auch die Sozialkompetenzen, die mit einer guten Beziehung zwischen den Kollegen, die verschiedene Funktionen ausüben, einhergehen, gefördert werden. Dieses Lernkonzept basiert auf dem Prinzip der Erkundung und wurde anfangs speziell für die berufliche Orientierung Auszubildender/Praktikanten während der 20 ersten Schritte der Erstausbildung genutzt. Dies ist der am weitesten verbreitete Einsatz der Job-Rotation-Methode. Im Fall der beruflichen Weiterbildung spielt sie normalerweise eine Rolle in der Verbesserung von Kooperation und Teamarbeit, da sie jedem Mitarbeiter ermöglicht, mehr über die Aufgaben und Erwartungen der Anderen zu erfahren und diese so besser zu verstehen. Die Gruppen oder Einzelnen, die einem Erkundungsprozess folgen, vollziehen ihn anhand eines selbstentwickelten Katalogs von Leitfragen. Dieser Prozess erhöht die Transparenz innerhalb des Unternehmens und verbessert das Verständnis unter dem Personal. Die Bewertung der Ergebnisse erfolgt durch die allgemeine Präsentation, welche die vollzogene Erkundung reflektiert. Diese Methode stellt ein gutes Nutzenpotenzial in der beruflichen Weiterbild ung dar, durch: • Verbesserung der selbstgesteuerten Durchführung in verschiedenen Funk tionen/Arbeitsplätzen für die einbezogenen Mitarbeiter; • Verbesserung der Flexibilität der Mitarbeiter-Flexibilität; • Transfer von Wissen zwischen den Mitarbeitern verschiedener einbezogener Funktionen. Jedoch ist das Qualifizierungspotenzial beschränkt und kann aus Gründen von Erfordernissen der Personalorganisation langfristig eine Reduzierung der Effizienz des Produktionsprozesses zur Folge haben. 2.2.4 Individuelle arbeitsplatzintegrierte Weiterbildung (Nutzung konventioneller Ressourcen und Methoden) Innerhalb dieser Methode der beruflichen Bildung findet der Lernprozess weder in Bezug auf Ort noch auf Zeit separat vom Arbeitsplatz statt. Daher kommt die Notwendigkeit integrierten Lernens am Arbeitsplatz. Der große Unterschied zu 21 den anderen bisher genannten Formen ist die Tatsache, dass Lernen in diesem Fall ein individueller, fortlaufender Prozess ist, der am Arbeitsplatz jedes Mitarbeiters stattfindet. In den meisten anderen Lernmethoden spielte die Gruppe oder das Team eine wichtige Rolle. Es sind einige Voraussetzungen nötig: • Der Arbeitsplatz muss auf einen Arbeitsprozess bezogen sein, an dem die Arbeit zum Lernen unterbrochen werden kann, ohne die Aufgaben anderer Mitarbeiter zu behindern. Diese Voraussetzung erlaubt es dem Mitarbeiter, seinen eigenen fortlaufenden Lernprozess frei und autonom selbst zu managen; • Der Lernprozess kann nur dann stattfinden, wenn der Arbeitsplatz mit den notwendigen Lerninstrumenten und Werkzeugen ausgestattet ist (Bücher, CBT und Kommunikationsmöglichkeiten zu Tutoren oder Trainern). Die Methode ist durch die Nähe zu den Bedürfnissen der Arbeitsrealität und den persönlichen Möglichkeiten der Mitarbeiter, eine der meist empfohlenen für die berufliche Weiterbildung. Die nächsten Punkte beziehen sich auf die konventionellen Methoden auf diesem Gebiet. a) Einarbeitung Dies ist der Normalfall, wenn ein Mitarbeiter lernen muss, neue Funktionen oder Aufgaben an einem neuen Arbeitsplatz zu verrichten. Die Anforderungen dieser neuen Verrichtungen müssen gelernt werden. In den meisten Fällen passiert dieser Lernprozess im Kontakt mit Kollegen oder direkten Vorgesetzten und nicht mit Trainern. Der Inhalt des Lernprozesses ist eng mit der Durchführung der eigenen Aufgabe/Arbeit verbunden (entweder in technischer Hinsicht oder bezüglich der zur Durchführung notwendigen Einstellungen/ Verhalten/ Sozialkompetenzen). 22 b) Training am Arbeitsplatz Diese Methode ist durch das “Coaching” weiter verbreitet. Es ist ein Lernprozess, der speziell für das Training von Managern eingesetzt wird. Der Prozess basiert auf der Aneignung von Wissen und Erfahrung und wird bei der Arbeitsausführung unter durchgängiger Unterstützung eines Trainers, welcher normalerweise auch sehr erfahren auf seinem Gebiet ist, implementiert. c) Selbstqualifikation Diese Methode basiert auf der Interaktion zwischen Lern- und Arbeitsprozessen, die der Mitarbeiter selbst entsprechend seiner Bedürfnisse organisiert. Trotz großer Bedeutung bezüglich des angeeigneten Wissens ist der Lernakt normalerweise nicht formal und daher schwierig wahrzunehmen oder zu messen. Um es zu ermöglichen, am Arbeitsplatz zu lernen, ist es notwendig, den Arbeitsprozess anzupassen. Die Fähigkeiten, die Arbeit auszuführen, müssen durch den Arbeitsprozess angeeignet werden und können am Anfang nicht sofort vorhanden sein. Der Mitarbeiter muss am Arbeitsplatz mit dem Arbeitsprozess lernen. Es gibt einige Aufgaben, die durch ihre Charakteristik bedingt nicht direkt mit dem Arbeitsprozess gelernt werden können. In dem Fall ist es notwendig, die richtigen Instrumente – Lern-/Didaktische Ressourcen, die den entsprechenden Prozess unterstützen. Diese Instrumente können alle die sein, die auch für die anderen Arten beruflicher Weiterbildung genutzt werden. (Bücher, Handbücher, technische Informationen, mögliche Kommunikation mit Tutoren oder Trainern/Coaches) 2.2.5 Individuelle arbeitsplatzintegrierte Weiterbildung (auf neuen Technologien basierende Methoden) Mit dem Aufkommen der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien in den letzten Jahren war es auch möglich, neue, an das Lernen am Arbeitsplatz 23 angepasste, Lern- und Trainingsressourcen zu entwickeln, die eine Reihe von Möglichkeiten eröffnen. Für die Unternehmen waren diese Ressourcen anfangs sehr attraktiv, da sie unter anderem: • Einen Standard in der Qualität der beruflichen Weiterbildung schufen; • Dezentralisiert und wo immer nötig, auch am Arbeitsplatz, einsetzbar waren (Flexibilität des Lernprozesses); • Reduzierung der Trainingszeit bei wachsender Qualifikationseffizienz; • Vereinbarkeit mit anderen Lern-/Arbeits-/Informationsressourcen und die Integrationsfähigkeit dieser Lernsystem mit dem Arbeitsprozess und der einfache Weitergabe-/Vervielfältigungseffekt auf Unternehmensebene (national und international); • Mobilisierung des Lernpotenzials durch Einführung selbstorganisierter, individualisierter Lernprozesse und andererseits wachsende Akzeptanz der neuen Technologien. a) CBT - Computer Based Training und WBT - Web based training Diese beiden Lernmethoden, unterstützt durch elektronische Geräte, haben die Eigenschaft, einen individuellen und autonomen Lernprozess zu ermöglichen. Der Inhalt wird pädagogisch strukturiert, um einen Selbstlernprozess am Computer zu ermöglichen. Das CBT ist als Selbstlerninstrument bereits weit verbreitet, welches normalerweise nicht den selben Grad an Interaktivität beinhaltet, wie das durch Web Based Training mögliche Online -Lernen. Interaktive Online Seminare sollten Kompone nten wie die folgenden umfassen: - Tutorien, die es dem Lernenden ermöglichen, zu üben und seine Fortschritte im Lernprozess selbst zu bewerten und zu entscheiden, weiter zu gehen oder zu wiederholen; 24 - Der Teletutor ist technisch kompetent und verfügbar, steht bei auftauchenden Problemen zur Verfügung; - Das Kommunikationsforum – den Austausch von Ideen und Erfahrungen unter Kollegen zu ermöglichen; - Feedback zum Seminar – in welchem der Lernende gebeten wird, die von ihm nachverfolgten Lerneinheiten zu bewerten, um Verbesserungen zu ermöglichen. 25 2.3 Selbstgesteuertes Lernen Diese Lernmethode wird noch in einigen Ländern Europas untersucht. Aufgrund der wachsenden Bedeutung, Mitarbeitern die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln, verantwortungsvoller, flexibler und unabhängiger in der Ausübung ihrer Arbeit zu werden, sogar die Anpassungsfähigkeit an neue notwendige Fähigkeiten betreffend, machte es ebenso erforderlich, den Lernprozess zu überdenken, um auf diese Ansprüche zu reagieren. Die Charakteristik dieser neuen Lernformen ist weitgehend mit dem Bedarf verbunden, zu “Lebenslangem Lernen” zu befähigen, also das Lernen zu Lernen. Auch die Methoden zur Analyse des Weiterbildungsbedarfs sind weit entfernt von der Praxis des Arbeitsprozesses, betrachtet man diese neuen Ansprüche und schnellen Änderungen. Anbetracht all dieser Argumente war es wichtig, eine Methode zu entwickeln, in welcher die Mitarbeiter befähigt werden, ihren eigenen Lernbedarf festzustellen, ihren eigenen Lernprozess zu organisieren und die Ergebnisse dieses Selbstlernprozesses in Bezug zu ihrer Arbeit oder ihren Aufgaben systematisch zu bewerten. Das in Deutschland durch die beruflichen Fortbildungszentren (bfz) und das Institut für sozialwissenschaftliche Beratung (ISOB) in Kooperation mit einigen Unternehmen entwickelte Projekt, basiert auf den Prinzipien der Selbstevaluation als Selbstlerninstrument. Das Projekt nannte sich „Navigationssystem für selbstständig lernende Mitarbeiter“. Das mit dem Projekt einhergehende Konzept war es, durch 6 Module einen Selbstlernprozess zu entwickeln: Analyse der eigenen Arbeitssituation (Arbeitsplatz, Gruppe, Produkt), miteinander reden (Kommunikation unter Kollegen), Lerngelegenheiten entdecken, Wissensquellen nutzen, Input nutzen 26 (die drei Module erlauben es, Lerndefizite zu entdecken und Chancen in der Arbeitsumgebung zu entdecken, um zu lernen, was gebraucht wird), Bilanzierung eigener Lernprozesse (dieses letzte Modul zielt darauf ab, den begleitenden Selbstevaluationsprozess zu analysieren und ihn als Arbeitsmethode zu festigen (Integration von Arbeiten und Lernen). Navigationssystem für selbstständig lernende Mitarbeiter (Quelle: Selbständig Lernen im Betrieb, BIBB Modellversuch bfz Bildungsforschung) Analyse der eigenen Arbeitssituation Miteinander reden Lerngelegenheiten entdecken Navigationssystem für selbstständig lernende Mitarbeiter Bilanzierung eigener Lernprozesse Input nutzen Wissensquellen nutzen 27 Die Einführung zu jedem Modul erfolgt durch Initial-Workshops als Impuls für den folgenden selbstorganisierten Lernprozess. Dies ist ein sehr flexibler Lernprozess und kann an alle Weiterbildungsbedürfnisse angepasst werden. Aus diesem Grund ist es für die berufliche Weiterbildung sehr gut geeignet. Ein Schlüsselfaktor für den Erfolg dieser Methode liegt darin, dass die Workshops einen Reflexionsprozess der Mitarbeiter in Gang setzen und sie befähigen, Lernprozesse zwischen den Workshops fortzuführen.. Anmerkungen: Wie in der Einleitung dieses Handbuchs genannt, haben wir versucht, die verschiedenen Methoden des Lernens am Arbeitsplatz kurz und in verständlicher Weise darzustellen, strukturiert in einer Form, die der jeweiligen Entwicklung entspricht. Für weitergehende Informationen über die Arten beruflicher Weiterbildung am Arbeitsplatz empfehlen wir folgende Literatur: 1 Severing, Eckard Arbeitzplatznahe Weiterbildung Grundlagen der Weiterbildung /Luchterhand 1994 2 Docherty, Peter/ Nyhan, Barry Human Competence and Business Development Springer-Verlag London Limited 1997 3 Internationaler-Bund Berufsbildungszentrum Jena und Startshilde Sondershausen e. V. - Lernen im Arbeitsprocess -Band 3 - Didaktischmethodisches Konzept INBAS 1999 28 3. Lernen am Arbeitsplatz in der Praxis Die verschiedenen Methoden des Lernens am Arbeitsplatz können mehreren Situationen innerhalb der Unternehmen, entsprechend des Unternehmensprofils und der Bedürfnisse, entsprechen. Unternehmen, deren Werte und Philosophie/Kultur in der Entwicklung der Humanressourcen als Kernfaktor des Unternehmenserfolgs verankert sind, können einfach eine Strategie verfolgen, eine Lernende Organisation zu werden, ohne den Zwang, Maßnahmen aufgrund aufgetretener Probleme ergreifen zu müssen. Diese Unternehmen versuchen, Modellcharakter zu haben und die betreffenden Mitarbeiter zu motivieren, sich selbst mit diesem Modell zu identifizieren. Andere Unternehmen nehmen Maßnahmen des Lernens am Arbeitsplatz als Instrument an, auf die innerhalb organisatorischer oder technischer Probleme in einem der Unternehmensprozesse identifizierten Lernbedarfe zu reagieren. Das Konzept des “Wissensmanagements” ist ebenso eine Art, Wissen und Erfahrung der Mitarbeiter auf persönlicher und beruflicher Ebene im Unternehmen zu erhalten und zu integrieren. Außerdem ist es sehr nahe am Arbeitsplatz möglich. Es muss ebenso berücksichtigt werden, dass jedes Unternehmen ein anderer Fall ist und es keine fertigen “Rezepte” gibt, um der Vielzahl möglicher Probleme zu begegnen. Besonders in KMU ist die organisatorische Charakteristik sehr verschieden. Hier kann man unter anderem unterscheiden: Sektor – um nicht tiefer zu gehen, KMU im industriellen Sektor unterscheiden sich stark von KMU im Dienstleistungssektor; Umfang – Unternehmen mit 10 Mitarbeitern haben eine völlig andere Charakteristik als Unternehmen mit 50, oder andere mit 100 oder 200 und wiederum zu denen mit 400 oder 500 Mitarbeitern; Art der Leitung – einige sind Familienunternehmen, einige sind stärker strukturiert als andere. Dies 29 bedeutet, dass es nicht möglich sein wird, eine einzige Lösung zu finden. Deshalb versucht dieser Leitfaden, einige erfolgreiche Fälle aufzuführen, die in verschiedenen KMU eingeführt wurden. Sie können einerseits als übernehmbares Modell und andererseits als Beweis für die Durchführbarkeit der beschriebenen Methoden genutzt werden. 3.1 Die Human Ressource Entwicklung als Unternehmensphilsophie (VISION – ein gutes Beispiel sein) Einige KMU entwickeln eine Vision und eine Mission für sich selbst. Um diese zu erfüllen, spielen die Humanressourcen eine wichtige Rolle. Um zu einem Erfolgsund Wettbewerbsfaktor zu werden, müssen sie mit der selben Vision und Mission identifiziert werden und eine starke emotionale Bindung zu den Kollegen und zum Unternehmen entwickeln. Einige Beispiele österreichischer Unternehmensvisionen: KWB -Kraft Wärme Biomasse - "Ziel unseres Handelns ist die Herstellung der Ausgewogenheit zwischen der langfristigen Erhaltung der Zufriedenheit unserer MitarbeiterInnen und der ökonomischen Gesundheit unseres Unternehmens " Hofmeister, Baumeister GmbH & Co KG - „Unsere Stärke ist der/die einzelne Mitarbeiter/in und das gemeinsame gezielte Handeln. Sie prägen die hohe Qualität unserer Dienstleistung/unseres Produktes. Im Mittelpunkt stehen kompetente, verantwortungsbewusste und unternehmerisch denkende und handelnde MitarbeiterInnen – und nicht mehr der Geschäftsführer.“ Um diesem Prinzip zu folgen, muss man die Unternehmensstrategie mit der Entwicklung des Human Ressource Konzeptes verbinden. 30 Verknüpfung von Strategie und Personalentwicklung Ein gutes Beispiel dieser speziellen Praxis ist die o. g. Hofmeister, Baumeister GmbH. a) Personalentwicklung Die Firma Hofmeister hat sich von der punktuellen Personalentwicklung abgewandt und eine systematische, strategische Vorgehensweise eingeschlagen. Folgende Punkte sind die Basis für diese systematische Personalentwicklung: • • • • Orientierung an den Unternehmenszielen und dem Leitbild Organisationsentwicklung im Sinne einer „lernenden Organisation“ Partizipativer Führungsstil mit Offenheit für konstruktive Kritik Betonung der Teamarbeit innerhalb einer hierarchisch flachen Organisationsstruktur Die Firma Hofmeister betreibt eine bewusste und gezielte Weiterentwicklung der Organisation im Sinne einer ständigen Verbesserung der Prozesse. Unter Personalentwicklung wird nicht mehr nur Weiterbildung verstanden, sondern auch die Organisation wird miteinbezogen. Die Umwelt beziehungsweise der Markt beeinflusst das Leitbild, die Unternehmensziele und die Unternehmensstrategie. Diese wiederum wirken sich auf die Bereiche Organisation und Personal aus. Beide Bereiche müssen im Unternehmen in Einklang gebracht werden. Aufgabe der Personalentwicklung ist es, für alle MitarbeiterInnen des Unternehmens interne Informations- und Kommunikationsflüsse zu verbessern. Dieses Vorhaben gelingt jedoch nur, wenn die Organisationsstruktur entsprechend angepasst wird. Die strategische Personalentwicklung ist auf das Leitbild sowie auf die Unternehmensziele abgestimmt und an den individuellen Möglichkeiten und Interessen der MitarbeiterInnen ausgerichtet. Auf diese Weise ist die strategische 31 Personalentwicklung der Firma Hofmeister auf die konsequente und geplante Weiterentwicklung aller MitarbeiterInnen ausgerichtet. Die Umsetzung der strategischen Personalentwicklung orientiert sich an folgenden Punkten: 1) Leitbild: Ein Leitbild ist zu entwickeln. In diesem spiegeln sich die Unternehmensziele und die Unternehmensstrategie wider. 2) Ein Personal- und Organisationsentwicklungskonzept wird geplant. 3) Im dritten Schritt werden abgestimmt auf das Konzept die Anforderungsprofile aller Berufsgruppen im Unternehmen erstellt. 4) Darauf abgestimmt ist als nächstes das Ausbildungsprogramm festzulegen. Ein entsprechender Zeitplan muss für die konsequente Umsetzung des Ausbildungsprogramms sorgen. 5) Im fünften Schritt werden die MitarbeiterInnen über das geplante Weiterbildungskonzept vorinformiert. 6) Anschließend findet intern die Projektpräsentation statt. 7) Im siebenten Schritt ist der Entwicklungs- und Weiterbildungsbedarf aller MitarbeiterInnen durch MitarbeiterInnengespräche zu erheben. 8) Diese sind in Folge auszuwerten und entsprechend zu interpretieren. In einem weiteren MitarbeiterInnengespräch findet dann konkret eine Vereinbarung über die künftige Weiterentwicklung der Mit- arbeiterInnen statt. 9) Schließlich wird ein Zeitpunkt festgelegt, ab dem die Weiterbildungsmaßnahmen zu laufen beginnen. 10) Als weiteren zentralen Schritt gilt es die Transferunterstützung zu fördern. Die MitarbeiterInnen müssen die Möglichkeit haben, bei Umsetzungsproblemen des Gelernten, die nötige Hilfe von Kollegen zu bekommen. Es gilt auch die Sinnhaftigkeit der Weiterbildungsmaßnahme zu hinterfragen. 32 b) Strategische Organisationsentwicklung Wichtig ist neben einer strategieorientierten Personalentwicklung auch die Entwicklung einer strategischen Organisationsentwicklung. Diese wird in der Firma Hofmeister wiederum in zehn Punkten umgesetzt: Die Punkte eins bis sechs entsprechen jenen der strategischen Personaentwicklung. 7) Die Installation von bereichsübergreifenden Projektgruppen dient zur Umsetzung folgender Aufgaben: Entwickeln von Prozessen, Ver- besserung der Transparenz in der internen Information; Verbesserung der Besprechungskultur intern. 8) Als achtes wird das Ziel gesetzt ein bedarfsgerechtes Wissens managementsystem zu implementieren. Der Kauf und die Nutzung von Fachbüchern, Fachzeitschriften und die Weiterbildung sollen optimiert werden. 9) Ausbau des Wissensmanagementsystems: Internetadressen, Projekt- und Projektanalysedaten sowie Stammkundendaten sollen effizient verwaltet und rasch zugänglich gemacht werden. 10) In der Organisationsentwicklung ist ebenfalls auf eine ständige Evaluierung zu achten. Die Abstimmung auf Unternehmensziel und Reflexion der Maßnahmen sind unabdingbarer Bestandteil der lernenden Organisation. 3.2. Integration neuer Mitarbeiter in das Unternehmen Ein wichtiger Schritt im Personalentwicklungskonzept ist die Integration neuer MitarbeiterInnen. Dies muss durch Lernen am Arbeitsplatz geschehen. 33 Wenn ein neuer Mitarbeiter eingestellt wird und seine/ihre Arbeit in einem Unternehmen beginnt, muss er /sie in die Unternehmenskultur wie auch in den mit seiner/ihrer Arbeit einhergehenden Prozess integriert werden. Sein/ihr direkter Vorgesetzter, abhängig von der Unternehmensstruktur kann dies der Abteilungsleiter oder einfach der für den Mitarbeiter Verantwortliche sein, muss: • das neue Teammitglied begrüßen und ihm/ihr den neuen Arbeitsplatz, den Arbeitsinhalt und die neuen Kollegen mit den entsprechenden Aufgaben und der Beziehung zu seinen/ihren eigenen Aufgaben vorstellen; • eine Führung durch das Unternehmen, um die verschiedenen Bereiche/Abteilungen des Unternehmens und die entsprechenden Mitarbeiter zusammen mit einem Überblick ihrer Aufgaben vorzustellen; • mit dem neuen Mitarbeiter die notwendigen Voraussetzungen zur Arbeitsdurchführung durchsprechen und sie mit dessen Profil vergleichen, um einen entsprechenden Weiterbildungs-/Lernplan zu vereinbaren. Dieser Plan kann bevor der Mitarbeiter anfängt entsprechend seines Lebenslaufs und der Charakteristik der Arbeit erstellt werden oder mit dem Mitarbeiter selbst, wenn er anfängt. In jedem Fall soll er entsprechend der Arbeit und der persönlichen Erfordernisse individualisiert werden. Ein gutes Beispiel gibt die Kraft & Wärme aus Biomasse GmbH – KWB in Österreich. In diesem Unternehmen werden die Schritte durch den Abteilungsleiter des neuen Mitarbeiters durchgeführt, der: - vor dem ersten Arbeitstag des neuen Mitarbeiters einen Einführungsplan für ihn/sie erstellt - ihn/sie begrüßt - ihr/im den Arbeitsplatz und die Kollegen vorstellt 34 - eine Betriebsführung durch die übrigen Abteilungen macht und ihm die entsprechenden Mitarbeiter und Prozesse vorstellt - den Einführungsplan mit dem Mitarbeiter besprechen und ihm/ihr die Möglichkeit geben, einige Zeit in anderen Abteilungen zu verbringen, um den Arbeitsprozess im Unternehmen als ein Ganzes besser zu verstehen. So bekommt jemand, der für gewöhnlich im Büro arbeitet, die Möglichkeit mit den Monteuren einige Tage zu verbringen, um die Arbeitsschritte von der Entwicklung bis zur Montage der Heizanlagen nachzuvollziehen. Folgende Schritte müssen je nach Erfordernis und Stelle innerhalb der Durchführung des Einführungsplan abgehandelt werden: - Einführung in die EDV im Haus durch den EDV-Beauftragten oder den Abteilungsleiter - Einführung in die Möglichkeiten, seinen Arbeitsplatz zu gestalten (Räum lichkeiten, Telefonanlage, Umkleidemöglichkeiten, etc.) sowie Einweisung in hausinterne Infrastruktur: - Einführung ins Qualitätsmanagementsystem - Einführung in die firmeninternen Prozessläufe Stellenspezifische Schulungsinhalte sind ebenso eine ergänzende Maßnahme, die für jede Stelle individuell geplant werden. 35 3.3. KMU als Lernende Organisationen Eine Lernende Organisation ist die, die ihrem Personal alle Möglichkeiten gibt, sich selbst persönlich und/oder beruflich zu entwickeln und ihre Teilnahme am Unternehmensleben (Verbesserungsvorschläge, neue Organisation, etc.) zu erhöhen, um ein Wachsen/eine Vervielfältigung des Lernprozesses zu generieren, der Menschen und Unternehmen integriert. Ein gutes Beispiel für diese Art Strategie, in welcher eine enge Verbindung zwischen lernen und arbeiten besteht, ist die ADLER Apotheke. Dieses Unternehmen hat die Einführung eines Pilotprojektes, das auf die Entwicklung einer Lernenden Organisation abzielt, 1990 begonnen. In der Pilotphase wurden 4 Lernkreise installiert, die mittlerweile auf 9 Lernkreise angewachsen sind. Jede der Gruppen besteht grundsätzlich aus 3 Mitarbeitern, die sich intensiv mit Aufgabengebieten wie den folgenden beschäftigen: • Moderne Mitarbeiterführung • Kundenorientierung und Kundenbindung • Interne Kommunikation • Methoden des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses • Umsetzung des Lehrlingsausbildungsprogrammes • Teamentwicklung • EDV/Software Es gibt einen Steuerkreis, in der die Führungsebene vertreten ist, und welcher die Lernkreise berät. Einmal im Monat findet eine Sitzung im Betrieb statt, in welchem die Aktivitäten aller Lernkreise berichtet werden. Auf diese Weise wird der Wissenstransfer unter dem gesamten Personal ermöglicht. In den Lernkreisen selbst wird schließlich das Neue geübt und gemeinsam in einem „learning-by-doing“-Prozess umgesetzt. Die Geschäftsführung der Adler Apotheke ist um eine ständige Verbesserung der Unternehmenssituation bemüht. Die genutzten Informationsquellen sind: die 36 Quartalsberichte, die Lieferantenreklamationen, Kundenrückmeldungen und andere. Der dafür verantwortliche Lernkreis muss die Analyse dieser Informationen in der Sitzung präsentieren. Alle Mitarbeiter des Unternehmens haben die Aufgabe, Verbesserungsvorschläge einzubringen. Die Vorschläge können erfolgen durch: • die monatlichen Betriebsversammlungen • ein für diesen Zweck entwickeltes Instrument – Das „Ideenblatt“ Jene Verbesserungsvorschläge, die in den Verbesserungsaktivitätenplan aufgenommen worden sind, werden mit einem Zieltermin versehen. Von den Verantwortlichen sind die erforderlichen Umsetzungsschritte durchzuführen und im Formular „Darstellung der Verbesserungsmaßnahme“ zu dokumentieren. Die erzielten Ergebnisse werden in einer Betriebsversammlung präsentiert und in die jeweiligen Tätigkeitsbeschreibungen und Prozessinstruktionen übertragen. Die Überprüfung der Maßnahme wird von einem Prozessverantwortlichen durchgeführt und dokumentiert. Erst dann ist die Maßnahme als abgeschlossen zu betrachten. 3.4. Einige Beispiele von Maßnahmen des Lernens am Arbeitsplatz – Neue Lernmethoden Hier finden sich Maßnahmen wie das Training am Arbeitsplatz oder die Nutzung von Lernunterstützung durch Multimedia, wie im vorhergehenden Kapitel beschrieben. Wir werden Beispiele österreichischer und portugiesischer Unternehmen vorstellen. Fa. Eloxal Heuberger (Österreich) In diesem Unternehmen werden Weiterbildungsmodule von insgesamt 2 Stunden pro Woche so verteilt, dass es allen Mitarbeitern möglich ist (die Arbeitszeit ist in Schichten und Teams organisiert) mindestens einmal im Monat teilzunehmen. 37 Die Themen sind: Umweltschutzmaßnahmen, Sicherheit am Arbeitsplatz oder andere fachspezifische Themen. Trainer ist der Geschäftsführer. Als didaktische Materialien werden Flip Charts genutzt. Diese geschriebenen Materialien werden fotografiert und in einem Ordner in der Nähe des Arbeitsplatzes untergebracht. In diesem Unterne hmen wurde zusammen mit fünf ausländischen Firmen ein interaktives Lernprogramm, basierend auf CD-ROMs, entwickelt. Dieses beinhaltet die Oberflächenbehandlung von Aluminium. Es erlaubt allen Mitarbeitern der sechs Betriebe Zugriff zu dem Lernmaterial. Es soll über den Server der örtlichen Universität für Studenten genutzt werden können. FUSAG (Portugal) Ein Unternehmen des Stahlsektors in Portugal identifizierte ein Problem darin, die Anwendung der Gesundheits- und Sicherheitsregeln durch die jeweiligen Maschinenbediener sicherzustellen. Ein Weiterbildungsanbieter des Sektors kooperierte mit dem Unternehmen, um die Quelle des Problems zu identifizieren und die entsprechende Lösung einzuführen. Es war eindeutig mit einem Mangel an Integration der Arbeit der verschiedenen Bediener verbunden. Als Schema wurde verfolgt, Weiterbildung am Arbeitsplatz für mindestens 2 Stunden am Tag anzubieten, insgesamt 30 Stunden, für jede Schicht von Bedienern. Der Inhalt liegt in der Begleitung des Produktionsprozesses, aufkommende Probleme zu entdecken und zu korrigieren. Am Ende jeder Schicht wird ein Treffen aller Bediener abgehalten, um die Probleme und entsprechenden Lösungen zu diskutieren. Auch das Konzept des “internen Kunden” wird anerkannt. Fa. Winkelbauer (Österreich) In diesem Unternehmen gibt es eine eigene Methode, Probleme bezüglich der Nutzung von IT zu lösen. Sie wird “Tipps und Tricks” genannt. Jeder Mitarbeiter hat die Möglichkeit in einer Veranstaltung zwei Stunden lang mit einem Fragenkatalog seine EDV-Probleme mit dem Fachmann zu besprechen und vor Ort zu lösen. Es wird ein Protokoll über die Veranstaltung geführt und Probleme 38 und Lösungen schriftlich festgehalten. Diese Protokolle dienen jedem Mitarbeiter bei zukünftigen Problemen als Nachschlagewerk. Fa. Fiegl and Spielberg (Österreich) Dieses Unternehmen ist eine Partnerschaft mit 4 Herstellerunternehmen eingegangen. Die Mitarbeiter werden von jedem dieser Zulieferer auf dem entsprechenden technischen Gebiet geschult: Automatisierung von Lichtsteuerungsanlagen, Alarmanlagen oder Wasserversorgungsanlagen. Jedes Jahr wird mindestens ein "trouble shooting meeting" mit jedem Zulieferer abgehalten. Der Hersteller hat die Möglichkeit Verbesserungsvorschläge für seine Produkte aufzugreifen. Im Gegenzug stellt der Hersteller Produktinnovation vor, die den Impuls zu weiteren Schulungsmaßnahmen liefern. 39 4 : Fallstudien In diesem Kapitel versuchen wir, Beispiele konkreter Fälle zu geben. Diese Fälle sind normalerweise die größerer Unternehmen, da es ziemlich schwierig ist, Beispiele von KMUs zu finden, die eine Vielfalt von Aspekten des Lernens am Arbeitsplatz integrieren. Da es von Interesse erscheint, diese verschiedenen integrierten Ansätze zu zeigen, in welchen auch einige Teile ein Beispiel für KMU bieten können, wurde entschieden, einige repräsentative Beispiele großer Unternehmen zu sammeln, in welchen es möglich ist, verschiedene Modelle des Lernens am Arbeitsplatz wiederzuerkennen. Fall 1: MERCEDES, Gaggenau Die Mercedes Gruppe hat in Gaggenau eine der wichtigsten Berufsbildungszentren. Im Laufe der letzten Jahre hat sich die Unternehmens gruppe um die besten Lernbedingungen bemüht, um den unterschiedlichen Ansprüchen durch Inhalte und Art der Vermittlung von Fähigkeiten und Wissen gerecht zu werden. Die Entwicklung des beruflichen Weiterbildungskonzepts betraf bezüglich der Lernbedürfnisse ebenso den Ort, an welchem der Lernprozess stattfindet. Die Lernorte wurden entsprechend der unterschiedlichen Bedürfnisse in pädagogischer, technischer oder sozialer Hinsicht ausgewählt: Gelernt wurde entweder im Berufsbildungszentrum, in den Produktionseinheiten oder an beiden Orten. Insgesamt wurden 5 verschiedene dezentrale Lernorte identifiziert. Diese verschiedenen Orte wurden in Netzwerken kombiniert, um ein zusammenhängendes Lernsystem zu erhalten. Das bedeutet, dass jeder der Lernorte mit den anderen kooperierte. Es ist ebenso wichtig, zu erwähnen, dass die existierende Literatur, die diese Orte charakterisiert, sich hauptsächlich auf die berufliche Erstausbildung bezieht, 40 genauer gesagt das Ausbildungssystem. In diesem System vollzieht sich der Lernprozess entweder in einer beruflichen Schule oder im Unternehmen selbst. Lokalisiert man die verschiedenen Lernorte innerhalb des Unternehmens (Bittmann/Novak), findet man: Unternehmen Zentraler Lernort Dezentraler Lernort • Weiterbildungsworkshop • Betriebseinsätze • Technischer Bereich • Lerninseln • Praktischer Workshop Der Weiterbildungsworkshop ist vollständig als pädagogischer Workshop ausgerichtet, um den Wissenserwerb zu unterstützen. Der technische Bereich ist mit den notwendigen Maschinen ausgestattet, um das praktische Lernen außerhalb der Produktion zu unterstützen. Der Praktische Workshop schließlich ist ein Workshop, in dem in kleinem Umfang und nur für interne Kunden wirkliche Arbeit verrichtet wird. Was die dezentralen Lernorte, also die Produktion selbst, betrifft, findet der Lernprozess am Arbeitsplatz statt. Im ersten Fall werden einige Arbeitsplätze als Beispiele ausgewählt, und die Mitarbeiter dort sind die Tutoren oder Coaches. Die Lerninseln sind ebenso Arbeitsplätze, doch sie werden als Vorreiter für Lernen, Entwicklung und Experiment genutzt. Das bedeutet, dass sie die Rolle eines Versuchslabors für neue Entwicklungen im technischen oder im organisatorischen Bereich spielen. 41 Fall 2: NUMMI - New United Motor Manufacturing Inc., California (USA) Teamarbeit und Teamlernen Das Unternehmen ist ein Joint Venture zwischen Toyota und General Motors, das seit 1984 existiert. Die Organisations - und Produktionsentwicklung liegt in der Verantwortung von Toyota. Es hat ca. 4500 Mitarbeiter und ist eine Fabrik, die Automobile montiert. 1992 wurden 260.000 Automobile von Toyota Corolla, Chevrolet und Toyota LKW produziert. Die Montage eines LKWs dauert rund 5 Stunden, trotz 2100 verschiedener Teile entlang einer 5 Meilen langen Produktionslinie. Die Arbeitsorganisation bei NUMMI basiert im wesentlichen auf Teams und Arbeitsgruppen. Jedes Team besteht normalerweise aus 6 Mitarbeitern und in jeder Gruppe gibt es bis zu 6 Teams. Dies repräsentiert 170 Gruppenleiter und mehr als 600 Teamleiter. Diese Leiter werden nicht auf Zeitbasis gewählt, sondern durch das Management nach einem Beratungsprozess ernannt. Die Gewerkschaften haben zudem ein Recht, die Ernennung zu bestätigen oder nicht. Die Teams sind unter anderem für Themen in Verbindung mit der Produktion, der Qualität, Sicherheit und Weiterbildung verantwortlich. In letzterem Gebiet gibt es Verhandlungen mit den Abteilungen und den Gruppenleitern. Einer der Selbstverantwortungsbereiche der Teamarbeit ist die Qualitätskontrolle und die Qualitätssicherung. konfigurationen, die mit Es gibt einige Qualitätssensoren Maschinen und anderen und System- mechanischen Kontrollen ausgestattet sind. Das Personal macht ständige Qualitätskontrollen durch Beobachtung oder den Computer. Es gibt ein Signalsystem, das die Qualitätsminderung anzeigt, was auch die Probleme sind, die in den Arbeitsteams besprochen werden. Das “KAIZEN” System, der sogenannte KVP kontinuierliche Verbesserungsprozess – und andere problemlösende Methoden 42 werden von den Teams genutzt. Um jedem Mitglied des Teams die notwendigen Kompetenzen zu geben, um an den Verfahren teilzunehmen, gibt es einige Lernschemata, normalerweise “On the job” Teamlernen. Die Teamarbeit folgt dem Prinzip “standardisierter Arbeit”, was bedeutet, dass jede Arbeitsaufgabe, wie auch die entsprechende Abfolge und der Kontext, detailliert beschrieben wird, um optimale Effi zienz und Qualität jedes Mitarbeiters in der Produktionskette zu erzielen. Diese Optimierung erfolgt in Relation mit jedem Arbeitsplatz im Produktionsprozess durch das Team als Teil des KVP – Das standardisierte Arbeitsblatt. Jedes Teammitglied muss für diese standardisierte Arbeit qualifiziert werden. Da es keine Ingenieurabteilung gibt, muss jedes Team fähig sein, einen kontinuierlichen Selbst-Rationalisierungs-Plan einzuführen (das so genannte „Management by Stress“). In einer ersten Einschätzung dieser Teamarbeit und des Teamlernens ist es möglich, zu erkennen, dass der Kern der Innovationen in der Fabrik nicht in der IT-Rationalisierung, sondern in einer anderen Nutzung der menschlichen Ressourcen in einer nach-tayloristischen Arbeitsorganisation liegt. In den Teams/ Gruppen wird ein hoch reguliertes, methodisch durchdachtes und effizientes System für eine ständige Anpassung und Weiterqualifikation erstellt. Die Teamarbeit basiert auf kreativen Arbeitsmethoden (unter anderem Problemlösung, Kaizen), die mit moderner Arbeit und Organisationslerninhalten (Weiterbildung am Arbeitsplatz, Job Rotation, etc) verbunden sind. Die Unterscheidung zwischen Arbeits- und Lernmethoden ist schwierig vorzunehmen, da sogar die Arbeitsmethoden als Lernmethoden genutzt werden. Es ist erwähnenswert, dass es eine deutliche Integration zwischen den Lern- und den Arbeitsprozessen gibt. Es ist ebenso wichtig, zu betonen, dass dieser Lernprozess sehr unternehmensorientiert ist und daher auch im Bezug zu den Produktions- und Wertesystemen des Unternehmens stehen. 43 Unter welchen Bedingungen wird Teamarbeit empfohlen: • Die Mitarbeiter haben einen ähnlichen Qualifikationsstand; • Hoher Rotationsgrad • Verantwortung für eine relativ große Abteilung/ein Gebiet; • Autonomie in Bezug a uf Arbeitsteilung und –planung; • Bezug zu den anderen Strukturen und Prozessen im Unternehmen. Fall 3: Spagl GmbH, Hutthurm Kontinuierlicher Verbesserungsprozess – Mitarbeiter analysieren die Arbeitsabläufe, um Störfaktoren ausfindig zu machen und Verbesserungsmöglichkeiten zu entwickeln. Charakterisierung des Unternehmens: Die Spagl GmbH ist einer der führenden europäischen Hersteller von Bilderrahmenleisten und Bilderrahmen aus Holz. Es ist ein Familienunternehmen mit einer etwa 100jährigen Tradition. Das Unternehmen hat den Sitz in Hutthurm, Bayern und drei Tochterunternehmen in Berlin, Österreich und der Tschechischen Republik und beschäftigt insgesamt 200 Menschen. Das Unternehmen arbeitet stark kundenorientiert: Einzelfertigungen nach Maß werden auch bei kleinen Mengen angeboten. Dabei werden alle Verarbeitungsschritte, vom Materialeinkauf bis zum fertigen Bilderrahmen, im eigenen Hause durchgeführt. Die Produktionsabläufe sind klar gegliedert und in einzelne Abschnitte und Bereiche unterteilt. Bei den Tätigkeiten in den meisten Teilbereichen handelt es sich um einfache Arbeiten, die keine spezielle Fachausbildung voraus setzen. Gefordert ist alle rdings ein hohes Maß an Präzision und Konzentration, vor allem bei der Handbearbeitung. 44 Damit ist die Arbeit besonders für Frauen aus dem ländlichen Umland, die oft über keine Berufsausbildung verfügen, attraktiv. Sie wurden für die jeweils spezifischen Tätigkeiten angelernt. Die Mitarbeiterinnen verbleiben in der Regel in ihren Arbeitsgruppen und Tätigkeitsbereichen, Änderungen im Tätigkeitsspektrum oder eine Versetzung in einen andere Abteilung fanden zumindest in der Vergangenheit selten statt. In den letzten Jahren wurden schon wegen des auch in diesem Marktsektor zunehmenden Konkurrenzdrucks und dem Zwang zu kostengünstigerer Produktion Produktionsverlagerungen und Veränderungen in den Produktions abläufen vorgenommen. Teile der Fertigung wurden ins Ausland in die Tochterunternehmen verlagert. Am Standort Hutthurm wurden Produktionsschritte zusammengefasst und zum Teil auf neue technische Verfahren umgestellt. Für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kamen damit neue Tätigkeitsinhalte zu, auf die sie sich zum Teil auch wegen einer nicht genügenden fachlichen Qualifikation nur schwer einstellen konnten. Hauptschwierigkeit bei der Umstellung auf die neuen Produktionsverfahren war jedoch die mangelnde Motivation der Mitarbeiter, sich für die Betriebsbelange zu engagieren: Bei einem Gutteil der Beschäftigten, die sich in meist langjähriger Betriebszugehörigkeit eine hohe fachpraktische Kompetenz erworben haben und über breites Erfahrungswissen verfügen, wirkte die Monotonie der Arbeitsaufgaben und das nicht einbezogen sein in Entscheidungsprozesse demotivierend. Einstellungen wie "Hauptsache, die Stückzahl stimmt, die Kundenzufriedenheit ist nicht so wichtig" waren vorherrschend. Um dem entgegen zu wirken, sollen daher die Beschäftigten künftig stärker in Veränderungsprozesse eingebunden werden. Anders als in der Vergangenheit sollen Analyse von Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten nicht als Top-down-Prozess vonstatten gehen. Vielmehr sollen das Handlungswissen und die Erfahrungen der Mitarbeiter genutzt werden und diese zu Akteuren im Verbesserungsprozess gemacht werden. 45 Das Unternehmensprojekt Das Hauptziel des Unternehmensprojektes war es, die Produktionsprozesse zu optimieren. Angesichts dieser Firmenüberlegungen sollten die Mita rbeiter und Mitarbeiterinnen jeweils in ihren Bereichen Arbeitsprozesse kritisch hinterfragen, Schwachstellen (hinsichtlich des Produktionsablaufs, aber auch in Bezug auf die Wirkung nach außen, beim Kunden) herausfinden und Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen. Es wurde erkannt, dass es hierzu notwendig ist, die Mitarbeiter an dies „neue Verantwortlichkeit heranzuführen. Der Lern- und Entwicklungsprozess im Betrieb Ø Vorinformation der Mitarbeiter Das Projekt startete in einer der Abteilungen. Im Vorfeld wurden die Mitarbeiter der Abteilung eingeladen, um sich, bevor sie sich für die Teilnahme an dem Modellversuch entscheiden, über das Lernkonzept und den geplanten Ablauf zu informieren. Für die Beschäftigten war es etwas Neues: „Lernen“ als Reflexion der Arbeitsprozesse und der Lerngelegenheiten im Arbeitsumfeld, um die zur Verfügung stehenden Ressourcen für den eigenen Lern- und Entwicklungsprozess bewusst nutzen zu können. Trotz gewisser Vorbehalte, haben beinahe alle entschieden, an dem Projekt teilzunehmen. • Festlegen der Projektthemen durch die Analyse der Arbeits(platz)situation Um Veränderungen, die sich im Betrieb / in der Abteilung in den zurück liegenden Monaten ergeben hatten, und deren Konsequenzen für das Unternehmen zu diskutieren wurden moderierte Workshops organisiert. Als Leitlinien für die Reflektion/Diskussion wurde ein Fragenkatalog vorbereitet (Was hat sich verändert? Was ist leichter/schwieriger geworden?...). Dadurch sollen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihr Arbeitsumfeld und der Zusammenhang mit vor- und nachgelagerten sowie die Entwicklungen im 46 gesamten Unternehmen bewusst werden. Die daraus erwachsenden Anforderungen an die Qualifikation und Arbeitspraxis wurden deutlicher. Es zeigte sich, dass die Beschäftigten eine sehr sichere Einschätzung hinsichtlich der veränderten Marktbedingungen haben: Als bedeutendste Entwicklung wurde die zunehmende Anspruchshaltung der Kunden benannt (gleichbleibende Qualität der gelieferten Produkte, Zuverlässigkeit und Termintreue). Eine systematische Problemanalyse durch die Gruppe mit einer Bewertung der identifizierten führte zur Definition eines konkreten Lern- und Arbeitsprojekts Die grundlegenden Ziele, welche die Unternehmensziele – Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch kostengünstige Produktion – berücksichtigten, wurden in den weiteren Workshops fortlaufend analysiert: → Produktionsprozessoptimierung durch Identifizierung und Eliminierung überflüssig gewordener Arbeitsschritte; → Produktionsprozessoptimierung durch die Beseitigung von Qualitätsproblemen. → Reflexion der Aktionsmöglichkeiten: Erstellen eines Aktionsplans Die Teilnehmer der Pilotgruppe organisierten regelmäßige Gruppensitzungen, auf denen die Problemsituationen jeweils genauer beleuchtet werden sollten und entsprechende Aktionen festgelegt wurden. Bezüglich der Arbeitsplan- optimierung sollten alle Arbeitsabläufe begutachtet und auf ihre (noch) Sinnhaftigkeit überprüft werden. In die Ursachenforschung sollten alle Mitarbeiter einbezogen werden: Ideen zur Sicherung der Qualität sollten gesammelt und systematisiert werden. • Erste Erfahrungen mit der Umsetzung 47 Eine wichtige Erkenntnis aus der ersten selbstorganisierten Lernphase war, dass realistische Teilziele gesteckt werden müssen, die von den Mitarbeitern in der zur Verfügung stehenden Zeit und im Rahmen ihrer Kompetenzen auch realisiert werden können. Gemeinsam wurde daher der Aktionsplan überarbeitet und in „kleine Schritte“ zerlegt, die der Reihe nach angegangen wurden. Arbeitsplanoptimierung: Um durch Umorganisation und/oder neue Produktionsverfahren überflüssig gewordenen Arbeitsschritte herausfinden und eliminieren zu können wurden Arbeitspapiere von den Mitarbeitern durchgesehen und, wenn notwendig, geändert. Sich daraus ergebende neue Arbeitsschritte wurden beschrieben und in das PPS (Produktionsplanungssystem) eingegeben. Auch die für die Beschreibung der Abläufe verwendeten Arbeitskarten wurden überprüft und gegebenenfalls eliminiert. Die vorgenommenen Veränderungen wurden in einem nächsten Schritt vom Projektteam selbstständig einer praktischen Prüfung im Arbeitsalltag unterzogen und, wenn notwendig, weiter überarbeitet. Überprüfung der Materialqualität: Um die Qualität der verwendeten Materialien (in der Hauptsache Blattgold) schon vorab zu testen, ohne aufwändige Bearbeitungsverfahren zu starten, sollen alle, auch kleine Chargen, im Vorfeld stichprobenartig getestet werden. Erst wenn diese Stichproben als gut eingestuft werden, wird das Material zur Bearbeitung frei gegeben. Der Ausschuss wird so wesentlich verringert. Die Zwischenstände der Diskussion in der Pilotgruppe wurde in den moderierten Workshops präsentiert und kritisch hinterfragt. Aus Sicht der TeilnehmerInnen waren diese Reflexionsschleifen für den Fortgang des Projekts notwendig und hilfreich: Die eigenen Ideen wurden überdacht und durch Vorschläge der KollegInnen ergänzt. Durch den Diskussionsprozess selbst und die Moderation eines Bildungsexperten wurden zusätzlich weitere Kompetenzen (Soft Skills), wie 48 z. B. Kommunikations - und Teamfähigkeit, sowie Selbstverantwortung, entwickelt. Gemeinsam wurde überlegt, welche Informations - und Wissensquellen notwendig sind und wie sie genutzt werden können. Diese Informationsquellen können bei Kollegen oder anderen Experten sowie in Dokumenten Arbeitsblättern und Beschreibungen gefunden werden. Da deutlich wurde, dass für manche der neuen Arbeitsabläufe eine gründliche Einarbeitung notwendig ist, wurde dies mit den Vorgesetzten besprochen und entsprechende Maßnahmen vereinbart. Kontinuierliche Bearbeitung der betrieblichen Projektaufgabe Ursachenanalyse: Beeinträchtigungen und mögliche Ursachen - - Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen - Erprobung der Vorschläge im Arbeitsprozess - Bewertung der Ergebnisse (Was hat es bisher gebracht?) - Überarbeitung der Vorschläge - Weitere Tests Selbstevaluation des Projektortgangs in den moderierten Workshops - Selbstreflexion: WelcheEntwicklungsfortschritte wurden gemacht? - Inputs: Diskussion weiteren hilfreichen Fragestellungen (Wer soll einbezogen werden? Wer ist Experte? Wo gibt es Infos? Was müssen wir selber noch lernen? etc.) - Besprechung der jeweils nächsten Schritte - Überlegungen zum Transfer der Erfahrungen Die Resultate Neben den greifbaren Resultaten – deutliche Ausschussreduktion, verbesserte Termintreue und größere Kundenzufriedenheit – ist das wichtigstes Ergebnis des Lern- und Entwicklungsprozess sicherlich die geänderte Einstellung der MitarbeiterInnen zu den ihnen übertragenen (neuen) Arbeitsaufgaben. Dies machen die Aussagen der TeilnehmerInnen am Projekt deutlich: 49 „Von Mal zu Mal ist es besser gegangen. Ich bin selbstbewusster bezüglich meiner Arbeit geworden, ich traue mir mehr zu. Auch, Entscheidungen zu treffen.“ „Jetzt mache ich mehr Sachen, die ich früher nicht gemacht hätte. Ich komme auch mit den anderen besser zurecht.“ „Früher hat man mehr auf die Menge geschaut, auch wenn die Qualität nicht immer gestimmt hat. Jetzt ist das anders.“ Fall 4: Bolta Werke, Diepersdorf Durch Wissensmanagement werden Kollegen mit einem neuen Arbeitssystem vertraut gemacht. Ausgangspunkt für die Lerngruppe bei den Bolta Werke, die hochwertige oberflächenveredelte Kunststoffteile für die Bereiche Automobil, Sanitär und Multimedia produzieren, Lagerverwaltungssystems, war das die die Einführung Mitarbeiter in der eines neuen Galvanikabteilung selbstständig bedienen sollten. Die häufig verkehrten Meldungen hatten Auswirkungen auf das Bestellwesen, die Lagerhaltung und die Produktion. Eine erste Analyse durch die Pilotgruppe führte zu dem Ergebnis: Keiner weiß genau, was zu tun ist, keiner fühlt sich zuständig, Schuldzuweisungen waren an der Tagesordnung. Die Gruppe setzte sich zum Ziel, dass alle KollegInnen lernen, das Buchungssystem richtig zu bedienen. Dazu wurden folgende Arbeitsschritte eingeleitet: - Kollegiale Weitergabe von Wissen und Weitergabe von Dokumentationen über Buchungsvorgänge - Intensive Nachschulung der KollegInnen in der Anwendung des EDVProgramms - Ständige Nachbesserung der Arbeits- und Steckanweisungen 50 Als Indikatoren wurden von der Gruppe Rückgang der Reklamationen durch externe Zulieferer, aber auch der innerbetrieblichen Zurückweisungen zwischen den Abteilungen ausgewählt. Als besonders wichtig wurde jedoch angesehen, dass der Suchaufwand bei Falschbuchungen durch einen besseren Kontakt der KollegInnen geringer wird. Erste Erfahrungen: Durch die bessere Information und Einarbeitung kamen die MitarbeiterInnen besser mit den neuen Verfahren zurecht. Die kollegiale Zusammenarbeit hat die Entwicklung eines Multiplikatorsystems unterstützt, in welchem nicht alle Mitarbeiter gleich intensiv in der Handhabung des Systems geschult werden, sondern Multiplikatoren, die ihre Kenntnisse an die KollegInnen weitergeben, was größere Akzeptanz fand. Als messbares Ergebnis des Lern- und Entwicklungsprozesses kann festgehalten werden: Als Folge drastisch reduzierter Falschbuchungen können Kundenaufträge besser abgearbeitet werden, die Ausschussquote geht fast gegen Null und auch das Vorschlagswesen im Sinne von KVP hat sich wesentlich verbessert. 51 Literatur 1. Dehnbostel, Peter / Holz, Heinz/ Novak, Hermann Neue Lernorte und Lernortkombinationen BIBBW. Bertelsmann Verlag – Bielefeld, 1996 2. Dehnbostel, Peter / Markert, Werner/ Novak, Hermann Hochschultage Berufliche Bildung 1998 Workshop Kieser Verlag Gmbh,1999 3. Severing, Eckard Arbeitspla tznahe Weiterbildung Grundlagen der Weiterbildung /Luchterhand, 1994 4. Dehnbostel, Peter Auf dem Weg zur hochentwickelten Arbeitsorganisation: Organisationslernen, Gruppenlernen, dezentrale Weiterbildung BIBB - Innovative Berufsbildung Konzepte und Personalqualifizierung, März 1997 5. Docherty, Peter/ Nyhan, Barry Human Competence and Business Development Springer-Verlag London Limited, 1997 6. Dehnbostel, Peter / Holz, Heinz/ Novak, Hermann/Schemme, Dorothea Mitten im Arbeitsprozess: Lerninsel BIBB W. Bertelsmann Verlag – Bielefeld, 2001 7. Reglin, Thomas Betriebliche Weiterbildung im Internet Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Projekt CORNELIA BFZgGmbH Bertelsmann Verlag- Bielefeld, 2000 8. Cases 3 and 4 were compiled from the work of Brigitte Geldermann and Dr. Barbara Mohr. 9. Selbständig Lernen im Betrieb, BIBB Modellversuch bfz Bildungsforschung 52 53