Schleicher - Quality and Usability Lab

Transcrição

Schleicher - Quality and Usability Lab
Emotionen, kontinuierliche Selbstbewertung und
psychophysiologische inklusive okulomotorische
Veränderungen
Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades
der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln
nach der Promotionsordnung vom 12.7.2007
vorgelegt von Robert Schleicher, geboren in Düsseldorf am 19.12.1974
Juli 2008
Abgabeversion
In überarbeiteter Version als Buch erschienen:
Schleicher, R. (2009). Emotionen & Peripherpherphysiologie.
Lengerich: Pabst Science Publishers. ISBN 978-3-89967-562-7
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung ....................................................................................................................8
Einleitung ...................................................................................................................................8
Theorie ........................................................................................................................................10
1
Generelle Merkmale von Emotionen .................................................................................11
1.1
Funktion von Emotionen.................................................................................................12
1.2
Abgrenzung von verwandten Konstrukten .....................................................................12
1.2.1.1
Reflex.......................................................................................................................12
1.2.1.2
Affekt........................................................................................................................12
1.2.1.3
Motivation und Motive ..............................................................................................13
1.2.1.4
Stimmung.................................................................................................................13
1.3
Evolutionstheoretische Begründung ..............................................................................14
1.3.1
Annahmen der Evolutionstheorie................................................................................14
1.3.2
Annahmen der Evolutionspsychologie........................................................................15
1.3.3
Bezug zur Emotionspsychologie.................................................................................15
1.3.3.1
1.4
Einschränkung .........................................................................................................16
Zentrale Unterschiede der einzelnen Theorien ..............................................................17
1.4.1
Welche Rolle spielen die körperlichen Veränderungen für eine Emotion?.................17
1.4.2
Was ist mit der subjektiven Empfindung, dem Gefühl? ..............................................18
1.4.3
Welche Bedeutung haben Kognitionen für eine Emotion? .........................................18
1.4.4
Wie lassen sich Emotionen klassifizieren? .................................................................19
1.4.4.1
Zweidimensionales Modell von Valenz und Arousal ...............................................19
1.4.4.2
Gibt es Basisemotionen?.........................................................................................20
2
Neurowissenschaftliche Emotionstheorien........................................................................21
2.1
Rolls................................................................................................................................21
2.1.1
Definition von Emotionen ............................................................................................22
2.1.2
Funktion von Emotionen .............................................................................................23
2.1.3
Neuroanatomische Grundlagen ..................................................................................24
2.1.4
Welche Bedeutung haben Kognitionen und subjektives Erleben für eine Emotion?..25
2.1.5
Welche Rolle spielen die körperlichen Veränderungen? ............................................27
2.1.6
Wie lassen sich Emotionen klassifizieren? .................................................................27
2.1.7
Fazit.............................................................................................................................28
2.2
Panksepp........................................................................................................................29
2.2.1
Definition von Emotionen ............................................................................................29
2.2.2
Funktion von Emotionen .............................................................................................30
2.2.3
Panksepps Basisemotions-Systeme...........................................................................31
2.2.4
Welche Bedeutung haben Kognitionen und subjektives Erleben für eine Emotion?..34
2.2.5
Klassifikation von Emotionen und die Bedeutung körperlicher Veränderungen.........35
2
INHALTSVERZEICHNIS
2.2.6
2.3
Fazit.............................................................................................................................35
Damasio .........................................................................................................................37
2.3.1
Definition von Emotionen ............................................................................................37
2.3.2
Funktion von Emotionen .............................................................................................37
2.3.3
Neuroanatomische Grundlagen ..................................................................................38
2.3.3.1
Auslösung von Primäremotionen.............................................................................38
2.3.3.2
Auslösung von Sekundäremotionen ........................................................................38
2.3.4
Welche Rolle spielen die körperlichen Veränderungen? ............................................39
2.3.5
Was ist mit der subjektiven Empfindung, dem Gefühl? ..............................................40
2.3.6
Welche Bedeutung haben Kognitionen für eine Emotion? .........................................40
2.3.7
Wie lassen sich Emotionen klassifizieren? .................................................................40
2.3.8
Fazit.............................................................................................................................41
2.4
3
Diskussion ......................................................................................................................41
Psychologische Emotionstheorien.....................................................................................44
3.1
Generelle Merkmale von Appraisal-Theorien.................................................................44
3.1.1
3.2
Der Ansatz von Oatley & Johnson-Laird.....................................................................44
Lazarus...........................................................................................................................45
3.2.1
Definition und Funktion von Emotionen ......................................................................48
3.2.2
Welche Rolle spielen die körperlichen Veränderungen? ............................................48
3.2.3
Welche Bedeutung haben Kognitionen und subjektives Erleben für eine Emotion?..49
3.2.4
Wie lassen sich Emotionen klassifizieren? .................................................................49
3.2.5
Fazit.............................................................................................................................50
3.3
Scherer ...........................................................................................................................51
3.3.1
Definition von Emotionen ............................................................................................51
3.3.1.1
Der Bewertungsprozess ..........................................................................................52
3.3.2
Welche Bedeutung haben Kognitionen und subjektives Erleben für eine Emotion?..54
3.3.3
Welche Rolle spielen die körperlichen Veränderungen? ............................................55
3.3.3.1
Neuroanatomische Grundlagen...............................................................................56
3.3.4
Wie lassen sich Emotionen klassifizieren? .................................................................56
3.3.5
Fazit.............................................................................................................................57
3.4
Peripherpsychologisch orientierte Ansätze ....................................................................58
3.4.1
3.4.1.1
3.4.2
Ekman .........................................................................................................................59
Wie lassen sich Emotionen klassifizieren?..............................................................59
Russell.........................................................................................................................60
3.4.2.1
Wie lassen sich Emotionen klassifizieren?..............................................................61
3.4.2.2
Welche Rolle spielen die körperlichen Veränderungen?.........................................62
3.4.3
Bradley & Lang............................................................................................................62
3.4.3.1
Definition und Funktion von Emotionen...................................................................63
3.4.3.2
Klassifikation von Emotionen und die Bedeutung körperlicher Veränderungen .....63
3.4.3.3
Neuroanatomische Grundlagen...............................................................................66
3
INHALTSVERZEICHNIS
3.4.4
3.5
4
Diskussion peripherphysiologisch orientierte Ansätze................................................68
Diskussion Emotionstheorien .........................................................................................69
Emotionen und peripherphysiologische Maße ..................................................................72
4.1
Hautleitfähigkeit..............................................................................................................72
4.1.1
Funktion ......................................................................................................................72
4.1.2
Kennwerte und ihr Bezug zu Emotionen.....................................................................73
4.1.3
Neuroanatomische Grundlagen ..................................................................................73
4.1.3.1
4.1.4
4.2
Bezug zu Emotionssystemen ..................................................................................73
Zusammenfassung......................................................................................................74
Gesichtsmuskelaktivität..................................................................................................75
4.2.1
Kennwerte und ihr Bezug zu Emotionen.....................................................................75
4.2.2
Neuroanatomische Grundlagen ..................................................................................76
4.2.3
Zusammenfassung......................................................................................................77
4.3
Herzaktivität....................................................................................................................78
4.3.1
Kennwerte und ihr Bezug zu Emotionen.....................................................................78
4.3.1.1
Herzrate und Emotionen..........................................................................................78
4.3.1.2
Respiratorische Sinusarrhythmie.............................................................................80
4.3.2
Neuroanatomische Grundlagen ..................................................................................81
4.3.2.1
Die Polyvagale Theorie von Porges ........................................................................81
4.3.2.2
Bezug zu Emotionssystemen ..................................................................................82
4.3.3
4.4
Zusammenfassung......................................................................................................84
Fazit................................................................................................................................84
4.4.1
5
Bildgebende Verfahren und peripherphysiologische Emotionsindikatoren ................85
Augenbewegungen............................................................................................................87
5.1
Blickbewegungen ...........................................................................................................87
5.1.1
Sakkaden ....................................................................................................................88
5.1.1.1
Neuroanatomische Grundlagen...............................................................................88
5.1.1.2
Kennwerte................................................................................................................91
5.2
Lidbewegungen ..............................................................................................................93
5.2.1.1
Neuroanatomische Grundlagen...............................................................................93
5.2.1.2
Kennwerte................................................................................................................94
5.3
Messmethodik ................................................................................................................95
5.3.1
Search Coil..................................................................................................................95
5.3.2
Reflektionsbasierte Verfahren.....................................................................................96
5.3.3
Elektrookulographie ....................................................................................................96
5.4
Bezug zu Emotionssystemen .........................................................................................97
5.4.1
Frontalcortex & Sakkaden...........................................................................................97
5.4.2
Amygdala & Sakkaden................................................................................................98
5.4.2.1
5.4.3
Gesichterbetrachten.................................................................................................98
Cinguläre Cortex & Sakkaden.....................................................................................99
4
INHALTSVERZEICHNIS
5.5
Zusammenfassung.......................................................................................................100
Empirie ......................................................................................................................................102
6
Fragestellung ...................................................................................................................102
6.1
Subjektive Bewertung...................................................................................................102
6.1.1
Kontinuierliche subjektive Bewertung während emotionaler Episoden ....................102
6.1.1.1
EMuJoy ..................................................................................................................103
6.1.2
Filme zur Emotionsinduktion .....................................................................................104
6.1.3
Zweidimensionale subjektive Bewertung – subjektiv erlebte Basisemotionen .........105
6.2
Physiologie ...................................................................................................................105
6.2.1
6.3
7
Entsprechung in Augenbewegungskennwerten .......................................................106
Zusammenfassung Fragestellung................................................................................106
Versuch............................................................................................................................106
7.1
Versuchsteilnehmer......................................................................................................106
7.2
Versuchsaufbau ...........................................................................................................107
7.3
Versuchsablauf.............................................................................................................107
7.3.1
Stimulusmaterial & Reizpräsentation ........................................................................108
7.3.1.1
Trainingsphase I: IAPS-Bilder................................................................................108
7.3.1.2
Trainingsphase II: Musikstücke .............................................................................109
7.3.1.3
Hauptversuch: Filmreize ........................................................................................110
7.3.2
7.4
Versuchsende ...........................................................................................................111
Datenerfassung ............................................................................................................111
7.4.1
Subjektive Bewertungen ...........................................................................................111
7.4.2
Physiologische Parameter ........................................................................................111
7.4.2.1
Hautleitfähigkeit (EDA) ..........................................................................................111
7.4.2.2
Gesichtsmuskelaktivität (EMG)..............................................................................112
7.4.2.3
Herzaktivität (EKG) ................................................................................................112
7.4.2.4
Augenbewegungen (EOG) ....................................................................................112
8
Datenaufbereitung ...........................................................................................................113
8.1
Subjektive Daten ..........................................................................................................113
8.1.1
8.1.1.1
8.1.2
Eingangsfragebogen .................................................................................................114
Befindlichkeitsfragebogen MDBF ..........................................................................115
Nachfragebögen........................................................................................................115
8.1.2.1
Persönlichkeitsfragebogen NEO-FFI .....................................................................116
8.1.2.2
Alexithymiefragebogen TAS-26 .............................................................................116
8.1.3
Emotionsbenennung im Anschluss an Filmclip ........................................................117
8.1.4
Kontinuierliche Selbstbewertung während des Filmclips (EMuJoy) .........................119
8.1.4.1
EMuJoy-Bewertung in Abhängigkeit von Emotionsbenennung im Anschluss ......120
8.1.4.2
EMuJoy-Gesamtmittelwerte gegenüber EMuJoy-Endwerten................................121
8.1.4.3
Individuelle Abweichungen bei der EmuJoy-Bewertung oder Emotionsnennung .122
8.1.5
Zusammenfassung....................................................................................................124
5
INHALTSVERZEICHNIS
8.2
Physiologie ...................................................................................................................126
8.2.1
Hautleitfähigkeit.........................................................................................................128
8.2.2
Gesichtsmuskelaktivität.............................................................................................129
8.2.3
Herzaktivität ..............................................................................................................129
8.3
9
Augenbewegungen ......................................................................................................131
Ergebnisse.......................................................................................................................133
9.1
Kontinuierliche Emotionsbewertung mittels EMuJoy ...................................................134
9.1.1
Unterscheidung der Basisemotionen im zweidimensionalen Raum.........................137
9.1.2
Zusammenfassung....................................................................................................138
9.2
Physiologie ...................................................................................................................138
9.2.1
Hautleitfähigkeit.........................................................................................................139
9.2.2
Gesichtsmuskelaktivität.............................................................................................142
9.2.3
Herzaktivität ..............................................................................................................144
9.3
Augenbewegungen ......................................................................................................148
9.3.1
Sakkaden ..................................................................................................................149
9.3.2
Lidschläge .................................................................................................................152
9.3.3
Selbstbewertung und Physiologie inklusive Augenbewegungskennwerte ...............155
9.4
Auswertung über die Zeit .............................................................................................157
9.4.1
Datenaufbereitung & -auswertung ............................................................................158
9.4.2
EMuJoy .....................................................................................................................161
9.4.3
Hautleitfähigkeit.........................................................................................................163
9.4.4
Gesichtsmuskelaktivität.............................................................................................164
9.4.5
Herzaktivität ..............................................................................................................165
9.4.6
Sakkaden ..................................................................................................................166
9.4.7
Lidschläge .................................................................................................................168
9.4.8
Korrelation aller Parameter .......................................................................................169
9.5
Zusammenfassung.......................................................................................................172
Diskussion .................................................................................................................................174
10 Diskussion der Ergebnisse ..............................................................................................174
10.1 Filmclips, EMuJoy und subjektive Bewertungen ..........................................................174
10.1.1 Filme zur Emotionsinduktion .....................................................................................174
10.1.2 Einsatz von EMuJoy zur kontinuierlichen Filmbewertung.........................................175
10.1.3 Ergebnis der subjektiven Bewertungen ....................................................................176
10.2 Physiologische Veränderungen ...................................................................................177
10.2.1 Hautleitfähigkeit.........................................................................................................177
10.2.2 Gesichtsmuskelaktivität.............................................................................................179
10.2.3 Herzaktivität ..............................................................................................................179
10.3 Unterschiede zwischen einzelnen Emotionen..............................................................181
10.4 Physiologie und Selbstbewertung während des Schauens .........................................182
10.5 Augenbewegungskennwerte ........................................................................................184
6
INHALTSVERZEICHNIS
11 Allgemeine Diskussion ....................................................................................................185
12 Ausblick ...........................................................................................................................190
12.1 Emotionen in der Mensch-Computer-Interaktion .........................................................191
Literaturverzeichnis ...................................................................................................................196
Danksagung ..............................................................................................................................211
Anhang ......................................................................................................................................212
13 Versuchsunterlagen.........................................................................................................212
13.1 Eingangsfragebogen ....................................................................................................212
13.2 Instruktion .....................................................................................................................213
14 Graphiken 10-Sekunden-Fenster: Zielemotion x Geschlecht .........................................215
14.1 EMuJoy-Werte..............................................................................................................215
14.2 Hautleitfähigkeitsniveau EDL (%Baseline-Werte) ........................................................216
14.3 Gesichtsmuskelaktivität (%Baseline-Werte) ................................................................216
14.3.1 corrugator supercilii...................................................................................................216
14.3.2 orbicularis oculi .........................................................................................................217
14.3.3 zygomaticus major ....................................................................................................217
14.4 Herzaktivität (%Baseline-Werte) ..................................................................................218
14.4.1 Herzrate (HR)............................................................................................................218
14.4.2 Inter-Beat-Intervall (IBI).............................................................................................218
14.4.3 Streuung der IBIs (SDNN) ........................................................................................219
14.4.4 Mittlere absolute Differenz sukzessiver IBIs (MSD)..................................................219
14.5 Sakkaden (%Baseline-Aktivität) ...................................................................................220
14.5.1 Intervall......................................................................................................................220
14.5.2 Standardisierte Dauer (stdduration)..........................................................................220
14.5.3 Standardisierte Maximalgeschwindigkeit (stdmaxspeed) .........................................221
14.5.4 Standardiserte (Durchschnitts)Geschwindigkeit (stdspeed) .....................................221
14.6 Lidschläge (%Baseline-Aktivität) ..................................................................................222
14.6.1 Intervall......................................................................................................................222
14.6.2 Standardisierte Gesamtdauer (stdtotaldur)...............................................................222
14.6.3 Standardisierte maximale Schließgeschwindigkeit (stdclmaxspeed) .......................223
14.6.4 Standardisierte durchschnittliche Schließgeschwindigkeit (stdclspeed)...................223
15 Korrelationstabellen.........................................................................................................224
15.1 Auswertung 1 Wert pro VP pro Emotion ......................................................................224
15.2 Auswertung 10-Sekunden-Zeitfenster..........................................................................226
15.3 Auswertung 1 Wert pro VP pro Emotion, EMG herauspartialisiert ..............................227
15.4 Auswertung 10-Sekunden-Zeitfenster, EMG herauspartialisiert..................................228
7
ZUSAMMENFASSUNG
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Zusammenspiel von subjektiver Bewertung und
physiologischen Veränderungen während des Erlebens von Emotionen sowie der Beziehung
von Basisemotionen zu grundlegenden Affektdimensionen. Im ersten Teil wird der aktuelle Wissenstand zum Thema Emotionen, im zweiten Teil eine eigene Studie dargestellt. Dazu wurde
ein Verfahren aus der Musikpsychologie zur kontinuierlichen Bewertung von Musikstücken auf
den Dimensionen Valenz und Erregung für die Präsentation von Filmclips adaptiert. Die eingesetzten Filmclips induzierten die Basisemotionen Freude, Trauer, Ekel, Wut und Angst. An physiologischen Maßen wurden Hautleitfähigkeit, Gesichtsmuskelaktivität, Herzaktivität sowie Augenbewegungen (Sakkaden und Lidschläge) erfasst. Die Auswertung erfolgte sowohl ohne als
auch mit Berücksichtigung des zeitlichen Verlaufs.
Auf subjektiver Ebene ließ sich Trauer aufgrund des niedrigeren Erregungsniveaus von
Ekel, Wut und Angst, sowie Freude aufgrund der Valenzbewertung von allen negativen Emotionen unterscheiden. Auf physiologischer Ebene ermöglichte die Gesichtsmuskelaktivität eine
Unterscheidung von positiven und negativen Emotionen sowie zwischen Ekel und den übrigen
negativen Emotionen Trauer, Wut und Angst. Angst zeichnete sich gegenüber Wut durch einen
verstärkten Anstieg der Hautleitfähigkeit aus. Augenbewegungen wurden in erster Linie durch
den visual load beeinflusst, ähnlich wie die Herzrate bei allen emotionalen Filmreizen gegenüber einer neutralen Bedingung absank. Dabei war ein signifikanter Zusammenhang zwischen
Herzratenverlangsamung und Verlängerung des Lidschlagintervalls festzustellen.
Im Anschluss an die Diskussion der Ergebnisse und ihr Bezug zu anderen aktuellen Studien
in diesem Bereich wird ein Ausblick auf die Anwendung emotionspsychologischer Untersuchungsansätze in der Mensch-Computer-Interaktion gegeben.
Einleitung
Nachdem in der Psychologie seit den Siebzigern menschliches Verhalten und Erleben überwiegend aus einer kognitiven Perspektive betrachtet und erklärt wurde, setzte in den Neunzigern
eine verstärkte Hinwendung zu Emotionen und ihrer Rolle bei psychischen Prozessen ein. Vorreiter waren dabei häufig die erstarkenden Neurowissenschaften, die, unterstützt durch neue
Methoden (bildgebende Verfahren, direkte Stimulation bestimmter Hirnregionen), die Bedeutung affektiver und körperregulatorischer Prozesse an scheinbar 'rationalem' Verhalten erkannten. Der populärste Vertreter dürfte vermutlich Antonio R. Damasio sein, der sich schon mit dem
Titel seines ersten Buches Descartes' Error (Damasio, 1994) gegen eine rein auf den Verstand
abstellende Sicht des Menschen wandte – der Titel bezieht sich auf das Descartes-Zitat 'cogito
ergo sum' ('Ich denke, also bin ich'). Damasios Standpunkt wird in Kapitel 2.3 dargestellt.
Parallel dazu entwickelte sich mit der Evolutionspsychologie (Cosmides & Tooby, 1987) ein
Zweig, der untersuchte, in welchem Ausmaß entwicklungsgeschichtlich bedingte Verhaltensdispositionen auch heute noch wirken. Beide Forschungsrichtungen stützen sich mehr oder weni-
8
EINLEITUNG
ger explizit aufeinander: die Neurowissenschaften gewinnen viele ihrer Erkenntnisse an nichtmenschlichen Säugetieren wie Affen oder Ratten, die aufgrund ihrer Ähnlichkeit in der Gehirnorganisation Rückschlüsse auf die Funktionsweise beim Menschen erlauben sollen. Die Evolutionspsychologie wiederum braucht für ihre Grundannahme, dass menschliche Verhaltensorganisation evolutionär bedingt ist, Entsprechungen bei den nächsten Verwandten des Menschen.
Beide Disziplin haben zahllose wertvolle Erkenntnisse zum Ausmaß nicht-bewusster verhaltenssteuernder Einflüsse geliefert und konnten Antworten auf viele offenen Fragen der Psychologie liefern, etwa für die als Lazarus-Zajonc-Debatte bekannte Diskussion, ob die kognitive
Bewertung einer Situation der Emotion vorausgehe (so Lazarus' Sicht) oder die Emotion sich
vor der bewussten Bewertung einstelle (Zajoncs Position, zur Aufklärung s. Kap 1.3.3). Erklärungsansätze, die psychische Phänomene anhand der zugrunde liegenden physiologischen
Prozesse und neuronaler Aktivität in bestimmten Gehirnregionen aufschlüsseln, bestechen hier
durch ihre Genauigkeit, beschreiben sie doch die Veränderungen direkt am Entstehungsorgan.
Allerdings besteht mitunter die Gefahr, dass durch eine vorrangig biologisch orientierte Perspektive das spezifisch Menschliche einer Emotion, das subjektive Erleben, vernachlässigt wird,
wenn Neurowissenschaftler wie LeDoux oder Rolls diesen Aspekt als nebensächlich abtun
(LeDoux s. Kap. 1.4.2) oder Bewusstsein als nachgeschaltete 'Luxus'funktion des hochentwickelten menschlichen Gehirns beschreiben (Rolls s. Kap. 2.1, insb. Abschnitt 2.1.4). Andere
Sichtweisen, sowohl von Seiten der Neurowissenschaft (Panksepp) als auch der eher kognitiv
orientierten Psychologie ('appraisal'-Theorien) werden im Theorieteil zu Emotionen ebenfalls
dargestellt.
Verglichen mit dem rasanten Fortschritt in den Neurowissenschaften haben sich die Methoden zur Emotionsinduktion beim Menschen und die Messinstrumente zur Untersuchung der
subjektiven Komponente einer Emotion nicht in gleicher Weise weiter entwickelt. Das wohl nach
wie vor am häufigsten eingesetzte Reizmaterial sind die Photographien des International Affective Picture System IAPS (Lang et al., 2005; Lang et al., 1988), das in den Achtzigern entwickelt
wurde, als die Möglichkeit, komplexere Reize (z.B. Filme) zu präsentieren, mit ungleich mehr
Aufwand verbunden war als heute, wo die Stimuli in digitaler Form vorliegen. Filme scheinen
weitaus besser geeignet, spezifische Emotionen wie Wut oder Angst hervorzurufen, als ein
statisches Bild, das über eine grundsätzliche Bewertung als 'angenehm' oder 'unangenehm'
schnell mehrdeutig wird. So ist bei den IAPS-Bildern von Gewaltszenen (Kategorie '6' der Serie
in der 2005er Ausgabe) beispielsweise bisweilen nicht mehr klar, ob sie eher Angst vor dem
Angreifer oder Wut auf ihn auslösen. Für den ursprünglichen Anwendungszweck der Bilder (s.
Kap. 3.4.3) ist dies weniger wichtig, will man unterschiedliche negative Emotionen voneinander
abgrenzen, jedoch schon. Zur eindeutigen Interpretation wäre die Einbettung in eine Vorgeschichte, also eine Entwicklung über die Zeit, wünschenswert. Empfehlungen für validierte
Filmclips liegen vor (Gross & Levenson, 1995; Hagemann et al., 1999; Hewig et al., 2005; Philippot, 1993; Rottenberg et al., 2007; Tomarken et al., 1990), werden allerdings weitaus weniger
eingesetzt.
9
EINLEITUNG
Ähnlich erfolgt die Bewertung des Emotionserlebens auch heute noch zumeist im Anschluss
an die Reizpräsentation, etwa durch die Skalen des Self-Assessment-Mannikin (Bradley &
Lang, 1994). Die Bewertung während der Reizdarbietung geschieht vergleichsweise selten bzw.
wird eher in der Musik- (Nagel et al., 2007) oder Medien- (Kempter & Bente, 2004) als in der
Emotionspsychologie forciert .
Wie im Empirie-Teil erläutert, wird für den vorliegenden Versuch ein solcher Ansatz aus der
Musikpsychologie, EMuJoy (Emotion measurement while listening to Music using a Joystick,
Nagel et al., 2007) aufgegriffen und der Einsatz bei der Darbietung von Filmreizen untersucht.
Neben der subjektiven Bewertung werden dabei Veränderung in den 'klassischen' peripherphysiologischen Maßen der Emotionspsychologie, Hautleitfähigkeit, Gesichtsmuskelaktivität und
Herzschlag erfasst (Pauli & Birbaumer, 2000). Als zusätzliche Variable werden Augenbewegungen (Sakkaden- und spontaner Lidschlag) gemessen, zu deren Veränderungen im Laufe
einer emotionalen Episode vergleichsweise wenig Erkenntnisse vorliegen.
Im Anschluss an die Darstellung der Ergebnisse (Kap. 9, ab S. 133) werden diese im
Diskussionteil besprochen (Kap. 10, ab S.174) sowie die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen über den Versuch hinaus erläutert (Kap. 11, ab S. 185). Zuletzt wird ein Ausblick auf die
seit einiger Zeit zunehmende Anwendung der hier eingesetzten Methoden im Forschungsfeld
der Mensch-Maschine- bzw. Mensch-Computer-Interaktion gegeben (Kap. 12.1, ab S.191).
Theorie
Der erste Teil dieser Arbeit befasst sich mit dem Wissenstand zum Thema Emotionen. Bevor
einzelne theoretische Ansätze dargestellt werden, erfolgt zunächst eine generelle Beschreibung
der Merkmale von Emotionen (Kap. 1), die alle Theorien aufgreifen (etwa den evolutionären
Aspekt, Kap. 1.3) sowie eine Begriffsbestimmung. Dabei wird das Augenmerk auf Fragen gelenkt, die zentral zur Erklärung des Phänomens 'Emotionen' sind und in deren Beantwortung
sich die einzelnen Emotionstheorien unterscheiden (Kap. 1.4).
Daraufhin werden konkrete Emotionstheorien dargestellt, wobei die neurowissenschaftlichen Beschreibungen den Anfang bilden (Kap. 2), da sie zumeist den Anspruch haben, nicht
nur menschliches, sondern auch das affektive Verhalten anderer Säugetiere zu erklären. Die
psychologisch orientierten Theorien (Kap. 3) fokussieren auf Emotionen beim Menschen und
bilden das nächste Kapitel. Sofern sie sich mit körperlichen Veränderungen befassen, sind sie
häufig verstärkt auf spezifische Maße (etwa Gesichtsmuskelaktivität bei Ekman, s. Kap. 3.4.1)
und Versuchsanordnungen (z.B. Bradley & Lang, Kap. 3.4.3) ausgerichtet. Körperliche Veränderungen werden dabei oftmals in der Körperperipherie (gegenüber dem Gehirn als Zentralnervensystem) erfasst, weshalb sie hier als 'peripherphysiologische Signale' bezeichnet werden,
auch wenn der Ursprung dieser Veränderungen ebenfalls das Zentralnervensystem ist.
Im Anschluss an die Darstellung der peripherphysiologisch orientierten Ansätze erfolgt eine
übergreifende Beschreibung der für diesen Versuch relevanten Biosignale und ihr Bezug zu
Emotionen (Kap. 4). Damit wird übergeleitet zu den Augenbewegungen (Kap. 5), die nicht mehr
10
GENERELLE MERKMALE VON EMOTIONEN – 1.1 FUNKTION VON EMOTIONEN
unter den Abschnitt 'Emotionen und peripherphysiologische Maße' gefasst sind, da der Kenntnisstand zu Augenbewegungen weitaus umfangreicher ist als beispielsweise zur Hautleitfähigkeit, und der Seh-Sinn als wichtigste menschlichen Sinnesmodalität zahlreichen anderen psycho- und physiologischen Einflüssen über Emotionen hinaus unterliegt.
1 Generelle Merkmale von Emotionen
Folgende Merkmale einer Emotion führen alle Emotionstheorien auf, sie unterscheiden sich
allerdings darin, welche Bedeutung sie einem Aspekt beimaßen und in wieweit es sich dabei
um die Ursache bzw. die Konsequenz einer Emotion handeln soll:
• Relevanz des auslösenden Ereignisses: Dem einer Emotion zugrunde liegenden Ereignis
wird vom Organismus eine wertende Bedeutung zugeschrieben, die - ganz allgemein gesprochen - angibt, ob es das Wohlbefinden fördert oder verringert. Diesbezüglich neutrale
Ereignisse lösen keine Emotionen aus. Wichtig ist dabei, dass die Beurteilung nicht objektiv
zutreffen muss, sondern es sich hierbei um eine eventuell unbewusste, vorläufige Einschätzung handelt, die sich im Zuge weiterer Informationsverarbeitung durchaus verändern kann.
'Ereignis' umfasst neben Reizen aus der Umwelt auch körperliche Veränderungen und Kognitionen, z.B. Vorstellungen oder Erinnerungen. Die subjektive 'Wertigkeit' eines Ereignisses
als positiv oder negativ für das Wohlbefindenwird den meisten Autoren folgend als Valenz
bezeichnet.
• Physiologische Veränderungen: mit einer Emotion gehen Veränderungen in der Ausschüttung körpereigener Botenstoffe (Neurotransmitter, Hormone, Neuromodulatoren) einher, die eine Änderung von zahlreichen physiologischen Parametern wie Herzschlag, Hautleitfähigkeit oder Muskelaktivität bewirken können.
• Auswirkung auf Verhalten(stendenzen): zentraler Bestandteil einer Emotion ist die Neuausrichtung des Organismus auf die veränderte Situation, was sich in verändertem Verhalten oder Verhaltensintentionen äußern kann. Ob Muskelaktivität, etwa veränderte Körperspannung oder Mimik als physiologische Veränderung oder als Verhalten aufgefasst wird,
hängt häufig von der Meßmethode - Videorating des Gesichtsausdrucks oder Aufzeichnung
eines Elektromyogramms - und dem jeweiligen Forschungsschwerpunkt ab. Die Funktion
veränderter Gesichtsaudrücke im Zuge einer Emotion ist jedoch offensichtlich:
• Soziale/kommunikative Komponente: Emotionsäußerungen in Form von Mimik, Gestik
und Prosodie sind ein sehr schnelles und effektives Kommunikationsmittel. Ihre Bedeutung
wird oft unbewusst und vor dem Verstehen einer gleichzeitigen verbalen Aussage erfasst.
Die soziale Komponente bezieht sich jedoch nicht nur auf den Mitteilungsaspekt einer Emotion, sondern scheint zumindest für komplexe menschliche Emotionen wie Scham oder Neid
notwendiger Bestandteil ihrer Entstehung zu sein (Lazarus, 1991).
11
GENERELLE MERKMALE VON EMOTIONEN – 1.1 FUNKTION VON EMOTIONEN
• Subjektives Empfinden: das bewusste Erleben einer Emotionen, im folgenden als Gefühl
bezeichnet, das Voraussetzung für eine Verbalisierung ist und so auch zu Kognitionen über
dieses Gefühl führen kann: "Ich bin enttäuscht, weil…".
Auf Unterschiede in der Berücksichtigung dieser Bestandteile einer Emotion durch die verschiedenen theoretischen Ansätze wird in Abschnitt 1.4 gesondert eingegangen.
1.1 Funktion von Emotionen
Aus den eben genannten Merkmalen lässt sich die grundsätzliche Funktion von Emotionen
ableiten: Sie dienen dazu, den Organismus auf eine veränderte Situation neu auszurichten,
indem sie körperliche Aktivität, Verhalten oder Verhaltensziele sowie den Aufmerksamkeitsfokus anpassen. Dies beinhaltet gegebenenfalls auch das kognitive System im Sinne von Bewusstsein unter Berücksichtigung des sozialen Umfelds. Ähnliche Eigenschaften werden auch
anderen psychologischen Konstrukten zugeschrieben, weshalb zunächst eine Abgrenzung erfolgt.
1.2 Abgrenzung von verwandten Konstrukten
Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick über mit Emotionen verwandten psychischen oder
verhaltensrelevanten Phänomene. Die Beschreibungen sind allgemein gehalten und berücksichtigen Ausnahmefälle nicht, grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass die Komplexität der
jeweiligen Phänomene im Laufe der Auflistung zunimmt, was sich neuroanatomisch aus einer
vermehrten Beteiligung höherer zentralnervöser Zentren ergibt und auf psychologischer Ebene
mit zunehmender kognitiver Verarbeitung einhergeht. Dazu passt, dass die Auftretensgeschwindigkeit des jeweiligen Phänomens ab und seine Dauer zunimmt.
1.2.1.1 Reflex
Reflexe sind angeborene Verhaltensreaktionen und gelten als einfachstes Reaktionsmuster auf
einen Reiz. Die Reaktion erfolgt unwillkürlich und stereotyp, die Erlebenskomponente beschränkt sich zumeist auf den auslösenden Reiz. Die neuronale Umschaltung vom Rezeptor auf
das Ausführungsorgan, den Effektor, erfolgt im Rückenmark oder Hirnstamm. Hierzu gehört z.B.
der Schreckreflex (engl.: startle response), der schon beim Fötus vorhanden ist.
1.2.1.2 Affekt
Anders als beim Reflex ist beim Affekt die Erlebenskomponente zentral: sie werden als rasche,
unwillkürlich aufkommende Gefühls'wallung' mit gleichzeitiger heftiger körperlicher Erregung
erlebt, die kurzzeitig die Wahrnehmung und Verhaltenskontrolle einschränken können. Auch
wenn die Begriffe Emotion und Affekt oft synonym verwandt werden (z.B. bei Panksepp, s. 2.2,
S.29), so steht beim Affekt doch die Intensität der Erfahrung in Kombination mit der geringeren
Differenziertheit und der mangelnden Kontrollierbarkeit im Vordergrund. In den Beschreibungen
findet sich zudem häufig eine große Nähe zu Basisemotionen, die in 1.4.4.2 erläutert werden
12
GENERELLE MERKMALE VON EMOTIONEN – 1.2 ABGRENZUNG VON VERWANDTEN KONSTRUKTEN
(z.B. Vaas, 2001). Als häufig aktivierte Hirnregionen wären der cinguläre Cortex, das limbische
System und weitere subcortikale Strukturen zu nennen.
1.2.1.3 Motivation und Motive
Insbesondere die Auswirkung auf Verhaltenstendenzen stellt Emotionen in die Nähe zu Motivationen, bei der bestimmte Motive Verhalten lenken. Die klassische Unterscheidung beruhte
darauf, dass Emotionen von äußeren, Motivationen von inneren Reizen hervorgerufen werden
sollen. Im ersten Abschnitt dieses Kapitels (S.10) waren zu den eine Emotion auslösenden Ereignissen aber gerade auch körperinterne Prozesse wie Kognitionen oder Veränderungen des
inneren Milieus gezählt worden, denn neuere neurowissenschaftliche Theorien berufen sich
ausdrücklich auf diese (z.B. Damasio, s. 2.3, S.37). Rolls führt in seinem Buch Emotions
Explained (2005) jeweils ein Kapitel zu Hunger und zu Durst auf und erklärt, die zugrunde liegenden Prinzipien seien für Emotion und Motivation dieselben, wobei Motivation für ihn der
Zustand ist, in dem für eine Belohnung gearbeitet wird, Emotion der, in dem diese Belohnung
erlangt wird.
Buck (2000) versucht, Motivation als Verhaltenspotential und Emotion als Manifestierung
desselben zu differenzieren, was aber ebenfalls nicht befriedigt, da längst nicht jede Emotion
sich als Verhalten äußern muss bzw. das Verhalten sekundär gehemmt werden kann. Zumindest zur Abgrenzung von Emotionen von Trieben wie Hunger, Durst oder Müdigkeit erscheint
ein Festhalten an der klassischen Definition sinnvoll, die von Panksepp so zusammengefasst
wird, dass bei Motivation ein Verhalten dazu dient, ein körperliches Bedürfnis zu befriedigen,
während bei einer Emotion kein solches körperliches Bedürfnis vorliegt (Panksepps, 1998, S.
288). Reisenzein (2005) weist zudem zu recht darauf hin, dass Motive häufig eher Wunsch- und
Emotionen eher Reaktionscharakter haben.
Berücksichtigt man all diese Aspekte, dann muss zu den speziellen Schaltkreisen für einzelne Triebe wie Hunger oder Durst, die im Bereich des Hypothalamus liegen (Carlson, 2001) ,
auch der Nucleus accumbens, das Erwartungs-/Hoffnungszentrum (Galley, 2002) in den Basalganglien genannt werden. Gleichzeitig ist klar, dass cortikale Strukturen ebenfalls starken Anteil
am Entstehen von Motiven haben: hier wäre insbesondere der präfrontale Cortex aufzuführen,
der die zentrale Instanz für Bewerten, Planen und Entscheiden ist. Der orbitofrontale Cortex
codiert dabei den erwarteten Belohnungswert eines Reizes (O'Doherty et al., 2001).
1.2.1.4 Stimmung
Auch Stimmungen beeinflussen das Gefühlsleben eines Menschen, lassen sich aber von Emotionen unterscheiden: während Emotionen immer 'über etwas' sind, es also einen spezifischen
Auslöser gibt, ist dies bei Stimmungen nicht unbedingt der Fall (Bradley & Lang, 2000). In der
Regel sind ihre Auslösebedingungen nicht (mehr) bewusst. Sie gelten als Hintergrundphänomene, die weniger intensiv sind und die Aufmerksamkeit nicht in gleichem Maße beanspruchen
(Abele-Brehm & Gendolla, 2000), dafür aber länger andauern (Scherer, 2000).
13
GENERELLE MERKMALE VON EMOTIONEN – 1.3 EVOLUTIONSTHEORETISCHE BEGRÜNDUNG
1.3 Evolutionstheoretische Begründung
Emotionen gelten als entwicklungsgeschichtlich alter Bestandteil der menschlichen Informationsverarbeitung. Dies lässt sich an folgenden Tatsachen verdeutlichen: Zum einen benennen
neurowissenschaftliche Studien, die sich um die Identifikation der zugehörigen Schaltkreise
bemühen, zumeist Gehirnregionen, die in der Phylogenese des Nervensystems früher entstanden sind als der Cortex, beispielsweise die Amygdala (LeDoux, 1998) oder die periaquäduktale
graue Substanz (PAG) (Panksepp, 2000). Zum anderen verweisen Evolutionsbiologen und
Psychologen gleichermaßen auf die Ähnlichkeit emotionaler Reaktionen bei Menschen, Primaten und anderen Säugern (z.B. Ekman, 2003c). Diese Gemeinsamkeit war auch dem Begründer der Evolutionstheorie, Charles Darwin aufgefallen, weshalb er sich bereits 1872 in seinem
Werk The expression of the emotions in man and animals damit befasste. Der Ansatz der Evolutionstheorie wurde zunächst von der Psychologie aufgegriffen, aber Mitte des 20. Jahrhunderts wieder fallen gelassen. Als mögliche Gründe hierfür sind die teilweise Zirkularität des Instinktkonzeptes (ein Verhalten wird gezeigt, weil es ein Instinkt ist – weil ein Verhalten sich immer wieder zeigt, muss es sich um einen Instinkt handeln) und das Aufkommen des Behaviourismus zu nennen (Meyer, 2002). Auch die kognitive Psychologie mit ihrer Sicht des Menschen
als informationsverarbeitendes System mit teilweise deutlicher Computer-Analogie verzichtete
auf einen expliziten Bezug zur Entwicklungsgeschichte.
Mit Aufkommen der Evolutionspsychologie Ende der Achtziger Jahre wurde jedoch erneut
erkannt, welche wertvollen Hinweise diese Sichtweise auf menschliches Verhalten für die Emotionspsychologie liefern kann (Euler, 2000). Ein Verweis auf die evolutionären Ursprünge ist
heute nahezu allen Emotionstheorien gemeinsam. Im folgenden werden die grundsätzlichen
Annahmen der Evolutionstheorie und -psychologie kurz zusammengefasst, für eine ausführlichere Darstellung sei auf Lehrbücher wie Rossano (2003) verwiesen.
1.3.1 Annahmen der Evolutionstheorie
Die Evolutionslehre beruht auf folgenden allgemeinen Grundsätzen:
• Angeborene Merkmale werden an Nachkommen vererbt.
• Veränderungen innerhalb einer Spezies erfolgen von Generation zu Generation durch Rekombination der Chromosomen und andere genetische Mechanismen, aber nicht durch die
Vererbung gelernter Verhaltensmodifikationen.
• Die vorhandenen Ressourcen zum Überleben und zur Fortpflanzung (Futter, Brutplätze etc.)
sind begrenzt.
• Der an eine Umwelt besser Angepasste kann sich mehr Ressourcen sichern und so seine
Überlebenschancen erhöhen ('survival of the fittest') und mehr Nachkommen zeugen.
• Weniger erfolgreiche Varianten werden verdrängt (natürliche Selektion).
14
GENERELLE MERKMALE VON EMOTIONEN – 1.3 EVOLUTIONSTHEORETISCHE BEGRÜNDUNG
• Zentral ist das Fortbestehen des Gensatzes, nicht des Individuums (inklusive Fitness). Altruismus ist zumindest gegenüber nahen Verwandten durchaus sinnvoll, da ein Organismus mit
ihnen einen beachtlichen Teil seines Gensatzes gemeinsam hat.
1.3.2 Annahmen der Evolutionspsychologie
Aufbauend auf diesen allgemeinen Prinzipien sind für die Emotionsforschung insbesondere
folgende Annahmen der Evolutionspsychologie relevant (Euler, 2000):
• Die Wichtigkeit ultimativer anstatt proximater Erklärungen: nicht die unmittelbare, gegenwartsbezogene Interpretation von Verhalten interessiert, sondern der Blick auf den letztendlichen evolutionären Vorteil.
• Bereichsspezifität: Eigenschaften und Fähigkeiten entwickelten sich, um spezifische Probleme zu lösen; das menschliche Gehirn besteht aus 'Problemlöse'-Modulen.
• Heutiges Verhalten wird durch evolutionär geformte Verhaltenstendenzen maßgeblich mitbestimmt.
• Diese evolutionär geformten Verhaltenstendenzen wirken häufig vor der oder ohne die Beteiligung des bewussten, kognitiven Systems.
1.3.3 Bezug zur Emotionspsychologie
Die allgemeine Funktion von Emotionen war bereits zu Beginn dieses Kapitels beschrieben
worden, zusammenfassend kann gesagt werden, dass Emotionen den Organismus mit schnellen Reaktionsprogrammen für häufig wiederkehrende, überlebensrelevante Situationen ausstatten, durch die Informationsverarbeitung, Verhaltensbereitschaft und Kommunikationsmittel synchron aktiviert werden. Bezüglich der letztendlich ausgeführten Reaktion erlauben sie jedoch
eine wesentlich höhere Flexibilität als z.B. ein Reflex, da es sich bei einer Emotion zunächst nur
um eine Verhaltensbereitschaft handelt.
Die Annahme der Bereichspezifität bzw. der modularen Organisation des menschlichen
Gehirns findet seine Entsprechung in der Bemühung von Neurowissenschaftlern, für einzelne
Emotionen spezifische und distinkte neuronale Schaltkreise zu identifizieren. Zumindest für
Angst scheint dies annähernd gelungen (LeDoux, 1998). Durch detailierte Analyse der ein- und
ausgehenden Verbindungen der Amygdala konnte LeDoux (1998) zudem eine auch als Lazarus-Zajonc-Debatte bekannte Frage aufklären, ob nämlich die kognitive Bewertung einer Situation vorausgehe (so Lazarus' Sicht) oder die Emotion sich vor der bewussten Bewertung einstelle (Zajoncs Position).
Der scheinbare Widerspruch der beiden Sichtweisen lässt sich in erster Linie als ein unterschiedliches Verständnis des Begriffs 'Bewertung' verstehen (Buck, 2000): Für Zajonc bedeutet
Bewertung 'mentale Operationen im Sinne einer kognitiven Verarbeitung', für Lazarus 'primitive
bewertende Wahrnehmung'. LeDoux konnte aufgrund seiner Studien beide Auffassungen bestätigen: Angst beinhaltet schnelle Verarbeitung, assoziiert mit der Amygdala und eine umfas-
15
GENERELLE MERKMALE VON EMOTIONEN – 1.3 EVOLUTIONSTHEORETISCHE BEGRÜNDUNG
sendere, aber langsamere, assoziiert mit dem Neocortex. Ein wahrgenommener Reiz wird über
den Thalamus direkt an die Amygdala weitergeleitet, wo dieser Sinneseindruck unmittelbar als
relativ ungenaue, schablonenartige Repräsentation schon bewertet wird. Dieser Interpretation
folgt eine genauere und detailiertere cortikale Verarbeitung. Ein solcher Verlauf legt nahe, dass
Menschen die emotionale Bedeutung eines Reizes erfassen, bevor sie ihn vollständig repräsentiert haben, wie etwa beim ersten Erschrecken über einen vermeintlich bedrohlichen Schatten,
der sich bei weiterem Hinsehen jedoch als harmlos entpuppt. Nimmt man noch hinzu, dass die
erste, schablonenartige Bewertung sich auf Reizkonstellationen stützt, die sich im Laufe der
menschlichen Entwicklungsgeschichte häufig als bedrohlich erwiesen haben, so lassen sich am
Beispiel des Erschreckens auch die beiden letztgenannten Annahmen der Evolutionspsychologie verdeutlichen, dass nämlich heutiges Verhalten durch evolutionär geformte Verhaltensintentionen mitbestimmt wird und diese Intentionen häufig vor der oder ohne die Beteiligung des
bewussten kognitiven Systems wirken.
1.3.3.1 Einschränkung
Auch wenn der Verweis auf die evolutionären Vorteile von Emotionen eine hohe Augenscheinvalidität hat, soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass bei evolutionstheoretischen Begründungen eine ähnliche Gefahr des Zirkelschlusses besteht wie bei der Annahme von 'angeborenen Instinkten': Ein heutiges Verhalten muss sich im Laufe der Evolution als adaptiv erwiesen
haben, dass es beibehalten wurde. Da es also evolutionär von Vorteil war, tritt es heute noch
auf. Rückschlüsse über die Beschaffenheit der früheren Umwelt, das environment of evolutionary adaptedness, sind einleuchtender Weise immer weitgehend spekulativ und mit etwas Phantasie lassen sich für jede aktuelle Verhaltensdisposition evolutionäre Bedingungen denken,
unter denen sie adaptiv erscheint. Der Neurologe Vilayanur S. Ramachandran schaffte es beispielsweise, mit Verweisen auf die angeblich frühzeitige Erkennbarkeit bestimmter Erkrankungen bei blonden Frauen einen Artikel mit dem Titel Why do gentlemen prefer blondes in der
Zeitschrift Medical Hypotheses zu veröffentlichen (Ramachandran, 1997) und die Spekulationen
bei evolutionspsychologischen Erklärungen zu brandmarken. Eine evolutionstheoretische Herleitung sollte sich demzufolge nicht auf das Entwerfen glaubhafter 'Ur-Szenarien' beschränken,
sondern Belege anbringen, die sich aktuell überprüfen lassen (Rossano, 2003). Eine Möglichkeit wäre das Nachzeichnen eines Entwicklungsverlaufs anhand heute noch vorkommender
Spezies, die als Entwicklungsvorstufen gelten können. Als Beispiel sei auf Porges verwiesen,
der zunächst detailliert nachweist, wie sich die nervöse Kontrolle des Herzens bei den Wirbeltieren von unmyelinisierten Nervensträngen hin zu einem System polyvagaler Kontrolle mit einem
myelinisierten Vagusanteil entwickelt, das durch Hinzunahme eines hemmenden Einflusses
angemessenere Reaktionen ermöglicht als ein ausschließlich erregendes System (Porges,
1997). Dieses System kommt auch bei der Emotionsregulation zum Einsatz (Porges, 2001),
und eine Unterfunktion ist bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten assoziiert (Porges et al.,
1996). Die in dieser Theorie vorgestellten evolutionstheoretischen Begründungen für emotiona-
16
GENERELLE MERKMALE VON EMOTIONEN – 1.4 ZENTRALE UNTERSCHIEDE DER EINZELNEN THEORIEN
le Phänomene werden anhand neuroanatomischer Unterschiede in der Entwicklungsgeschichte
belegt und ihr Einfluss experimentell überprüfbar (zur detailierteren Darstellung im Zusammenhang mit Herzaktivität s. a. 4.3.2.1 S.81).
Aktuelle Emotionstheorien benennen zwar zumeist evolutionäre Vorteile als Ursache für die
Existenz von Emotionen, unterscheiden sich aber im Grad der Differenziertheit, mit der sie ihre
Aussage belegen. Tendenziell werden neurowissenschaftliche Ansätze in diesem Punkt spezifischer als psychologische, was vermutlich auch daran liegt, dass für sie ein enger entwicklungsgeschichtlicher Zusammenhang wünschenswert ist, damit sie ihre häufig an Tieren gewonnenen Erkenntnisse auf den Menschen übertragen können.
1.4 Zentrale Unterschiede der einzelnen Theorien
Im bisherigen Text wurden die Merkmale erläutert, die Emotionen theorieübergreifend zugesprochen werden. Wie sich im letzten Absatz über die evolutionstheoretische Begründung
schon andeutete, gibt es in gleicher Weise Aspekte, auf die die meisten Emotionstheorien eingehen, denen gegenüber sie jedoch unterschiedliche Standpunkte vertreten. Bevor konkrete
Ansätze erläutert werden, soll der Leser auf Fragen aufmerksam gemacht werden, die jede
Theorie zu menschlichen Emotionen beantworten sollte und an deren (Nicht)Beantwortung die
Schwerpunkte sowie die Vor- und Nachteile eines Konzeptes besonders deutlich werden.
1.4.1 Welche Rolle spielen die körperlichen Veränderungen für eine Emotion?
Dass physiologischen Veränderungen mit einer Emotion einhergehen, ist allgemein akzeptiert,
weniger klar ist jedoch, ob eine im Zentralnervensystem (ZNS), dem Gehirn, ausgelöste Emotion zu Veränderung der Herzaktivität, Hautleitfähigkeit u.ä. in der Körperperipherie führt, oder ob
es gerade die körperlichen Veränderungen sind, aus denen eine Emotion entsteht. Aufgrund
des Gegensatzes ZNS-Peripherie wird diese Frage auch als Zentral-Peripher-Debatte bezeichnet, und die Annahme, dass zuerst körperliche Veränderungen später die Emotion auslösen,
häufig als James-Lange-Theorie (James, 1884) zitiert, die sich pointiert mit "Ich habe Angst,
weil ich wegrenne" (LeDoux, 1998) umschreiben lässt. Rolls (2003) nennt eine Vielzahl Argumente gegen diese Vorstellung, so z.B., dass auch erinnerte Emotionen eine hohe Intensität
haben können, ohne dass ihnen eine körperliche Veränderung vorausging. Dabei verweist er
für seine Sichtweise auf den klassischen Versuch von Schachter und Singer (1962), um zu
zeigen, dass körperliche Erregung allein nicht zu einer spezifischen Emotion führt, sondern
immer die Beteilung des ZNS benötigt. Schachter und Singer (1962) hatten Ihrer Versuchsgruppe Adrenalin injiziert, sie aber zum Teil im Unklaren über die erregende Wirkung gelassen1
und sie anschließend in Situationen gebracht, die entweder erfreulich oder ärgerlich waren.
Wussten die Probanden nicht, dass die verabreichte Substanz zu starker körperlicher Erregung
1
Das Versuchsdesign war in Wirklichkeit etwas umfangreicher(Schachter & Singer, 1962): es gab eine Kontrollgruppe,
die ein Placebo injiziert bekam, allen Probanden wurde gesagt, sie bekämen ein Vitaminpräparat gespritzt, ein Teil
wurden über die 'Nebenwirkung' korrekt informiert, ein Teil falsch und ein Teil gar nicht. Für die oben genannte Argumentation reicht aber der Vergleich 'Wissen über die Wirkung – kein Wissen über die Wirkung'
17
GENERELLE MERKMALE VON EMOTIONEN – 1.4 ZENTRALE UNTERSCHIEDE DER EINZELNEN THEORIEN
führt, attribuierten sie ihre Erregung auf die Situation und waren dementsprechend euphorisch
oder wütend. Bei den 'aufgeklärten' Versuchspersonen war dies nicht der Fall. Die Autoren zogen daraus den Schluss, dass eine Emotion körperliche Erregung + kognitive Bewertung im
Sinne eines 'Labeling' ist, wobei die Erregung die Intensität und das Label die Qualität der Emotion bestimmt. Abgesehen davon, dass der Versuch nicht repliziert werden konnte, gilt die eben
beschriebene Annahme als nicht mehr haltbar (Ekman, 1993), auch wenn die Autoren zumindest zutreffend verdeutlichten, dass die physiologischen Veränderungen verschiedener Emotionen nicht so differenziert sind, wie es von vielen Forschern gewünscht wird (Cacioppo, Berntson et al., 2000; Lazarus, 1991; Russell, 2003).
Anregungen, den körperlichen Veränderungen, ihrer Wahrnehmung und dem Bezug zu
Emotionen wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken, bekam die Emotionsforschung interessenterweise unter anderem aus der Robotik und der Künstlichen Intelligenz, wo die Forscher
erkannten, dass sie ihre Konstruktionen mit einem 'Körpergefühl' (Schrader, 2003) und einer
interen 'Valenzbewertung' ausstatten müssen, um komplexere Verhaltensweisen realisieren zu
können. Als prominentester Vertreter einer Körperwahrnehmungs-Emotionstheorie kann Damasio gelten, auf dessen Ansatz in einem eigenen Abschnitt eingegangen wird (s. 2.3, S.37).
1.4.2 Was ist mit der subjektiven Empfindung, dem Gefühl?
Gefühl war als die bewusste Erfahrung einer Emotion im Sinne von 'Ich bin… wütend, traurig,
etc.' definiert worden. Während psychologische Emotionstheorien die Annahme einer solchen
Selbstwahrnehmungsfähigkeit als unstrittig voraussetzen können, müssen neurowissenschaftliche Theorien hier explizit ausführen, wie sie zu der Tatsache, dass Menschen Emotionen bewusst erleben, stehen, denn an Tieren lässt sich dieses Phänomen - wenn man ihnen denn
überhaupt Gefühle zuspricht - nicht untersuchen, weil die Möglichkeit des Selbstberichts nicht
zur Verfügung steht. Dementsprechend können Modelle, die sich überwiegend auf Tierversuche
gründen, darüber keine unmittelbare Auskunft geben.
Der Versuch, die Frage nach der subjektiven Empfindung als irrelevant oder unwissenschaftlich abzutun - Lane (2000) verweist hier auf LeDoux (1998) - ist jedenfalls unbefriedigend,
allein schon, weil der Leser bei der Lektüre von Texten zur Emotion unwillkürlich auf seine eigenen bewussten Erfahrungen zurückgreift und an diesen die vorgestellten Behauptungen abgleicht. Darüber hinaus ist zu fragen, warum, wenn schon ausdrücklich auf den evolutionären
Vorteil von Emotionen verwiesen wird, die Entwicklung der Selbstwahrnehmungsfähigkeit als
weiterer möglicher Selektionsvorteil unberücksichtigt bleiben sollte. Rolls beispielsweise versucht in seinem neurowissenschaftlichen Ansatz diese Tatsache zu berücksichtigen (s. 2.1.4, S.
25).
1.4.3 Welche Bedeutung haben Kognitionen für eine Emotion?
Der Gedanke 'Ich bin traurig' ist bereits eine Kognition. Neben der Wahrnehmung des eigenen
Gefühlszustandes spielen Kognitionen für Emotionen aber noch weitere Rollen: Sie können
18
GENERELLE MERKMALE VON EMOTIONEN – 1.4 ZENTRALE UNTERSCHIEDE DER EINZELNEN THEORIEN
eine Emotion auslösen, sie verändern oder beenden, wie am Beispiel das als bedrohlich wahrgenommenen Schattens verdeutlicht worden war, der sich dann als harmlos entpuppt. Insbesondere für den Umgang mit negativen Emotionen spielen Kognitionen eine entscheidende
Rolle. So hat Lazarus beispielsweise seine Emotionstheorie aufgrund seiner Forschung zu
Stresserleben und -bewältigung (engl.: coping) entwickelt und sämtliche Bewertungs (engl.:
appraisal)-Theorien zu Emotionen beruhen auf dem Zusammenspiel von Kognitionen und Emotion (Mitmansgruber, 2003).
1.4.4 Wie lassen sich Emotionen klassifizieren?
Die eingangs aufgeführten Merkmale wie 'physiologische Veränderung' oder 'Änderung der
Mimik' als kommunikative Komponente waren allgemein gehalten, um auf möglichst jede Emotion zuzutreffen. Gleichzeitig wirkten sie im Vergleich zu Beschreibungen wie 'rasende Wut'
oder 'freudige Überraschung' abstrakt und blutleer. Vor diesem Problem stehen alle Ansätze,
die versuchen, Emotionen in irgendeiner Weise zu gliedern: soll jede Nuance des Aufkommens
und Erlebens berücksichtigt werden, so droht man sich im Kosmos individueller Empfindungen
zu verlieren (Schmidt-Atzert, 2000), sollen völlig unterschiedliche Emotionen anhand weniger
Merkmale oder Dimensionen eingeordnet werden, so lassen sich im Alltag klar unterscheidbare
Phänomene nur noch schlecht trennen. Gerade für die nuancierte Darstellung scheint eine
nicht-sprachbasierte Beschreibung unmöglich. Nichtsdestotrotz ist für einen Vergleich eine gewisse Vereinheitlichung unabdingbar. Die Emotionstheorien unterscheiden sich darin, inwieweit
sie diese vorgeben, und ob ihre Kriterien eher den Prozess der Emotionsentstehung (wie etwa
appraisal-Theorien) oder Kennzeichen der Emotion selbst bzw. ihrer Äußerung beschreiben.
Zwei grundsätzliche Gliederungsansätze werden schon an dieser Stelle vorgestellt, da sie sich
aus den bisher geschilderten Merkmalen direkt ableiten lassen und zudem alle vorzustellenden
Theorien Bezug auf sie nehmen.
1.4.4.1
Zweidimensionales Modell von Valenz und Arousal
Ein gemeinsamer Nenner, auf dem sich unterschiedlichste Emotionen miteinander vergleichen
lassen, ist ihre Intensität. Die Intensität geht dabei in der Regel mit einer Veränderung der (gefühlten) körperlichen Erregung einher, sei es ein drastischer Anstieg wie bei Wut und Freude
oder ein Abfall unter das als normal erlebte Niveau, wie bei Trauer. Gefühle mit gleicher Intensität lassen sich desweiteren allgemein unterscheiden, ob es sich bei ihnen um eine Erregungsveränderung mit angenehmem oder unangenehmem Beiklang (Freude gegenüber Ärger) handelt. Diese Aufteilung war schon Wundt bei seinen Introspektionsstudien aufgefallen, weshalb
er als Basisdimensionen zur Beurteilung von Emotionen Qualität, also Valenz, und Erregung
vorschlug (Wundt, 1891). Auch wenn inzwischen weitere Benennungsansätze für diese beide
Dimensionen hinzugekommen sind, so konnten Yik, Russell und Barrett (1999) in einem groß
angelegten Vergleich zeigen, dass sich die verschiedenen Ansätze ineinander überführen lassen und schlagen als möglichst allgemeine Bezeichnung 'Angenehmheit' (engl.: pleasentness)
19
GENERELLE MERKMALE VON EMOTIONEN – 1.4 ZENTRALE UNTERSCHIEDE DER EINZELNEN THEORIEN
und 'Aktivation' vor. Der Schwerpunkt dieser Forschungsrichtung liegt dabei wie schon bei
Wundt auf dem subjektiven Erleben von Emotionen bzw. dem Selbstbericht (Scherer, 2000).
Daneben berufen sich psychophysiologisch orientierte Ansätze ebenfalls auf diese Dimensionen, weil sich Erregung gut über Hautleitfähigkeit und Herzaktivität, Valenz über die Gesichtsmuskelaktivität operationalisieren lässt (Pauli & Birbaumer, 2000). Der Bezug zu Emotionen als
erste Bewertung eines Ereignisses als vorteilhaft oder nachteilig für den Organismus und damit
einhergehendem Handlungsimpuls liegt auf der Hand. Als Nachteil bleibt anzuführen, dass in
einem zweidimensionalen Koordinatensystem deutlich verschiedene Gefühle wie Enttäuschung
und Trauer ohne weitere Informationen kaum zu unterscheiden sind. Um der sozialen Komponente Rechnung zu tragen, haben beispielsweise Bradley & Lang (1994) für ihre Bewertungsskala Self-Assessment Manikin (SAM) noch als dritte Dimension Dominanz mit den Polen
mächtig-matchlos hinzugefügt.
1.4.4.2 Gibt es Basisemotionen?
Geht man wie Darwin vom Emotionsausdruck aus (Darwin, 1872), so lassen sich Emotionen
hinsichtlich ihrer Qualität bereits feiner differenzieren als nur auf der Dimension angenehmunangenehm: Zustände wie Wut, Trauer oder Angst gehen mit einem spezifischen, distinktem
Gesichtsausdruck einher, der kulturübergreifend ist (Ekman, 1993) und auch bei Primaten festgestellt werden kann (Ekman, 1999a). Es liegt daher nahe, diese Emotionen als ursprünglicher
oder allgemeingültiger als andere anzusehen. Daraus ergeben sich zwei weitere Fragen, die
verschiedene Emotionstheorien unterschiedlich beantworten: Erstens, welche oder wie viele
Basisemotionen gibt es, und zweitens, stellen sie eine eigene Klasse von Emotionen dar, aus
deren Kombination sich die übrigen Emotionen ableiten lassen, oder handelt es sich bei ihnen
lediglich um besonders häufig auftretende Zustände, die sich aber nicht grundsätzlich von den
übrigen Emotionen unterscheiden?
Die Tatsache, dass sich Befürworter der Basisemotionen-Annahme nicht auf eine endgültige Anzahl derselben einigen können (s. Tab. 1.4.1), wird gerne als Argument gegen die Existenz derselben angeführt (z.B. von Rolls, 2005).
20
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.1 ROLLS
Tab. 1.4.1: von verschiedenen Autoren postulierte Basisemotionen, übernommen und angepasst aus Meyer, Schützwohl & Reisenzein (1997).
Furcht
Ärger
Ekel
Kummer/Traurigkeit
Freude
Überraschung
Verachtung
Interesse
Scham
Schuld
Schüchternheit
Akzeptieren
Erwartung
Oatly &
A
Johnson-Laird
Plutchik
+
+
+
+
+
-
+
+
+
+
+
+
+
+
B
Ekman
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
-
C
Tomkins
+
+
+
+
+
+
+
+
+
-
C
Izard
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
-
A: s.a. 3.1.1, S.44; B: s.a. 3, S.44; C: s.a. 3.4.1, S.59
Meyer et al. (1997) diskutieren die Argumente für und wider Basisemotionen ausführlich, zu den
eben genannten Diskrepanzen bezüglich der Anzahl zitieren sie Flechter mit seinem Verweis
auf "die Verwirrung, die in der Chemie zum Zeitpunkt herrschte, als die ersten Versuche gemacht wurden, die chemischen Elemente zu klassifizieren. Aber obwohl damals keiner mit dem
anderen über die richtige Anzahl der Elemente übereinstimmen konnte, ist deren Klassifikation
heute klar und allgemein anerkannt" (Fletcher, 1968, S. 100, zitiert nach Meyer et al., 1997, S.
161). Zusammenfassend sehen die Autoren allerdings jedoch weder Belege für die psychologische noch für biologische Grundlagen von Basisemotionen, auch wenn sie einräumen, dass
bestimmte Grundgefühle eventuell von jeweils spezifischen Gehirnstrukturen erzeugt werden,
wobei die Spezifität der Aktivierung von Regionen wie der Amygdala ihrer Meinung nach bisher
nicht ausreichend belegt ist. Eben diese Frage, in wieweit neuronale Strukturen für eine bestimmte Emotion verantwortlich sind, ist in jüngerer Zeit vor allem von neurowissenschaftlichen
Ansätzen wieder aufgegriffen worden.
2 Neurowissenschaftliche Emotionstheorien
2.1 Rolls
Edmund T. Rolls ist Professor für Experimentelle Psychologie an der Universität Oxford. Der
Schwerpunkt seiner Forschung liegt dabei auf Neurophysiologie. Seine Emotionstheorie hat er
neben zahlreichen Artikeln insbesondere in zwei Büchern, The Brain and Emotion (1999) sowie
Emotion Explained (2005) dargestellt.
21
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.1 ROLLS
2.1.1 Definition von Emotionen
Für Rolls sind Emotionen Zustände, die durch Belohnung oder Bestrafung und deren Erwartung, also instrumentell verstärkende Reize hervorgerufen werden. Ein positiver Verstärker
(Belohnung oder Ausbleiben/Aufhören einer Bestrafung) führt dazu, dass ein Verhalten häufiger
gezeigt wird, ein negativer Verstärker (Bestrafung oder Ausbleiben/Aufhören einer Belohnung)
dazu, dass es seltener gezeigt werden wird. Verstärkerreize sind primär, wenn ihre Bewertung
als negativ oder positiv nicht gelernt werden muss (z.B. Schmerz, süß, bitter). Sekundäre Verstärker sind Reize, bei denen durch die vorausgegangene Verknüpfung mit primären Verstärkern ebenfalls eine Valenz assoziiert wird. Emotionen können so zunächst anhand der Valenz
des auslösenden Reizes unterschieden werden. Darüber hinaus können verschiedene Emotionen sich noch bezüglich folgender Merkmale unterscheiden:
• Verstärkungskontingenz: Kontingenz beschreibt die Häufigkeit, mit der zwei Ereignisse,
hier ein emotionsauslösender Reiz sowie der zugehörige Verstärker, gemeinsam auftreten.
Die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Reiz das Auftreten eines Verstärkers zur Folge hat, hat
Einfluss auf die ausgelöste Emotion.
• Intensität (des Verstärkers): je intensiver der Verstärkerreiz, desto intensiver auch die erlebte Emotion, z.B. Freude gegenüber Ekstase.
• Mehrfache Verstärker-Assoziationen: ein emotionsauslösender Reiz kann mit mehr als
einem Verstärker assoziiert sein. Widersprechen sich die Valenzen der einzelnen Verstärker, wird sich dies gegebenenfalls in der ausgelösten Emotion widerspiegeln.
• Verschiedene primäre Verstärker (mit der gleichen Valenz): Hierdurch lassen sich Emotionen einer Kategorie weiter voneinander abgrenzen: Die Freude beim Anblick von Nahrung
unterscheidet sich von der beim Anblick der Mutter.
• Verschiedene sekundäre Verstärker: Auch wenn der unkonditionierte Verstärker, die Verstärkungskontingenz und die Reizsituation identisch sind, kann es aufgrund der individuellen Lerngeschichte zu einer anderen emotionalen Reaktion kommen.
• Die Art der möglichen Verhaltensreaktion: ist auf das Ausbleiben einer Belohnung eine
aktive Reaktion möglich, etwa gegen den 'Verweigerer' derselben, so ist die zugehörige
Emotion eher Wut, gibt es keine Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen, so wird sich Enttäuschung
oder Resignation einstellen.
Rolls sieht eine Aufgabe von Emotionen darin, eine Verbindung zwischen Reizwahrnehmungsund Handlungssystemen herzustellen, deren Basis die Klassifikation von Reizen als belohnend
oder bestrafend ist. Dieses generelle Prinzip spezifiziert er noch wie folgt:
– falls der positive Verstärkerreiz relevant für ein Bedürfnis ist, das auf einer Änderung des
inneren Milieus beruht (z.B. Anblick von Wasser bei Durst), so wird üblicherweise nicht von
einer Emotion gesprochen, auch wenn der Anblick von Wasser bei Durst ohne Zweifel zumindest einen affektiven Zustand auslöst. Emotionale Zustände sollen durch Reize, die ih-
22
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.1 ROLLS
ren Ursprung in der externalen Umwelt haben, hervorgerufen werden. Für Rolls ist Motivation der Zustand, in dem für eine Belohnung gearbeitet wird, Emotion dahingegen derjenige,
in dem diese Belohnung erlangt wird. Daher widmet er Hunger und Durst jeweils ein eigenes Kapitel in seinen beiden Büchern.
– Emotionen können auch durch das Erinnern von Verstärkern hervorgerufen werden.
– Der emotionsauslösende Reiz muss nicht für die konkrete Situation ein Verstärker sein, er
muss nur grundsätzlich verstärkende Eigenschaften haben.
– Für die Einschätzung, ob ein Reiz belohnend oder bestrafend ist, spielt kognitive Verarbeitung eine große Rolle. Emotionale Zustände sind jedoch nicht gleichbedeutend mit dem
subjektiven Gefühl, sondern umfassender.
Rolls Liste primärer Verstärker ist sehr weit gefasst, unter anderem wird auch der Anblick von
Blumen als primärer Verstärker aufgeführt, weil sie auf eine später vorhandene Frucht hindeuten können.
2.1.2 Funktion von Emotionen
Emotionen verkörpern einen im Laufe der Evolution entwickelten inneren 'Wertzuweisungs'Mechanismus. Anstatt konkrete Verhaltensweisen zu spezifizieren, werden in den Genen nur
der Belohnungs- und Bestrafungswert von primären Verstärkern und entsprechende Verhaltensziele festgelegt, nämlich das Vermeiden von Bestrafung und Streben nach Belohnung. Dieses Prinzip bietet eine allgemeine 'Währung' für den Vergleich unterschiedlichster Sinnesreize
und Verhaltensweisen, bei dem sowohl der relative Nutzen (Wasser ist bei Durst wertvoller als
bei Hunger, mit Nahrung ist es umgekehrt) als auch die Kosten der Zielerreichung berücksichtigt werden.
Gene müssen so nur die Reize, die primäre Verstärker und damit potentielle Verhaltensziele
darstellen, codieren (z.B. süßer Geschmack, Wärme und Körperkontakt eines Artgenossen),
anstatt einzelne Reaktionen bzw. Verknüpfungen zwischen Reizen und Reaktionen, was wesentlich aufwendiger wäre. Die Konsequenz ist eine größere Flexibilität im Verhalten sowie die
Möglichkeit, das gesamte Leben über neue Reiz-Reaktionsverknüpfungen erlernen zu können,
wohingegen Informationen über die Umwelt im Gensatz weitaus schwerer modifiziert werden
können. Rolls stellt diesem flexiblen Ansatz die Entwicklung eines Fließband-Roboters gegenüber, bei dem jede Bewegungsabfolge für eine bestimmte Aufgabe im Vorhinein programmiert
wurde und der so zwar unmittelbar einsatzfähig ist, für sein Funktionieren aber eine gleich bleibende Umwelt benötigt und bei Veränderungen nicht selbstständig neue zielführende Bewegungsmuster erlernen kann. Gleichzeitig bedingt ein verhaltensoffener Aufbau jedoch, dass alle
Sinnessysteme Verbindungen zu den Zentren, in denen Belohnungs- und Bestrafungswert codiert sind, haben müssen.
23
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.1 ROLLS
2.1.3 Neuroanatomische Grundlagen
Die Verknüpfung von Sinnesreiz mit Belohnungs- bzw. Bestrafungswert findet im orbitofrontalen
Cortex (OFC) und der Amygdala statt, wo auch Verknüpfungen zwischen ursprünglich neutralen
Reizen und primären Verstärkern gelernt werden. Der cinguläre Cortex führt eine Art KostenNutzen-Analyse durch, im anterioren cingulären Cortex (ACC) wird anschließend die geeignete
Handlung ausgewählt. Dabei hat er auch Ausgänge zum Nucleus Accumbens, dessen Dopaminausstoß die Anstrengungsbereitschaft zu codieren scheint.
Abb. 2.1.1: Lage einiger der in 2.1.3 als emotionsrelevant aufgeführten Hirnstrukturen. Nach Ochsner & Gross (2004).
Dieser Ablauf ist unabhängig von der Sinnesmodalität des zu bewertenden Reizes, dessen
Verarbeitung jeweils schon mit cortikaler Beteiligung erfolgt. Die direkte, subcortikale Weiterleitung von Sinneseindrücken aus dem Thalamus zur Amygdala, wie sie LeDoux propagiert (s.
1.3.3) ist nach Rolls eher die Ausnahme, etwa bei der Reaktion auf einen lauten Knall oder
überlernte Schemata z.B. bei Phobikern (Öhman, 2005). Da Menschen aber in der Regel nicht
die Verknüpfung mit einem einfachen, unveränderlichen Reiz erlernen, sondern mit komplexen,
z.B. einer Stimme, und den Reiz unabhängig von der aktuellen Intensität oder Klangfarbe erkennen müssen, kann eine derartige invariante Repräsentation nur durch die Beteiligung cortikaler sensorischer Areale bei der Reizanalyse gewährleistet werden. (s. Abb. 2.1.2)
24
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.1 ROLLS
Abb. 2.1.2: Verschaltung der Sinnesorgane mit dem orbitofrontalen Cortex und der Amygdala sowie deren Ausgänge
nach Rolls (2005). Die 'Hunger-Neurone' sind zusätzlich aufgeführt, da der Belohnungswert diverser Reize (Anblick,
Geruch von Nahrung) durch ihre Aktivität beeinflusst wird (s. a. Rolls, 1995).
Die Bewertung von OFC und Amygdala bewirken anschließend Veränderungen in drei Systemen:
• Dem autonomen und endokrinen System, um den Organismus in die nötige Handlungsbereitschaft zu versetzen. Veränderungen in diesem System sind zudem wichtig, um die
Handlungsbereitschaft auch nach Abklingen des auslösenden Reizes aufrecht zu erhalten.
• Den Basalganglien für die Ausführung von automatisierten Handlungen, die keine bewusste
Überwachung benötigen.
• Das bewusste Aufmerksamkeitssystem, um nicht-automatisierte Handlungen auszuführen
und längerfristiges Planen zu ermöglichen.
Auf die Rolle der bewussten Verarbeitung wird im Folgenden näher eingegangen.
2.1.4 Welche Bedeutung haben Kognitionen und subjektives Erleben für eine Emotion?
Soweit bisher geschildert, könnte Rolls' Ansatz als Neuauflage oder Weiterentwicklung des
Behaviourismus verstanden werden, der auch deswegen scheiterte, weil er die innerpsychischen Vorgänge als nichtbeobachtbare 'black box' explizit ausklammerte und so für viele Fragen der Psychologie keine Antwort liefern konnte. Es ist jedoch gerade die Fähigkeit, eine au-
25
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.1 ROLLS
tomatisch erfolgende Handlung bewusst unterbinden und eine Alternative entwerfen zu können,
die ein weit höheres Maß an Verhaltensflexibilität ermöglicht. Rolls bezeichnet dieses System
bewusster Planung als linguistisches System2, das mit Hilfe von zahlreichen Wenn-DannOperationen arbeitet. Um sinnvolle Pläne entwerfen zu können, müssen dem linguistischen
System ebenfalls Informationen über den Belohnungs/Bestrafungswert eines Reizes sowie die
Kosten-Nutzen-Analyse einer Reaktion zur Verfügung stehen. Beide ergeben zunächst die
nicht-bewusste Emotion, ihre Ausprägung im Bewusstsein ist das Gefühl. In Analogie zu 2.1.2
sind Gefühle dann als 'Wertzuweisungs'-Mechanismus innerhalb des Systems von Plänen und
Gedanken zu verstehen. Sie sind so die Konsequenz der Entwicklung eines Denksystems höherer Ordnung, dem Bewusstsein, bei dem verschiedene Handlungsintentionen niederer Ordnung bewertet und verglichen werden, um mögliche Fehler zu beseitigen.
Dieses zweite, explizite (=bewusste, sprachbasierte) System steht dem impliziten gegenüber und wird herangezogen, um Fehler des ersten zu berichtigen, wenn beispielsweise eine
unmittelbare Belohnung, die sich längerfristig jedoch als schädlich erweisen könnte, zurückgewiesen wird.
Abb. 2.1.3: Verschiedene Wege der Handlungsinitiation als Reaktion auf einen Reiz nach Rolls (2005): neben Reflexen
sowie impliziten Reaktionen ermöglicht das Vorhandensein eines linguistischen Systems (repräsentiert durch den 'Language Cortex') auch bewusste Planung. Für weitere Erläuterungen s. Text.
Das bewusste System muss dabei die Illusion haben, 'frei' zu handeln, da sonst Inkonsistenzen
auftreten würden, die dazu führen könnten, dass es keine Planungen bzw. Handlungen mehr
initiiert. In diesem Zusammenhang verweist Rolls auf das Phänomen der Konfabulation bei
2
'linguistisch' ist in diesem Zusammenhang nicht als 'verbal', eventuell sogar im Sinne einer 'inneren Stimme' zu verstehen, sondern bezieht sich auf alle Vorgänge, bei denen mit Hilfe von syntaktischen Regeln Symbole (mentale Repräsentationen realer Objekte) manipuliert werden (Rolls, 2005, S. 404).
26
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.1 ROLLS
Läsionspatienten, die versuchen, offensichtlich unbewusstes Verhalten nachträglich als bewusst intendiert auszugeben.
Um Zielkonsistenz sicherstellen und die Auswirkungen einer Handlungsalternative bewerten zu
können (Wenn ich das mache, werde ich mich so fühlen), ist zudem ein autobiographisches
Gedächtnis wichtig. Rolls sieht hier seine Theorie im Einklang mit appraisal-Theorien der Emotion wie Lazarus oder Scherer (s. 3.1, S.44), bei denen die endgültige Bewertung einer Situation
ebenfalls die Abfrage bereits erfolgreich eingesetzter Bewältigungsstrategien beinhaltet. In gleicher Weise können Kognitionen Emotionen auslösen, indem sie ein geeignetes Setting für Verstärkersuche und -auswahl liefern oder zur Neubewertung eines Reizes führen (Rolls, 2005).
2.1.5 Welche Rolle spielen die körperlichen Veränderungen?
Geht man davon aus, dass Emotionen sich immer dann einstellen, wenn ein Ereignis, dem ein
Belohnungs- oder Bestrafungswert zugeordnet ist, bemerkt wird, und die Wert-Encodierung im
OFC und der Amygdala stattfindet, die anschließend wiederum über den Hypothalamus Einfluss auf das autonome und endokrine System nehmen, so spricht dies eindeutig gegen die
Annahme, es wären die peripheren Veränderungen (z.B. der Herzrate), die zu einer Emotion
führen. Wenn letzteres der Fall wäre, wieso sollen manche Reize eine periphere Veränderung
und damit eine Emotion hervorrufen, andere aber nicht bzw. wo wird diese Unterscheidung
getroffen? Inwieweit das Feedback peripherer Veränderung eine vorhandene Emotion beeinflussen kann, wird von Rolls nicht ausgeführt, es ist allerdings zu vermuten, dass diese Rückmeldung dann in gleicher Weise den Bewertungsprozess durchläuft wie ein externer Reiz.
2.1.6 Wie lassen sich Emotionen klassifizieren?
Ähnlich verhält es sich mit der Klassifikation von Emotionen: Zentral ist die Verstärkerqualität
eines Reizes, weniger die konkret ausgelöste Reaktion. Wodurch Emotionen sich aufgrund
dessen unterscheiden lassen, ist in 2.1.1 erläutert worden, es sind insbesondere Verstärkerkontingenzen und -verknüpfungen. In der Beispiel-Liste primärer Verstärker werden diese nach
Sinnesmodalität gegliedert und ein Warnruf wird genauso als 'Bestrafer' klassifiziert wie ein
Angriffslaut, darüber hinaus wird nicht differenziert. Rolls wendet sich explizit gegen Ansätze,
die bestimmten Emotionen bestimmte (angeborene) Handlungsmuster zuordnen, etwa Flucht
bei Angst oder Angriff bei Wut, da es aus evolutionärer Sicht ineffektiv sei, in Genen konkrete
Verhaltensweisen zu kodieren. Bezüglich der Annahme von allgemeingültigen Emotionskategorien aufgrund der Analyse von Wortlisten oder Fragebögen weist er darauf hin, dass diese zumeist 7 ± 2 Kategorien finden, was der maximalen Anzahl von Informationseinheiten, mit denen
Menschen simultan arbeiten können, entspricht. Er räumt zwar ein, dass die Achsen Angenehmheit einer Belohnung – Unangenehmheit eines Bestrafers sowie Ausbleiben/Aufhören
einer Bestrafung – Ausbleiben/Aufhören einer Belohnung dimensionalen Charakter haben d. h.
unabhängig voneinander sein könnten, möchte es aber nicht als dimensionalen Ansatz verstanden haben (Rolls, 2005, S. 14).
27
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.1 ROLLS
2.1.7 Fazit
Aufbauend auf Erkenntnissen zum instrumentellen Lernen weist Rolls umfassend nach, wie
Verstärker Verhalten steuern. Er geht weit über den Ansatz des Behaviourismus hinaus, indem
er sich nicht nur auf Reiz und Reaktion beschränkt, sondern gerade mit der 'black box' dazwischen beschäftigt und detailliert belegt, wie die Verknüpfung von beiden auf neuronaler Ebene
stattfindet, untermauert mit zahlreichen Diagrammen neuronaler Verschaltungen bis hin zu
Messung der Feuerraten einzelner Neurone. Sein Ansatz berücksichtigt grundlegende Triebe
wie Hunger, Durst und Sexualität ebenso wie pathologische Phänomene wie Sucht oder Bulimie. Die Integration von Bewusstsein und Kognitionen erscheint jedoch etwas abstrakt und ist
nach eigenen Angaben nicht in gleicher Weise wissenschaftlich ausgearbeitet bzw. eher vorläufig (Rolls, 2005, S. 401). Ähnlich werden konkrete Emotionen strikt dem generellen Prinzip
Vermeidung negativer Verstärker und Streben nach positiven Verstärkern untergeordnet: während den eben genannten Trieben Hunger, Durst und Sexualität eigene Kapitel gewidmet sind,
findet sich in seinem Buch mit dem Titel Emotion Explained zu Trauer (sadness) oder Wut (anger) im Stichwortverzeichnis kein bzw. nur ein Eintrag. Mit anderen Forschungsansätzen wird
dabei nicht zimperlich umgegangen: so sei LeDoux, der sich überwiegend mit der Amygdala
und ihrer Rolle für die Emotion Angst beschäftigt, eventuell deshalb nicht zu den gleichen Erkenntnissen wie Rolls gekommen, weil der orbitofrontale Cortex bei Ratten, LeDoux' hauptsächlichem Versuchstier, nicht besonders entwickelt ist (Rolls, 2005, S. 169). Dass die zentrale Bedeutung der von LeDoux fokussierten direkten subcortikalen Reizweiterleitung vom Thalamus
an die Amygdala für Phobiker inzwischen als gesichert gelten kann (Öhman, 2005), wird von
Rolls nicht weiter erwähnt. Der Standpunkt, dass Emotionen nicht nur auf der Reizbewertung
durch den orbitofrontalen Cortex und die Amygdala beruhen, sondern durch für sie spezifische
neuronale Schaltkreise hervorgerufen werden, wird in den Neurowissenschaften insbesondere
von Jaak Panksepp vertreten.
28
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.2 PANKSEPP
2.2 Panksepp
Panksepp sieht ebenso wie Rolls die Evolution als treibende Kraft hinter der Entwicklung von
Emotionen, und in gleicher Weise sind viele seiner Erkenntnisse an Versuchstieren wie Ratten
oder Primaten gewonnen, allerdings ist sowohl der Ausgangspunkt für seine Versuche als auch
die Schlussfolgerung, die er aus ihnen zieht, deutlich von denen Rolls' verschieden.
Der Einfluss der Evolution erstreckte sich seiner Ansicht nach nicht lediglich auf die Herausbildung bestimmter genetisch prädisponierter Verhaltensziele, sondern auch auf die entsprechende neuroanatomische Entwicklung des Gehirns. Ähnlich wie Reflexe sind grundlegende Emotionssysteme neuronal vororganisiert, also angeboren. Da es sich hierbei um entwicklungsgeschichtlich alte Systeme handelt, die insbesondere im Hirnstamm lokalisiert sind, lässt
sich ihre Funktionsweise sehr gut an Versuchstieren untersuchen, denn auf subcortikalem Niveau sind sich alle Säugetiere erstaunlich ähnlich (Panksepp, 2003b). Gleichzeitig hat diese
Zuordnung der Emotionen zu phylogenetisch frühen Strukturen für Panksepp eine weitere Konsequenz: sie legt nahe, dass auch andere Säugetiere über ein affektives Bewusstsein, also eine
primitive Form von Gefühlen, verfügen. Auf diesen Aspekt und seine Implikationen wird im Abschnitt 2.2.4 weiter eingegangen.
Abb. 2.2.1: Lage des Hirnstamms mit Periaquäduktalem Grau (PAG) und Nucleus parabrachialis (NPB). Nach Damasio
(2000a).
2.2.1 Definition von Emotionen
Eine fest umrissene Definition von Emotionen gibt Panksepp nicht, er nennt alle Eigenschaften,
die zu Beginn dieser Arbeit unter Generelle Merkmale von Emotionen (S.11) aufgeführt wurden,
betont je nach Themenschwerpunkt der jeweiligen Veröffentlichung allerdings den ein oder
29
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.2 PANKSEPP
anderen Aspekt besonders. Daher an dieser Stelle einige Merkmale, die ihm zentral erscheinen, um Affekte und ihr Erleben als grundsätzlich verschieden von Kognitionen zu verstehen:
– Für Affekte sind langsam feuernde neuronale Systeme und Neuropeptide entscheidend
(Panksepp, 2003b). Diese Neuromodulatoren beeinflussen die Aktivität von Nervenzellen
nicht nur lokal, sondern von wenigen Zellen ausgeschüttet, erstreckt sich ihr Wirkungsgrad
auf viele andere, indem sie dort die Sensibilität gegenüber Transmittern beeinflussen. Über
den Blutweg können sie in der Körperperipherie zudem hormonelle Funktionen haben
(Birbaumer & Schmidt, 1999). Sinneswahrnehmungen und Kognitionen hingegen beruhen
überwiegend auf schnell feuernden Neuronen und der Ausschüttung von Neurotransmittern
(Panksepp, 1998).
– Affekte sind aufgrund der zugrunde liegenden neurohumoralen Veränderungen untrennbar
an einen Körper gebunden (engl: 'embodied'), sie sind organisch und analog, Kognitionen
sind eher digitalen Berechnungen ähnlich und können daher auch auf einem Computer simuliert werden. (Panksepp, 2003b).
– Affekte sind weitaus stärker mit einem Handlungsdrang verbunden als Kognitionen (Liotti &
Panksepp, 2004; Panksepp, 2003a, 2005).
Dass Panksepp in diesem Zusammenhang eher von Affekten als von Emotionen spricht, dürfte
seinen Grund darin haben, dass der erste Begriff weiter gefasst ist und auch Tieren zugestanden wird. Der Ausdruck Basisemotionen als Ursprung für komplexere menschliche Emotionen
wird von ihm weitestgehend synonym verwandt.
2.2.2 Funktion von Emotionen
Auch zu der Funktion von Emotionen macht Panksepp eine Fülle von Angaben, am umfassendsten wird sein Ansatz wohl mit einem Abschnitt aus seinem Buch Affective Neuroscience:
the foundations of human and animal emotions (1998) beschrieben, der - hier sinngemäß zusammengefasst und erläutert - auch gut die Abgrenzung zu Rolls' Auffassung (s. 2.1, S.21)
erkennen lässt:
Basisemotionen sind Reaktions- und Verhaltensprogramme, um zentralen Überlebenszwängen zu begegnen und helfen so dem Organismus, seine Gene an zukünftige Generationen weiterzugeben. Aus einem evolutionären Blickwinkel ist
letztendlich alles Verhalten auf Überleben und Verbreiten des eigenen Gensatzes
ausgerichtet, aber anders als etwa ein behaviouristischer Ansatz argumentieren
würde, ist Lernfähigkeit nicht die einzige Gehirnfunktion, die sich zu diesem Zweck
ausgebildet hat. Während generelle Lernmechanismen dem Organismus helfen,
zukünftige Situationen aufgrund eigener Erfahrung zu meistern, helfen emotionale
Schaltkreise, sich aufgrund der Haupt-Herausforderungen, die sich seinen Vorfahren stellten, adaptiv zu verhalten. Emotionen sind demnach das Ergebnis einer Art
'evolutionäres Lernen', dessen Resultat, nämlich vorgeprägte Verhaltenspotentiale,
sich im Laufe der Entwicklungsgeschichte in bestimmten Gehirnstrukturen verfestigt hat (sinngemäß übersetzt aus Panksepp, 1998, S. 55).
30
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.2 PANKSEPP
Weil Emotionen nicht auf einem allgemeinen Bewertungsmechanismus im Sinne von 'gut oder
schlecht für das Wohlergehen' beruhen, sondern auf spezifischen Schaltkreisen mit jeweils
typischen affektiven Zuständen, so lassen sich diese näher beschreiben.
2.2.3 Panksepps Basisemotions-Systeme
Panksepp nimmt bisher folgende sieben Basisemotionen als angeboren an, bei deren Benennung er sich an den jeweils typischen Verhaltensreaktionen bzw. dem zugehörigen affektiven
Zustand orientiert. Die Großschreibung des jeweiligen Namens soll dabei deutlich machen,
dass es sich um ein Emotionssystem mit spezifischen Schaltkreisen und Neuromodulatoren
handelt:
• SEEKING: generelles motiviertes Suchen / Erwarten. Dieses System wird insbesondere mit
dem Nucleus accumbens und dessen mesolimbischen dopaminergen Verbindungen assoziiert. Ein Tier zeigt aktives Such-Verhalten, wenn es stimuliert wird bzw. hat Verlangen nach
weiterer Stimulation. Der Neurotransmitter Dopamin scheint allerdings vor allem bei der Antizipation einer Belohnung, weniger beim Erhalten derselben ausgeschüttet zu werden.
Welcher Art die Belohnung ist (Nahrung, Wärme, Sexualkontakt etc.) ist dabei nicht wichtig,
die Aktivität ist diesbezüglich unspezifisch. Panksepp betont, dass dieses System seiner
Meinung nicht als reiner 'Belohnungs-Vorhersage-Mechanismus' zu verstehen ist, sondern
über die (passive) Bestimmung eines Stimulusanreizes hinaus das Tier grundsätzlich motiviert, sich mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen und exploratives Verhalten begründet
(Panksepp, 2005). Gleichzeitig weist er auf die hedonische Qualität der Aktivität dieses
Schaltkreises hin.
• FEAR: Angst/Furcht. Als zentrale neuronale Struktur ist hier die Amygdala zu nennen. Zu
den beiden von LeDoux beschriebenen Verbindungen vom Thalamus bzw. Cortex zur Amygdala (s.1.3.3 S.15) merkt Panksepp an, dass seiner Meinung nach die absteigenden Afferenzen der Amygdala zum Hirnstamm hauptsächlich Informationen über die Bedrohlichkeit von Reizen übermitteln, während die angsttypischen Verhaltensweisen (Flucht/ SichTotstellen) und Affekte selbst erst im Hirnstamm erzeugt werden (Panksepp, 2005).
• RAGE: Zorn/Wut. Dieses System ähnelt in seinen Verbindungen den FEAR-Schaltkreisen,
allerdings sind es andere Bereiche der Amygdala, die das PAG aktivieren und es wirken
andere Neuromodulatoren. Für Einzelheiten siehe Tab. 2.2.1 (S.33). Auslöser für den Affekt
kann alles sein, was (vermeintlich) das Wohlbefinden und die Handlungsfreiheit eines Organismus beeinträchtigt oder ihn um eine erwartete Belohnung bringt (Panksepp, 1998).
• PANIC: Trennungsstress/-schmerz. Der aversive Zustand, den ein Junges erfährt, wenn es
von einem Elternteil, insb. der Mutter getrennt wird, ist für Panksepp keine Sonderform der
Angstreaktion, sondern beruht auf einem eigenständigen Emotionssystem, das auch die
weitere Entwicklung über bestehen bleibt. Ein Beleg für diese Annahme liefern neben neuroanatomischen Unterschieden pharmakologische Studien, dass nämlich Opiate Tren-
31
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.2 PANKSEPP
nungsstress, aber nicht Angst vermindern, wohingegen Benzodiazepine in erster Linie bei
Angstzuständen und weniger bei Trennungsstress wirksam sind.
• CARE: (mütterliche) Fürsorge und soziale Bindung. Neben Opiaten wirkt auch Oxytozin
Trennungsstress entgegen (Panksepp & Harro, 2004). Oxytozin spielt zusammen mit Prolaktin über seine Funktion als Neuromodulator im Gehirn hinaus eine wichtige Rolle als
Hormon bei der Aufzucht von Jungen: während Prolaktin für die Milchproduktion verantwortlich ist, regt Oxytozin den Milchausstoß in der Brust der Mutter an. Auf Seiten der Jungen ist
Oxytozin für das Bindungsverhalten verantwortlich, bei Männchen reduziert es Aggressionen und fördert fürsorgliches Verhalten. Ähnliches wird für Prolaktin bei bestimmten Affenarten (Ziegler, 2000) sowie für menschliche Väter berichtet (Fleming et al., 2002).
• PLAY: Miteinander Spielen bzw. 'Raufen' (engl.: rough-and-tumble play).Neben dem SEEKING-System ist der angeborene Drang zu spielen der zentrale Impuls, um sowohl sensorische und motorische als auch soziale Fähigkeiten zu entwickeln. Da selbst isoliert aufgewachsene Rattenjungen sofort anfangen, sich mit Artgenossen zu balgen, sobald sie die
Möglichkeit dazu haben, hält Panksepp dieses System ebenfalls für angeboren (Panksepp,
1998). Darüber hinaus scheint beim Menschen vor allem der Emotionsausdruck des Lachens auf das PLAY-System zurückzuführen zu sein.
• LUST: Sexualität. Bei diesem Emotionssystem gibt es klare Geschlechtsunterschiede: während bei männlichen Ratten das größere mediale präoptische Areal (POA) entscheidend zu
sein scheint, ist es bei den Weibchen der ventromediale Kern des Hypothalamus (VMH)
(Carlson, 2001). Panksepp betont einerseits den Unterschied zum Emotionssystem für soziale Bindungen (CARE, s.o.), weist aber darauf hin, dass beim männlichen Orgasmus vermehrt Oxytozin ausgeschüttet wird, das wiederum fürsorgliches Verhalten fördert
(Panksepp, 1998)
Die für das jeweilige Emotionssystem zentralen Gehirnregionen sowie Neuromodulatoren sind
in Tab. 2.2.1 zusammenfassend aufgelistet, eine vereinfachte Darstellung in Abb. 2.2.2 (S.33).
32
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.2 PANKSEPP
Tab. 2.2.1: Zentrale ZNS-Regionen und Neuromodulatoren der Basisemotionssysteme. ACh: Acetylcholin BNST: Bed
Nucleus der Stria Terminalis; CCK: Choleocystokinin; CRF: Corticotrophin Releasing Factor DBI: Diazepam Binding
Inhibitor; LH-RH: Luetinising Hormon Releasing Hormon; MSH: α-Melanocyte Stimulating Hormone; PAG: Periaquäduktales Grau; VTA: Ventrales Tegmentales Areal. Nach Panksepp (2001).
Emotionssystem
Schlüsselregionen
Zentrale Neuromodulatoren
(+: erregend; -: hemmend)
SEEKING
Nucleus Accumbens – VTA;
mesolimbische und mesocortikale Outputs;
lateraler Hypothalamus – PAG;
Dopamin (+), Glutamat (+),
Opioide (+), Neurotensin (+)
FEAR
Zentrale und laterale Amygdala zum
medialen Hypothalamus und dorsalen PAG
Glutamat (+), DBI, CRF, CCK,
α-MSH, Neuropeptid Y
RAGE
mediale Amygdala bis BNST;
medialer und perifornicaler
Hypothalamus zum PAG
ACh (+), Glutamat (+),
Substanz P (+)
PANIC
anteriores Cingulum,
BNST & präoptisches Areal;
dorsomedialer Thalamus; dorsales PAG
Glutamat (+), Opioide (-),CRF (+),
Oxytozin (-), Prolactin (-),
CARE
anteriores Cingulum, BNST;
präoptisches Areal, VTA, PAG
Dopamin (+),Opioide (+/-),
Oxytozin (+), Prolactin (+)
PLAY
dorsomediales Diencephalon;
parafasciculäres Areal;
dorsales PAG, Tectum
Glutamat (+), Ach (+), Opioide (+/-),
jeder Stoff, der negative Emotionen
fördert, reduziert Spielverhalten
LUST
Cortico-mediale Amygdala, BNST;
präoptischer und ventromedialer Hypothalamus;
laterales und ventrales PAG
Steroide (+), Vasopressin,
Oxytozin, LH-RH, CCK
Abb. 2.2.2: Beispiel für die Lage und Projektionen einiger der in Tab. 2.2.1 aufgeführten Emotionssysteme. Cingulate:
Cingulum; PAG: Periaquäduktales Grau. Nach Panksepp (1998).
Panksepp ist darüber hinaus bemüht, seine zum größten Teil an Versuchstieren gewonnenen
Erkenntnisse für praktische Anwendungen im klinischen Kontext nutzbar zu machen. Am umfassendsten geschieht dies sicherlich in dem von ihm herausgegebenen Textbook of Biological
Psychiatry (Panksepp, 2004), an dieser Stelle erfolgt nur eine Übersicht (s. Tab. 2.2.2) der Beziehung zwischen Basisemotionen, komplexeren menschlichen Emotionen und affektiven Störungen.
33
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.2 PANKSEPP
Tab. 2.2.2: Basisemotionssysteme und daraus abgeleitete komplexe Emotionen und affektive Störungen. Nach Panksepp (2001).
Emotionssystem
Abgeleitete Emotion
Affektive Störung
SEEKING
Interesse
Frustration
Verlangen (engl:. craving)
obsessiv-kompulsiv
paranoid schizophren
Sucht
FEAR
Angst
Sorge
Psychisches Trauma
Generalisierte Angststörung
Phobien
Posttraumatische Belastungsstörung
RAGE
Wut
Reizbarkeit
Verachtung, Hass
Aggression
psychopathische Tendenzen
Persönlichkeitsstörungen
PANIC
Trennungsstress
Trauer
Schuld, Scham, Scheu, Peinlichkeit
Panikattacken
Depression
Platzangst, Sozialphobie
CARE
Fürsorge
Liebe
Anziehung (engl.: attraction)
Abhängigkeitsstörung
autistische Distanziertheit
Bindungsstörung
PLAY
Verspieltsein
Freude, Fröhlichkeit
Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom
Manie
LUST
Erotische Gefühle
Eifersucht
Fetischismus, Sexsucht
Wird eine Grundemotion zu einer affektiven Störung, ist zumeist mangelnde Kontrolle, insbesondere mangelnde Hemmung des jeweiligen Emotionssystem durch cortikale Strukturen dafür
verantwortlich.
2.2.4 Welche Bedeutung haben Kognitionen und subjektives Erleben für eine Emotion?
Bei der Lektüre von Panksepps Veröffentlichungen fällt dem Leser von Anfang an auf, wie vehement er für die Existenz von Gefühlen bei Tieren eintritt. Damit ist nicht ein komplexes
menschliches Gefühlserleben, sondern eine primitivere Vorform, ein affektives Bewusstsein
gemeint. Tiere, so Panksepp, haben nicht nur Angst oder Freude am Spielen, sie fühlen sich
auch entsprechend. Dieser Standpunkt ist nicht als Eigenart oder private Meinung, begründet
auf seiner praktischen Erfahrung mit Versuchstieren abzutun, sondern der zentrale Punkt von
Panksepps Bewusstseinstheorie: Da affektive Regungen für das Überleben zentral waren, waren sie dem Organismus auch schon frühzeitig in der Entwicklungsgeschichte bewusst. Aus
diesem primitiven Bewusstsein über den eigenen emotionalen Zustand und dem damit einhergehenden Verhaltensdrang entwickelte sich dann das eigentliche Bewusstsein beim Menschen,
einschließlich seiner kognitiven Fähigkeiten (Panksepp, 2003b). Dabei unterscheidet Panksepp
zwischen drei Stufen (Panksepp, 2005):
• Primär-Prozess-Bewusstsein: unmittelbare Sinneseindrücke, auch gerade erlebte Emotionen. Für diese Bewusstseinsstufe sieht Panksepp eine Entsprechung zu Damasios Kernbewusstsein (Liotti & Panksepp, 2004; Panksepp, 2001).
34
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.2 PANKSEPP
• Sekundäres Bewusstsein: Fähigkeit, Sinneseindrücke zu reflektieren oder neu zu bewerten, z.B., wie innere und äußere Erfahrungen zusammenhängen. Tiere sind dazu vermutlich auch in der Lage, allerdings weniger linguistisch, sondern eher in Wahrnehmungsbildern.
• Tertiäre Formen des Bewusstseins: Gedanken über Gedanken, Bewusstheit (engl.: awareness) von Bewusstheit. Vermutlich nur dem Menschen vorbehalten, erfordert es ein ausgeprägtes neocortikales System, das linguistisch-symbolische Transformationen von Gedanken und Erinnerungen ermöglicht.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass Gefühle für Panksepp nicht die Folge eines kognitiven
Systems, sondern Emotionen und deren Wahrnehmung an sich selbst der Ursprung des kognitiven Systems sind. Kognitionen können Emotionen auslösen, indem sie über Verbindungen
des limbischen Systems die Strukturen der Grundemotionssysteme aktivieren. Während des
Bestehens einer Emotion sind die cortikalen Strukturen dann eher deaktiviert, bis sie, etwa bei
aktiver Unterdrückung einer Emotion, wieder ihren hemmenden Einfluss auf die Emotionssysteme ausüben (Liotti & Panksepp, 2004). Ist diese Fähigkeit zur Hemmung gestört oder unterentwickelt, ist eine affektive Störung die Folge (s. Tab. 2.2.2).
2.2.5 Klassifikation von Emotionen und die Bedeutung körperlicher Veränderungen
Aus dem bisher geschilderten dürfte die Antwort auf die unter 1.4 (S.17) aufgeführten Fragen
nach einer Klassifikation von Emotionen und dem Stellenwert körperlicher Begleiterscheinungen bereits deutlich geworden sein: Als Basisemotion gelten alle, für die sich ein distinkter neuronaler Schaltkreis mit spezifischen Neuromodulatoren identifizieren lässt. Komplexe Emotionen ergeben sich aus den Wechselwirkungen mehrerer Basisemotionen und/oder der Modifkation durch kognitive Anteile. Die Aktivität der Hirnstamm-Affektsysteme wiederum führt zu den
entsprechenden körperlichen Veränderungen wie Anstieg des allgemeinen Erregungsniveaus
sowie spezifischer Verhaltenstendenzen. Dabei ist festzuhalten, dass nach Panksepps Meinung
die im Hirnstamm, insb. dem PAG angesiedelten Schaltkreise nicht lediglich die für eine Emotion charakteristischen motorischen Kommandos vermitteln, sondern auch das zugehörige Gefühl, weshalb er sie als 'action-feeling systems' (Liotti & Panksepp, 2004) bezeichnet.
2.2.6 Fazit
Panksepp möchte mit seiner Theorie weit mehr, als nur die Entstehung von Emotionen erklären. Sie hat praktische Implikationen für die Psychiatrie und Psychopharmakologie, da ihr entsprechend dort vermehrt Neuropeptide zur Therapie eingesetzt werden sollten (Panksepp &
Harro, 2004). Seine Bewusstseinstheorie, die das Affekterleben als Ausgangspunkt hat, verlangt nach anderen Untersuchungsstrategien als bisher in den Neurowissenschaften üblich, die
nach Panksepps Meinung zu sehr auf cortikale Aktivität fokussieren (Liotti & Panksepp, 2004).
Dies geht soweit, dass er scherzhaft vorschlägt, ein Buch mit dem Titel Affective Neuroscience
of Cognitions als Antwort auf das von Lane & Nadel (2000) herausgegebene Werk Cognitive
35
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.2 PANKSEPP
Neuroscience of Emotions zu schreiben (Panksepp, 2003b). Es ist zu vermuten, dass sich bei
der Vielzahl seiner teils spekulativen Schlussfolgerungen einige als so nicht haltbar erweisen
werden. Auf der anderen Seite sind es gerade seine konkreten Beschreibungen und Voraussagen, die für das Verständnis von Emotionen wertvolle Anregungen liefern. Dass er von klar
unterscheidbaren Basisemotionen ausgeht, die jeweils mit spezifischen Handlungsmustern oder
-tendenzen einhergehen, ist für die vorliegende Untersuchung von Vorteil und ermöglicht eine
Anknüpfung an Studien, die die Rolle emotionsspezifischer Mimik beim Menschen betonen
(z.B. Ekman, s. 3.4.1, S.59).
36
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.3 DAMASIO
2.3 Damasio
Ausgangspunkt für Damasios Forschung zu Emotionen war die Beobachtung, dass ihm als
Neurologe wiederholt Patienten begegneten, deren rationales Denkvermögen nach Gehirnläsionen zwar weiterhin intakt erschien, soweit es das Lösen abstrakter logischer Probleme betraf,
die aber dennoch im Alltag sehr ungünstige und für sie nachteilige Entscheidungen trafen als
auch durch ausgeprägte Entscheidungsschwierigkeiten auffielen. Damit einher ging die Unfähigkeit, Gefühle zu erleben oder an anderen zu erkennen. Damasio untersuchte daraufhin, welche Bedeutung emotionale Komponenten auch für scheinbar 'gefühlsneutrale' Phänomene haben. Seine Erkenntnisse veranlassten ihn dazu, die Trennung zwischen Verstand und Gefühl
sowie Geist und Körper als falsch zu verwerfen und eine Bewusstseinstheorie zu entwickeln,
die auf der Abbildung körperlicher Zustände und ihrer Veränderungen beruht.
2.3.1 Definition von Emotionen
In einer allgemeinen Definition beschreibt Damasio Emotionen als "...specific and consistent
collections of physiological responses triggered by certain brain systems when the organism
represents certain objects or situations…" (Damasio, 2000b, S.15).
Emotionen werden dabei nicht nur durch Objekte bzw. deren Repräsentation, sondern auch
durch interne bioregulatorische Prozesse ausgelöst. Die so ausgelösten Reaktionen bezeichnet
Damasio als Hintergrundemotionen. Sie treten weniger abrupt auf und machen sich nicht unmittelbar als Verhalten bemerkbar, denn ihr Ziel ist nicht die Skelettmuskulatur, sondern eher das
interne Milieu und die Viszera. Triebe, Schmerz und Lust sind nach Damasio Auslöser oder
Bestandteile von Emotionen, stellen selbst jedoch keine Emotion dar (Damasio, 2000a).
2.3.2 Funktion von Emotionen
Emotionen und das Erleben von Emotionen sind für Damasio Ausdruck der Regulationsprozesse eines Organismus, wobei Organismus sich ausdrücklich auf den gesamten Körper und nicht
etwa nur auf das Nervensystem bezieht. Er betont die Körperbezogenheit von Emotionen deshalb, da er - analog zum Fehlen einer evolutionären Komponente in der Psychologie des 20.
Jahrhunderts - bei der aktuellen Hirnforschung die Gefahr einer Vernachlässigung der Homöostase-Funktion und der engen Verbindung des Gehirns mit dem übrigen Körper (engl.: embodiment) sieht (Damasio, 2001). Emotionen rufen nicht nur die für den auslösenden Reiz spezifische Verhaltensreaktion hervor, sie versetzen den Körper z.B. durch Hormonausschüttung
auch in die Lage, die Reaktion auszuführen. Über den Fluchtimpuls hinaus sorgen sie beispielsweise gleichzeitig für eine erhöhte Blutzufuhr in den beteiligten Muskelgruppen (Damasio,
2000a). Neben neuroendokrinen Prozessen verändern sie zusätzlich die Arbeitsweise des Gehirns, indem etwa unspezifische Neurotransmitterkerne im Hirnstamm und basalen Vorderhin
aktiviert werden, die ihre Stoffe wiederum in verschiedenen Regionen des Cortex und der Basalganglien ausschütten (Parvizi & Damasio, 2001).
37
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.3 DAMASIO
2.3.3 Neuroanatomische Grundlagen
Eine gewisse Anzahl von Emotionen mit ihren jeweiligen Profilen körperlicher Veränderungen
ist für Damasio neuronal vororganisiert, also angeboren. Zu diesen Primäremotionen zählt er
Glück, Trauer, Wut, Angst und Ekel (Damasio, 1994), später auch Überraschung (Damasio,
2000a).
2.3.3.1 Auslösung von Primäremotionen
Die auslösenden Regionen für die Primäremotionen sind laut Descartes' Error (Damasio, 1994)
das anteriore Cingulum und die Amygdala, die durch bestimmte von den frühen sensorischen
Cortices gemeldete Reizmuster erregt werden und ihrerseits folgende Bereiche aktivieren:
• Kerne des Autonomen Nervensystems (ANS) und über periphere Nerven die Viszera, die in
einen für die jeweilige Emotion typische Zustand versetzt wird.
• die Skelettmuskulatur, die daraufhin die für die Emotion typische Körperhaltung und Mimik
annimmt.
• das endokrine und Neuropeptid-System, deren Ausschüttungen den Körper und das Gehirn
beeinflussen.
• unspezifische Neurotransmitterkerne im Hirnstamm und dem basalen Vorderhirn, die ihrerseits wiederum in verschiedene Regionen des Endhirns projizieren.
Während die ersten drei Veränderungen zu einem emotionalen Körperzustand führen, beeinflusst die letzte die Arbeitsweise des Gehirns; ebenso wirken Hormon- und NeuropeptidAusschüttung nicht nur in der Körperperipherie, sondern auch auf das ZNS. Die körperlichen
Veränderungen werden außerdem dem Gehirn zurückgemeldet.
2.3.3.2 Auslösung von Sekundäremotionen
Die sekundären oder sozialen Emotionen, die nicht angeboren, sondern erlernt sind, nutzen die
gleichen Schaltkreise wie die primären Emotionen, allerdings sind ihnen noch zwei Schritte
vorgelagert:
− Das auslösende Objekt wird nicht von frühen sensorischen Cortices, sondern von höheren
Assoziationscortices repräsentiert.
− diese Repräsentation aktiviert eine dispositionale Repräsentation aus dem präfrontalen
Cortex (PFC), die beschreibt, welche Emotion mit dieser Art Objekt üblicherweise verknüpft
ist, und erst diese dispositionale Repräsentation erregt das anteriore Cingulum und die Amygdala. Dabei scheint der ventromediale PFC scheint mehr auf bioregulatorische, der
dorsolaterale PFC mehr auf externale Ereignisse und abstrakte Objekte anzusprechen
(Damasio, 1994).
Der präfrontale Cortex kann dispositionale Repräsentationen entwickeln, da ihm sowohl ein
Abbild des wahrgenommenen Objektes als auch eines der ausgelösten körperlichen Veränderungen zur Verfügung stehen. Aufgrund mehrfachen gemeinsamen Auftretens einer Reizreprä-
38
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.3 DAMASIO
sentation und eines bestimmten Körperzustands entwickelt sich eine Verknüpfung des Reizabbildes mit einem Körperzustand. Damasio bezeichnet die Verknüpfung beider Informationen als
Konvergenzzonen, die im präfrontalen Cortex liegen. Dispositional sind diese Repräsentationen
deshalb, weil sie als eine Art Klassifikationsregeln erst dann aktiviert werden, wenn ein entsprechendes Objekt (ein Reiz, eine Situation oder ein Gedanke) auftritt.
In Ich fühle, also bin ich (Damasio, 2000a) werden ohne weitere Unterscheidung in primäre
und sekundäre Emotionen als auslösende Regionen Strukturen des Hirnstamms (z.B. das
PAG), des Hypothalamus, des basalen Vorderhirn sowie die Amygdala, der anteriore cinguläre
und der ventromediale frontale Cortex zusammengefasst (s. Abb. 2.3.1).
Abb. 2.3.1: Emotionsauslösende Hirnstrukturen bzw. -regionen. Nach Damasio (2000a).
2.3.4 Welche Rolle spielen die körperlichen Veränderungen?
Ein Abbild des aktuellen Körperzustandes ist im Gehirn permanent vorhanden und wird fortlaufend aktualisiert. Die Repräsentation wird über mehrere Orte verteilt erzeugt, weshalb es sich
um dynamische Karten und nicht etwa um eine Art statischer homunculus handelt. Beteiligt
daran sind Hirnstamm-Kerne, der Hypothalamus und das basale Vorderhirn, dann der insuläre
Cortex, S2 und die medialen parietalen Cortices hinter dem Splenium des Balkens, die alle
Bestandteile der somatosensorischen Cortices sind (Parvizi & Damasio, 2001). Im Rahmen von
Damasios Bewusstseinstheorie wird dieses Abbild auch als Proto-Selbst bezeichnet. Kann es
nicht aufrecht erhalten werden, sind schwere Bewusstseinsstörungen die Folge.
Löst nun ein Objekt (ein äußerer Reiz oder ein Gedanke) eine Emotion aus, so wird zum
einen die Veränderung im Körperzustand registriert, aber auch das Abbild des Objektes selbst
über Aktivität des basalen Vorderhirns, der Hirnstamm-Kerne sowie thalamocortikaler Modulation verstärkt. Die registrierten Veränderungen sind die somatischen Marker, die einer Wahrnehmung oder einer Idee ihre emotionale Bedeutung verleihen. Die Rückmeldung körperlicher
Empfindungen sind damit für Damasio der zentrale Bestandteil einer Emotion, der gesamte
Vorgang wird auch als Körperschleife bezeichnet. Die Tatsache, dass die Rückmeldung der
Körperveränderungen unter Umständen auch direkt im Gehirn erzeugt werden kann, ohne wirklich stattgefunden zu haben, eine sog. Als-ob-Körperschleife, ändert nichts an seiner grundsätzlichen Auffassung, dass Emotionen ohne Körper nicht möglich wären, denn eine Als-ob-
39
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.3 DAMASIO
Körperschleife kann nur dann Wirkung zeigen, wenn ihr wirkliche Körpererfahrungen vorausgingen.
2.3.5 Was ist mit der subjektiven Empfindung, dem Gefühl?
Bis zu diesem Punkt wird die Emotion zwar als körperliche Veränderung gefühlt und hat auch
schon Auswirkungen auf beispielsweise das Entscheidungsverhalten, sie muss aber noch nicht
bewusst sein. Für die mentale Repräsentation einer Emotion verwendet Damasio den Ausdruck
Gefühl, nur weist er darauf hin, dass es ein Unterschied ist, ein Gefühl zu haben (das ist unter
2.3.4 erläutert worden) oder ein Gefühl zu fühlen.
War im ersten Fall ein äußerer Reiz oder ein Gedanke der Auslöser, so muss im zweiten
Fall die mentale Repräsentation der körperlichen Veränderung zum auslösenden Objekt der
Schleife werden. Anders ausgedrückt: in dem Moment, in dem ein Organismus erkennt, dass
ein Reiz bei ihm eine Veränderung bewirkt hat, führt dies zu einer erneuten Änderung seines
Körperzustands, die wieder rückgemeldet und gegebenenfalls bewusst wird, und damit fühlt er
ein Gefühl. Damasio macht damit klar, dass Menschen unbewusst Gefühlte haben können (s.
Damasio, 2000, Beginn des zweiten Kapitels).
2.3.6 Welche Bedeutung haben Kognitionen für eine Emotion?
Kognitionen können eine Emotion auslösen, indem sie über ihre Verknüpfung mit einer dispositionalen Repräsentation im präfrontalen Cortex eine Änderung des im Gehirn abgebildeten Körperzustands bewirken. Dieser Ansatz betont gerade, dass, da der momentane Körperzustand
ständig repräsentiert und angepasst wird, der Großteil der Gedanken und Vorstellungen mit
einem mehr oder weniger starken affektiven Wert versehen ist, auch wenn dieses emotionale
Label zumeist nicht bewusst wahrgenommen wird. Seine Präsenz wird erst dann deutlich, sobald es aufgrund von Gehirnläsionen nicht mehr verfügbar ist und zu offensichtlich 'unvernünftigen' Entscheidungen führt. Ob eine Kognition bewusst als emotional erlebt wird, hängt davon
ab, wie stark die von ihr ausgelöste körperliche Veränderung ist und der Tatsache 'Gedanke
löste körperliche Veränderung aus' Aufmerksamkeit geschenkt wird.
2.3.7 Wie lassen sich Emotionen klassifizieren?
Damasio nimmt die Emotionen Glück, Trauer, Wut, Angst, Ekel und Überraschung als primär an
(Damasio, 2000a). Diese Auswahl begründet er nicht weiter, genauso wenig wie die Tatsache,
dass Überraschung in der Auflistung zunächst nicht enthalten war (s. 2.3.3). Die übrigen Emotionen wie Stolz oder Scham sind sekundär und kommen im Laufe individuellen Entwicklung
hinzu, wobei er in einer Anmerkung einräumt, dass sie ebenfalls in einem gewissen Umfang
biologisch angelegt sind (Damasio, 2000a, 2. Kap., Anmerkung 13).
Als dritte Gruppe sind die Hintergrundemotionen zu nennen, die durch innere Regulationsprozesse ausgelöst werden und in ihrer Wirkung ebenfalls hauptsächlich auf das innere Milieu
gerichtet sind. Beispiele sind Angespanntheit oder Mutlosigkeit, von Stimmungen lassen sie
40
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.4 DISKUSSION
sich durch ihre kürzere Dauer abgrenzen. Die entsprechenden Körperrepräsentationen, die
etwa die Intero- und Propriozeption betreffen, sind weniger dynamisch als die der primären oder
sekundären Emotionen. Damasio glaubt, dass Hintergrundemotionen der evolutionäre Vorläufer
von primären und sekundären Emotionen waren (Damasio, 2000a, 2. Kap. Anmerkung 11).
2.3.8 Fazit
Wie insbesondere in den letzten beiden Abschnitten deutlich wurde, geht es Damasio weniger
darum, Emotionen zu klassifizieren, sondern darzustellen, wie sehr die ihnen zugrunde liegenden Prozesse Erleben und Verhalten generell beeinflussen. Auslöser ist immer eine im Gehirn
registrierte Veränderung des Körperzustandes, die im Falle einer Als-ob-Körperschleife nicht
einmal tatsächlich stattgefunden haben muss und deren Auswirkung längst nicht auf Affekte
beschränkt ist. Ohne ein ständig aktualisiertes Abbild des Körperzustands, das Proto-Selbst,
gäbe es keines der genannten Phänomene. Die Kernaussagen seiner Forschung betreffen
insgesamt also eher eine Bewusstseins- als eine Emotionstheorie.
Emotionen mit ihrer Nähe zu Trieben und ihrem Körperbezug sind in diesem Zusammenhang womöglich in erster Linie als Gegenstück zu abstrakten und 'körperlosen' Kognitionen zu
sehen. Sie dienten Damasio als Ausgangspunkt, um zu belegen, wie sehr auch höhere Denkprozesse oder Konstrukte wie Gewissen an einen Körper und seine Regulationsprozesse gebunden sind. Gerade dieser Verwendung des Emotionsbegriffs dürfte es allerdings zu verdanken sein, dass Damasios Ansatz der bekannteste der neueren Emotionstheorien ist und die
Aufmerksamkeit anderer Disziplinen wie Ökonomie (Bechara & Damasio, 2005) auf neurowissenschaftliche Forschung zu Emotionen gelenkt hat.
2.4 Diskussion
Die bisher geschilderten Theorien erklären Emotionen als Ergebnis physiologischer Prozesse
im Köper, insbesondere dem Gehirn. Den kompaktesten Ansatz hat Rolls, der als Grundlage
allen emotionalen und motiviationalen Verhaltens die Amygdala und den orbitofrontalen Cortex
annimmt, die den Verstärkerwert von Reizen und Verhaltenszielen codieren. Ein solch reduktionistischer Ansatz, bei dem allen Objekten ein Wert zugewiesen wird, der dann das Verhalten
bestimmt, hat sicherlich den Vorteil, dass man ihn gut am Computer simulieren kann. Nach dem
Prinzip, dass das Ergebnis eines Erregungsmusters ein Wert ist, der dann auf die beteiligten
Neurone aufgeteilt wird, was zu einer Modifikation des zugrunde liegenden Netzes führt, arbeiten neuronale Netze in der Informatik. Nicht umsonst findet sich in Emotion Explained (Rolls,
2005) ein langer Anhang zu neuronalen Netzen und Rolls ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu diesem Thema, z.B. Neural Networks and Brain Function (Rolls & Treves, 1998). Was
sich damit allerdings weniger gut darstellen lässt, ist die Wirkung von Neuropeptiden und
-hormonen, die, von wenigen Zellen in den Extrazellulärraum ausgeschüttet, die Arbeitsweise
des Gehirns global beeinflussen. Ihre Bedeutung für Emotionen wird bei Rolls wenig berücksichtigt.
41
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.4 DISKUSSION
Die Tatsache, dass emotionale Signale nicht nur durch Nervenzellen, sondern auch humoral vermittelt werden, führt Damasio an, um zu erklären, wieso Querschnittsgelähmte, deren
neuronale Verbindungen zur Körperperipherie unterbrochen sind, dennoch Emotionen haben
können, was sie aufgrund der 'klassischen' James-Lange-Theorie, die ausschließlich auf peripherem Feedback beruht, nicht können dürften. Auf diese und andere Erweiterungen der James-Lange-Annahme durch Damasio (2000, insb. 9. Kap) geht Rolls wenig ein, sondern beschreibt Damasios Annahme der somatischen Marker als eine "abgeschwächte Version der
James-Lange-Theorie der Emotionen aus dem 19. Jahrhundert" (Rolls, 2005, S.28). Seine Kritik
betreffen unter anderem die Ineffizienz der Integration einer körperlichen Rückmeldung bei der
Informationsverarbeitung (Rolls, 2005, S.29) sowie die Tatsache, dass Damasios Modell, das
die Einbeziehung des Körpers für unverzichtbar hält, nicht auf einem Computer implementiert
werden könne (Rolls, 2005, S.424). An Panksepps Ansatz, der als zentralen Aspekt von Emotionen einen jeweils spezifischen Handlungsimpuls annimmt, der vor allem über HirnstammSysteme vermittelt wird, stört Rolls, dass es unökonomisch sei, in Genen spezifische Verhaltensweisen zu codieren (Rolls, 2005, S.30), also ebenfalls ein eher informationstheoretisches
Argument. Bewusstsein und das bewusste Erleben von Emotionen beruhen nach ihm auf einem
linguistischen System, in dem Pläne entworfen werden und das in der Lage ist, über seine eigenen Pläne nachzudenken: "It is suggested that it feels like something to be an organism or
machine that can think about its own (syntactic and semantically grounded) thoughts." (Rolls,
2005, s. 423).
Insgesamt entsteht der Eindruck, dass Rolls zugunsten einer stringenten und vollständig
formalisierbaren Theorie, die er zugegebenermaßen bis hin zu Einzellzellableitungen belegt, die
Vielschichtigkeit von Emotionen stark reduziert, wenn er als einziges Kriterium den Verstärkerwert gelten lässt und dabei auch die Existenz verschiedener Basisemotionen ablehnt. Überspitzt könnte man sagen, Rolls' Ansatz wirkt teilweise etwas emotionslos.
Panksepp und Damasio stehen sich inhaltlich näher: Beide betonen die Bedeutung von
Neuromodulatoren und phyologenetisch alten Strukturen wie dem Hirnstamm, den sie als
Grundlage menschlichen Bewusstseins ansehen (Damasio, 2000a; Panksepp, 2000, 2005)
sowie der Rolle subcortikaler Schaltkreise beim bewussten Emotionserleben (Damasio et al.,
2000; Liotti & Panksepp, 2004). Fühlen ist für beide keine spät in der Entwicklung hinzugekommene Erweiterung, sondern zentraler Bestandteil. Damasio legt seinen Schwerpunkt dabei auf
eine Bewusstseintheorie und den Einfluss von Emotionen auf das Entscheidungsverhalten,
wobei für ihn die Repräsentation des aktuellen Körperzustands die Grundlage aller Prozesse
bildet.
Für Panksepp hingegen ist das Fühlen eines Affekts die Grundlage des menschlichen
Bewusstseins, und er spricht auch Tieren eine Vorstufe von Gefühlen zu, ein affektives Bewusstsein. Damasios Emotionsbegriff ist ihm zu passiv, entscheidend ist der Handlungsimpuls
und der damit verbundene affektive Zustand des Organismus, nicht allein die Rückmeldung
körperlicher Vorgänge. Panksepp betont, Emotionen seien nicht bloß eine Variante sensori-
42
NEUROWISSENSCHAFTLICHE EMOTIONSTHEORIEN – 2.4 DISKUSSION
scher Qualitäten wie Geschmack oder Wahrnehmung der Farbe 'rot', sondern hätten im Unterschied dazu einen energetisierenden Aspekt, der umfassende Aktivierung des ZNS und eine
Verhaltensintention beinhaltet (Panksepp, 2003a). Dementsprechend sind die HirnstammSysteme nicht lediglich für die Ausführung emotionaler Verhaltensreaktionen verantwortlich,
sondern Initiatoren sämtlicher mit einer Emotion einhergehenden Veränderungen. Diesen
Schaltkreisen hat Panksepp ein Großteil seiner Forschung gewidmet und sich um eine differenzierte Beschreibung sowie Zuordnung zu einzelnen Grundemotionen bemüht. Damasio nimmt
seine Basisemotionen ohne weitere Begründung als gegeben an, Panksepp beschreibt detailliert, welche Neuronengruppen und Neuromodulatoren dafür verantwortlich sind (Panksepp,
2001). Seiner Meinung nach nutzen soziale Emotionen wie Trennungsstress oder Spieltrieb
nicht die selben Schaltkreise wie Angst oder Wut, sondern beruhen auf eigenen Systemen im
Hirnstamm (Panksepp, 2003a). Auch wenn der Großteil seiner Erkenntnisse an Tieren gewonnen ist und ihre Gültigkeit für den Menschen teilweise noch belegt werden muss, so stellt Panksepps Ansatz eine umfassende Erweiterung gerade für die Bereiche dar, in denen Damasio
aufgrund seines Schwerpunktes 'Bewusstsein' etwas undifferenziert bleibt.
43
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.1 GENERELLE MERKMALE VON APPRAISAL-THEORIEN
3 Psychologische Emotionstheorien
Erklärungsansätze zum Wesen und Bedeutung der Emotion bietet die Psychologie zahlreiche.
So führt das Handbuch Emotionspsychologie (Otto et al., 2000) unter dem Abschnitt 'Emotionstheorien' allein zehn Kapitel auf, in denen unter einer Überschrift jeweils mehrere inhaltlich verwandte Konzepte zusammengefasst besprochen werden.
Angesichts dieser Vielfalt muss für die vorliegende Arbeit eine Auswahl getroffen werden.
Es kommen nur Ansätze in Frage, die einen spezifischen Bezug zu physiologischen Variablen
vornehmen und deren zentrale Aussagen sich mit denen neurowissenschaftlicher Emotionstheorien in Verbindung setzen lassen, gleichzeitig aber über deren Erkenntnisse hinausgehen.
Zahlreiche Postulate evolutionspsychologischer Emotionstheorien (z.B. Plutchik3) sind etwa in
den Theorien von Rolls oder Panksepp ebenfalls zu finden, dort allerdings durch detaillierte
neuroanatomische Befunde untermauert. Macht man diese Einschränkung, sind es vor allem
Einschätzungs-/ Bewertungstheorien (engl.: appraisal), die hier in Frage kommen. Ansätze zu
emotionsspezifischer Mimik, Aktivität des autonomen Nervensystems und damit einhergehenden peripherphysiologischen Veränderungen werden in einem eigenen Kapitel (3.4, S.58) erläutert.
3.1 Generelle Merkmale von Appraisal-Theorien
Die gemeinsame Annahme aller Einschätzungs-/Bewertungs-/Appraisal-Theorien ist, dass die
kognitive Bewertung einer Situation oder eines Reizes für eine Emotion entscheidend ist. 'Kognitiv' muß dabei nicht 'bewusst' bedeuten, sondern meint je nach Autor nahezu jede Form der
Informationsverarbeitung. Ebenso wird 'Bewertung' unterschiedlich verwendet, als allgemeine
Eingrenzung lässt sich vielleicht zunächst 'bezüglich der Zielförderlichkeit' ergänzen. Recht
kompakt stellen Oatley und Johnson-Laird (1987) dar, wie sich dieses Prinzip zur Erklärung von
Emotionen anwenden lässt.
3.1.1 Der Ansatz von Oatley & Johnson-Laird
Oatley und Johnson-Laird nehmen das menschliche kognitive System als modular organisiert
an, wobei jedes Modul eine eigenständige 'Verarbeitungseinheit' darstellt, die, einmal aktiviert,
ein bestimmtes Ziel verfolgt und zu seiner Erreichung Pläne entwickelt bzw. abarbeitet. Da zumeist mehrere kognitive Module aktiv sind, werden gleichzeitig auch mehrere Ziele verfolgt. In
sehr deutlicher Anlehnung an Computer- und Betriebssystemarchitektur nehmen die Autoren
eine Prozesshierarchie an, in der Emotionen eine Möglichkeit darstellen, bei Bedarf Prozesse
zu aktivieren oder zu deaktivieren. Sie treten dann auf, wenn sich die Erfolgswahrscheinlichkeit
eines bestimmten Planes ändert oder ein entscheidender Moment (engl.: juncture) in der Planabarbeitung erreicht ist, was ggf. eine Plananpassung erfordert (Oatley & Johnson-Laird, 1987).
3
für eine Zusammenfassung s. Meyer et al. (1997)
44
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.2 LAZARUS
Emotionen haben demnach innerpsychisch die Funktion, die multiplen Ziele einer Person angesichts beschränkter Ressourcen zu koordinieren. Sie werden nach außen kommuniziert, um
anderen Personen Wendepunkte in gemeinsamen oder voneinander abhängigen Plänen mitzuteilen. Fünf Emotionen werden dabei von den Autoren als grundlegend angenommen, aus denen sich im Zusammenspiel mit einem sozialen Umfeld komplexere Emotionen ergeben. Tab.
3.1.1 listet die Auslöser dieser Emotionen, ihre Auswirkungen auf die Zielverfolgung sowie aus
ihnen abgeleitete soziale Emotionen auf.
Tab. 3.1.1: Basisemotionen, ihre Auslöser, ihre Auswirkungen auf die Zielverfolgung und aus ihnen abgeleitete soziale
Emotionen bei Kleinkindern und Erwachsenen. Nach Oatley & Johnson-Laird (1987).
Wendepunkt im Plan
Zustand, in den
gewechselt wird.
soziale Emotion
bei Kleinkindern
soziale Emotion
bei Erwachsenen
Unterziele sind
erreicht
mit Plan weitermachen, ggf. modifizieren
Zuneigung
(engl.: attachment)
sexuelle Liebe,
Vergnügen
Traurigkeit
Versagen eines größeren
Plans oder Verlust eines
aktiven Ziels
mache nichts /
suche neuen Plan
Verlust
Depression,
Enttäuschung
Angst
Selbsterhaltungsziel
bedroht
stoppen, Umwelt
beobachten bzw.
fliehen
Trennungsangst
Peinlichkeit, Horror
Wut
Aktiver Plan wird
behindert
Stärker versuchen /
zeige Aggression
Wut
Rachsucht,
Bitterkeit
Ekel
Gustatorisches Ziel
verletzt
Substanz zurückweisen bzw. sich
zurückziehen
Ekel
Mißfallen,
Abscheu
Basisemotion
Euphorisch
Freude
Dysphorisch
Auch wenn Tab. 3.1.1 durchaus Entsprechungen zu Panksepps Basisemotionssystemen
erkennen lässt (vgl. Tab. 2.2.2 S.34), so sind die Beschreibungen doch sehr allgemein und es
entsteht - verstärkt durch die technische Sprache - der Eindruck, dass hier mit einiger Mühe
Emotionen in ein kognitives Modell eingearbeitet werden sollen, das sich fast stärker am Computer als am Menschen orientiert, etwa wenn Traurigkeit als 'Verlust eines aktiven Ziels' beschrieben wird. Der Entwurf von Oatley & Johnson-Laird läßt allerdings die Grundzüge kognitiv
orientierter Ansätze gut erkennen, die von den folgenden Autoren zu umfassenderen Emotionstheorien ausgearbeitet wurden.
3.2 Lazarus
Neben Magda B. Arnold prägte vor allem Richard S. Lazarus den Begriff des 'appraisal' als
Auslöser einer Emotion (Reisenzein, 2000). Befasste er sich zunächst in erster Linie mit der
Stressbewältigung (engl.: coping), so erweiterte er seinen Ansatz später auf Emotionen allgemein, um 'Stress' umfassender erklären zu können. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass
objektiv identische Situationen von verschiedenen Personen völlig unterschiedlich erlebt wurden und dementsprechend zu unterschiedlichen Emotionen bzw. Stressniveaus führte
45
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.2 LAZARUS
(Lazarus, 1991). Lazarus schloss daraus, dass das Entscheidende nicht die Situation selbst,
sondern ihre subjektive Bewertung ist. Diese vollzieht sich in zwei Prozessen: In der primären
Bewertung wird ein Ereignis bezüglich der grundsätzlichen Bedeutung für das eigene Wohlbefinden beurteilt, in der sekundären Bewertung werden die individuellen Bewältigungsmöglichkeiten mit herangezogen. Da Stress in engem Zusammenhang mit negativen Emotionen steht,
bilden diese beiden Bewertungsabläufe auch den Kern seiner Emotionstheorie, wofür sie allerdings weiter differenziert wurden:
Primäre Bewertung:
1.
Zielrelevanz: Ist ein Ereignis für persönliche Ziele relevant? Nur persönlich relevante Ereignisse führen zu einer
Emotion
2.
Zielkongruenz oder -inkongruenz: Ist ein Ereignis den persönlichen Zielen förderlich oder hinderlich? Ersteres
führt zu positiven, letzteres zu negativen Emotionen.
3.
Art der Ich-Beteiligung: Welche Aspekte der Ich-Identität sind betroffen? Lazarus gibt folgende Beispiele (1991,
S. 102):
− Selbstwertgefühl/soziales Ansehen; moralische Werte
− Ich-Ideale
− Sinnfragen (engl.: meanings), Ideen
− andere Personen und ihr Wohlbefinden
− Lebensziele
Sekundäre Bewertung:
4.
Verursachung: Wer hat das Ereignis zu verantworten? Bei einem zielinkongruenten Ereignis wird Schuld zugewiesen, bei einem kongruentem Ereignis Anerkennung.
5.
Bewältigungspotential: Kann die Person ihrer Einschätzung nach das Ereignis bewältigen?
6.
Zukunftserwartung: Werden sich die Dinge zum Guten oder zum Schlechten wenden?
Den Ablauf der primären Bewertung haben Oatley und Jenkins (1996) als Entscheidungsbaum
mit einigen typischen Emotionen veranschaulicht (s. Abb. 3.2.1).
46
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.2 LAZARUS
Abb. 3.2.1: Ablauf der primären Bewertung von Lazarus (1991) als Entscheidungsbaum mit beispielhaften Emotionen.
Nach Oatley & Jenkins (1996).
Damit jedoch nicht der Eindruck entsteht, es handele sich um reine Bewertungsstufen, die der
Reihe nach abgearbeitet werden bzw. auch von außen abgefragt werden könnten und dann zu
einem endgültigen 'Ergebnis', der jeweiligen Emotion, führen, sind folgende Erweiterungen zu
berücksichtigen:
• Lazarus bezeichnet seine Theorie ausdrücklich als eine Systemtheorie, in der es vorher
feststehende (antezedente) Variablen, vermittelnde Prozesse und Ergebnisvariablen gibt,
die alle voneinander abhängig sind. Während Persönlichkeitseigenschaften beispielsweise
antezendente Variablen darstellen, sind Bewertung und Bewältigung(spotential) gerade
nicht vorher festgelegt, sondern vermittelnde Prozesse. Darüber hinaus erfolgt die Bewertung kontinuierlich - eine einmal entstandene Emotion wird Teil des weiteren Bewertungsprozesses und kann so sein Ergebnis verändern. Die Tatsache, dass ähnliche Situationen
bei der gleichen Person ähnliche Emotionen auslöst, ist das Struktur-Prinzip, die Veränderlichkeit einer emotionalen Reaktion das Prozess-Prinzip. Bei jeder Emotion kommen beide
Prinzipien zum Tragen. Analog ist die Bewertung ebenfalls nicht lediglich Ursache, sondern
auch Bestandteil einer Emotion (Reisenzein et al., 2003).
• bewertet werden nicht äußere Reize losgelöst von einer Person, sondern stets PersonUmwelt-Beziehungen, weshalb Lazarus den Begriff der relationalen Bedeutung verwendet.
Anstelle von 'Ereignis' hätte in der Auflistung zu Beginn von 3.2 treffender 'Person-UmweltInteraktion' stehen müssen, worauf zugunsten der Verständlichkeit aber verzichtet wurde.
Die Wichtigkeit der zweiten Erweiterung, der relationalen Bedeutung wird bereits in Lazarus'
Definition von Emotionen deutlich.
47
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.2 LAZARUS
3.2.1 Definition und Funktion von Emotionen
In Emotion and adaptation (1991) nennt Lazarus eine eigene Definition von Emotionen, die das
bisher Gesagte aufgreift:
"Emotions are organized psychophysiological reactions to news about ongoing relationships with the environment. "News" is colloquial for knowledge or beliefs about
the significance for personal well-being of the person-environment relationship. The
quality (e.g. anger versus fear) and intensity (degree of mobilization or motorphysiological change) of the emotional reaction depends on subjective evaluations –
I call these cognitive appraisals – of this knowledge about how we are doing with respect to our goals in the short- and long-run, and on the action tendency that points
to the terms of the relationship. This significance depends on the interplay of a person's goals and beliefs and a provocative environmental context. Emotions are, in
effect, organized cognitive-motivational-relational configurations whose status
changes with changes in the person-environment relationship as this is perceived
and evaluated (appraised). "(Lazarus, 1991, S.38).
Seine Emotionstheorie bezeichnet er ebenfalls als 'kognitiv-motivational-relational', um deutlich
zu machen, dass Auslöser einer Emotion stets eine subjektiv vorgenommene Bewertung einer
Person-Umwelt-Beziehung ist, die Auswirkungen auf die Motivation dieser Person hat. 'Motivation' hat dabei für Lazarus zwei Aspekte: Zum einen relativ stabile Eigenschaften im Sinne von
'Motiven', in denen sich eine etablierte Wert- und Zielhierarchie ausdrückt. Diese Motive entstehen im Laufe der individuellen Entwicklung und gehen letztendlich auf Sinneserfahrungen wie
Schmerz oder Genuss zurück. Zum anderen meint Motivation die Mobilisierung geistiger und
körperlicher Ressourcen, um in einer konkreten Situation etwas zu erreichen oder zu verhindern. Während der erste Aspekt eine der vor der emotionalen Reaktion bereits feststehenden
antezendenten Variablen ist, beschreibt die zweite Bedeutung einen Teil des Reaktionsprozesses. Die Möglichkeit, auf Anforderungen der Umwelt-Person-Beziehung angemessen schnell
und flexibel, reagieren zu können, ist für Lazarus die Hauptfunktion von Emotionen (Reisenzein
et al., 2003).
3.2.2 Welche Rolle spielen die körperlichen Veränderungen?
Die körperlichen Veränderungen ergeben sich aus der primären Bewertung und werden damit
Bestandteil der emotionalen Reaktion. Lazarus spricht wie Damasio (s. 2.3.2, S.37) vom embodiment einer Emotion und sagt klar, dass die körperlichen Reaktionen ein definierendes Merkmal von Emotionen sind (Lazarus, 1991, S.58f.). Die Idee spezifischer physiologischer Reaktionsmuster für einzelne Emotionen ist seiner Meinung nach durchaus nützlich, allerdings weist
er auf zwei methodische Probleme bei ihrer Erfassung hin:
− jede emotionale Episode beinhaltet mehr als nur eine Emotion, oft blenden mehrere ineinander über.
− so lange es keine klare Vorstellung gibt, welche Handlungsimpulse und kognitive Einschätzungen während einer Emotion stattfinden, ist auch nicht klar, was die physiologischen
Veränderungen, die man misst, zu bedeuten haben.
48
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.2 LAZARUS
Der zweite Einwand deutet die Beantwortung der Frage nach der Bedeutung von bewussten
Vorstellungen für eine Emotion schon an.
3.2.3 Welche Bedeutung haben Kognitionen und subjektives Erleben für eine Emotion?
Bewertungen sind für Lazarus hinreichend und notwendig für eine Emotion. Um dem Namen
seiner Theorie gerecht zu werden, weitet er den Begriff der Kognition allerdings sehr stark aus
und fasst auch sämtliche subcortikalen Prozesse darunter, wie etwa die von LeDoux geschilderte 'schnelle Route' der Reizverarbeitung bei einer Angstreaktion (s. 1.3.3, S.15), so lange es
sich nicht um angeborene Reflexe handelt (Lazarus, 1991). Die entsprechende primäre Bewertung legt die motivationale Bedeutsamkeit einer Situation fest und ist für die physiologische
Veränderungen verantwortlich, die sekundäre für positive oder negative Gefühle. Welche Bedeutung er der subjektiven Empfindung beimisst, wird deutlich, wenn er mutmaßt, dass eine
detaillierte Analyse der Selbstberichte womöglich besser dazu geeignet ist, Emotionen voneinander zu unterscheiden als die Methoden der Hirnforschung (Lazarus, 1991, S.436).
3.2.4 Wie lassen sich Emotionen klassifizieren?
Lazarus behandelt Emotionen als Kategorien, wobei jede Emotionsgruppe ein gemeinsames
core relational theme sowie einen typischen Handlungsimpuls aufweisen sollte. Das core relational theme wiederum ist auf ein jeweils typisches primäres und sekundäres Bewertungsmuster
zurückzuführen. Tab. 3.2.1 gibt eine Übersicht über einzelne Emotionen und zugehörige core
relational themes, eine umfangreichere Auflistung findet sich auch in Mitmannsgruber (2003).
Tab. 3.2.1: Auswahl von Emotionen, ihrem core relational theme und dem zugehörigen Handlungsimpuls nach Lazarus
(1991).
Emotion
core relational theme
Handlungsimpuls
Wut
Ein herabsetzender Angriff auf mich und die Meinen
attackieren
Furcht
einer unmittelbaren, konkreten und überwältigenden
physischen Gefahr ausgesetzt sein
fliehen
Angst
unsicherer existentieller Bedrohung ausgesetzt sein
irgendwie entrinnen
Trauer
Einen unwiderrufbaren Verlust erfahren haben
sich zurückziehen
Ekel
Ein ungenießbares Objekt oder eine ungenießbare
Idee (metaphorisch) aufnehmen oder zu nahe sein
sich übergeben bzw.
Kontakt vermeiden
Freude
Merklichen Fortschritt zur Realisierung eines Zieles
machen
anderen mitteilen
Stolz
Erhöhung der Ich-Identität, indem man sich eine eigene
Leistung oder die eines Gruppenmitglieds anrechnet.
andere auf den Anlass
aufmerksam machen
Liebe
Sehnsucht nach oder Erleben von Zuneigung,
gewöhnlich aber nicht zwingend reziprok
körperliche Nähe des
Anderen suchen
49
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.2 LAZARUS
Trotz der Verknüpfung einer Emotion mit einem Handlungsimpuls lehnt Lazarus 1991 die Annahme neuronal verankerter 'Affektprogramme' wie etwa Panksepp sie macht (s. 2.2.3, S.31)
jedoch ab, für ihn ist beim Menschen jede Komponente eines solchen Programms flexibel. Die
Tatsache, dass bestimmte Situationen typischerweise zu bestimmten Handlungsimpulsen führe,
liege am core relational theme, das die entsprechende Handlung impliziere, bedeute aber noch
nicht, dass der Impuls auch 'hard-wired' sein müsse. In Scherer et al., (2001) drückt Lazarus
seinen Standpunkt so aus: "I am suggesting that an unknown combination of biology and human experience results in universal (across cultures) or built-in connections the human mind
identifies between each emotion and the relational meaning on which it depends." (Lazarus,
2001), und legt so nahe, dass er zumindest für die Identifizierung emotionsauslösender Umstände spezifische vorangelegte Schaltkreise nicht mehr ausschließt, was als Annäherung an
einen Basisemotions-Ansatz verstanden werden kann (Zentner & Scherer, 2000). Über die feste Kopplung mit einem spezifischen Reaktionsmuster ist damit allerdings noch nichts ausgesagt. Ob ein Affektprogramm bei Tieren zudem überhaupt den gleichen Emotionsnamen verdiene wie beim Menschen, sei grundsätzlich schlecht zu klären, bei Ratten werde beispielsweise zutreffender von 'Aggression' als von 'Wut' gesprochen (Lazarus, 1991). Neben der Aufteilung in bestimmte Gruppen hält Lazarus noch die Dimension 'Intensität' zur Bewertung einer
Emotion für nützlich.
3.2.5 Fazit
Lazarus war mit seinen frühen Arbeiten zu Stress, z.B. Psychological stress and the coping
process (Lazarus, 1966) daran beteiligt, den Behaviorismus als vorherrschende Denkrichtung
der Psychologie abzulösen und subjektive Bewertung und Vorstellungen wieder in das Zentrum
psychologischer Forschung zu stellen. Mit Fokus auf diesen Aspekt versucht er, Emotionen zu
erklären, wobei insbesondere sein Anspruch, es seien stets kognitive Bewertungen, die eine
Emotionen auslösen, nicht immer überzeugt. So erwähnt er zu Beginn seines Buches das Erlebnis eines Kollegen, der aus gesundheitlichen Gründen seine Herzrate kontinuierlich überwachen musste und dabei feststellte, dass er in den Fakultätssitzungen seines Instituts starke
Erregung zeigte, obwohl er der Überzeugung war, dieser Situation in erster Linie zynisch distanziert gegenüberzustehen. Hier sind bewusste kognitive Bewertung und unbewusste Einschätzung offensichtlich im Widerspruch und es ist zu fragen, ob es nicht besser wäre, für beide
unterschiedliche Begriffe zu wählen, zumal sich inzwischen zeigt, dass in vielen Fällen auch
unterschiedliche Hirnregionen beteiligt sind (LeDoux, 1998). Lazarus macht dies nicht, womöglich um zu vermeiden, dass Kognition, Motivation und Emotion als getrennte Phänomene betrachtet werden, da seiner Meinung nach alle miteinander untrennbar verbunden sind, eine
Sichtweise, die auch in den neurowissenschaftlichen Ansätzen, etwa von Damasio, propagiert
wird.
Wiederholt wehrt sich Lazarus allerdings dagegen, emotionale Prozesse auf neurophysiologische Veränderungen zu reduzieren, da letztere Emotionen lediglich auf einer niedrigeren Ana-
50
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.3 SCHERER
lysestufe beschreiben können bzw. ohne Verknüpfung mit den entsprechenden psychischen
Phänomenen nichts weiter als "Anatomie" (Lazarus, 1991, S. 187) seien. Insgesamt bespricht
er die im Jahre 1991 verfügbaren Erkenntnisse der Neurowissenschaft (etwa von Panksepp
und LeDoux) jedoch ausgesprochen fair und der Leser hat den Eindruck, dass er in erster Linie
verhindern möchte, dass die Komplexität menschlicher Emotionen, für die er eine Fülle von
Beispielen zusammengetragen hat, erneut unter einem zu reduktionistischen Blickwinkel betrachtet wird. Auf der anderen Seite ist sein systemtheoretischer Ansatz, in dem jede Variable
durch jede beeinflusst wird, nahezu nicht zu falsifizieren und die Abgrenzung zu anderen theoretischen Konzepten erscheint teilweise etwas willkürlich, wenn er etwa erklärt, dass er lieber
von tendeny to act als action tendency wie Frijda es tut, spricht (Lazarus, 1991, S. 22).
3.3 Scherer
Klaus Scherer ist ein Beispiel für die Gruppe Forscher, die unmittelbar von Lazarus Sichtweise
beeinflusst wurden. Auch wenn er seinen Ansatz Anfang der achtziger Jahre und damit vor
Lazarus Emotionstheorie (1991) entwickelte (Reisenzein et al., 2003), so bildet doch die Idee
der subjektiven Bewertung, die von Lazarus und Arnold seit den sechziger Jahren propagiert
wurde, die Grundlage (Scherer, 1987). Einzelne Bestandteile lassen zudem unmittelbar einen
Bezug zur Kritik an Lazarus' Standpunkt, insbesondere dem Primat der kognitiven Bewertung,
erkennen. Die folgende Beschreibung orientiert sich zumeist an dem Text von 1987, da Scherer
in späteren Veröffentlichungen immer wieder auf diese frühe ausführliche Arbeit verweist
(Scherer, 2001) und sie auch auf der Homepage4 seines Instituts als zentral beschrieben wird.
Soweit sich im jüngsten verfügbaren Artikel (Sander et al., 2005) Veränderungen finden, wird
dies explizit erwähnt.
3.3.1 Definition von Emotionen
Für Scherer besteht eine Emotion aus fünf Komponenten, die jeweils eine typische Funktion
repräsentieren und denen je ein organismisches Subsystem zugeordnet ist.
• Die kognitive Komponente: Bewertung eines Ereignisses; erfolgt durch das informationsverarbeitende Subsystem. Dazu gehört der periphere sensorische Apparat und das ZNS.
• Die neurophysiologische Komponente: System-Regulation; erfolgt durch das SupportSubsystem, das im wesentlichen aus endokrinem und autonomen Nervensystem besteht. In
den jüngeren Versionen (Sander et al., 2005; Scherer, 2001) wird diese Komponente als
peripheral efference component bezeichnet.
• Die motivationale Komponente: Vorbereitung und Ausrichtung von Handlungen; erfolgt
durch das exekutive Subsystem, das sich aus ZNS-Strukturen, die in Planen, Entscheiden
und Handlungsvorbereitung involviert sind, zusammensetzt.
4
http://www.unige.ch/fapse/emotion/publications/geneva_studies.html
51
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.3 SCHERER
• Die expressive Komponente: Kommunikation der Reaktion und Intention; erfolgt durch
das Handlungs-Subsystem, das mit dem somatischen Nervensystem, das die Skelettmuskulatur steuert, gleichzusetzen ist.
• Die subjektive Gefühlskomponente: Überwachen, Aufmerksamkeit steuern und reflektieren; erfolgt durch das Monitor-Subsystem. Hiermit sind ZNS-Strukturen, die den Status der
anderen Subsystem überwachen und sämtliche eingehende Informationen integrieren, gemeint.
Scherer (1987) betont, dass diese Aufteilung funktional ist und die Zuordnung zu neuronalen
Systemen noch nicht vollständig möglich ist. Einzelne Schritte des Bewertungsprozesses setzt
er später jedoch mit bestimmten ZNS-Strukturen in Verbindung, worauf unter 3.3.3.1 eingegangen wird. Emotionen sind nun definiert als eine Sequenz voneinander abhängiger, synchronisierter Veränderungen aller (Scherer, 1987, 1990, 1993) bzw. der meisten (Sander et al., 2005;
Scherer, 2001) organismischen Subsysteme als Reaktion auf die Bewertung eines Ereignisses
als relevant für zentrale Belange des Organismus. Diese Bewertung wird vom informationsverarbeitenden Subsystem in Form von stimulus-evaluation-checks (SECs) durchgeführt
3.3.1.1 Der Bewertungsprozess
Nach Scherer erfolgt der Bewertungsprozess sequentiell und in einer festen Reihenfolge, wobei
jeder SEC mehrere subchecks beinhaltet. Die Liste dieser subchecks wurde angepasst, weshalb hier die nach Sander et al. (2005) aktuelle Form gemäß Scherer (2001) wiedergegeben
wird. Insgesamt erfolgen die SECs hinsichtlich vier Bewertungszielen:
1.
Relevanz: Wie relevant ist das Ereignis für den Organismus oder seine soziale Referenzgruppe?
a)
Neuheits-Check
i)
Auftretens-Plötzlichkeit/Abruptheit: hängt mit der Reizintensität zusammen und führt ggf. zu Orientie-
ii)
Familiarität mit dem Objekt oder Ereignis
iii)
Vorhersagbarkeit des Auftretens aufgrund vergangener Beobachtungen
rungsreaktion
b)
Intrinsische Angenehmheit: als reine Reizeigenschaft, unabhängig von Zielen und Bedürfnissen des Orga-
c)
Ziel-/Bedürfnisrelevanz in Bezug auf die momentane Ziel-/Bedürfnishierarchie
nismus
2.
Implikationen: Abschätzung der Implikationen für das Wohlergehen und langfristige Ziele
a)
Kausale Attribution: Wer oder was ist für das Ereignis verantwortlich? Welche Intention könnte dahinter stecken?
3.
b)
Ergebniswahrscheinlichkeit
c)
Erwartungsdiskrepanz: Inwieweit entspricht die eingetretene Situation den Erwartungen?
d)
Ziel-/Bedürfnisförderlichkeit: Ereignisse, die hinderlich sind, führen zu Frustration
e)
Dringlichkeit: hat einen direkten Einfluss auf die sympathische Aktivität des ANS
Bewältigungspotential: Welche Reaktionsmöglichkeiten gibt es und welche Konsequenzen werden sie haben?
a)
Allgemeine Kontrollierbarkeit: Inwieweit kann das Ergebnis generell kontrolliert werden?
b)
Individuelle Kontrollierbarkeit durch das Individuum selbst (Power-Check)
c)
Anpassungspotential (falls das Ereignis mit seinen Konsequenzen nicht zu ändern ist): Inwieweit kann man
sich damit arrangieren?
52
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.3 SCHERER
4.
Normative Signifikanz: Signifikanz bezüglich des Selbstkonzepts sowie sozialer Normen und Werte
a)
Eigene Standards: In welchem Verhältnis steht das Ereignis zu den persönlichen Normen und Werten?
b)
Äußere/soziale Standards: In welchem Verhältnis steht das Ereignis zu Normen und Werten der sozialen
Gruppe?
Die einzelnen stimulus-evaluation-checks sind nicht als dichotome Abfragen zu verstehen, sondern sind so abgestuft und differenziert, wie es die Informationsverarbeitungs-Kapazitäten des
jeweiligen Organismus erlauben (Scherer, 2001). Das Ergebnis jedes Bewertungsschritts hat
Auswirkung auf die vier übrigen Subsysteme, deren Veränderung dann in den weiteren Bewertungsprozess mit einbezogen werden. Abb. 3.3.1 zeigt den gesamten Vorgang und die beteiligten Subsysteme in einer umfangreichen Graphik. Während die SECs innerhalb der Bewertungsziele Relevanz, Implikationen, Bewältigungspotential, normative Signifkanz simultan abgefragt werden können, muss vor dem Erreichen des nächsten Bewertungsziels das aktuelle Bewertungsziel zumindest vorläufig abgeschlossen werden. Vorläufig betont dabei, dass die Bewertung weder einmalig ist noch im ersten Durchlauf endgültig sein muss, sondern auf verschiedenen Verarbeitungsniveaus stattfinden kann, wie z.B. im Fall des Schattens in der Dunkelheit, vor dem man zunächst erschrickt, der sich dann aber als harmlos herausstellt.
53
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.3 SCHERER
Abb. 3.3.1: Komponenten des Bewertungsprozesses nach Sander et al. (2005). Die vier stimulus evaluation checks
(SEC) Relevanz, Implikationen, Bewältigungspotential und Normative Signifikanz im Anschluss an ein Ereignis haben
Auswirkungen auf die beteiligten Subsysteme, die wieder übergeordnete kognitive Funktionen beeinflussen (gepunktete
Linien). Für weitere Erläuterungen s. Text.
3.3.2 Welche Bedeutung haben Kognitionen und subjektives Erleben für eine Emotion?
Scherer definiert 'Kognition' sehr allgemein als Reizkodierung bzw. -transformation (Scherer,
1993). Zusätzlich nimmt er in Anlehnung an Leventhals Unterscheidung mehrere Ebenen der
Informationsverarbeitung an (Leventhal & Scherer, 1987):
• die sensorimotorische Ebene: Merkmals-Entdeckung durch Reflexsysteme, die auf spezifische Reizmuster spezialisiert und größtenteils angeboren sind.
• schematische Ebene: erlernte Reaktionen auf spezifische Reizmuster im Sinne von
Schemata, weitestgehend automatisiert und unbewusst.
• konzeptuelle Ebene: propositional-symbolische Repräsentationen und Transformationen,
größtenteils bewusst, überwiegend cortikal
Der Bewertungsprozess findet auf allen drei Ebenen statt und die subjektive Repräsentation,
das Gefühl, sorgt dabei dafür, die einzelnen Bewertungsschritte zeitlich zu integrieren sowie
das Ergebnis dem Bewusstsein zugänglich zu machen. Für das Verhältnis von tatsächlich stattgefundenen Veränderungen und bewusster sowie verbalisierbarer Repräsentation nimmt Scherer dabei ebenfalls eine Dreiteilung an, die an einem Diagramm verdeutlicht wird (s. Abb. 3.3.2).
• im Monitor-Subsystem sind sämtliche Veränderungen in den anderen Subsystemen repräsentiert (Kreis A)
54
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.3 SCHERER
• davon ist allerdings nur ein Teil bewusst (Kreis B)
• und ein noch geringerer Teil kann verbalisiert bzw. kommuniziert werden (Kreis C)
Abb. 3.3.2: Verhältnis von tatsächlichen Veränderungen (A), bewusster Repräsentation (B) und verbalisierbarem Anteil
(C) einer Emotion. Nach Sander et al. (2005)
Ob es beabsichtigt ist, dass die Kreise sich lediglich überlappen und nicht ineinander verschachtelt sind, wird im zugehörigen Text (Sander et al., 2005) nicht weiter erläutert. Dass
längst nicht alle regulatorischen Prozesse (Kreis A) bewusst sind (Kreis B), ist offensichtlich und
wurde im Rahmen des Ansatzes von Damasio ausführlich dargestellt. Ebenso ist nachvollziehbar, dass nicht alle bewussten Repräsentationen verbalisiert werden können, sondern nur ein
Teil, die Schnittmenge von Kreis B und C in Abb. 3.3.2. Wenn aber Kreis A und C eine gemeinsame Schnittmenge haben, die nicht von Kreis B geteilt wird, würde das bedeuten, dass es
Anteile emotionaler Erfahrung gibt, die auf tatsächlichen Veränderungen beruhen (Kreis A) und
verbalisiert werden können (Kreis C), ohne bewusst zu sein. Eventuell ist hier an Phänomene
wie Freudsche Versprecher gedacht, die Autoren machen allerdings keine Angaben dieser Art.
3.3.3 Welche Rolle spielen die körperlichen Veränderungen?
Jedem Schritt des Bewertungsprozesses sind typische körperliche Veränderungen zugeordnet,
die sich aus der inhaltlichen Bedeutung des Checks für den Organismus ergeben. Für die ersten beiden stimulus-evaluation-checks Neuheit und Relevanz sind dies physiologische Veränderungen gemäß einer Orientierungs- oder Defensivreaktion, für die weiteren Bewertungsstufen
Voraussagen in Anlehnung an die grundsätzliche Funktion des ANS als ergotrop (Sympathikus)
bzw. trophotrop (Parasympathikus) (Scherer, 1987, 2001). Ist ein Ereignis beispielsweise zielförderlich und erfordert für einen günstigen Ausgang keine aktive Bewältigung, so überwiegt der
trophotrope Einfluss, muss der Organismus jedoch Hindernisse überwinden, um das Ziel zu
erreichen, wird der sympathische Einfluss stärker und bei mangelnder Bewältigbarkeit werden
wie bei einer Stressreaktion Katecholamine und Corticosteroide ausgeschüttet. Die Voraussagen für Gesichtsmuskelaktivität beruhen auf dem Facial Action Codings System (FACS) von
55
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.3 SCHERER
Ekman und Friesen (1978) und wurde in eigenen Studien überprüft (Kaiser & Wehrle, 2001).
Wie bei den physiologischen Veränderungen liegt auch hier die Überlegung zugrunde, dass
sich der Gesichtsausdruck einer emotionalen Episode aus der Summe der den einzelnen SECs
zugeordneten Veränderungen ergibt. Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Einfluss der Bewertungsschritte auf die menschliche Stimme, auf das im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht
eingegangen wird. Für eine Übersicht siehe Johnstone et al., (2001).
3.3.3.1 Neuroanatomische Grundlagen
Die Definition der emotionalen Subsysteme, der stimulus-evaluation-checks sowie der physiologischen Veränderungen ist in erster Linie funktional und bis auf einige Ausnahmen ohne detaillierten Bezug zu neuronalen Strukturen. Als neuronales Substrat für den Neuheits-Check
nimmt Scherer jedoch in späteren Veröffentlichungen unter Berufungen auf Studien von LeDoux (Scherer, 1993) bzw. in Sander et al., (2005) von Sander et al., (2003) unter anderem die
Amygdala an, da eine Beschreibung als 'Relevanz-Detekor' den zahlreichen Befunden zu ihrer
Aktivität in den unterschiedlichsten Situationen besser gerecht werde als eine Assoziation mit
'Angst' oder 'erregenden negativen Emotionen'. Weitere Strukturen, die vor allem aufgrund von
Studien zu ereigniskorrelierten Potentialen (ERPs) an der Beurteilung der Neuheit eines Ereignisses beteiligt sind, sind der dorsolaterale Cortex, die temporo-parietale Verbindung und der
posteriore Teil des Hippocampus (Sander et al., 2005).
3.3.4 Wie lassen sich Emotionen klassifizieren?
Auch für die Klassifizierung von Emotionen ist der Bewertungsprozess mit seinen stimulusevaluation-checks zentral: prinzipiell gibt es so viele emotionale Zustände wie mögliche Kombinationen von SEC-Ergebnissen, also unendlich viele (Zentner & Scherer, 2000). Damit spricht
Scherer sich eindeutig gegen einen Basisemotions-Ansatz aus (Scherer, 2001), genauso wie
gegen einen dimensionalen Ansatz mit den Achsen 'Valenz' und 'Erregung' (Sander et al.,
2005). Die Tatsache, dass manche Emotionen für allgemeingültig gehalten werden, sei vielmehr darauf zurückzuführen, dass bestimmte Bewertungsmuster besonders häufig auftreten.
Diese Emotionen bezeichnet Scherer als modale Emotionen. Zum Vergleich mit dem Ansatz
von Lazarus sind in Tab. 3.3.1 soweit in Scherer (2001) angegeben, die SEC-Muster für die
gleichen Emotionen wie in Tab. 3.2.1 (S.49) aufgelistet.
56
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.3 SCHERER
Tab. 3.3.1: Bewertungsmuster für ausgewählte modale Emotionen nach Scherer (2001). Abs.=Absicht; neg.=negativ
Bewertungsschritt
Relevanz
Neuheit
Plötzlichkeit
Familiarität
Vorhersagbarkeit
Intrinsische Angenehmeit
Ziel-/Bedürfnisrelevanz
Wut
Angst
Trauer
Ekel
Freude
Stolz
hoch
niedrig
niedrig
offen
hoch
hoch
niedrig
niedrig
niedrig
hoch
niedrig
niedrig
offen
offen
hoch
offen
niedrig
niedrig
Sehr niedrig
niedrig
hoch
offen
niedrig
offen
hoch
offen
offen
offen
offen
hoch
andere
Absicht
sehr hoch
offen
hinderlich
mittel
andere
offen
hoch
diskrepant
hinderlich
hoch
offen
Zufall/neg.
sehr hoch
offen
hinderlich
niedrig
offen
offen
sehr hoch
offen
offen
mittel
offen
Zufall/Abs.
sehr hoch
offen
sehr hoch.
niedrig
selbst
Absicht
sehr hoch
offen
hoch
niedrig
hoch
mittel
hoch
offen
sehr niedrig
niedrig
sehr niedrig
sehr niedrig
mittel
offen
offen
offen
offen
offen
mittel
offen
offen
hoch
offen
niedrig
offen
offen
offen
offen
offen
offen
offen
offen
sehr hoch
hoch
Implikationen
Grund: Wer?
Grund: Warum?
Ergebniswahrscheinlichkeit
Erwartungsdiskrepanz
Zielförderlichkeit
Dringlichkeit
Bewältigungspotential
Allg. Kontrollierbarkeit
Indiv. Kontrollierbarkeit
Anpassungspotential
Normative Signifikanz
Eigene Standards
Äußere/soziale Standards
3.3.5 Fazit
Anders als Lazarus, der für die kognitive Bewertung relativ allgemeine Bewertungskriterien annimmt, hat Scherer den Bewertungsprozess detailliert in einzelne Schritte bzw. Abfragen aufgeschlüsselt. Dem Vorwurf einer Überbetonung kognitiver Anteile versucht er zu begegnen, indem
er 'kognitiv' sehr allgemein definiert und zudem verschiedene Verarbeitungsniveaus annimmt,
auf denen eine Bewertung stattfinden kann. Dennoch wirkt sein Ansatz teilweise kognitivistischer als der Lazarus', etwa wenn man sich sein Bewertungsmuster für 'Ekel' anschaut, das so fordert er - in jedem Fall komplett durchlaufen wird. Lazarus' knappe Beschreibung "einem
ungenießbaren Objekt zu nahe sein" erscheint hier treffender, auch was mögliche Auswirkungen auf andere Subsysteme angeht, die er allerdings zugegebenermaßen nicht spezifiziert.
Scherer macht dies sehr genau, es ist jedoch nicht immer klar, inwieweit es sich dabei um Annahmen oder empirisch ermittelte Zusammenhänge handelt. Erschwert wird die Beurteilung
dadurch, dass er zum Beleg seiner Aussagen häufig auf andere eigene Veröffentlichungen oder
die seiner Gruppe verweist. So werden beispielsweise die physiologischen Veränderungen im
Rahmen der stimulus-evaluation-checks im Text von 1987 als "Voraussagen" bzw. "Hypothesen" bezeichnet (Scherer, 1987). Im Text von 2001 wird die gleiche Tabelle allerdings erneut
abgedruckt, da noch nicht genug Befunde gesammelt seien, sie umfassend zu aktualisieren
(Scherer, 2001) und im Artikel von Sander et al. (2005) auf die Tabelle von 2001 und damit von
1987 verwiesen. Soweit sie dem Autor vorliegen, beziehen sich die empirisch überprüften physiologischen Veränderungen auf Erfolgs-/ bzw Misserfolgserlebnisse bei Computerspielen
(Kaiser & Wehrle, 2001; van Reekum et al., 2004) und dem Identifizieren von am PC erzeugten
57
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.4 PERIPHERPSYCHOLOGISCH ORIENTIERTE ANSÄTZE
emotionalen Gesichtsausdrücken (Wehrle et al., 2000), Versuchsanordnungen, die vermutlich
überwiegend kognitive Ressourcen beanspruchen. In Übersichts-Artikeln betont Scherer indes
immer, dass sein Komponenten-Prozess-Modell die meisten anderen Ansätze beinhaltet und
subsumiert Forschung zu Gesichtsausdrücken oder verbalen Beschreibungen unter seine Subsysteme (Scherer, 1990, 1999, 2000; Zentner & Scherer, 2000). Panksepps Ansatz etwa fällt
als Schaltkreis-Modell ähnlich wie Ekman unter die Emotionsansätze, die auf das HandlungsSubsystem abstellen (Scherer, 2000).
Scherers Umgang mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen ist mitunter eher eklektisch:
LeDoux würde sicherlich dagegen Einspruch erheben, dass aus seinen Studien das Fazit gezogen wird, die Amygdala sei nicht primär mit der Verarbeitung von angstbezogenen Reizen
befasst (s. 3.3.3.1, S.56 bzw. LeDoux, 2000), und wenn Sander, Grandjean und Scherer (2005)
weiter unter der Überschrift "Cognitive neuroscience of appraisal processes" schreiben "…no
model, to our knowledge, has focused on the appraisal component using a cognitive neuroscience approach." (S.326), so fragt man sich sofort, was denn mit Rolls' Ansatz ist, zumal dieser
explizit die Nähe seiner Theorie zu Appraisal-Modellen, unter anderem dem von Scherer, angibt
(Rolls, 2005, S.30)5. Legt man Scherers eigene Definition von 'Kognition' als 'Reizkodierung'
(Scherer, 1993) zugrunde, so wäre Rolls' Bestimmung des Belohnungswerts durchaus darunter
zu fassen, und auch der Bezug zum SEC 'intrinsische Angenehmheit' ist offensichtlich. In gleicher Weise hat Rolls zur Rolle der Amygdala bei der Entdeckung von neuen oder positiven
Reizen geforscht. Ergebnisse aus The Brain and emotion (Rolls, 1999) werden zwar zitiert, aber
dabei der Eindruck erweckt, es handele sich um neuroanatomische Befunde, deren Verknüpfung mit einer Emotionstheorie schwierig bleibt (Sander et al., 2005).
3.4 Peripherpsychologisch orientierte Ansätze
Die Erklärung der körperlichen Veränderungen im Rahmen einer Emotion war in der Einleitung
als ein zentraler Unterschied vieler Emotionstheorien genannt worden (s. 1.4.1, S.17) und in
gleicher Weise wurden die körperlichen Veränderungen immer wieder dazu genutzt, das Wesen
von Emotionen zu erklären, von James (1884) bis Damasio (s. 2.3, S.37). Da in diesem Bereich
eine strikte Trennung von psychologischer und neurowissenschaftlicher Forschung nicht sinnvoll ist, sei auf die leicht veränderten Schwerpunkte der im folgenden vorgestellten Ansätze
hingewiesen, durch die sie sich von den bisher geschilderten neurowissenschaftlichem Theorien unterscheiden:
–
sie beruhen in erster Linie auf Untersuchungen am Menschen.
–
es werden verstärkt (Selbst-)Einschätzungen mittels Fragebögen oder Ratingskalen erfasst,
die das Erleben einer Emotion betreffen.
5
Rolls selbst hält seinen Ansatz natürlich den Appraisal-Theorien für überlegen, da er ihre Bewertungsschritte auf das
Wesentliche reduziert (Rolls, 2005, S. 30).
58
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.4 PERIPHERPSYCHOLOGISCH ORIENTIERTE ANSÄTZE
–
gemessen und interpretiert werden vor allem 'klassische' psychophysiologische Signale wie
Hautleitfähigkeit, Muskelspannung oder Herzaktivität. Ausgangspunkt sind also eher periphere Auswirkungen neuronaler Aktivität als zentralnervöse Veränderungen selbst.
Darüber hinaus sind die Arbeiten häufig weit mehr an bestimmte experimentelle Paradigmen
oder spezifische Aspekte einer emotionaler Reaktion gebunden – etwa den 'Schreckblinzler' bei
Bradley & Lang oder Mimik bei Ekman – als neurowissenschaftliche Theorien, die für sich in
Anspruch nehmen, Affekt grundsätzlich und mitunter für Mensch und Tier gleichermaßen zu
erklären. Bei den folgenden Modellen handelt es sich daher nicht immer um vollständige Emotionstheorien, sondern eher um Erklärungsansätze für einzelne Komponenten menschlicher Emotionen, so dass zu den bisher angeführten Punkten wie 'neuroanatomische Grundlagen'
teilweise keine Angaben gemacht werden können und die Erläuterung sich auf die wesentlichen
Aspekte beschränkt. Gleichzeitig erweitert und ergänzt der jeweilige Schwerpunkt die bislang
geschilderten allgemeinen Theorien.
3.4.1 Ekman
Paul Ekman befasst sich angeregt durch Silvan Tomkins (1962) seit Mitte der sechziger Jahre
mit menschlicher Mimik, insbesondere der Universalität emotionaler Gesichtsausdrücke
(Ekman, 2003b). Zu diesem Zweck befragte er und Kollegen zahlreiche alphabetisierte Kulturen
sowie zwei Urvölker auf Neuguinea ohne Schriftsprache (die South Fore und die Dani), denen
er Photographien von Gesichtsausdrücken vorlegte und sie bat, ihnen eine bestimmte Emotion
oder eine emotionsauslösende Geschichte zuzuordnen bzw. den zur Geschichte passenden
Gesichtsausdruck zu machen (Ekman, 1988, 1999b). Um die Auswertung zu systematisieren,
entwickelte er zusammen mit Wallace Friesen das Facial Action Coding System [FACS] (Ekman
& Friesen, 1978), das typische Muskelbewegungen als Acion Units codierte, und aus dem wiederum bestimmte Kombinationen zum Emotional Facial Action Coding System [EMFACS] zusammengefasst werden konnten (Ekman, 1988). Als Ergebnis dieser Forschung postulierte
Ekman eine neuro-kulturelle Theorie des Gesichtsausdrucks, die neuronal angelegte und universelle emotionsspezifische Gesichtsausdrücke annimmt, wobei die Konventionen zum offenen Zeigen dieser Emotion (display rules) und die Coping-Bestrebungen kulturell vermittelt
werden. In gleicher Weise sind Gesichtsausdrücke zur Illustration einer Aussage sowie als
symbolische Gesten (Embleme) von emotionsspezifischer Mimik abzugrenzen (Ekman, 1988,
1994). Diese eigentlich auf Gesichtsausdrücke bezogene Theorie erweiterte Ekman auf Emotionen allgemein, da Gesichtsausdrücke Teil der zugrunde liegenden Affektprogramme seien.
3.4.1.1 Wie lassen sich Emotionen klassifizieren?
Wie die Annahme emotionsspezifischer Mimik nahe legt, plädiert Ekman für Basisemotionen,
an die er folgende Anforderungen stellt (Ekman, 1999a):
• 'Distinktive universelle Signale' im Sinne von Gesichtsausdrücken: obwohl dieser Punkt
am heftigsten kritisiert wurde (z.B. Russell, s.u.), hält Ekman daran fest und erklärt umge-
59
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.4 PERIPHERPSYCHOLOGISCH ORIENTIERTE ANSÄTZE
kehrt, man solle ihm eine Emotion nennen, die alle anderen Kriterien erfüllt, aber kein spezifisches Signal aufweist (Ekman, 1999a, S. 47).
• Emotionsspezifische Physiologie: hier verweist Ekman vor allem auf Studien, die er zusammen mit Levenson und Friesen durchgeführt hat (Ekman et al., 1983; Levenson et al.,
1990, 2002), und bei denen Versuchspersonen mittels des Directed Facial Action Task emotionstypische Gesichtsmuskebewegungen vorgegeben wurden, die das entsprechende
Affektprogramm aktivieren und so die jeweilige Emotion induzierten, was wiederum zu Veränderungen im ANS, insbesondere der Herzrate führte (Levenson et al., 1990). Eine Bewertung dieser Ergebnisse erfolgt in Kap. 4 (Emotionen und peripherphysiologische Maße).
• Automatische Bewertungsmechanismen, gerichtet auf:
• Distinktive universelle vorausgehende Ereignisse, ähnlich der core relational themes
von Lazarus (s. 3.2.4, S.49)
• Distinktives Auftreten in der Entwicklung: Auch wenn die Affektprogramme biologisch
vorbestimmt sind, so glaubt Ekman, dass sie sich erst im Laufe der individuellen Entwicklung entfalten (Ekman, 2003b) und nicht bereits frühzeitig vollständig differenziert sind
(Ekman, 1999a).
• Vorhandensein in anderen Primaten: In Anlehnung an Darwin ist Ekman der Überzeugung, dass sich Vorläufer der menschlichen Emotionen auch bei anderen Primaten finden
lassen.
So
überprüfte
er
die
menschliche
Interpretation
von
Schimpansen-
Gesichtsausdrücken, deren Emotion er durch einen erfahrenen Primaten-Forscher einschätzen ließ, und fand große Übereinstimmung (Ekman, 1999b).
Neben diesen zentralen Merkmalen nennt er noch weitere, die verstärkt das menschliche Emotionserleben betreffen, wie rasches und ungebetenes Auftreten sowie spezifische subjektive
Erfahrung und Gedanken oder Erinnerungsbilder, was er vor allem in seinen eher populärwissenschaftlichen Büchern, etwa Emotions revealed (2003a, zu Deutsch Gefühle lesen (Ekman,
2004)) an Beispielen erläutert. Kern seiner Forschung bleibt jedoch der Gesichtsausdruck, mit
dessen Bedeutung er sich auch in anderen Zusammenhängen, etwa der Aufdeckung von Täuschungsversuchen, beschäftigt (Ekman, 2003a, 2003c; Ekman et al., 1999).
3.4.2 Russell
James Russell gehört zu den schärfsten Kritikern von Ekmans Annahme, Gesichtsausdrücke
seien universell und der Ausdruck von diskreten Basisemotionen (Russell & Fernandez-Dols,
1997), weshalb er an dieser Stelle aufgeführt wird. Für Russell sind Gesichtsausdrücke in erster
Linie ein Kommunikationsmittel und damit nur eingeschränkt mit der jeweils erlebten Emotion
verknüpft (Russell, 1997). Als Beispiel führt er eine Studie von Fernandez-Dols und Ruiz Belda
(1997) an, die mit Hilfe des FACS (Ekman & Friesen, 1978) die Gesichtsausdrücke von Sportlern bei den Olympischen Spielen 1992 während der Medaillenverleihung analysierten: obwohl
der zugrunde liegende Zustand, Freude über den errungenen Sieg, vermutlich die gesamte Zeit
60
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.4 PERIPHERPSYCHOLOGISCH ORIENTIERTE ANSÄTZE
über anhielt, lächelten die Goldmedaillengewinner nur beim Erhalt der Medaille, einer sozialen
Interaktion, nicht aber, während sie vor dem Podest warteten bzw. ihre Nationalhymne gespielt
wurde (Fernandez-Dols & Ruiz-Belda, 1997). Eine solch originelle Herangehensweise ist in der
Kontroverse zwischen Ekman und Russell allerdings eher die Ausnahme, den größten Teil
nimmt methodische Kritik ein, die von beiden Seiten mit ziemlicher Härte vorgetragen wird, etwa
wenn Ekman (1994) Russell als Reaktion auf einen kritischen Artikel (Russell, 1994) in einer
Antwort in der gleichen Zeitschrift unterstellt, die Varianzanalysen falsch gerechnet zu haben.
Und auch fast 10 Jahre später kann Russell nicht davon absehen, schon im Abstract einer Veröffentlichung festzustellen: "That emotional expressions express emotions is a tautology but
may not be a fact." (Russell et al., 2003). Dabei möchte Russell nicht leugnen, dass Gesichtsausdrücke mit Emotionen in Verbindung stehen können, nur räumt er dem jeweiligen Kontext eine höhere Bedeutung ein und verweist darauf, dass sie mehr als mit einer spezifischen
Emotion mit den beiden Dimensionen Erregung und Valenz zusammenhängen (Russell et al.,
2003).
3.4.2.1 Wie lassen sich Emotionen klassifizieren?
Grundlage jeder Emotion ist ein der momentane Aktivierungszustand eines Organismus sowie
die zugehörige hedonische Qualität oder Valenz, was Russell als core affect bezeichnet. Die
bewusste Repräsentation dieses affektiven Zustands ist ein nicht weiter spezifisches Gefühl, ein
raw feeling. Wird eine Änderung in diesem momentanen Zustand mit einem Objekt (ein vorausgegangenes Ereignis, eine Vorstellung o.ä.) verknüpft, entsteht daraus ein attribuierter Affekt.
Der Bewertungsprozess geht jedoch weiter und führt dazu, dass ggf. instrumentelle Aktionen
ergriffen oder geplant werden, um den momentanen Zustand zu ändern oder beizubehalten.
Sämtliche physiologischen Veränderungen sind von dieser instrumentellen Handlung abhängig.
Sobald eine Person all diese Veränderungen an sich feststellt, ordnet sie sich selbst eine Emotion zu, wobei die Zuordnung anhand von mentalen Prototypen erfolgt, was an Scherers modale
Emotionen (s. 3.3.4, S.56) erinnert. Dass Emotionen häufig kategorial erscheinen, liegt an den
Worten, mit denen sie benannt werden, und die nur eine kategoriale Zuordnung erlauben
(Russell & Feldman Barrett, 1999). Russells methodische Kritik an Ekmans Arbeit bezieht sich
daher auch häufig auf die Aufgaben der Versuchspersonen, bestimmten Gesichtsausdrücken
einen Emotionsbegriff mittels forced choice zuzuordnen (Lindquist et al., 2006; Russell, 1994).
Er selbst hat seit Mitte der 70iger Jahre (Mehrabian & Russell, 1974) immer wieder den aktuellen affektiven Zustand mittels Fragebögen oder Ratingskalen erfragt und stets die erwähnten
zwei Dimensionen gefunden, die bei ihm rechtwinkelig angeordnet sind (s. Abb. 3.4.1). Andere
Ansätze, etwa Watson und Tellegens Positiver und Negativer Affekt (Watson et al., 1988), die
eine Kopplung von Erregung und Valenz annehmen (= sehr positive oder sehr negative Zustände sind immer mit hoher Erregung verbunden) konnte er in sein Modell überführen (Yik et al.,
1999). Die ursprünglich angegebene dritte Dimension 'Dominanz' (Mehrabian & Russell, 1974)
wird in jüngeren Veröffentlichungen (Lindquist et al., 2006; Yik et al., 1999) nicht mehr erwähnt.
61
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.4 PERIPHERPSYCHOLOGISCH ORIENTIERTE ANSÄTZE
Abb. 3.4.1: Russells Circumplex mit den beiden Basisdimensionen Valenz (x-Achse) und Aktivierung (y-Achse) sowie
Position typischer Emotionen. Aus Russell & Feldmann Barrett (1999).
3.4.2.2 Welche Rolle spielen die körperlichen Veränderungen?
Die körperlichen Veränderungen, Gesichtsmuskelaktivität genauso wie solche des ANS oder
der Stimme, ergeben sich für Russell ausschließlich aus dem core affect sowie einer intendierten oder bereits erfolgten instrumentellen Handlung, die situationsspezifisch ist. Je nach Umständen kann Angst zu einer Herzratenbeschleunigung oder -verlangsamung führen, je nachdem, ob Flucht oder Totstellen sinnvoller erscheint. Dies geht so weit, dass er in der jüngsten
verfügbaren Zusammenfassung seiner Theorie (Russell, 2003) behauptet: "Indeed, the present
analysis predicts that there is no neural circuit, peptide, or other biological marker that is unique
to fear (or any other discrete emotion)." (S. 151). Wie seine Analyse neurowissenschaftliche
Erkenntnisse zur Rolle von Neuropeptiden berücksichtigt, die Russell bekannt sein müssten,
denn er zitiert Panksepps Affective Neuroscience (1998) im gleichen Artikel, wird nicht weiter
ausgeführt, genauso wenig wie eine offensichtliche Ähnlichkeit von Russells core affect zum
Protoselbst bei Damasio, der überhaupt nicht erwähnt wird. Bezüglich der Annahme emotionsspezifischer ANS-Aktivierung bei Ekman verweist er auf eine Metaanalyse (Cacioppo, Berntson
et al., 2000), die bisher wenig Bestätigung dafür findet.
3.4.3 Bradley & Lang
Margaret Bradley und Peter Lang beziehen sich in Teilen ihrer Forschung ausdrücklich auf Erkenntnisse von Mehrabian & Russell (1974), und ziehen deren semantische Ratingskala beispielsweise heran, um ein eigenes Messinstrument, das Self-Assement Mannikin zu validieren
(Bradley & Lang, 1994), sind insgesamt jedoch stärker physiologisch orientiert. Das SelfAssement Mannikin (SAM, für ein Beispiel s. Abb. 3.4.2, S.65) dient dazu, Bilder o.ä. schnell
62
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.4 PERIPHERPSYCHOLOGISCH ORIENTIERTE ANSÄTZE
und kulturübergreifend hinsichtlich ihrer affektiven Qualität auf den Dimensionen Valenz, Erregung und (soziale) Dominanz bewerten zu können, um so standardisiertes Reizmaterial zu erhalten. Beispiele hierfür sind das inzwischen weit verbreitete International Affective Picture System (IAPS) (Lang et al., 2005) oder die Affective Norms for English Words (ANEW) (Bradley &
Lang, 1999). Einem einheitlichen Reizmaterial und experimentellen Setting kommt deshalb
besondere Bedeutung zu, weil sich nur so physiologische Reaktion reliabel auslösen und messen lassen.
3.4.3.1 Definition und Funktion von Emotionen
Emotionen entstanden für Bradley und Lang im Laufe der Evolution aus primitiven, reflexhaften
Handlungen, die die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöhten. Aufgrund dieses Ursprungs lässt
sich auf das Motivsystem, das menschliche Affekte begründet, die gleiche Unterteilung in Annäherung und Vermeidung anwenden, die Konorski (1967) zur Klassifizierung unkonditionierter
Reflexe verwendet (Lang, Bradley et al., 1997). Die Autoren betonen damit den Handlungsaspekt, weisen aber darauf hin, dass es beim Menschen aufgrund des höher entwickelten Nervensystems häufig bei einer Verhaltensdisposition bleibt. Neben einer erhöhten Fähigkeit zur
Verhaltenshemmung ist es vor allem das System der menschlichen Sprache, das über Probehandeln und längerfristiges Planen eine Verzögerung unmittelbarer Verhaltensreaktionen erlaubt (Bradley & Lang, 2000). Allerdings lassen sich nicht alle Komponenten einer emotionalen
Reaktion gleich gut beeinflussen, und insbesondere autonome sowie Gesichtsmuskelaktivität
unterliegt nur bedingt der bewussten Kontrolle.
3.4.3.2 Klassifikation von Emotionen und die Bedeutung körperlicher Veränderungen
Ursprung aller Emotion ist zunächst die hedonische Qualität eines Reizes für einen Organismus,
zurückzuführen
auf
die
grundsätzlichen
motivationalen
Tendenzen
Annä-
hern/Konsumieren bzw. Vermeiden/Abwehren, sowie die damit einhergehende Erregung, die
den Grad der generellen metabolischen und neuronalen Aktivierung widerspiegelt. Dieses Bewertungssystem ist sehr allgemein und wird deshalb als strategisch bezeichnet, je nach konkreter Situation kann allerdings bei gleicher Bewertung hinsichtlich der Valenz eine unterschiedliche Reaktion angebracht sein: Angst kann sowohl zu Totstellen als auch zu Flucht führen, was
Bradley & Lang als taktische Aspekte einer emotionalen Reaktion bezeichnen, die die körperlichen Veränderungen maßgeblich beeinflussen. Die Tatsache, dass in Untersuchungen für gleiche Emotionen unterschiedliche physiologische Veränderungen berichtet werden, ist nach Meinung von Bradley & Lang gerade darauf zurückzuführen, dass der jeweilige taktische Kontext
nicht gleich gehalten wurde (Lang et al., 1998). Typische physiologische Variablen, die besonders durch taktische Anforderungen beeinflusst werden, sind beispielsweise die Herzrate
(Bradley et al., 1996) sowie Gesichtsaudrücke (Bradley et al., 2001), wobei letztere zudem einen höheren Grad an Differenzierung als viele Kennwerte des ANS erlauben. Ekmans Befunde
emotionsspezifischer Gesichtsausdrücke werden so als 'taktisches Muster' bezeichnet, und
63
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.4 PERIPHERPSYCHOLOGISCH ORIENTIERTE ANSÄTZE
ähnlich werden spezifische Emotionen als untergeordnete Verhaltensorganisationen angesehen
(Lang et al., 1993), die immer dem Prinzip Annähern-Vermeiden folgen.
Um den Einfluss des jeweiligen Reizmaterials oder Settings möglichst gering zu halten,
bemühte sich die Gruppe um Bradley & Lang zum einen um standardisiertes Reizmaterial, zum
anderen etablierten sie ein experimentelles Paradigma, die Veränderung des Schreckblinzlers
(startle-modulation) als Folge des affektiven Gehalts eines Reizes, da dieser Reflex einen engen Bezug zum Defensivsystem bzw. der Basisdimension Valenz aufweist. Das International
Affective Picture System (IAPS) besteht den Literaturangaben nach zu urteilen seit 1988 (Lang
et al., 1988), in seiner jüngsten Version (Lang et al., 2005) umfasst es mehr als 900 Photographien unterschiedlichster Motive, wobei für jedes mittels dem Self-Assessment Mannikin (SAM)
(Bradley & Lang, 1994) an Normstichproben die Werte für Valenz, Arousal und soziale Dominanz erhoben wurden. Abb. 3.4.2 zeigt die Lage einer Auswahl von IAPS-Bildern im zweidimensionalen Raum von Arousal und Valenz sowie die zugehörige SAM-Skalierung. Die leicht
Bumerang-förmige Verteilung lässt erkennen, dass trotz entsprechender Bemühungen vor allem die Kombination 'hohe Erregung, aber weder positive noch negative Valenz' unterrepräsentiert ist, was wiederum mit der zugrunde liegenden motivationalen Struktur erklärt wird: hochgradig angenehme oder unangenehme Reize haben immer eine hohe Relevanz für den Organismus und führen damit zu einer hohen Aktivierung (Lang et al., 1998; Lang et al., 2005), wobei hier explizit auf Watson und Tellegen (Watson et al., 1988) verwiesen wird.
64
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.4 PERIPHERPSYCHOLOGISCH ORIENTIERTE ANSÄTZE
Abb. 3.4.2: Verteilung von IAPS-Bildern im mittels SAM-Rating skalierten zweidimensionalen Raum von Valenz (pleasure) und Erregung (arousal). Für einzelne Bilder sind die dargestellten Szenen benannt (schwarze Punkte) sowie in
kursiver Schrift prototypische emotionale Zustände angegeben. Aus Lang, Bradley et al (1997).
Die Bilder des IAPS dienten als Reizmaterial für zahlreiche Studien zu Veränderungen peripherphysiologischer Messgrößen wie Gesichtsmuskelaktivität, Hautleitfähigkeit und Herzrate (s.
Tab. 3.4.1). Da auf die einzelnen Biosignale in einem eigenem Abschnitt eingegangen wird, sei
hier nur zusammenfassend angemerkt, dass Gesichtsmuskelaktivität (m. zygomaticus, der
'Lach'-Muskel und m. corrugator, der 'Augenbrauen-Zusammenzieh'-Muskel) und Herzrate verstärkt mit Valenz assoziiert sind, während die Hautleitfähigkeit vor allem die Erregung widerspiegelt. Außerdem fällt auf, dass Interessantheit und Betrachtungdauer eines Bildes mit der
Valenz zusammenhängen: hoch angenehme wie unangenehme Bilder werden länger angeschaut und für interessanter befunden als neutrale (Schupp et al., 2004).
65
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.4 PERIPHERPSYCHOLOGISCH ORIENTIERTE ANSÄTZE
Faktor I
(Valenz)
Variable
Faktor II
(Erregung)
Nach Lang et al (1993)
Valenz-Rating
0.86
Corrugator-EMG
-0.85
0.00
0.19
Herzrate
0.79
-0.14
Zygomaticus-EMG
0.58
0.29
Arousal-Rating
0.15
0.83
Interesse-Rating
0.45
0.77
Betrachtungsdauer
-0.27
0.76
Hautleitfähigkeit
-0.37
0.74
Nach Cuthbert et al. (1988)
Valenz-Rating
0.89
0.07
Corrugator-EMG
-0.83
-0.10
Herzrate
0.73
-0.02
Arousal-Rating
-0.11
0.89
Hautleitfähigkeit
0.19
0.77
Tab. 3.4.1: Faktorstruktur und -ladung subjektiver Bewertung und diverser peripherphysiologischer Variablen. Nach
Bradley & Lang (2000).
Während die SAM-Bewertung der IAPS-Bilder sowie die Betrachtungsdauer die Verbindung zu
kognitiven Prozessen wie bewusster Gefühlseindruck oder Aufmerksamkeit ermöglicht, ist der
Schreckblinzler ein Reflex, der willentlich nicht kontrolliert werden kann. Ausgelöst wird er zumeist durch einen 90-100 dB lauten Ton (Lang et al., 1998), und je nach gerade verarbeitetem
Reiz ändert sich seine Amplitude und Auftretensgeschwindigkeit. Affektiv negativ bewertete
Reize führen zu einer Verstärkung der startle-Reaktion (engl.: startle potentiation), positive zu
einer Abschwächung, wobei auch das jeweilige Erregungsniveau über das Ausmaß der Veränderung entscheidet. Eine umfassende Darstellung der Einflüsse auf den startle-Reflex findet
sich in Lang, Simons et al., (1997), im Zusammenhang dieser Arbeit ist der Schreckblinzler vor
allem deshalb von Interesse, weil er auch bei anderen Säugetieren auftritt und so für Bradley &
Lang die Einbeziehung tierphysiologischer Studien in ihre Theorie erlaubt.
3.4.3.3 Neuroanatomische Grundlagen
Angaben zu neuroanatomischen Grundlagen beziehen sich bei Bradley und Lang in erster Linie
auf das Defensivsystem von Versuchstieren, z.B. Ratten, bei dem die Amygdala eine zentrale
Rolle spielt, weshalb wiederholt auf Studien von LeDoux verwiesen wird. In einer des öfteren
reproduzierten Grafik (Bradley & Lang, 2000; Lang, Bradley et al., 1997; Lang et al., 1998) wird
der Ablauf wie folgt zusammengefasst: der Reiz erreicht über den sensorischen Thalamus den
lateralen Nucleus der Amygdala, deren zentraler Nucleus dann drei Reaktionssysteme anregt:
• Aktivierung lateraler Bereiche des Hypothalamus führt zu den Veränderungen im ANS, z.B.
ansteigendem Blutdruck.
• Aktivierung des zentralen Höhlengraus führt zu aktiver Verteidigung wie Flucht oder Kampf
(dorsales Höhlengrau) bzw. Totstellen (ventrales Höhlengrau).
• Aktivierung des Nucleus reticularis pontis caudalis bewirkt die startle-Verstärkung.
66
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.4 PERIPHERPSYCHOLOGISCH ORIENTIERTE ANSÄTZE
Da diese Reaktionen nicht zeitgleich ablaufen und parallel zu ihnen auch das allgemeine Erregungsniveau ansteigt, sprechen Bradley und Lang von einer 'Defensiv-Kaskade', die sie in drei
Phasen unterteilen (Bradley et al., 2001; Lang, Bradley et al., 1997). Auf eine deutsche Übersetzung wird mangels gleichermaßen prägnanter Begriffe verzichtet und statt dessen die Originalbezeichnung der Phasen beibehalten:
1. Pre-encounter die Zeit kurz vor dem Auftreten des Bedrohungsreizes bzw. seiner vollständigen Identifikation. Unmittelbar mit dem Auftreten steigt sowohl die sympathische
als auch die parasympathische Aktivierung, erkennbar an erhöhter Hautleitfähigkeit und
gleichzeitiger Verlangsamung der Herzrate.
2. Post-encounter: Der Zeitraum im Anschluß an die eigentliche Begegnung, in der der
Bedrohungsreiz zwar identifiziert, aber noch keine geeignete Reaktion ermittelt wurde.
Wird in der ersten Hälfte dieser Phase ein startle-Reiz präsentiert, ist die Amplitude des
Schreckblinzlers vermindert, da die Aufmerksamkeit noch dem zuvor aufgetretenen aversiven Reiz zugewandt wird. In der zweiten Hälfte der Post-encounter-Phase führt ein
startle-Reiz jedoch zu verstärktem Schreckblinzler, da der vorherige Reiz inzwischen zu
einem Priming des Schutzreflexes in höheren motivationalen Zentren führte (Bradley et
al., 2001; Lang, Bradley et al., 1997). Die Hautleitfähigkeit steigt kontinuierlich weiter,
ebenso verlangsamt die Herzrate sich immer noch, weshalb diese Phase auch als
'Freezing' bezeichnet wird, in der noch keine offenen Reaktionen gezeigt werden. Gesteuert wird dieses Verhaltensmuster durch das ventrale PAG.
3. Circa-Strike: die aktive Verteidigung (fight/flight) wird initiiert, bei der Ratte moduliert
durch das dorsolaterale PAG. Schon vor der eigentlichen Reaktion erfolgt ein Anstieg
der Herzrate und verstärkter Blutfluss zur Muskulatur.
Die Verbindung zu menschlichem Verhalten während des Bildbetrachtens sehen Bradley und
Lang darin, dass die Post-encounter-Phase ebenfalls vollständig durchlaufen wird, inklusive der
Mobilisierung affektiver Ressourcen. Der nicht-reale Charakter der Reize und die Laborsituation
beeinträchtigt dies nicht (Bradley et al., 2001; Lang, Bradley et al., 1997).
Für die Verarbeitung angenehmer Reize ist kein entsprechend elaboriertes Modell vorhanden, da die Attraktivität eines Bildreizes o.ä. hier weit mehr vom momentanen Zustand des Betrachters abhängt - Photographien von Speisen oder Getränken sind vor allem dann interessant,
wenn man Hunger hat oder durstig ist. Versuchsreihen mit Bildern erotischen Inhalts erbrachten, dass es wie zu erwarten zu einer Hemmung des startle-Reflexes sowie einem Anstieg der
Hautleitfähigkeit kommt. Die Herzrate sinkt zu Beginn der Post-encounter-Phase leicht ab,
steigt dann aber anders als bei negativen Reizen an (Bradley et al., 2001), unterscheidet sich
insgesamt jedoch weniger deutlich von neutralen Bildern als die aversiven (Bradley et al., 1996;
Bradley & Lang, 2000). Nichtsdestotrotz handelt es sich bei den beiden Motiv-Systemen um
zwei unabhängige Systeme, die auch beide gleichzeitig aktiviert werden können, etwa wenn ein
Reiz sowohl negative als auch positive Merkmale hat und so zunächst zu einem Oszillieren
67
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.4 PERIPHERPSYCHOLOGISCH ORIENTIERTE ANSÄTZE
zwischen den Verhaltenstendenzen Annähern oder Vermeiden führt, wobei dann beide zu einen Anstieg des Arousals beitragen (Bradley & Lang, 2000; Lang, Bradley et al., 1997). Als
neuronale Grundlage für das Appetenz-System wird etwas allgemein auf die Bedeutung des
nucleus accumbens verwiesen (Lang et al., 1998), ebenso wie für Arousal kein eigenes neuronales Substrat angenommen wird, sondern diese Dimension lediglich die generelle Stoffwechsel- und Nervenzellenaktivität widerspiegeln soll (Lang, Bradley et al., 1997).
3.4.4 Diskussion peripherphysiologisch orientierte Ansätze
Paul Ekman dürfte zweifellos derjenige Wissenschaftler sein, der Gesichtsmuskelaktivität als
Gegenstand der Emotionsforschung etabliert hat. Auch wenn bereits andere vor ihm einen entsprechenden Zusammenhang erkannt und untersucht haben6, so war es doch Ekmans systematische Klassifizierung von Muskelbewegungen im Zusammenhang mit spezifischen Emotionen, die maßgeblich zur Verbreitung des Gesichts-EMGs als abhängige Variable in der Emotionsforschung beitrug. Sein Ansatz, Gesichtsausdrücke auch als unabhängige Variable zur Emotionsinduktion einzusetzen (Ekman et al., 1983), hat sich allerdings weniger bewährt (Otto,
2000), und ähnlich war es auch vor allem seine These, Gesichtsausdrücke seien notwendiger
Bestandteil und ein Beleg für spezifische Basisemotionen, die Widerspruch provozierte. Wie
geschildert, insbesondere von Russell, dessen Untersuchungen zum Emotionserleben einen
zweidimensionalen Raum als grundlegend ergab, auf dem sich die Basisemotionen abbilden
lassen (s. Abb. 3.4.1, S.62). Gesichtsausdrücke sind für ihn Kommunikationsmittel. Abgesehen
davon, dass eine solche Dichotomie wenig sinnvoll erscheint (Ellgring, 2000), lässt sie sofort an
Bradley & Langs Unterscheidung in strategische und taktische Aspekte einer emotionalen Reaktion denken: entscheidend für die Intensität eines Gesichtsausdrucks dürfte neben einer möglichen festen Assoziation mit einem Affekt in erster Linie sein, inwieweit er in der jeweiligen Situation von taktischem Nutzen ist. Dass für Bradley & Lang ein grundsätzlicher Zusammenhang
von Gesichtsmuskelaktivität zum den übergeordneten strategischen Zielen Annähern oder
Vermeiden besteht, lässt sich daran erkennen, dass das Zygomaticus- bzw. Corrugator-EMG
eine standardmäßige Variable in ihren Studien ist. Ekman hat mit seiner BasisemotionsDefinition eventuell zu sehr auf situationsspezifische Merkmale abgestellt, womit sich auch erklären ließe, warum er statt von vormals immerhin zehn (s. Tab. 1.4.1, S.21) später (Ekman,
1999a) von fünfzehn Basisemotionen ausging. Die von ihm außerdem postulierten spezifischen
physiologischen Muster einer Emotion haben sich bis jetzt nicht in dem beschriebenen Ausmaß
bestätigen lassen (Cacioppo, Berntson et al., 2000) bzw. sind selbst für den Kennwert Herzaktivität deutlich verschieden (Christie & Friedman, 2004; Nyklicek et al., 1997).
Bradley & Lang hingegen konnten ihre physiologischen Veränderungen in zahlreichen Studien nachweisen, ebenso wie das von ihnen entwickelte Reizmaterial und die SchreckblinzlerMessung als bewährt gelten (Pauli & Birbaumer, 2000). Aus theoretischer Sicht überzeugen sie
mehr als Russell, dessen Ausführungen teilweise an Damasio erinnern, in Bezug auf neurophy6
für eine Darstellung s. Scherer & Wallbott (1990)
68
PSYCHOLOGISCHE EMOTIONSTHEORIEN – 3.5 DISKUSSION EMOTIONSTHEORIEN
siologische Aspekte aber vage bleiben. Die neuronalen Grundlagen der 'Defensiv-Kaskade'
behandeln Bradley & Lang detailliert, und Russells Dimensionen der Selbsteinschätzung berücksichtigen sie in ihrem Ansatz und Messinstrumenten, etwa dem Self-Assessment Mannikin
(Bradley & Lang, 1994) ebenso.
3.5 Diskussion Emotionstheorien
Den kleinsten gemeinsamen Nenner der besprochenen Emotionstheorien könnte man grob in
folgender Aussage zusammenfassen: Emotionen haben sich im Laufe der Evolution entwickelt,
weil sie dem Organismus eine rasche Bewertung eines Ereignisses als 'gut oder schlecht für
mich' ermöglichen und ihm gleichzeitig einen Impuls, die Situation in Richtung des angestrebten
Zielzustands zu verändern, liefern. Unterschiede bestehen in den Theorien vor allem darin, wo
und wie genau der Bewertungsprozess abläuft und in welchem Ausmaß eine emotionale Reaktion festgelegt oder flexibel ist.
Psychologische Emotionstheorien haben dabei menschliches Verhalten und Erleben als
Ausgangspunkt, während neurowissenschaftliche Theorien neurophysiologische Aktivität betrachten und zumeist entwicklungsgeschichtliche Parallelen zu anderen Säugetieren betonen.
Damasio macht dies am wenigsten, er will in erster Linie verdeutlichen, dass 'gut' oder 'schlecht'
keine abstrakten Werte sind, sondern sich immer auf das Wohlergehen des gesamten Organismus beziehen, weshalb der jeweilige Körperzustand bzw. seine Repräsentation im Gehirn
bei ihm eine zentrale Rolle spielt. Sein Fokus ist eher der Einfluss dieser Prozesse auf das
menschliche Bewusstsein als die Erforschung von Emotionen selbst.
Methodisch am weitesten fortgeschritten sind für ihr jeweiliges Forschungsfeld vermutlich
Bradley
&
Lang
sowie
Rolls,
die
mit
ihren
grundlegenden
Kriterien
Annähern-
Abwehren/Vermeiden bzw. Belohnungs-/Bestrafungswert auch inhaltliche Nähe zeigen, wobei
Rolls Bradley & Lang in seinem Werk Emotions Explained (2005) allerdings kein mal erwähnt.
Er hat dort sein Prinzip der Verhaltensorganisation bis auf Einzelzellableitungen an Tieren überprüft, Bradley & Lang entwickelten mit dem Fokus auf menschlichem Verhalten Reizmaterial
und Versuchsanordnungen, die weltweit im Einsatz sind. Es scheint, als wenn ein solcher Ansatz zur empirischen Überprüfung besonders geeignet ist. Rolls selbst gibt an, dass sein Modell
durchaus mit appraisal-Ansätzen vereinbar sei, und nennt als Beispiele sowohl Scherer als
auch Lazarus (Rolls, 2005, S. 30). Durch Scherers Aufgliederung in etliche Stimulus Evaluation
Checks und Subchecks sowie drei verschiedene Verarbeitungsebenen, auf denen diese stattfinden, ginge jedoch viel von der ursprünglichen Stringenz von Rolls Ansatz verloren, darüber
hinaus ist die Existenz all dieser Bewertungsmechanismen bisher nicht in gleicher Weise empirisch bestätigt.
Lazarus wiederum hält eine dimensionale Organisation von Emotionen für bestimmte Fragestellungen zwar für nützlich, insgesamt aber nicht für ausreichend (Lazarus 1991, S. 68),
womit zunächst die Analyse von verbalen Emotionsbeschreibungen wie beispielsweise von
Russell, gemeint ist. Er spricht sich zudem wiederholt dagegen aus, menschliche Emotionen
69
3.5 DISKUSSION EMOTIONSTHEORIEN
auf neurophysiologische Aktivität zu reduzieren (Lazarus, 1991, 1999), da sie das Entscheidende am emotionalen Prozess, die persönlichen Vorstellungen und Bedeutungen, nicht adäquat
abbilden kann. Mit Rolls, für den Bewusstsein insgesamt eher eine zeitaufwendige 'Zusatzfunktion' als ein zentraler Bestandteil ist, dürfte daher wenig Konsens möglich sein.
Die Relevanz affektiven Erlebens wird indes vom Neurowissenschaftler Panksepp vertreten,
der sogar soweit geht, anderen Säugetieren eine entsprechende Bewussteins-Vorform zuzusprechen. Lazarus lehnt neuronal fixierte Affektprogramme beim Menschen zwar ab, weil die
Phylogenese durch eine Zunahme an Flexibilität gekennzeichnet sei, dennoch zeigen sich deutliche Überlappungen zwischen seinen core relational themes (Tab. 3.2.1, S.49) und Panksepps
Basisemotionssystemen (2.2.3, S.31) und den zugehörigen affektiven Störungen (Tab. 2.2.2,
S.34). Wenn Panksepps Analysen mit der Spezifizierung einzelner Schaltkreise und Neuropeptide ungleich genauer wirken als Lazarus Appraisal- und Re-Appraisal-Prozess, bei dem alles
mit allem zusammenzuhängen scheint, so liegt das mit daran, dass Panksepp überwiegend an
Tieren forscht, bei denen ganz andere Analysemethoden zum Einsatz kommen können als
beim Menschen. Umgekehrt müsste auch Panksepp einräumen, dass es von dem von ihm geschilderten LUST-Schaltkreis der Ratte entwicklungsgeschichtlich noch ein weiter Weg bis zu
dem Tolstoj-Zitat ist, welches das entsprechende Kapitel in seinem Buch Affective Neuroscience (1998) einleitet. Trotz des unterschiedlichen Schwerpunkts verbindet beide Forscher, dass
sie die Komplexität von Emotionen möglichst vollständig in ihrer Analyse erhalten haben wollen
- Lazarus auf der Ebene der beteiligten Bewertungsprozesse, Panksepp in Bezug auf seiner
Meinung nach häufig vernachlässigte entwicklungsgeschichtlich alte Hirnstamm-Schaltkreise
und unspezifisch wirkende Neuropeptide.
Der Wert solcher Bemühungen wird einem gerade dann bewusst, wenn man die theoretischen Erklärungen zur eigenen Erfahrung in Bezug zu setzen versucht. Auch wenn es kein
vorrangiges Kriterium zur Beurteilung einer wissenschaftlichen Theorie ist, hat beispielsweise
Damasios Bewusstseinstheorie wohl auch deshalb so großen Anklang gefunden, weil das Phänomen, dass scheinbar rationale Entscheidungen zu großem Anteil doch 'aus dem Bauch heraus' getroffen werden, jedem bekannt ist. Bei der Lektüre von Rolls oder Scherer fragt man sich
nach einiger Zeit unwillkürlich, ob die Autoren ihr eigenes emotionales Erleben ebenfalls nur als
ein Nebenprodukt der Belohnungswert-Kodierung durch ihren orbitofrontalen Cortex und die
Amygdala (Rolls) bzw. als das Resultat einer Reihe formaler Stimulus-Evaluation-Checks
(Scherer) ansehen. Bradley & Lang, die ähnliche Annahmen wie Rolls machen, trifft dieser
Vorwurf weniger, da sie sich auf fest umrissene Phänomene emotionalen Erlebens wie das
Bildbetrachten beschränken. Ihre Unterscheidung in strategische und taktische Aspekte einer
emotionalen Reaktion (Lang, Simons et al., 1997) kann womöglich auch helfen, die verschiedenen Modelle miteinander zu verbinden: Der reduktionistische Ansatz von Rolls sowie Bradley &
Lang zielt eher auf den grundsätzlichen Zweck von Emotionen ab, der über alle Situationen
hinweg derselbe ist: Gutes suchen und Schlechtes vermeiden. Eine solche Strategie ist aber
nur von Nutzen, wenn sie in konkreten Situationen unmittelbar umgesetzt werden kann, wobei
70
3.5 DISKUSSION EMOTIONSTHEORIEN
sowohl Angriff, als auch Flucht oder Totstellen das eigene Überleben sichern können. Da sich
die Anforderung an effektive Bewältigungstaktiken innerhalb sozial lebender Säugetiere in beachtlichem Maße ähneln, ist es durchaus plausibel, dass sich im Laufe der Entwicklungsgeschichte auf prototypische Situationen spezialisierte neuronale Schaltkreise herausgebildet
haben. Solche situationsspezifischen Mechanismen sind empirisch aber weitaus schwerer zu
untersuchen, insbesondere, wenn auf Seiten des Untersuchungsobjektes so beachtliche Interpretationskapazitäten bestehen wie beim Menschen, was eventuell ein Grund dafür ist, dass
Panksepp wiederholt für tierphysiologische Studien plädiert (Panksepp, 1998, 2003b) und die
empirische Überprüfung von Lazarus' Appraisaltheorie nicht besonders weit fortgeschritten ist
(Mitmansgruber, 2003). Auf der anderen Seite ist auch klar, dass die Beschäftigung mit eher
situationsbezogenen Verhaltensmustern und Prozessen weitaus mehr Implikationen für die
klinische Anwendung bietet als die grundsätzlichen Dimensionen Valenz und Arousal, was Lazarus' Beschäftigung mit Stressentstehung und seine Nähe zu kognitiv orientierten Psychotherapieansätzen oder Panksepps Anregungen für die Psychopharmakologie (Panksepp & Harro,
2004)_verdeutlichen.
71
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.1 HAUTLEITFÄHIGKEIT
4 Emotionen und peripherphysiologische Maße
Im Rahmen psychologischer Emotionsforschung werden einige Biosignale verstärkt als Indikatoren körperlicher Veränderungen während einer emotionalen Episode herangezogen. Dabei
handelt es sich um Hautleitfähigkeit, Gesichtsmuskelaktivität und Herzschlag, alles Veränderungen, die zwar im Zentralnervensystem ihren Ursprung haben, aber vom peripheren Nervensystem vermittelt werden, weshalb in Abschnitt 3.4 (S.58) von peripherphysiologisch orientierten Ansätzen gesprochen wurde. Während in dem genannten Kapitel Veränderungen in den
entsprechenden Signalen in erster Linie die theoretischen Annahmen der Autoren belegen sollten, wird in diesem Kapitel übergreifend auf Befunde zu den jeweiligen Parametern im Zusammenhang mit Emotionen eingegangen. Die Entstehung der einzelnen Signale und ihre neuroanatomische Grundlagen werden kurz zusammengefasst, wobei auch hier der Schwerpunkt auf
einem Bezug zur Emotionsforschung liegt. Für eine darüber hinaus gehende Darstellung sei auf
das Handbook of Psychophysiology (Cacioppo, Tassinary et al., 2000) oder als deutschsprachige Quelle das Lehrbuch Psychophysiologie (Schandry, 1998) verwiesen.
4.1 Hautleitfähigkeit
Elektrodermale Aktivität (EDA) ist ein Oberbegriff, der sämtliche elektrischen Phänomene in der
Haut umfasst (Boucsein, 1992), gleichzeitig aber auch als Kürzel für die am weitesten verbreiteten Messung der Hautleitfähigkeit mittels einer angelegten Gleichspannung (zumeist 0.5 Volt)
benutzt wird. Grundlage dieser Leitfähigkeit ist vorrangig die Aktivität der Schweißdrüsen in der
Haut, wobei nicht nur auf der Haut austretender Schweiß, sondern bereits die Füllung der Drüsenkanäle eine Veränderung bewirkt. Haupt-Ableitorte sind in der Emotionspsychologie die
Handflächen und Fußsohlen, da diese Stellen eine sehr hohe Dichte von Schweißdrüsen aufweisen, deren Aktivität zudem durch körperliche Anstrengung wenig beeinflusst wird.
4.1.1 Funktion
Die Hauptfunktion des Schwitzens ist neben dem Ausscheiden von Giftstoffen primär die Thermoregulation. Wieso die Hautleitfähigkeit einen engen Bezug zu psychischen Prozessen wie
Orientierungsreaktion oder emotionaler Erregung zeigt, ist weniger offensichtlich. Boucsein
(1992) nennt folgende mögliche adaptiven Vorteile, die im Laufe der Evolution zu einer Kopplung der Schweißaktivität mit psychischen Phänomenen geführt haben könnten: Im Rahmen der
Handlungsvorbereitung erhöht die Anfeuchtung der Hand deren Greiffähigkeit sowie die taktile
Sensibilität, gleichzeitig weist angefeuchtete Haut eine erhöhte Elastizität auf und bietet damit
verbesserten Schutz vor Verletzung. Dementsprechend könnte emotional bedingtes Schwitzen
eine mögliche affektive Reaktion vorbereiten und dem damit verbundenem Temperaturanstieg
vorweggreifen. Darüber hinaus hat Schweiß in diesem Zusammenhang womöglich eine olfaktorische Signalwirkung.
72
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.1 HAUTLEITFÄHIGKEIT
4.1.2 Kennwerte und ihr Bezug zu Emotionen
Innerhalb des grundsätzlichen Hautleitfähigkeitsniveaus (engl.: skin conductance level), einem
tonischen Parameter, kann es zu kurzfristigen Anstiegen kommen, die als Hautleitfähigkeitsreaktion bezeichnet werden. Ein solcher Anstieg tritt zum einen auf einen spezifischen Reiz hin
mit einer Verzögerung von 1-2 Sekunden auf, zeigt sich aber auch ohne erkennbaren äußeren
Anlass, also als unspezifische Reaktion oder Spontanfluktuation. Die Anzahl der Spontanfluktuationen in einem bestimmten Zeitraum gilt ebenfalls als tonischer Parameter und hat sich neben
dem Hautleitfähigkeitsniveau (Palomba et al., 2000) als geeignet erwiesen, emotionale Erregung (Bradley et al., 1996; Smith et al., 2005) oder psychische Anspannung in einem längeren
Zeitraum anzuzeigen (Boucsein & Backs, 2000). Wird die Hautleitfähigkeitreaktion auf einen
einzelnen, kurz andauernden Reiz untersucht, beispielsweise Bildpräsentation, so wird zumeist
die Amplitude als Indikator für das Ausmaß emotionaler Erregung herangezogen (Pauli & Birbaumer, 2000). Ähnlich lässt sich bei Präsentation über einen längeren Zeitraum neben der
Anzahl der Reaktionen auch die mittlere Amplitude als Indikator verwenden (Boucsein, 1992).
4.1.3 Neuroanatomische Grundlagen
Die Schweißdrüsen werden ausschließlich sympathisch innerviert, wobei der postganglionäre
Neurotransmitter Acetylcholin und nicht wie sonst bei sympathischen Fasern Noradrenalin ist.
Allerdings scheint es auch eine adrenerg vermittelte Schweißsekretion zu geben, denn Millington & Wilkinson (1983) weisen darauf hin, dass Atropin, ein Acetylcholin-Antagonist in der Hand
emotionales, nicht aber sonstiges Schwitzen blockiert. In Anlehnung an Boucsein (1992) nehmen Dawson et al. (2000) drei zentrale Einflüsse auf die elektrodermale Aktivität an:
• eine kontralateral wirkende Auslösung durch die Basalganglien und prämotorischen cortikale Bereiche. Sie sind für EDA-Veränderungen im Vorfeld von spezifischen Körperbewegungen verantwortlich.
• Ipsilaterale Steuerung der Schweißaktivität durch den Hypothalamus, zum einen im Rahmen der Thermoregulation, zum anderen vermittelt durch limbische Einflüsse. Diese Verbindung begründet emotionale Einflüsse auf die Hautleitfähigkeit.
• durch die retikuläre Formation im Hirnstamm, in der es sowohl erregend als auch hemmend
wirkende Kerne gibt. Ihr Einfluss spiegelt das generelle Aktivierungsniveau wider und kann
dazu führen, dass die Lateralität der zuvor genannten Einflussgrößen aufgehoben wird.
Auf die limbisch-hypothamalische Achse wird im folgenden detaillierter eingegangen.
4.1.3.1 Bezug zu Emotionssystemen
Die Bedeutung der Amygdala für elektrodermale Aktivität ist umfassend belegt, bilaterale Amygdala-Läsionen führen zu einem Ausbleiben einer elektrodermalen Reaktion auf affektiv
bewertete, insbesondere aversive Reize, haben aber keine Auswirkung auf einen Hautleitfähigkeitsanstieg bei Orientierungsreaktion auf neutrale Reize (Tranel, 2000) oder auf das Wissen
73
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.1 HAUTLEITFÄHIGKEIT
um einen drohenden Strafreiz (Phelps, 2006). Neuere Studien mit bildgebenden Verfahren
konnten diesen Zusammenhang überwiegend bestätigen (Critchley, 2002; Williams et al., 2004;
Williams et al., 2005; Williams et al., 2001), nicht jedoch Anders et al., (2004). Der anteriore
cinguläre Cortex (ACC) beeinflusst die EDA-Aktivität ebenfalls, allerdings weniger selektiv, denn
Läsionen in seinem Bereich lassen sowohl die EDA-Reaktion auf psychologische als auch auf
physikalische Reize (Tranel, 2000) ausbleiben, weshalb Critchley (2002) ihm hier die Funktion
zuschreibt, körperliche Erregung übergreifend mit Verhaltensintentionen zu koordinieren, wobei
der ACC häufig zusammen mit der Amygdala aktiviert ist (Critchley, 2005).
Ausgelöst werden solche Verhaltensintentionen im präfrontalen Cortex, dessen Bereiche
auch EDA-Reaktionen im Zusammenhang mit Entscheidungsprozessen beeinflussen. Damasio
benutzt dieses peripherphysiologische Maß wiederholt, um zu belegen, dass vielen Entscheidung unbewusste körperliche Veränderungen vorangehen, die als somatische Marker die Relevanz eines Reizes für den Organismus charakterisieren (Bechara & Damasio, 2005; Damasio,
1994). Ist der ventromediale präfrontale Cortex (vmPFC) geschädigt, zeigt sich das sowohl als
Defizit im Entscheidungsverhalten als auch als Ausbleiben einer Hautleitfähigkeitsreaktion
(Tranel, 2000). Umgekehrt geht ein EDA-Anstieg mit erhöhter Aktivität im vmPFC einher
(Anders et al., 2004).
Der Fokus der genannten Neuroimaging-Untersuchungen beschränkt sich jedoch nicht auf
die auslösenden Strukturen der körperlicher Veränderungen, sondern beinhaltet auch deren
Rückmeldung und ihre Repräsentation im ZNS, was Damasios Körperschleife bzw. der Als-obKörperschleife entspricht. Hier sind neben frontalen Regionen (Williams et al., 2004) rechtsparietale Bereiche (Anders et al., 2004; Tranel, 2000) sowie die Insula (Anders et al., 2004;
Critchley, Elliott et al., 2000; Critchley et al., 2002) zu nennen, nach der Gruppe um Critchley
insbesondere die der rechten Hemisphäre. Weitere Angaben zu Lateralität, wie etwa in Critchley (2002), dass der linke vmPFC vermehrt vor und der rechte vmPFC nach einer Hautleitfähigkeitsreaktion aktiviert ist oder von Williams et al. (2004), dass die linke Amygdala eher mit andauerndem EDA-Anstieg aus Angst und die rechte mehr mit kurzfristigem Anstieg aufgrund von
Neuheit assoziiert ist, scheinen zum jetzigen Zeitpunkt noch der Replikation zu bedürfen.
4.1.4 Zusammenfassung
Phasische und tonische Veränderungen der Hautleitfähigkeit sind ein Indikator rein sympathischer Erregung. Wie im Kapitel über Bradley & Lang erwähnt, sind sehr erregende emotionale
Reize aber selten wertneutral, sondern zumeist angenehm oder unangenehm oder sogar beides (3.4.3.2 S.63). 'Erregend' bedeutet hier immer auch 'für den Organismus relevant', womit
sich erklären lässt, wieso gerade die Amygdala und der präfrontale Cortex zusammen mit dem
anterioren cingulären Cortex über den Hypothalamus Einfluss auf die Hautleitfähigkeit ausüben.
Die ersten beiden Strukturen codieren die positive oder negative Bedeutung eines Reizes und
lösen so Verhaltensintentionen aus, der ACC ist mit dafür verantwortlich, dass sie umgesetzt
werden. Weil diese Vorgänge eine Veränderung der Hautleitfähigkeit bewirken, ohne dass sie
74
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.2 GESICHTSMUSKELAKTIVITÄT
bewusst werden müssen, bietet sich die EDA-Messung an, das Ausmaß affektiver Beteiligung
an psychischen Prozessen abzuschätzen. Begrenzt wird ihre Aussagekraft durch die relativ
hohe Latenz und Abklingzeit einer EDA-Reaktion, die beide im Sekundenbereich liegen. Sie
machen die Integration über ein bestimmtes Zeitfenster nötig und verhindern, dass Veränderungen im weiteren Verlauf einer emotionalen Episode, z.B. Neubewertung der Situation, zeitlich sehr differenziert abgebildet werden können.
4.2 Gesichtsmuskelaktivität
Gesichtsausdrücke sind einer der schnellsten Kommunikationskanäle, seinem Gegenüber den
eigenen emotionalen Zustand vermitteln, angefangen beim Zähnefletschen in der Tierwelt, das
klar macht, was einem Angreifer droht, wenn er mit seinem Verhalten fortfährt. Ob sie dabei ein
zwingendes Merkmal von Emotionen sind oder in erster Linie in sozialen Situation auftreten (s.
den Disput zwischen Ekman und Russell, Kapitel 3.4.1 und 3.4.2, S.59), bleibt weiterhin kontrovers, unbestritten aber ist, dass sie zumeist sehr rasch und unwillkürlich auftreten und erst im
weiteren Verlauf manipuliert werden können, weshalb sie unter anderem als Indikator für Täuschungsverhalten herangezogen werden (Ekman, 2003a). Um auch kurzzeitige und abgeschwächte, eventuell bewusst gehemmte Veränderungen erkennen zu können, ist ein sensibles
Messinstrument vonnöten. Eine Möglichkeit ist die detailierte Analyse von Videoaufnahmen,
eine andere die Messung mittels Elektromyogramm (EMG). Das EMG mißt Spannungsänderungen, die auf der Erregungsausbreitung in den aktivierten Muskeln bzw. einzelner motorischer Einheiten eines Muskels, sogenannter Muskelaktionspotentiale, zurückzuführen sind.
Diese Veränderungen sind stark genug, dass sie auch auf der Haut mittels Elektroden erfasst
werden können, wobei der Abstand einer solchen Oberflächenelektrode allerdings bedingt,
dass nicht mehr die Aktivierung einzelner motorischer Einheiten, sondern nur des gesamten
Muskels gemessen werden (Stern et al., 2001).
4.2.1 Kennwerte und ihr Bezug zu Emotionen
In der Emotionspsychologie beschränkt sich die Messung der Gesichtsmuskelaktivität zumeist
auf den musculus zygomaticus major, den Lachmuskel und den musculus corrugator supercilii,
der das Zusammenziehen der Augenbrauen bewirkt. Während ersterer verstärkt bei positiven
Emotionen aktiviert wird, ist das Zusammenziehen der Augenbrauen ein Anzeichen für eine
negative Bewertung, die Angst, Trauer und Wut umfasst. (Hu & Wan, 2003). Zusätzlich wird
eventuell auch noch der musculus orbicularis oculi, der Augenringmuskel, erfasst, um ein spontanes, also echtes Lächeln (Duchenne-Lächeln), das sich durch zusätzliche Verengung der
Lidspalte und Fältchen in den Augenwinkeln auszeichnet, von einem gewollten zu unterscheiden, bei dem der Augenringmuskel weniger beteiligt ist. Eine Koaktivierung von corrugator und
orbicularis oculi ist zudem bei Ekel anzutreffen (Bradley et al., 2001).
Das aufgezeichnete Rohsignal wird hochpass- und tiefpassgefiltert, um Artefakte aufgrund
von Kopfbewegungen, Schlucken oder Augenbewegungen zu elimieren (van Boxtel, 2001),
75
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.2 GESICHTSMUSKELAKTIVITÄT
anschließend gleichgerichtet, und schließlich integriert. Die Größe der integrierten Fläche spiegelt dabei das Ausmaß der Muskelaktivität wider (Tassinary & Cacioppo, 2000).
4.2.2 Neuroanatomische Grundlagen
Die Gesichtsmuskulatur wird vom VII. Hirnnerven, dem Facialisnerv innerviert (s. Abb. 4.2.1).
Dessen Zuflüsse sind vielfältig, wobei für die Emotionsforschung erschwerend hinzukommt,
dass sich Mimik auch willkürlich umfangreich steuern lässt. Indikativ für Emotionen sind aber in
erster Linie unwillkürliche Veränderungen.
Abb. 4.2.1: Die Äste des Faszialisnerv. Modifiziert nach Mayer (2007).
Für Befürworter einer festen Verknüpfung von Emotionen mit spezifischen Gesichtsausdrücken
als Teil von Affektprogrammen wäre eine möglichst enge Verschaltung von Sinneswahrnehmung mit ausführenden Gesichtsmuskelnerven, also am besten schon auf Hirnstammebene
wünschenswert. Für Reflexe, etwa den Cornealreflex, ist dies unbestritten, aber es ist nicht
belegt, dass dies für emotionale Gesichtsausdrücke ähnlich funktioniert, denn dazu müßte zum
einen die nicht-emotionale Gesichtsmotorik unbeeinträchtigt bleiben, zum anderen dürften Ausfälle in höheren Hirnzentren keinen gravierenden Einfluss auf die spontane emotionale Mimik
haben, wenn wirklich Emotionssysteme im Hirnstamm die auslösenden Regionen sind. Degeneration der Basalganglien bei Parkinson führt aber zu im Vergleich stärkerer Beeinträchtigung
der spontanen Mimik als der intendierten (Blair, 2003), und auch die berichteten Fälle von emotionaler Gesichtsparesie, bei der nur die unwillkürliche Emotionsmimik betroffen ist, weisen
Schädigungen in unterschiedlichen Bereichen auf: Häufig ist der Thalamus (Hopf et al., 1992;
Schmahmann, 2003), aber auch die Pyramidalbahn (Töpper et al., 2003) und pontine Regionen
(Hopf et al., 2000) betroffen, bei einem anderen Patienten der linke dorsale Bereich der medulla
oblongata (Cerrato et al., 2003).
76
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.2 GESICHTSMUSKELAKTIVITÄT
Iwase et al., (2002) untersuchten unterschiedliche Aktivierungsmuster bei echtem gegenüber gestelltem Lachen mittels PET. Echtes Lachen aktivierte im Vergleich zum willkürlichen
den linken anterioren Temporal- und Occipitotemporallcortex inklusive Uncus sowie mediale
ventrale und orbitofrontale Bereiche des präfrontalen Cortex. In beiden Fällen gab es eine signifikante Korrelation zwischen Aktivierung in den supplementärmotorische Arealen (SMA) beider
Hemisphäre und der Stärke des EMG-Signals. Dieser Zusammenhang erstreckte sich in der
willentlichen Bedingung wie zu erwarten auch auf Bereiche des motorischen Cortex (M1), die
Willkürmotorik steuern, während bei spontanem Lachen statt dessen das linke Putamen beteiligt war. An emotionaler Mimik sind hier also nicht ausschließlich Hirnstammregionen, sondern
auch diverse höhere Bereiche beteiligt und das Lachen als Emotion hat verschiedene neuronale Auslöser.
Blair (2003) versucht in einem Modell die Schwierigkeit, die auslösenden Regionen emotionaler Mimik genau zu bestimmen, dadurch zu überwinden, indem er angibt, dass Regionen, die
für die Bestimmung der emotionalen Bedeutung eines Reizes zuständig sind (z.B. die Amygdala), im Zusammenspiel mit dem Frontalcortex und den Basalganglien motorische Programme
für die Auslösung des jeweiligen Gesichtsausdrucks kontrollieren. Allerdings ist diese Darstellung sehr allgemein – die verschiedenen Bereiche des Frontalcortex sind in Läsionsstudien mit
unterschiedlichen Defiziten assoziiert (Adolphs, 2006) und als generelle Beschreibung für die
Funktion des Frontalcortex sind in erster Linie Entscheidungs- und Kontrollprozesse zu nennen
(Bechara & Damasio, 2005), weniger Auslösung einzelner Verhaltensweisen. Gerade für affektive Mimik ist die Kontroll- oder Hemmfunktion zudem nicht umfassend, denn auch Damasio
(200a) betont, dass es den meisten Menschen nicht sehr gut gelingt, emotionale Gesichtsausdrücke vollständig zu unterdrücken, was für ein gewisses Maß an Unabhängigkeit der entsprechenden Mimik-Schaltkreise spricht.
4.2.3 Zusammenfassung
Gesichtsmuskelaktivität wird in der Emotionspsychologie als Indikator für die qualitative Bewertung eines Reizes genutzt. Inwieweit emotionale Gesichtsausdrücke reflexähnlich als Affektprogramme neuronal vorangelegt sind oder als Kommunkationsmittel gelernt und in erster Linie in
sozialen Situationen auftreten, ist bis zum jetzigen Zeitpunkt umstritten. Lazarus' Einwand
(1991), dass das menschliche Nervensystem sich gegenüber dem von anderen Säugetieren vor
allem durch größere Flexibilität auszeichnet, kommt hier besonders zum Tragen. Wenn sich
aber der corrugator- und zygomaticus-Muskel in zahlreichen Versuchsanordnungen als Messgrößen für Valenz bewährt haben (s. z.B. Tab. 3.4.1, S.66), spricht das für eine enge Verknüpfung, zumindest was die unmittelbare Bewertung des Ereignisses betrifft und so lange für die
Versuchspersonen kein Anlass besteht, diese unwillkürliche Bewegung zu beeinflussen, um
etwa einen anderen Eindruck bei Kommunikationspartnern zu erzeugen.
77
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.3 HERZAKTIVITÄT
4.3 Herzaktivität
Anders als Gesichtsmuskelaktivität lässt sich der Herzschlag kaum bewusst direkt beeinflussen.
Dafür ist der Bezug zu Emotionen weit weniger eng: die Hauptfunktion des Herzens ist die Versorgung des Körpers inklusive Gehirn mit Sauerstoff und Nährstoffen, transportiert über das
Blut. Um dies sicherzustellen, muss das Herz unentwegt schlagen, wodurch dem Einfluss emotionaler Prozesse schon vorab Grenzen gesetzt sind. Der Taktgeber des Herzrhythmus ist der
Sinusknoten, der zunächst weitestgehend unabhängig von höherer Beeinflussung arbeitet. Seine Erregung breitet sich in den umgebenden Muskelzellen rasch aus, und diese Depolarisation
ist auch an der Körperoberfläche als Elektrokardiogramm (EKG) messbar (Brownley et al.,
2000).
4.3.1 Kennwerte und ihr Bezug zu Emotionen
Der charakteristische Verlauf des EKGs ermöglicht die Bestimmung mehrer Kennwerte. Die
Zyklus einer Herzkontraktion mit anschließender Neufüllung mit Blut wird als Herzperiode oder
Herzschlagdauer bezeichnet, das Intervall zwischen zwei Herzschlägen als Inter-Beat-Intervall
(IBI). Im Rohsignal ist es die Zeit zwischen zwei R-Zacken im EKG, wodurch sie sich gut automatisiert bestimmen lässt (Christie, 2003). Auch wenn andere Abschnitte im EKG als Indikatoren psychischer Prozesse in Frage kommen, etwa die pre-ejection period (PEP) (Berntson et
al., 2004) oder die Amplitude der T-Welle als Indikator β-adrenerger sympathischer Aktivität
(Palomba et al., 2000), so sind doch Veränderungen in der Zeit zwischen zwei Herzschlägen(=IBI) bzw. der Herzrate als Anzahl Schläge pro Minute (=60000/IBI), am umfangreichsten
untersucht.
4.3.1.1 Herzrate und Emotionen
Bei Studien zur Veränderung der Herzrate in Folge von Emotionen muss zunächst unterschieden werden, ob nur die mittlere Herzrate für die gesamte emotionale Episode bestimmt wird
oder die Herzratenveränderungen im Laufe der Emotion beschrieben werden. Bei einer zusammengefassten mittleren Herzrate gehen Informationen über den Veränderungsverlauf innerhalb des jeweiligen Zeitfensters verloren. Levenson, Ekman und Friesen berichteten 1983,
dass Wut, Angst und Trauer von einem starken, Freude und Überraschung von einem leichten
Herzratenanstieg und Ekel von einem leichten Abfall begleitet wären. Auch wenn die Autoren in
nachfolgenden Untersuchungen einen Teil der Kritik zu entkräften versuchten (Levenson et al.,
1990, 2002), wird die Wirksamkeit der Emotionsauslösung durch ein zehnsekündiges Nachstellen der zugehörigen Gesichtsausdrücke (in einer anderen Bedingung sollten die Probanden
sich 30s an eine entsprechende emotionale Situation erinnern) immer noch unterschiedlich
bewertet (Demaree et al., 2006). Vor allem aber konnten die erhaltenen Ergebnisse zur Herzaktivität, bei denen auf den ersten Blick überrascht, dass Trauer mit einem deutlichen Herzratenanstieg einherging, nicht einheitlich repliziert werden (Nyklicek et al., 1997) bzw. kamen andere
Studien, die die Herzrate zur Unterscheidung zwischen Emotionen nutzten, zu abweichenden
78
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.3 HERZAKTIVITÄT
autonomen Mustern (Christie & Friedman, 2004; Nyklicek et al., 1997). Der Herzratenabfall für
Ekel konnte allerdings bestätigt werden (Palomba et al., 2000), ebenso wie eine Zunahme bei
subjektiver Erregung (Witvliet & Vrana, 1995) oder dem Berichten von emotionalen Erlebnissen
generell (Neumann & Waldstein, 2001). Rainville et al., (2006), die zur Emotionsinduktion ebenfalls Erinnern einer emotionalen Episode verwendeten, konnten das Herzratenmuster von Levenson et al. (1983, 1990, 2002) replizieren und wenden sich wie diese gegen ein Modell, das
lediglich auf globale Erregung abstellt, sondern postulieren spezifische Muster für einzelne Emotionen. Dass Wut und Angst mit einer Zunahme der Herzrate verbunden sind, kann mit dem
Verweis
auf
entsprechende
fight/flight-Verhaltensintentionen
leicht
begründet
werden
(Levenson et al., 1990), aber wieso ein ähnliches Muster für Trauer, für Ekel hingegen genau
das gegenteilige (Abfall der Herzrate) typisch sein soll, ist weniger offensichtlich7. Erschwerend
kommt hinzu, dass sich die Studien zur Zuordnung von kardiovaskulären Mustern zu spezifischen Emotionen häufig in der Methode der Emotionsinduktion (Vorstellen einer Situation bei
Levenson et al. und Rainville et al., Nacherzählen einer Episode bei Neumann & Waldstein,
Musik bei Nyklicek et al., Filme bei Christie & Friedmann und Palomba et al.) sowie den aus
dem EKG abgeleiteten Kennwerten und ihren Bezeichnungen unterscheiden8. Im Extremfall
dienen die Kennwerte in erster Linie zu einer faktorenanalytischen Bestimmung der zugrunde
liegenden Emotions-Dimensionen, und es werden die Ergebnisse dieser Klassifikation ausführlich, die Veränderungen in den ursprünglichen Kennwerten aber nur am Rande berichtet (z.b. in
Christe & Friedman, 2004 oder in Rainville et al., 2006).
Wird der zeitliche Verlauf der Herzratenveränderung während der Darbietung emotionaler
Reize untersucht, sind die Ergebnisse einheitlicher: Die Präsentation eines Bildreizes führt zunächst unabhängig von dessen emotionaler Bedeutung zu einer leichten Verlangsamung der
Herzrate, dann zu einem Anstieg, wobei bei aversiven Reizen der erste Abfall stärker ausfällt
und der anschließende Wiederanstieg schwächer ist oder ausbleibt (Bradley et al., 1996;
Bradley et al., 2005; Simons et al., 1999; Smith et al., 2005). Bradley & Lang benutzen das
Ausmaß des Wiederanstiegs dementsprechend als Indikator für Valenz (s. Tab. 3.4.1, S.66),
weisen allerdings darauf hin, dass Herzrate das physiologisches Maß sei, das am meisten
durch taktische situationsabhängige und weniger durch strategische situationsübergreifende
Reaktionsmuster beeinflusst wird (Bradley et al., 1996). Ähnlich berichten Britton et al., (2006),
dass das Ausmaß der HR-Verlangsamung deutlicher zwischen sozialen (Filmclips mit Personen) und nicht-sozialen Situationen (Filmclips ohne Personen, geringere Herzratenverlangsamung) variierte als zwischen der positiven, neutralen oder negativen Valenz der Reize.
Je nach theoretischer Ausrichtung der Autoren werden Herzratenveränderungen also als
Beleg für emotionsspezifische Muster, als abhängig von der Reizvalenz oder bedingt durch
7
Levenson et al (1990) geben als Affektprogramm für Ekel 'rejecting or shutting out' (S. 379) an, zu Trauer äußern sie
sich nicht. Rainville et al (2006) untersuchten nur Angst, Wut, Trauer und Freude, machen aber ebenfalls keine Angabe
zu Gründen für den Anstieg bei Trauer.
8
Das mittlere Inter-Beat-Intervall (IBI) etwa wird in Friedman & Christie (2004) als HP für 'Herzperiode' geführt, in Rainville et al. (2006) als 'RRmean'.
79
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.3 HERZAKTIVITÄT
spezifischen situativen Kontext gedeutet. Ein Grund für die Mehrdeutigkeit der Ergebnisse ist
sicherlich, dass das Herz sowohl sympathisch wie auch parasympathisch innerviert wird, wobei
ersterer eine Beschleunigung, zweiterer eine Verlangsamung der Herzrate bewirkt (Hagemann
et al., 2003). Eine Veränderung, etwa eine Zunahme der Schlagfrequenz, könnte grundsätzlich
also auf vermehrte sympathische oder nachlassende parasympathische Aktivierung bzw. beides zurückzuführen sein. Schwankungen im Intervall von Schlag zu Schlag hingegen lassen
sich besser einem der beiden Äste des Autonomen Nervensystems zuordnen.
4.3.1.2 Respiratorische Sinusarrhythmie
Der Herzrhythmus wird durch die Atmung beeinflusst: beim Ausatmen verlangsamt sich der
Herzschlag, beim Einatmen wird er schneller. Das Ausmaß dieser atmungsbedingten Unregelmäßigkeit hängt vom momentanen Einfluss des Parasympathikus, vorrangig vermittelt durch
den Vagusnerv ab, weshalb die respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) als Indikator für parasympathische Aktivität bzw. vagalen Tonus genutzt wird. Bei gleichzeitiger Erfassung der Atmung lässt sich die RSA bestimmen als Differenz von maximalen und minimalem IBI innerhalb
eines Atemzyklus (peak-to-trough-Methode, z.B. (Grossman & Svebak, 1987).
Liegt die Atmung nicht vor, kann die mittlere Differenz sukzessiver Herzschläge, entweder
im Absolutbetrag als Mean Successive Difference (MSD, s. z.B. Christie & Friedman, 2004;
Ruiz-Padal et al.,2003) oder als Wurzel des Mittelwerts der zuvor quadrierten Differenzen (Root
Mean Squared Successive Differences, RMSSD, s. z.B. Malik, 1996) als Index herangezogen
werden. Eine weitere Möglichkeit ist, durch geeignete Filterung der IBI-Reihe das Ausmaß der
RSA zu bestimmen (Brownley et al., 2000; Porges & Byrne, 1992). All diesen Verfahren ist gemeinsam, dass sie mit Werten aus dem Zeitbereich, hier den Differenzen in Millisekunden arbeiten. Ein anderer Ansatz zerlegt die IBI-Reihe mittels Spektralanalyse in die darin vorkommenden Frequenzen und benutzt so zur Beschreibung der RSA Werte aus dem Frequenzbereich.
Der Anteil von Frequenzen von 0.15-0.4 Hz, am Gesamtspektrum, dem High-Frequency-Range
(HF) spiegelt dabei das Ausmaß der Parasympathikus-Aktivität wieder, beim Low-FrequencyRange (LF) von 0.04-0.15 Hz ist nicht endgültig geklärt, ob er nur auf Sympathikus-Aktivität
oder die beider Äste zurückzuführen ist (Malik, 1996). Das Absinken eines Bestandteils dieses
Spektrums, die 0.1Hz-Komponente, wird in der Arbeitspsychologie als Indikator mentaler Beanspruchung genutzt (Boucsein & Backs, 2000; Mulder et al., 2000), ist aber nicht mit der RSA
gleichzusetzen (Grossman, 1992; Porges & Byrne, 1992).
Trotz ausgefeilter Methoden zur Bestimmung geeigneter RSA-Parameter ist der Kenntnisstand bezüglich ihrer Veränderung bei Emotionen bescheiden: Teilweise wird kein einheitlicher
Zusammenhang berichtet (Demaree et al., 2006; Nyklicek et al., 1997), teilweise wird ihre Abnahme als Arousal-Indikator (Christie & Friedman, 2004), der aber gering mit elektrodermaler
Aktivität korreliert, empfohlen (Frazier et al., 2004). Rainville et al., (2006) führen Änderungen in
der HF-Herzratenvariabilität in ihrem Entscheidungsbaum auf, unterscheiden allerdings zwischen Veränderungen mit gleichzeitigen Veränderungen in respiratorischen Parametern und
80
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.3 HERZAKTIVITÄT
HF-Veränderungen ohne dieselben. Ähnlich wie bei der Herzrate besteht auch für die RSA die
Tendenz, dass konkrete Befunde berichtet und auf die zentrale Bedeutung autonomer Prozesse
für Emotionen verwiesen wird, ohne dass ein differenziertes Modell zum Einfluss des ANS auf
die Herzaktivität herangezogen wird. Ein entsprechender Ansatz wird im folgenden Abschnitt
dargestellt. Insgesamt scheint das Ausmaß der RSA am ehesten noch mit der Fähigkeit zur
Emotionsregulation bzw. adäquaten Reaktion auf emotionale Reize in Zusammenhang zu stehen (Demaree et al., 2006; Frazier et al., 2004; Ruiz-Padial et al., 2003; Thayer & Lane, 2000).
4.3.2 Neuroanatomische Grundlagen
Der Einfluss von Emotionen auf die Herzaktivität wird sympathisch und parasympathisch vermittelt. Fasern aus der intermediolateralen Zellsäule, die im Thorakalbereich [auf Brusthöhe] der
Wirbelsäule austreten, sind der hauptsächliche sympathische Einfluss. Sie werden von Strukturen der Medulla oblongata, etwa den Raphekernen, gesteuert und bewirken über NoradrenalinAusschüttung eine Zunahme der Herzrate. Desweiteren sprechen die Zielrezeptoren im Herzen
aufgrund ihrer Lage auch auf im Blut vorhandenes Adrenalin an, wie es etwa während einer
Stressreaktion vom ebenfalls sympathisch gesteuerten Nebennierenmark ausgeschüttet wird
(Brownley et al., 2000).
Der parasympathische Anteil wird über den Vagusnerv, den X. Hirnnerv vermittelt, für den
wiederum zwei Kerne in der Medulla oblongata, der Nucleus ambiguus (NA) und der dorsale
Vaguskern zentral sind. Im Ruhezustand ist der Einfluss des Parasympathikus auf das Herz um
ein vielfaches höher als der des Sympathikus (Birbaumer & Schmidt, 1999), es wird also vagal
gebremst. Entwicklungsgeschichtlich bedingt sind dabei verschiedene Wirkungsarten des Vagus zu unterscheiden, was Porges zu der Formulierung einer polyvagalen Theorie veranlasste.
4.3.2.1 Die Polyvagale Theorie von Porges
Der nervöse Einfluss auf das prinzipiell auch ohne nervöse Aktivierung schlagende Herz bildete
sich im Laufe der Evolution in folgenden Stufen heraus (Porges, 1997):
• zunächst durch ein unmyelinisiertes Vagus-System, das seinen Ursprung im dorsalen Vagus hat, weshalb es als DVC ('C' für 'Complex') bezeichnet wird und bei Reptilien ein drastisches Absinken der Herzrate während des Totstellens bewirkte. Bei Säugetieren ist dieser
Mechanismus noch in Extremsituationen festzustellen (Porges, 1997), aber nur begrenzt
adaptiv, da ihr Gehirn weit mehr als das von Reptilien auf konstante Sauerstoffversorgung
angewiesen ist. Die Steuerung dieses Vagus-Systems erfolgt durch den dorsalen VagusKern und den vorgeschalteten Nucleus tractus solitarii (NTS).
• ein
zusätzliches
sympathisches
Nervensystem
(SNS),
das
durch
(Nor)Adrenalin-
Ausschüttung einen starken, länger andauernden Anstieg der Herzrate hervorruft, wie es für
Kampf/Flucht-Verhalten notwendig ist. Seine Fasern sind ebenfalls unmyelinisiert, wodurch
es eine Anlaufzeit im Sekundenbereich hat.
81
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.3 HERZAKTIVITÄT
• schließlich ein evolutionär jüngeres ventrales Vagus-System (VVC) mit myelinisierten Fasern, das eine schnelle und feine Steuerung der Herzaktivität durch Modulation der vagalen
Bremse ermöglicht. Dieses System ist erst ab Säugetierniveau verfügbar und entwickelte
sich, da komplexe, beispielsweise soziale Situationen differenziertere Reaktionsmuster als
nur Kampf/Flucht oder Totstellen erforderten. Bei umfassender Informationsverarbeitung
wäre eine zu hohe sympathische Erregung wenig funktional, zudem ist bei ungebremster
sympathischer Aktivierung der Energieverbrauch sehr hoch. Für einen eventuell benötigten
leichten Anstieg der Erregung ist daher eine kurzzeitige Rücknahme der vagalen Bremse
besser geeignet als ein vollständiges Hochfahren des SNS. Der dämpfende Einfluss auf die
Herzaktivität wird durch den Nucleus ambiguus gesteuert, der auch die Muskeln reguliert,
die Vokalisieren und Gesichtsausdrücke und so Kommunikation ermöglichen (Porges,
2001).
Aufgrund der zentralen Bedeutung für adäquate emotionale und soziale Reaktionen wird das
ventrale Vagus-System von Porges in jüngeren Veröffentlichungen auch als social engagement
system bezeichnet und der Zusammenhang zwischen mangelnder vagaler Drosselung und
psychischen Störungen behandelt (Porges, 2001, 2003a, 2003b). Dieses System ermöglicht
höheren cortikalen Bereichen über den Hirnstamm die Beeinflussung emotionaler Mimik, Gestik
und ein gewisses Maß an Kontrolle über das sympathische Nervensystem, wie sie für soziale
Interaktion nötig ist. Der Vagusnerv übermittelt dabei nicht lediglich Informationen an die Zielorgane in der Körperperipherie, sondern besitzt zusätzlich umfangreiche Afferenzen zum Gehirn,
über die der momentane Status viszeraler Aktivität rückgemeldet wird und so Verhaltenstendenzen beeinflusst. Bricht dieses cortikale Hemm-System zusammen, kommt es zu ungezügelter Aktivität des entwicklungsgeschichtlich älteren sympathischen Nervensystems mit seinen im
Vergleich primitiveren Affektprogrammen, beispielsweise Panikreaktionen oder Wutausbrüchen.
Hierfür sind Verbindungen vom dorsolateralen PAG mit dem SNS entscheidend. Fällt in Extremsituationen selbst das SNS aus, funktioniert lediglich noch die dorsale Vagus-Steuerung,
ausgelöst durch das ventromediale PAG, was zu Regungslosigkeit und Apathie führt. Indikator
für ventrale vagale Hemmung ist das Ausmaß der respiratorischen Sinusarrhythmie oder der
anderen erwähnten Indikatoren, wodurch verständlich wird, wieso für sie ein Zusammenhang
zur Emotionsregulation berichtet wird (Demaree et al., 2006; Frazier et al., 2004; Ruiz-Padial et
al., 2003; Thayer & Lane, 2000).
4.3.2.2 Bezug zu Emotionssystemen
Porges selbst nennt als zentralen höheren Einfluss auf das social engagement system corticobulbäre Pfade aus dem Frontalcortex zu den entsprechenden Hirnnerven-Kernen. Thayer und
Lane (2000) beziehen sich wiederholt auf Porges und beschreiben ein zentrales autonomes
Netzwerk (im Englischen abgekürzt als 'CAN'), das neben den oben genannten VagusSchaltkreisen mit PAG noch den anterioren cingulären Cortex (ACC), die Insula sowie ventromediale Bereiche des präfrontalen Cortex (vmPFC), die Amygdala und den Hypothalamus um-
82
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.3 HERZAKTIVITÄT
fasst, womit so ziemlich alle Strukturen, die bisher im Kontext mit Emotionen genannt wurden,
aufgeführt sind. Besonders heben sie allerdings den ACC hervor, dessen rostrale und ventrale
Abschnitte Aufmerksamkeits-, affektive und viszerale Prozesse integrieren. Der dorsale Bereich
ist zuständig für eine adäquate Antwortauswahl sowie die Schmerzwahrnehmung. Der Einfluß
des ACC auf die Herzratenvariabilität ist in Neuroimaging-Studien an Gesunden und Läsionspatienten belegt (Critchley, Corfield et al., 2000; Critchley et al., 2003), allerdings nicht, über welche Bahnen dies geschieht. Desweiteren konnte nachgewiesen werden, dass das Ausmaß der
Herzratenvariabilität mit Aktivität im medialen PFC sowie dem linken posterioren orbitofrontalen
Cortex zusammenhängt. Emotionale Erregung führte zu einem Abfall der RSA und zu geringerer Aktivierung in diesen Regionen (Lane et al., 2001, zitiert nach Ruiz-Padal et al., 2003).
Auch wenn das Prinzip der vagalen Hemmung, vermittelt durch höhere cortikale Bereiche
inzwischen als belegt gelten kann und Autoren jüngerer Studien dieses explizit berücksichtigen
(Frazier et al., 2004; Ruiz-Padial et al., 2003), bleibt die Zuordnung von Herzratenveränderungen zu konkreten Emotionen schwierig. Thayer und Lane (2000) geben zumindest an, dass
nach Porges kurzeitige Herzratenveränderung mit reaktiver Aufmerksamkeitszuwendung, Veränderungen der Herzratenvariabilität mit Aufrechterhalten dieser Aufmerksamkeit in Verbindung
steht, womit sich die Befunde zur Herzratenverlangsamung beim Bildbetrachten vielleicht erklären ließen. Wieso aber das Vorstellen emotionaler Episoden in den Studien von Levenson et al.
(1983, 1990, 2001) und Rainville et al. (2006) einen Anstieg der Herzrate bedingt, lässt sich
weiterhin nur vermuten: entweder erinnerten die Probanden als intensive Situationen gerade
solche, in denen ihre vagale Kontrolle nicht mehr funktionierte, oder die Aufgabe verlangte nicht
nur passive Informationsaufnahme wie beim Bilderbetrachten, sondern vermehrt aktive Beteiligung, weshalb der sympathische Einfluss weniger gedrosselt wurde. Mentale Beanspruchung
geht auch in arbeitswissenschaftlichen Studien häufig mit einem Herzratenanstieg einher
(Boucsein & Backs, 2000). Das könnte erklären, wieso Neumann & Waldstein (2001) einen
generellen Anstieg der Herzrate gegenüber der Baseline-Bedingung berichten, auch dann,
wenn die dem Versuchsleiter zu erzählende Episode den Zustand 'Entspannung' betraf. Dieser
Effekt war weit stärker als die Differenzierung zwischen den Emotionen.
Porges selbst sieht das Ausmaß der vagalen Hemmung in erster Linie als Indikator für die
Fähigkeit zur Emotionsregulation bzw. sozial adäquaten Verhalten und arbeitet an Interventionen zu ihrer Verbesserung bei Störungsbildern wie Autismus (Porges, 2003a). Aus diesem
Blickwinkel wäre die Herzratenvariabilität weniger geeignet, um Emotionen zu klassifizieren,
sondern um das Bewältigungsmuster der erlebenden Person zu charakterisieren. Palomba et
al. (2000) beispielsweise unterscheiden in ihrer Studie zwischen Personen mit hohem bzw.
niedrigen vagalen Tonus während einer Baseline-Messung und zeigen, dass erste Gruppe auf
emotionale Reize eher mit Herzratenverlangsamung, die Probanden mit niedriger vagaler
Hemmung jedoch durchweg mit Anstieg reagieren.
83
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.4 FAZIT
4.3.3 Zusammenfassung
Herzaktivität bei Emotionen zeigt kein vergleichbar einheitliches Bild wie Hautleitfähigkeit oder
Gesichtsmuskelaktivität. Dafür gibt es im wesentlichen zwei Gründe: Aufgrund seiner zentralen
Funktion für die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung ist die Leistung des Herzens zunächst an
körperliche Anstrengung oder deren Antizipation gekoppelt. Die Reaktionen und Verhaltensintentionen auf einen emotionalen Reiz sind je nach Person und Situation bzw. Methode der Emotionsinduktion aber unterschiedlich und entsprechend variiert auch die Auswirkung auf die
Herzaktivität. Für Bildbetrachten hat sich ein Bezug zwischen Valenz und Herzratenverlangsamung etabliert: Aversive Bilder lösen eine stärkere Verlangsamung aus als positive oder neutrale. Muss die Versuchsperson die Emotion selbst durch Erinnern herbeiführen, so geht damit ein
Anstieg der Herzrate einher.
Zum anderen wird das Herz sowohl sympathisch als auch parasympathisch innerviert, wobei der hemmende Einfluss des Parasympathikus in Ruhe überwiegt. Sein phylogenetisch
jüngster Teil ermöglicht die rasche und differenzierte Modulation der Herzrate und ist besonders
wichtig für emotionale und soziale Situationen, weshalb er der teilweisen Kontrolle durch frontale cortikale Bereiche unterliegt. Das Ausmaß dieser Hemmfähigkeit ist interindividuell verschieden, was die Vielfalt der möglichen Veränderungen während emotionaler Episoden weiter erhöht. Indikator für die Aktivität der vagalen Bremse ist die respiratorische Sinusarrhythmie und
die erwähnten anderen Indikatoren.
4.4 Fazit
Die drei besprochenen Maße Hautleitfähigkeit, Gesichtsmuskelaktivität und Herzschlag werden
alle als Indikatoren für die körperlichen Veränderungen bei Emotionen herangezogen. Dabei
spiegeln sie unterschiedliche Aspekte wider: Hautleitfähigkeit sympathisch bedingte Erregung,
Gesichtmuskelaktivität valenzbezogene Bewertung eines Reizes und Herzaktivität je nach Ansatz beides. Insbesondere die Befunde zur Herzrate und ihrer Variabilität machen deutlich, dass
peripherphysiologische Kennwerte allein keine vollständige Beurteilung einer Emotion erlauben,
sondern wenn überhaupt nur in Ergänzung mit subjektiven und Verhaltensdaten sinnvoll interpretiert werden können. Ein Grund dafür ist sicherlich auch, dass die neuronalen Wirkmechanismen immer noch nur unvollständig verstanden sind. Selbst wenn dies besser gelänge, ist
nicht davon auszugehen, dass aus diesen physiologischen Veränderungen alle Nuancen emotionaler Prozesse erkennbar werden. Trotz dieser relativen Ungenauigkeit und Mehrdeutigkeit
bilden sie aber Komponenten ab, die sonst nicht erfassbar wären, weil sie zu einem großen Teil
autonom und unbewusst ablaufen. Gerade für Ansätze, die auf die evolutionsbiologischen Ursprünge menschlicher Gefühle abstellen, stellen sie eine Verbindung zwischen zentralnervösen
Veränderungen und dem beobachtbaren motorischen Verhalten oder beschriebenen Gefühl
dar.
84
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.4 FAZIT
4.4.1 Bildgebende Verfahren und peripherphysiologische Emotionsindikatoren
Die zunehmende Kombination von bildgebenden Verfahren wie PET oder fMRI und peripherphysiologischen Maßen bietet der psychophysiologischen Forschung völlig neuartige Möglichkeiten: erstmals kann an größeren Gruppen gesunder Probanden parallel mit der Veränderung
in der Peripherie erfasst werden, welche Hirnregionen diese auslösen und wo die Rückmeldung
der körperlichen Veränderung im Gehirn repräsentiert wird. Das alles dreidimensional und in
einer räumlichen Auflösung, die selbst ausgefeilte Brainmapping-Techniken beim EEG nicht
ansatzweise erreichen. Bei der Lektüre der entsprechenden Artikel stellt sich trotz der beachtlichen technischen Leistung jedoch mitunter Ernüchterung ein: der Leser wird gerade bei Forschergruppen, die viel veröffentlichen, in erster Linie mit einer Auflistung aller statistisch signifikant aktivierten Regionen, gepaart mit Verweisen, welche Autoren ähnliche Aktivierungsmuster
gemessen haben, konfrontiert. Die mindestens ebenso interessante Frage, wieso bestimmte
Regionen in anderen Studien abweichend aktiviert waren, wird nicht in gleichem Maße thematisiert, wodurch im Extremfall der Eindruck einer gewissen Beliebigkeit entsteht. Forschungsansätze, die sich auf ein fest umrissenes theoretisches Modell beziehen (etwa Damasio) sind hier
klar im Vorteil. Ähnlich erweisen sich Arbeiten, die übergreifend Ergebnisse zusammentragen
und vergleichbar machen, in diesem Feld als besonders wertvoll. Da für den gleichzeitigen Einsatz von peripherphysiologischen Maßen und Neuroimaging-Techniken kein umfassendes Review vorliegt, werden im folgenden die Ergebnisse einer Metaanalyse zu Neuroimaging und
Emotionen (Phan et al., 2002; Phan et al., 2004) zusammengefasst und mögliche Anknüpfungspunkte zu den berichteten Veränderungen in der Peripherie aufgezeigt.
Der mediale präfrontale Cortex war für alle drei Signale EDA, EMG und EKG als ein steuernder Einfluss genannt worden (Iwase et al., 2002; Lane et al., 2001; Tranel, 2000) und ähnlich
schreiben auch Phan et al. (2002) ihm eine übergreifende Funktion bei Bewertungsprozessen
im Rahmen von Emotionen zu, unabhängig von der Art der Versuchsaufgabe oder der untersuchten Emotionen. Der anteriore cinguläre Cortex (ACC) wurde hingegen zusätzlich zum
mPFC aktiviert, wenn die jeweiligen Aufgaben aktive kognitive Bearbeitung und die Regulation
emotional bedingter Reaktionen verlangten, etwa dem Vorstellen einer emotionalen Situation
oder der Klassifikation von Gesichtsausdrücken (Phan et al., 2004). Eventuell ist der bezüglich
Herzratenveränderung berichtete Effekt, dass Erinnern und Nacherzählen einer emotionalen
Episode mit Herzratenanstieg einherging, das passive Betrachten von Bildreizen jedoch nicht,
auf die zusätzliche Beteiligung des ACCs zurückzuführen. War außerdem noch die gleichzeitige
Beobachtung des eigenen körperlichen Zustands erforderlich, so war zusätzlich die Insula beteiligt, ein Befund, der auch für die Beeinflussung der elektrodermalen Aktivität mittels Biofeedback berichtet wird (Critchley, Elliott et al., 2000; Critchley et al., 2002).
In Konditionierungsexperimenten, die als abhängige Varibale EDA erfassen, werden als
unkonditionierte Reize auch Schmerzreize, z.B. ein leichter Stromschlag, eingesetzt. Tranel
(2000) hält den cingulären Cortex in diesem Fall für die Auslösung der elektrodermalen Reaktion für zentral, unter anderem, weil dort die Schmerzwahrnehmung lokalisiert ist und eine Schä-
85
EMOTIONEN UND PERIPHERPHYSIOLOGISCHE MAßE – 4.4 FAZIT
digung zum Ausbleiben der Reaktion führt. Die Autoren der Metaanalyse erwähnen, dass sich
in mehreren Studien spezifisch für die Emotion Trauer Aktivierung im subcallosalem Cingulum
fand.
Die Amygdala hat ebenfalls modulierenden Einfluss auf die Hautleitfähigkeit als Erregungsindikator (Tranel, 2000). In erster Linie wird sie mit der Emotion Angst assoziiert, Phan et al.
(2002) kommen jedoch zu dem Schluss, dass die Amygdala die generelle Funktion hat, emotional bedeutungsvolle Reize zu erfassen und bei ihrer Identifikation die Vigilanz ansteigen zu
lassen, denn sie scheint auch bei nicht-aversiven Reizen aktiv zu sein (Phan et al., 2004). Analog ist eine Hautleitfähigkeitsreaktion (EDR) bei sämtlichen emotionalen Reizen festzustellen,
weshalb sie als Arousal- und nicht als Valenzindikator angesehen wird. Bevorzugt spricht die
Amygdala auf visuelle Reize an und ist dementsprechend oft mit dem Okzipitalcortex zusammen aktiviert (Phan et al., 2002).
Bei Freude und Ekel ist eine verstärkte Beteiligung der Basalganglien zu verzeichnen (Phan
et al., 2002). Beide Emotionen sind durch einen typischen Gesichtsausdruck charakterisiert,
und Iwase et al (2002) erwähnen in ihrer Studie zu echtem gegenüber gestelltem Lachen das
Putamen der Basalganglien als nur beim echten Lacheln beteiligt. Ähnlich wird die Fähigkeit,
nicht spontan lachen, wohl aber willentlich den Mund entsprechend verziehen zu können, als
Symptom zur Veranschaulichung der emotionalen Gesichtslähmung angeführt (Cerrato et al.,
2003; Hopf et al., 2000).
Insgesamt lassen sich Befunde zur Aktivierung von Emotionssystemen im Gehirn also
durchaus mit Veränderungen in der Körperperipherie in Verbindung setzen, wobei die Zuordnungen eher allgemein ausfallen, was allein schon daran liegt, dass für einen übergreifenden
Vergleich in der Metaanalyse die Aktivierungsmuster einzelner Studien auf ein einheitliches
Koordinatensystem abgebildet werden mussten. Eine grundsätzliche Schwierigkeit beim Einsatz bildgebender Verfahren, die relativ ungenaue zeitliche Auflösung (eher im Sekundenbereich) bzw. Verzögerung zwischen neuronaler Aktivität und Veränderung im Scannerbild bleibt
dabei allerdings bestehen. Im Vergleich dazu sind in der Peripherie erfasste physiologische
Maße zumeist genauer und lassen sich mit deutlich geringerem Aufwand messen. Auch ist ihre
Interpretation, zumindest was EDA und EMG betrifft, vergleichsweise eindeutig. Dabei schränken sie aufgrund ihrer unaufdringlichen Meßbarkeit mittels Klebeelektroden die Versuchsperson
wenig ein, so dass bei entsprechenden Studien von einer höheren ökologischen Validität auszugehen ist.
86
AUGENBEWEGUNGEN – 5.1 BLICKBEWEGUNGEN
5 Augenbewegungen
Ein Großteil emotionaler Reize wird beim Menschen über das visuelle System erfasst, angefangen vom reflexhaften Blick zu einem Rascheln im Gras bis hin zur Registrierung von Fehlermeldungen am PC. Sehen ist dabei keine rein passive Informationsaufnahme, sondern wird zu
großen Teilen erst durch aktive Steuerung der beteiligten Systeme möglich, wie beispielsweise
Findlay & Gilchrist in ihrem Buch Active vision: The psychology of looking and seeing (2003)
verdeutlichen. In diesem Zusammenhang liefern die Augen selbst Anzeichen psychischer Zustände wie Ermüdung oder Überraschung, häufig über ihre Funktion als Wahrnehmungsorgan
hinaus im Zusammenspiel mit der übrigen Gesichtsmimik. Unter 'Augenbewegungen' sind in
diesem Kapitel allerdings nicht das Hoch bzw. Zusammenziehen der Augenbrauen zu verstehen, die unter 4.2 (S.75) als Gesichtsmuskelaktivität behandelt wurden, sondern lediglich Bewegungen des Augapfels (Blickbewegungen) sowie solche des Augenlids (Lidbewegungen).
Gemäß dieser beiden Augenbewegungen gliedert sich das vorliegende Kapitel. Ein weiterer
möglicher Indikator emotionaler Prozesse, die Pupillenerweiterung, wird ebenfalls ausgeklammert, da zu ihrer Bewertung ein kontinuierlicher Abgleich mit den Helligkeitswerten der Umgebung und des Reizmaterials wünschenswert ist (Galley, 2001). Diesbezügliche Anforderungen
an die Messmethodik finden sich in Kerkau (2005). Die Beschreibung der Messverfahren für die
hier besprochenen Augenbewegungstypen erfolgt nach einer Darstellung der relevanten Kennwerte unter 5.3 (S. 95).
5.1 Blickbewegungen
Die Sinneszellen, die das Sehen ermöglichen, sind auf der Netzhaut nicht gleichmäßig verteilt,
sondern finden sich zur Mitte hin in immer größerer Dichte. Um ein Objekt eingehend mit dem
Blick untersuchen zu können, wird es deshalb auf dem Bereich des schärfsten Sehens, der
fovea centralis abgebildet. Blickbewegungen dienen dazu, ein interessierendes Objekt in die
Fovea zu bringen bzw. das Abbild eines bereits angeblickten Objektes dort zu halten, wenn sich
entweder der Betrachter oder das Objekt selbst bewegen. Letzteres wird als Augenfolgebewegung, der Ausgleich von eigenen Bewegungen als vestibulärer sowie optokinetischer Nystagmus bezeichnet, je nachdem, ob eine kleinere Körper-/Kopfbewegung (registriert durch das
Vestibulärorgan) oder eine globale Bildverschiebung wie etwa während einer Zugfahrt ausgeglichen werden soll.
Das Ausrichten der Fovea auf ein neues Ziel geschieht durch sprunghafte Blickbewegungen, die Sakkaden. Sie werden im Folgenden ausführlicher besprochen, da die übrigen Blickbewegungsarten für die vorliegende Studie weniger relevant sind. Übersichten zu Formen der
Augenbewegungen finden sich in Leigh und Zee (1999) sowie Büttner und Büttner-Ennever
(2006). Ebenso wird auf eine Unterscheidung von Augenbewegung als reiner Bewegungsvorgang und Blickbewegung als Augenbewegung unter Berücksichtigung der Informationsaufnah-
87
AUGENBEWEGUNGEN – 5.1 BLICKBEWEGUNGEN
me (Joos et al., 2003; Rötting, 1999) verzichtet, denn beide sind in der Regel sehr eng verzahnt.
5.1.1 Sakkaden
Gibt kein Reiz die Geschwindigkeit einer Blickbewegung vor, so sind nur Sakkaden möglich.
Während der sakkadischen Bewegung ist visuelle Wahrnehmung ähnlich wie während eines
Kameraschwenks eingeschränkt, Informationsaufnahme und -verarbeitung erfolgen daher in
erster Linie bei auf dem Objekt ruhendem Blick. Je mehr Informationen zu verarbeiten sind,
desto länger dauert diese Zeit zwischen zwei Sakkaden, was heute übereinstimmend zur Definition der Fixation benutzt wird. Unter normalen Bedingungen machen Menschen 2-4 Sakkaden
pro Sekunde (Leigh & Kennard, 2004), die Amplitude der Sakkaden ergibt sich dabei aus dem
jeweiligen Blickziel. Spontane Sakkaden sind in der Regel allerdings nicht größer als 40 Winkelgrad und dauern 15-100 Millisekunden (Büttner & Büttner-Ennever, 2006). Diese Werte machen deutlich, dass der weiche Augapfel während einer Sakkade sehr rasch und kontrolliert
bewegt wird.
5.1.1.1 Neuroanatomische Grundlagen
Am Augapfel greifen außen vier gerade (musculi recti) und zwei schräge (musculi obliqui) Muskeln, wobei insbesondere die geraden Augenmuskeln für horizontale und vertikale Augenbewegungen verantwortlich sind. Die schrägen Muskeln ermöglichen torsionale Augendrehungen um
die Blickachse herum, um etwa beim Kopf-zur-Seite-Neigen ein ungekipptes Bild aufrechtzuerhalten. Um den Blick mit einer Sakkade neu auszurichten, muss der Augapfel zunächst in die
neue Position gebracht und anschließend dort gehalten werden, wofür der ziehende Muskel
aktiviert und sein Gegenspieler gehemmt werden muss. Innerviert werden die Augenmuskeln
durch drei Hirnnerven, den VI. (nervus abducens), der den äußeren geraden Augenmuskel
anspricht (musculus rectus lateralis), den IV. (nervus trochlearis), der den oberen schrägen
Augenmuskel (musculus obliquus superior) innerviert und den III. (nervus oculomotorius), der
alle übrigen Augenmuskeln steuert. Er innerviert zusätzlich noch den Muskel zur Pupillenverengung (musculus sphincter pupillae) und den Lidheber (musculus levator palpebrae). Die eben
erwähnte Koordination der einzelnen Muskeln erfolgt durch mehrere Neuronentypen im Hirnstamm, die dann die Motoneurone steuern.
Burst-Neurone ( zu deutsch 'Schub, Ausbruch') feuern unmittelbar zu Beginn und während
einer Sakkade schubartig und veranlassen so die Bewegung des Augapfels. Diese Phase wird
als pulse bezeichnet. Gleichzeitig erregen sie inhibitorische Burst-Neurone, die das Motorneuron des Gegenspieler-Muskels hemmen (Munoz, 2002). Aus dem Puls wird zudem durch einen
neuronalen Integrator dafür gesorgt, dass die Motoneurone im Anschluss an die Auslenkung
des Augapfels ihre Aktivität nicht einstellen, sondern tonisch mit einer konstanten Frequenz
feuern, um den Augapfel in der neuen Position zu halten. Diese Phase wird step genannt. Die
Burst-Neurone, die ca. 10 ms vor Beginn einer Sakkade feuern, werden für einen solchen
88
AUGENBEWEGUNGEN – 5.1 BLICKBEWEGUNGEN
Schub durch Long-Lead Burst-Neurone, die ca. 100 ms früher feuern, aktiviert (Büttner & Büttner-Ennever, 2006), gleichzeitig werden Omnipause-Neurone, die die Burst-Neurone ansonsten
ständig hemmen, deaktiviert. Dieses Aktivierungsmuster verdeutlicht, dass Fixieren kein passives Ruhen der Augen ist, sondern durch aktive Unterdrückung von Bewegungsimpulsen erreicht wird, wobei andere Zentren ihren Einfluss mittels der Omnipause-Neurone ausüben. Die
Lage der eben genannten Neuronengruppen ist in Tab. 5.1.1 zusammengefasst.
Tab. 5.1.1: Übersicht zentraler Hirnstammstrukturen zur Sakkaden-Erzeugung und ihrer Abkürzung Nach Büttner &
Büttner-Ennever (2006), Cromer & Waitzman (2006) und Munoz (2002). Weitere Erläuterungen im Text.
Funktionale Einheit
Neuronale Sruktur
Abkürzung
Long-Lead Burst-Neurone
Zentrale mesencephalische Formatio reticularis
cMFR
Burst-Neurone für horizontale Sakkaden
Paramediane pontine Formatio reticularis
PPFR
Burst-Neurone für vertikale Sakkaden
Rostraler interstitialer Nucleus des medialen
longitudinalen Fasciculucs
riMLF
Omnipause-Neurone
Nucleus raphe interpositus
RIP
Neuronaler Integrator
Nucleus prepositus hypoglossi; mediale
vestibuläre Nuclei, Nucleus interstitialis Cajal
NPH, MVN, NIC
Die nächst höhere neuronale Struktur zur Kontrolle dieser Hirnstamm-Zentren und damit zur
Auslösung von Sakkaden ist der colliculus superior (SC) im dorsalen Mittelhirn, dem Dach (Tectum) des Hirnstamms. Er erhält Informationen aus cortikalen Arealen (Munoz, 2002), die kognitive Prozessen wie Aufmerksamkeit oder Erinnerung repräsentieren (Pierrot-Deseilligny et al.,
2004). Der SC integriert die verschiedenen Informationen und ist somit letztendlich für die Zielauswahl von Sakkaden als eine Form der Orientierungsbewegung verantwortlich (Krauzlis,
2005). Dabei projiziert der SC auch zum Kleinhirn, das die Zielgenauigkeit von Sakkaden kontrolliert. Sakkaden sind nicht notwendigerweise ballistische, d.h. sobald einmal ausgelöst, unabänderliche Bewegungen, sondern es können auch während einer sehr großen Sakkade Informationen aufgenommen werden und einen Einfluss auf den aktuellen Verlauf haben (Van der
Stigchel et al., 2006).
Cortikale Einflüsse Entsprechend der zentralen Bedeutung des Sehens für den Menschen
sind die höheren Einflüsse auf den colliculus superior vielfältig und variieren mit situationsspezifischen Merkmalen des jeweiligen Blickverhaltens, was sich in einer großen Anzahl von Einzelbefunden unterschiedlicher Aktivitätsmuster bei verschiedenen Blickaufgaben niederschlägt.
Zusammenfassend wird Folgendes angegeben: Visuelle Informationen werden zunächst im
Okzipitalcortex verarbeitet und die Informationen zum ventral gelegenen Inferotemporalcortex
(ventraler 'Was'-Pfad) sowie zum dorsal gelegenen Parietalcortex (dorsaler 'Wo'-Pfad) weitergeleitet (Itti & Koch, 2001).
89
AUGENBEWEGUNGEN – 5.1 BLICKBEWEGUNGEN
Der parietale Cortex ist für visuell-räumliche Aufmerksamkeit verantwortlich und berücksichtigt in dieser Funktion vorverarbeitete Informationen aus weiteren Sinnessystemen. Reflexive
Sakkaden, also Sakkaden zu einem auftretenden Reiz hin, werden von ihm initiiert. Die Ansteuerung des SC erfolgt hierbei vom parietalen Augenfeld (engl. 'parietal eye field', PEF). Für besonders rasch nach Reizauftritt erfolgte Sakkaden, sog. Expresssakkaden wird allerdings auch
ein direkter Weg Retina-visueller-Cortex-SC angegeben (Galley, 2001).
Das Pedant für intentionale Sakkaden, z.B. vorausschauende (prädiktive) oder erinnerungsgeleitete Sakkaden zum PEF ist das frontale Augenfeld (engl. 'frontal eye field', FEF), das
vor dem gyrus präcentralis des Frontallappens liegt und zum prämotorischen Cortex gehört.
Ihm ist das supplementäre Augenfeld (engl. 'supplementary eye field', SEF) zugeordnet, das vor
allem bei Sakkadensequenzen und der Kombination von Sakkaden mit Körperbewegungen
aktiviert wird. Für intentionale Blickbewegungen kann es unter Umständen notwendig sein, reflexive Sakkaden zu hemmen. Diese Funktion übernimmt der dorsolaterale präfrontale Cortex
(DLPFC), der dabei von Teilen des anterioren cingulären Cortex (ACC), dem cingulären Augenfeld (engl. 'cingular eye field', CEF) unterstützt wird (Pierrot-Deseilligny et al., 2004). Auch bei
erinnerungsgeleiteten Sakkaden ist der DLPFC aktiv, wobei für Zeitspannen, die über das
Kurzzeitgedächtnis hinausgehen, auf parahippocampale und hippocampale Strukturen zurückgegriffen wird. Die eben geschilderten Funktionen sind in Abb. 5.1.1 veranschaulicht.
Abb. 5.1.1: Übersicht der wichtigsten cortikalen Einflüsse auf die Sakkadenkontrolle. CEF: cinguläres Augenfeld;
DLPFC: dorsolateraler präfrontaler Cortex; FEF: frontales Augenfeld; HF: Hippocampus-Formation; IPA: intraparietales
Areal; PHC: parahippocampaler Cortex; SEF: supplementäres Augenfeld; SC: colliculus superior; modifiziert aus Pierrot-Deseilligny et al. (2004)
90
AUGENBEWEGUNGEN – 5.1 BLICKBEWEGUNGEN
Galley (2001) weist darauf hin, dass anders als in Abb. 5.1.1 dargestellt, anscheinend auch
direkte Projektionen vom Frontalcortex zu den Hirnstamm-Kernen unter Umgehung des SCs
existieren, ein Befund, den auch Krauzlis (2005) anführt.
5.1.1.2 Kennwerte
An Sakkaden interessieren allgemein zwei Gruppen von Kennwerten: Einmal Parameter, die
die Bewegung selbst, also ihre Richtung, Amplitude, Dauer und Geschwindigkeit betreffen, und
zum anderen solche, die die Zeit, in der das Auge ruht, die sogenannte Fixationsdauer, beschreiben.
Ist das Blickziel vorgegeben, kann zunächst bestimmt werden, wie genau die erste Sakkade
es traf oder ob noch weitere, sogenannte Korrektursakkaden zu seiner Erfassung notwendig
sind. Bei einem neu aufgetretenem Reiz kann die Verzögerung, mit der nach seinem Auftreten
die Sakkade initiiert wurde, als Sakkadenlatenz erfasst werden. Folgt das Auftreten von Reizen
einem regelmäßigen Muster, etwa ein abwechselnd von links nach rechts springender Lichtpunkt, so ist mit der Zeit zudem ein Lerneffekt festzustellen, dass nämlich bereits vor dem Erscheinen des Reizes an die entsprechende Stelle geguckt wird. Auch für solche antizipatorischen Sakkaden lässt sich neben ihrer Auftretenshäufigkeit und ihrer Latenz zudem noch die
Zielgenauigkeit bestimmen. Visuelle Reaktionszeiten und Ausmaß antizipatorischer Sakkaden
sowie ihre Genauigkeit können hierbei als Leistungsmaße herangezogen werden (Galley, 1998;
Jazbec et al., 2005) und scheinen dabei mit Intelligenz bzw. mental speed zusammenzuhängen, in dem Sinne, dass Intelligentere entsprechende Blick-Aufgaben schneller und genauer
bearbeiten (Galley & Galley, 1999; Galley et al., 2005; Jaschewski, 2004). Auch Musiker, die
geübt darin sind, visuelle Informationen (ihre Noten) rasch und genau aufzunehmen, zeigen
bezüglich Auslassungen, Sakkadenlatenz und Anteil antizipatorischer Sakkaden eine höhere
Blickleistung (Gruhn et al., 2002). All diese Kennwerte verlangen jedoch, dass die Reizdarbietung sehr genau kontrolliert wird und sind daher zumeist an spezifische Versuchsanordnungen
gebunden.
Soll das spontane Blickverhalten untersucht werden, so bleibt an sakkadischen Bewegungsparametern in erster Linie die Amplitude, Dauer und (Maximal)Geschwindigkeit sowie das
Intervall zwischen zwei Sakkaden, die Fixationsdauer. Diese Kennwerte sind nicht unabhängig
voneinander: größere Sakkaden dauern länger als kleine. Da es sich bei Sakkaden um Beschleunigungsvorgänge mit anschließender Verlangsamung handelt, bestimmt die Sakkadenamplitude zudem die erreichbare Maximalgeschwindigkeit und Durchschnittsgeschwindigkeit
mit (Becker, 1989). Diese Abhängigkeit wird in der Sakkadenforschung als main sequence bezeichnet (Leigh & Kennard, 2004) und macht es notwendig, erhaltene Rohdauern und -geschwindigkeiten in Bezug auf die Amplitude zu standardisieren. Entsprechende Formeln finden
sich bei Becker (1989), Collewijn, Erkelens & Steinman (1988) und Schleicher & Galley (2005).
Über diese rein kinetischen Abhängigkeiten hinaus zeigen die Sakkadenkennwerte Dauer und
91
AUGENBEWEGUNGEN – 5.1 BLICKBEWEGUNGEN
Geschwindigkeit auch einen Bezug zu psychischen Prozessen: Sakkaden werden immer so
schnell wie dem Organismus momentan möglich ausgeführt, weshalb die für eine bestimmte
Amplitude erreichte Geschwindigkeit Aufschluss über das aktuelle Aktivierungsniveau gibt, verstehbar als generelle Erregung oder Wachheit. Einnahme von Benzodiazepinen (Galley, 1998)
oder Schlafdeprivation (Ferrara et al., 2000) bewirken eine Verringerung. Eine verringerte Geschwindigkeit bedeutet gleichzeitig, dass sich die Dauer einer Sakkade erhöht.
Variationen in der sakkadischen Amplitude lassen sich ebenfalls mit psychischen Prozessen
in Verbindung bringen, allerdings vor allem in Abhängigkeit der zugehörigen Blickdauer. Da
visuelle Informationen überwiegend während der Fixation aufgenommen und verarbeitet werden, ermöglicht eine Verlängerung der Fixation eine erhöhte Informationsverarbeitung im Sinne
von kognitiver Bearbeitung. Mit schwieriger werdendem Text verlangsamt sich beispielsweise
die Lesegeschwindigkeit (Rayner, 1998) aufgrund längerer Fixationsdauern. Stellt man die gemachten Blicksprünge in Abhängigkeit von der jeweiligen Fixationsdauer dar, so zeigt sich,
dass großamplitudige Sakkaden mit kürzeren Fixationen assoziiert sind, was als visuelles Suchen interpretiert wird (Pannasch, 2003). Velichkovsky, Joos, Helmert und Pannasch (2005)
geben hierfür Sakkadenamplituden >5° und Fixationsdauern von 90-260 ms an. Ist das gesuchte Ziel gefunden, so kommt es zu längeren Fixationen, die eventuell mit sehr kleinen Sakkaden
einhergehen, um das Objekt der Fovea nahe zu halten. Daher ändert sich während des Betrachtens einer Szenerie die Verteilung von Fixationsdauern und Amplituden mit der Zeit
(Unema et al., 2005) oder je nach Kontext, etwa wenn ein möglicher Gefahrenreiz in einer Verkehrssituation auftaucht (Velichkovsky et al., 2002; Velichkovsky et al., 2003). Velichkovsky und
Kollegen setzen diese Unterschiede mit den neuronalen Verarbeitungswegen des visuellen
Systems in Verbindung: die Phase der 'Grobsuche' ist mit dem dorsalen 'Wo'-Pfad assoziiert
und präattentativ, da die vorhandenen Objekte noch als relativ ungenaue 'Blobs' repräsentiert
sind, die Phase längerer Fixationen mit dem ventralen 'Was'-Pfad, in dem vermeintlich relevante
Objekte genauer identifiziert werden (Velichkovsky et al., 2002; Velichkovsky et al., 2003). So
reizvoll eine solche direkte Entsprechung wäre, es ist nicht klar, in wie weit bei automatisierten
Prozessen auch Informationen in der Blick-Peripherie bereits verarbeitet werden können, ohne
sie unmittelbar anblicken zu müssen, etwa eine rote Ampel im peripheren Gesichtsfeld eines
Autofahrers, deren Bedeutung auch erkannt werden wird, ohne sie zu fokussieren. Auf derartige
Einschränkungen wird allerdings auch von den Autoren selbst explizit hingewiesen
(Velichkovsky et al., 2005).
Ein anderer Zusammenhang zwischen Sakkaden, kognitiven Prozessen und neuronaler
Aktivität kann inzwischen als weitestgehend gesichert gelten: Fixieren erfordert aktive Unterdrückung spontaner und reflexiver Sakkaden, deren Hemmung durch den dorsolateralen präfrontalen Cortex (DLPFC) erfolgt (Gaymard et al., 1998; Pierrot-Deseilligny et al., 2005). Eine Unterfunktion des DLPFC, Hypofrontalität, die sich in mangelnder Konzentrationsfähigkeit oder Verhaltenshemmung ausdrückt (Spinella, 2004), ist daher mit geringerer Fixationsleistung assoziiert. Entsprechende Auffälligkeiten, insbesondere bei Antisakkaden-Aufgaben, für die der Pro-
92
AUGENBEWEGUNGEN – 5.2 LIDBEWEGUNGEN
band in die entgegensetzte Richtung eines am Bildschirmrands auftauchenden Reizes gucken
und dafür zunächst reflexive Sakkaden zum Reiz hin, sog. Prosakkaden, hemmen muss, werden bei Schizophrenie, Alzheimer oder Aufmerksamkeitsstörungen vermehrt gefunden
(Armstrong & Munoz, 2003; Munoz & Everling, 2004; Ploner et al., 2005). Als Kennwerte dienen
neben dem Anteil unzulässiger Prosakkaden (Ploner et al., 2005) die Sakkadenlatenz sowie
Maximalgeschwindigkeit (Jazbec et al., 2005). Der DLPFC war auch in Emotionstheorien als
eine zentrale Instanz beschrieben worden, so dass sich hier ein Anknüpfungspunkt zu Emotionen ergibt. Für die Kontrolle des spontanen Lidschlags scheint er ebenfalls von Bedeutung zu
sein. Auf den Bezug von Sakkaden und Lidschläge zu Emotionen wird deshalb gemeinsam
unter 5.4 (S.97) eingegangen.
5.2 Lidbewegungen
Das Augenlid hat zunächst die Funktion, das Auge zu schützen, weshalb es reflektorisch auf
Berührungen der Wimpern oder auf Luftstöße, aber auch auf laute Geräusche hin geschlossen
wird. Die Amplitude dieses Schreckblinzlers (engl.: startle) wird als Indikator für die momentan
vorherrschende emotionale Gestimmtheit herangezogen (Bradley et al., 2001). Darüber hinaus
dienen regelmäßige Lidschläge zur Befeuchtung der Augenoberfläche durch Verteilung der
Tränenflüssigkeit. Da im vorliegenden Versuch keine Schreckreaktion o.ä. induziert wird, beschränkt sich die Beschreibung auf den spontanen Lidschlag. Eine umfassende Darstellung
anderer Formen des Lidschlags findet sich in Meinold (2005), detaillierte Angaben zur Anatomie
in Choontanom (2006).
5.2.1.1 Neuroanatomische Grundlagen
Lidbewegungen werden im wesentlichen durch zwei Muskeln gesteuert: Die Lidöffnung sowie
das Offenhalten der Augen durch den musculus levator palpebrae superior (LP) und die Lidschließung durch den musculus orbicularis oculi (OO). Bei geöffnetem Auge bestimmt der sympathisch innervierte Müller-Muskel (musculus tarsalis superior) die Breite der Lidspalte, für den
Lidschlag selbst ist er allerdings von untergeordneter Bedeutung (Hargutt, 2003). Unmittelbar
vor einem Lidschluss lässt Aktivierung des LP nach und OO-Motorneurone erzeugen einen
kurzen Burst. Sobald die tonische Aktivierung des LPs erneut einsetzt, öffnet sich das Auge
wieder (Bour et al., 2000). Der LP wird vom III. Hirnnerv, dem nervus oculomotorius, innerviert,
der OO vom VII. Hirnnerv, dem Facialisnerv und dessen Ästen (lat.: rami) rami temporales und
rami zygomatici - hier sei an die Beteiligung der Augenpartie beim 'echten' gegenüber einem
'gestellten' Lachen erinnert (s. 4.2.1 , S.75).
Welche Schaltkreise diesen Nerven vorgeschaltet sind, ist nicht vollständig geklärt. Während für den reflektorischen Lidschlag detaillierte Angaben vorliegen (Delgado-Garcia et al.,
2003) und die tonische Aktivierung des LP anscheinend vom periaquäduktalen Grau (PAG)
über den centralen caudate nucleus (CNC) moduliert wird (Schmidtke & Büttner-Ennever,
1992), ist die Annahme eines 'Taktgebers' für den spontanen Lidschlag im Hirnstamm noch
93
AUGENBEWEGUNGEN – 5.2 LIDBEWEGUNGEN
spekulativ (Ongerboer de Visser & Bour, 2006). Zusammenfassend scheint es dort zwei mögliche Lidschlagzentren zu geben: Eines in der lateralen bulbären formatio reticularis und eines in
der Pons (Galley, 2001). Der colliculus superior (SC) wirkt dabei ebenfalls fördernd auf den
spontanen Lidschlag (Karson, 1989). Zudem ist bekannt, dass eine Degeneration dopaminerger
Neurone in den Basalganglien, beispielsweise bei Parkinson, zu einer Abnahme der Lidschlagrate führt bzw. Dopamin die Lidschlagfrequenz erhöht (Biousse et al., 2004; Karson, 1989;
Schmidtke & Büttner-Ennever, 1992).
Cortikale Einflüsse Willentlicher Lidschlag wird cortikal durch das rostrale supplementäre motorische Areal (SMA) und den DLPFC kontrolliert, wobei die rechte Hemisphäre einen größeren
Einfluss zu haben scheint (van Eimeren, 2005). Für den spontanen Lidschlag gibt es eine enge
Verzahnung von visueller Aufmerksamkeit, Blickbewegungen und Lidschließung: Jeder Lidschlag bedeutet eine kurze Unterbrechung der visuellen Wahrnehmung, und je nach Erfordernissen der Situation muss diese Unterbrechung möglichst gering gehalten werden. Beim Lesen
wird der spontane Lidschlag beispielsweise bevorzugt während Zeilensprüngen ausgeführt,
während denen auch keine relevante Information aufgenommen wird (Orchard & Stern, 1991).
Bei hohem visual load wird der Lidschlag gehemmt, was sich als Rückgang der Rate ausdrückt
(Pivik & Dykman, 2004). Ähnlich wie bei Sakkaden scheint es dabei der DLPFC zu sein, der auf
die niedrigeren Lidschlagzentren hemmend wirkt (Meinold, 2005).
5.2.1.2 Kennwerte
Der naheliegendste Parameter des spontanen Lidschlaggeschehens ist zunächst die Lidschlagrate als Anzahl Lidschläge pro Zeit bzw. das Lidschlagintervall als Zeit zwischen zwei Lidschlägen. Zum Anfeuchten und Reinigen der Augapfeloberfläche würden cirka 2-4 Lidschläge pro
Minute ausreichen (Pivik & Dykman, 2004), die in der Praxis gemessenen wesentlich höheren
Frequenzen sind demnach nicht auf diese physiologische Funktion zurückführen. In der Alltagserfahrung wird eine hohe Lidschlagrate zumeist als direkter Ausdruck erhöhter Erregung
interpretiert, beispielsweise bei einem wegen seines Auftritts 'aufgeregten' Redners. Dazu müssen allerdings zwei Einschränkungen gemacht werden: zum einen führt Sprechen generell zu
einem Anstieg der Lidschlagfrequenz (Doughty, 2001), wie manche Autoren vermuten, aufgrund einer Ko-Aktivierung der Lidmuskulatur bei der Steuerung der Sprech- und Gesichtsmuskulatur (Veltman & Gaillard, 1998).
Zum anderen machten die eben geschilderten subcortikalen und cortikalen Einflüsse auf die
Lidschlagrate schon deutlich, dass eine Zunahme von Lidschlägen immer in Abhängigkeit vom
der momentanen visuellen Aufmerksamkeit und dem Ausmaß frontaler Hemmung betrachtet
werden muss. Ein hoher visual load verringert die Lidschlagfrequenz, um Ausfallzeiten der visuellen Wahrnehmung zu minimieren (Richter et al., 1998), während Situationen mit geringerer
visueller Beanspruchung, etwa ein Gespräch, diese Unterdrückung nicht notwendig machen.
Auch der Anstieg der Lidschlagrate bei Ermüdung ist auf nachlassendes Interesse an der Um-
94
AUGENBEWEGUNGEN – 5.3 MESSMETHODIK
welt zurückzuführen, weshalb die aktive Hemmung der spontanen Lidschläge zurückgeht
(Schleicher et al., 2008), und nicht etwa auf zunehmende Erregung oder Aktivierung. Andere
Kennwerte des Lidschlags sind vielleicht besser geeignet, das Aktivierungsniveau anzuzeigen:
Die Breite der Lidspalte verringert sich mit zunehmender Ermüdung (Wierwille & Ellsworth,
1994) und die Dauer eines Lidschlags nimmt zu (Hargutt, 2003). Ebenso kann für die Schließung- und Wiederöffnungsgeschwindigkeiten ein Bezug zum generellen Aktivierungsniveau
angenommen werden. Für Dauer und Geschwindigkeiten gilt hierbei analog zu Sakkadendauern und -geschwindigkeiten (s. 5.1.1.2, S.91), dass sie mit Bezug auf die jeweilige Amplitude
standardisiert werden müssen. Entsprechende Formeln finden sich in Schleicher et al. (2008).
5.3 Messmethodik
Zur Messung von Augenbewegungen haben sich mehrere Methoden etabliert, die sich neben
der technischen Umsetzung vor allem in ihrer zeitlichen und räumlichen Auflösung sowie ihrer
Praxistauglichkeit unterscheiden. Zeitliche Auflösung bezieht sich auf die Anzahl Messungen
pro Sekunden (Hertz): je höher diese ist, desto besser können nur kurz andauernde Augenbewegungen erfasst werden. Die räumliche Auflösung beschreibt, bis zu welcher Amplitude kleine
Augenbewegungen (angegeben in Winkelgrad) von einem ruhenden Auge unterschieden werden können. Der teilweise zusätzlich aufgeführte Kennwert Genauigkeit gibt an, in welchem
Ausmaß ein gemessener Wert von der 'wahren' Auslenkung des Auges abweicht und wird beispielsweise mit einem Kunstauge, bei dem die tatsächlich stattgefundene Auslenkung bekannt
ist, gemessen (Schneider & Eggert, 2006). In der Praxis ist für die Angabe von Winkelgrad in
der Regel eine Kalibrierung zu Beginn des Versuchs nötig, bei der der Proband vorher definierte Punkte im Raum anblickt, um bestimmen zu können, welche Änderung im Rohsignal-Wert
welcher Blickänderung in Winkelgrad entspricht.
5.3.1 Search Coil
Die bezüglich aller Kennwerte genaueste Methode sind Spulen-Haftgläser (engl.: scleral/search
coil), bei der der Versuchsperson Kontaktlinsen mit einer eingelassenen Drahtspule eingesetzt
werden. Der Proband wird anschließend in ein sich wechselndes Magnetfeld gebracht (z.B. in
einer würfelförmigen Stangenkonstruktion) und der Stromfluss in der Spule auf dem Auge gemessen. Dieser ändert sich je nach Position im Magnetfeld und lässt sich so in Raumkoordinaten zurückrechnen. Das Tragen einer Kontaktlinse, aus der ein dünner Draht ragt, ist jedoch
sehr unangenehm, weshalb zumeist die Hornhaut betäubt wird und die Messdauer auf cirka
eine Stunde pro Woche beschränkt ist (Galley, 2001). Gleichzeitig ist der apparative Aufwand
beträchtlich. Aus diesen Gründen werden Spulen-Haftgläser für psychologische Fragestellungen nur selten eingesetzt.
95
AUGENBEWEGUNGEN – 5.3 MESSMETHODIK
5.3.2 Reflektionsbasierte Verfahren
Eine weitere Gruppe von Messmethoden beruht auf optischer Erfassung der Augenbewegungen: der deutlich Übergang vom Augenweiß zum Ober- und Unterlid oder zur dunkleren Iris
(Limbus) lassen sich in einer entsprechenden Aufnahme leicht und inzwischen auch automatisiert erkennen. Außerdem reflektiert das Auge je nach Intensität und Wellenlänge Licht an verschiedenen Stellen, etwa der Hornhautoberfläche und -rückseite, der Linsenvorder- und Rückseite (1.-4. Purkinje'sche Bilder) sowie der Netzhaut, letzteres im Englischen als bright pupilPhänomen bezeichnet. Um die Reflektionen zu erhalten oder die Bildhelligkeit zu erhöhen, ohne den Probanden zu blenden, wird zusätzlich eine Infrarotlichtquelle verwendet. Auch wenn
die konkrete technische Umsetzung der Verfahren unterschiedlich ist (für eine genauere Darstellung siehe Galley, 2001, Bente, 2004 und Schneider & Eggert, 2006), so ist ihnen gemeinsam, dass ein geschlossenes Auge zunächst ein Ausfall des interessierenden Signals bedeutet,
insbesondere da die meisten neueren Systeme auf Basis eines digitalisierten Kamerabildes
arbeiten, dem Bildverarbeitungsalgorithmen zur Bestimmung des Reflektionspunktes nachgeschaltet sind. Remote-Systeme, bei denen der Sensor nicht in unmittelbarer Nähe zum Auge
angebracht ist, haben darüber hinaus mit Kopfbewegungen, die ebenfalls zu einem Datenausfall führen können, zu kämpfen. Bei kopffesten Systemen ist dies nicht der Fall. Wird bei ihnen
mit einer weiteren Kamera das momentane Gesichtsfeld des Probanden erfasst, lässt sich aufnehmen, was er oder sie gerade alles sehen kann und wo genau im Bild er hinschaut (Blickziel). Hierbei ist die hohe räumliche Auflösung der Verfahren im Bereich um die 0.5-0.01°
(Galley, 2001; Schneider & Eggert, 2006) von Vorteil. Die Abtastrate variiert je nach Modell von
50 Hz als Standard für kamerabasierte Geräte bis hin zu über 1000 Hz.
5.3.3 Elektrookulographie
Die zahlreichen Photorezeptoren auf der Netzhaut weisen ein negatives Ruhepotential auf, so
dass im Augapfel insgesamt ein Potentialgefälle zwischen positiv geladener Hornhaut und negativ geladener Retina besteht. Bewegt sich der Augapfel, wird dieses elektrische Feld verschoben, was sich mit Hilfe von links und rechts sowie unter- und oberhalb des Augapfels angebrachter Elektroden als Spannungsänderung registrieren lässt. Lidschläge bewirken ebenfalls
eine Spannungsänderung und sind im vertikalen Kanal des Elektrookulogramms (EOG) als
nach oben gerichtete Zacken zu erkennen, bedeuten in diesem Fall also keinen Messausfall.
Kopfbewegungen unterbrechen die kontinuierliche Erfassung des Signals ebenfalls nicht, können allerdings zu Artefakten führen. Auch gleichzeitig auftretende Muskelaktivität wird von den
Messelektroden des EOGs mit erfasst, bei manchen Probanden sogar Gehirnaktivität, da die
EOG-Messung auf dem gleichen Messprinzip beruht wie Elektromyographie (EMG) oder Elektroenzephalographie (EEG).
Diese einstreuenden Signale sowie die Entfernung der Oberflächenelektroden vom Auge
bedingen eine räumliche Auflösung um die 1°. Gleichzeitig verändert sich das corneo-retinale
Bestandspotential, was sich im EOG als langsames Wandern des Signals auch bei ruhenden
96
AUGENBEWEGUNGEN – 5.4 BEZUG ZU EMOTIONSSYSTEMEN
Augen (Drift) äußert. Da außerdem aus dem EOG nicht ersichtlich ist, ob eine Augenbewegung
zusammen mit oder ohne eine Kopfbewegung ausgeführt wurde, ist die Elektrookulographie
nicht blickfest und es können nur beschränkt Rückschlüsse über den Blickort gezogen werden.
Die Erfassung von Sakkadenamplituden, -dauern und -geschwindigkeiten ist jedoch uneingeschränkt möglich (Garbutt et al, 2001; anders s. Leigh & Kennard, 2004). Gleichzeitig erlaubt
die Messmethode bei geeigneter Software eine genauere Parametrisierung von Lidschlägen als
kamerabasierte Verfahren, unter anderem wegen einer hohen zeitlichen Auflösung von bis zu
1000 Hz (Schleicher et al., 2008).
5.4 Bezug zu Emotionssystemen
Der Lidschlag wird in der Emotionsforschung in erster Linie im Rahmen des Startle-Paradigmas
genutzt (Bradley & Lang, 2000), wobei dieser Schreckblinzler ein reflektorischer, kein spontaner
Lidschlag ist. Bei letzterem ergibt sich die Schwierigkeit, zu unterscheiden, ob eine Veränderung der Spontanrate auf verringerten visual load oder erhöhte Erregung zurückzuführen ist.
Annähernd konstanter visual load lässt sich im wesentlich nur über einen kontinuierlichen Informationsfluss, etwa Filmreize, induzieren, das in der Emotionsforschung am häufigsten eingesetzte Stimulusmaterial sind allerdings wohl die Bilder des IAPS (Lang et al., 2005). Dementsprechend wenig Ergebnisse finden sich zu Kennwerten des spontanen Lidschlags.
Eine Ausnahme ist die Studie von Palomba et al. (2000), die neben Hautleitfähigkeit und
Herzaktivität auch die Lidschlagrate während der Darbietung von Filmclips untersuchte. Verglichen mit einer neutralen Szene (Landschaftsaufnahme) führte ein bedrohlicher Clip zu einem
Rückgang, der aber noch stärker unter der 'Ekel'-Bedingung (Operationsaufnahmen) war. Beide
emotionalen Reize bewirkten zudem einen Anstieg der Hautleitfähigkeit, und die Autoren merken an, dass die mit einem Anstieg sympathischer Erregung verbundene Zunahme der Lidschlagrate hier vermutlich durch die Notwendigkeit visueller Informationsaufnahme überlagert
wurde. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Eckert (2007), bei dem die Zunahme des Lidschlagintervalls mit der im Anschluss erhobenen Spannungsbewertung korreliert. Andere
Kennwerte des Lidschlags, etwa Geschwindigkeiten, die einen Zusammenhang zu Arousal
aufweisen könnten, wurden in beiden Studien nicht erhoben. Die beobachtete Hemmung des
Lidschlags wird wie die reflexiver Sakkaden vermutlich durch frontale cortikale Bereiche vermittelt, und dieser Aspekt bildet auch einen Schwerpunkt der Sakkadenforschung.
5.4.1 Frontalcortex & Sakkaden
Mangelnde Unterdrückung reflexiver Sakkaden bei Antisakkaden-Aufgaben (s. 5.1.1.2, S.91)
tritt nicht nur bei Parkinson, Alzheimer und Schizophrenie auf (Munoz & Everling, 2004), sondern auch bei Aufmerksamkeitsdefiziten (Armstrong & Munoz, 2003) und Störungen sozialemotionaler Verarbeitung (Manoach et al., 2004). Die insbesondere von Damasio popularisierte
Bedeutung des Frontalcortex für Entscheidungsprozesse jeglicher Art wird hier anhand eines
97
AUGENBEWEGUNGEN – 5.4 BEZUG ZU EMOTIONSSYSTEMEN
konkreten Verhaltensmaßes und spezifischen Defiziten bei Läsionen veranschaulicht (PierrotDeseilligny et al., 2003).
Neben den Auswirkungen einer Unterfunktion des frontalen Cortex gibt es auch einige Studien, wie sich der frontale Cortex in seiner Funktion als 'Belohnungsdetektor' im Sinne Rolls (s.
2.1, S.21) auf Blickbewegungen auswirken könnte. Gesunde Probanden zeigen unter einer
Belohnungs- wie unter einer Bestrafungsbedingung gegenüber einer neutralen Aufgabe geringere sakkadische Latenzen, weniger fehlerhafte Sakkaden sowie verringerte Maximalgeschwindigkeiten bei fehlerhaften Sakkaden, was als nachträglicher Korrekturversuch interpretiert wird (Jazbec et al., 2005). Auch Hikosaka (2007) berichtet, dass Belohnung zu verringerter
Sakkadenlatenz bei Affen führt. Der DLPFC scheint in solchen Fällen als Entscheidungsinstanz
nicht hemmend, sondern verhaltensfördernd zu wirken (Pierrot-Deseilligny et al., 2005), wobei
der Einfluss auf den colliculus superior über die Basalganglien erfolgt (Hikosaka et al., 2000).
5.4.2 Amygdala & Sakkaden
Als zweite zentrale Struktur für die Codierung der emotionalen Bedeutung eines Reizes war in
der Theorie von Rolls (s. 2.1, S.21) und den anderen neurowissenschaftlichen Ansätzen die
Amygdala genannt worden. Die Metaanalyse von Phan et al. (2002, 2004) ergab, dass die Amygdala bei visuell induzierten Emotion weitaus häufiger als bei erinnerten oder auditiv induzierten Emotionen aktiviert wird. Es ist zu vermuten, dass diese Aktivierung auch Auswirkungen
auf die mit der Reizverarbeitung verbundenen Blickbewegungen hat, zumal emotionale Reize
bereits parafoveal, d.h., ohne sie zu fixieren, wahrgenommen werden sollen (Calvo & Lang,
2005).
5.4.2.1 Gesichterbetrachten
Untersucht wurde die Rolle der Amygdala bei emotionsbezogener visueller Verarbeitung verstärkt für eine besondere Reizsituation, nämlich dem Betrachten von Personen mit emotionalen
Gesichtsausdrücken und dem Folgen ihres Blickes (Emery, 2000; Hooker et al., 2003; Kawashima et al., 1999). Die von Adolphs et al. (2005) vorgestellte Patientin SM mit beidseitiger Amygdala-Läsion, die Defizite bei der Verarbeitung bedrohlicher Reize hat, guckt bei entsprechenden Photos nicht auf die Augenpartie der dargestellten Personen (Vuilleumier, 2005). Inwieweit dieses Blick-Verfolgen unabhängig von bzw. vor einer weiteren Verarbeitung erfolgt, ist
allerdings nicht eindeutig geklärt. Vuilleumier et al., (2001) geben an, dass die Amygdala auch
dann erhöhte Aktivierung zeigt, wenn den Angst-Gesichtern keine bewusste Aufmerksamkeit
geschenkt wird. Andere Autoren kommen jedoch zu dem Schluss, dass eine Verarbeitung des
emotionalen Gehalts nur erfolgt, so lange nicht sämtliche Aufmerksamkeitsressourcen für eine
andere Aufgabe verwandt werden (Pessoa et al., 2002; Pessoa et al., 2005). Bradley et al.
(2000) mußten ihre Stichprobe erst in 'Gucker' und 'Starrer' unterteilen, um einen Effekt bezüglich der initialen Sakkade zu einem emotionalen Gesicht ermitteln zu könen, und 'Starrer' schnitten generell besser in der Rekationszeitaufgabe ab (Knopf drücken, sobald ein Symbol auf-
98
AUGENBEWEGUNGEN – 5.4 BEZUG ZU EMOTIONSSYSTEMEN
taucht), weil sie sich vermutlich von den Gesichtsausdrücken nicht weiter ablenken ließen. Auch
Nummenmaa et al., (2006) berichten, dass emotionale Gesichtsausdrücke zwar eher angeguckt
werden als neutrale, im weiteren Verlauf der Blick und die Aufmerksamkeit aber bewusster Kontrolle unterliegen: die Reize werden nur dann weiterhin betrachtet, wenn es keine anders lautenden Instruktionen gibt. Bedrohliche Gesichtsausdrücke zeigen dabei gegenüber positiven
keinen Unterschied. Ein möglicher 'Wahrnehmungsvorteil' oder bevorzugte Aufmerksamkeit
(engl.: attentional bias) für gefahrrelevante Reize, wie ihn beispielsweise Öhman et al (2001) für
Reaktionszeiten beim Auffinden von Spinnen- und Schlangenbilder gegenüber neutralen Reizen fanden, und den insbesondere Angstpatienten zeigen sollten, ließ sich in Bezug auf Blickbewegungen bisher nur eingeschränkt nachweisen: Spinnenphobiker zeigen keine einheitliche
Tendenz, einen angstbesetzten Reiz rascher als Gesunde zu entdecken (Miltner et al., 2004)
bzw. schauen zwar zunächst schneller darauf, im Anschluss aber vermehrt weg (Hermans et
al., 1999), wobei diese Vermeidungstendenz ebenfalls nicht einheitlich auftritt (Pflugshaupt et
al., 2006). Bei Sozialphobikern ließ sich der vermutete Zusammenhang zwischen Augenpartie
als entscheidendem Indikator von negativen Emotionen sowie Vermeidungsverhalten allerdings
bestätigen, denn sie meiden diese beim Betrachten und bevorzugen 'irrelevante' Gesichtsregionen, gerade bei traurigen Gesichtern (Horley et al., 2003).
Möglicherweise evolutionär verankerte 'Schablonen' für prototypische Gefährdungsreize
steuern das Blickverhalten also nur kurzfristig und ihre Auswirkungen werden durch zusätzliche
Einflüsse moduliert. Diese Tatsache steht in Einklang mit der wiederholt geäußerten Sichtweise,
dass die entwicklungsgeschichtlich älteren Strukturen soweit möglich durch höhere (cortikale)
Strukturen kontrolliert werden (s. z.B bei Rolls, s. 2.1.4, S.25; Panksepp, s. 2.2.3, S.31, Scherer, 3.3.2, S.54., Porges s. 4.3.2.1, S.81). Die Kontrollierbarkeit der Blickbewegungen wird
durch die Verwendung von Photographien oder anderen statischen Reizen erleichtert: da sich
auf dem Bild nichts ändert oder bewegt, kann im Anschluss an eine erste Identifikation die kognitive Neubewertung anschließend ungestört erfolgen. Leider wird bei den genannten Studien
zur Amygdala-Aktivierung auf die Auswertung von Sakkadengeschwindigkeiten als möglichem
Aktivierungsindikator verzichtet, obwohl beispielsweise Pessoa et al. (2005) explizit angeben,
dass insbesondere die dorsale Amygdala für emotionales Arousal entscheidend ist und beim
Betrachten emotionaler Gesichtsausdrücke verstärkte Aktivierung zeigte. Ebenso geben die
Studien zum attentional bias für emotionale Reize zumeist nur Sakkadenlatenz, Ziel der ersten
Sakkade sowie Fixationsdauern an.
5.4.3 Cinguläre Cortex & Sakkaden
Als ein cortikaler Einfluss auf Sakkadeninitiierung und -hemmung war unter 5.1.1.1 (S.88) und
in Abb. 5.1.1 (S.90) das cinguläre Augenfeld (CEF) im anterioren cingulären Cortex (ACC) genannt worden. Letzterer war genau wie der Frontalcortex und die Amygdala in allen neurowissenschaftlichen Theorien als eine an der Emotionsentstehung beteiligte Region identifiziert
worden. Inwieweit der ACC in seiner Funktion als Emotionsschaltkreis auch direkt Auswirkun-
99
AUGENBEWEGUNGEN – 5.5 ZUSAMMENFASSUNG
gen auf Blickbewegungen hat, ist allerdings weniger klar. Ito et al. (2003) berichten in einer
Studie mit Einzelzellableitungen an Affen, dass der ACC erst im Anschluss an die Ausführung
einer belohnungsrelevanten, aber fehlerhaften Sakkade aktiviert ist und schreiben ihm daher
lediglich die Funktion der Fehlerüberwachung zu, was sich mit anderen Befunden bei nichtmenschlichen Primaten deckt (McCoy & Platt, 2005) . Ford et al (2005) sprechen auch von Fehlerkontrolle, sehen den ACC beim Menschen hingegen schon bei der Ausführung aktiv, ebenso
wie Davis et al. (2005) sich gegen die Interpretation von Ito et al. (2003) wenden, in ihrer Studie
jedoch keine Blickbewegungen erhoben. Andere Autoren verzichten bei der Schilderung der an
Sakkaden beteiligten Schaltkreise ganz auf das CEF (Leigh & Kennard, 2004) bzw. fassen es
unter den generellen Einfluss des Frontalcortex (Büttner & Büttner-Ennever, 2006; Heinzle,
2006), was ebenfalls gegen die Annahme einer gesonderten Rolle des ACC spricht.
5.5 Zusammenfassung
Die an Blickwechseln und Fixationen beteiligten Strukturen sind in ihrer generellen Funktionsweise sehr gut untersucht: Reflexhafte Blicke werden vom visuellen und parietalen Cortex initiiert, die Unterdrückung unwillkürlicher Sakkaden, das Verharren des Blicks auf einem Objekt
und die Initiierung willkürlicher Sakkaden geschehen durch den Frontalcortex. Die Ausführung
erfolgt über Hirnstammzentren, denen zumeist der colliculus superior (SC) und das Kleinhirn
vorgeschaltet ist (Büttner & Büttner-Ennever, 2006). In Abhängigkeit vom visual load wird dabei
durch den Frontalcortex zusätzlich der spontane Lidschlag gehemmt, um den Wahrnehmungsausfall möglichst gering zu halten. Veränderungen der Lidschlagrate sind also nicht nur von
unspezifischer Erregung, die eine Zunahme bewirkt, sondern auch von der visuellen Verarbeitung abhängig (Richter et al., 1998). Kennwerte wie Lidschlagamplitude, -dauer und -geschwindigkeit sind hiervon weniger betroffen. Ähnlich ist die bei einer Sakkade erreichte Maximalgeschwindigkeit ein Indikator für das momentane Aktivierungsniveau des Organismus
(Galley, 1998).
Der Zusammenhang zwischen Augenbewegungsparametern und Emotionen ist weniger gut
erforscht. Zwar beeinflusst der Frontalcortex über die Basalganglien die Ausführung von Sakkaden, die Auswirkung auf eine Belohnung haben (Jazbec et al., 2005; Leigh & Kennard, 2004),
und emotionale Reize scheinen den Blick eher auf sich zu ziehen als neutrale (Calvo & Lang,
2005; Nummenmaa et al., 2006), was sich mit der angenommenen aufmerksamkeits- und verhaltenssteuernden Funktion von Emotionen deckt. Dass emotionale Reize länger betrachtet
werden als neutrale, ist schon länger bekannt (Lang et al., 1993), schließlich beruht ein Großteil
der Bildwerbung auf diesem Prinzip. Am gleichen Beispiel lässt sich allerdings auch veranschaulichen, dass das Ausmaß dieser Effekte willkürlicher Kontrolle unterliegt bzw. vom Umfang anderweitiger kognitiver Belastung abhängt (Nummenmaa et al., 2006; Pessoa et al.,
2002; Pessoa et al., 2005). Inwieweit eine momentan erlebte Emotion das Blickverhalten beeinflusst, ist bisher überwiegend an Patientengruppen, etwa Probanden mit Angststörungen er-
100
AUGENBEWEGUNGEN – 5.5 ZUSAMMENFASSUNG
forscht worden, und hier sind die Befunde uneinheitlich (Hermans et al., 1999; Miltner et al.,
2004; Pflugshaupt et al., 2006).
101
FRAGESTELLUNG – 6.1 SUBJEKTIVE BEWERTUNG
Empirie
6 Fragestellung
Als grundlegende Dimensionen zur Bewertung von Emotionen hatten sich in der Diskussion der
Emotionstheorien (3.5, S. 69) die Achse Valenz mit Annähern - Vermeiden bzw. für eine mehr
auf menschliches Erleben bezogene Benennung angenehm - unangenehm sowie Intensität
oder Erregung ergeben. Auf neurophysiologischer Ebene wurde insbesondere die erste Dimension sehr genau von Rolls spezifiziert (s. 2.1, S. 21), in der Psychologie sind die beiden Dimensionen sowohl durch zahlreiche Fragebogenstudien (z.B. Yik et al., 1999, s. a. 3.4.2.1, S.61) als
auch indikative peripherphysiologische Parameter validiert (z. B. Bradley & Lang, 2000, s. 3.4.3,
S.62). Der Zusammenhang zwischen erlebter Emotion, subjektiver Bewertung auf den beiden
Dimensionen sowie physiologischen Veränderungen inklusive Augenbewegungsparametern ist
auch Gegenstand dieser Untersuchung.
6.1 Subjektive Bewertung
Die zweidimensionale subjektive Bewertung scheint geeignet, als kleinster gemeinsamer Nenner unterschiedliche emotionale Reize zu bewerten. Bis jetzt erfolgt sie überwiegend im Anschluss an die Reizpräsentation, was bei statischen Reizen wie Photographien durchaus vertretbar ist. Grundsätzlich wäre jedoch eine kontinuierliche Bewertung wünschenswert, da ein
einzelner Wert die induzierte emotionale Episode womöglich nur unzulänglich beschreibt
(Hagemann et al., 2003). Gerade Appraisal-Theorien betonen den Prozesscharakter von Emotionen (z.B. Lazarus, 1991, Scherer, 2005, s. 3.1, S. 44), und auch bei den physiologischen
Parametern wird der Verlauf nach Reizbeginn untersucht, so dass eine kontinuierliche Bewertung hier neue Einsichten in den Zusammenhang von subjektiver Bewertung und körperlichen
Veränderungen bringen könnte.
6.1.1 Kontinuierliche subjektive Bewertung während emotionaler Episoden
Während bei der Untersuchung physiologischer Parameter der zeitliche Verlauf im Rahmen
einer emotionalen Episode durch Mittelung über einzelne Abschnitte ab Reizbeginn teilweise
berücksichtigt wird (Bradley et al., 2005; Franz et al., 2003; Larson et al., 2005; Palomba et al.,
2000; Roedema & Simons, 1999), geschieht dies für Veränderungen in der subjektiven Beurteilung weitaus seltener. Smith et al. (2005) bemühen sich, diesen Faktor konstant zu halten, indem sie in einem Versuchsdurchgang nur IAPS-Bilder gleicher Valenz präsentieren. Mauss et
al. (2005) sowie Hutcherson et al. (2005) lassen die Probanden die Wirkung von Filmclips kontinuierlich mittels eines Drehreglers bewerten, beschränken sich dabei allerdings auf die Dimension Valenz (Trauer - Erheiterung), da ihre Reize nur auf dieser Skala variieren. Ähnlich
wird in der Medienwirkungsforschung im Rahmen der Integrierten Rezeptions-Prozessanalyse
(Bente, 2003) das subjektive 'Gefallen' mit Hilfe einer kleinen Fernbedienung, die der Zuschauer
102
FRAGESTELLUNG – 6.1 SUBJEKTIVE BEWERTUNG
während des Schauens bedient, und ihm mittels einer Farbskala (grün bis rot) seine aktuelle
Einschätzung anzeigt, erfasst9. Für emotionspsychologische Fragestellungen wird die Bewertung auch längerer Reize aber nach wie vor im Anschluss mittels Fragebögen oder SAMBewertung erfasst (Britton et al., 2006; Hagemann et al., 1999; Hewig et al., 2005).
In der Musikpsychologie sind die Unzulänglichkeiten eines nachträglich zusammenfassenden Urteils zur Beschreibung eines gehörten Musikstücks schon länger bekannt. Schubert
(2001) gibt eine Übersicht über verschiedene Ansätze, Bewertungen bereits während des Hörens zu erfassen und die Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben. Darüber hinaus hat er selbst
ein Messverfahren entwickelt, das ein quasi-kontinuierliches10 Rating mit der Mouse am PC
ermöglicht und es mit Mimik-Photos von Ekman & Friesen (1975) validiert. In der ursprünglichen
Version befindet sich das Achsenkreuz in der rechten Bildschirmhälfte und im linken oberen Teil
das Präsentationsfenster für visuelle Reize, darunter ein Kasten, in dem die aktuellen Achsenkoordinaten aufgeführt werden (Schubert, 1999). Durch diese Anordnung wird der Eindruck der
Bildreize womöglich abgeschwächt, da sie deutlich verkleinert und als ein Element unter mehreren im Kontext der graphischen Benutzeroberfläche einer Software wahrgenommen werden.
Für auditive Reize, das Haupt-Anwendungsfeld, dürfte diese Einschränkung weniger ins Gewicht fallen.
6.1.1.1 EMuJoy
Schuberts Ansatz, die jeweilige Bewertung kontinuierlich über Mousebewegungen erfolgen zu
lassen, wurde von Nagel et al. (2007) aufgegriffen und weiterentwickelt: EMuJoy (Emotion
measurement while listening to Music using a Joystick) ist ein java-basiertes Programm, bei
dem das Achsensystem den gesamten Bildschirm einnimmt und für den Fall visueller Reize als
Fadenkreuz über das Stimulusmaterial gelegt wird (zur Veranschaulichung s. Abb. 6.1.1). Die
Ablenkung durch weitere Elemente auf dem Bildschirm ist so weitaus geringer. Zudem wurde
die Abtastrate der Mousebewegung auf 20 Hz erhöht. Es wurde bereits erfolgreich mit IAPSBildern eingesetzt (Nagel et al., 2005) und wird von den Entwicklern überwiegend benutzt, um
'Chills', die 'Schauer' beim Hören emotional ergreifender Musikstücke zu untersuchen (Grewe et
al., 2005; Grewe et al., 2007; Nagel et al., 2005). Die Implementierung in Java ermöglicht prinzipiell auch die Präsentation von Filmclips und der vorliegende Versuch soll untersuchen, inwieweit ein solcher Versuchsaufbau praktikabel ist und ob die erhaltenen Ratings mit den Bewertungen für Bildreize vergleichbar sind.
9
Eine anschauliche Darstellung des Verfahrens findet sich unter: www.wirkstoff.tv/data/Cases/Case_Study_Ford.pdf
aufgrund der Abtastrate von 1 Hz (Schubert, 1999) spricht Schubert (2001) lieber von 'kontinual'. Im vorliegenden Text
wird diese Unterscheidung nicht gemacht.
10
103
FRAGESTELLUNG – 6.1 SUBJEKTIVE BEWERTUNG
Abb. 6.1.1: Bildschirmoberfläche von EMuJoy (Nagel et al., 2007) bei Präsentation eines IAPS-Bildes (Lang et al.,
2005, Bild-Nr. 2070). Über das Bild sind die beiden Achsen Valenz (horizontal) von unangenehm bis angenehm und die
Achse Erregung (vertikal) mit den Polen ruhig und auferegt gelegt. Im rechten oberen Quadranten ist der Mouse-Zeiger,
mit dem die Versuchsperson ihren momentanen Gefühlszustand bewertet, als oranger Punkt zu erkennen. Ein grauer
Schweif verdeutlicht dabei den Bewegungsverlauf der letzten Sekunden.
6.1.2 Filme zur Emotionsinduktion
Verglichen mit den Photographien des IAPS werden Filmclips zur Emotionsinduktion deutlich
seltener eingesetzt. Dementsprechend gibt es auch kein vergleichbar standardisiertes Reizmaterial und die eingesetzten Stimuli variieren von Studie zu Studie. Allerdings gibt es eine Gruppe
von Szenen aus kommerziell verfügbaren Spielfilmen, die von Gross & Levenson (1995) ermittelt sowie mit Empfehlungen von Phillipot (1993) verglichen wurden, und für die von den beiden
Autoren zusätzlich eine genaue Anleitung zum Schneiden aus den zugrunde liegenden Spielfilmen veröffentlicht wurde. Hagemann et al. (1999) griffen diese Liste auf und erweiterten sie
um Filmclips, die von Tomarken et al. (1990) verwendet worden waren. Eine aktualisierte Liste
mit Empfehlungen findet sich bei Hewig et al. (2005)11.
Trotz der geringeren Verwendung kommt Otto (2000) zu dem Schluss, dass Filmclips neben
der Vorgabe von Geschichten die wirksamste Verfahren zur Emotionsinduktion sind. Rottenberg & Gross (2007) begründen dies damit, dass Filmclips eine hohe ökologische Validität haben, die Aufmerksamkeit stark binden und vergleichsweise intensiv erlebt werden. Die Tatsache, den dem Ausschnitt zugrunde liegenden Film bereit gesehen zu haben, scheint die emotionale Wirkung eher zu verstärken (Gross & Levenson, 1995). Gleichzeitiges Bewerten der
Filmclips während des Sehens beeinflusst das Urteil nicht (Hutcherson et al., 2005). Anders als
die Bilder des IAPS, die vor allem hinsichtlich ihrer Valenz- und Arousalratings ausgewählt wurden, ermöglichen Filmclips durch das Vorhandensein eines Erzählstrangs weitaus besser die
Induktion einer spezifischen Emotion und werden zumeist auch zu diesem Zweck eingesetzt
(Gross & Levenson, 1995; Hewig et al., 2005; Rottenberg et al., 2007).
11
Inzwischen hat auch die Gruppe um Phillipot eine neue Liste mit Filmclips zusammengestellt (Schaefer et al., 2007);
Hinweise dazu finden sich unter http://www.psp.ucl.ac.be/emotion/FilmStimuli/.
104
FRAGESTELLUNG – 6.2 PHYSIOLOGIE
6.1.3 Zweidimensionale subjektive Bewertung – subjektiv erlebte Basisemotionen
Ein Punkt, in der die verschiedenen Emotionstheorien jeweils unterschiedliche Standpunkte
vertraten, ist die Existenz von Basisemotionen. Anhänger des zweidimensionalen Ansatzes sind
der Überzeugung, dass es sich bei Basisemotionen nicht um klar voneinander abgegrenzte
Zustände handelt, sondern lediglich um prototypische Positionen im zweidimensionalen Raum,
die eben besonders häufig vorkommen und deshalb einen eigenen Begriff zugeordnet bekamen
(Russell, 1997; Scherer, 2000). Da Emotionsworte aber nur eine kategoriale Zuordnung erlauben, entstehe so der fälschlicherweise der Eindruck, es handele sich um disjunkte Zustände.
Autoren wie Ekman und Lazarus jedoch gehen von verschiedenen Klassen aus, die sich
aufgrund ihrer für sie jeweils typischen Situationsbewertung (Lazarus, s. Tab. 3.2.1, S.49) und
Reaktionsmuster unterscheiden. Panksepp sieht sie als einzelne Affektprogramme in entwicklungsgeschichtlich alten Hirnstrukturen verankert, weshalb sie zu recht als grundlegend bezeichnet werden können. Bei der Analyse der subjektiven Bewertung soll daher untersucht werden, inwieweit sich verschiedene Emotionen aufgrund ihrer Lage im zweidimensionalen Raum
von Valenz und Erregung unterscheiden lassen.
6.2 Physiologie
Die Kontroverse, in welchem Ausmaß bestimmte neuronale Affektprogramme oder lediglich die
Ur-Dimensionen Valenz und Arousal emotionale Reaktionen gliedern, setzt sich auf der Ebene
physiologischer Veränderungen fort: Levenson, Ekman und Friesen konnten ihrer Meinung
nach in mehreren Studien belegen, dass Emotionen wie Wut und Angst sich in unterschiedlichen autonome Aktivitätsmuster ausdrücken (Ekman et al., 1983; Levenson et al., 1990, 2002).
Auch wenn diese Sichtweise und die Aussagekraft ihres Versuchsaufbaus mehrfach angezweifelt wurde (Cacioppo, Berntson et al., 2000; Demaree et al., 2006), so wird sie nach wie vor von
anderen Autoren als zutreffend aufgegriffen (Rainville et al., 2006). Für die Dimensionen Valenz
und Arousal haben sich bei der Emotionsinduktion mittels IAPS-Bilder hingegen typische peripher erfasste physiologische Veränderungen etabliert (Pauli & Birbaumer, 2000), die in Tab.
3.4.1 (S.66) gemäß Bradley & Lang (2000) zusammengefasst worden waren. Während Gesichtsmuskelaktivität und Herzrate in erster Linie durch Valenz beeinflusst werden, steht ein
Anstieg der Hautleitfähigkeit mit subjektiver Erregung in Zusammenhang. Mit der vorliegenden
Studie soll untersucht werden, ob sich bei der Verwendung von Filmreizen mit gleichzeitiger
kontinuierlichen Bewertung ein vergleichbares physiologisches Muster zeigt. Da dem eingesetzten Reizmaterial im Unterschied zu den IAPS-Bildern, die nur bezüglich ihrer Valenz- und Erregungsbewertung variieren, jeweils eindeutige Zielemotionen zugeschrieben werden können,
bietet sich auch hier die Möglichkeit, eventuell vorhandene emotionsspezifische Veränderungen
zu identifizieren.
105
VERSUCH – 6.3 ZUSAMMENFASSUNG FRAGESTELLUNG
6.2.1 Entsprechung in Augenbewegungskennwerten
Wie in Kapitel 5.4 (S.97) dargestellt, wurde bei Augenbewegungen im Zusammenhang mit Emotionen bisher in erster Linie untersucht, mit welcher Verzögerung bedrohliche oder belohnende Reize mittels einer Sakkade entdeckt werden, und ob es dabei einen generellen evolutionär bedingten attentional bias gegenüber neutralen Reizen gibt (Hikosaka, 2007; Miltner et al.,
2004) bis hin zu Blickstrategien spezifischer phobischer Patientengruppen (Horley et al., 2003;
Miltner et al., 2004; Pflugshaupt et al., 2006). Beim Lidschlag wird vor allem die Amplitude des
reflektorischen Schreckblinzlers sowie bei der Präsentation von Filmclips eventuell noch Veränderungen in der Spontanrate erhoben (Eckert, 2007; Palomba et al., 2000). Auf dynamische
Parameter der Augenbewegungen wie Geschwindigkeiten von Sakkaden und Lidschlägen wurde dabei verzichtet, obwohl bekannt ist, dass diese Kennwerte einen Bezug zum aktuellen Aktivierungsniveau zeigen (Galley, 1998; Schleicher et al., 2008). Dementsprechend soll hier überprüft werden, inwieweit sich verschiedene Sakkaden- und Lidschlagkennwerte im Zusammenhang mit subjektiver Valenz und Erregung sowie anderen physiologischen Maßen verändern.
6.3 Zusammenfassung Fragestellung
Die auf den letzten Seiten dargestellte Fragestellung zum Zusammenhang von kontinuierlicher
Emotionsbewertung und physiologischen Parametern bei der Präsentation von emotionalen
Filmclips wird an dieser Stelle noch mal in Form von fünf konkreten Fragen zusammengefasst:
1. Lassen sich durch die Darbietung von Filmclips bei gleichzeitiger Bewertung mittels EMuJoy
verlässlich unterschiedliche Emotionen induzieren?
2. Führt diese Art der Emotionsinduktion und gleichzeitiger Bewertung zu physiologischen
Veränderungen, die mit bisherigen Befunden aus der Literatur vergleichbar sind?
3. Lassen sich dabei Unterschiede zwischen bestimmten Zielemotionen erkennen?
4. Wie sieht der Zusammenhang zwischen physiologischen Veränderungen und kontinuierlicher subjektiver Bewertung aus?
5. Welchen Zusammenhang zeigen Blickbewegungsparameter zu der subjektiven Bewertung
sowie den übrigen physiologischen Parametern?
7 Versuch
Der vorliegende Versuch wurde im Sommer 2005 am Institut für Klinische Psychologie und
Psychotherapie der Universtität Köln durchgeführt.
7.1 Versuchsteilnehmer
Die Versuchsteilnehmer wurden über Aushänge am Psychologischen Institut der Universität
Köln rekrutiert und erhielten für ihre Teilnahme bis zu 3 Versuchspersonenstunden. Teilnehmen
konnten Personen im Alter von 20-49 Jahren, die nicht in ärztlicher Behandlung waren, über
normale Seh- und Hörfähigkeit verfügten und die PC-Mouse üblicherweise mit der rechten
106
VERSUCH – 7.2 VERSUCHSAUFBAU
Hand bedienten. Insgesamt nahmen an dem Versuch 60 Probanden, davon 35 weiblich und 25
männlich, teil. Das mittlere Alter betrug 25 ± 4,88 Jahre. Versuchsleiter waren der Autor sowie
eine Forschungspraktikantin, die die Experimente jeweils einzeln durchführten, weshalb im folgenden allgemein von 'Versuchsleiter' im generischen Maskulinum gesprochen wird.
7.2 Versuchsaufbau
Der gesamte Untersuchung inklusive Eingangs- und Nachbefragung fand im selben Laborraum
statt, in dem sich währenddessen außer dem Versuchsleiter und dem Probanden niemand aufhielt. Am Ende dieses Raumes war eine Leinwand aufgebaut, die den Großteil der Wand einnahm. Zwei Meter davor befand sich der Probandensessel, hinter dem auf einem Gerüst ein
Beamer12, der die Bilder und Filmreize in einer Größe von 90 x 130 cm auf die Leinwand projizierte, angebracht war. Vor der Reizdarbietung wurde der Raum verdunkelt, um die Aufmerksamkeit der Probanden auf die Leinwand zu lenken und die Wirkung der dargeboten Reize zu
verstärken. Die Wiedergabe erfolgte über die EMuJoy-Software (Nagel et al., 2007) auf einem
Laptop13, an das externe PC-Lautsprecher14 sowie der Beamer angeschlossen waren. Ebenfalls
an dieses Laptop angeschlossen war die Mouse, mit der die Versuchsperson ihre kontinuierliche Bewertung abgab, weshalb es im weiteren als Versuchspersonenrechner (VP-Rechner)
bezeichnet wird. Gesteuert wurde die Reizpräsentation vom Versuchsleiter (VL) über die Remote-Control-Komponente von EMuJoy auf einem zweiten Laptop15, dem VL-Rechner, der sich im
hinteren Teil des Raumes befand und über ein Netzwerkkabel mit dem VP-Rechner kommunizierte.
7.3 Versuchsablauf
Nachdem sie vom Versuchsleiter begrüßt worden waren, wurden die Probanden in den Versuchsraum geführt und über den Sinn der Untersuchung der informiert. Sobald sie die Einverständniserklärung unterschrieben hatten und etwaige Fragen aufgrund des Eingangsfragebogen (s. Anhang Kap. 13, S.212) geklärt worden waren, füllten sie die Kurzform A des Mehrdimensionalen Befindlichkeitsfragebogen (MDBF, Steyer et al., 1997) aus. Anschließend wurde
mit der Anbringung der Physiologie-Sensoren begonnen. Währendessen bekamen die Versuchspersonen die allgemeinen Instruktionen für die kontinuierliche Bewertung auf den Dimensionen Valenz und Erregung zu lesen. Sie lautete (Formatierung vom Originaltext übernommen):
Sie werden gleich verschiedene Bilder, Musikstücke sowie Filmclips präsentiert bekommen. Diese sollen Sie bezüglich ihrer emotionalen Wirkung auf den Dimensionen
Angenehm-Unangenehm und Aufgeregt-Ruhig bewerten.
12
SANYO PLC
Acer Travelmate 8005LMi, 1.8 GHz Intel Pentium M475 CPU, 512 MB RAM, ATI Radeon 9700 Graphikkarte
14
Logitech Soundman G1
15
Medion 9580-F, 1 GHz Pentium Mobile CPU, 256 MB RAM
13
107
VERSUCH – 7.3 VERSUCHSABLAUF
Wichtig ist dabei, dass Sie einschätzen sollen, wie der Film oder die Musik auf Sie
persönlich wirkt, und nicht, was der Komponist oder Regisseur damit vermutlich für
ein Gefühl hervorrufen wollte.
Lassen Sie die Musik auf sich einwirken und geben Sie an, was Sie dabei empfinden.
Bei den Filmen versetzen Sie sich möglichst so in die Hauptperson, als wenn Sie es
selbst erleben würden, und bewerten dann, wie Sie sich dabei fühlen.
Im Anschluss an jeden Reiz werden Sie gebeten, das erlebte Gefühl mit 1-2 Worten
zu benennen.
Darüber hinaus wurde die Steuerung der EMuJoy-Software erläutert (s. Anhang Kap. 13
S.212).
Nachdem die Versuchsperson vollständig verkabelt war und die Instruktionen durchgelesen
hatte, wurde die Signalqualität der physiologischen Messung überprüft. Dabei wurde bereits das
Licht im Versuchsraum ausgeschaltet, um den Augen der Probanden ausreichend Zeit zur
Dunkeladaptation zu geben. Erschien die Signalqualität zufriedenstellend, wurde mit der physiologischen Messung begonnen sowie die EMuJoy-Software gestartet, denn die Kalibrierung der
Augenbewegungen erfolgte mit Hilfe von in EMuJoy dargebotenen Bildreizen. Der Abstand des
Probandengesichts zur Leinwand wurde bestimmt, und der Proband gebeten, die auf der Leinwand erscheinenden Bildpunkte zu fixieren. Mit Hilfe dieser Informationen ließ sich die Amplitude der im EOG registrierten Blicksprünge in Winkelgrad umrechnen. War diese Vorbereitungsphase abgeschlossen, begab sich der Versuchsleiter in den hinteren Teil des Raumes und die
Präsentation emotionaler Reize sowie die Aufzeichnung der kontinuierlichen Valenz-ErregungsRatings begann.
7.3.1 Stimulusmaterial & Reizpräsentation
Die Präsentation emotionsrelevanter Reize gliederte sich in drei Phasen: zunächst Photographien des International Affective Picture System IAPS (Lang et al., 2005), um die Versuchsperson mit dem Achsensystem Valenz und Erregung vertraut zu machen, im nächsten Schritt Musikstücke mit einer Dauer um die 2 Minuten, anhand derer das kontinuierliche Bewerten des
eigenen Erlebens geübt wurde und schließlich die Darbietung emotionaler Filmclips, die den
Kern dieses Versuchs bilden.
7.3.1.1 Trainingsphase I: IAPS-Bilder
Als erster Reiztyp waren IAPS-Bilder ausgewählt worden, deren Valenz- und Arousalwert sich
deutlich unterschied bei denen das Motiv aber einen gewissen Interpretationsspielraum bot, um
nicht den Eindruck eines kategorialen Bewertungssystems zu erwecken, wie es bei den extremen Bildern des IAPS (OP-Aufnahmen u.ä.) leicht der Fall gewesen wäre. Eine Übersicht der
dargebotenen Bilder ist in Tab. 7.3.1 zu sehen.
108
VERSUCH – 7.3 VERSUCHSABLAUF
Tab. 7.3.1: Übersicht der dargebotenen Bilder des International Affective Picture System IAPS (Lang et al., 2005) in
Trainingsphase I. Valenz- und Arousalratings beziehen sich auf die 9-stufigen Self-Assessment-Mannikin-Skalen, wobei
9=angenehme Valenz (pleasure) bzw. hohes Arousal bedeutet.
IAPSNr.
Motiv
ValenzWert*
ArousalWert'
2070
Baby, das in die Kamera blickt
8.17
4.51
2205
Alter Mann, der am Krankenbett eines anderen Menschen sitzt
1.95
4.53
8170
An Bord eines Segelbootes bei gutem Wetter, spritzende Gischt
7.63
6.12
7190
Taschenuhr, aufgehängt an einem Holzbrett
5.55
3.84
3500
Gangster bedroht Fahrgast in der U-Bahn mit einer Waffe
2.21
6.99
1670
Kuh auf grüner Wiese
5.82
3.33
* nach Lang et al. (2005)
Die Probanden konnten die Bilder so lange betrachten, bis sie zu einer abschließenden Einschätzung gekommen waren, und durften Fragen zum Bewertungsverfahren oder der Mousesteuerung stellen. Im Anschluss wurden sie gebeten, das erlebte Gefühl kurz zu beschreiben.
Nach dem vierten Bild fragte der Versuchsleiter, ob sie sich mit dem Bewertungssystem vertraut
fühlten oder weitere Bilder sehen wollten. Dies war bei drei Probanden der Fall (VP 33, 40, 43),
die nach einem weiteren Bild zur nächsten Phase übergingen.
7.3.1.2 Trainingsphase II: Musikstücke
EMuJoy war ursprünglich zur kontinuierlichen Bewertung von Musikstücken entwickelt worden.
Musik bietet sich für den vorliegenden Versuch an, eine kontinuierliche Bewertung zu üben,
denn die Informationsaufnahme ist auf den auditiven Kanal beschränkt und der Proband kann
seinen Seh-Sinn uneingeschränkt zur Überwachung der Mousebewegungen nutzen. Um das
Einüben der kontinuierlichen Bewertung zu erleichtern, wurde auf Exzerpte aus Kompositionen
zurückgegriffen, die sich in anderen Studien bewährt haben (Baumgartner et al., 2006; Heene
et al., 2007; Juslin & Sloboda, 2001; Kenealy, 1997; Schubert, 1999). Eine Übersicht der dargebotenen Musik-Exzerpte ist in Tab. 7.3.2 zu sehen.
Tab. 7.3.2: Übersicht der dargebotenen Musik-Exzerpte in Trainingsphase II
Musik-Exzerpt
Dauer
Mögliche Assoziationen
Albinoni – Adagio in G minor
1:58
Wehmut, Trauer
Beethoven - Allegro ma non troppo
2:37
Freude, Leichtigkeit
Paco De Lucia & Joaquin Rodrigo – II. Adagio aus Concierto de
Aranjuez für Gitarre und Orchester
2:06
erst heiter,
dann wehmütig-traurig
2:21
anfangs heiter, dann wehmütig, dann getragen
Holst – Jupiter - The Bringer of Jolity
Auch hier wurden die Probanden im Anschluss gebeten, das erlebte Gefühl kurz zu umschreiben. Außerdem wurden mögliche Fragen zur Mouse-Steuerung beantwortet.
Nach dem zweiten Musikstück fragte der Versuchsleiter, ob sich die Versuchsperson im Umgang mit dem Bewertungsverfahren sicher fühlte oder weitere Musikstücke hören wollten. Dies
109
VERSUCH – 7.3 VERSUCHSABLAUF
war bei zwölf Probanden der Fall (VP 1, 2, 7, 15, 20, 25, 27, 30, 31, 32, 33, 37), die nach einem
weiteren Musikstück angaben, die kontinuierliche Bewertung jetzt ausreichend zu beherrschen.
7.3.1.3 Hauptversuch: Filmreize
Nach Abschluss der Trainingsphase begann der eigentliche Versuch, in dem die Probanden
insgesamt 14 emotionale Filmclips sowie zwischen jedem emotionalen einen neutralen Filmclip
bewerten sollten. Die Auswahl der Filmclips orientierte sich dabei an Hagemann et al. (1999)
und Hewig et al. (2005), deren Auswahl wiederum auf Tomarken et al. (1990), Gross & Levenson (1995), sowie Philippoth (1993) beruht. Eine Übersicht der dargebotenen Filmclips ist in
Tab. 7.3.3 zu sehen. Die Filmausschnitte waren freundlicherweise von Dirk Hagemann als VHSKassette zur Verfügung gestellt worden und wurden für die vorliegende Studie entweder digitalisiert oder bei unzureichender Qualität anhand der Vorlage aus einer digitalen Version erneut
erstellt.
Tab. 7.3.3: Übersicht der dargebotenen Filmclips im Hauptversuch in Anlehnung an Hagemann et al. (1999) und Hewig
et al. (2005).
Deutscher Filmtitel, Jahr
(Kurztitel)
Dauer
Zielemotion
0:35
neutral
Bahnfahrt durch einen Wald aus Zugführersicht
1:46
Trauer
Ein Mann und eine Frau suchen ihren Freund und
entdecken, dass er sich erhängt hat.
Schreiendes Land, 1984
(Killing Fields)
1:19
Trauer
Ein Mann nimmt unter Tränen Abschied von seinen
Freunden.
Der Champ, 1979
(Champ)
2:35
Trauer
Ein Junge sieht seinen Vater nach einem Boxkampf
auf einer Bahre sterben und fängt an zu weinen.
Ein Offizier und Gentleman, 1982
(Offizier2)
1:54
Freude
Ein Offizier in Ausgehuniform holt eine Arbeiterin in
einer Fabrik ab und trägt sie aus der Halle. (Happy
End)
Harry und Sally, 1989
(Harry&Sally)
2:27
Freude
Eine Frau spielt einem Mann mit lautem Stöhnen in
einem vollen Restaurant einen Orgasmus vor. Der
Mann ist erst peinlich berührt, dann amüsiert.
Am goldenen See, 1981
(Dance)
0:31
Freude
Eine Frau tanzt und singt an einem See; dabei wird sie
von einer anderen beobachtet. Beide fallen sich voller
Wiedersehensfreude in die Arme.
Das Schweigen der Lämmer, 1991
(Schweigen d. Lämmer)
3:25
Angst
Eine FBI-Beamtin sucht einen zwielichtigen Mann in
seinem Haus auf und verfolgt ihn in den Kellerräumen,
in denen Schreie zu hören sind.
Shining, 1980
(Shining)
1:20
Angst
Ein spielendes Kind bewegt sich auf eine Hotelzimmertür zu, hinter der etwas Unheimliches zu lauern
scheint.
Halloween – Die Nacht des Grauens,
1978 (Halloween)
3:02
Angst
Eine junge Frau bewegt sich in einem dunklen Haus
und entdeckt dort mehrere Leichen; sie merkt nicht,
dass der Mörder auch ihr auflauert.
Gandhi, 1982
(Gandhi)
2:06
Wut
Ein indischer Anwalt versucht, seinen Pass zu
verbrennen und wird deswegen von einem britischen
Polizisten verprügelt, läßt aber nicht davon ab.
Schrei nach Freiheit, 1987
(Cry Freedom)
2:26
Wut
Eine Gruppe Farbiger demonstriert friedlich und wird
von weißen Soldaten niedergemetzelt.
Der einzige Zeuge, 1985
(Witness)
1:25
Wut
Eine Gruppe Amish People wird von Halbstarken
provoziert und verhöhnt, ohne sich zu wehren.
1:06
Ekel
1:03
Ekel
Führerstandsmitfahrten, 1995
(Bahnfahrt)
Ein Offizier und Gentleman, 1982
(Offizier1)
Maria's Lovers, 1984
(Ratte)
Der Pate, 1972
(Der Pate)
110
Inhalt
Eine Ratte krabbelt einem unruhig schlafenden Mann
in den Mund; dieser erwacht und tötet sie.
Ein Mann wacht auf und entdeckt einen blutigen Pferdekopf in seinem Bett; er fängt an zu schreien
VERSUCH – 7.4 DATENERFASSUNG
Die Präsentation der Filmclips erfolgte für jeden Probanden in einer anderen Reihenfolge, wobei sichergestellt worden war, dass nicht zwei Ausschnitte aus dem selben Film (Offizier1 und
Offizier2) oder mit der gleichen Zielemotion unmittelbar hintereinander gezeigt wurden. Im Anschluss an jeden Filmclip wurden die Probanden gebeten, das erlebte Gefühl mit wenigen Worten zu beschreiben. Außerdem wurden sie gefragt, ob ihnen die Filmszene bekannt war.
7.3.2 Versuchsende
Nach der Reizdarbietung wurden die Versuchspersonen entkabelt und bekamen die Möglichkeit, sich in den benachbarten Toilettenräumen von eventuell vorhandenen Resten der Elektrodenpaste zu reinigen. Anschließend füllten sie zwei Fragebögen, die Toronto Alexithymie Skala
26 (TAS-26, Kupfer et al., 2001) und das NEO-Fünf-Faktoren-Inventar nach Costa und McCrae
(NEO-FFI, Borkenau & Ostendorf, 1993) aus. Danach hatten die Probanden die Möglichkeit,
weitere Fragen zum Sinn oder Ablauf der Untersuchung zu stellen und bekamen ihre Versuchspersonenbescheinigung ausgehändigt.
7.4 Datenerfassung
7.4.1 Subjektive Bewertungen
Die Speicherung der Arousal-Valenz-Bewertungen mit der Mouse erfolgte während der Reizdarbietung durch die EMuJoy-Software auf dem VP-Rechner, die für jeden Reiz zu Beginn der
Wiedergabe eine neue ASCII-Datei gleichen Namens anlegte. Die Aufzeichnung erfolgte dabei
ereignisbasiert, das heißt, es wurden nur dann Daten geschrieben, wenn die Mouse auch tatsächlich bewegt wird. In diesem Fall wurden die x/y-Koordinaten einer solchen Mousebewegung mit einer Abtastrate von 20 Hz aufgezeichnet (Nagel et al., 2005).
7.4.2 Physiologische Parameter
Alle physiologischen Parameter wurden mit einem Varioport-Physiorekorder (Becker Meditec,
Karlsruhe) aufgezeichnet. Die Kontrolle der Datenaufzeichnung erfolgte über das Programm
Variograf (Mutz, 2004). Eine mögliche Online-Vorverarbeitung der einzelnen Signale (z.B. Filterung) wurde dabei so weit möglich deaktiviert und das unbehandelte Rohsignal mit einer Auflösung von 16-Bit digitalisiert auf der Speicherkarte des Rekorders abgelegt. Als Elektroden dienten Silber-/Silberchlorid (Ag/AgCl)-Elektroden der Firma GE Medical Systems (Freiburg). Alle
Elektroden wurden mittels Kleberingen an der Versuchsperson angebracht und gegebenenfalls
zusätzlich mit Pflaster fixiert. Außer für die Elektroden zur Messung der Hautleitfähigkeit wurde
in allen Fällen Hellige Elektrodencreme (GE Medical Systems, Freiburg) zur Erhöhung der Leitfähigkeit benutzt. Als Erdung diente eine Elektrode auf der linken Halsseite des Probanden.
7.4.2.1 Hautleitfähigkeit (EDA)
Die EDA-Elektroden waren auf der Innenseite der linken Hand der Versuchsperson auf dem
Daumen- und dem Kleinfingerballen (Thenar und Hypothenar) platziert. An die beiden Elektro-
111
VERSUCH – 7.4 DATENERFASSUNG
den wurde eine konstante Spannung von 0.5 Volt angelegt und so Änderungen in der Leitfähigkeit der Haut mit einer Abtastrate von 64 Hz erfasst. Anders als bei den übrigen Elektroden kam
hier eine Natriumchlorid (NaCl)-Paste (Becker Meditec, Karlsruhe) zum Einsatz, die in ihrer
NaCl-Konzentration dem menschlichen Schweiß ähnelte. Die Probanden wurden gebeten, während des Versuchs die linke Hand möglichst wenig zu bewegen.
7.4.2.2 Gesichtsmuskelaktivität (EMG)
Die EMG-Elektroden wurden entsprechend der Empfehlung von Tassinary & Cacioppo (2000)
platziert, um die drei Gesichtsmuskeln Corrugator supercilii, Zygomaticus major und Orbicularis
oculi zu erfassen (s. Abb. 7.4.1). Anders als auf der Abbildung befand sich die Erdung allerdings auf der linken Halsseite, nicht am linken Ohrläppchen. Alle drei Kanäle wurden mit 128 Hz
abgetastet. Für das Zygomaticus-Signal stand dabei ein Varioport-EMG-Vorverstärker zur Verfügung (Becker Meditec, Karlsruhe), die beiden anderen EMG-Signale wurden über unbenutzte
Kanäle des Varioport EOG-Moduls aufgezeichnet.
Abb. 7.4.1: Platzierung der EMG-Elektroden. Iso-Grund = Erdungselektrode (im vorliegenden Versuch am Hals, nicht
am Ohrläppchen angebracht). Modifiziert aus Tassinary & Cacioppo (2000).
7.4.2.3 Herzaktivität (EKG)
Die EKG-Elektroden wurden an der rechten Halsseite und der Innenseite des linken Handgelenks der Versuchsperson angebracht, da diese Anordnung ein zur Bestimmung der R-Zacke
ausreichendes Signal lieferte, jedoch ein Freimachen des Oberkörpers ersparte und den Probanden gleichzeitig genügend Bewegungsfreiheit zur Mousesteuerung mit der rechten Hand
ließ. Abtastrate war wie für das EOG 512 Hz.
7.4.2.4 Augenbewegungen (EOG)
Die EOG-Elektroden wurden wie in Abb. 7.4.2 zu sehen, in den äußeren Ecken der Augen (horizontaler Kanal) bzw. über und unter dem rechten Auge (vertikaler Kanal) platziert.
112
DATENAUFBEREITUNG – 8.1 SUBJEKTIVE DATEN
Abb. 7.4.2: Platzierung der EOG-Elektroden A und B erfassen die vertikalen, C und D die horizontalen Bewegungen.
E=Erdungselektrode (im vorliegenden Versuch am Hals, nicht am Ohrläppchen angebracht). Modifiziert aus Schandry
(1998).
Anders als auf der Abbildung befand sich die Erdung allerdings auf der linken Halsseite, nicht
am linken Ohrläppchen. Beide Kanäle wurden mit 512 Hz abgetastet. Tab. 7.4.1 gibt eine Übersicht über die erhobenen Signale, ihre Abkürzung sowie die jeweilige Abtastrate.
Tab. 7.4.1: Übersicht über die erhobenen physiologischen Signale
Signal
Kürzel
Abtastrate
EDA
64 Hz
Aktivität musculus corrugator supercilii
EMGco
128 Hz
Aktivität musculus orbicularis oculi
EMGor
128 Hz
Aktivität musculus zygomaticus
EMGzy
128 Hz
Hautleitfähigkeit
Herzaktivität
EKG
512 Hz
Augenbewegung horizontal
EOGh
512 Hz
Augenbewegung vertikal (inkl. Lidschlag)
EOGv
512 Hz
8 Datenaufbereitung
Das folgende Kapitel beschreibt, wie die verschiedenen Datenquellen weiterverarbeitet und in
ein einheitliches Format gebracht wurden, sowie welche Kennwerte aus ihnen jeweils gebildet
wurden, die dann im Ergebnisteil statistisch ausgewertet werden. Eine Ausnahme bildet die
Auswertung der Emotionsbenennung im Anschluss an einen Filmclip, die schon in diesem Kapitel unter 8.1.3 (ab S. 117) erfolgt, da ihr Resultat Implikationen für die Aufbereitung der EMuJoy- sowie der physiologischen Daten hat.
8.1 Subjektive Daten
Selbsteinschätzungen waren im Versuch an verschiedenen Stellen erhoben worden: einmal die
kontinuierliche Bewertung während der Reizdarbietung, die den Kern dieser Untersuchung bil-
113
DATENAUFBEREITUNG – 8.1 SUBJEKTIVE DATEN
det, dann die mündliche Zusammenfassung der gerade erlebten Emotion im Anschluss an einen Filmclip sowie schließlich die Fragebögen zu Beginn und Ende des Versuchs. Die Fragebögen dienten dabei vor allem der Identifizierung von Besonderheiten bei einzelnen Versuchspersonen, die für die weitere Auswertung relevant sein könnten und werden entsprechend kurz
beschrieben. Für detailliertere Informationen über die zugrunde liegenden Konstrukte sowie
psychometrischen Eigenschaften der Tests sei auf die jeweiligen Manuale und die aufgeführte
Literatur verwiesen.
Die EMuJoy-Ratings während der Filmpräsentation und die anschließende Kurzbeschreibung hingegen bilden die Grundlage für die spätere Bewertung der Veränderung in den Biosignalen, weshalb sie eingehender analysiert werden. Während das EMuJoy-Rating sich auf Dimensionen Arousal und Valenz beschränkte, ermöglichte die anschließende freie Beschreibung
eine genauere Differenzierung der gerade erlebten Emotionen und damit eine Erläuterung des
zuvor abgegebenen kontinuierlichen Ratings. Dementsprechend werden nach den FragebogenDaten zunächst die Ergebnisse der freien Angaben berichtet und auf dieser Grundlage die EMuJoy-Daten ausgewertet. Auf sonstige Besonderheiten, die sich aus dem Eingangsfragebogen oder Gesprächen im Versuchsanschluss ergaben (eine Versuchsperson befand sich beispielsweise in der Nachsorge einer Herztransplantation) wird im jeweiligen Auswertungsabschnitt (in diesem Fall EKG) hingewiesen.
8.1.1 Eingangsfragebogen
Der Eingangsfragebogen gliederte sich in einen allgemeinen Teil, in dem demographische Informationen sowie für psychophysiologische Untersuchungen generell relevante Kennwerte wie
Schlafdauer, momentane körperliche Beschwerden und eingenommene Medikamente abgefragt wurden. Hier wurden in einigen Fällen Kopfschmerzen (VP 10, 37), Erkältung/Halsschmerz/Heuschnupfen (VP 27, 32, 33, 36, 52), Rückenschmerzen (VP 32, 46, 47)
sowie Kreislaufbeschwerden (VP 55) angegeben. Die entsprechenden Probanden wurde daraufhin gefragt, ob sie sich die Teilnahme an dem Versuch zutrauten oder einen neuen Termin
vereinbaren wollten. Alle Probanden sahen sich zur Teilnahme in der Lage. Um die emotionale
Gestimmtheit zu Beginn des Versuchs abschätzen zu können, wurde zudem ein standardisierter Fragebogen, der MDBF in seiner Kurzform A eingesetzt.
114
DATENAUFBEREITUNG – 8.1 SUBJEKTIVE DATEN
8.1.1.1 Befindlichkeitsfragebogen MDBF
Der Mehrdimensionale Befindlichkeitsfragebogen (MDBF, Steyer et al., 1997) erfasst die momentane psychische Verfassung mit Hilfe von 24 Adjektivbeschreibungen ('Im Moment fühle ich
mich… zufrieden'), denen die Versuchsperson auf einer Likertskala von 1 bis 5 widersprechen
('überhaupt nicht') oder zustimmen ('sehr') kann. In der Kurzform des Fragebogens sind es jeweils 12 Items, die folgende zugrunde liegende Skalen erfassen:
• Gute-Schlechte Stimmung (GS) Beispielitem: zufrieden, glücklich
• Wachheit-Müdigkeit (WM) Beispielitem: ausgeruht, schlapp
• Ruhe-Unruhe (RU) Beispielitem: ausgeglichen, nervös
Hohe Werte deuten dabei eine positive Ausprägung auf der jeweiligen Skala an, also gute
Stimmung, wach und ruhig. Die Autoren weisen ausdrücklich darauf hin, dass aufgrund der
Situationsabhängigkeit die Angabe von allgemeingültigen Normwerten nicht sinnvoll ist. Als
Vergleichsmöglichkeit bieten sie den Mittelwert und die Standardabweichung der Eichstichprobe (n=503) an (Steyer et al., 1997). Im folgenden werden alle Versuchspersonen aufgeführt,
deren Skalenwert kleiner als dieser Mittelwert –2 Standardabweichung war, was gleichzeitig
eine Nähe zum negativen Pol der jeweiligen Skala bedeutet:
• Gute-Schlechte Stimmung (GS): VP 55
• Wachheit-Müdigkeit (WM): –
• Ruhe-Unruhe (RU) VP 10, 42
Versuchsperson 55, die sich eine schlechte momentane Stimmung attestiert hatte, litt nach
eigenen Angaben unter Kreislaufbeschwerden, hatte sich aber dennoch für die Versuchsdurchführung entschieden. Dass sich niemand als auffällig müde einstufte, stimmt mit den Angaben
im generellen Teil des Eingangsfragebogens überein, dem gemäß die Probanden im Mittel 7.5
± 1.46 Stunden geschlafen hatten, und seit 6.3 ± 2.96 Stunden auf waren.
Bezüglich der hohen Ausprägung auf der Skale 'Ruhe-Unruhe' ließ sich kein Zusammenhang zu momentan eingenommenen Medikamenten, Anzahl getrunkener Tassen Kaffee (2 bei
VP 10, 0 bei VP42) oder Zeit seit letzter Mahlzeit (2h bei beiden Vpn) feststellen. Allerdings
hatte VP 10 Kopfschmerzen angegeben und bei VP 42 handelte es sich um den Herztransplantations-Patienten. Ob sich für die genannten Fälle Auswirkungen auf die kontinuierliche Filmbewertung erkennen lassen, wird in Abschnitt 8.1.4.3 (S. 122) angegeben.
8.1.2 Nachfragebögen
Die Messinstrumente, die psychisches Erleben und die Wahrnehmung von Emotionen betreffen, waren an das Versuchsende gestellt worden, um die Versuchspersonen nicht in Bezug auf
ihr Bewertungsverhalten während der Reizdarbietung zu beeinflussen.
115
DATENAUFBEREITUNG – 8.1 SUBJEKTIVE DATEN
8.1.2.1 Persönlichkeitsfragebogen NEO-FFI
Das NEO-Fünf-Faktoren-Inventar von Costa & McCrae (NEO-FFI, deutsche Version von Borkenau & Ostendorf, 1993) versucht die Persönlichkeit eines Menschen hinsichtlich der fünf Skalen
Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen (=N,E;O), Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit einzuschätzen. Diese fünf Dimensionen haben sich in faktorenanalytischen Untersuchungen als grundlegend bei der Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften mittels Fragebögen bzw. Adjektivlisten erwiesen (Borkenau & Ostendorf, 1993). Im NEO-FFI werden sie über
insgesamt 60 Aussagen der Art ' Manchmal fühle ich mich völlig wertlos', die der Proband auf
einer fünfstufigen Skala von starke Ablehnung bis starke Zustimmung bewertet, erfragt.
Für diese Studie liegen zwei geschlechtspezifische Normen vor: die des deutschen Manuals
(Borkenau & Ostendorf, 1993) an 1076 Frauen und 966 Männern erhoben, sowie für 250 weibliche 130 männliche Studierende der Uni Köln erfasste Werte. Setzt man als Kriterium die Abweichung vom Mittelwert um zwei Standardabweichungen, so sind die 'Kölner Normen' enger:
Wer im entsprechenden Randbereich der Manualnormen liegt, dessen Wert liegt auch automatisch über den Grenzwerten der Kölner Normen, was umgekehrt nicht der Fall sein muss. Bei
folgenden Versuchspersonen übertraf ein Skalenwert den jeweiligen Normwert um mehr als
zwei Standardabweichungen:
• Für Neurotizismus lag der Skalenwert einer Versuchsperson (VP 40) um mehr als zwei
Standardabweichungen über dem Gesamtmittelwert, in Bezug auf die 'Kölner Norm' war
dies zusätzlich noch für die Probanden VP 30, 32, 55 und 56 der Fall.
• Bezüglich der Skala 'Offenheit' lagen zwei Probanden über dem Grenzwert der ManualNorm (VP 10 und 12).
Ob sich für diese Fälle Auswirkungen auf die kontinuierliche Filmbewertung erkennen lassen,
wird in Abschnitt 8.1.4.3 (S. 122) angegeben.
8.1.2.2 Alexithymiefragebogen TAS-26
Alexithymie bezeichnet die mangelnde Fähigkeit einer Person, Gefühle an sich wahrzunehmen
und zu verbalisieren (Aleman, 2005). Unabhängig davon, ob die dieses Defizit auf tatsächlich
geringerer physiologischer Erregung bei emotionalem Erleben (Roedema & Simons, 1999) oder
der Entkopplung von physiologischen Veränderungen und kognitiver Verarbeitung besteht
(Franz et al., 2003), ist eine Auswirkung auf die kontinuierliche Selbsteinschätzung wahrscheinlich. Aus diesem Grund wurde allen Probanden die deutsche Version der Toronto Alexithymie
Skala (TAS-26, Kupfer et al., 2001) vorgelegt, das am weitesten verbreitete Messinstrument zur
Erfassung von Alexithymie (Aleman, 2005; Taylor & Bagby, 2004). In diesem Verfahren soll die
Versuchsperson 26 Aussagen über ihr eigenes Gefühlserleben auf einer fünfstufigen Likertskala von trifft gar nicht zu bis trifft völlig zu bewerten. Eine Aussage lautet beispielsweise: 'Ich erkenne oft nicht, wann ich wütend bin'. Die Einzelaussagen lassen sich zu drei Skalen zusammenzufassen, darüber hinaus ist aber auch die Angabe eines Gesamtwertes 'Alexithymie' als
116
DATENAUFBEREITUNG – 8.1 SUBJEKTIVE DATEN
Summe aller Skalenwerte möglich und in Untersuchungen zu emotionalem Erleben der übliche
Kennwert (Christie & Friedman, 2004; Franz et al., 2004; Roedema & Simons, 1999; Stone &
Nielson, 2001). Entsprechend der Empfehlung des Manuals wurden alle Probanden ab einem
Gesamtmittelwert ≥ 3.11 (5%-Cut-Off-Wert für Schulabschluss Abitur) als womöglich alexithym
identifiziert. Im Falle der vorliegenden Studie war dies bei drei Versuchsteilnehmern (VP 6, 30,
55) der Fall, deren Bewertungsverhalten im weiteren Verlauf besonders berücksichtigt wird (s.
8.1.4.3, S. 122).
8.1.3 Emotionsbenennung im Anschluss an Filmclip
Unmittelbar im Anschluss an jeden Filmclip waren die Teilnehmer gebeten worden, die gerade
erlebte Emotion mit wenigen Worten zusammenzufassen. Diese freien Beschreibungen wurden
für die weitere Auswertung in drei Klassen zusammengefasst, wobei Zielemotion immer den
emotionalen Zustand meint, der mit der entsprechenden Filmszene intendiert war:
• Zielemotion genannt: der von der VP genannte Beschreibung entsprach der mit dem Film
angestrebten Zielemotion (s. Tab. 7.3.3, S.110) bzw. war mit ihr synonym, z.B. 'Furcht' für
die Zielemotion 'Angst'.
• Beschreibung passt: Die VP nannte die Zielemotion nicht direkt, gab aber eine mit dieser
vereinbare Beschreibung, z.B. 'Gefahr' für die Zielemotion 'Angst' oder 'Mitleid' für die Zielemotion 'Trauer'.
• Beschreibung passt nicht: Die Zusammenfassung ließ sich nicht mit der intendierten Emotion vereinbaren, z.B. 'Mitleid' bei der Zielemotion 'Ekel'.
Tab. 8.1.1: Übersicht der subjektiven Emotionsbeschreibungen in Abhängigkeit von der mit dem Filmclip intendierten
Emotion (Zielemotion)
Probanden-Beschreibung der erlebten Emotion im Anschluss an Filmclip
Zielemotion
passt nicht zu Zielemotion
passt zu Zielemotion
Zielemotion genannt
neutral
17.81%
14.83%
67.36%
Freude
17.78%
22.78%
59.44%
Trauer
7.78%
31.11%
61.11%
Ekel
10.83%
30.83%
58.33%
Wut
20.00%
48.33%
31.67%
8.33%
41.67%
50.00%
13.76%
31.59%
54.65%
Angst
Gesamt
Wie aus Tab. 8.1.1 ersichtlich, wurde bei den Versuchsteilnehmern in insgesamt 86% der Fälle
ein emotionaler Zustand hervorgerufen, der mit der Zielemotion vereinbar ist, in über der Hälfte
der Fälle wurde dabei die Zielemotion oder ein synonymer Ausdruck sogar explizit genannt. In
Bezug auf spezifische Emotionen schienen sich Trauer und Angst am besten hervorrufen zu
lassen. Die Aufschlüsselung für die einzelnen Filmclips ist in Tab. 8.1.2 zu sehen.
117
DATENAUFBEREITUNG – 8.1 SUBJEKTIVE DATEN
Tab. 8.1.2: Übersicht der subjektiven Emotionsbeschreibungen in Abhängigkeit vom jeweiligen Filmclip. Der neutrale
Filmclip (Bahnfahrt) ist nicht aufgeführt, seine Werte sind Tab. 8.1.1 Zeile 1 zu entnehmen.
Probanden-Beschreibung der erlebten Emotion im Anschluss an Filmclip
Filmtitel: Szene bekannt?
(Zielemotion)
Offizier1: 18% (Trauer)
passt nicht zu Zielemotion
passt zu Zielemotion
Zielemotion genannt
6.67%
33.33%
60.00%
Offizier2: 22% (Freude)
13.33%
36.67%
50.00%
Ratte: 0% (Ekel)
10.00%
16.67%
73.33%
Gandhi: 29% (Wut)
20.00%
45.00%
35.00%
Killing Fields: 3% (Trauer)
10.00%
35.00%
55.00%
Harry&Sally 83% (Freude)
18.33%
8.33%
73.33%
Champ: 4% (Trauer)
6.67%
25.00%
68.33%
Cry Freedom: 2% (Wut)
3.33%
61.67%
35.00%
Witness: 31% (Wut)
36.67%
38.33%
25.00%
Der_Pate: 29% (Ekel)
11.67%
45.00%
43.33%
Schweigen d. Lämmer: 76% (Angst)
8.33%
53.33%
38.33%
Shining: 43% (Angst)
8.33%
40.00%
51.67%
Halloween: 20% (Angst)
8.33%
31.67%
60.00%
Dance: 2% (Freude)
21.67%
23.33%
55.00%
Gesamt
13.10%
35.24%
51.67%
Zunächst fällt auf, dass einige Filmclips besonders häufig zur Nennung der Zielemotion führten:
Harry&Sally für Freude, Der Ratten-Clip für Ekel, und Champ für Trauer lösten bei jeweils mehr
als zwei Dritteln der VPn die gewünschte Emotion aus. Legt man als Maßstab an, dass ein
Filmclip keine der intendierten Emotion widersprechenden Gefühlsbeschreibungen hervorrief,
so erscheinen zusätzlich Cry Freedom für Wut, Offizier1 für Trauer und die angstinduzierenden
Filmclips besonders valides Stimulusmaterial, denn für alle liegt der Anteil von unpassenden
Angaben unter 10%. Tendenziell scheinen Filmclips zu Emotionen mit negativer Valenz (Trauer, Ekel, Wut, Angst) verlässlicher einen entsprechenden emotionalen Zustand auszulösen. Bei
Reizen mit der Zielemotion Freude liegt der Anteil unvereinbarer Angaben jeweils über 10%,
wobei die Filmclips in diesen Fällen zumeist als 'übertrieben-kitschig' oder 'peinlich' bezeichnet
wurden. Eine Ausnahme bildet der Ausschnitt aus The Witness, bei dem in ein Drittel der Probanden Gefühle beschrieben wurden, die nicht mit der angestrebten Emotion Wut vereinbar
waren. Ein möglicher Grund hierfür kann sein, dass sich der Protagonist im Film in unmittelbarem Anschluss an die ausgewählte Szene für seine Erniedrigung, die Wut auslösen sollten,
rächt. Wem der Film bekannt war, dem war womöglich auch diese Wendung in Erinnerung, und
dementsprechend wurde auch desöfteren 'Genugtuung' oder 'Erwartung der Rache' als vorherrschender Eindruck genannt.
Generell lässt sich allerdings kein signifikanter Zusammenhang zwischen Bekanntheit des
Filmszene (s Prozentangabe in Klammern in Tab. 8.1.2) und (Nicht)Übereinstimmung der
Selbstauskunft mit der mit dem Clip beabsichtigten Emotion finden (χ2=5.558, p=0.062, df=2).
118
DATENAUFBEREITUNG – 8.1 SUBJEKTIVE DATEN
Die Tatsache, den Film, dem die Szene entnommen war, bereits zu kennen, hatte also keine
Auswirkung auf die beim Gucken erlebte Emotion.
8.1.4 Kontinuierliche Selbstbewertung während des Filmclips (EMuJoy)
Die kontinuierlichen EMuJoy-Bewertungen jeder Person wurden in Matlab eingelesen und ihre
Zeitangaben dabei mit der Zeit der Physiologie-Aufzeichnung synchronisiert, so dass für jede
Versuchsperson der Verlauf ihrer Bewertungen über alle Reize und parallel zur physiologischen
Messung vorlag. Abb. 8.1.1 zeigt den Verlauf eines solchen Ratings über die Darbietung aller
Filmreize.
Abb. 8.1.1: Verlauf der EMuJoy-Bewertung von VP 2 über die gesamte Filmpräsentations-Phase. X-Achse: Versuchzeit
in Sekunden sowie Zielemotion des jeweils präsentierten Filmclips. Die Zielemotion-Beschriftung markiert das Ende
einer Filmpräsentation. Y-Achse: Arousal Rating von -1 (ruhig) bis +1 (aufgeregt). Die zugehörigen Valenz-Werte sind
als Farbverlauf dargestellt von grün (angenehm) über gelb (neutral) bis zu rot (unangenehm).
Bei genaurer Betrachtung von Abb. 8.1.1 fällt auf, dass das Valenzrating nicht in allen Fällen mit
der beabsichtigten Zielemotion übereinstimmt: beim ersten Freude-induzierenden Clip (im Fall
der dargestellten VP Dance um Sekunde 1500 herum) ist das EMuJoy-Rating nicht wie für eine
angenehme Emotion zu erwarten grün, sondern bleibt gelb, also neutral. Die Versuchsperson
hatte bei der anschließenden Beschreibung angegeben, von dem Clip eher irritiert als erfreut
gewesen zu sein, was als nicht zur Zielemotion passend eingestuft wurde. Beim letzten Clip mit
der Zielemotion Trauer (in diesem Fall Killing Fields) ist das Valenz-Rating zwischendurch positiv (grün), bevor es zum Ende hin wieder negativ (rot) wird. Hieraus ergeben sich zwei Fragen,
die im folgenden behandelt werden:
–
Wie ist mit Filmclips, die im Anschluss an ihre Präsentation eine nicht mit der Zielemotion
vereinbare Beschreibung erhielten, zu verfahren?
–
Soll zur Beurteilung eines Filmclips hinsichtlich Valenz und Arousal der Mittelwert der gesamten Episode oder der Wert am Ende der Episode herangezogen werden?
119
DATENAUFBEREITUNG – 8.1 SUBJEKTIVE DATEN
8.1.4.1 EMuJoy-Bewertung in Abhängigkeit von Emotionsbenennung im Anschluss
Die Emotionsbenennungen im Anschluss an die Reizpräsentation waren unter 8.1.3 (S.117) in
die drei Kategorien Zielemotion genannt, Beschreibung passt zur Zielemotion und Beschreibung passt nicht zur Zielemotion unterteilt worden.
Abb. 8.1.2: Gesamtmittelwert der EMuJoy-Bewertung aller Versuchspersonen auf den Dimensionen Valenz (x-Achse, 1 = unangenehm, +1 = angenehm) und Arousal (y-Achse, -1 = ruhig, +1=aufgeregt), unterschieden nach Zielemotionen
(Farben) und Übereinstimmung mit freier Emotionsbenennung im Anschluss an Filmclip. Zur Verdeutlichung der Unterschiede wurden die x- und y-Achse auf die Bereiche ±0.5 begrenzt.
Wie aus Abb. 8.1.2 ersichtlich, unterscheidet sich das Valenz- und Arousal-Rating für Filmclips,
bei denen im Anschluss die Zielemotion explizit genannt wurde (dargestellt als Kreise) oder
eine zur Zielemotion passende Beschreibung abgegeben wurde (dargestellt als Quadrate) deutlich von denen, für die eine nicht zum Filmclip passende Gefühlsbeschreibung (dargestellt als
Sternchen) genannt wurde: während in den ersten beiden Fällen die angenehme Emotion
Freude (grüner Kreis bzw. Quadrat) zu einem positiven Valenzrating führte und für die negativen Emotionen Trauer, Ekel, Wut und Angst (schwarzer, türkiser, roter und blauer Kreis bzw.
Quadrat) eindeutig negative Valenzen zugeordnet bekamen, sind die Ratings für die nichtpassenden Emotionsnennungen, die Sternchen, um den Valenz-Nullpunkt verteilt und unterscheiden sich vor allem in Bezug auf die Arousal-Werte.
Noch deutlicher werden diese Unterschiede, wenn statt des Gesamtmittelwertes die Werte
am Ende einer jeden EMuJoy-Filmbewertung (=Mousezeiger-Position in den letzten beiden
Sekunden eines Filmclips bei der kontinuierlichen Einschätzung) herangezogen werden (s. Abb.
8.1.3).
120
DATENAUFBEREITUNG – 8.1 SUBJEKTIVE DATEN
Abb. 8.1.3: Mittelwert der Endwerte (Wert in den letzen beiden Sekunden) der EMuJoy-Bewertung aller Versuchspersonen auf den Dimensionen Valenz (x-Achse, -1 = unangenehm, +1 = angenehm) und Arousal (y-Achse, -1 = ruhig,
+1=aufgeregt), unterschieden nach Zielemotionen (Farben) und Übereinstimmung mit freier Emotionsbenennung im
Anschluss an Filmclip.
Auch bei den Bewertungen zum Ende eines Filmclips lassen sich Freude (grün), neutrale Filmclips (gelb) und Trauer (schwarz) deutlich voneinander und von den drei Emotionen Ekel (türkis), Wut (rot) und Angst (blau) unterscheiden. Ebenfalls liegen die Werte für die Fälle in anschließender freier Emotionsbeschreibung Zielemotion genannt (Kreise) und in anschließender
freier Emotionsbeschreibung zu Zielemotion passenden emotionalen Zustand genannt (Quadrate) nah beieinander, während für in anschließender freier Emotionsbeschreibung nicht zur Zielemotion passenden Zustand genannt (Sternchen) die Werte in erster Linie auf der Arousaldimension variieren.
8.1.4.2 EMuJoy-Gesamtmittelwerte gegenüber EMuJoy-Endwerten
Gegenüber den Gesamtmittelwerten (Abb. 8.1.2) sind die Endwerte (Abb. 8.1.3), für die Fälle
Zielemotion genannt und Emotionsbeschreibung passt zur Zielemotion sowohl auf der Valenzals auch auf der Arousaldimension höher und liegen weiter vom Ursprung entfernt. Die beiden
Abbildungen legen bezüglich der unter 8.1.4 (S.119) aufgeworfenen Fragen daher folgendes
nahe:
•
Die Fälle anschließende Emotionsbeschreibung passt nicht zur Zielemotion sind von der
weiteren Analyse auszuschließen, denn die kontinuierliche Emotionsbewertung liefert hier
kein einheitliches Bild, während sich die Bewertungen für Zielemotion genannt und Emotionsbeschreibung passt zur Zielemotion sehr ähneln (in den Graphiken die Position der
Kreise und Quadrate gegenüber der Position der Sternchen).
•
die Endwerte der kontinuierlichen Bewertung zeigen die gleiche Anordnung der Emotionen
im zweidimensionalen Raum von Valenz und Arousal wie die Gesamtmittelwerte, sind gegenüber den Mittelwerten aber prononcierter und ermöglichen daher eine bessere Unter-
121
DATENAUFBEREITUNG – 8.1 SUBJEKTIVE DATEN
scheidung bezüglich positiver-negativer Valenz bzw. hohem-niedrigem Arousal (Position der
Quadrate und Kreise in Abb. 8.1.2 gegenüber Abb. 8.1.3). Der Unterschied ist in Abb. 8.1.4
für das eingangs aufgeführte Beispiel des Rohsignals von VP 2 verdeutlicht: Die kleinen
Smilies stellen den Mittelwert der Bewertung während eines Filmclips da, die großen Smilies den Wert der letzten 2 Sekunden. Insbesondere für die Emotionen Angst und Wut wird
die Veränderung zum Ende hin deutlich.________________________________________
Abb. 8.1.4: Verlauf der EMuJoy-Bewertung von VP 2 über die gesamte Filmpräsentations-Phase mit zusätzlicher Darstellung der Filmmittelwerte (kleine Smilies) und Endwerten (große Smilies). X-Achse: Versuchzeit in Sekunden sowie
Zielemotion des jeweils präsentierten Filmclips. Die Position der kleinen Smilies markiert den Beginn einer Filmpräsentation, die Position der großen Smilies sowie die Zielemotion-Beschriftung markiert das Ende einer Filmpräsentation. YAchse: Arousal Rating von -1 (ruhig) bis +1 (aufgeregt). Die zugehörigen Valenz-Werte sind als Farbverlauf dargestellt
von grün (angenehm) über gelb (neutral) bis zu rot (unangenehm).
8.1.4.3 Individuelle Abweichungen bei der EmuJoy-Bewertung oder Emotionsnennung
Die unter 8.1.4.2 berichteten Zusammenhänge zwischen EMuJoy-Bewertung und Zielemotion
beruhen auf Mittelwerten über alle Versuchsteilnehmer. Im nächsten Schritt sollen sie auf Versuchspersonenbasis überprüft werden, um mögliche individuelle Abweichungen identifizieren zu
können. Grundlage sind entsprechend 8.1.4.2 der Mittelwert der letzten beiden Sekunden der
kontinuierlichen Bewertung für alle Fälle, in denen im Anschluss die Zielemotion explizit genannt oder ein mit ihr vereinbarer Gefühlszustand berichtet wurde. Bei drei Versuchspersonen
gelang dies für jeweils eine Emotion mit keinem der Filmclips: VP 13 und VP 60 beschrieben
die neutralen Bahnfahrt-Clips durchgehend als negativ, VP46 gab bei keinem der drei Filmclips
mit der Zielemotion 'Freude' einen entsprechenden Gefühlszustand an. Für die anderen Zielemotionen lieferten sie allerdings zutreffende Selbstauskünfte, so dass in Abb. 8.1.5 lediglich
ihre Mittelwerte für neutral (VP 13 & VP 60) bzw. Freude (VP 46) nicht aufgeführt sind, wohl
aber für die jeweils übrigen 5 Emotionen.
122
DATENAUFBEREITUNG – 8.1 SUBJEKTIVE DATEN
Abb. 8.1.5: Mittelwert der Endwerte (Wert in den letzen beiden Sekunden) der EMuJoy-Bewertung pro Versuchspersonen pro Emotion auf den Dimensionen Valenz (x-Achse, -1 = unangenehm, +1 = angenehm) und Arousal (y-Achse , -1
= ruhig, +1=aufgeregt), unterschieden nach Zielemotionen (Farben). Ausreißerwerte sind mit der jeweiligen Versuchspersonennummer beschriftet.
Insgesamt spiegeln die individuellen Werte den Gesamttrend wider (s. Abb. 8.1.5): die negativen Emotionen Trauer, Ekel Wut und Angst finden sich in den linken Quadranten (negative
Valenz), wobei Trauer niedrigere Arousal-Werte erzielt als die übrigen Emotionen: die schwarzen Punkte sind näher an der x-Achse und fallen zum Teil in den unteren Quadranten. Freude
(grün) ist im rechten oberen Quadranten zu finden (positive Valenz, erhöhtes Arousal) und der
neutrale Filmclip führte zu Ratings mit neutral-positiver Valenz und niedrigem Arousal. Allerdings gibt es einige individuelle Abweichungen, die in Abb. 8.1.5 explizit gelabelt sind:
–
VP 7 gab bei Ekel eine hohe Arousalwertung, aber positive Valenz an: der Abgleich mit der
Rohwerten ergab, dass sie während des Betrachtens von deutlich negativer Valenz zum
Ende des Clips zu positiver Valenz schwenkte, im Anschluss aber angab, Ekel empfunden
zu haben. Für die übrigen negativen Emotionen fand sich bei ihr keine ähnliche Veränderung.
–
VP 32 bewertete den Clip Killing Fields (Abschiedszene) im Anschluss als 'ergreifend' (klassifiziert als zur Zielemotion passend), aber mit positiver Valenz während des Schauens, die
beiden anderen Trauer-Clips als 'lästig' (Champ, gewertet als nicht zur Zielemotion passend) und Offizier1 als 'traurig', jedoch mit geringerer negativer Valenz, weshalb der Mittelwert für die Zielemotion Trauer insgesamt positiv ausfällt. Für die übrigen Filmclips fanden
sich keine vergleichbaren Abweichungen.
–
VP 35 nannte für die Zielemotionen Ekel und Wut im Anschluss jeweils nicht mit ihr vereinbare Beschreibung, beschrieb die Angst-Clips alle als 'spannend', zeigte aber positive kontinuierliche Bewertungen. Eine Durchsicht des Versuchsprotokolls ergab, dass sie entgegen
der Instruktionen während der Präsentation wiederholt redete und die Versuchsleiterin ins-
123
DATENAUFBEREITUNG – 8.1 SUBJEKTIVE DATEN
gesamt den Eindruck hatte, die Versuchsperson wollte sie durch auffallend gelassene Bewertungen beeindrucken.
–
VP 48 zeigt positive Valenz für Angst bzw. neutrale Bewertung der Wut-Clips, dazu sehr
niedrige Arousal-Werte. Dieser Eindruck wurde durch Abgleich mit Rohsignal bestärkt (s.
Abb. 8.1.6): Insgesamt gibt es sowohl auf der Arousal- als auch auf der Valenzdimension
kaum Variation, denn die Werte bewegen sich alle um die Nulllinie und zeigen kaum Variation in der Farbe. Im Nachfragebogen wies VP48 keine auffälligen Werte für Alexithymie
(TAS-Gesamtrohwert 43) oder eine Persönlichkeitsdimension des NEO-FFI auf.
Während es für die Versuchspersonen 7 und 32 ausreichend erscheint, lediglich die abweichenden Bewertungen für Ekel respektive Trauer auszuschließen, werden VP 35 und 48 grundsätzlich für alle Analysen, die EMuJoy-Ratings beinhalten, ausgeschlossen, da ihre Bewertungen nicht verlässlich respektive zu gleichförmig sind.
Abb. 8.1.6: Verlauf der EMuJoy-Bewertung von VP 48 über die gesamte Filmpräsentations-Phase. X-Achse: Versuchzeit in Sekunden sowie Zielemotion des jeweils präsentierten Filmclips. Die Zielemotion-Beschriftung markiert das Ende
einer Filmpräsentation. Y-Achse: Arousal Rating von -1 (ruhig) bis +1 (aufgeregt). Die zugehörigen Valenz-Werte sind
als Farbverlauf dargestellt von grün (angenehm) über gelb (neutral) bis zu rot (unangenehm).
Die Durchsicht der individuellen Rohwert-Graphiken der übrigen VPn erbrachte keine ähnlich
auffällige Bewertung, auch nicht für die Probanden, die erhöhte TAS- oder NEO-FFI-Werte (s.
8.1.2.1 bzw. 8.1.2.2, S.116) erzielt bzw. körperliche Beschwerden angegeben hatten. Eine Graphik der mittleren EMuJoy-Bewertung nach Bereinigung um die eben genannten Ausreißerwerte findet sich am Ende dieses Kapitels (Abb. 8.1.7, S.125).
8.1.5 Zusammenfassung
Die Filmreize riefen in 87% der Fälle eine anschließende Emotionsbeschreibung hervor, die mit
der intendierten Zielemotion vereinbar war. Als besonders valide erwiesen sich dabei Harry&Sally für Freude, Champ für Trauer, Ratte für Ekel, Cry Freedom für Wut und Halloween für
Angst. Die übrigen Fälle, in denen die Probanden im Anschluss an einen Filmclip ein abwei-
124
DATENAUFBEREITUNG – 8.1 SUBJEKTIVE DATEN
chendes Emotionserleben beschrieben, werden von der weiteren Analyse ausgeschlossen, da
sich hier auch für die kontinuierliche Bewertung während des Schauens kein einheitliches Bild
ergibt. Ansonsten zeigen die zusammengefassten EMuJoy-Ratings, dass Freude-Clips mit positiver Valenz und erhöhtem Arousal, Trauer-Clips mit negativer Valenz und leicht erhöhtem Arousal sowie Ekel, Angst, und Wut mit hoher Erregung bei starker negativer Valenz einhergehen. Die Bewertungen zum Ende eines Filmclips lassen diese Unterschiede deutlicher werden
als die Mittelwerte über den gesamten Filmclip. Der Abgleich auf Versuchspersonenebene
spiegelt die Lage der verschiedenen Emotionen im zweidimensionalen Raum von Valenz und
Erregung bis auf wenige Ausnahmen wider. Einzelne Ratings werden aufgrund von entsprechenden Auffälligkeiten von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Abb. 8.1.7 zeigt die EndMittelwerte sowie den Interquartilbereich vom 25. bis zum 75. Perzentil für den bereinigten Datensatz.
Abb. 8.1.7: Mittelwert und Bereich zwischen den 25. und 75. Perzentilen der Endwerte (Wert in den letzen beiden
Sekunden) der EMuJoy-Bewertung aller Versuchspersonen auf den Dimensionen Valenz (x-Achse, -1 = unangenehm,
+1 = angenehm) und Arousal (y-Achse, -1 = ruhig, +1 = aufgeregt) für die verschiedenen Zielemotionen (Farben)
125
DATENAUFBEREITUNG – 8.2 PHYSIOLOGIE
8.2 Physiologie
Die Signale EDA, EMG, EKG und EOG wurden zunächst als Rohsignal in ihrer jeweiligen Orginal-Abtastrate aus Variograf als ASCII-Daten exportiert und anschließend in Matlab eingelesen.
Da sie mit dem selben Gerät aufgezeichnet worden waren, verfügten sie über einen einheitlichen Zeitstempel, an den die Zeit der EMuJoy-Bewertung angeglichen worden war. Die weitere
Verarbeitung variiert nach Charakteristika und relevanten Kennwerten des jeweiligen Biosignals, dabei kamen allerdings folgende übergreifende Prinzipien zum Tragen, die sich an der
Aufbereitung der subjektiven Daten orientierte:
− in die Auswertung flossen nur Signalabschnitte während der Reizpräsentation ein, da im
Anschluss an einen Filmclip die eben erlebte Emotion abgefragt wurde und die Versuchspersonen darüber hinaus diese Phasen nutzen konnten, die Sitzposition zu verändern etc.
− Abschnitte, in denen während einer Reizdarbietung im Rohsignal Körperbewegungen oder
Signalausfälle zu erkennen waren, wurden von der Auswertung ausgeschlossen.
− wurde das aufbereitete Rohsignal über den gesamten Abschnitt einer Filmpräsentation zu
einem Kennwert zusammengefasst (etwa beim EMG), so wird im folgenden von Level gesprochen.
− für andere Signale wurden zunächst die relevanten Ereignisse im aufbereiteten Rohsignal
identifiziert (z.B. Lidschläge beim EOG, R-Zacken beim EKG) und parametrisiert (z.B.
Amplitude, Intervall zum nächsten Ereignis). Anschließend wurde für jeden dieser Parameter ein statistischer Kennwert (Mittelwert, Maximum etc.) über die Dauer eines Filmclips
gebildet. Das Ergebnis ist beispielsweise das mittlere Herzschlagintervall während des
Filmclips 'Der Pate'. Diese Kennwerte wurden für Emotions-Filmclips sowie die neutralen
Filmclips (Bahnfahrt) gebildet.
− Das Ergebnis dieser Aufbereitung ist ein Datensatz, in dem für jede Versuchsperson für
jeden präsentierten Filmclip (14 Emotions-Filmclips mit 5 Zielemotionen + 14 neutrale Filmclips) ein Eintrag vorhanden ist. Greift eine Auswertung auf diese Auswertungsstufe zurück,
so wird im folgenden von Wert pro Film gesprochen, wobei dann nur Filmclips berücksichtigt wurden, bei denen Probanden im Anschluss einen mit der Zielemotion vereinbaren emotionalen Zustand beschrieben hatten (s. 8.1.3, S.117).
− Die Kennwerte sämtlicher emotionalen Filmclips wurden am Kennwert des vorausgegangenen neutralen Filmclips baseline-korrigiert: (Wert während Emotions-Filmclip / Wert während vorherigem neutralen Filmclip)*100. Die so korrigierten Kennwerte bekommen das
Suffic 'bc' und lassen sich lesen als 'Prozent Baseline-Aktivität'. War die unmittelbar vorangegangene Baseline-Phase aufgrund eines Signalausfalls o.ä. nicht auswertbar oder trat
das relevante Ereignis in dieser Phase nicht auf (etwa ein Lidschlag oder eine EDASpontanfluktuation), so wurde auf eine frühere gültige Phase zurückgegriffen. War keine
frühere gültige Phase vorhanden, so wurde die nächst-spätere genommen.
126
DATENAUFBEREITUNG – 8.2 PHYSIOLOGIE
− Im nächsten Schritt wurde pro VP pro Zielemotion gemittelt, wobei ebenfalls nur Filmclips
berücksichtigt wurden, bei denen Probanden im Anschluss einen mit der Zielemotion vereinbaren emotionalen Zustand beschrieben hatten (s. 8.1.3 S.117). Hatte ein Proband etwa
einen der drei Filmclips mit der Zielemotion 'Freude' als 'peinlich' beschrieben, so wurde
nur über die beiden Filmclips, für die er eine zutreffende Beschreibung abgegeben hatte,
aggregiert. Dieser Zwischenschritt sollte sicherstellen, dass Probanden, die alle Filmclips
zutreffend beschrieben hatten, in weiteren Auswertungen nicht stärker gewichtet werden
als solche, die bei nur einem oder zwei Filmclips die intendierte Emotion erlebt hatten.
− Das Resultat ist ein Datensatz, in dem sich pro Versuchsperson pro Zielemotion (5 Emotionen + 1 neutrale Bedingung) ein Eintrag findet. Wie unter 8.1.4.3 (S.122) aufgeführt, konnte
bei 5 Personen jeweils eine Zielemotion nicht hervorgerufen werden und es wurden zwei
Probanden (VP 35 & 48) aufgrund ihres subjektiven Bewertungsverhaltens von der Analyse
ausgeschlossen. Zusätzlich kam es im Verlauf der Messung bei VP 59 zu einem Ausfall
der Physiologie-Aufzeichnung, so dass insgesamt die physiologischen Daten von n=57
ausgewertet werden, von denen sich zusammen 57*(5+1) - 5=337 Einträge im Datensatz
finden.
Das vorliegende Kapitel beschreibt die Aufbereitung der Daten bis hin zu diesem Datensatz mit
1 Wert pro VP pro Emotion, dessen statistische Auswertung dann unter dem Punkt 9.2 Ergebnisse: Physiologie (ab S. 138) zu finden ist. Die Identifizierung relevanter Veränderungen im
Rohsignal, für die dann die interessierenden Kennwerte gebildet wurden, ist für die elektrodermale Aktivität mit zwei Graphiken veranschaulicht.
127
DATENAUFBEREITUNG – 8.2 PHYSIOLOGIE
8.2.1 Hautleitfähigkeit
Der Ausgangspunkt der Aufbereitung, das mit 64 Hz über den gesamtem Versuchsverlauf aufgezeichnete Rohsignal der elektrodermalen Aktivität, ist in Abb. 8.2.1 zu sehen.
Abb. 8.2.1: Verlauf des EDA-Rohsignals (blau, ohne eigene Einheiten) von VP 12 über die gesamte FilmpräsentationsPhase mit zusätzlicher Darstellung der EMuJoy-Bewertung. X-Achse: Versuchzeit in Sekunden sowie Zielemotion des
jeweils präsentierten Filmclips. Die Position der Zielemotion-Beschriftung markiert den Beginn einer Filmpräsentation.
Y-Achse: Arousal Rating von -1 (ruhig) bis +1 (aufgeregt). Die zugehörigen Valenz-Werte sind als Farbverlauf dargestellt von grün (angenehm) über gelb (neutral) bis zu rot (unangenehm).
Dieses Rohsignal wurde mit einem Butterworth-Filter tiefpass-gefiltert, so dass nur Signalveränderungen mit einer Frequenzen bis zu 1 Hz erhalten blieben (Boucsein, 1992). Aus dem gefilterten Signal wurde zum einen der Gesamtmittelwert während eines Filmclips als elektrodermales Level (EDL) bestimmt. Zum anderen wurden mittels der Matlab-Funktion simpleEDA
(Schleicher, 2005) automatisiert alle Spontanfluktuation (elektrodermale Reaktionen, EDRs)
während der Filmdarbietung identifiziert (s. Abb. 8.2.2) und anschließend deren Frequenz
(EDRsfreq), mittlere Amplitude (EDRsamp) sowie maximale Amplitude (EDRsampmax) während einer Filmclips ermittelt. Zu jedem Kennwert wurde eine baseline-korrigierte Variante berechnet.
128
DATENAUFBEREITUNG – 8.2 PHYSIOLOGIE
Abb. 8.2.2: Auftreten der im Rohsignal identifizierten elektrodermalen Reaktionen (EDRs, ohne eigene Einheiten) von
VP 12 während Filmpräsentations-Phasen mit zusätzlicher Darstellung der EMuJoy-Bewertung. X-Achse: Versuchzeit in
Sekunden sowie Zielemotion des jeweils präsentierten Filmclips. Die Position der Zielemotion-Beschriftung markiert den
Beginn einer Filmpräsentation. Y-Achse: Arousal Rating von -1 (ruhig) bis +1 (aufgeregt). Die zugehörigen ValenzWerte sind als Farbverlauf dargestellt von grün (angenehm) über gelb (neutral) bis zu rot (unangenehm).
Für eine der 57 Versuchspersonen konnte keine auswertbare EDA aufgezeichnet werden (VP
10), für eine Versuchsperson (VP 3) war das Signal erst nach ungefähr der Hälfte der Filmpräsentation auswertbar, wodurch für sie für die Emotion 'Angst' keine Werte zur Verfügung stehen, und für eine Versuchsperson (VP 27) war das EDA-Signal so verrauscht, dass lediglich
das Hautleitfähigkeitsniveau (EDL), aber keine Spontanfluktuationen (EDRs) bestimmt werden
konnten.
8.2.2 Gesichtsmuskelaktivität
Die mittels Elektromyogramm aufgezeichnete Muskelaktivität des musculus corrugator, orbicularis oculi und zygomaticus major wurde mit Hilfe der Matlab-Funktion tonicEMG (Schleicher,
2005) aufbereitet. Konkret wurde dabei gemäß der Empfehlung van Boxtels (2001) das Rohsignal mit einem Butterworth-Filter zunächst hochpassgefiltert, so dass nur Signalveränderungen
mit einer Frequenz ab 20Hz erhalten blieben und das gefilterte Signal dann gleichgerichtet sowie dessen Hüllkurve bestimmt. Da die Filmclips unterschiedlich lang waren, wurde statt einer
einfachen Integration (=Aufsummieren) der Mittelwert während einer Filmpräsentation als EMGLevel (EMGLco, EMGLor, EMGLzy) errechnet. Zu jedem Kennwert wurde eine baselinekorrigierte Variante bestimmt.
8.2.3 Herzaktivität
Zur Bewertung der Herzaktivität werden in der vorliegenden Studie nur Kennwerte, die die Veränderung der Herzschlagdauer im Zeitbereich beschreiben, herangezogen, weshalb sich die
Aufbereitung auf Identifizierung der charakteristischen R-Zacken und der Zeit zwischen zwei RZacken beschränkte (für andere mögliche Kennwerte s. 4.3, S.78). Dies geschah mit Hilfe
129
DATENAUFBEREITUNG – 8.2 PHYSIOLOGIE
zweier Matlab-Funktion, QRS.m zur Identifizierung der R-Zacke (Christie, 2003) und IBI.m zur
Ermittlung möglicher ungültiger Inter-Beat-Intervalle (Christie, 2004). Beide Funktionen waren
von Israel Christie freundlicherweise zur Verfügung gestellt worden, ein Beispiel ihrer Ausgabegraphiken ist in Abb. 8.2.3 zu sehen.
Zunächst wurden im gesamten Rohsignal alle R-Zacken identifiziert und deren Zeitpunkt
sowie der Abstand zum vorausgegangen Herzschlag ermittelt. Von IBI.m als möglicherweise
ungültige Inter-Beat-Intervalle (IBI) markierte Ereignisse wurden mit dem Rohsignal abgeglichen
und ggf. entfernt. Das darauf folgende IBI oder dessen Zeitpunkt wurde dadurch nicht verändert. Für zwei Versuchspersonen fanden sich auffallend viele ungültige Ereignisse (>100 gegenüber 6.6 ± 14 im Durchschnitt). Hierbei handelte es sich zum einen um die Versuchperson,
die sich in der Nachsorge einer Herztransplantation befand, sowie um einen weiteren Probanden, der zahlreiche Extrasystolen zeigte (s. Abb. 8.2.3). Beide wurden für die EKG-Auswertung
ausgeschlossen, so dass insgesamt 55 Versuchspersonen zur Verfügung standen.
Abb. 8.2.3: Beispiel für die Ausgabe-Graphik von QRS.m (oben) zur Identifizierung der R-Zacken (Christie, 2003) und
IBI.m (unten) zur Ermittlung möglicher ungültiger Inter-Beat-Intervalle (Christie, 2004) bei VP49, bei der häufig Extrasystolen auftraten (3. in oberer Graphik identifizierte R-Zacke), wodurch das IBI zum vorherigen Ereignis sowie das der
nächsten R-Zacke als möglicherweise ungültig markiert wurden (rot markiert in der unteren Graphik).
Im Anschluss an die IBI-Ermittlung wurden für jeden Probanden für jeden Film folgende Parameter bestimmt, deren Benennung und Berechnung sich an Allen (2002) und Allen et al. (2007)
orientierte:
• das mittlere Herzschlagintervall (IBI) als mittlere Zeit zwischen zwei Herzschlägen
• die mittlere Herzschlagrate (HR), wobei zunächst zu jedem IBI die zugehörige Herzschlagrate bestimmt und diese einzelnen Werte anschließend gemittelt wurden
• die Streuung der IBIs (SDNN, Standard Deviation Normal to Normal)
• die mittlere absolute Differenz aufeinanderfolgender IBIs (MSD, Mean Successive Difference)
130
DATENAUFBEREITUNG – 8.3 AUGENBEWEGUNGEN
Zu jedem Kennwert wurde für die Emotions-Filmclips eine baseline-korrigierte Version als 'Prozent Baseline-Aktivität' bestimmt, und mit dem Suffix 'bc' versehen. Da in Veröffentlichungen zu
Herzaktivität und Emotion häufig die Veränderung im Anschluss an eine Reizpräsentation als
Differenz zur Herzrate vor dem Reizbeginn angegeben ist, wurden in diesem Fall ebenfalls solche Differenzwerte gebildet:
• IBIbcdiff als Differenz (mittleres IBI während Emotionsfilmclip) – (mittleres IBI während
neutralem Filmclip). Positive Werte bedeuten hier eine Zunahme des IBIS, also Verlangsamung der Herzaktivität.
• HRbcdiff als Differenz (mittlere Herzrate während Emotionsfilmclip) – (mittlere Herzrate
während neutralem Filmclip). Positive Werte bedeuten hier eine Zunahme des Herzrate.
Im nächsten Schritt wurde für jede Versuchsperson für jede Zielemotion über die entsprechenden Filmclips aggregiert, wobei nur Filmclips in die Auswertung eingingen, bei denen die Probanden im Anschluss eine mit der Zielemotion vereinbare Emotionsbeschreibung abgegeben
hatten.
8.3 Augenbewegungen
Augenbewegungen waren mittels Elektrookulogramm (EOG) gemessen worden, mit dem sich
sowohl Sakkaden als auch Lidschläge erfassen lassen. Die entsprechenden Ereignisse wurden
mit Hilfe der Matlab-basierten Software eogui (Hofmann, 2005) im Rohsignal identifiziert. In dem
Programm werden zunächst die in der Kalibrierungsphase durchgeführten 'Referenz'Blickwechsel zu festgelegten Punkten markiert, um aus dieser Information die AD-Werte der
Blicksprünge in Winkelgrad umrechnen zu können. Anschließend sucht der zugrunde liegende
Algorithmus das Rohsignal nach treppenstufenartigen Veränderungen ab, und prüft anhand
verschiedener Plausibilitätskriterien (Mindestgeschwindigkeit, Mindestdauer etc.), ob es sich bei
ihnen um Sakkaden handeln könnte. Lidschläge zeigen sich im vertikalen Kanal des EOG als
Zacken und werden aufgrund zusätzlicher Plausibilitätskriterien (Mindestamplitude, geringe
Verzögerung zwischen Schließung- und Öffnung) als solche erkannt. Das Ergebnis ist ein Datensatz, in dem jede Sakkade und jeder Lidschlag mit Startzeit sowie weiteren Informationen
wie Amplitude, Dauer und Maximalgeschwindigkeit aufgeführt ist. Für Lidschläge wird dabei
zwischen Lidschließung und -öffnung unterschieden, wobei sich die Schließungsphase genauer
bestimmen lässt als die Öffnung, bei der das Lid sich seiner endgültigen Position asymptotisch
annähert. eogui wählt als Ende der Öffnungsphase daher den Zeitpunkt der höchsten Geschwindigkeit während dieser Bewegung, der eindeutig festgelegt werden kann. Die Dauer der
Öffnungsphase ist dadurch allerdings gegenüber der tatsächlichen Dauer verkürzt, eine Einschränkung, die für die Lidschließung nicht gilt. Zur Dauer und Schließungs- und Öffnungsphase kommt noch die Verzögerung zwischen Ende der Lidschließung und Beginn der Wiederöffnung, die im wachen Zustand allerdings nur einige Millisekunden beträgt.
131
DATENAUFBEREITUNG – 8.3 AUGENBEWEGUNGEN
Wie im Theorieteil unter 5.1.1.2 (S.91) sowie 5.2.1.2 (S.94) erläutert, hängen die Dauern und
Geschwindigkeiten von Sakkaden wie Lidschlägen von der jeweiligen Amplitude ab, weshalb es
für beide Kennwerte sinnvoll ist, sie zu standardisieren, also um den Einfluss der Amplitude zu
bereinigen. Aus den zuvor genannten Gründen erfolgt die Standardisierung für den Lidschlag in
Bezug auf die Schließamplitude. Die zugrunde liegenden Formeln wurden Schleicher et al.
(2008) entnommen. Eine Übersicht der verfügbaren Kennwerte für Lidschläge und Sakkaden
findet sich in Tabelle Tab. 8.3.1.
Tab. 8.3.1: Übersicht über die verfügbaren EOG-Parameter sowie ihre rechnerische Bestimmung.
Kennwert Sakkaden
Intervall
Amplitude
Dauer
Kennwert Lidschlag
Intervall
Zeit seit Ende des vorangegangenen Ereignis
Lidschließungsamplitude
Lidöffnungsamplitude
Lidschließungsdauer
Lidöffnungsdauer
Maximalgeschwindigkeit
(Durchschnitts-)
Geschwindigkeit
zusätzliche Erläuterung
Ende: Zeitpunkt Maximalgeschwindigkeit Öffnung
Verzögerung
Zeit von Ende Lidschließung bis Beginn Lidöffnung
Gesamtdauer
Dauer Lidschließung + Verzögerung + Lidöffnung
maximale Lidschließungsgeschwindigkeit
maximale Lidöffnungsgeschwindigkeit
Lidschließungsgeschwindigkeit
(Amplitude/Dauer)*1000
Lidöffnungsgeschwindigkeit
standardisierte Dauer
stand. Gesamtdauer
als Prozent der für diese (Schließ)Amplitude
zu erwartenden (Gesamt)Dauer
standardisierte
Maximalgeschwindigkeit
stand. max. Schließgeschwindigkeit
als Prozent der für diese (Schließ)Amplitude
zu erwartenden Maximalgeschwindigkeit
standardisierte (Durchschnitts)geschwindigkeit
stand. Schließgeschwindigkeit
132
als Prozent der für diese (Schließ)Amplitude
zu erwartenden Durchschnittsgeschwindigkeit
ERGEBNISSE – 8.3 AUGENBEWEGUNGEN
9 Ergebnisse
Nach Aufbereitung und Aggregierung wird in an dieser Stelle die statistische Auswertung hinsichtlich der folgenden Fragen beschrieben:
1. Führte die Emotionsinduktion zu Veränderungen in den subjektiven und physiologischen
Messgrößen?
2. Lassen sich dabei Unterschiede zwischen den einzelnen Emotionen erkennen?
3. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der kontinuierlichen Bewertung mittels EMuJoy und
Veränderungen in den physiologischen Parametern?
Die Auswertung erfolgt wie die Aufbereitung signalweise, wobei mit den EMuJoy-Bewertungen
begonnen wird. Da für jedes Signal zumeist mehrere Parameter vorliegen, von denen nicht
angenommen werden kann, dass sie sich unabhängig voneinander verändern, wird zur Beantwortung der Frage nach Auswirkungen der Emotionsinduktion eine multivariate Varianzanalyse
(MANOVA) mit Messwiederholung durchgeführt, wobei die Zielemotionen den Innersubjektfaktor bilden. Als Prüfgröße für einen generellen Effekt der Emotionsinduktion dient Pillais Spurkriterium (im folgenden als Pillai's Spur bezeichnet), das sich für die MANOVA als robustester
Test erwiesen hat (Bühl, 2006). Zusätzlich wird noch das partielle Eta2 angegeben, das den
Anteil der durch den Faktor Emotion aufgeklärten Varianz innerhalb der Versuchspersonen
beschreibt. Während Eta2 den Anteil der durch den Faktor aufgeklärten Varianz an der Gesamtvarianz beschreibt, gibt das partielle Eta2 nur das Verhältnis Faktorvarianz / (Faktorvarianz+Fehlervarianz) an. Die Varianz anderer Faktoren (im vorliegenden Fall Geschlecht, s.u.)
wird dabei nicht berücksichtigt16. Alle Parameter sind der Tabelle 'Multivariate Tests' der SPSSAusgabe zum 'Allgemeinen Linearen Modell' entnommen.
Für den Fall nur einer abhängigen Variable wird bei einer univariaten Varianzanalyse (ANOVA) standardmäßig von einer Verletzung der Sphärizitätsannahme (homogene Varianzen
der Differenzen zweier Faktorstufen) ausgegangen und der nach Greenhouse-Geisser korrigierte F-Wert angegeben. Nur wenn Mauchlys Test der Sphärizität nicht signifikant sein sollte, die
Annahme also nicht verletzt ist, wird der unkorrigierte F-Wert herangezogen. Der Unterschied
zwischen einzelnen Emotionen wird mittels paarweisen Vergleichen überprüft, wobei in SPSS
das Signifikanzniveaus nach Bonferroni angepasst wurde.
Auch wenn die vorliegende Arbeit nicht auf die Untersuchung von Geschlechtsunterschieden abzielt, wird 'Geschlecht' standardmäßig als Zwischensubjektfaktor in die Varianzanalysen
aufgenommen und die Ergebnisse kurz berichtet. Hier bezieht sich das partielle Eta2 auf den
Anteil der Varianz zwischen den Versuchspersonen, der nur durch den Faktor Geschlecht aufgeklärt wird. Emotion wird dabei wie Geschlecht in der Varianzanalyse als fester Faktor (engl.:
16
Bei zwei Faktoren setzt sich die Gesamtvarianz zusammen aus: Varianz Faktor A + Varianz Faktor B + VarianzInter2
2
aktion AxB + Fehlervarianz; Eta würde all diese im Nenner berücksichtigen, das partielle Eta berücksichtigt jeweils
nur die Varianz eines Faktors oder einer Interaktion und die weder durch andere Faktoren noch Interaktionen aufgeklärte Fehlervarianz.
133
ERGEBNISSE – 9.1 KONTINUIERLICHE EMOTIONSBEWERTUNG MITTELS EMUJOY
fixed factor) angegeben, da es um Unterschiede zwischen den konkreten Emotionen Freude,
Trauer, Ekel, Wut und Angst geht, und diese nicht als eine Zufallsauswahl aus dem Universum
aller Emotionen angesehen werden, wie es bei einer Festlegung als zufällige Faktoren (engl.:
random factor) der Fall gewesen wäre. Die Festlegung als zufälliger Faktor wäre angebracht
gewesen, wenn man Aussagen über den Unterschiede zwischen allen Emotionen treffen will
(Bortz, 2005), was über den Anspruch dieser Arbeit hinaus geht17.
Als Zusammenhangsmaß zwischen EMuJoy-Bewertung und physiologischen Parametern
dient die Produkt-Moment-Korrelation nach Pearson (Annahme einer linearen Beziehung, intervallskalierte Variablen) sowie bei deutlichen Abweichungen gegenüber dem PearsonKoeffizienten zusätzlich Kendall's Tau, das weniger Annahmen über die zugrunde liegende
Beziehung zwischen den Variablen macht und sich auf reine 'größer/kleiner als'-Relationen
beschränkt. Dabei ist dieser Koeffizient robuster als Spearmans rho (Bortz et al., 1990). Um die
Übersichtlichkeit größerer Korrelationstabellen zu wahren, werden statt der üblichen Sternchen
zur Anzeige der Signifikanz nicht-signifikante Werte ausgegraut, auf dem 5%-Niveau signifikante Korrelationen in normaler schwarzer Schrift und auf dem 1%-Niveau signifikante Zusammenhänge schwarz und fett dargestellt.
Während für die Korrelationsbestimmungen der gesamte Datensatz mit 337 Einträgen von
57 Probanden zur Verfügung steht (s. 8.2, S.126), gehen in die Varianzanalyse mit Messwiederholungen nur die Versuchspersonen ein, bei der alle Zielemotionen erfolgreich induziert
worden waren. Bei fünf Probanden war dies für jeweils eine Zielemotion nicht gelungen (s.
8.1.4.3, S.122), so dass sich der Datensatz in diesem Fall auf 312 Einträge von 52 Personen
reduziert. Weitere Einschränkungen im Stichprobenumfang werden im jeweiligen Abschnitt
mitgeteilt.
9.1 Kontinuierliche Emotionsbewertung mittels EMuJoy
Die Datenaufbereitung der Selbstbewertungen mittels EMuJoy während der FilmclipPräsentation hatte ergeben, dass zur Charakterisierung einer emotionalen Episode die Position
des Mousezeigers in den letzten beiden Sekunden aussagekräftiger war als ein Mittelwert über
die gesamte Präsentationszeit. Abb. 8.1.7 auf Seite 125 zeigte die Mittelwerte sowie den Perzentilrange vom 25. bis zum 75. Perzentil für den bereinigten Datensatz. Sie wird an dieser
Stelle erneut aufgeführt.
17
Für Geschlecht stellt sich diese Frage nicht, da die Unterscheidung zwischen männlich und weiblich bereits erschöpfend ist.
134
ERGEBNISSE – 9.1 KONTINUIERLICHE EMOTIONSBEWERTUNG MITTELS EMUJOY
Abb. 9.1.1 (entspricht Abb. 8.1.7, S. 125): Mittelwert und Bereich zwischen den 25. und 75. Perzentilen der Endwerte
(Wert in den letzen beiden Sekunden) der EMuJoy-Bewertung aller Versuchspersonen auf den Dimensionen Valenz (xAchse, -1 = unangenehm, +1 = angenehm) und Arousal (y-Achse, -1 = ruhig, +1 = aufgeregt) für die verschiedenen
Zielemotionen (Farben)
Um einen Anhaltspunkt für die Validität der Ergebnisse zu bekommen, wird Abb. 9.1.1 mit zwei
im Theorieteil genannten Modellen, die ebenfalls auf den Dimensionen Valenz und Arousal
beruhen, abgeglichen. In Abb. 9.1.2 sind die Ergebnisse dieser Studie in das Circumplex-Modell
von Russell (Russell & Feldman Barrett, 1999) eingefügt, Abb. 9.1.3 zeigt zusätzlich zur Ausprägung der Filmclip-Bewertung die Verteilung der IAPS-Bilder aus Lang, Bradley et al. (1997).
Abb. 9.1.2: EMuJoy-Ratings aus Abb. 8.1.7 (S. 125) eingefügt in den Circumplex von Russell (Abb. 3.4.1, S.62). Das
Achsenkreuz aus Abb. 8.1.7 wurde so skaliert, dass es dem Kreisradius des Russel-Circumplex entspricht (xAchse=Arousal, y-Achse=Valenz). Die Eckpunkte der ursprünglichen Abbildung sind angedeutet. Die Farben zeigen die
jeweiligen Zielemotionen der Filmclips an. Die farbigen Vierecke entsprechen dem Bereich zwischen 25. und 75. Perzentil der Versuchspersonen-Ratings, die farbigen Punkte dem Mittelwert.
135
ERGEBNISSE – 9.1 KONTINUIERLICHE EMOTIONSBEWERTUNG MITTELS EMUJOY
Die Bewertungen der Versuchspersonen zum Ende eines Filmclips sind in Abb. 9.1.2 weitestgehend modellkonform im Circumplex angeordnet: Freude zum Pol 'pleasant' mit leichter Aktivierung, der neutrale Filmclip wird weder als angenehm noch unangenehm angesehen und
wirkt eher deaktivierend. Angst und Wut sind mit hoher Erregung und negativer Valenz verbunden, Trauer ebenfalls mit negativer Valenz, allerdings deutlich geringerer Erregung. Wie Ekel
weist sie dennoch eine höhere Erregung auf als von Russell und Kollegen postuliert, die in ihren
Studien häufig die Einschätzung des aktuellen Gefühlszustands ohne weitere Emotionsinduktion mittels Fragebogen faktorenanalytisch untersuchten (Feldman Barrett & Russell, 1998; Yik et
al., 1999).
Beim Abgleich mit der Verteilung der IAPS-Bewertungen zeigt sich ein vergleichbares Bild
(s. Abb. 9.1.3): negative Reize führen zur höchsten Erregung, und insgesamt folgen die Filmratings der leicht bumerang-förmigen Verteilung, die auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass
Reize mit hoher Erregung, aber neutraler Valenz, sowie Reize mit deutlich ausgeprägter Valenz, aber sehr geringem Arousal selten vorkommen (Lang, Bradley et al., 1997; Lang et al.,
2005).
Abb. 9.1.3: EMuJoy-Ratings aus Abb. 8.1.7 (S. 125) eingefügt in die Verteilung der mittels Self-Assessment-Mannikin
(SAM) bewerteten IAPS-Bilder aus Abb. 3.4.2 (S.65). Das Achsenkreuz aus Abb. 8.1.7 wurde so angepasst, dass es
der Ausprägung der SAM-Dimensionen entspricht (x-Achse=Arousal, y-Achse=Valenz). Die Farben zeigen die jeweiligen Zielemotionen der Filmclips an. Die farbigen Vierecke entsprechen dem Bereich zwischen 25. und 75. Perzentil der
Versuchspersonen-Ratings dieses Versuchs, die farbigen Punkte dem Mittelwert. Die kleinen Punkte stellen die Mittelwerte der IAPS-Bewertungen dar. Für einzelne IAPS-Bilder sind die dargestellten Szenen benannt (schwarze Punkte)
sowie in kursiver Schrift prototypische emotionale Zustände angegeben. Die Beschriftungen in der rechten unteren
Ecke lauten 'enraged' (aufgebracht), 'hate' (Hass) und Mutilated Face (verstümmeltes Gesicht). Aus Lang, Bradley et al
(1997).
Während die hohe Arousal-Ausprägung bei Ekel durchaus dem IAPS-Schema zu entsprechen
scheint (der Mittelpunkt liegt fast identisch mit der Bewertung des Bildes 'Verstümmeltes Gesicht'), haben die Trauer-Clips mit Abschieds- bzw. Sterbeszenen auch hier wieder eine ver-
136
ERGEBNISSE – 9.1 KONTINUIERLICHE EMOTIONSBEWERTUNG MITTELS EMUJOY
gleichsweise hohe Erregung im Vergleich zum 'Friedhofs'-Bild des IAPS ('Cemetery' in Abb.
9.1.3). Dass Arousal- und Valenzbewertung zusammenhängen, spiegelt sich in der Korrelation
beider Werte wider: Für den aktuellen IAPS-Satz (Lang et al., 2005) beträgt die generelle Produkt-Moment-Korrelation zwischen Valenz- und Arousalrating r= -.276 (n=956, p<0.000), für das
Sub-Set von Bildern mit negativer Valenz r=-.699 (n=432, p<0.000, wobei n hier die Anzahl der
Bilder meint). Im vorliegenden Versuch, in dem vier der sechs induzierten Emotionen negativ
waren, ergeben sich für die 58 auswertbaren Versuchspersonen folgende Werte:
• r=-.587 (n=1378, p<0,000) für eine Korrelation über einzelne Reize ( 1 Wert pro VP pro
Film, nur Filme mit gültiger Emotionsbenennung im Anschluss) bzw.
• r=-.584 (n=343, p<0.000) für den Datensatz mit 1 Wert pro VP pro Zielemotion, der auch die
Grundlage der weiteren Auswertung bildet. Hier beträgt die Korrelation für das Subset der
neutralen und positiven Filmclips (Zielemotion Freude) r=.225 (n=113, p=0.017).
9.1.1 Unterscheidung der Basisemotionen im zweidimensionalen Raum
Eine multivariate Varianzanalyse mit Messwiederholung für die pro Zielemotion gemittelten
Valenz- und Arousal-Bewertung in den letzten zwei Sekunden eines Filmclips ergibt einen signifikanten Einfluss des Innersubjektfaktors 'Zielemotion' (Pillai's Spur =0.939; F10,42=64.976;
p<0.000; η2partiell=0.939).
Tab. 9.1.1: Signifikanzniveaus univariater paarweiser Vergleiche der subjektiven Valenz- und Arousalratings für die
einzelnen Zielemotion, das angegebene Signifikanzniveau (p) ist Bonferroni-korrigiert. Ausgegraute Werte: nichtsignifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%Niveau.
Valenz
Zielemotion
neutral
neutral
Freude
0.000
Trauer
Arousal
Ekel
Wut
neutral
Freude
Trauer
Ekel
Wut
0.000
0.000
0.000
0.000
1.000
0.000
0.000
0.000
0.000
0.000
0.000
0.000
0.000
0.000
0.000
0.000
0.000
1.000
0.000
1.000
0.085
0.000
0.000
0.000
0.000
0.000
0.000
0.344
0.000
0.000
0.000
1.000
Freude
0.000
Trauer
0.000
0.000
Ekel
0.000
0.000
0.000
Wut
0.000
0.000
1.000
0.085
Angst
0.000
0.000
1.000
0.025
1.000
0.344
0.016
Paarweise Vergleiche in Tab. 9.1.1 bestätigen den Eindruck, der sich bereits durch die Graphik
in Abb. 8.1.7 bzw. Abb. 9.1.1 aufdrängt: Filmclips mit der Zielemotion Freude oder neutraler
Stimmung sind in Bezug auf ihre Valenz signifikant verschieden von allen anderen Emotionen.
Die negativen Emotionen Ekel, Wut und Angst lassen sich in ihrer Valenz weniger gut unterscheiden, lediglich der Unterschied zwischen Angst und Ekel ist auf dem 5%-Niveau signifikant
(p=0.025). Trauer unterscheidet sich ebenfalls nur von Ekel signifikant in der Valenz-Bewertung,
hat aber ein deutlich niedrigeres Erregungsniveau als die übrigen drei negativen Emotionen
(p<0.000). Wut und Angst unterscheiden sich auch signifikant auf dieser Dimension (p=0.016).
Bei dem Bewertungsverhalten ist zudem ein Geschlechtseffekt festzustellen (Pillai's
Spur=0.201; F2,50=6.294, p=0.004; η2partiell=0.201), wobei im univariaten Vergleich dieser Unter-
137
ERGEBNISSE – 9.2 PHYSIOLOGIE
schied nur für Valenz (F1,51=6.87; p=0.012; η2partiell=0.119), nicht aber für Arousal (F1,51=0.154;
p=0.696; η2partiell=0.003) signifikant wird: Frauen zeigen insgesamt stärker ausgeprägte Valenzbewertungen, gerade für negative Valenz, ein Befund, den auch Bradley & Lang (2000), berichten. Eine signifikante Interaktion Zielemotion*Geschlecht tritt nicht auf (Pillai's Spur =0.168;
F10,42=0.848; p=0.587; η2partiell=0.168).
9.1.2 Zusammenfassung
Die kontinuierliche Emotionsbewertung mittels EMuJoy ergibt eine Anordnung der Zielemotionen im zweidimensionalen Raum, die mit den Modellen von Russell sowie Bradley & Lang vergleichbar ist. Die Zielemotion 'Trauer' war im vorliegenden Versuch allerdings mit vergleichsweise erhöhter Erregung verbunden, hat aber immer noch signifikant niedrigere Werte als Ekel,
Wut und Angst, die sich weniger eindeutig voneinander abgrenzen. Die neutralen Filmclips und
die mit der Zielemotion 'Freude' sind aufgrund ihrer Valenzratings klar voneinander und den
negativen Emotionen zu unterscheiden. Valenz- und Arousalbewertung korrelieren signifikant
miteinander (r=-.587), negative Valenz geht also mit erhöhter Erregung einher, während positive
Stimmung mit geringer Erregung verbunden ist. Dieser Effekt wird vermutlich durch die Tatsache verstärkt, dass vier der sechs Zielemotionen negativ waren (Trauer, Wut, Ekel, Angst).
9.2 Physiologie
Die statistische Analyse der physiologischen Kennwerte folgt dem eingangs unter 9 (S.133)
genannten Vorgehen, allerdings werden aufgrund des in 9.1 berichteten Zusammenhangs zwischen Valenz- und Arousalrating zusätzlich zu den bivariaten Korrelationen noch Partialkorrelationen mit beiden Variablen angegeben, die um den Einfluss der jeweils anderen Bewertungsdimension bereinigt sind. Um die Auswirkung der Baseline-Korrektur am vorangegangen neutralen Filmclip bewerten zu können, werden auch die Korrelationen für die nicht-korrigierten
Werte aufgeführt. Die baseline-korrigierte Variante einer Variable trägt das Suffix 'bc'.
Um unübersichtlich große Tabellen oder mit Signifikanzangaben überfrachtete Graphiken zu
vermeiden, werden für die paarweisen Vergleiche zwischen den Emotionen zunächst die Mittelwerte der einzelnen physiologischen Parameter mit ihrem Standardfehler als Balkengraphik
dargestellt, und das Signifikanzniveau der Mittelwertsunterschiede in einer eigenen Tabelle
aufgelistet. Im zugehörigen Text werden beide Quellen gemeinsam abgehandelt, wobei sich die
Richtung eines Unterschiedes (z.B. 'XY ist unter Angst größer als unter Trauer') aus der Graphik ergibt, die statistische Bedeutsamkeit dieses Unterschiedes ('… und dieser Unterschied ist
auf dem 5% Niveau signifikant') hingegen der Tabelle zu entnehmen ist. Dabei ist zu beachten,
dass die Graphiken den Mittelwert aller Versuchspersonen unter einer Versuchsbedingung und
dessen Standardfehler darstellen, die Einzelvergleiche bei einer Messwiederholung jedoch auf
dem Mittelwert der personenweisen Differenzen zwischen zwei Versuchsbedingungen beruhen.
Zwei in der Graphik ähnlich erscheinende Unterschiede zwischen Mittelwerten (z.B. der Unter-
138
ERGEBNISSE – 9.2 PHYSIOLOGIE
schied zwischen Angst und Trauer sowie der Unterschied zwischen Angst und Wut) müssen im
Einzelvergleich dementsprechend nicht gleichermaßen signifikant werden.
9.2.1 Hautleitfähigkeit
Eine multivariate Varianzanalyse mit Messwiederholung für die baseline-korrigierten und pro
Zielemotion gemittelten Hautleitfähigkeitsparameter Elektrodermales Level (EDL, Mittelwert des
gefilterten EDA-Rohsignals) sowie Frequenz, mittlere und maximale Amplitude der Spontanfluktuationen während eines Filmclips ergibt einen für signifikanten Einfluss des Innersubjektfaktors
'Zielemotion' (Pillai's Spur=0.799; F20,28=5.566 p<0.000; η2partiell=0.799) für die n=49 Versuchspersonen, für die für alle Zielemotionen gültige Daten vorlagen. Ein Effekt des Zwischensubjektfaktors 'Geschlecht' oder eine Interaktion von Geschlecht und Zielemotion tritt dabei nicht auf
(Pillai's Spur=0.071; F4,44=0.843 p=0.509; η2partiell=0.071 für Geschlecht bzw. Pillai's Spur=0.483;
F20,28=1.307 p=0.253; η2partiell=0.483 für Geschlecht*Zielemotion).
Abb. 9.2.1: Mittelwert und Standardfehler der baseline-korrigierten EDA-Kennwerte Elektrodermales Level, Frequenz
Spontanfluktuation, mittlere Amplitude Spontanfluktuationen und maximale Amplitude als Prozent Baseline-Aktivität für
die 49 Versuchspersonen, die in die multivariate Varianzanalyse eingingen.
139
ERGEBNISSE – 9.2 PHYSIOLOGIE
Tab. 9.2.1: Signifikanzniveaus univariater paarweiser Vergleiche der baseline-korrigierten EDA-Parameter EDR Frequenz, mittlere Amplitude und maximale Amplitude für die einzelnen Zielemotion. Alle signifikanten Unterschiede sind
hervorgehoben, das angegebene Signifikanzniveau ist Bonferroni-korrigiert. Ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau.
Zielemotion
Freude
Zielemotion
Trauer
Ekel
Wut
Frequenz
0.230
0.183
1.000
1.000
Amplitude
0.395
0.341
0.061
0.946
max. Amplitude
0.006
0.005
0.013
0.012
Parameter
neutral
Freude
Trauer
Ekel
Wut
Angst
neutral
Frequenz
Amplitude
0.230
0.395
0.002
1.000
1.000
0.690
1.000
1.000
max. Amplitude
0.006
1.000
1.000
1.000
Frequenz
Amplitude
0.183
0.341
0.032
0.384
0.141
1.000
max. Amplitude
0.005
1.000
1.000
1.000
Frequenz
1.000
1.000
0.032
Amplitude
0.061
0.690
0.384
1.000
max. Amplitude
0.013
1.000
1.000
1.000
Frequenz
Amplitude
1.000
0.946
1.000
1.000
0.141
1.000
max. Amplitude
0.012
1.000
1.000
1.000
Frequenz
Amplitude
1.000
0.008
0.699
1.000
0.590
0.117
1.000
1.000
1.000
0.181
max. Amplitude
0.000
1.000
0.100
1.000
0.044
0.002
1.000
1.000
1.000
1.000
Wie in Abb. 9.2.1 erkennbar, zeigt das baseline-korrigierte Hautleitfähigkeitsniveau EDL als
Mittelwert des EDA-Signals pro Versuchsbedingung wenig Variation. Wenngleich der Messwiederholungsfaktor 'Emotion' in der univariaten Analyse einen Effekt hat (F3,147=3.147 nach
Greenhouse-Geisser-Korrektur; p=0.001; η2partiell=0.110), statistisch signifikant ist im Einzelvergleich lediglich der Unterschied der neutralen Versuchsbedingung gegenüber Trauer, Wut und
Angst (p≤0.046–0.000) sowie der zwischen Trauer und Freude (p=0.012). Aus diesem Grund
wird der Parameter baseline-korrigiertes EDL nicht in Tab. 9.2.1 aufgeführt.
Auch die baseline-korrigierte Anzahl Spontanfluktuationen pro Sekunde (EDR Frequenz)
variiert nicht sehr stark: Bis auf Trauer steigt sie bei allen Emotionen gegenüber der neutralen
Bedingung eher an. Statistisch signifikant ist allerdings nur der Unterschied zwischen Abfall bei
Trauer und Anstieg bei Freude sowie Ekel. (p ≤ 0.002 bzw. 0.032). Bei den Amplitudenkennwerten erscheint die maximale Amplitude während einer Filmpräsentation sensitiver für Unterschiede einzelner Emotionen zum Ausgangsniveau als die mittlere Amplitude während dieser Zeit,
denn nur bezüglich ersterer unterscheiden sich alle Emotionen signifikant von der 'neutral'Bedingung (p ≤ 0.000 – 0.013), ebenso wie Wut und Angst voneinander (p=0.044). Die baseline-korrigierte maximale Amplitude EDRsampmax zeigt denn auch mit r=.240 (p < 0.000) die
höchste Partialkorrelation zum Arousalrating (s. Tab. 9.2.2, 5. Spalte). Nicht um den Einfluss
der Valenz-Dimension bereinigt korrelieren beide Amplitudenwerte um die .22 mit dem Arousalrating (s. Tab. 9.2.2, 3. Spalte).
140
ERGEBNISSE – 9.2 PHYSIOLOGIE
Tab. 9.2.2: Bivariate Produkt-Moment- und Partialkorrelationen der EDA-Parameter mit den Valenz und ArousalRatings (1 Wert pro Vp pro Emotion, 55 Vpn) EDL=Elektrodermales Level (Mittelwert über gesamte Phase), EDRs=
Elektrodermale Reaktionen (Spontanfluktuationen) während einer Reizphase , freq=Frequenz; amp=mittlere Amplitude;
ampmax = maximale Amplitude. Ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau.
Bivariate Korrelationen
Valenzrating
Partialkorrelationen
Valenzrating
Arousalrating
Valenzrating
Arousalrating
1
-.584
-
-
EDL
.017
.001
.022
.014
EDL baseline-korrigiert
.116
.026
.161
.116
EDRsfreq
.014
.134
.115
.176
EDRsfreq baseline-korrigiert
.087
.075
.163
.156
EDRsamp
-.087
.059
-.066
.007
EDRsamp baseline-korrigiert
-.098
.223
.044
.205
EDRsampmax
-.141
.219
-.016
.170
EDRsampmax baseline-korrigiert
-.048
.222
.104
.240
Eine detaillierte Durchsicht der Rohsignale ergab, dass die Hautleitfähigkeit vor allem während
der Darbietung längerer Filme deutlich absank, wobei während dieses Absinkens zwar Spontanfluktuationen auftraten, der Abfall aber insgesamt oft stärker war als die kurzfristigen Anstiege. Die größten Spontanfluktuationen traten vermehrt im Anschluss an einen Filmclip auf, wenn
die Probanden von dem Versuchsleiter nach ihrer subjektiv erleben Emotion gefragt wurden. Es
scheint, dass eine echte, aktive soziale Interaktion hier weitaus stärker aktivierend wirkte als
das eher passive Teilhaben an sozialen Interaktionen in den Filmclips. Abb. 9.2.2 verdeutlicht
dies für einen Ausschnitt des Rohsignals von VP 12 (s. Abb. 8.2.1, S.128 für den gesamten
Rohsignal-Verlauf dieser Versuchsperson).
Abb. 9.2.2: EDA-Rohsignal von VP12 während der Darbietung von zwei Filmclips. Zu erkennen ist ein Absinken mit
Spontanfluktuationen während der Filmpräsentation sowie ein deutlicher Anstieg während der Emotionsbenennung im
Anschluss an einen Filmclip. Für weitere Erläuterungen s. Text.
141
ERGEBNISSE – 9.2 PHYSIOLOGIE
9.2.2 Gesichtsmuskelaktivität
Eine multivariate Varianzanalyse mit Messwiederholung für die baseline-korrigierten und pro
Zielemotion gemittelten Parameter EMG-Level18 des musculus corrugator supercilii, orbicularis
oculi und zygomaticus major ergibt einen signifikanten Einfluss des Innersubjektfaktors 'Zielemotion' (Pillai's Spur =0.871; F20,24=8.12 p<0.000; η2partiell=0.871) für die n=52 Versuchspersonen, für die für alle Zielemotionen gültige Daten vorlagen. Ein Effekt des Zwischensubjektfaktors 'Geschlecht' oder eine Interaktion von Geschlecht und Zielemotion tritt dabei nicht auf (Pillai's Spur=0.027; F3,38=0.450; p=0.719; η2partiell=0.027 für Geschlecht bzw. Pillai's Spur=0.253;
F15,36=0.812; p=0.658; η2partiell=0.253 für Geschlecht*Zielemotion).
Abb. 9.2.3: Mittelwert und Standardfehler des baseline-korrigierten EMG-Levels von musculus corrugator supercilii,
orbicularis oculi und zygomaticus major als Prozent Baseline-Aktivität für die 52 Versuchspersonen, die in die multivariate Varianzanalyse eingingen.
Wie aus Abb. 9.2.3 und Tab. 9.2.3 zu erkennen ist, unterscheidet die Aktivität des musculus
corrugator supercilii (der 'Augenbrauen-Zusammenzieh'-Muskel) die negativen Emotionen
Trauer, Ekel, Wut und Angst von der neutralen Bedingung und von Freude. Der musculus orbicularis oculi (sorgt für die 'Krähenfüße' in den Augenwinkeln) und zygomaticus major (zieht die
Mundwinkel nach außen und nach oben, also Lachen) unterscheiden Freude von der neutralen
Bedingung sowie von allen negativen. Außerdem ist ihre Aktivität bei Ekel leicht erhöht, bei
Trauer, Wut und Angst hingegen gegenüber der neutralen Bedingung verringert. Der Unterschied Ekel-Wut ist für den zygomaticus allerdings nicht statistisch signifikant (p=0.207).
18
definiert als Mittelwert der Hüllkurve des gleichgerichteten und gefilterten EMG-Signals während eines Filmclips (s.
8.2.2, S.129)
142
ERGEBNISSE – 9.2 PHYSIOLOGIE
Tab. 9.2.3: Signifikanzniveaus univariater paarweiser Vergleiche der baseline-korrigierten EMG-Levels von musculus
corrugator supercilii, orbicularis oculi und zygomaticus major für die einzelnen Zielemotion. Alle signifikanten Unterschiede sind hervorgehoben, das angegebene Signifikanzniveau ist Bonferroni-korrigiert. Ausgegraute Werte: nichtsignifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%Niveau.
Zielemotion
Parameter
neutral
Freude
Trauer
Ekel
Wut
Angst
neutral
Freude
Zielemotion
Trauer
Ekel
Wut
0.000
corrugator
1.000
0.000
0.000
orbicularis
0.000
0.000
0.708
0.004
zygomaticus
0.001
0.000
1.000
0.001
0.000
0.000
0.000
0.000
0.000
0.000
0.000
corrugator
orbicularis
1.000
0.000
zygomaticus
0.001
corrugator
0.000
0.015
0.000
0.000
1.000
1.000
orbicularis
0.000
0.000
0.002
1.000
zygomaticus
0.000
0.000
0.031
0.422
corrugator
orbicularis
0.000
0.708
0.000
0.000
1.000
0.002
zygomaticus
1.000
0.015
0.031
corrugator
orbicularis
0.000
0.004
0.000
0.000
1.000
1.000
1.000
0.021
zygomaticus
0.001
0.000
0.422
0.207
corrugator
orbicularis
0.000
0.000
0.000
0.000
1.000
1.000
1.000
0.001
0.741
1.000
zygomaticus
0.000
0.000
1.000
0.050
1.000
1.000
0.021
0.207
Die baseline-korrigierte Aktivität dieser drei Gesichtsmuskeln zeigt dementsprechend auch einen recht engen Zusammenhang zur subjektiven Valenzbewertung mit Werten von r=.363 (zygomaticus) bis r=.474 (orbicularis oculi, s. Tab. 9.2.3, vorletzte Spalte). Der Anstieg des EMGLevels mit zunehmendem subjektiven Arousal scheint dabei nicht nur auf die Kopplung von
Arousal an Valenzbewertung zurückzuführen sein, denn auch das um den Einfluss der Valenzbewertung bereinigte Arousalrating (Partialkorrelation) korreliert zumindest für den orbicularis
oculi und zygomaticus major noch um r=.254-286 mit den beiden EMG-Werten (s. Tab. 9.2.3,
letzte Spalte).
143
ERGEBNISSE – 9.2 PHYSIOLOGIE
Tab. 9.2.4: Bivariate Produkt-Moment- und Partialkorrelationen der EMG-Parameter mit den Valenz und Arousal-ratings
(1 Wert pro Vp pro Emotion, 57 Vpn) EMGL=EMG-Level (Mittelwert über gesamte Phase, s. 8.2.2, S.129), co=
corrugator supercilii; or=orbicularis oculi; zy=zygomaticus major. Ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte
Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau
Bivariate Korrelationen
Valenzrating
Arousalrating
1
-.584
EMGLsco
-.230
EMGLsco baseline-korrigiert
Partialkorrelationen
Valenzrating
Arousalrating
.121
-.197
-.017
-.432
.240
-.370
-.016
EMGLsor
.176
-.081
.159
.027
EMGLsor baseline-korrigiert
.394
-.016
.474
.286
EMGLszy
.346
-.089
.363
.147
EMGLszy baseline-korrigiert
.401
-.044
.462
.254
Valenzrating
*p<=.05; **p<=.01; ***p<=0.001
9.2.3 Herzaktivität
Tab. 9.2.5 führt noch einmal die gemäß Kapitel 8.2.3 gebildeten Kennwerte zur Herzaktivität
auf. Zusätzlich zur Baseline-Korrektur durch Division (aktuelle Aktivität/Baselineaktivität)*100
waren für die Inter-Beat-Intervalle und die Herzrate auch Differenzwerte (aktuelle Aktivität –
Baselineaktivät) zum vorausgegangenen neutralen Filmclip gebildet worden. Erkennbar sind
diese Variablen am Suffix 'bcdiff'. Tab. 9.2.5 gibt eine Übersicht über die vorhandenen Variablen
und die verwendeten Kürzel. Bei den Balkengraphiken ist die Art der Baseline-Korrektur dem
Text und der Achsenbeschriftung zu entnehmen.
Tab. 9.2.5: Übersicht über die verwendeten Herzschlag-Parameter sowie die Art der Baselinekorrektur
Kürzel
Beschreibung
IBI
Zeit zwischen zwei Herzschlägen
HR
Anzahl Schläge pro Minute (Herzrate)
SDNN
MSD
PARAMETERbc
PARAMETERbcdiff
Streuung der IBIs
mittlere absolute Differenz aufeinanderfolgender IBIs
Parameter baseline-korrigiert als Prozent Baseline-Level
Parameter baseline-korrigiert als Differenz zum Baseline-Level
Eine multivariate Varianzanalyse mit Messwiederholung für die mittels Division baselinekorrigierten und pro Zielemotion gemittelten Parameter IBI, HR, SDNN und MSD ergibt einen
signifikanten Einfluss des Innersubjektfaktors 'Zielemotion' (Pillai's Spur =0.646; F20,29=2.645;
p<0.008; η2partiell=0.646) für die n=50 Versuchspersonen, für die für alle Zielemotionen gültige
Daten vorlagen.
Ein Effekt des Zwischensubjektfaktors 'Geschlecht' oder eine Interaktion von Geschlecht
und Zielemotion tritt dabei nicht auf (Pillai's Spur=0.160; F4,45=2.145 p=0.091; η2partiell=0.160 für
Geschlecht bzw. Pillai's Spur=0.424; F20,29=1.067; p=0.428; η2partiell=0.424 für Geschlecht*Zielemotion).
144
ERGEBNISSE – 9.2 PHYSIOLOGIE
Abb. 9.2.4: Mittelwert und Standardfehler der baseline-korrigierten EKG-Kennwerte Herzschlagintervall (IBI), Herzrate
(HR), Streuung der IBIs (SDNN) sowie mittlere Differenz sukzessiver IBIs (MSD) als Prozent Baseline-Aktivität für die
50 Versuchspersonen, die in die multivariate Varianzanalyse eingingen.
Abb. 9.2.4 lässt erkennen, dass die emotionalen Filmclips durchgehend zu einer Herzratenverlangsamung bzw. einem Anstieg der Inter-Beat-Intervalle (IBIs) führen, zwischen den einzelnen
Emotionen jedoch wenig Unterschiede zu bestehen scheinen. Lediglich die Streuung der IBIs
(SDNN, der jeweils 3. Balken in Abb. 9.2.4) nimmt für Ekel, Wut und Angst stärker ab als für
Trauer bzw. für Freude. Univariate Einzelvergleiche in Tab. 9.2.6 bestätigen diesen Eindruck:
die Veränderung von Herzrate und IBIs sind für alle Emotionen nur gegenüber der neutralen
Bedingung signifikant, bei der IBI-Streuung SDNN sogar nur der Unterschied zwischen 'neutral'
und 'Angst'.
145
ERGEBNISSE – 9.2 PHYSIOLOGIE
Tab. 9.2.6: Signifikanzniveaus univariater paarweiser Vergleiche der mittels Division baseline-korrigierten EKGKennwerte Herzschlagintervall (IBI), Herzrate (HR), Streuung der IBIs (SDNN) sowie mittlere Differenz sukzessiver IBIs
(MSD) für die einzelnen Zielemotion. Alle signifikanten Unterschiede sind hervorgehoben, das angegebene Signifikanzniveau ist Bonferroni-korrigiert. Ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau.
Zielemotion
Parameter
neutral
neutral
Trauer
Ekel
Wut
Angst
Zielemotion
Trauer
Ekel
Wut
0.008
IBbc
0.000
0.000
0.004
Herzrate (HRbc)
0.000
0.000
0.008
0.012
SDNNbc
1.000
1.000
0.322
0.324
1.000
1.000
1.000
1.000
IBbc
Herzrate (HRbc)
0.000
0.000
1.000
1.000
1.000
1.000
1.000
1.000
SDNNbc
1.000
1.000
1.000
1.000
MSDbc
1.000
1.000
1.000
1.000
IBbc
0.000
1.000
1.000
1.000
Herzrate (HRbc)
0.000
1.000
1.000
0.880
SDNNbc
1.000
1.000
1.000
1.000
MSDbc
1.000
1.000
1.000
1.000
IBbc
0.004
1.000
1.000
1.000
Herzrate (HRbc)
0.008
1.000
1.000
1.000
SDNNbc
0.322
1.000
1.000
1.000
MSDbc
1.000
1.000
1.000
IBbc
Herzrate (HRbc)
0.008
0.012
1.000
1.000
1.000
0.880
1.000
1.000
SDNNbc
0.324
1.000
1.000
1.000
MSDbc
1.000
1.000
1.000
1.000
IBbc
Herzrate (HRbc)
0.000
0.000
1.000
1.000
1.000
1.000
1.000
1.000
SDNNbc
0.019
1.000
1.000
1.000
1.000
MSDbc
1.000
1.000
1.000
1.000
1.000
MSDbc
Freude
Freude
1.000
0.583
0.950
Für die Differenzwerte Baseline-Emotionsfilmclips sieht es ähnlich aus: Emotionsfilmclips führen
zu einem Anstieg des Inter-Beat-Intervalls zwischen zehn bis dreissig Millisekunden und damit
zu einem Abfall der mittleren Herzrate um ein bis drei BPM (s. Abb. 9.2.5).
146
ERGEBNISSE – 9.2 PHYSIOLOGIE
Abb. 9.2.5: Mittelwert und Standardfehler der Differenz zur Baseline-Aktivität für die EKG-Kennwerte Herzschlagintervall (IBI) und Herzrate (HR) für die 50 Versuchspersonen, die in die multivariate Varianzanalyse eingingen. Für die IBIKennwerte ist die Zunahme in Millisekunden, für die Herzrate die Abnahme in BPM dargestellt.
Es gibt ebenfalls einen generellen Effekt des Innersubjektfaktors 'Emotion (Pillai's Spur=0.908;
F20,29=14.283 p<0.000; η2partiell=0.908) ohne Geschlechts- oder Interaktionseffekte (Pillai's
Spur=0.059; F4,45=0.708 p=0.591; η2partiell=0.059 für Geschlecht bzw. Pillai's Spur=0.465;
F20,29=1.295 p=0.280; η2partiell=0.465 für Geschlecht*Zielemotion), der bei univariaten Vergleichen aber einzig auf den Unterschied neutral-Emotionsclip zurückzuführen ist, ohne dass Unterschiede zwischen den Emotionen statistisch bedeutsam wären (s. Tab. 9.2.7).
Tab. 9.2.7: Signifikanzniveaus univariater paarweiser Vergleiche der mittels Differenzbildung baseline-korrigierten EKGKennwerte Herzschlagintervall (IBIbcdiff) und Herzrate (HRbcdiff) während eines Filmclips für die einzelnen Zielemotion. Alle signifikanten Unterschiede sind hervorgehoben, das angegebene Signifikanzniveau ist Bonferroni-korrigiert.
Ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte:
signifikant auf dem 1%-Niveau.
Zielemotion
Parameter
neutral
neutral
IBIbcdiff
HRbcdiff
Freude
Zielemotion
Trauer
Ekel
Wut
0.000
0.000
0.004
0.013
0.000
0.000
0.019
0.010
1.000
1.000
1.000
1.000
0.999
1.000
1.000
1.000
0.771
1.000
Freude
IBIbcdiff
HRbcdiff
0.000
0.000
Trauer
IBIbcdiff
HRbcdiff
0.000
0.000
1.000
1.000
Ekel
IBIbcdiff
HRbcdiff
0.004
0.019
1.000
1.000
1.000
1.000
Wut
Angst
1.000
1.000
IBIbcdiff
0.013
0.999
0.771
HRbcdiff
0.010
1.000
0.880
1.000
1.000
IBIbcdiff
0.001
1.000
1.000
1.000
0.561
HRbcdiff
0.000
1.000
1.000
1.000
0.943
Die Korrelationen der Herzschlagparameter mit den subjektiven Bewertungen während der
Filmclips
sind
durchweg
niedrig,
gleichgültig,
ob
Differenz-
oder
Prozentwerte
zur
Baselinekorrektur verwendet wurden. Lediglich die Streuung der Inter-Beat-Intervalle (SDNN)
zeigt einen positiven Zusammenhang zur Valenz (s. Tab. 9.2.8).
147
ERGEBNISSE – 9.3 AUGENBEWEGUNGEN
Tab. 9.2.8: Bivariate Produkt-Moment- und Partialkorrelationen der EKG-Parameter Herzschlagintervall (IBI), Herzrate
(HR), Streuung der IBIs (SDNN) sowie mittlere Differenz sukzessiver IBIs (MSD) mit den Valenz und Arousal-ratings (1
Wert pro Vp pro Emotion, 55 Vpn). bc: baseline-korrigiert; bcdiff: Differenz zur Baseline. Für weitere Erläuterung der
Variablennamen s. Tab. 9.2.5 .Ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau.
Bivariate Korrelationen
Partialkorrelationen
Valenzrating
Arousalrating
1
-.584
IBI
-.018
IBIbc
-.027
HR
.031
HRbc
.031
SDNN
.122
-.139
SDNNbc
.163
-.120
.115
-.031
MSD
.012
-.056
-.026
-.061
MSDbc
.025
-.066
-.016
-.063
IBIbcdiff
-.013
.082
.043
.091
HRbcdiff
.049
-.107
-.017
-.097
Valenzrating
Valenzrating
Arousalrating
.027
-.003
.020
.096
.036
.099
-.024
.020
-.008
-.091
-.027
-.089
.050
-.085
9.3 Augenbewegungen
Tab. 9.3.1 führt in Anlehnung an Tab. 8.3.1 die nach der Datenaufbereitung verfügbaren Kennwerte von Sakkaden und Lidschlägen auf. Soweit wie möglich, werden die entsprechenden
Variablen ausgeschrieben. Für größere Tabellen oder Graphiken ist es jedoch teilweise notwendig, auf Kurzbezeichnungen zurückzugreifen, um unübersichtlich große Legenden oder
Verwechslungen zu vermeiden. Englische Bezeichnungen sind dabei mitunter griffiger als deutsche, wie im Fall von 'speed' gegenüber 'Geschwindigkeit'. Dem Leser seien hiefür folgende
Verständnishilfen an die Hand gegeben:
–
das Präfix stand. oder std bezeichnet die standardisierte Variante einer Variable, z.B.
stdDauer.
–
bei Lidschlagvariablen bezeichnet cl für closure die Schließungsphase, op für opening die
Öffnungsphase.
–
amp ist die Abkürzung für Amplitude.
–
speed bezeichnet die Durchschnittsgeschwindigkeit, maxspeed die Maximalgeschwindigkeit.
–
das Suffix bc steht wie bisher für die baseline-korrigierte Variante einer Variable. Diese Unterscheidung wird allerdings nur explizit getroffen, wenn nicht-korrigierte und baselinekorrigierte Variablen gegenübergestellt werden, ansonsten wird standardmäßig die baseline-korrigierte Version verwendet.
148
ERGEBNISSE – 9.3 AUGENBEWEGUNGEN
Tab. 9.3.1: Übersicht über die verfügbaren Augenbewegungsparameter sowie ihre Kürzel Das Präfix cl (für 'closure')
bzw. op (für 'opening') gibt an, ob es sich um einen Kennwert der Lidschließung oder -öffnung handelt. Für weitere
Erläuterungen s. Text.
Kennwert Sakkaden
Intervall
Amplitude
Ausprägung Lidschlag (Kürzel)
Intervall
zusätzliche Erläuterung
Zeit seit Ende des vorangegangenen Ereignis
Lidschließungsamplitude (clamp)
Lidöffnungsamplitude (opamp)
Dauer
(Durchschnitts-)
Geschwindigkeit
Maximalgeschwindigkeit
Lidschließungsdauer (clduration)
Lidöffnungsdauer (opduration)
Ende: Zeitpunkt Maximalgeschwindigkeit Öffnung
Verzögerung (delay)
Zeit von Ende Lidschließung bis Beginn Lidöffnung
Gesamtdauer (totalduration)
Dauer Lidschließung + Verzögerung + Lidöffnung
LidSchließgeschwindigkeit (clspeed)
(Amplitude/Dauer)*1000
Lidöffnungsgeschwindigkeit (opspeed)
maximale Lidschließungsgeschwindigkeit (clmaxspeed)
maximale Lidöffnungsgeschwindigkeit (opmaxspeed)
standardisierte Dauer
stand. Gesamtdauer
(stdtotaldur)
standardisierte (Durchschnitts)geschwindigkeit
stand. Schließgeschwindigkeit
(stdclspeed)
standardisierte
Maximalgeschwindigkeit
stand. max. Schließgeschwin-digkeit
(clmaxspeed)
als Prozent der für diese (Schließ)Amplitude
zu erwartenden (Gesamt)Dauer
als Prozent der für diese (Schließ)Amplitude
zu erwartenden Durchschnittsgeschwindigkeit
als Prozent der für diese (Schließ)Amplitude
zu erwartenden Maximalgeschwindigkeit
9.3.1 Sakkaden
Als Kennwerte zur Beschreibung einer Sakkade stehen ihre Amplitude, ihre Dauer, ihre Durchschnitts- und Maximalgeschwindigkeit sowie der zeitliche Abstand zum Ende der vorausgegangenen Sakkade (Intervall) zur Verfügung. Die Amplitude ist in erster Linie vom angestrebten
Blickziel abhängig, zu dessen Bestimmung das EOG aufgrund seiner mangelnden Ortstreue
nur bedingt geeignet ist, und was bei Filmen zudem einen bildweisen Abgleich mit den dargestellten Szenen erfordern würde. Die Dauern und Geschwindigkeiten einer Sakkade können im
EOG eindeutig bestimmt werden und sind nach ihrer Standardisierung (s. 5.1.1.2, S.91) auch
von der Amplitude unabhängig. Dementsprechend beschränkt sich die multivariate Varianzanalyse auf die Sakkadenkennwerte Intervall, standardisierte Dauer, standardisierte Geschwindigkeit und standardisierte Maximalgeschwindigkeit. Bei der Darstellung des Zusammenhangs
zum subjektiven Valenz- und Arousalrating sind auch die unstandardisierten Versionen sowie
die Amplitude aufgeführt, um mögliche Auswirkungen der Standardisierung deutlich werden zu
lassen. In gleicher Weise werden auch wie bisher die Korrelation zu den nicht baselinekorrigierten Variablen angegeben.
149
ERGEBNISSE – 9.3 AUGENBEWEGUNGEN
Abb. 9.3.1: Mittelwert und Standardfehler der baseline-korrigierten Sakkadenkennwerte Intervall zur vorausgegangenen
Sakkade, standardisierte Dauer, standardisierte Geschwindigkeit und standardisierte Maximalgeschwindigkeit für die 52
Versuchspersonen, die in die multivariate Varianzanalyse eingingen.
Eine multivariate Varianzanalyse mit Messwiederholung (MANOVA) für die baseline-korrigierten
und pro Zielemotion gemittelten Parameter Intervall, standardisierte Dauer, standardisierte Geschwindigkeit und standardisierte Maximalgeschwindigkeit ergibt einen signifikanten Einfluss
des Innersubjektfaktors 'Zielemotion' (Pillai's Spur=0.971; F35,16=15.238; p<0.000; η2partiell=0.971)
für die n=52 Versuchspersonen, für die für alle Zielemotionen gültige Daten vorlagen. Ein Effekt
des Zwischensubjektfaktors 'Geschlecht' oder eine Interaktion von Geschlecht und Zielemotion
tritt dabei nicht auf. (Pillai's Spur=0.132; F7,44=0.953; p=0.477; η2partiell=0.132 für Geschlecht
bzw. Pillai's Spur=0.653; F35,16=0.861; p=0.657; η2partiell=0.653 für Geschlecht*Zielemotion),
Tab. 9.3.2 zeigt die paarweisen univariaten Vergleiche. Gegenüber der neutralen BaselineBedingung nimmt bei allen emotionalen Filmclips das Intervall zwischen zwei Sakkaden, also
die Fixationsdauer ab, am stärksten bei den Filmclips zu den negativen Emotionen Ekel, Wut
und Angst. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass in diesen Phasen gegenüber der
Bahnfahrt mehr Informationen visuell aufzunehmen und zu verarbeiten waren. Ähnlich sinkt die
standardisierte Dauer und die Durchschnittsgeschwindigkeit an, wobei diese Veränderungen
allerdings nicht einheitlich und nur für die Emotionen Freude, Ekel, und Wut signifikant sind.
150
ERGEBNISSE – 9.3 AUGENBEWEGUNGEN
Tab. 9.3.2: Signifikanzniveaus univariater paarweiser Vergleiche der baseline-korrigierten Sakkadenkennwerte Intervall
zur vorausgegangenen Sakkade, standardisierte Dauer (std. Dauer), standardisierte Geschwindigkeit (std. speed) und
standardisierte Maximalgeschwindigkeit (std. maxspeed) für die einzelnen Zielemotion. Alle signifikanten Unterschiede
sind hervorgehoben, das angegebene Signifikanzniveau ist Bonferroni-korrigiert. Ausgegraute Werte: nicht-signifikant,
normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau.
Zielemotion
Parameter
neutral
Freude
Trauer
Ekel
Wut
Angst
neutral
Freude
Zielemotion
Trauer
Ekel
Wut
Intervall
0.000
0.000
0.004
0.008
std. Dauer
0.000
1.000
0.000
0.014
std. speed
0.000
1.000
0.000
0.002
std. maxspeed
0.001
1.000
0.128
1.000
0.031
1.000
0.002
0.335
0.197
Intervall
std. Dauer
0.000
0.000
0.685
0.001
std. speed
0.000
0.001
1.000
std. maxspeed
0.001
0.000
1.000
0.006
Intervall
0.000
1.000
0.251
0.685
std. Dauer
1.000
0.001
0.000
0.139
std. speed
1.000
0.001
0.000
0.051
std. maxspeed
1.000
0.000
0.003
1.000
Intervall
0.004
0.031
1.000
1.000
std. Dauer
0.000
1.000
0.000
0.277
std. speed
0.000
1.000
0.000
0.020
std. maxspeed
0.128
1.000
0.003
0.050
Intervall
std. Dauer
0.008
0.014
0.002
0.335
0.251
0.139
1.000
0.277
0.020
std. speed
0.002
0.197
0.051
std. maxspeed
1.000
0.006
1.000
0.050
Intervall
std. Dauer
0.000
1.000
0.134
0.000
1.000
1.000
1.000
0.000
1.000
0.006
std. speed
1.000
0.000
1.000
0.000
0.001
std. maxspeed
0.257
0.000
1.000
0.001
0.287
Alle Kennwerte zeigen sowohl einen Zusammenhang zum subjektiven Arousalrating – Erregung
geht mit kürzeren Fixations- und Sakkadendauern sowie höheren Geschwindigkeiten einher –
als auch zur Valenzbewertung, denn positive Valenzbewertung scheint ebenfalls zu höheren
Geschwindigkeiten zu führen. Der Effekt wird sogar noch deutlicher, wenn die Korrelation um
den Einfluss des Arousalratings bereinigt ist, wie an den Partialkorrelationen in Tab. 9.3.3 zu
erkennen. Lediglich die Geschwindigkeiten und die Dauer (die durch die erreichte Maximalgeschwindigkeit mitbestimmt wird) zeigen eine vergleichsweise Beziehung zur zweiten Bewertungsdimension, dass nämlich bei Erregung schnellere Sakkaden gemacht werden: baselinekorrigierte Geschwindigkeit und baselinekorrigierte standardisierte Geschwindigkeit korrelieren
mit r=.224 bzw. r=.225 mit der Arousalbewertung (p<0.000).
Da die nicht amplituden-standardisierte Variante der Maximalgeschwindigkeit die höchste
Partialkorrelation (r=.316, p<0.000) zum Valenzrating aufweist, wurde mit einer univariaten Varianzanalyse (ANOVA) überprüft, ob sie eine zusätzliche Differenzierung zwischen einzelnen
Emotionen ermöglicht. Der generell signifikante Effekt des Zwischensubjektfaktors 'Zielemotion'
(F4,203= 17.425 nach Greenhouse-Geisser-Korrektur, p<0.000; η2partiell=0.262), ist im Einzelvergleich hier ausschließlich auf dem Unterschied von der Bedingung 'Freude' zu allen übrigen
151
ERGEBNISSE – 9.3 AUGENBEWEGUNGEN
Filmclips zurückzuführen. Auf dieses Ergebnis und der generellen Beziehung von Sakkadenparameter und Valenzrating wird bei einer Gegenüberstellung von Augenbewegungsparameter
und Gesichtsmuskelaktivität weiter eingegangen.
Tab. 9.3.3: Bivariate Produkt-Moment- und Partialkorrelationen der Sakkaden-Parameter mit den Valenz und
Arousalratings (1 Wert pro Vp pro Emotion, 57 Vpn). bc=baseline-korrigiert; std=standardisiert. Für weitere Erläuterung
der Variablennamen s. Einleitung von 0. Ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf
dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau.
Bivariate Korrelationen
Partialkorrelationen
Valenzrating
Arousalrating
Valenzrating
Arousalrating
Valenzrating
1
-.587
Arousalrating
-.587
1
Intervall
.201
-.271
.054
-.193
Intervall bc
.291
-.273
.168
-.132
Amplitude
.064
-.053
.041
-.019
Amplitude bc
.086
-.038
.079
.015
Dauer
.080
-.120
.012
-.090
Dauer bc
speed
.022
.070
-.110
-.015
-.054
.075
-.121
.032
speed bc
.166
.081
.265
.224
maxspeed
.118
-.042
.116
.034
maxspeed bc
.247
.015
.316
.204
1
1
std. Dauer
.138
-.024
-.068
-.094
std. Dauer bc
-.069
-.136
-.186
-.218
std. maxspeed
.138
-.024
.153
.071
std. maxspeed bc
.169
.050
.245
.187
stdspeed
.061
.030
.097
.081
stdspeed bc
.085
.131
.202
.225
9.3.2 Lidschläge
Auch für die Lidschläge lässt sich aus der Menge der verfügbaren Kennwerte eine inhaltlich
begründete Auswahl treffen: Die Amplitude des Lidschlags hängt zum Teil vom momentanen
Blickziel ab – das Augenlid wird bei Blicken nach oben oder unten nachgeführt, wodurch sich
die Breite der Lidspalte kurzzeitig verändert. Eine länger andauernde, tonische Veränderung
der Lidspalte ist in erster Linie bei Ermüdung anzutreffen und damit für die vorliegende Fragestellung nicht relevant. Dementsprechend scheiden Amplituden als Parameter aus. Der Kennwert Gesamtdauer eines Lidschlags beinhaltet die Werte der Schließungsdauer, Verzögerung
Schließung-Wiederöffnung und Öffnungsdauer. Um den Einfluss der Amplitude zu eliminieren,
sollte die Dauer auch beim Lidschlag standardisiert werden. Gleiches gilt für die Durchschnittsund Maximalgeschwindigkeiten. Dabei ist die Amplitude der Schließphase im Rohsignal verlässlicher zu bestimmen als die der Öffnungsphase, weshalb sich die standardisierten Kennwerte jeweils auf die Schließphase beziehen. In die multivariate Varianzanalyse gehen damit ein
die standardisierte Gesamtdauer, standardisierte maximale Lidschließungsgeschwindigkeit,
standardisierte (durchschnittliche) Lidschließungsgeschwindigkeit sowie das Lidschlagintervall
als Zeit seit Ende des letzten Lidschlags.
152
ERGEBNISSE – 9.3 AUGENBEWEGUNGEN
Abb. 9.3.2: Mittelwert und Standardfehler der baseline-korrigierten Lidschlagkennwerte Intervall zum vorausgegangenen Lidschlag, standardisierte Gesamtdauer (stdtotaldur), standardisierte maximale Lidschließungsgeschwindigkeit
(stdclmaxspeed) und standardisierte (durchschnittliche) Lidschließungsgeschwindigkeit (stdclspeed) für die 52 Versuchspersonen, die in die multivariate Varianzanalyse eingingen.
Eine multivariate Varianzanalyse mit Messwiederholung (MANOVA) für die eben genannten
baseline-korrigierten und pro Zielemotion gemittelten Parameter ergibt einen signifikanten Einfluss des Innersubjektfaktors 'Zielemotion' (Pillai's Spur=0.731; F20,31=4.214 p<0.000;
η2partiell=0.731) für die n=52 Versuchspersonen, für die für alle Zielemotionen gültige Daten vorlagen. Ein Effekt des Zwischensubjektfaktors 'Geschlecht' oder eine Interaktion von Geschlecht
und Zielemotion tritt dabei nicht auf. (Pillai's Spur=0.039; F4,47=0.473; p=0.755; η2partiell=0.039 für
Geschlecht
bzw.
Pillai's
Spur=0.258;
F20,31=0.538;
p=0.925;
η2partiell=0.258
für
Ge-
schlecht*Zielemotion),
Wie in Abb. 9.3.2 erkennbar, führen die emotionalen Filmclips gegenüber dem neutralen
Filmclips zu einem deutlichen Anstieg der Lidschlagintervalle als Anzeichen für einen erhöhten
visual load, d.h. Bedarf an kontinuierlicher visueller Verarbeitung mit möglichst wenig 'Unterbrechung' durch Lidschläge. Die gemachten Lidschläge dauern dabei kürzer, was durch eine erhöhte Maximal- und damit Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht wird. Im univariaten Vergleich
(s. Tab. 9.3.4) ist darüber hinaus lediglich der Unterschied in den Lidschlagintervallen bei Trauer und Ekel signifikant, ansonsten unterscheiden sich die Emotionen nicht statistisch bedeutsam voneinander.
153
ERGEBNISSE – 9.3 AUGENBEWEGUNGEN
Tab. 9.3.4: Signifikanzniveaus univariater paarweiser Vergleiche der baseline-korrigierten Lidschlagkennwerte Intervall
zum vorausgegangenen Lidschlag, standardisierte Gesamtdauer (stdtotaldur), standardisierte maximale Lidschließungsgeschwindigkeit (stdclmaxspeed) und standardisierte (durchschnittliche) Lidschließungsgeschwindigkeit
(stdclspeed) für die einzelnen Zielemotion. Alle signifikanten Unterschiede sind hervorgehoben, das angegebene Signifikanzniveau ist Bonferroni-korrigiert. Ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem
5%-Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau.
Zielemotion
Parameter
neutral
Trauer
Ekel
Wut
Angst
Freude
Zielemotion
Trauer
Ekel
Wut
Intervall
0.027
0.002
0.000
0.042
std.totaldur
0.202
0.100
0.001
0.065
std. clspeed
0.005
0.026
0.000
0.008
std.clmaxspeed
0.091
0.415
0.005
0.739
0.242
1.000
0.835
Intervall
Freude
neutral
0.027
std.totaldur
0.202
1.000
0.778
1.000
std. clspeed
0.005
1.000
0.395
1.000
std.clmaxspeed
0.091
1.000
Intervall
std.totaldur
0.002
0.100
1.000
1.000
0.242
1.000
0.012
0.222
1.000
1.000
std. clspeed
0.026
1.000
0.096
1.000
std.clmaxspeed
0.415
1.000
0.930
1.000
Intervall
std.totaldur
0.000
0.001
1.000
0.778
0.012
0.222
1.000
1.000
0.683
std. clspeed
0.000
0.395
0.096
std.clmaxspeed
0.005
1.000
0.930
Intervall
std.totaldur
0.042
0.065
0.835
1.000
1.000
1.000
std. clspeed
0.008
1.000
1.000
0.683
std.clmaxspeed
0.739
1.000
1.000
0.492
0.492
1.000
1.000
Intervall
0.000
0.401
1.000
0.064
1.000
std.totaldur
0.032
1.000
1.000
0.224
1.000
std. clspeed
0.067
1.000
1.000
1.000
1.000
std.clmaxspeed
1.000
1.000
1.000
1.000
1.000
Die Korrelationen zwischen Lidschlagkennwerten und subjektiven Bewertungen während des
Schauens sind insgesamt niedriger als die der Sakkadenkennwerte, die sich um die .2 bewegten, und beschränken sich ausschließlich auf die Erregungsdimension, wenn man den Einfluss
der jeweils anderen Dimension herausrechnet (Partialkorrelationen, 3.+4. Spalte Tab. 9.3.5).
154
ERGEBNISSE – 9.3 AUGENBEWEGUNGEN
Tab. 9.3.5: Bivariate Produkt-Moment- und Partialkorrelationen der Lidschlag-Parameter mit den Valenz und Arousalratings (1 Wert pro Vp pro Emotion, 57 Vpn). cl=Schließphase ('closures'), op=Öffnungsphase ('opening');
amp=Amplitude; std=standardisiert. Für weitere Erläuterung der Variablennamen s. Einleitung von 0. Ausgegraute
Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf
dem 1%-Niveau.
Bivariate Korrelationen
Valenzrating
Partialkorrelationen
Arousalrating
Valenzrating
1
Arousalrating
Valenzrating
1
-.586
Arousalrating
-.586
1.000
Intervall
-.067
.134
Interval bc
.017
.126
.113
.167
clamp
.069
-.097
.015
-.070
clamp bc
.002
-.064
-.044
-.078
opamp
-.054
.093
.001
.076
opamp bc
-.063
-.033
-.102
-.086
clduration
.104
-.136
.031
-.093
clduration bc
.103
-.160
.012
-.124
opduration
.132
-.209
.012
-.164
opduration bc
.074
-.168
-.031
-.155
delay
-.035
-.003
-.045
-.028
delay bc
.003
.000
.004
.002
totalduration
.092
-.131
.020
-.095
totalduration bc
.085
-.143
.002
-.115
clmaxspeed
.048
-.068
.011
-.049
clmaxspeed bc
-.036
.033
-.020
.015
opmaxspeed
.038
-.025
.029
-.004
opmaxspeed bc
-.155
.135
-.094
.056
stdtotalduration
.074
-.102
.018
-.072
stdtotaldurationbc
.112
-.136
.040
-.087
stdclmaxspeed
-.002
.032
.020
.038
stdclmaxspeedbc
-.064
.118
.006
.100
stclspeed
-.025
.064
.015
.061
stdclspeed bc
-.129
.173
-.035
.121
1
.014
.117
Ähnlich wie in Abb. 9.3.2 zeigt das Lidschlagintervall mit r= .167 (p<0.01) noch die höchste Partialkorrelation zum Arousal. Auch die Öffnungsdauer weist in diesem Fall einen Zusammenhang
zu subjektiver Erregung auf, der sogar etwas ausgeprägter ist als der der Schließungsdauer
oder der Gesamtdauer. Eine zusätzlich durchgeführte univariate Varianzanalyse (ANOVA) für
die baseline-korrigierte Lidöffnungsdauer brachte zwar einen signifikanten Effekt des Zwischensubjektfaktors 'Zielemotion' (F4,191= 5.392 nach Greenhouse-Geisser-Korrektur, p<0.000;
η2partiell=0.099), der allerdings im Einzelvergleich wie für die in Tab. 9.3.4 dargestellten Variablen
ausschließlich auf dem Unterschied von neutraler Bedingung zu Emotionsclips beruht.
9.3.3 Selbstbewertung und Physiologie inklusive Augenbewegungskennwerte
Tab. 9.3.6 gibt eine Übersicht über den Zusammenhang zwischen der kontinuierlichen Selbstbewertung, den erhobenen physiologischen Parametern und den Augenbewegungskennwerten.
Der Übersichtlichkeit halber werden pro Signal nur die Kennwerte, die auch in den Balkengraphiken und univariaten Vergleichen aufgeführt wurden, dargestellt.
155
ERGEBNISSE – 9.3 AUGENBEWEGUNGEN
Tab. 9.3.6: Bivariate Produkt-Moment- Korrelationenen der Augenbewegungskennwerte mit den zuvor dargestellten physiologischen Maßen mit den Valenz und Arousalratings (1 Wert pro
Vp pro Emotion, 57 Vpn). EMuJoy= kontinuierliche Selbstbewertung; Sakk=Sakkadenkennwerte; Blink=Lidschlagkennwerte; für detaillierte Erläuterung der Variablennamen s. Einleitung von
0. Grau schraffierte Zellen: Korrelation verschiedener Kennwerte des selben Signals; ausgegraute Werte = nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett
gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau.
EMuJoy
EMu
Joy
E
D
A
E
M
G
E
K
G
Valenz
Arousal
Level
amp
freq
max.amp
corrug.
orbic.
zygom.
IBI
HR
SDNN
MSD
1.000
-.584
.116
-.098
.087
-.048
-.432
.394
.401
-.027
.031
.163
.025
-.584
1.000
.026
.223
.075
.222
.240
-.016
-.044
.096
-.091
-.120
-.066
EDL
.116
.026
1.000
.321
.306
.435
-.099
.529
.168
-.169
.182
.208
-.058
EDRsamp
-.098
.223
.321
1.000
.109
.909
.021
.270
.101
-.052
.066
.089
-.056
EDRsfreq
.087
.075
.306
.109
1.000
.252
-.073
.314
.276
-.149
.155
.142
-.006
EDRsampmax
-.048
.222
.435
.909
.252
1.000
.000
.427
.150
-.071
.080
.113
-.037
corrugator
-.432
.240
-.099
.021
-.073
.000
1.000
-.196
-.209
.077
-.080
-.083
.055
orbicularis
.394
-.016
.529
.270
.314
.427
-.196
1.000
.604
-.110
.117
.232
.015
zygomaticus
.401
-.044
.168
.101
.276
.150
-.209
.604
1.000
-.138
.144
.205
-.001
IBI
-.027
.096
-.169
-.052
-.149
-.071
.077
-.110
-.138
1.000
-.993
-.263
.304
HR
.031
-.091
.182
.066
.155
.080
-.080
.117
.144
-.993
1.000
.305
-.286
SDNN
.163
-.120
.208
.089
.142
.113
-.083
.232
.205
-.263
.305
1.000
.473
MSD
.025
-.066
-.058
-.056
-.006
-.037
.055
.015
-.001
.304
-.286
.473
1.000
-.275
?
-.050
.292
stdduration
-.068
stdmaxspeed
?
.168
.084
.129
-.013
-.045
?
-.103
?
.358
?
.123
?
.133
.284
?
.171
?
-.138
.052
-.174
-.139
-.140
.186
.105
.025
-.028
.157
.073
?
-.018
-.315
-.224
-.119
.123
.101
.122
.049
.588
.375
-.059
.056
.083
-.042
.069
.470
.308
.036
-.044
-.070
-.120
-.137
.186
?
.237
?
.212
?
.245
?
intervall
.023
.120
-.003
.019
.023
.070
.065
.051
-.012
.292
-.303
-.148
-.014
stdtotaldur
.113
?
-.137
.023
-.048
-.008
.049
-.092
.141
.034
-.064
.062
.215
.162
?
.173
.013
.055
.050
.015
.196
-.052
-.006
-.007
.016
-.135
-.162
-.063
?
.050
.047
.026
.018
.144
.070
.087
-.036
.049
.011
-.070
stdclspeed
stdclmaxspeed
?
Herzaktivität (EKG)
Valenz
stdspeed
B
l
i
n
k
Gesichtsmuskelaktivität (EMG)
Arousal
interval
S
a
k
k
Hautleitfähigkeit (EDA-Level & EDRs)
-.129
.117
=Korrelation wird deutlich geringer, wenn Einfluss der Gesichtsmuskelaktivität herauspartialisiert wird. Für entsprechende Partialkorrelationen s. Anhang Tab. 15.3.1 (S.227)
156
ERGEBNISSE – 9.3 AUGENBEWEGUNGEN
Eine vollständige Korrelationstabelle sowie eine Tabelle mit den Korrelationen der Sakkadenund Lidschlagkennwerte untereinander findet sich im Anhang (s. Tab. 15.1.2, S.225 bzw. Tab.
15.1.1, S.224).
Den engsten Zusammenhang zur Selbstbewertung zeigt laut Tab. 9.3.6 die Gesichtsmuskelaktivität (EMG) als Indikator für Valenz: Aktivität des Corrugator-Muskels, der die Augenbrauen zusammenzieht ('Runzeln'), ist mit negativer Valenzbewertung assoziiert, der Zygomaticus-Muskel ('Lächeln') und der Orbicularis-Muskel ('Krähenfüße' in den Augenwinkeln) mit positiver Stimmung. Der Zusammenhang von Corrugator und Erregung verschwindet, wenn man
den Einfluss der Valenzbewertung herausrechnet (Partialkorrelation, s. Tab. 9.2.4, S.144).
Für die subjektive Erregungsbewertung (Arousal) sind zunächst Kennwerte der Hautleitfähigkeit indikativ, die mit um die r=.22 mit dem EMuJoy-Arousalrating korrelieren. Bei Partialkorrelationen mit dem Arousal steigt der Wert für EDRsampmax etwas auf r=.240 (s. Tab. 9.2.2, S.
141). Leicht höhere Werte erzielt das Sakkadenintervall (r=-.275), das, wie die negative Korrelation deutlich macht, mit zunehmender Erregung kürzer wird. Anders ausgedrückt bedeutet dies,
dass bei Erregung mehr Sakkaden gemacht werden. Grundsätzlich auffällig ist der enge Bezug
der standardisierten Sakkadendauern (stdduration) und -geschwindigkeiten (stdmaxspeed,
stdspeed) zur Gesichtsmuskelaktivität, insbesondere der von Orbicularis- und ZygomaticusMuskel (r=.3-.58 in Tab. 9.3.6). Inwieweit es sich hier um ein Messartefakt handeln könnte (die
Elektroden für das horizontale EOG könnten EMG-Signale mit erfasst haben) wird in der Diskussion unter 10.5 (S.184) thematisiert, als erste Konsequenz wurden zu allen Augenbewegungskennwerten in Tab. 9.3.6 auch Partialkorrelationen mit der Gesichtsmuskelaktivität als
Kontrollvariablen berechnet. Eine zu Tab. 9.3.6 analoge Übersicht mit Partialkorrelationen findet
sich im Anhang (Tab. 15.3.1, S.227). In Tab. 9.3.6 sind alle Werte der Augenbewegungsparameter, die sich nach dem Herauspartialisieren des Einflusses der Gesichtsmuskelaktivität deutlich verringert haben, mit einem Fragezeichen gekennzeichnet, um den Leser auf einen möglichen Scheinzusammenhang hinzuweisen.
Für Lidschlagkennwerte besteht diese Gefahr weniger, selbst die Korrelation mit dem musculus orbicularis oculi, der immerhin die Lidschließung bewirkt, beträgt in der unbereinigten
Variante nur r=.141. Spontaner Lidschlag und emotionale Mimik scheinen also weitestgehend
unabhängig voneinander, und ähnlich zeigt in der detaillierten Aufschlüsselung in Tab. 9.3.5
(S.155, vorletzte Spalte) kein Lidschlagparameter eine signifikante Partialkorrelation zur subjektiven Valenz. Erstaunlicherweise kovariiert das Lidschlag- mit dem Herzschlagintervall, eine
Verlängerung der Zeit zwischen zwei Lidschlägen ist anscheinend gleichzeitig mit der
Verlangsamung der Herzrate anzutreffen (rechter unterer Block in Tab. 9.3.6). Dieser
Zusammenhang ist umso auffälliger, als beide Signale sonst weniger Bezug zu den übrigen
physiologischen Maßen zeigen, und auch mit der kontinuierlichen Selbstbewertung nur
schwach und dann mit verschiedenen Dimensionen korrelieren (Lidschlagkennwerte eher mit
Erregung, beim Herzschlag die IBI-Streuung SDNN mehr mit Valenz als mit Erregung).
157
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
9.4 Auswertung über die Zeit
Bei den bisher berichteten Ergebnissen handelt es sich um pro Person über die gesamte Länge
mehrerer Filmclips gemittelte Werte, die wenig Rückschlüsse über den Verlauf einer Veränderung über die Zeit ermöglichen. Der Reiz der kontinuierlichen Selbstbewertung mittels EMuJoy
liegt jedoch gerade darin, für den gesamten Zeitraum, und nicht nur im Anschluss eines Clips
Selbsteinschätzungen zur Verfügung zu haben. Im folgenden soll deshalb die zeitliche Entwicklung der Veränderungen dargestellt werden. Es ist klar, dass in diesem Fall dem individuellen
Handlungsverlauf einer Filmszene zentrale Bedeutung zukommt und nicht mehr über mehrere
Filmclips mit der gleichen Zielemotion gemittelt werden kann. Daher wird pro Zielemotion der
Filmclip ausgewählt, der bei der freien Emotionsbeschreibung im Anschluss am häufigsten zur
Nennung eines intendierten emotionalen Zustands führte. Diese sind Anlehnung an Tab. 7.3.3
(S.110) in Tab. 9.4.1 noch mal mit zusätzlichen Informationen zum detaillierten Verlauf aufgeführt.
Tab. 9.4.1: Übersicht der für eine Auswertung ausgewählten Filmclips mit Hinweisen zum detaillierten Handlungsverlauf.
Deutscher Filmtitel
(Kurztitel)
Harry und Sally
(Harry&Sally)
Dauer
147s
Zielemotion
Inhalt
Freude
Eine Frau spielt einem
Mann mit lautem Stöhnen in
einem vollen Restaurant
einen Orgasmus vor. Der
Mann ist erst peinlich berührt, dann amüsiert.
Sekunde im Film: Ereignis
einleitendes Gespräch
80: Frau beginnt zu stöhnen
100: Stöhnen wird laut und eindeutig
135: Abklingen, Mann lacht
145: Abschließender Witz
25: Junge fängt an zu weinen
Der Champ
(Champ)
155s
Trauer
Ein Junge sieht seinen
Vater nach einem Boxkampf
auf einer Bahre sterben und
fängt an zu weinen.
60: Junge will mit Boxer reden
100: anwesender Mann weint auch
110: Junge fleht anderen Mann an
140: Junge resigniert
Maria's Lovers
(Ratte)
Schrei nach Freiheit
(Cry Freedom)
Halloween –
Die Nacht des
Grauens
(Halloween)
66s
146s
182
Ekel
Wut
Angst
Eine Ratte krabbelt einem
unruhig schlafenden Mann
in den Mund; dieser erwacht
und tötet sie.
Eine Gruppe Farbiger demonstriert friedlich und wird
von weißen Soldaten niedergemetzelt.
Eine junge Frau bewegt
sich in einem dunklen Haus
und entdeckt dort mehrere
Leichen; sie merkt nicht,
dass der Mörder auch ihr
auflauert.
17: Ratte taucht auf
39: Ratte ist im Gesicht
47: Ratte ist im Mund
50: Mann befreit sich von Ratte
50: Stimmung kippt
75: Soldaten setzen Tränengas ein
90: Soldaten eröffnen das Feuer
110: Soldaten töten Fliehende
45: unheilvolle Musik beginnt
120: 1. Leiche wird entdeckt
147: 2. Leiche kippt ins Zimmer
155: 3. Leiche wird entdeckt
179: Mörder wird angedeutet
9.4.1 Datenaufbereitung & -auswertung
Für jede Versuchsperson wurde für jeden Filmclip der entsprechende Kennwert in 10Sekunden-Zeitfenstern gemittelt. Für Hautleitfähigkeit und Gesichtsmuskelaktivität wurde so der
158
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
bisher als Level bezeichnete Parameter, also der Mittelwert des aufbereiteten Rohsignals, gebildet. Bei Herzaktivität und Augenbewegungen wurden zunächst die in dem Zeitfenster aufgetretenen Ereignisse identifiziert (Herzschläge, Sakkaden, Lidschläge), zu jedem Ereignis die
entsprechenden Kennwerte wie Intervall etc. gebildet und dann der Mittelwert dieser Kennwerte
für das 10-Sekunden-Fenster berechnet. Für Lidschläge erwies es sich dabei als notwendig,
das Zeitfenster auf 20 Sekunden auszudehnen, da sonst zu viele Zeitfenster ohne ein entsprechendes Ereignis und damit ohne gültige Kennwerte geblieben wäre. Der Mittelwert jedes 10bzw. 20-Sekunden-Zeitfensters wurde anschließend am Mittelwert der gesamten vorausgegangen gültigen Baselinephase (Bahnfahrt) baseline-korrigiert.
Zur Durchführung der Varianzanalyse wurde diesmal auf die SPSS-Funktion Gemischte
Modelle (engl.: mixed models) zurückgegriffen. Die bisher verwendete Funktion Allgemeines
Lineares Modell: Messwiederholung verlangt, dass jeder Messzeitpunkt einer VP für jeden
Kennwert und für jede Emotion als einzelne Variable (=Spalte in der Datenmatrix) vorliegt. Bei
18 Kennwerten wie in Tab. 9.3.6 und bis zu 19 Zeitfenstern pro Film hätte dies eine Datei ergeben, die praktisch nur schwer handhabbar gewesen wäre. Ein weiterer Vorteil der mixedModels-Funktion liegt darin, dass fehlende Daten einer Person zu einem Messzeitpunkt (=1
Zeitfenster in einem Filmclip) nicht zum kompletten Ausschluss dieser Person aus der Analyse
führen (Miles & Shevlin, 2001). Bei der bisher berichteten Auswertung (1 Wert pro VP pro Zielemotion) hatten für fünf Versuchspersonen für jeweils eine Zielemotion keine Daten vorgelegen
(welche das waren, ist unter 8.1.4.3, S.122 aufgeschlüsselt), so dass sich der Stichprobenumfang für die multivariate Varianzanalyse mit Messwiederholung (MANOVA) in allen Fällen um
fünf Personen verringert hatte. Dies ist diesmal nicht der Fall. Allerdings lässt sich für die mixedmodels-Analyse immer nur eine abhängige Variable auswählen, es sind also keine multivariaten
Analysen möglich, wie es für die gleichzeitige Auswertung mehrer miteinander im Zusammenhang stehender Kennwerte eigentlich wünschenswert wäre (Bortz, 2005).
Tab. 9.4.2 zeigt das Ergebnis der mixed models-Analysen mit dem Messwiederholungsfaktor Zielemotion sowie Zeit in 10 Sekunden-Fenster, den Einfluss des Faktors Geschlecht, sowie
Interaktionen von Zielemotion*Geschlecht.
159
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
Tab. 9.4.2: Ergebnisübersicht univariater Varianzanalysen (SPSS: Gemischte Modelle, s. Text) mit den Innersubjektfaktoren Zeit in 10 Sekunden-Fenster (nicht dargestellt), Zielemotion,
dem Zwischensubjektfaktor Geschlecht und der Interaktion Geschlecht*Zielemotion für fünf Filmclips unterschiedlicher Zielemotion. Ausgegraute Zellen: kein auf dem 5%-Niveau signifikanter Effekt.
Signal
EMuJoy
EDA
EMG
EKG
Sakk
Blink
Kennwert
n
Faktor Zielemotion
Signifikanz (F-Wert)
Faktor Geschlecht
Signifikanz (F-Wert)
Geschlecht*Zielemotion
Signifikanz (F-Wert)
signifikante Einzelvergleiche Zielemotion
(nicht = alles außer)
Valenz
57
p< 0.000 (F4,3067=1452,438)
p< 0.000 (F1,1510=63,055)
p< 0.000 (F4,3067=6,741)
nicht Angst-Ekel
Arousal
57
p< 0.000 (F4,2970=238,352)
p= 0.616 (F1,1300=0,252)
p< 0.000 (F4,2970=6,839)
nicht Freude-Trauer
EDL
56
p< 0.000 (F4,2677=47,263)
p= 0.326 (F1,435=0,968)
p< 0.000 (F4,2677=32,652)
nicht Ekel-Wut, Ekel-Angst
corrugator
57
p< 0.000 (F4,2890=131,663)
p< 0.000 (F1,1144=28,766)
p< 0.000 (F4,2890=17,121)
nicht Ekel-Wut
orbicularis
57
p< 0.000 (F4,2942=346,517)
p< 0.000 (F1,1164=13,855)
p< 0.000 (F4,2942=6,091)
nicht Trauer-Wut, Trauer-Angst, Wut-Angst
zygomaticus
57
p< 0.000 (F4,2992=227,952)
p= 0.029 (F1,1162=4,767)
p= 0.297 (F4,2992=1,227)
nicht Trauer-Wut, Trauer-Angst
HR
55
p< 0.000 (F4,2899=24,012)
p= 0.013 (F1,1230=6,120)
p< 0.000 (F4,2899=14,859)
nicht Freude-Wut, Trauer-Ekel, Ekel-Angst
IBI
55
p< 0.000 (F4,2887=23,244)
p= 0.020 (F1,1271=5,442)
p< 0.000 (F4,2887=14,990)
nicht Freude-Wut, Trauer-Ekel, Ekel-Angst
SDNN
55
p= 0.005 (F4,2899=3,698)
p= 0.114 (F1,1301=2,500)
p= 0.047 (F4,2899=2,418)
nur Freude-Trauer, Freude-Wut, Freude-Angst
MSD
55
p= 0.507 (F4,2871=0,828)
p= 0.261 (F1,1248=1,262)
p= 0.032 (F4,2871=2,638)
kein Einzelvergleich signifikant
interval
57
p< 0.000 (F4,3011=8,743)
p= 0.540 (F1,1455=0,375)
p= 0.097 (F4,3011=1,968)
nur Freude-Wut, Trauer-Wut, Ekel-Angst, Wut-Angst
stdduration
57
p< 0.000 (F4,2947=75,093)
p= 0.031 (F1,1257=4,681)
p= 0.003 (F4,2947=4,026)
nicht Trauer-Wut, Trauer-Angst, Wut-Angst
stdmaxspeed
57
p< 0.000 (F4,2983=101,473)
p= 0.051 (F1,1348=4,681)
p< 0.000 (F4,2983=7,353)
nicht Trauer-Wut, Trauer-Angst, Wut-Angst
stdspeed
57
p< 0.000 (F4,2957=129,460)
p= 0.707 (F1,1285=0,141)
p= 0.002 (F4,2957=4,162)
nicht Trauer-Wut, Trauer-Angst, Wut-Angst
intervall
57
p< 0.000 (F4,1461=5,759)
p= 0.420 (F1,724=0,651)
p= 0.068 (F4,1461=2,188)
nur Freude-Trauer, Trauer-Ekel, Trauer-Wut
stdtotaldur
57
p< 0.000 (F4,1522=10,494)
p= 0.109 (F1,866=2,574)
p= 0.329 (F4,1522=1,154)
nicht Freude-Trauer, Trauer-Angst, Ekel-Wut, Ekel-Angst
stdclspeed
57
p< 0.000 (F4,1499=6,573)
p= 0.746 (F1,814=0,105)
p= 0.162 (F4,1499=1,638)
nicht Freude-Trauer, Ekel-Wut, Ekel-Angst, Wut-Angst
stdclmaxspeed
57
p= 0.283 (F4,1522=1,262)
p= 0.773 (F1,867=0,083)
p= 0.095 (F4,1522=1,979)
kein Einzelvergleich signifikant
160
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
Zunächst wird deutlich, dass für alle Kennwerte bis auf die mittlere absolute Differenz aufeinander folgender Herzschläge (MSD) und die standardisierte maximale Lidschließungsgeschwindigkei (stdclmaxspeed) ein Effekt des Innersubjektfaktors Zielemotion auftritt. Da der neutrale
Filmclip nicht mit in die Analyse aufgenommen worden war, kann dieser Effekt nicht auf einem
bloßen Unterschied zwischen Baseline und emotionalen Filmclips beruhen. Der Übersichtlichkeit halber wurde diesmal auf die detaillierte Darstellung der univariaten Einzelvergleiche zwischen den Emotionen verzichtet, welche Emotionen sich jeweils voneinander unterscheiden
oder gerade nicht, ist in der letzten Spalte von Tab. 9.4.2 zusammengefasst. Zählt man aus, so
ist die positive Emotion 'Freude' seltener nicht signifikant verschieden von den negativen Emotionen (zweimal nicht von Wut bzw. Angst, viermal nicht von Trauer, die sich durch ein vergleichbares subjektives Erregungsniveau wie Freude auszeichnet, 2. Zeile in Tab. 9.4.2) als die negativen Emotionen untereinander: zweimal unterscheiden sich Trauer-Ekel nicht, fünfmal Trauer-Wut sich nicht, sechsmal Ekel-Wut bzw. Ekel-Angst sich nicht, sieben mal Wut-Angst und
acht mal Trauer-Angst sich nicht. Die negativen Emotionen sind sich also untereinander ähnlicher.
Anders als bei den bisherigen Varianzanalysen über alle Filmclips ist diesmal weitaus häufiger ein Geschlechtseffekt sowie eine Interaktion von Geschlecht und Zielemotion festzustellen.
Dies überrascht nicht weiter, da etwa im Clip zur Zielemotion Freude aus dem Spielfilm 'Harry
und Sally' die Diskussion um vorgetäuschte weibliche Orgasmen kreist. Geschlechtsunterschiede bei emotionalem Erleben und ihre Interpretation sind nicht Thema dieser Arbeit, für den interessierten Leser sind im Anhang jedoch die Verläufe der Kennwerte über die Zeit nach Geschlecht getrennt aufgeführt (Anhang Kap. 14, S.215). Als grobe Zusammenfassung lässt sich
angeben, dass Frauen tendenziell höhere subjektive Valenzbewertungen sowie mehr emotionale Mimik zeigen, während die Unterschiede für die übrigen Kennwerte uneinheitlich sind bzw. je
nach Zielemotion die Richtung wechseln.
An dieser Stelle wird der Verlauf eines einzelnen Kennwerts , z.B. der Herzrate als Mittelwert der gesamten Stichprobe, unterschieden nach Zielemotion, auf einer einheitlichen Zeitachse (Zeit seit Filmbeginn) dargestellt. Da die einzelnen Filmclips unterschiedlich lang dauerten,
sind auch die einzelnen Graphen nicht gleich lang. Aggregiert wurde immer bis zum Ende des
jeweiligen Zeitfensters, wobei für das letzte Zeitfenster aufgerundet wurde. Zeitfenster 190
(bzw. 200 für die Lidschläge) des Angst-Filmclips zum Beispiel beinhaltet also nur Werte von
Sekunde 180 bis Sekunde 182. Um die Anzahl der Graphiken überschaubar zu halten, werden
für jedes Signal maximal zwei Parameter aufgeführt, Sakkaden und Lidschläge dabei aber getrennt behandelt. Die Graphiken zu den übrigen in Tab. 9.4.2 aufgeführten Parametern sind im
Anhang zu finden.
161
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
9.4.2 EMuJoy
Die beiden Dimensionen der subjektiven Bewertung, Valenz und Erregung, sind in jeweils einer
eigenen Graphik dargestellt, wurden von der Versuchsperson aber immer gleichzeitig bewertet.
Da ein Abfallen der über alle Personen gemittelten Erregung unter das Ausgangsniveau bei den
emotionalen Filmclips nicht vorkam, ist die y-Achse in Abb. 9.4.2 auf den Bereich 0 bis 1 beschränkt.
Abb. 9.4.1: Mittelwert und Standardfehler des in 10-Sekunden-Zeitfenstern gemittelten Valenzratings für 5 beispielhafte
Emotionsfilmclips (n=57). Positive Werte stehen für positive Valenz (=angenehm), negative Werte für negative Valenz
(=unangenehm).
Abb. 9.4.2: Mittelwert und Standardfehler des in 10-Sekunden-Zeitfenstern gemittelten Arousalratings für 5 beispielhafte Emotionsfilmclips (n=57). Positive Werte stehen für Erregungsanstieg (=aufregend), die Werteskala ist auf den Bereich 0 bis 1 beschränkt.
Der Freude-Filmclip (grün) zeichnet sich durch einen konstanten Anstieg von Valenz und Erregung aus, wobei erstere sich asymptotisch auf einen Wert um die 0.6 einpendelt, während die
Erregung linear ansteigt, bis sie ab Sekunde 130 leicht abflacht – zu diesem Zeitpunkt kommt
162
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
auch die Showeinlage der Hauptdarstellerin zu einem Ende und die Situation entspannt sich für
den mit am Tisch sitzenden Mann. Der Valenz-Verlauf für Trauer (schwarz) scheint dem von
Freude zu entsprechen, nur mit umgekehrten Vorzeichen (negative Valenz), und die Erregung
bleibt auf einem insgesamt niedrigeren Level. Ekel (türkis) zeichnet sich durch einen rasante
Zunahme sowohl der negativen Valenz-Bewertung als auch der Erregung an, die erst zum Ende hin abflacht (Mann befreit sich von Ratte). Die Valenz-Bewertung für Wut (rot) spiegelt deutlich den Verlauf der Filmszene wider, die sich von einer friedlichen, ausgelassenen Demonstration zu einem Massaker an den unbewaffneten Demonstranten wandelt: Bis ungefähr Sekunde
50 wird sie als angenehm bewertet, dann kippt die Situation um, und im weiteren wird die Szene als ähnlich aversiv wie der Ekel-Filmclip gewertet, dessen Wert sie am Ende noch übersteigt.
Bezüglich Erregung verzeichnet der Angst-Filmclip (blau) die höchsten Werte, was vor allem an
einem Anstieg ab Sekunde 120 liegt. Dieser wird beim Hautleitfähigkeitsniveau (EDL) noch
deutlicher.
9.4.3 Hautleitfähigkeit
Abb. 9.4.3: Mittelwert und Standardfehler des baseline-korrigierten Hautleitfähigkeitsniveau (EDL) in 10-SekundenZeitfenstern für 5 beispielhafte Emotionsfilmclips (n=55).
Das plötzliche Auftauchen der ersten Leiche im Halloween-Filmausschnitt führt zu einem deutlichen Anstieg des Hautleitfähigkeitsniveaus, in vielen Fällen als klar erkennbare elektrodermale
Reaktion (EDR). Als Beispiel kann das Rohsignal in Abb. 8.2.1 (S.128) dienen, bei der der entsprechende Filmclip mit der Zielemotion Angst um Sekunde 2000 präsentiert wurde. Einen ähnlich abrupten Anstieg gibt es nur im Ekel-Filmclip (türkis), als der schlafende Mann durch die
Ratte im Mund zu ersticken droht. Ansonsten sind die Filmclips mit negativer Zielemotion durch
einen vergleichbar konstanten Abfall gekennzeichnet (die schwarzen, roten und blauen Linien
verlaufen bis Sekunde 70 weitestgehend parallel), während Freude (grün) zu einem nur geringen Absinken der Hautleitfähigkeit führt. Sie nimmt wieder zu, als auch die Filmszene erregter
wird.
163
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
9.4.4 Gesichtsmuskelaktivität
Für die Aktivität des Corrugator-Muskels (Augenbrauen zusammenziehen) zeigt sich ein klarer
Bezug zur Valenzbewertung: alle negativen Filmclips gehen mit erhöhter Aktivität einher, bei
Freude (grün) ist der Muskel entspannt bzw. die Aktivität zumindest unter dem Baseline-Niveau.
Die rasche Handlungsentwicklung beim Ekel-Filmclip (die Ratte ist nach schon 40 Sekunden im
Gesicht des Schlafenden) drückt sich darin aus, dass Ekel auch hier den steilsten Anstieg und
insgesamt die höchsten Werte aufweist.
Abb. 9.4.4: Mittelwert und Standardfehler der baseline-korrigierten Aktivität des musculus corrugator supercilii in 10Sekunden-Zeitfenstern für 5 beispielhafte Emotionsfilmclips (n=57).
Abb. 9.4.5: Mittelwert und Standardfehler der baseline-korrigierten Aktivität des musculus orbicularis oculi in 10Sekunden-Zeitfenstern für 5 beispielhafte Emotionsfilmclips (n=57).
Für den Orbicularis-Oculi-Muskel ist die Zuordnung zu Valenz etwas weniger eindeutig: beim
Freude-Filmclip kommt es zwar zur stärksten Aktivität ('Krähenfüße' in den Augenwinkeln beim
164
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
Lachen), aber auch bei Ekel (türkis) und bei den erschreckenden Szenen des Angst-Clips (blau)
werden die Augen anscheinend ein wenig zusammengekniffen.
9.4.5 Herzaktivität
Bei der Herzaktivität werden zwei Kennwerte ausgewählt: einmal die Herzrate, die laut Bradely
& Lang (2000) bei negativen Reizen mit einer stärkeren Verlangsamung einher gehen sollte als
bei positiven, sowie die Streuung der Inter-Beat-Intervalle (SDNN), die bei der Auswertung über
alle Filmclips eine Korrelation zum Valenzrating gezeigt hatte (s. Tab. 9.2.8, S.148).
Abb. 9.4.6: Mittelwert und Standardfehler der baseline-korrigierten Herzrate in 10-Sekunden-Zeitfenstern für 5 beispielhafte Emotionsfilmclips (n=55).
Wie in Abb. 9.4.6 zu sehen, geht der Beginn aller emotionalen Filmclips zwar mit einem Abfall
der Herzrate einher, und für Trauer, Ekel, Wut und Angst (schwarze, türkise, rote und blaue
Linien) ist dieser nach den ersten 10 Sekunden stärker als für Freude. Dann wandelt sich allerdings das Bild: während Trauer, Ekel und Angst weiterhin durch einen Rückgang gekennzeichnet sind, der stärker ist als der für Freude, kommt die Herzrate bei Wut fast wieder auf das Ausgangsniveau zurück und liegt höher als alle übrigen Emotionen. Lediglich Trauer zeigt eine bis
zum Ende weitestgehend konstant bleibenden Herzratenverlangsamung, Angst und Freude
(blau und grün) lassen sich aber nicht gut unterscheiden.
165
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
Abb. 9.4.7: Mittelwert und Standardfehler der baseline-korrigierten Aktivität des Streuung der Inter-Beat-Intervalle
(SDNN) in 10-Sekunden-Zeitfenstern für 5 beispielhafte Emotionsfilmclips (n=55).
Noch stärker ist dies bei der Streuung der Inter-Beat-Intervalle zu beobachten: Nach einem sehr
deutlichen Abfall unabhängig von der Zielemotion des Filmclips in den ersten zwanzig Sekunden steigt die Streuung im weiteren Verlauf lediglich für Freude wieder etwas an. Ansonsten
bleibt sie auf dem niedrigen Niveau, und es sind keine klaren Unterschiede zwischen den negativen Emotionen zu erkennen. Die lokalen Tiefpunkte für den Angst-Graphen beim Zeitfenster
bis Sekunde 120 sowie am Ende könnten zwar noch eine Reaktion auf die 'Schreckmomente'
im Film interpretiert werden, und im Wut-Clip haben die Soldaten zu Sekunde 110 begonnen,
Fliehende zu töten, aber die Zuordnung solch phasischer Veränderungen ist bei weitem nicht so
eindeutig wie etwa bei der Hautleitfähigkeit.
9.4.6 Sakkaden
Abb. 9.4.8: Mittelwert und Standardfehler der baseline-korrigierten standardisierten durchschnittlichen Sakkadengeschwindigkeit (stdspeed) in 10-Sekunden-Zeitfenstern für 5 beispielhafte Emotionsfilmclips (n=57).
166
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
Die standardisierte durchschnittliche Sakkadengeschwindigkeit (stdspeed, s. Abb. 9.4.8) ähnelt
in ihrem Aktivierungsmuster auf dem ersten Blick sehr stark dem musculus orbicularis oculi (s.
Abb. 9.4.5, S.164): stärkster Anstieg bei Freude, leichter Anstieg bei Ekel und bei Angst am
Ende, weitestgehend konstant bei Wut und Trauer. Allerdings beginnt in Abb. 9.4.8 der Anstieg
bei Freude erst ab ca. Sekunde 60, während er beim orbicularis oculi auch schon in den ersten
sechzig Sekunden stattfand, und die Zunahme bei Angst erscheint kontinuierlicher als beim
Augenringmuskel.
Die standardisierte Sakkadendauer (stdduration) in Abb. 9.4.9 entspricht im wesentlichen
der an der x-Achse gespiegelten standardisierten Sakkadengeschwindigkeit, da sie nach der
Standardisierung von der jeweiligen Sakkadenamplitude unabhängig ist und nur noch von der
zugrunde liegenden Geschwindigkeit abhängt.
Abb. 9.4.9: Mittelwert und Standardfehler der baseline-korrigierten standardisierten Sakkadendauer (stdduration) in 10Sekunden-Zeitfenstern für 5 beispielhafte Emotionsfilmclips (n=57).
167
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
9.4.7 Lidschläge
Abb. 9.4.10: Mittelwert und Standardfehler der baseline-korrigierten standardisierten durchschnittlichen Lidschließgeschwindigkeit (stdclspeed) in 10-Sekunden-Zeitfenstern für 5 beispielhafte Emotionsfilmclips (n=57).
Die standardisierte durchschnittliche Lidschließgeschwindigkeit (stdclspeed) in Abb. 9.4.10 zeigt
nicht den gleichen engen Bezug zur Aktivität des musculus orbicularis oculi wie der entsprechende Sakkadenkennwert aus Abb. 9.4.8: Ist sie in den ersten zwanzig Sekunden für alle Emotionsclips gegenüber der Baseline erhöht, so fällt sie bis zur 100. Sekunde für Freude am
stärksten ab, um dann ähnlich wie für Angst wieder anzusteigen. Auch für Wut findet sich ab
dem Zeitpunkt ein leichter Anstieg. Für alle drei Filmclips ist um diese Zeit herum zwar eine
generelle Intensivierung der Handlung anzutreffen, es lassen sich dem Anstieg der standardisierten Lidschließgeschwindigkeit allerdings keine spezifischen Ereignisse oder Veränderung im
Arousal-Rating zuordnen (s. Abb. 9.4.2, S.162). Lediglich der Verlauf bei Trauer entspricht dem
der subjektiven Erregungsbewertung in Abb. 9.4.2.
Da auch hier die standardisierte Lidschlagdauer (stdtotaldur) weitestgehend der an der x-Achse
gespiegelten standardisierten Geschwindigkeit ähnelt, wird das Lidschlagintervall als zweite
Beispielgraphik ausgewählt.
168
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
Abb. 9.4.11: Mittelwert und Standardfehler des baseline-korrigierten Lidschlagintervalls in 10-Sekunden-Zeitfenstern für
5 beispielhafte Emotionsfilmclips (n=57).
Am auffälligsten ist beim Lidschlagintervall die von Beginn starke Verlängerung gegenüber dem
vorangegangenen neutralen Reiz, der Baseline. Für den Ekel-Clip, bei dem sich das zentrale
Thema aufgrund seiner Kürze sehr früh entfaltet, beträgt die Zeit zwischen zwei Lidschlägen
mehr als doppelt so viel wie in der neutralen Bedingung. Zum Ende hin, als sich die Situation
aufklärt (der Mann schlägt bis zum Ende des Filmclips auf die dann tote Ratte ein) und beim
Zuschauer weniger Bedarf an ununterbrochenem visuellen Informationsfluss besteht, sinkt die
Lidschlagrate ungefähr auf das Niveau des Trauer-Clips (schwarz), bei dem es wenig überraschende Wendungen gibt (und der deshalb umso deprimierender wirkt). Für die übrigen drei
Emotionsclips Freude (grün), Wut (rot) und Angst (blau), gibt es im weiteren Verlauf mit zunehmender Komplexität der Filmhandlung einen Anstieg der Zeit zwischen den Lidschlägen, der
allerdings individuellen Variationen unterliegt, wie man an den relativ großen Standardfehlern
erkennt.
9.4.8 Korrelation aller Parameter
Analog zur Übersicht über den Zusammenhang der Augenbewegungsparametern mit den übrigen physiologischen Kennwerten bei der Auswertung über alle Filme (Tab. 9.3.6, S.156) folgt
an dieser Stelle eine Korrelationstabelle für die Auswertung in 10-Sekunden-Zeitfenstern (s.
Tab. 9.4.3)
169
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
Tab. 9.4.3: Bivariate Produkt-Moment-Korrelationen der physiologischen Maße mit den Valenz- und Arousalratings für
die in 10-Sekunden-Fenstern ausgewerteten Filmclips (n=57 Vpn). EMuJoy=kontinuierliche Selbstbewertung;
Sakk=Sakkadenkennwerte; Blink=Lidschlagkennwerte; für detaillierte Erläuterung der Variablennamen s. Einleitung von
0. Grau schraffierte Zellen: Korrelation verschiedener Kennwerte des selben Signals; ausgegraute Werte: nichtsignifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%Niveau. Das Signifikanzniveau variiert je nach Signal (Anzahl gültige VP, s. Tab. 9.4.2 S.160) leicht.
EMuJoy
Valenz
EMu
Joy
EDA
E
M
G
E
K
G
S
a
k
k
B
l
i
n
k
Arousal
EDA
EMG
Level
corrug
orbic.
EKG
zygom.
IBI
HR
SDNN
MSD
Valenz
1.000
-.341
.043
-.357
.344
.379
.036
-.035
.084
.043
Arousal
-.341
1.000
.089
.099
.011
-.019
-.092
.101
.010
.004
EDL
.043
.089
1.000
-.037
.388
.130
-.157
.177
.114
.058
EMGLsco
-.357
.099
-.037
1.000
-.105
-.140
-.015
.006
-.058
-.003
EMGLsor
.344
.011
.388
-.105
1.000
.616
-.153
.170
.167
.082
EMGLszy
.379
-.019
.130
-.140
.616
1.000
-.141
.152
.130
.038
IBI
.036
-.092
-.157
-.015
-.153
-.141
1.000
-.990
-.062
.240
HR
-.035
.101
.177
.006
.170
.152
-.990
1.000
.115
-.205
SDNN
.084
.010
.114
-.058
.167
.130
-.062
.115
1.000
.634
MSD
.043
.004
.058
-.003
.082
.038
.240
-.205
.634
1.000
interval
-.008
.000
-.011
.015
.094
.043
.078
-.073
-.039
-.022
stdduration
?
-.002
?
.022
-.295
-.183
-.028
.017
-.004
.012
.319
-.093
?
.080
?
.026
?
.040
?
-.151
-.132
.179
?
stdspeed
.196
?
intervall
.013
stdtotaldur
?
-.046
-.069
-.087
.064
.061
?
.044
.058
.098
-.021
.046
?
.046
.121
stdmaxspeed
stdclspeed
stdclmaxspeed
.079
-.057
.026
.239
?
.006
.212
?
.008
.480
.306
-.046
.075
-.055
.046
-.047
-.037
.170
.005
.074
.039
.511
.103
?
.056
?
.196
?
-.174
-.088
-.009
.013
-.017
.053
?
.027
-.033
-.007
.011
-.040
.007
.083
.028
-.020
.002
.071
?
=Korrelation wird deutlich geringer, wenn Einfluss der Gesichtsmuskelaktivität herauspartialisiert wird Für entsprechende Partialkorrelationen s.Anhang Tab. 15.4.1 (S.228)
Die Korrelationen sind insgesamt etwas niedriger als bei der Auswertung über alle Filmclips
ohne Berücksichtigung der Zeit und bewegen sich im Bereich von r=.35 für die Gesichtsmuskelaktivität bzw. .2 bis .1 für die übrigen Kennwerte. Wie auf den letzten Seiten dargestellt, zeigen die meisten Biosignale sowie die kontinuierliche Selbstbewertung einen leicht unterschiedlichen Verlauf über die verschiedenen Zielemotionen, weshalb Tab. 9.4.4 den Zusammenhang
zwischen Selbstbewertung und physiologischen Kennwerten zusätzlich nach Emotionen aufschlüsselt.
170
ERGEBNISSE – 9.4 AUSWERTUNG ÜBER DIE ZEIT
Tab. 9.4.4: Partialkorrelationen der physiologischen Maße mit den Valenz- und Arousalratings für die in 10-SekundenFenstern ausgewerteten Filmclips(n=57 Vpn), aufgeschlüsselt nach Zielemotion. EMuJoy=kontinuierliche
Selbstbewertung;
Sakk=Sakkadenkennwerte;
Blink=Lidschlagkennwerte;
für
detaillierte
Erläuterung
der
Variablennamen s. Einleitung von 0. Grau schraffierte Zellen: Korrelation verschiedener Kennwerte des selben Signals;
ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte:
signifikant auf dem 1%-Niveau. Das Signifikanzniveau variiert je nach Signal (Anzahl gültige VP, s. Tab. 9.4.2, S.160)
und Zielemotion (Anzahl Zeitfenster beim zugehörigen Films) leicht.
Valenzrating (ohne Arousal)
Freude Trauer
EMu
Joy
EDA
E
M
G
E
K
G
S
a
k
k
B
l
i
n
k
Valenz
1
1
Ekel
Wut
1
1
Arousalrating (ohne Valenz)
Angst Freude Trauer
Ekel
Wut
Angst
1
Arousal
1
1
1
1
1
EDL
.045
.092
.114
.135
-.035
-.025
.105
.158
-.016
.124
EMGLsco
-.133
-.306
-.180 -.274
-.079
.031
-.141
.090
-.162
.064
EMGLsor
.308
-.085
-.135
.093
.019
.253
.019
.133
.039
.106
EMGLszy
.370
.084
-.020
.200
-.063
.153
.100
.072
.159
.026
IBI
.101
.166
-.076
.034
.114
-.051
.007
-.114
.028
-.113
HR
-.095
-.176
.064
-.036
-.115
.061
-.006
.102
-.006
.119
SDNN
.021
-.044
.001
.068
.057
.204
.131
-.076
.025
-.052
MSD
.045
.018
.030
-.005
.094
.128
.035
-.056
-.005
.044
interval
.233
-.048
-.032 -.042
-.114
-.002
-.002
.014
.037
-.069
-.117
.045
-.128
.124
-.033
-.044
.016
-.179
-.005
-.064 .098
?
-.118
.071
.043
.000
.146
.060
?
-.072
.154
?
-.013
.107
.095
.069
.114
-.036
.157
.024
stdduration
-.127
?
.146
?
stdmaxspeed
.176
?
-.035
.043
.072
intervall
-.032
.119
.050
-.026
stdspeed
stdtotaldur
.056
.069
-.187
.114
-.115
.148
.010
.152
.176
?
-.021
.190
?
-.196
.008
?
.163
-.057
.204
.000
stdclspeed
.007
.096
-.154
.051
-.076
-.022
-.100
-.177
stdclmaxspeed
.080
.084
-.160
.056
.002
.034
.050
-.142
?
=Korrelation wird deutlich geringer, wenn Einfluss der Gesichtsmuskelaktivität herauspartialisiert wird. Für entsprechende s. Tab. 15.4.2 (S.229)
Durch die Aufschlüsselung nach Emotionen gelingt es eher, Ähnlichkeiten im Verlauf der Mittelwerts-Graphiken der letzten Seiten auch in den Korrelationen wieder zu finden: Der Zusammenhang von Hautleitfähigkeit und Valenz etwa ist in erster Linie durch eine positive Korrelation
zwischen Abfall des Hautleitfähigkeitsniveaus und verstärkt negativer Valenz-Bewertung für
Trauer, Ekel und Wut zurückzuführen. Für beide Variablen EDL und Valenz werden die Werte
zunehmend negativ und die Korrelation damit positiv. Für Freude und Angst besteht keine derartige Beziehung, denn trotz einer Änderung des Hautleitfähigkeitsniveaus im Verlauf der Filmclips (s. Abb. 4.4.3, S.55) bleibt die Richtung der Valenzbewertung (positiv bzw. negativ) über
den jeweiligen Filmclip konstant (s. Abb. 4.4.1), was in Tab. 9.4.4 zu einer Korrelation um die
Null herum führt. Dafür zeigt das Hautleitfähigkeitsniveau bei Angst einen Bezug zur Erregung
(r=.124, p<0.01), ähnlich wie bei Ekel (r=.158, p<0.01).
Die Streuung der Herzrschlagintervalle (SDNN) zeigt nur für Emotionen, bei denen die Erregung auf einem mittleren Niveau bleibt (Freude und Trauer) einen Bezug zum Erregungsverlauf, dass nämlich Erregungszunahme mit einem Anstieg der Streuung verbunden ist. Die posi-
171
ERGEBNISSE – 9.5 ZUSAMMENFASSUNG
tiv gefärbte Erregung bei Freude geht zudem mit einem signifikanten Anstieg der mittleren Abweichung aufeinanderfolgender Herzschläge (MSD) einher.
Insgesamt sind die Korrelationen aber auch bei dieser Unterscheidung nach Emotionen alle
eher niedrig und bewegen sich bestenfalls in einem Bereich von .1 bis .2, lediglich die Gesichtsmuskelaktivität erzielt wieder höhere Werte. Bei der vermeintlich überraschenden Korrelation zwischen Aktivität des Zygomaticus-Muskels und Valenz bei Wut sei wieder auf die Codierung der Variablen und den Filmclip-Verlauf verwiesen: der fröhlich-ausgelassen Beginn (= positive Valenz-Bewertung) schlägt um in ein Massaker an den Demonstrierenden (=negative
Valenz-Bewertung), was mit einer nachlassenden Zygomaticus-Aktivierung einhergeht.
9.5 Zusammenfassung
Die Auswertung der kontinuierlichen Selbstbewertung, der physioloigschen Signale inklusive
der Augenbewegungen erfolgte auf zwei Arten: Zum einen eine Aggregierung der über alle
emotionalen Filmclips gemittelten Werte mit einem Wert pro Proband pro Emotion, zum anderen als Auswertung über die Zeit in 10-Sekunden-Zeitfenstern (bei Lidschlägen 20 Sekunden)
für die fünf Emotions-Filmclips, die sich aufgrund der Emotionsbenennung im Anschluss als am
besten geeignet erwiesen hatten, die jeweilige Zielemotion hervorzurufen (s. a. Zusammenfassung 8.1.5, S.124). Die kontinuierliche Selbstbewertung mittels EMuJoy (Nagel et al., 2007)
ermöglicht dabei eine Unterscheidung zwischen positiven und negativen Emotionen sowie aufgrund der unterschiedlichen Erregungs-Bewertung noch zwischen Trauer und den stark erregend wirkenden Emotionen Ekel, Wut und Angst (s.a. Zusammenfassung 9.1.2, S.138).
Bei den physiologischen Maßen zeigt Gesichtsmuskelaktivität den engsten Zusammenhang
zur subjektiven Valenz-Bewertung, da negative Einschätzungen mit erhöhter Aktivität des musculus corrugator supercilii (Augenbrauen zusammenziehen) verbunden ist, und Freude zu starker Aktivität des musculus orbicularis oculi (Augen zusammenkneifen) und zygomaticus major
(Lachen) führt. Die letzten beiden Gesichtsmuskeln zeigen zudem bei Ekel eine gegenüber
Trauer, Wut und Angst erhöhte Aktivität. Für die subjektive Erregung sind neben der (maximalen) Amplitude der Spontanfluktationen in der Hautleitfähigkeit noch die Sakkadengeschwindigkeit mit jeweils Partialkorrelationen um die .2 (p<.01) zum Arousalrating indikativ.
Die Herzrate zeigt bei einer Auswertung über alle Filmclips keinen einheitlichen Bezug zu
Emotionen, außer dass emotionale Reize grundsätzlich zu einer Verlangsamung gegenüber
neutralen führen. Mit der subjektiven Bewertung korreliert lediglich die Streuung der Herzschlagintervalle (SDNN) signifikant, wobei dies bei einem Herausrechnen der jeweils anderen
Bewertungsdimension (Partialkorrelation) auf einem Zusammenhang zur Valenz-Bewertung
zurückzuführen ist (r=.115, p<.05, s. Tab. 9.2.8, S.148).
Der erhöhte visuelle Informationsbedarf während der emotionalen Filmclips drückt sich neben dem Anstieg im Lidschlagintervall auch in einer Abnahme der Zeit zwischen zwei Sakkaden
aus. Die gemachten Sakkaden haben zudem unabhängig von ihrer Amplitude (Amplitudenstandardisierte Kennwerte) eine geringere Dauer, was durch erhöhte Geschwindigkeiten er-
172
ERGEBNISSE – 9.5 ZUSAMMENFASSUNG
reicht wird. Dabei verändern sich diese Werte im Zusammenspiel mit Aktivität des musculus
orbicularis oculi und zygomaticus major (Korrelationen zwischen .3 bis .6, p<.01, s. Tab. 9.3.6
S.156). Für Lidschlagkennwerte ist dies nicht der Fall, dort ist die Korrelation zum musculus
corrugator supercilii mit r<.2 (p<.01) am höchsten. Das Lidschlagintervall zeigt zudem einen
Zusammenhang zur Herzrate (r=-.3, p<.01 s. Tab. 9.3.6 S.156).
Bei der detaillierten Analyse des Verlaufs der Kennwerte über 10-Sekunden-Zeitfenster für
exemplarische Filmclips zeichnet Ekel sich durch einen raschen Anstieg der subjektiven Bewertung aus, Freude und Trauer durch einen eher asymptotischen Verlauf. Bei Wut spiegelt sich
zudem das 'Umschlagen' der Situation von einer friedlichen Demonstration in einen Gewaltexzess deutlich in der kontinuierlichen Valenzbewertung wider. Das Hautleitfähigkeitsniveau ist
durch einen konstanten Abfall für negative Emotionen gekennzeichnet, wobei es aufgrund plötzlich auftretender, 'erschreckender' Ereignisse jedoch zu einem starken Anstieg kommen kann.
Für die Gesichtsmuskelaktivität zeigen sich die gleichen Befunde wie bei der Auswertung über
alle Filmclips ohne Berücksichtigung des zeitlichen Verlaufs. Die Herzrate fällt zu Beginn eines
jeden Filmclips zunächst ab, erreicht dann nur für Wut fast wieder das Ausgangsniveau, während sie für die anderen Emotionen auf einem niedrigeren Niveau bleibt, allerdings uneinheitlich. Der Rückgang in den ersten Sekunden aller Filmclips ist auch in der Streuung der Herzschlagintervalle (SDNN) zu finden, die lediglich für Freude im weiteren Verlauf wieder zunimmt.
Standardisierte Sakkadengeschwindigkeit und -dauer zeigen auch in den 10-SekundenZeitfenstern Ähnlichkeit zum Aktivitätsmuster des Augenringmuskels (orbicularis oculi), für die
standardisierten Lidschließungsgeschwindigkeit ist dies nicht festzustellen, allerdings auch kein
Bezug zu einer spezifischen Emotion oder dem generellen Arousalrating zu erkennen.
Beim Lidschlagintervall besteht der Bezug in erster Linie zum visual load des jeweiligen
Filmclips, es ist von Anfang an deutlich verlängert gegenüber der Baseline, steigt jedoch nur
weiter an, wenn der Inhalt des Films es erforderlich erscheinen lässt. Die Korrelationen der
physiologischen Werte untereinander und mit dem kontinuierlichen subjektiven Valenz- und
Arousalrating nehmen bei einer Auswertung über 10-Sekunden-Zeitfenster gegenüber der
Auswertung ohne Berücksichtigung der Zeit für die meisten Kennwerte ab. Zumindest für den
Bezug zur kontinuierlichen subjektiven Bewertung steigen sie für einzelne Kombinationen von
Kennwert und Zielemotion jedoch etwas an, wenn man die Korrelationen für jede Emotion getrennt berechnet.
173
DISKUSSION DER ERGEBNISSE – 10.1 FILMCLIPS, EMUJOY UND SUBJEKTIVE BEWERTUNGEN
Diskussion
Im Anschluss an die Darstellung der Ergebnisse wird nun ihre Bedeutung für die Beantwortung
der unter 6.3 (S.106) aufgeführten Fragestellung sowie der Bezug zu den im ersten Teil geschilderten Emotionstheorien diskutiert. Anschließend werden Verbesserungsmöglichkeiten für
weitere Studien genannt sowie schließlich ein genereller Ausblick gegeben.
10 Diskussion der Ergebnisse
Die unter 6.3 (S.106) aufgeworfenen Fragen waren folgende:
1. Lassen sich durch die Darbietung von Filmclips bei gleichzeitiger Bewertung mittels EMuJoy
Emotionen induzieren?
2. Führt diese Art der Emotionsinduktion und gleichzeitiger Bewertung zu physiologischen
Veränderungen, die mit bisherigen Befunden aus der Literatur vergleichbar sind?
3. Lassen sich dabei Unterschiede zwischen bestimmten Zielemotionen erkennen?
4. Wie sieht der Zusammenhang zwischen physiologischen Veränderungen und kontinuierlicher subjektiver Bewertung aus?
5. Welchen Zusammenhang zeigen Augenbewegungsparameter zu der subjektiven Bewertung sowie den übrigen physiologischen Parametern?
10.1 Filmclips, EMuJoy und subjektive Bewertungen
Die erste Frage lässt sich in drei Punkte aufgliedern: Der Einsatz von Filmclips zur Emotionsinduktion, die gleichzeitige Benutzung von EMuJoy und das Ergebnis der subjektiven Bewertung
für verschiedene Emotionen.
10.1.1 Filme zur Emotionsinduktion
Die hohe Übereinstimmung der Emotionsbenennung im Anschluss mit der Zielemotion des
Filmclips von 87% (siehe Tab. 8.1.2, S.118) ist zunächst einmal der sorgfältigen Auswahl geeigneter Filmclips durch Phillipot (1993), Gross & Levenson (1995) und später Hagemann et al.
(1999) sowie Hewig et al. (2005) zu verdanken. Filmclips, die verlässlich Freude induzieren,
scheinen dabei mit am schwierigsten zu bestimmen zu sein, denn die beiden anderen FreudeFilmclips neben der Szene aus Harry & Sally wurden im Anschluss des öfteren als 'peinlich'
oder 'übertrieben' bezeichnet, und auch bei Harry & Sally gibt es zwar eine häufige Nennung
der Zielemotion (73%), aber mit 18% ebenso einen relativ großen Anteil von Probanden, denen
die Szene ebenfalls peinlich oder unangenehm war (s. Tab. 8.1.2, S.118). Durchgänge mit
nicht-zutreffender Emotionsbenennung fanden, wie gesagt, keinen Eingang in die Auswertung
über alle Probanden (s. 8.2, S.126). Ekel wiederum scheint zumindest mit Filmclips nur relativ
kurze Zeit als Emotion aufrechtzuerhalten zu sein: beide Ekel-Filmclips dauerten nur um die 1
Minute, und auch ein dritter nicht eingesetzter Filmclip aus dem Film Pink Flamingo (s. Hewig et
174
DISKUSSION DER ERGEBNISSE – 10.1 FILMCLIPS, EMUJOY UND SUBJEKTIVE BEWERTUNGEN
al., 2005) weist nur eine Dauer von 29 Sekunden auf. Daneben gibt es weitere Parallelen bei
den zum Hervorrufen einer bestimmten Emotion gezeigten Filmen:
–
die Ekel-Clips zeigen beide Male einen Schlafenden, der sich beim Aufwachen mit einem
Tierkadaver im Bett (Der Pate) bzw. einer Ratte im Mund findet (Ratte).
–
Die Trauer-Clips variieren das Thema Verlust, sei es aufgrund eines Abschieds (Killing
Fields) oder duch Tod (Offizier1), der bei The Champ noch dadurch gesteigert wird, dass es
sich bei dem Betroffenen um ein Kind handelt.
–
alle Angst-Clips spielen in geschlossenen Räumen, größtenteils dunkel (Halloween,
Schweigen der Lämmer), und es ist jeweils nicht klar, was hinter der nächsten Tür lauert.
–
den Wut-Clips ist gemeinsam, dass zu Beginn jeweils Minderheiten gezeigt werden, die sich
friedlich für ihre Freiheit einsetzen (Gandhi, Cry for Freedom) oder ihren Traditionen folgen
(The Witness), und deswegen erniedrigt oder körperlich angegriffen werden. Die Intensität
der Gewalt scheint dabei in direktem Zusammenhang mit der vom Zuschauer erlebten Wut
zu stehen, denn während bei The Witness den Amish People nur Softeis ins Gesicht gedrückt wird, wird der Protagonist bei Gandhi verprügelt und die Demonstranten in Cry Freedom getötet. Letzteres war denn auch der Clip, bei dem die meisten Probanden 'Wut' empfanden. Auch der Filmclip, den Montoya et al. (2005) zur Auslösung dieser Emotion benutzen, behandelt das Thema Rassismus.
Es fällt auf, wie stark die gezeigten Szenen den von Lazarus beschriebenen core relational
themes (s. Tab 3.2.1, S.28) entsprechen: für Ekel wird dort beispielsweise 'ein ungenießbares
Objekt… aufnehmen oder zu nahe sein' angegeben, für Wut 'ein herabsetzender Angriff auf
mich und die Meinen' und für Angst 'unsicherer existentieller Bedrohung ausgesetzt sein'. Dagegen passen Scherers kognitive Bewertungsmuster für die entsprechenden Emotionen (s.
Tab. 3.3.1, S.57) zumindest auf die vorhandenen Filmclips weniger gut: Weder ist die Entwicklung bei Wut sehr plötzlich ('Plötzlichkeit: hoch' im Bewertungsmuster), noch ist die Dringlichkeit
bei Ekel nur 'mittel'. Allerdings werden für die entsprechenden Stimulus-Evaluation-Checks
(SECs) in Scherers Modell vermutlich andere Zeitfenster als eine sich über etliche Sekunden
entwickelnde Filmszene angenommen.
10.1.2 Einsatz von EMuJoy zur kontinuierlichen Filmbewertung
Die Bewertung von emotionalen Bildreizen auf den beiden Dimensionen Valenz und Erregung
(Arousal) erfolgt in der Emotionspsychologie auch bei Filmclips bisher überwiegend im Anschluss an den dargebotenen Reiz (z.B. Hewig et al., 2005; Britton et al., 2006; Demaree et al.,
2006) oder bei kontinuierlichen Bewertung auf der Dimension Valenz (Mauss et al., 2005) bzw.
in der Medienpsychologie auf der Dimension Gefallen (Bente, 2003). Dem liegt vermutlich unter
anderem die Überlegung zugrunde, dass ein kontinuierliches Überwachen des Bewertungsinstruments (ein Drehregler bei Mauss et al., eine kleine Fernbedienung mit einer LeuchtdiodenSkala bei Bente) bei mehr als einer Dimension schnell zu viele Blicke weg vom dargestellten
175
DISKUSSION DER ERGEBNISSE – 10.1 FILMCLIPS, EMUJOY UND SUBJEKTIVE BEWERTUNGEN
Reiz erfordern würde. Dieser Nachteil tritt bei der überlagerten Darstellung, wie sie im EMuJoySetup von Nagel et al. (2007) gelöst ist, nicht auf. Die hohe 'Trefferate' bei der Emontionsbenennung im Anschluss (87%) legt nahe, dass die Bedienung nicht mit der Verarbeitung der
Filmclips interferierte. Auch bei der Versuchsdurchführung gab es von keinem Probanden Aussagen, die in die diese Richtung gingen. Schwierigkeiten traten wenn überhaupt, dann mit dem
grundsätzlichen Prinzip kontinuierlicher Bewertung auf, das aber durch eine verlängerte Trainingsphase mit Musikstücken bewältigt werden konnte (s. 7.3.1.3 S.110). Lediglich ein Proband
konnte kein ausreichend variierendes kontinuierliches Rating vornehmen und wurde deshalb
von der weiteren Analyse ausgeschlossen (s. 8.1.4.3, S.122 sowie Abb. 8.1.6 S.124). Die Tatsache, dass der Versuchsaufbau grundsätzlich praktikabel war, bedeutet allerdings noch nicht,
dass das EMuJoy-Messprinzip auch valide Messwerte lieferte.
10.1.3 Ergebnis der subjektiven Bewertungen
Die Überprüfung der Plausibilität des Bewertungsverhaltens geschah in der vorliegenden Studie
auf mehrere Arten: Zunächst durch Analyse der Emotionsbenennung im Anschluss (s. 8.1.3,
S.121) sowie einen Abgleich des individuellen Bewertungsverlauf als EMuJoy-'Rohsignal' über
den gesamten Versuch, beispielhaft veranschaulicht in Abb. 8.1.1 (S.119) und Abb. 8.1.6
(S.124). Dann über eine Anordnung der EMuJoy-Bewertungen in den letzten beiden Sekunden,
aufgeschlüsselt nach anschließender Emotionsbenennung in Abb. 8.1.2 (S.120) und Abb. 8.1.3
(S.121) sowie auf individueller Basis in Abb. 8.1.5 (S.123, 1 Wert pro VP pro Emotion). Insbesondere die letzte Graphik machte deutlich, dass auch die unteren beiden Quadranten des
zweidimensionalen Bewertungsraums (Absinken der Erregung) gerade für die neutralen Filmclips sowie die mit der Zielemotion Freude und Trauer genutzt wurden. Statistisch abgesichert
wurden Unterschiede zwischen den Emotionen in 9.1.1 (S.137) mittels einer Varianzanalyse mit
Messwiederholung, bei der sich im univariaten Einzelvergleich auf der Valenzdimension Freude
signifikant von dem neutralen Filmclip sowie den Emotionen mit negativer Valenz unterschied,
und auf der Arousaldimension Trauer und Freude von Ekel, Wut und Angst sowie der neutralen
Bedingung. Von den drei negativen Emotionen Ekel, Wut und Angst unterschieden sich nur
Ekel und Angst signifikant bezüglich der Valenz (Ekel wird als unangenehmer beurteilt als
Angst), der Unterschied zwischen Ekel und Wut ist mit p=.085 im univariaten Vergleich höchstens tendenziell signifikant. Auf der Arousal-Dimension sind hier nur Wut und Angst verschieden
(Angst geht mit höherer Erregung einher).
Schließlich wurden die erhaltenen Gruppenmittelwerte und ihr Interquartilbereich in zwei im
Theorieteil besprochene Graphiken zur Anordnung der Emotionen im zweidimensionalen Raum
von Valenz und Erregung eingefügt – dem Circumplex-Modell von Russel und der Verteilung
der IAPS-Bewertungen nach Bradley & Lang (Abb. 9.1.2 und Abb. 9.1.3, S.135 und 136). Die
Anordnung der EmuJoy-Werte war in beiden Fällen mit der vorgegebenen Aufteilung weitestgehend vereinbar, allerdings fiel auf, dass Ekel nach Russell nur mit geringer Erregung verbunden sein soll, während die IAPS-Bewertung etwa für das Bild 'verstümmeltes Gesicht' ( engl.:
176
DISKUSSION DER ERGEBNISSE – 10.2 PHYSIOLOGISCHE VERÄNDERUNGEN
mutilated face) nahezu dem Mittelwert der EMuJoy-Bewertung entsprach. Hier könnte zum
Tragen kommen, dass Russell und Kollegen die momentane emotionale Stimmung häufig ohne
weitere Emotionsinduktion erfragt haben (Feldman Barrett & Russell, 1998; Yik et al., 1999).
Gegenüber beiden Modellen war Trauer im vorliegenden Versuch mit einem deutlich erhöhten
subjektiven Erregungsniveau verbunden. Selbst für den nach Eindruck des Autors 'ruhigsten'
Filmclip für die Zielemotion Trauer, der Szene aus The Champ, in der ein Junge den Tod seines
Vaters, eines Boxers beweint, und der für die detaillierte Auswertung über die Zeit ausgewählt
wurde, findet sich ein gegenüber der neutralen Bedingung erhöhtes Erregungsniveau (s. Abb.
9.4.2, S.162). Filmclips werden generell intensiver erlebt als statische Bilder (Rottenberg et al.,
2007), und alle drei Trauer-Filmclips zeigten weinende Menschen (bei zwei über den Tod einer
geliebten Person), deren Anblick und Schluchzen sicherlich aufwühlender wirken als das in der
IAPS-Graphik aufgeführte 'Friedhofs'-Bild. Im weiteren Verlauf pendelte sich das Arousal-Rating
des beispielhaft aufgeführten Trauer-Clips The Champ in Abb. 9.4.2 auf ein relativ konstantes
Niveau von um die .2 ein, während es für alle anderen emotionalen Filmclips hier höher lag.
Die generell hohe Korrelation von Erregungs- und Valenzbewertung (r=.586, p<.000) im
vorliegenden Versuch ist vielleicht auch darauf zurückzuführen, dass Filmclips mit negativen
Zielemotionen überwiegten. Nimmt man nur die Bilder mit negativer Valenz, ergibt sich für das
IAPS-Set eine ähnlich hohe Korrelation der beiden Dimensionen (s. 9.1, S.134). In der Auswertung wurde dieser Covariation dadurch Rechnung getragen, dass für alle physiologischen Parameter neben der bivariaten auch die Partialkorrelationen mit der jeweiligen Dimension angegeben wurde, also eine um den Einfluss der anderen Bewertungsdimension bereinigte Korrelation.
10.2 Physiologische Veränderungen
Die Präsentation der emotionalen Filmclips führte bei allen gemessenen Signalen zu einer Veränderung gegenüber der neutralen Bedingung, wobei Art und Ausmaß allerdings erwartungsgemäß je nach Signal und Kennwert variiert. Daher werden die einzelnen Signale jedes für sich
diskutiert, wobei auch hier die Reihenfolge der Datenaufbereitung beibehalten wird, also zunächst Hautleitfähigkeit, Gesichtsmuskelaktivität und dann Augenbewegungen besprochen
werden, die unter 1.5 einen eigenen Abschnitt bekommen.
10.2.1 Hautleitfähigkeit
Für Hautleitfähigkeit waren vier Kennwerte gebildet worden: einmal die durchschnittliche und
maximale Amplitude sowie Frequenz der elektrodermalen Reaktionen (kurzzeitige Anstiege,
abgekürzt EDR), zum anderen der tonische Kennwert Hautleitfähigkeitsniveau oder -level als
Mittelwert des gefilterten Rohsignals über einen bestimmten Zeitraum. In diesen Mittelwert gehen dabei die kurzzeitigen Anstiege mit ein. Diese Tatsache zusammen mit der Auswertung
über 10-Sekunden-Zeitfenster kann auch erklären, warum bei einer Mittelung über den gesamten Zeitraum in 9.2.1 (S.139) das Hautleitfähigkeitsniveau bei Ekel keinen statistisch signifikan-
177
DISKUSSION DER ERGEBNISSE – 10.2 PHYSIOLOGISCHE VERÄNDERUNGEN
ten Unterschied zum Baseline-Wert zeigt: Wie in Abb. 9.4.3 (S.163) erkennbar, sinkt das
Hautleitfähigkeitsniveau wie bei allen negativen Emotionen zunächst ab, um dann im letzten
Drittel (die Ratte gelangt in den Mund des Schlafenden) über das Ausgangsniveau anzusteigen,
so dass der Gesamtmittelwert nicht sehr stark von der Baselinebedingung abweicht. Der
Kennwert maximale Amplitude einer EDR ist bei der Auswertung ohne Berücksichtigung des
zeitlichen Verlaufs für alle Zielemotionen signifikant verschieden von den neutralen Filmclips
und zeigt sich dabei sensitiver als die durchschnittliche Amplitude oder die Frequenz der EDRs.
Besonders für Angst und Ekel ist die maximale Amplitude bei der Auswertung über alle
Filmclips (Abb. 9.2.1, S.139) sehr stark erhöht. Den entsprechenden Filmclips in der 10Sekunden-Auswertung ist gemeinsam, dass dort plötzlich unvorhergesehene Ereignisse
(Leiche im Zimmer, Ratte im Gesicht) auftreten, ähnlich wie im Freude-Clip Harry & Sally die
Frau im Restaurant unerwarteterweise orgasmusähnlich zu stöhnen anfängt, was ebenfalls zu
einem Anstieg der Hautleifähigkeitswerte führt. Ansonsten ist die EDA nach einer leichten
Erhöhung in den ersten Sekunden vorwiegend durch ein Absinken im weiteren Filmverlauf
gekennzeichnet (beispielhaft am Rohsignal einer Versuchsperson in Abb. 9.2.2, S.141
dargestellt), wobei dieses Absinken für negative Emotionen ausgeprägter ist als für Freude (s.
Abb. 9.4.3, S.163), selbst wenn die dargestellten Szenen alles andere als entspannend sind,
etwa der Angriff auf die Demonstranten im Wut-Clip Cry Freedom. Womöglich ist hier für den
Anstieg der Hautleitfähigkeit die Voraussehbarkeit von Ereignissen entscheidender als die
'Spannung' der Handlung an sich bzw. zeigt die Valenz-Einschätzung vor allem dann eine
Auswirkung auf die Amplitude der Hautleitfähigkeitsreaktion, wenn etwas abrupt passiert. Bei
den Clips zu Freude, Ekel und Angst treten die Ereignisse unerwartet ein, bei Wut und Trauer
ist die Entwicklung graduell bzw. frühzeitig absehbar. Der starke Anstieg der Hautleitfähigkeit
bei Angst gegenüber Wut hat seine Entsprechung in der subjektiven Erregungsbewertung, die
ebenfalls einen signifikanten Unterschied zwischen diesen beiden Emotionen aufweist (s. Tab.
9.2.1, S.140). Betrachtet man den Verlauf der Kurven für die beiden ausgewählten Filmclips, so
steigt die Selbstbewertung vor allem ab Sekunde 120 noch mal an, dem Zeitpunkt, ab dem
auch das Hautleitfähigkeitsniveau deutlich zunimmt (Abb. 9.4.2, S.162 und Abb. 9.4.3, S.163).
Wie am Rohsignal in Abb. 9.2.2 (S.141) zudem erkennbar, führt der 'Szenenwechsel' nach
Ende eines Filmclips zusammen mit dem Angesprochen werden durch den Versuchsleiter und
die reale soziale Interaktion bei der Emotionsbenennung sofort wieder zu einem starken Anstieg. Bradley & Lang beschränken sich bei ihrer Auswertung der Hautleitfähigkeit auf den Anstieg in den ersten Sekunden im Anschluss an den Präsentationsbeginn eines IAPS-Bildes (z.B.
Lang et al., 1993; Bradley & Lang, 2000), bei dem die emotionale Bedeutung unmittelbar erkennbar ist, und kommen dort zu einem stärkeren Anstieg bei negativen als bei positiven oder
neutralen Bildern. Sie erwähnen aber auch einen Abfall des Hautleitfähigkeitsniveaus bei längerer Darbietung (Bradley et al., 1996; Lang et al., 1993; Smith et al., 2005). Ähnliches berichten
Palomba et al. (2000), die auch einen starken zwischenzeitlichen Anstieg bei ihrem EkelFilmclip (Operationsaufnahmen) finden.
178
DISKUSSION DER ERGEBNISSE – 10.2 PHYSIOLOGISCHE VERÄNDERUNGEN
10.2.2 Gesichtsmuskelaktivität
Gesichtsmuskelaktivität zeigt wie in anderen Studien auch (Cacioppo, Berntson et al., 2000)
den engsten Bezug zum emotionalen Gehalt der Filmclips, sowohl bei einer Auswertung über
alle Filmclips nach Zielemotion ( Abb. 9.2.3, S.142) als auch bei der Analyse des zeitlichen Verlaufs: Für negative Emotionen weist der musculus corrugator supercilii von Beginn an eine
leicht erhöhte Aktivität auf, die mit Intensität der Handlung zunimmt, während er bei positiven
Emotionen etwas unter dem Ausgangsniveau bleibt (s. Abb. 9.4.4, S.164). In diesem Fall sind
der musculus zygomaticus major und der musculus orbicularis oculi stark angespannt. Beide,
insbesondere aber der Augenringmuskel, zeigen jedoch auch bei Ekel eine leicht erhöhte Aktivität, was auch Tassinary & Cacioppo (1992) oder Bradley et al. (2001) berichten.
Ob Gesichtsmuskelaktivität deshalb ein notwendiger Bestandteil einer jeden Basisemotion
ist, wie Ekman es behauptet (s. 3.4.1, S.59), lässt sich mit den vorhandenen Ergebnissen sicher
nicht beantworten, auf jeden Fall sprechen sie eher gegen Russells Auffassung (s. 3.4.2, S.60),
dass Gesichtsausdrücke rein kommunikative Funktion haben: Der Versuchsraum war abgedunkelt, der Versuchsleiter befand sich im hinteren Teil und war während der Reizpräsentation
nicht zu sehen, so dass es für die Versuchspersonen keinen unmittelbaren Anlass gab, emotionale Mimik zu zeigen. Ein Verfechter der Kommunikations-Hypothese würde vermutlich entgegnen, dass in den dargestellten Filmclips auch Menschen zu sehen waren, es sich also um
'pseudo-soziale' Situationen handelte, aber diese Sichtweise ließe sich ins Beliebige erweitern –
auch das Lesen eines Briefes oder Zeitungsartikels könnte als 'pseudo-sozial' dargestellt werden, wenn der Autor als imaginärer Dialogpartner verstanden wird. Festzuhalten bleibt, dass
Gesichtsmuskelaktivität sich als guter Indikator emotionaler Zustände erwiesen hat, wie von
Ekman propagiert.
10.2.3 Herzaktivität
Die Herzrate weist schon bei den 'klassischen' IAPS-Versuchanordnungen mit der Präsentation
einer emotionalen Photographie und anschließender Bewertung den komplexesten Verlauf der
bisher besprochenen physiologischen Signale auf: Auf ein Absinken in den ersten beiden Sekunden erfolgt ein anschließender Wiederanstieg und darauf ein erneutes Absinken innerhalb
der ersten zehn Sekunden, wobei das Absinken für negative Reize am stärksten und der Wiederanstieg dort am schwächsten ist (Bradley & Lang, 2000). Bei Darbietung mehrerer Bilder in
einer Serie wird der Herzratenabfall für negative Emotionen schwächer (Smith et al., 2005). Es
ist daher nicht weiter verwunderlich, wenn für eine Auswertung über alle Filmclips hinweg die
Veränderungen in der Herzrate nur als Absinken gegenüber der vorausgegangenen neutralen
Bedingung signifikant sind (Tab. 9.2.6, S.146), nicht aber zwischen Emotionen unterscheidet.
Bei der Analyse des zeitlichen Verlaufs in 10-Sekunden-Fenstern (Abb. 9.4.6 S. 165) lässt sich
zumindest bestätigen, dass der initiale Abfall in den ersten 20 Sekunden für Angst, Ekel und
Trauer stärker ist als für Freude oder Wut, bei der der entsprechende Filmclip Cry Freedom zu
der Zeit noch eine ausgelassen-friedliche Demonstration ohne negativen Beiklang zeigt. Brad-
179
DISKUSSION DER ERGEBNISSE – 10.2 PHYSIOLOGISCHE VERÄNDERUNGEN
ley & Lang fassen den eingangs geschilderten Ablauf als 'Defensiv-Kaskade' zusammen (s.
3.4.3.3, S.66), bei der während der ersten Sekunden die geeignete Reaktion 'Kampf oder
Flucht' ausgewählt wird. Den sehr geringen Herzratenabfall im weiteren Verlauf des Wut-Clips
(sie pendelt um 99-100% des Baseline-Niveaus) könnte man demzufolge als Tendenz zur
'Kampf'-Reaktion, einhergehend mit sympathischer Aktivierung, interpretieren19, hätte aber
Schwierigkeiten zu erklären, wieso der Verlauf für Angst ('Flucht'-Reaktion) nicht ähnlich aussieht, sondern signifikant darunter bei 98-96% der Baselinebedingung bleibt. Lediglich Trauer
ist durch eine konstant geringere Herzrate von 96-95% Ausgangsniveau gekennzeichnet.
Der von Ekman und Levenson wiederholt beschriebene generelle Herzratenanstieg für alle
Emotionen bis auf Ekel beim Nachstellen emotionaler Gesichtsausdrücke (Ekman et al., 1983;
Levenson et al., 1990, 2002) oder Vorstellen emotionaler Episoden (Rainville et al., 2006) konnte dementsprechend nicht repliziert werden. Nyklicek et al. (1997) ermittelten bei der Emotionsinduktion mittels Musikstücken ebenfalls einen durchgehenden Abfall der Herzrate, der auch
hier für Trauer am stärksten ist. Die Herzratenverlangsamung bei Trauer wird auch von Kreibig
et al. (2007) bestätigt, allerdings kommt es in ihrer Studie bei Angst zu einem Anstieg. Im vorliegenden Versuch ist lediglich ein relativer Anstieg vom Niveau im vorhergehenden Zeitfenster
für Ekel, Angst und Freude festzustellen, analog zu dem bei für die Hautleitfähigkeit beschriebenen Verlauf, wenn nämlich in den jeweiligen Filmclips ein unvorhergesehenes Ereignis eintritt
(Ratte im Gesicht des Mannes bei Sekunde 50 des Ekel-Clips, Auftauchen der ersten Leiche im
Angst-Clip um Sekunde 120, auffallendes Gestöhne im Freude-Clip ab cirka Sekunde 100).
Die Entwicklung des Freude-Clips von harmloser Konversation in eine amüsantungewöhnliche Showeinlage spiegelt sich auch in der Zunahme der Streuung der Inter-BeatIntervalle (SDNN) wider: Freude ist die einzige Emotion, bei der die Streuung nach einem starken Absinken auf cirka 70% des Ausgangsniveaus in der zweiten Hälfte des Filmclips wieder
ansteigt. Auch dieser Anstieg ist bei einer Auswertung über alle Filmclips nicht signifikant (Tab.
9.2.6, S.146), wohl aber bei der Aufschlüsselung in 10-Sekunden-Zeitfenster (s. Tab. 9.4.2,
S.160): hier unterscheidet SDNN Freude signifikant von Trauer, Wut oder Angst. Der Ekel-Clip
dauerte nur knapp siebzig Sekunden, weshalb für eine Gegenüberstellung der SDNN-Verlaufs
ab cirka Sekunde hundert keine Werte vorlagen. Die Streuung der IBIs gilt als Kennwert der
Herzratenvariabilität, der sowohl vom Sympathikus als auch vom Parasympathikus beeinflusst
wird (Allen, 2002), wohingegen die mittlere absolute Differenz aufeinanderfolgender IBIs (MSD)
in erster Linie auf parasympathische Einflüsse zurückgehen soll (Allen et al., 2007). Der Kennwert MSD hatte in der vorliegenden Studie anders als SDNN keinen signifikanten Effekt des
Innersubjektfaktors Emotion gezeigt, weder bei der Auswertung über alle Filmclips (Tab. 9.2.6,
S.146) noch bei Mittelung in 10-Sekunden-Fenster (s. Tab. 9.4.2, S.160). Ein Rechenfehler bei
der Ermittlung des MSD-Wertes kann nach erneuter Prüfung der Auswertungsroutinen ausge-
19
Auf die Tatsache, dass im Wut-Filmclip hektisch fliehende Menschen zu sehen sind, kann der relative Anstieg nicht
zurückzuführen sein, denn der Anblick rennender Personen führt nicht zu einem Herzratenanstieg beim Beobachter
(Paccalin & Jeannerod, 2000).
180
DISKUSSION DER ERGEBNISSE – 10.3 UNTERSCHIEDE ZWISCHEN EINZELNEN EMOTIONEN
schlossen werden20, und auch der Verlauf der Hautleifähigkeit in Abb. 9.4.3 (S.163) macht deutlich, dass Freude durch eine Zunahme sympathischer Aktivität gekennzeichnet ist. Der Kennwert SDNN verdeutlicht den Einfluss dieses Astes des Autonomen Nervensystems auf die Herzratenvariabilität. Dass der Einfluss des Parasymphatikus insgesamt größer ist und als eine 'vagale Bremse' im Sinne Porges wirkt (s. 4.3.2.1, S.81) lässt sich an der insgesamt leicht verlangsamten Herzrate über alle Emotionen hinweg erkennen.
10.3 Unterschiede zwischen einzelnen Emotionen
Die Wiederzunahme in der Streuung der Herzschlagintervalle nach anfänglichem Absinken
unterscheidet in der Auswertung in 10-Sekunden-Fenstern die positive Emotion Freude von den
negativen Trauer, Ekel, Wut und Angst. Bei einer Auswertung über alle Filmclips (1 Wert pro
Zielemotion pro VP) bleibt dieser Unterschied in Form eines geringeren SDNN-Abfalls zum
Ausgangsniveau für Freude zwar bestehen (s. Abb. 9.2.4, S.145), ist aber in keiner Weise statistisch signifikant. Eindeutiger sind da schon die Veränderungen in der Gesichtsmuskelaktivität:
Bei beiden Auswertungsansätzen sind negative Emotionen durch Zunahme der Aktivität des
musculus corrugator supercilii gekennzeichnet, bei Ekel ist darüber hinaus noch der musculus
orbicularis oculi und der musculus zygomaticus major leicht aktiviert (cirka 110% Ausgangsniveau), die allerdings deutlich stärker bei der positiven Emotion Freude aktiv sind (> 150% Ausgangsniveau), wo wiederum der Corrugator-Muskel eher entspannt wird (95-100% Ausgangsniveau). Die Auswertung über die Zeit ermöglicht dabei zusätzlich eine Unterscheidung im Verlauf: während die Corrugator-Anspannung bei Trauer, Wut und Angst eher langsam ansteigt,
nimmt sie bei Ekel abrupt zu, und diese Entwicklung findet sich auch im subjektiven Valenzund Arousalrating (s. Abb. 9.4.1 und Abb. 9.4.2, S.162). Das kann natürlich an Besonderheiten
der ausgewählten Filmszenen liegen, aber in zahlreichen anderen Spielfilmen, die das Thema
Angst bzw. Wut und Rache thematisieren, gibt es ähnlich eine länger andauernde Entwicklung
von friedlich-harmlos hin zu angsteinflössend oder wuterregend. Ekel wiederum kommt auch im
Alltag, wenn er von einem Anblick oder Geruch hervorgerufen wird, zumeist sehr abrupt auf.
Wut und Angst lassen sich eher schlecht voneinander unterscheiden. Der starke Anstieg
der Hautleitfähigkeit zum Ende des Angst-Clips (Halloween) ist zunächst Besonderheiten der
Filmhandlung geschuldet, dem plötzlichen Auftauchen der Leichen. Andererseits zeigt Angst
auch bei der Auswertung über alle drei Filmclips zusammen die größte maximale Amplitude
einer Hautleitfähigkeitsreaktion, statistisch signifikant höher als bei Wut (s. Abb. 9.2.1, S.139
und Tab. 9.2.1, S.140), und bei allen Filmclips mit der Zielemotion Angst gibt es Momente, in
denen der oder die Hauptdarsteller eine Tür aufstößt, hinter der etwas Bedrohliches zu lauern
scheint. Eventuell sind solche 'Schreckmomente' notwendig, um die Angst aufrecht zu erhalten,
ansonsten würde sich die Ungewissheit der Situation ins Harmlose verlaufen. Wenn diese Spekulation richtig sein sollte, böten sich auffallend große EDA-Reaktionen als zusätzliches Unter20
Die beiden Kennwerte waren in dem entsprechenden Matlab-Skript wie folgt definiert: SDNN= std(IBI);
MSD=mean(abs(diff(IBI))); wobei IBI ein Vektor mit Inter-Beat-Intervallen in Millisekunden war.
181
DISKUSSION DER ERGEBNISSE – 10.4 PHYSIOLOGIE UND SELBSTBEWERTUNG WÄHREND DES
SCHAUENS
scheidungsmerkmal von Wut und Angst an. Eine andere Möglichkeit wäre die Hinzunahme
einer weiteren Bewertungsdimension: das Self-Assessment-Mannikin von Bradley & Lang hat
als dritte Dimension 'Dominanz' (Lang et al., 2005), in der die Figur entweder ganz klein und
unscheinbar oder sehr groß gezeichnet wird, in einer neueren Version sogar mit verschränkten
Armen und betont großen Augenbrauen. Die Autoren bezeichnen diese Darstellung selbst als
als 'assertive, aggressive look'. (S.2 ebd.). In gewisser Weise spiegelt das Piktogramm damit
auch den Unterschied zwischen einer 'Flucht'- oder 'Kampf'-Reaktion wider.
Trauer als 'passive' negative Emotion hat Wut, Angst und Ekel gegenüber ein deutlich niedrigeres subjektives Erregungsniveau, was sich auf physiologischer Ebene durch ein durchgehendes Absinken der Hautleifähigkeit auf das für alle Emotionen insgesamt niedrigste Niveau
sowie eine weitestgehend gleich niedrig bleibende Herzrate (95-96% Ausgangsniveau) ausdrückt. Beide Veränderungen sind allerdings nur bei einer Auswertung über die Zeit statistisch
signifikant, und dort bei der Herzrate nicht für den Vergleich Ekel-Trauer (s. Tab. 9.4.2, S.160).
Dass bei den Trauer-Clips ein geringerer Bedarf an visueller Information besteht als bei den
übrigen Emotionen, der Lidschlag also weniger gehemmt werden muss, deutet sich in der Auswertung über alle Filmclips zwar an, (s. Abb. 4.3.2), ist aber ebenfalls nur bei einer Auswertung
über die Zeit signifikant, und dort dann nicht für den Unterschied Trauer-Angst (s. Tab. 9.4.2
S.160, Variable 'Blink Intervall' sowie Abb. 4.4.11).
10.4 Physiologie und Selbstbewertung während des Schauens
Den engsten Zusammenhang zu den kontinuierlichen Selbstbewertungen zeigt die Gesichtsmuskelaktivität mit Korrelationen um die r=.4-.5 für die Valenzdimension bei einer Auswertung
über alle Filmclips ohne Berücksichtigung des zeitlichen Verlaufs (s. Tab. 9.3.6, S.156). Bei der
Auswertung über 10-Sekunden-Zeitfenster sinken diese Werte auf r=.35 (Tab. 9.4.3, S.170).
Für die anderen Kennwerte Hautleitfähigkeit, Herzaktivität und Augenbewegungen zeigt sich ein
ähnliches Bild: Die Korrelation zwischen den pro Emotion zusammengefassten Werten und
dem subjektiven Rating zum Ende (=Mittelwert in den letzten beiden Sekunden, s. 8.1.4.2, S.
121) einer solchen emotionalen Episode ist höher als die Korrelation der Verlaufswerte. Dabei
ist zu berücksichtigen, dass die Filmclips so ausgewählt wurden, dass sie effektiv eine bestimmte Emotion hervorrufen und den Zuschauer am Ende des Clips mit dieser Emotion 'zurücklassen'. Dass das subjektive Rating in den letzten zwei Sekunden deutlicher ist als zu Beginn eines Films, ist daher nicht weiter verwunderlich, ebenso wie die Gesichtsmuskelaktivität am Ende eines Filmclips ihre stärkste Ausprägung hat (s. Abb. 9.4.4 und Abb. 9.4.5 S. 164). Etwas
subtilere oder nur vorübergehende Veränderungen im Verlauf der emotionalen Wirkung, etwa
die zunächst positive Bewertung der der Demonstration im Wut-Clip (s. Abb. 9.4.1, S.162, die
rote Linie bis Sekunde 50), gehen bei einer solchen Beschränkung auf den Wert am Ende allerdings verloren, obwohl sie gerade für Reizmaterial, das nicht ausschließlich auf eine Emotion
abzielt oder bei dem noch nicht klar ist, wie es wirkt, relevant sein können.
182
DISKUSSION DER ERGEBNISSE – 10.4 PHYSIOLOGIE UND SELBSTBEWERTUNG WÄHREND DES
SCHAUENS
Dennoch mag es ein wenig enttäuschend wirken, dass sich die Unterschiede zwischen den
Emotionen, die in den Varianzanalysen für EMuJoy-Rating wie physiologische Signale gleichermaßen klar herauskommen und auch in der graphischen Darstellung von Mittelwerten in
10-Sekunden-Zeitfenstern relativ deutlich aussehen (s. Abb. 9.4.1 bis Abb. 9.4.11, ab S. 162),
sich nicht in höheren Korrelationen von physiologischen Variablen und Selbstbewertung ausdrücken, selbst wenn diese nach Emotionen getrennt ermittelt werden (s. Tab. 9.4.4 S.171).
Nimmt man Tab. 9.4.3 (S.170) und insbesondere Tab. 9.4.4 (S.171) als Referenz, so sind die
Werte so niedrig, dass neben Gesichtsmuskelaktivität kein Parameter allein als indikativ für
einen subjektiv eindeutig emotionalen Zustand gesehen werden kann. Dabei behaupten etwa
Rainville et al. (2006) schon im Titel ihrer Arbeit Basic emotions are associated with distinct
patterns of cardiorespiratory activity. Auf die Ergebnisse dieser Studie und die Aussagekraft der
ermittelten kardiorespiratorischen Muster wird in der Allgemeinen Diskussion (Kap. 11, ab
S.185) detailliert eingegangen.
Gleichzeitig haben die den Signalen Hautleitfähigkeit, Herzaktivität und Augenbewegungen
zugrunde liegenden Systeme primär andere Funktionen als der Ausdruck oder die Kommunikation von Emotionen – Herz und Augen sind dazu da, die Blutzirkulationen bzw. die Verarbeitung
visueller Informationen sicherzustellen, und Emotionen haben hier höchstens modulierenden
Einfluss. Das Bewerten von Reizen auf den Dimensionen Erregung und Valenz andererseits ist
eine überwiegend kognitiv vermittelte Aufgabe, und vermeintlich an sich wahrgenommene Veränderungen im Erregungsniveau müssen nicht tatsächlich stattgefunden haben (hier sei an
Damasios 'Als-Ob'-Körperschleife erinnert, s. 2.3.4, S.39). Daher ist eine sinnvollere Interpretation der vorliegenden Korrelationen vielleicht, dass eine Emotion dann angenommen werden
kann, wenn die überwiegend 'autonomen' Systeme beginnen, Bezug zur bewussten Bewertung
zu zeigen, man als entscheidende Tatsache also weniger die Höhe, sondern das Bestehen
einer statistisch bedeutsamen Korrelation heranzieht. Eine solche Auswirkung der Filmhandlung
auf den Zustand der Versuchsperson über einen längeren Zeitraum hinweg – anders als bei
den typischen Studien mit IAPS-Bildern wurden im vorliegenden Versuch nicht Veränderungen
innerhalb der ersten Sekunden nach Reizbeginn, sondern über mehrere 10-Sekunden-Fenster
hinweg untersucht – gelang für jeden der zur detaillierten Analyse ausgewählten Filmclips (s.
Tab. 9.4.4, S.171). Tab. 9.4.4 macht auch deutlich, dass diese Veränderung nicht für alle Emotionen gleich aussehen müssen: Für Freude, Trauer und Angst zeigt sich der zu erwartende
Herzratenveränderung mit steigender Valenzbewertung eher als für Wut und Ekel.
Analog zu den Unterschieden zwischen Emotionen dürften auch Unterschiede in den Reaktionslatenzen der einzelnen Signale sowie Versuchspersonen zu erwarten sein, was bei einer
Auswertung von Verlaufswerten alles zu einer insgesamt niedrigen Korrelation führt. Unterschiedlichen Ausgangsniveaus einzelner Versuchspersonen oder emotionsunabhängigen Veränderungen mit zunehmender Versuchszeit (time-on-task-Effekt) wurde in dieser Studie dadurch zu begegnen versucht, dass die Werte für einen emotionalen Filmclip am jeweils vorausgegangenen neutralen Filmclip und nicht nur an einer Ruhemessung zu Beginn des Versuchs
183
DISKUSSION DER ERGEBNISSE – 10.5 AUGENBEWEGUNGSKENNWERTE
baseline-korrigiert wurden. Die Wirksamkeit dieser Korrektur zeigt sich daran, dass die Korrelation mit den korrigierten Variablen in den jeweiligen Tabellen (Tab. 9.2.2, Tab. 9.2.4, Tab. 9.2.8,
Tab. 9.3.3, Tab. 9.3.5, S. 141, 144, 148, 152, 155) immer höher ist als die mit den nicht baseline-korrigierten Varianten. Ähnlich wäre vielleicht auch eine Standardisierung der verschiedenen
Reaktionslatenzen nötig, etwa über die Bestimmung individueller Kreuzkorrelationen, sowohl
auf Signal- als gegebenenfalls auch auf Versuchspersonenebene. Eine andere Möglichkeit
wäre die Unterteilung der Stichprobe gemäß ihres vagalen Tonus (Butler et al., 2006; Palomba
et al., 2000) oder Art der Emotionsregulation (Demaree et al., 2006), denn auch dieser Faktor
dürfte bei einer Entwicklung in Minutelänge verstärkt zum Tragen kommen und sich auf das
Ausmaß der körperlichen Veränderung sowie deren bewusste Bewertung auswirken.
10.5 Augenbewegungskennwerte
Die Augenbewegungskennwerte zeigen vermutlich in erster Linie einen Bezug zum visual load
der emotionalen Filmclips: das Lidschlagintervall ist gegenüber der neutralen Bedingung deutlich erhöht, spontane Lidschläge also gehemmt, um ohne Unterbrechung visuell Informationen
verarbeiten zu können. Dies gilt sowohl bezüglich der Auswertung ohne Berücksichtigung des
zeitlichen Verlaufs als auch bei der Darstellung in 10-Sekunden-Zeitfenstern (s. Abb. 9.3.2, S.
153 und Abb. 9.4.11, S.169), wobei sich zusätzlich Unterschiede je nach Intensität der Handlung zeigen: Für Ekel ist die Hemmung und damit die Verlängerung des Intervalls zwischen
zwei Lidschlägen von Beginn an ziemlich hoch (>200% Ausgangsniveau), bei Trauer und Angst
liegt es anfangs um die 150% des Ausgangsniveaus, wo es für Trauer auch bleibt, da im zugehörigen Filmclip relativ wenig passiert, während es für Angst zum Ende hin auf ebenfalls bis zu
200% ansteigt.
Erhöhter visueller Verarbeitungsbedarf drückt sich bei den Sakkaden in geringeren Intervallen, also mehr Blicksprüngen aus, und auch dieser Unterschied ist bei der Auswertung über alle
Filmclips (1 Wert pro VP pro Emotion) gegenüber der neutralen Bedingung signifikant, bei Berücksichtigung des zeitlichen Verlaufs allerdings weniger eindeutig (s. Anhang 14.5.1, S.220).
Sakkaden- und Lidschlagintervall sind so eher mittelbar Indikatoren subjektiver Erregung: Die
Filmszenen werden häufig dann aufregend, wenn in ihnen viel passiert, was wiederum eine
intensive visuelle Verarbeitung erfordert, und dadurch zur Hemmung spontaner Lidschläge sowie zu vermehrten Sakkaden führt. Auch Eckert (2007) berichtet einen Rückgang von Lidschlägen im Anschluss an einen Filmschnitt sowie einen Zusammenhang von Lidschlaghemmung
und subjektiver Spannung beim Schauen des Spielfilms Schweigen der Lämmer. Da emotionale Reize, insbesondere solche mit negativer emotionaler Valenz, zu einer Herzratenverlangsamung führen, ging im vorliegenden Versuch die Verlängerung der Lidschlagintervalle mit einer
Abnahme der Herzschlagrate einher, wobei diese Korrelation höher ist als der Bezug beider
Parameter zur subjektiven Erregung (r=-.3 für die Auswertung über alle Filme, r=-.174 für die
Auswertung in 10-Sekunden-Fenster, s. Tab. 9.3.6, S.156 und Tab. 9.4.3, S.170). Womöglich
ist hier das Lidschlagintervall eine Art Indikator für die von Porges geschilderte vagale Bremse
184
ALLGEMEINE DISKUSSION – 10.5 AUGENBEWEGUNGSKENNWERTE
(s. Kap. 4.3.2.1, S. 81). Das ventrale Vagus-System ermöglicht höheren kortikalen Bereichen
über kortikobulbäre Bahnen die Drosselung der Herzaktivität, wird von Porges inzwischen als
social engagement system aber weiter gefasst und soll auch Einfluss auf Mimik und Gestik
vermitteln (Porges, 2001). Die Hemmung des spontanen Lidchlags könnte mit darunter fallen.
Einen ähnlich engen Zusammenhang zu einem anderen physiologischen Parameter zeigen
lediglich die Sakkadengeschwindigkeiten zur Gesichtsmuskelaktivität, insbesondere der Aktivität des musculus orbicularis oculi sowie zymoticus major, der sich nicht nur in hohen Korrelationen (bis zu .5, s. Tab. 9.3.6), sondern auch in recht ähnlichen Verläufen über die Zeit ausdrückt.
Insbesondere die Entsprechungen in den Verlaufsgrafiken führten zu der Frage, inwieweit es zu
einem Übersprechen des EMGs auf das EOG-Signal kam. Die Elektroden für den horizontalen
EOG-Kanal waren in den Augenwinkeln angebracht (s. Abb. 7.4.2, S.113) und somit Einstreuungen durch die entsprechende Muskelaktivität durchaus möglich. Die untere Elektrode des
vertikalen Kanals lag vergleichbar nahe an beiden Muskeln, für Lidschlagkennwerte finden sich
jedoch nur deutlich niedrigere Korrelationen zum EMG, und die Beziehung zur Selbstbewertung
oder den anderen physiologischen Signalen verändert sich durch Herauspartialisieren des
EMG-Einflusses für sie weniger. Zudem wird im Rahmen der Sakkaden- und Lidschlagauswertung das EOG-Rohsignal zweifach tiefpassgefiltert, um solche EMG-Einstreuungen zu eliminieren (Hofmann, 2005). Der Zusammenhang von Sakkadengeschwindigkeiten und emotionaler
Gesichtsmuskelaktivität muss also kein reines Messartefakt sein, sondern könnte auf einer tatsächlichen Co-Aktivierung beider motorischer Systeme beruhen, ähnlich wie die Hautleitfähigkeit Korrelationen zwischen r=.3 (Auswertung über die Zeit, Tab. 9.4.3, S.170) und r=.5 (Auswertung über alle Filme ohne Berücksichtigung der Zeit, Tab. 9.3.6, S.156) mit der Gesichtsmuskelaktivität zeigt. Um dem Leser dennoch auf einen möglichen Scheinzusammenhang hinzuweisen, wurden die Korrelationen für Tab. 9.3.6, Tab. 9.4.3 und Tab. 9.4.4 mit den drei EMGSignalen als Kontrollvariablen erneut berechnet (die so reduzierten Tabellen finden sich im Anhang) und im Ergebnisteil alle Korrelationen der Augenbewegungskennwerte, die sich dadurch
auffällig verringerten, mit einem Fragezeichen versehen. Das Sakkaden- und Lidschlagintervall
sind davon nicht betroffen, die dazu getroffen Aussagen also weiterhin gültig. Inwieweit sich die
Geschwindigkeitskennwerte tatsächlich aufgrund des induzierten emotionalen Zustands verändern, kann vermutlich am ehesten durch die Erfassung mit einem getrennten Messsystem, etwa
einem Eyetracker, geklärt werden.
11 Allgemeine Diskussion
Die Ergebnisse dieser Studie lassen sich in etwa wie folgt zusammenfassen: Die gleichzeitige
kontinuierliche Selbstbewertung mittels EMuJoy bei der Präsentation von Filmclips funktioniert,
sowohl was die Induktion verschiedener Emotionen durch Filmclips betrifft, als auch, was die
Anordnung der zugehörigen Selbstbewertung im zweidimensionalen Raum von Valenz und
Erregung angeht. Auf physiologischer Ebene entspricht die Gesichtsmuskelaktivität dem dabei
zu erwartenden Muster, für Hautleitfähigkeit kommt es nur bei unerwarteten Ereignissen im
185
11 ALLGEMEINE DISKUSSION
Handlungsverlauf zu einem deutlichen Anstieg, und für Herzaktivität lassen sich bisherige Muster nur eingeschränkt replizieren. Die genannten Signale waren ausgewählt worden, weil sie die
'klassischen' Kennwerte in emotionspsychologischen Untersuchungen, insbesondere denen von
Bradley & Lang, darstellen, während zu anderen als indikativ geltenden Kennwerten, etwa der
Pulsvolumenamplitude (Kempter & Bente, 2004) oder der Pupillenerweiterung (Partala et al.,
2000; Partala & Surakka, 2003) vergleichbar weniger Studien vorliegen (Kreibig et al., 2007).
Letztere hätte zudem einen kontinuierlichen Abgleich mit den Helligkeitswerten des Reizmaterials notwendig gemacht (Kerkau, 2005). Als 'neues' Signal war in dieser Studie das EOG, also
Sakkaden und Lidschläge, hinzugenommen worden, die in erster Linie den visual load der jeweiligen Filmclips widerspiegeln.
Emotionen waren unter 3.5 im Theorieteil als ein Mechanismus zusammengefasst worden,
die dem Organismus die rasche Bewertung eines Ereignisses als 'gut' oder 'schlecht' ermöglichen und ihm gleichzeitig Impulse, die Situation zu seinen Gunsten zu verändern, lieferen. In
der kontinuierlichen subjektiven Bewertung ist dieses Prinzip wieder zu finden: Sowohl die angenehmen als unangenehmen Filmclips werden relativ konstant bezüglich ihrer Valenz bewertet, und je nach Art der Zielemotion bzw. der Entwicklung im Film steigt die subjektive Erregung
rasch (Ekel, Wut, Angst) oder mäßig an (Freude) bzw. pendelt sich auf einem niedrigen Niveau
ein (Trauer). Die Gesichtsmuskelaktivität reflektiert diese kontinuierliche Entwicklung. Sie ist
auch das physiologische System, das im Alltag neben der Sprache noch am meisten eingesetzt
wird, um emotionale Handlungstendenzen umzusetzen bzw. deutlich zu machen. Kampf/Flucht- oder Totstell-Reaktion, vermittelt durch Amygdala und Hirnstammkerne, sind im Verhaltensrepertoire sicherlich noch verfügbar, werden aber eher selten wirklich ausgeführt. Bradley &
Langs Versuchanordnung, den Versuchspersonen Bildreize, deren affektive Qualität unmittelbar
erkennbar ist, zu präsentieren, ist vermutlich besonders geeignet, diesen kurzzeitigen Impuls im
Rahmen einer Orientierungsreaktion erkennen zu lassen. In der Regel werden dabei nur die
ersten Sekunden nach Reizbeginn ausgewertet, wo sie pointiert hervortritt. So etwas ist bei
Filmreizen, bei denen sich die Emotion über längere Zeit entwickelt, wenig sinnvoll. Erkennbar
ist das Prinzip aber zumindest in der sich im Vergleich zur Herzrate relativ langsam verändernden Hautleitfähigkeit, die vor allem für den Angst-Clip stark ansteigt, sobald der Zuschauer
durch das Auftauchen der Leichen erschreckt wird (ab Sekunde 110 in Abb. 9.4.3, S.163).
Der Präsentation eines einzelnen Bildreizes gegenüber haben Filme wiederum den Vorteil
einer höheren ökologischen Validität, denn Menschen sind normalerweise einem kontinuierlichen Reizstrom, nicht einem statischen Einzelreiz ausgesetzt, und Emotionen entwickeln sich in
Auseinandersetzung mit diesen kontinuierlichen Reizen. Gleichzeitig kommt dann die Fähigkeit
zur Emotionsregulation durch Neubewertung der Situation oder Anpassung der eigenen Ziele
wesentlich stärker zum Tragen. Solche kurzzeitigen und situationsspezifischen Anpassungen
sind vielleicht der Grund für den eher uneinheitlichen Verlauf der Herzaktivität, von der auch
Bradley & Lang schon erwähnen, dass sie das Maß ist, das am meisten taktischen, also situationsabhängigen Einflüssen unterliegt. Zudem sind interindividuelle Unterschiede in der Fähigkeit
186
11 ALLGEMEINE DISKUSSION
zur Emotionsregulation wahrscheinlich. Um dennoch personenübergreifende und emotionsspezifische Muster zu erhalten, sind verschiedene Wege möglich. Einer, die Unterteilung der Stichprobe in sinnvolle Untergruppen, etwa gemäß ihres vagalen Tonus (Butler et al., 2006; Palomba
et al., 2000), war schon genannt worden. In diesem Fall ist die Herzrate nicht mehr ausschließlich abhängige Variable, die durch die Reizsituation beeinflusst wird, sondern ein a priori feststehender Faktor.
Eine andere Möglichkeit, besser zwischen den einzelnen Emotionen differenzieren zu können, ist die Erfassung von zusätzlichen Kennwerten der Herzaktivität, etwa bei Christie &
Friedmann (2004), Rainville et al. (2006) oder Kreibig et al. (2007), wobei letztere die vermutlich
umfangreichste Zusammenstellung an psychophysiologischen Variablen aufweisen. Damit ist
es ihnen möglich, aufgrund verschiedener Reaktionsprofile, die nicht allein auf einem Unterschied im Niveau der Parameter, sondern auf veränderter Verteilung der Werte eines Variable
beruhen, Angst und Trauer von der neutralen Bedingung und untereinander zu unterscheiden.
Ohne diese Interaktion von Kennwert-Verteilungsform und Emotion unterscheidet sich bei ihnen
lediglich Angst signifikant von der neutralen Bedingung. Alle drei Studien nutzen die Daten nach
diversen Transformationen (Baseline-Korrektur, Normalisierung) zur Erstellung von Klassifikationsgleichungen, mit denen aufgrund der Ausprägung der physiologischen Parameter die induzierte Emotion bestimmt werden soll. Christie & Friedmann (2004) spannen mit zwei ihrer vier
Diskrimanzfunktionen einen zweidimensionalen Raum auf, der mit seinen Dimensionen 'Annähern-Rückzug' und 'Aktivierung' dem Modell von Bradley und Lang ähnelt. Auf der Aktivierungsdimension lädt nach der Hautleitfähigkeit (positiv) der Herz-Kennwert MSD am stärksten (negativ), auf der Annähern-Rückzug-Dimension das Herschlagintervall. Allerdings unterscheidet sich
die Lage der induzierten Emotionen in diesem physiologischen Achsensystem deutlich von der
Lage in dem ebenfalls ermittelten zweidimensionalen Raum gemäß der subjektiven Selbstbewertung.
Kreibig et al (2007) machen keine spezifischen Angaben darüber, wie die physiologischen
Parameter in ihrer Diskrimanzfunktion gewichtet werden, außer dass die Gesichtsmuskelaktivität nicht mit einging. Rainiville et al. (2006) rechnen zunächst eine Faktorenanalyse über ihre
kardiovaskulären und respiratorischen Parameter, und nehmen diese Faktoren als Ausgangspunkt für die Diskrimanzanalyse, von der ebenfalls nur die Klassifikationsrate aufgeführt wird. In
der Faktorenanalyse selbst repräsentiert Faktor 1 überwiegend die Herzratenvariabilität, Faktor
2 mehr die Atmung, Faktor 3 die Varianz des mittleren Herzschlagintervalls und Faktoren 4+5
weitere Atmungsparameter. Fairerweise geben die Autoren an, dass die Hinzunahme von Hautleitfähigkeitskennwerten, die bei den anderen Studien berücksichtigt wurden, eigene, neue Faktoren produzierte, die wenig Überlappung mit Herzparametern zeigte. Je nach Zielemotion
187
11 ALLGEMEINE DISKUSSION
kommen die Studien auf Trefferaten zwischen 21-85%, wobei die Streuung mit der Anzahl insgesamt induzierter Emotionen steigt21.
Allerdings besteht bei den relativ geringen Stichprobenumfängen (bei Christie & Friedmann
gehen n=32 ein, bei Rainville et al. n=43, bei Kreibig et al. n=28) und der großen Anzahl von
Parametern, die zur Unterscheidung herangezogen werden, immer die Gefahr, dass die gefundenen Veränderungen auf Spezifika der untersuchten Stichprobe oder des Versuchsaufbaus
beruhen (Overfitting). Rainville et al. (2006) und Kreibig et al. (2007) versuchen, diese zu verringern, indem sie aus der Stichprobe, mit der die Funktion ermittelt wird, jeweils einen Fall herauslassen, und die Funktionen anschließend diesen (ihnen unbekannten) Fall klassifizieren
lassen (leave-1-out oder jacknife-Verfahren)22. Damit erhöht sich die statistische Validität der
ermittelten Klassifikationsfunktionen, andererseits wird in jedem Durchgang eine neue Klassifikationsfunktion erstellt, so dass nachher bis zu n verschiedene Funktionen vorliegen. Zur inhaltlichen oder studienübergreifenden Interpretation wäre jedoch eine Auflistung der generellen
Parametergewichtung wohl am ehesten geeignet.
Angesichts des methodischen Aufwands, der in den gerade zitierten Studien betrieben wird,
verwundert es, dass die Veränderungen immer nur als Mittelwert über den gesamten Zeitraum
(bei Kreibig et al. immerhin 10 Minuten pro Filmclip) bzw. die letzte Minute der 1-3 Minuten langen Filmclips bei Christie & Friedmann (2004) bewertet werden, nicht aber der Verlauf, obwohl
der Vorteil von Filmclips ja gerade darin liegt, dass eine Emotion sich entwickeln kann. Damit in
Zusammenhang steht eine andere Auffälligkeit, nämlich wie wenig Angaben zum konkreten
Inhalt der eingesetzten Filmclip gemacht wird. Zumeist wird die Zielemotion und ggf. noch der
Spielfilm, dem die Szenen entnommen sind, genannt, aber nicht, was dort wann passiert oder
warum der Film eine bestimmte Emotion auslöst. Bei Arbeiten, die sich mit der Auswahl geeigneter Filmclips befassen, wird zumindest der Inhalt kurz zusammengefasst (Gross & Levenson,
1995; Hagemann et al., 1999; Hewig et al., 2005). Wenn die Filmclips aber zur Emotionsinduktion eingesetzt werden, fehlt zwar nie der Hinweis auf die evolutionären Ursprünge der einzelnen Emotionen und die damit verknüpften Handlungsintentionen ('Kampf-/ Flucht- /TotstellReaktion'), wodurch sie mit dem Reizmaterial aber konkret hervorgerufen werden sollen, wird
nicht weiter erwähnt. Diese einseitige Betonung der entwicklungsgeschichtlichen Perspektive
bei der Interpretation emotionaler Reaktionen erinnert mitunter an frühere Strömungen in der
Psychologie, etwa den Behaviorismus oder die Blütezeit der Kognitionswissenschaft: beide
versuchten ähnlich, menschliches Verhalten und Erleben auf einen einzigen Aspekt, ReizReaktionsmuster oder mentale Operationen zu reduzieren, was beide Male ab einem gewissen
Punkt in eine Sackgasse führte. Auch das starke Interesse der Allgemeinheit am Thema Emoti-
21
Israel&Christie (2004): 21-62%, sechs Zielemotionen: Erheiterung (amusement), Zufriedenheit (contentment), Wut,
Ekel, Angst, Trauer, neutral.
Rainville et al. (2006): 72-82%, vier Zielemotionen: Freude, Trauer, Wut, Angst; 49% für leave-1-out-Test.
Kreibig et al (2007): 79-89%; drei Zielemotionen: Trauer, Angst, neutral; 64-75% für leave-1-out-Test.
22
'Fall' bedeutet nach Wissen des Autors für diese Art der Analyse jedoch zumeist 'eine Versuchsperson unter einer
Bedingung', so dass das Aktivierungsmuster derselben Versuchsperson für die übrigen Bedingungen
(=Zielemotionen) womöglich schon im Trainingsset vorhanden war.
188
11 ALLGEMEINE DISKUSSION
onen (der Gruner & Jahr-Verlag gibt z.B. inzwischen eine Art Lifestyle-Zeitschrit mit dem Titel
'Emotion' heraus23) könnte mit darin begründet sein, dass viele Menschen sich zuvor auf computerähnliche 'Denkapparate' reduziert sahen und die subjektiv-affektive Komponente vermissten, etwa wenn Oatley & Johnson-Laird Freude als 'Erreichen eines Unterziels' charakterisierten
(s. Tab. 3.1.1, S.45). Die Neurowissenschaften müssen in diesem Zusammenhang womöglich
aufpassen, dass sie nicht auf eine ähnliche Weise in eine Sackgasse geraten oder zumindest
das öffentliche Interesse an ihrem Forschungsfeld verspielen, wenn sie behaupten, menschliches Erleben und Verhalten jetzt allein aufgrund der gemessenen physiologischen Aktivität als
Voxelmuster im Scanner sowie dem letztendlichen evolutionären Vorteil erklären zu können.
Im Theorieteil waren insbesondere Panksepp und Lazarus als Forscher aufgeführt worden,
die sich gegen eine rein formale Sicht, die nur Merkmale und Funktion, nicht aber 'Inhalt' einer
Emotion berücksichtigt, wenden. Lazarus nennt nicht nur die einzelnen Schritte seines Bewertungsprozesses, sondern auch die core relational themes, um die die einzelnen Emotionen
kreisen – etwa im Unterschied zu Scherer, der sich nur auf die Beschreibung der Abfrage von
Stimulus Evaluation Checks stützt. Ihr Bezug zu den Filmclips war unter 10.1.1 (S.174) der
Diskussion dargestellt worden. Panksepp wiederum wendet sich gegen die Reduzierung von
Emotionen auf eine (unbewusste) Codierung des Belohnungs-/Bestrafungswertes, wenn er
insistiert, Emotionen seien mehr als nur eine weitere Wahrnehmungsvariante wie etwa der Anblick der Farbe 'rot' und das subjektive Erleben zentraler Bestandteil. Verzichtet man auf diese
Annahme, wird es schwierig zu erklären, wieso so viele Probanden im vorliegenden Versuch im
Anschluss an einen Filmclip angaben, eine bestimmte Emotion mit ausgeprägter subjektiver
Erregung gehabt zu haben. Zu jedem Filmclip lässt sich eine 'sachliche' Variante denken, in
dem die gleichen Informationen bezüglich des Belohnungs- und Bestrafungswertes vermittelt
werden, der aber weitaus weniger emotionalisierend wirkt.
Inwieweit es sich bei erlebten Emotionen um jeweils disjunkte Zustände handelt, lässt sich
auch aufgrund der vorliegenden Studie nicht endgültig beantworten – Trauer unterscheidet sich
durch ein deutlich niedrigeres Erregungsniveau, ansonsten sind sich die drei negativen Emotionen Ekel, Wut und Angst in der kontinuierlichen subjektiven Bewertung aber recht ähnlich. Ekel
grenzt sich höchstens durch den rasanten Anstieg in Valenz- und Arousalbewertung ab. Das
mag an den ausgewählten Filmclips liegen, die nur jeweils knapp über eine Minute dauerten,
nur legt diese Auswahl durch Hagemann et al. (1999) und Hewig et al. (2005) wiederum nahe,
dass Ekel als Emotion nicht gut über längere Zeit induziert werden kann, ohne dass Emotionsregulation und kognitive Neubewertung der Situation einsetzt. In jedem Fall lassen sich solche
Unterschiede im Verlauf nicht erkennen, wenn man sich nur auf einen Wert über die gesamte
Zeit beschränkt. Die Analyse von Verlaufswerten könnte daher als dritte Möglichkeit gesehen
werden, emotionsspezifische Muster zu finden. Aus diesem Grund wurde der detaillierten Darstellung des Verlaufs der Selbstbewertung und der physiologischen Parameter während der
einzelnen emotionalen Episoden in dieser Arbeit Vorrang gegenüber einer rein statistischen
23
s. www.emotion.de
189
12 AUSBLICK
Klassifikation von Emotionen aufgrund physiologischer Veränderungen eingeräumt, da erstere
aufschlussreicher erscheint als eine weitere Angabe von Trefferraten. Die Schwierigkeit, aus
den bisherigen Klassifikationsversuchen studienübergreifende Schlussfolgerungen zu ziehen,
wurde bereits dargestellt.
Gleichzeitig ist aber auch klar, dass eine Auswertung über den Verlauf zu wesentlich mehr
'Messfehler' im Sinne von interindividuellen Unterschieden führen kann. Verdeutlichen lässt sich
das an den beiden Graphiktypen im Ergebnisteil, wo die Balkengraphiken als Mittelwert über
alle Versuchspersonen und alle Emotionsfilme meistens 'eindeutiger' aussehen als der gemittelte Verlauf der Emotionsfilme, bei dem sich die farbigen Linien oft überschneiden. Oder an den
Korrelationen, die durchweg niedriger werden, wenn man von Mittelwerten pro Emotion zu Verlaufswerten übergeht. Will man die einzelnen Verläufe sinnvoll interpretieren, ist ein Bezug zu
Schlüsselmomenten im jeweiligen Filmclip unverzichtbar, was zu Lasten der Beschreibung von
Emotionen als situationsübergreifendes Prinzip der Verhaltensorganisation geht. Ähnliches ließ
sich im Theorieteil feststellen: je stärker die Theorien auf die grundlegende Funktion von Emotionen abstellen und situationsspezifische Aspekte außen vor lassen, desto stringenter wirken
sie, etwa das Modell von Rolls (Kap. 2.1, S.21) gegenüber den psychologischen AppraisalTheorien (Kap 3.1, ab S.44), bei denen im Extremfall der Eindruck aufkommen kann, sie verlieren sich in den zahllosen Bewertungsaspekten und -prozessen einer einzelnen emotionalen
Episode. Dennoch soll nicht der Eindruck erweckt werden, die Abschätzung des emotionalen
Zustands in einer konkreten Situation sei zweitrangig oder nur mit neuen, beispielsweise bildgebenden Verfahren der Neurowissenschaften möglich. Ansätze dazu gibt es, allerdings mitunter eher in Nachbardisziplinen der Emotionspsychologie und mit zum Teil weniger explizitem
Bezug zu Emotionstheorien, weshalb sie im nächsten Kapitel, dem Ausblick, dargestellt werden.
12 Ausblick
Die vorliegende Arbeit hat Emotionen und damit einhergehende physiologische Veränderung
aus dem Blickwinkel der Biologischen Psychologie betrachtet und sich in Versuchsaufbau und
Datenauswertung an Standards in diesem Feld orientiert. Das Zusammenwirken von Physiologie und emotionaler Reaktion wird in jüngerer Zeit auch verstärkt in einer anderen Disziplin
untersucht, der Mensch-Computer-Interaktion, und mögliche Anknüpfungspunkte sollen an dieser Stelle angesprochen werden. Je nach Anwendungszweck werden die erhobenen Daten auf
unterschiedliche Weise genutzt, und insbesondere folgende Fragen sind dabei relevant:
–
Soll ein generelles (= für alle Personen gültiges) oder individuelles Muster physiologischer
Aktivität identifiziert werden?
–
Wie viele und welche emotionalen Zustände sollen unterschieden werden?
–
Ist eine Vohersage oder eine nachträgliche Klassifizierung des emotionalen Zustands das
Ziel?
190
AUSBLICK- 12.1 EMOTIONEN IN DER MENSCH-COMPUTER-INTERAKTION
Als mögliche grobe Zuordnung von Forschungsfeldern zu den eben genannten Fragen lässt
sich angeben, dass Neurowissenschaften und Biologische Psychologie Emotionen als evolutionäres Mittel der Verhaltensorganisation sehen und deshalb primär an der Identifikation genereller bis hin zu speziesübergreifender Muster interessiert sind. Zumeist besteht ein deutlicher
Bezug zu Affekten bei Tieren, und sowohl Reizmaterial als auch Versuchsanordnungen sind
darauf ausgerichtet, evolutionär prototypische Emotionen hervorzurufen. Die Auswertung erfolgt
üblicherweise im Anschluss an den Versuch, und der individuelle zeitliche Verlauf wird bisher
weniger berücksichtigt, ebenso wie der Inhalt der emotionsauslösenden Reize teilweise vernachlässigt wird, wie im vorigen Kapitel diskutiert wurde.
In der Mensch-Maschine- oder Mensch-Computer-Interaktion (englisch: Human-Computer
Interaction, HCI) wird hingegen die Vorhersage forciert, wo sie auf individueller Ebene und
wenn möglich in Echtzeit funktionieren soll. Die zugrunde liegenden Wirkungszusammenhänge
sind dabei zweitrangig, angestrebt werden zuverlässige Indikatoren. Natürlich überlappen sich
beide Bereiche, und Forscher aus jeder Disziplin würden vermutlich sofort Einspruch erheben
und für sich zu Recht reklamieren, auch Erkenntnisse für den jeweils anderen Schwerpunkte
beisteuern zu können. Kreibig et al (2007) etwa erwähnen die Anwendung für die MenschComputer-Interaktion explizit in ihrem Artikel. Die eben genannte Zuordnung ist daher in erster
Linie als Orientierung für den Leser zu verstehen, das Thema, mit dem sich der folgende Abschnitt befasst, besser einordnen zu können. Denn während die Neurowissenschaften inzwischen überwiegend auf zentralnvervöse Aktivität fokussieren, und dabei die 'klassischen' peripherphysiologischen Maße teilweise ins Hintertreffen geraten, werden diese Signale in der
Mensch-Computer-Interaktion seit einiger Zeit als zusätzliche Informationsquelle genutzt.
12.1 Emotionen in der Mensch-Computer-Interaktion
Emotionen werden in der Mensch-Computer-Interaktion zumeist unter dem Schlagwort Affective
Computing aufgeführt. Dieser Begriff wurde Mitte der Neunziger von Rosalind Picard geprägt
(Picard, 1995, 1997) und meint zum einen die Erfassung emotionaler Prozesse beim Benutzer,
zum anderen aber auch die gezielte Beeinflussung der emotionalen Stimmung bis hin zu Computern, die selbst emotional agieren. Das vorliegende Kapitel konzentriert sich auf den ersten
Aspekt, für den zweiten sei auf das Buch von Nicole Krämer Soziale Wirkung virtueller Helfer
(Krämer, 2008) verwiesen, die dieses Thema umfassend bespricht, und dort wie auch an anderer Stelle (Krämer & Bente, 2003) deutlich macht, dass für eine emotionale Wirkung Computer
nicht unbedingt selbst Emotionen implementiert haben müssen.
Der Hinwendung zu Emotionen in der Mensch-Computer-Interaktion (englisch: HumanComputer Interaction, HCI) war eine Neuorientierung in der Künstlichen Intelligenz und Robotik
vorausgegangen, wo zunehmend davon abgesehen wurde, ein großes umfassendes System
von Anfang an mit möglichst viel (menschenähnlichem) Weltwissen zu versehen. Statt dessen
gin man dazu über, zunächst einfache, spezifische Verhaltensprogramme festzulegen (behavior-based robotics) und diese dann im Laufe der Zeit durch komplexere Schichten zu erweitern,
191
AUSBLICK- 12.1 EMOTIONEN IN DER MENSCH-COMPUTER-INTERAKTION
die die einfacheren Strukturen hemmen können (Brooks, 1986a, 1986b; Brooks, 1991). Auch
wenn sich hier deutliche Bezüge zur Gehirnorganisation und neurowissenschaftlichen Emotionstheorien zeigen, ging es weniger um Affekte, sondern um recht grundlegende Probleme,
etwa Roboter zu konstruieren, die sich frei bewegen können, ohne irgend etwas umzulaufen
(Brooks, 1989). Die Frage, inwieweit intelligente System immer an konkrete sensorische Erfahrung gekoppelt sind (embodiement), ist in diesem Feld bis heute aktuell (Vernon, 2008), und in
die gleiche Richtung geht Damasios Bewusstseinstheorie, für die die Repräsentation des aktuellen Körperzustands Grundlage aller höheren Prozesse ist (s. 2.3.4, S.39). Erkenntnisse aus
beiden Forschungsrichtungen legten nahe, dass bei der Bemühung, die Benutzerführung am
Computer möglichst nah am Anwender auszurichten, ähnliche Schwierigkeiten auftreten könnten, wenn man sich zu sehr auf die Erstellung immer komplexerer, aber abstrakter kognitiver
Modelle konzentriert. Befürworter der Benutzermodellierung sehen diese Gefahr nicht, sondern
nehmen im Gegenteil teilweise für sich in Anspruch, die einzig wissenschaftliche Herangehensweise bei der Ermittlung der Gebrauchstauglichkeit (usability) darzustellen (Kieras,
2007)24. Dennoch müssen sie einräumen, dass die Anwendung kognitiver Architekturen wie
ACT-R25 (Anderson, 1983), die die Zerlegung einer Aufgabe in sämtliche Unterschritte erfordert,
sehr zeitaufwändig ist bzw. einfachere Techniken wie GOMS26 (Card et al., 1983) in erster Linie
auf die Abschätzung von Ausführungszeiten und der Modellierung von Experten-Nutzern beschränkt sind (Ivory & Hearst, 2001; St. Amant et al., 2006).
Da Nutzerverhalten bisher also nicht befriedigend im Vorhinein und ohne Einbeziehung des
momentanen Benutzer vorhergesagt werden kann, bieten sich physiologische Signale als zusätzliche Informationsquelle zur Abschätzung des aktuellen Zustands bis hin zum Einsatz als
Eingabemodalität an. Ein großer Verdienst der HCI- und Affective Computing-Forschung ist
dabei, dass sie physiologischen Maßen, die im Vergleich zu den bildgebenden Verfahren teilweise antiquiert wirken, mit neuen Sensoren und Auswertungsansätzen begegnen, sei es Hautleifähigkeitssensoren integriert in eine Armbanduhr (Strauss, 2005), Herzschlagsensoren in
einem Bürostuhl (Anttonen & Surakka, 2005), oder Bildverarbeitungsalgorithmen, die automatisch Gesichter erkennen und die emotionale Mimik abschätzen können (Cohn & Kanade,
2007). Für die Auswertung kommen vor allem Verfahren des Maschinellen Lernens zum Einsatz und die Ermittlung der Vorhersage- oder Klassifikationsfunktionen ist zumeist datengetrieben, das heißt, die Bestimmung indikativer Aktivierungsmuster wird weitestgehend dem Algorithmus selbst überlassen und weniger aus einer neurowissenschaftlichen oder psychologischen Theorie abgeleitet. Die Berücksichtigung neurophysiologischer Erkenntnisse erfolgt
wenn, dann in erster Linie, um die Trainingsphase abzukürzen (Müller et al., 2008), und ebenso
wird die ermittelte Klassifikationsregel nicht im Hinblick auf ihre Interpretation der zugrunde
24
Diesem forschen Anspruch von Kieras möchte man den Artikel von Brooks (1991) entgegengestellen, dessen ebenfalls leicht polemischen Aussagen über die Künstliche Intelligenz für den Bereich der Benutzermodellierung nach wie
vor Gültigkeit haben.
25
Adaptive Control of Thought - Rational
26
Goals Operators Methods Selections
192
AUSBLICK- 12.1 EMOTIONEN IN DER MENSCH-COMPUTER-INTERAKTION
liegenden psychischen Prozesse hin ausgewertet. Ist das Ziel vorrangig eine möglichst genaue
und rasche Vorhersage, wie in der eben genannten Referenz EEG-Aktivität zur Ermittlung von
Bewegungsintentionen im Rahmen eines Brain-Computer-Interfaces (BCI), so ist dies durchaus
legitim. Sollen jedoch über das konkrete Anwendungsfeld hinaus generelle Aussagen über die
Bedeutung der Signale im Zusammenhang mit emotionalem Erleben hergeleitet werden, kann
es hier zu möglicherweise mißverständlichen Schlußfolgerungen kommen: So berichten Thüring & Mahlke (2007) als ein Fazit ihrer Usability-Studie:
"Our results regarding the activity of the zygomaticus major differ from other studies, which found higher activity in relation to positive emotions (Partala & Surakka,
2004). Instead, our data point in the same direction as experiments that detected
high activity of the zygomaticus major for negative emotions (Lang, Greenwald,
Bradley, & Hamm, 1993). Hence it seems that the activity of the zygomaticus major
is not well suited to discriminate between positive and negative feelings, although it
might be a strong indicator for emotional responses in general" (S.257)27.
Dies lässt an die Ergebnisse des vorliegenden Versuchs denken, in der sich in einem Fall einer
negativen Emotion ebenfalls eine leicht erhöhte Aktivität von zygomaticus major zusammen mit
dem corrugator supercilii fand, nämlich für die Zielemotion Ekel (Abb. 9.2.3, S.142). Hier ist die
gemeinsame Aktivierung von Corrugator- und Zygomaticus-Muskel Anzeichen eines irritiertangewiderten Gesichtsausdrucks und eine ähnliche Beoachtung findet sich auch bei Bradley &
Lang (2000) für die hoch aversiven Bilder des IAPS, z.B. Verstümmelungen – die Aktivität des
Zygomaticus steigt erst für die niedrigsten Valenz-Bewertungen wieder an (Bradley & Lang,
2000; Lang et al., 1993). Wenn aber der Zygomaticus- und Corrugator-Muskel in beiden Bedingungen der eben zitierten Usability-Studie erhöht aktiv waren28, obwohl die emotionale Valenz
eher im mittleren Bereich bewertet wurde (die SAM-Mittelwerte gingen von 3.8 bis 7.1, zur Skala s. Abb. 3.4.2, S.65 dieser Arbeit), so spricht einiges dafür, dass das zentrale Konstrukt vielleicht weniger 'Emotionen', sondern eher 'Anstrengung' war. Erhöhte Anstrengung ist ebenfalls
mit Anspannung der Gesichtsmuskulatur, etwa des Stirnmuskels, und vermehrten EDAFluktuationen assoziiert (Boucsein, 2000). Die Aussagen zu Unterschieden zwischen den einzelnen getesteten Systemvarianten in der Usability-Studie (Thüring & Mahlke, 2007) sind deswegen natürlich trotzdem gültig, nur lässt sich nicht ohne weiteres aus den Ergebnissen ableiten, dass der zygomaticus major nicht dazu geeignet sei, zwischen positiven und negativen
Gefühlen zu unterscheiden.
Überhaupt ist der Bezug zu emotionspsychologischen Erkenntnissen und Methoden recht
unterschiedlich: Partala & Sukkara validieren die Aussagefähigkeit der gemessenen Signale
Pupillenerweiterungen und Gesichtsmuskel-EMG zunächst an Bildern des IAPS bzw. Geräuschen des IADS (Partala & Surakka, 2003; Partala et al., 2005), bevor sie sie im Zusammen-
27
Der Text der Veröffentlichung von Lang et al. (1993), auf die im Zitat Bezug genommen wird, lautet: "Zygomaticus
muscle responses were greatest for pleasant ranks, smallest for more neutral ranks, and slightly larger at the lowest
valence ranks (Figure 2, upper middle panel)." (Lang et al, 1993, S. 264).
28
es wird bei den Tabellen auf S. 256 und S. 261 in Thüring & Mahlke (2007) nicht angegeben, ob es sich um Rohoder baseline-korrigierte Werte handelt, Herzraten von 1.9 BPM legen letzteres nahe. In dem Fall waren beide Muskeln
immer gegenüber der Baselilne verstärkt aktiviert
193
AUSBLICK- 12.1 EMOTIONEN IN DER MENSCH-COMPUTER-INTERAKTION
hang von Mensch-Computer-Interaktion benutzen (Partala & Surakka, 2004) und schließlich zur
Online-Abschätzung der Stimmung einsetzen (Partala et al., 2006).
Vyzas & Picard (1998) nutzen Emotions-Imagination durch eine Schauspielerin, um verschiedene emotionale Zustände, unter anderem auch platonische sowie romantische Liebe
hervorzurufen. Gemessen werden Hautleitfähigkeit, kardiovaskuläre Parameter und die Aktivität
des Masseter-Muskels (Kieferschluss-Muskel). Die Schauspielerin stellt sich die insgesamt acht
Emotionen an zwanzig Tagen hintereinander gemäß des Clynes-Protokolls (Clynes, 1977) innerhalb von 25 Minuten vor, wobei es zu deutlichen Tageseffekten kommt (Vyzas, 1999) und
sich teilweise die Tage besser vorhersagen lassen als die verschiedenen Emotionen über mehrere Tage hinweg (Picard et al., 2001). In jüngeren Studien bezieht sich die Emotionserkennung
bei der Gruppe um Picard neben Interaktionshilfen für Autismus-Patienten (Teeters, 2007) in
erster Linie auf die Abschätzung des Frustrationsniveaus beim Erlernen des Turm-von-HanoiSpiels bei gleichzeitiger Hilfe durch einen virtuellen Tutor (Burleson, 2006; Kapoor et al., 2007)
oder Stress bei Autofahrten (Healey & Picard, 2005). In letzterem Versuch wird neben Hautleitfähigkeit und Herzaktivität das EMG am Trapezmuskel gemessen, ein für die Emotionsforschung eher unüblicher Muskel. Ähnlich induzieren Liao et al. (2006) in ihrem Experiment Toward a decision-theoretic framework for affect recognition and user assistance Stress mittels
einer Rechenaufgabe bei zusätzlicher auditiver Nebenaufgabe bzw. erfassen Ermüdung mit
einem psychomotorischen Vigilanztest. Spätestens hier stellt sich die Frage, inwieweit der Begriff Affekt oder Emotion noch gerechtfertigt ist, oder nicht besser von Beanspruchung die Rede
sein sollte, wie auch die Auswahl der gemessenen Muskeln in den zuvor erwähnten Studien
nahelegt. Natürlich lässt sich aus pragmatischer Sicht argumentieren, dass Stress und Ermüdung beide ebenfalls unangenehme Zustände sind, und es für die Verbesserung der MenschMaschine-Interaktion wenig interessiert, welchen Namen man ihnen gibt, sondern hauptsächlich, wie sie sich verlässlich erkennen lassen. Andererseits ist es der Verständigung zwischen
verschiedenen Disziplinen sicherlich nicht förderlich, wenn sich hinter gleichen Schlüsselbegriffen unterschiedliche Konstrukte verbergen und Fehlinterpretationen werden wahrscheinlich. Vor
allem aber entsteht der Eindruck, dass hier ein Forschungsfeld vermeintlich neu entdeckt wird –
der Ansatz, Herzaktivität und Hautleitfähigkeit als Indikatoren für Beanspruchung zu nutzen
(Healey & Picard, 2005), wird im Bereich Human Factors schon deutlich länger verfolgt (für eine
umfassende Übersicht s. Boucsein & Backs, 2000), auch für Bildschirmarbeit (Boucsein, 2000),
und die meisten Kennwerte des von Liao et al. (2006) vorgeschlagenen Frameworks werden
beispielsweise in der Verkehrspsychologie bereits in Versuchsfahrzeugen erhoben (Schießl et
al., 2006). Innerhalb der HCI-Forschung selbst weisen die Systeme von Bianchi-Berthouze &
Lisetti (2002) oder Hudlicka et al. (2002) Ähnlichkeiten mit dem neuen Framework auf.
Nötiger als die Entwicklung immer neuer Frameworks, Modelle oder Schlagworte erscheint
für dieses Feld die Etablierung standardisierter Messinstrumente oder Reizmaterialien, die frei
zugänglich und unmittelbar einsetzbar sind, ähnlich wie Bradley & Lang es mit ihrem International Affective Picture System (IAPS) oder der Sammlung der International Affective Digitized
194
AUSBLICK- 12.1 EMOTIONEN IN DER MENSCH-COMPUTER-INTERAKTION
Sounds (IADS) sowie dem Startle-Paradigma für die Emotionspsychologie getan haben. So
lange diese nicht verfügbar sind, erscheint ein Vorgehen wie von Partalla & Sukkara (2003,
s.o.), zunächst Reizmaterial ohne HCI-Bezug, für das aber Normwerte oder zumindest Vergleichsstudien vorliegen, eine gangbare Alternative, um zu überprüfen, inwieweit ein Parameter
oder ein Messsystem grundsätzlich sensitiv für affektive Veränderungen ist. Reichen einzelne
Bilder nicht aus, sondern ist ein kontinuierlicher Reizfluss erforderlich, so bieten sich die Filmclips, die auch in dieser Studie zum Einsatz kamen, an. Eine Zusammenstellung neuerer Ausschnitte wurde ebenfalls genannt (Schaefer et al., 2007, s. 6.1.2 S.104). Ohne die Verwendung
solcher 'Referenz'-Reize und standardisierter Versuchsanordnungen ist gerade bei Neuentwicklungen mitunter nicht klar, in welchem Ausmaß die Ergebnisse auf die jeweilige Untersuchungsszenarien beschränkt sind. Gleiches gilt für die Erfassung der subjektiv erlebten Komponente.
In anderen Bereichen der Bewertung von Mensch-Computer-Interaktion ist die Etablierung
einheitlicher Standards weiter fortgeschritten: Raake (2006) beschreibt verschiedene Ansätze
zur Bewertung der wahrgenommenen Sprachqualität bei digitaler Übertragung (Voice over IP),
unter anderem die kontinuierliche Bewertung mittels einer Schieberegler-Box (Gros & Chateau,
2001), die so auch von der International Standardisation Union (ITU) als ein Standard empfohlen wird (ITU-T-Rec.P.880, 2004). EMuJoy war ursprünglich ebenfalls als Verfahren zur kontinuierlichen Bewertung von akustischen Reizen entwickelt worden, in diesem Fall der emotionalen
Wirkung längerer Musikstücke auf den Dimensionen Valenz und Arousal. Batliner et al. (2008)
kommen in ihrer rein datengetriebenen Analyse der emotionalen Dimensionen bei Dialogen von
Kindern mit dem dem Sony-Roboterhund AIBO auf die beiden Dimensionen Valenz und Interaction, wobei letztere angibt, inwieweit sich eine Aussage an den Dialogpartner richtet. Hier zeigt
sich ein deutlicher Bezug zur Dimension soziale Dominanz von Bradley & Lang, der in dem
Artikel leider nicht thematisiert wird29. Sollte für die emotionale Wirkung von Dialogen diese
Dimension wichtiger sein, so ließe sich EMuJoy mit seinen frei konfiguierbaren Achsenbeschriftungen hier ebenfalls für eine kontinuierliche Bewertung einsetzen, und die Validität der Ergebnisse könnte mit den Stimuli des IAPS und IADS zumindest ansatzweise abgeglichen werden.
Bei mehr systematischer Variation im Reizmaterial ließe sich sicherlich auch besser abschätzen, inwieweit Affekte beim Umgang mit Computern sich auf die Pole Freude (an der Benutzung) gegenüber Frustration oder Stress beschränkt, wie die Auswahl der Versuchszenarien
mitunter nahe legt. Je komplexer die Interaktionsmöglichkeiten werden, desto wahrscheinlicher
sind zusätzliche Nuancen bis hin zu quasi-sozialen bzw. parasozialen Reaktionen (Krämer,
2008). Von diesen Erkenntnissen und Untersuchungsansätzen würde wiederum die Emotionsforschung profitieren, ebenso wie von den innovativen Sensorentwicklungen, deren weiterem
Einsatz im Grunde oft nur eine umfassendere Evaluierung fehlt.
29
Generell findet sich dort weder ein Verweis auf Bradley & Lang noch auf Russell, obwohl die beiden Dimensionen
Arousal und Valenz ausgiebig besprochen werden und sogar als als Kreisdiagramm abgebildet sind. Erwähnt werden
für den dimensionalen Ansatz lediglich Wundt (1896) und Schlosberg (1954), außerdem das Emotionsmodell von Ortony et al. (1988).
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210
DANKSAGUNG
Danksagung
Bei der Erstellung dieser Doktorarbeit haben mich mehrere Menschen unterstützt, denen ich an
dieser Stelle danken möchte.
An erster Stelle ist hier Prof. Niels Galley zu nennen, der stets ein offenes Ohr für meine
Fragen und Schwierigkeiten hatte und mich weit über das übliche Maß hinaus betreut hat. Wo
er selbst nicht helfen konnte, hat er sich um geeignete Ansprechpartner bemüht, angefangen
bei der Software EMuJoy, die an der Hochschule für Musik und Theater Hannover entwickelt
wurde und auf die ich durch Herrn Galleys Kontakt zum dortigen Lehrstuhl für Musikpsychologie
(Prof. Reinhard Kopiez) aufmerksam wurde. Um mit ihr auch Filme abspielen zu können, mußte
sie erweitert werden, wobei mir ihr Entwickler, Dr. Frederik Nagel sowie Dipl.-Inf. Maik Hofmann
Tipps zur Java-Programmierung gaben. Dipl.-Psych. Gerhard Mutz von der Universität Köln hat
mir mit viel Geduld meine Fragen zur Konfiguration von Varioport und Variograf beantwortet.
PD Dr. Dirk Hagemann von der Universität Trier war so freundlich, mir die von ihm und Kollegen
validierten Filmreize zukommen zu lassen. Beim Versuchsaufbau kamen mir, ebenfalls vermittelt über Prof. Galley, zwei alte Hardware-Hasen, Dipl.-Psych. Gerhard Karl und Dipl.-Psych.
Manfred Boldt zu Hilfe, als es beispielsweise darum ging, kurzfristig einen von mir abgebrochenen Stecker am Varioport-Physio-Rekorder zu löten. Für die Mitarbeit bei der Versuchsdurchführung und der Datenaufbereitung danke ich Hanna Mertgens sowie den Versuchsteilnehmern.
Die Deutsche Telekom Laboratories der Technischen Universität Berlin haben mir nach
meinem Wechsel dorthin einen Tag pro Woche eingeräumt, an meiner Doktorarbeit weiter zu
arbeiten und sie so zu Ende zu bringen, wofür ich mich ebenfalls bedanken möchte. Meine Kollegen am dortigen Quality & Usability Lab (Prof. Sebastian Möller) haben sich nicht nur beständig nach dem Voranschreiten meiner Arbeit erkundigt, sondern mir auch jederzeit bei Fragen
geholfen. Als sie denn endlich fertig war, hat meine Freundin Dipl.-Psych. Susanne Briest die
Arbeit Korrektur gelesen, ebenso wie sie mir die gesamte Zeit über zur Seite stand und mich bei
zahllosen Kleinigkeiten, etwa der Bewertung der Graphiken oder der Literaturrecherche unterstützt hat.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch dem Rechenzentrum der Universität zu Köln
sowie der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin meinen Dank aussprechen, durch die ich die
gesamte Zeit über mit wenig Aufwand Zugriff auf die aktuelle Literatur hatte. Diesen Service
lernt man erst wirklich zu schätzen, wenn er nicht mehr in gleicher Weise zur Verfügung steht.
211
ANHANG – 13 VERSUCHSUNTERLAGEN
Anhang
13 Versuchsunterlagen
13.1 Eingangsfragebogen
212
ANHANG – 13 VERSUCHSUNTERLAGEN
13.2 Instruktion
213
ANHANG – 13 VERSUCHSUNTERLAGEN
214
ANHANG – 14.1 GRAPHIKEN 10-SEKUNDEN-FENSTER: ZIELEMOTION X GESCHLECHT
14 Graphiken 10-Sekunden-Fenster: Zielemotion x Geschlecht
14.1 EMuJoy-Werte
1,00
Freude
0,50
0,00
-0,50
-1,00
1,00
weiblich
männlich
Trauer
0,50
0,00
-0,50
-1,00
1,00
Zielemotion
Ekel
Mean Valenz
Geschlecht
0,50
0,00
-0,50
-1,00
1,00
Wut
0,50
0,00
-0,50
-1,00
1,00
Angst
0,50
0,00
-0,50
-1,00
10
30
50
70
90
110
130
150
170
190
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
1,00
Freude
0,60
0,20
-0,20
1,00
Trauer
0,60
Zielemotion
Ekel
Mean Arousal
0,20
-0,20
1,00
0,60
0,20
-0,20
1,00
Wut
0,60
0,20
-0,20
1,00
Angst
0,60
0,20
-0,20
10
30
50
70
90
110
130
150
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
215
170
190
Geschlecht
weiblich
männlich
ANHANG – 14.2 GRAPHIKEN 10-SEKUNDEN-FENSTER: ZIELEMOTION X GESCHLECHT
14.2 Hautleitfähigkeitsniveau EDL (%Baseline-Werte)
200,00
Freude
175,00
150,00
125,00
100,00
75,00
Geschlecht
weiblich
männlich
200,00
Trauer
175,00
150,00
125,00
100,00
Zielemotion
Ekel
Mean EDLbc
75,00
200,00
175,00
150,00
125,00
100,00
75,00
200,00
175,00
Wut
150,00
125,00
100,00
75,00
200,00
Angst
175,00
150,00
125,00
100,00
75,00
10
30
50
70
90
110
130
150
170
190
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
14.3 Gesichtsmuskelaktivität (%Baseline-Werte)
14.3.1 corrugator supercilii
300,00
Freude
250,00
200,00
150,00
100,00
50,00
300,00
Trauer
250,00
150,00
100,00
50,00
Zielemotion
Ekel
300,00
250,00
200,00
150,00
100,00
50,00
300,00
250,00
Wut
Mean EMGL corrugator
200,00
200,00
150,00
100,00
50,00
300,00
Angst
250,00
200,00
150,00
100,00
50,00
10
30
50
70
90
110
130
150
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
216
170
190
Geschlecht
weiblich
männlich
ANHANG – 14.3 GRAPHIKEN 10-SEKUNDEN-FENSTER: ZIELEMOTION X GESCHLECHT
14.3.2 orbicularis oculi
600,00
500,00
400,00
300,00
200,00
100,00
0,00
Geschlecht
weiblich
männlich
Trauer
Zielemotion
Ekel
600,00
500,00
400,00
300,00
200,00
100,00
0,00
600,00
500,00
400,00
300,00
200,00
100,00
0,00
Wut
Mean EMGL orbicularis
Freude
600,00
500,00
400,00
300,00
200,00
100,00
0,00
Angst
600,00
500,00
400,00
300,00
200,00
100,00
0,00
10
30
50
70
90
110
130
150
170
190
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
14.3.3 zygomaticus major
1000,00
Freude
800,00
600,00
400,00
200,00
0,00
1000,00
600,00
400,00
200,00
0,00
Zielemotion
Ekel
1000,00
800,00
600,00
400,00
200,00
0,00
1000,00
800,00
Wut
Mean EMGL zygomaticus
Trauer
800,00
600,00
400,00
200,00
0,00
1000,00
Angst
800,00
600,00
400,00
200,00
0,00
10
30
50
70
90
110
130
150
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
217
170
190
Geschlecht
weiblich
männlich
ANHANG – 14.4 GRAPHIKEN 10-SEKUNDEN-FENSTER: ZIELEMOTION X GESCHLECHT
14.4 Herzaktivität (%Baseline-Werte)
14.4.1 Herzrate (HR)
115,00
Freude
110,00
105,00
100,00
95,00
90,00
Geschlecht
weiblich
männlich
115,00
Trauer
110,00
105,00
100,00
95,00
Zielemotion
Ekel
Mean HRbc
90,00
115,00
110,00
105,00
100,00
95,00
90,00
115,00
110,00
Wut
105,00
100,00
95,00
90,00
115,00
Angst
110,00
105,00
100,00
95,00
90,00
10
30
50
70
90
110
130
150
170
190
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
14.4.2 Inter-Beat-Intervall (IBI)
115,00
Freude
110,00
105,00
100,00
95,00
90,00
115,00
Trauer
110,00
105,00
100,00
95,00
Zielemotion
Ekel
Mean IBIbc
90,00
115,00
110,00
105,00
100,00
95,00
90,00
115,00
110,00
Wut
105,00
100,00
95,00
90,00
115,00
Angst
110,00
105,00
100,00
95,00
90,00
10
30
50
70
90
110
130
150
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
218
170
190
Geschlecht
weiblich
männlich
ANHANG – 14.4 GRAPHIKEN 10-SEKUNDEN-FENSTER: ZIELEMOTION X GESCHLECHT
14.4.3 Streuung der IBIs (SDNN)
120,00
Freude
100,00
80,00
60,00
40,00
120,00
weiblich
männlich
Trauer
100,00
80,00
60,00
40,00
120,00
Zielemotion
Ekel
Mean SDNNbc
Geschlecht
100,00
80,00
60,00
40,00
120,00
Wut
100,00
80,00
60,00
40,00
120,00
Angst
100,00
80,00
60,00
40,00
10
30
50
70
90
110
130
150
170
190
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
14.4.4 Mittlere absolute Differenz sukzessiver IBIs (MSD)
Freude
140,00
120,00
100,00
80,00
Trauer
140,00
120,00
100,00
Zielemotion
Ekel
Mean MSDbc
80,00
140,00
120,00
100,00
80,00
140,00
Wut
120,00
100,00
80,00
Angst
140,00
120,00
100,00
80,00
10
30
50
70
90
110
130
150
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
219
170
190
Geschlecht
weiblich
männlich
ANHANG – 14.5 GRAPHIKEN 10-SEKUNDEN-FENSTER: ZIELEMOTION X GESCHLECHT
14.5 Sakkaden (%Baseline-Aktivität)
14.5.1 Intervall
300,00
Freude
250,00
200,00
150,00
100,00
50,00
Geschlecht
weiblich
männlich
300,00
Trauer
250,00
200,00
150,00
50,00
Zielemotion
Ekel
Mean interval
100,00
300,00
250,00
200,00
150,00
100,00
50,00
300,00
250,00
Wut
200,00
150,00
100,00
50,00
300,00
Angst
250,00
200,00
150,00
100,00
50,00
10
30
50
70
90
110
130
150
170
190
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
14.5.2 Standardisierte Dauer (stdduration)
110,00
Freude
100,00
90,00
80,00
70,00
110,00
Trauer
100,00
90,00
70,00
110,00
Zielemotion
Ekel
Mean stdduration
80,00
100,00
90,00
80,00
70,00
110,00
Wut
100,00
90,00
80,00
70,00
110,00
Angst
100,00
90,00
80,00
70,00
10
30
50
70
90
110
130
150
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
220
170
190
Geschlecht
weiblich
männlich
ANHANG – 14.5 GRAPHIKEN 10-SEKUNDEN-FENSTER: ZIELEMOTION X GESCHLECHT
14.5.3 Standardisierte Maximalgeschwindigkeit (stdmaxspeed)
200,00
180,00
160,00
140,00
120,00
100,00
80,00
Geschlecht
weiblich
männlich
Trauer
Zielemotion
Ekel
Mean stdmaxspeed
Freude
200,00
180,00
160,00
140,00
120,00
100,00
80,00
200,00
180,00
160,00
140,00
120,00
100,00
80,00
Wut
200,00
180,00
160,00
140,00
120,00
100,00
80,00
Angst
200,00
180,00
160,00
140,00
120,00
100,00
80,00
10
30
50
70
90
110
130
150
170
190
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
14.5.4 Standardiserte (Durchschnitts)Geschwindigkeit (stdspeed)
160,00
Freude
140,00
120,00
100,00
160,00
Trauer
140,00
120,00
Zielemotion
Ekel
Mean stdspeed
100,00
160,00
140,00
120,00
100,00
160,00
Wut
140,00
120,00
100,00
160,00
Angst
140,00
120,00
100,00
10
30
50
70
90
110
130
150
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
221
170
190
Geschlecht
weiblich
männlich
ANHANG – 14.6 GRAPHIKEN 10-SEKUNDEN-FENSTER: ZIELEMOTION X GESCHLECHT
14.6 Lidschläge (%Baseline-Aktivität)
14.6.1 Intervall
350,00
Freude
300,00
250,00
200,00
150,00
100,00
Geschlecht
weiblich
männlich
350,00
Trauer
300,00
250,00
200,00
100,00
Zielemotion
Ekel
Mean intervall
150,00
350,00
300,00
250,00
200,00
150,00
100,00
350,00
300,00
Wut
250,00
200,00
150,00
100,00
350,00
Angst
300,00
250,00
200,00
150,00
100,00
20
40
60
80
100
120
140
160
180
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
14.6.2 Standardisierte Gesamtdauer (stdtotaldur)
130,00
Freude
120,00
110,00
100,00
90,00
80,00
130,00
Trauer
120,00
110,00
90,00
80,00
Zielemotion
Ekel
Mean stdtotaldur
100,00
130,00
120,00
110,00
100,00
90,00
80,00
130,00
120,00
Wut
110,00
100,00
90,00
80,00
130,00
Angst
120,00
110,00
100,00
90,00
80,00
20
40
60
80
100
120
140
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
222
160
180
Geschlecht
weiblich
männlich
ANHANG – 14.6 GRAPHIKEN 10-SEKUNDEN-FENSTER: ZIELEMOTION X GESCHLECHT
14.6.3 Standardisierte maximale Schließgeschwindigkeit (stdclmaxspeed)
140,00
130,00
120,00
110,00
100,00
90,00
80,00
Geschlecht
weiblich
männlich
Trauer
Zielemotion
Ekel
140,00
130,00
120,00
110,00
100,00
90,00
80,00
140,00
130,00
120,00
110,00
100,00
90,00
80,00
Wut
Mean stdclmaxspeed
Freude
140,00
130,00
120,00
110,00
100,00
90,00
80,00
Angst
140,00
130,00
120,00
110,00
100,00
90,00
80,00
20
40
60
80
100
120
140
160
180
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
14.6.4 Standardisierte durchschnittliche Schließgeschwindigkeit (stdclspeed)
120,00
Freude
110,00
100,00
90,00
80,00
120,00
Trauer
110,00
100,00
80,00
120,00
Zielemotion
Ekel
Mean stdclspeed
90,00
110,00
100,00
90,00
80,00
120,00
Wut
110,00
100,00
90,00
80,00
120,00
Angst
110,00
100,00
90,00
80,00
20
40
60
80
100
120
140
160
Zeit in 10-Sekunden-Fenster
223
180
Geschlecht
weiblich
männlich
ANHANG – 15.1 AUSWERTUNG 1 WERT PRO VP PRO EMOTION
15 Korrelationstabellen
15.1 Auswertung 1 Wert pro VP pro Emotion
Tab. 15.1.1: Bivariate Produkt-Moment-Korrelationen der Lidschlag-und Sakkadenparameter untereinander sowie mit
den Valenz- und Arousalratings (1 Wert pro Vp pro Emotion, 57 Vpn). cl=Schließphase ('closures'), op=Öffnungsphase
('opening'); amp=Amplitude; std=standardisiert. Für Erläuterung der Variablennamen s. signalweise Abschnitte von Kap.
8.3, S.131. Ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte
Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau.
Lidschlagkennwerte
Sakkadenkennwerte
interval
Amplitude
Dauer
intervall
-0.005
-0.084
-0.153
clamp
-0.039
0.119
0.193
opamp
-0.065
0.232
0.259
clduration
0.135
0.138
0.294
Maxspeed
speed
stdduration
stdspeed
stdmaxspeed
0.058
0.091
-0.144
0.140
0.062
-0.065
-0.098
0.182
-0.179
-0.116
0.021
-0.021
0.171
-0.143
-0.061
0.044
-0.141
0.259
-0.165
0.064
delay
0.025
0.076
0.183
0.017
-0.112
0.175
-0.127
0.049
opduration
0.025
0.136
0.265
-0.054
-0.156
0.272
-0.195
-0.072
totalduration
0.126
0.199
0.355
0.074
-0.128
0.291
-0.186
0.069
clmaxspeed
-0.057
0.090
0.045
0.043
0.056
-0.043
-0.003
0.008
opmaxspeed
-0.155
0.146
0.019
0.141
0.209
-0.125
0.128
0.064
stdtotaldur
0.132
0.179
0.313
0.113
-0.091
0.247
-0.140
0.110
stdclspeed
-0.164
-0.070
-0.241
0.025
0.177
-0.265
0.175
0.005
stdclmaxspeed
-0.024
0.036
-0.100
0.132
0.182
-0.221
0.161
0.120
224
ANHANG – 15.1 AUSWERTUNG 1 WERT PRO VP PRO EMOTION
Tab. 15.1.2: Bivariate Produkt-Moment- Korrelationen aller physiologischen Kennwerte(1 Wert pro Vp pro Emotion, 57 Vpn). Erweiterte Version von Tab. 9.3.6 (S.156) mit allen ermittelten
physiologischen Variablen. Für Erläuterung der Variablennamen s. signalweise Abschnitte von Kap.8.2, S.126 und 8.3 S.131. Grau schraffierte Zellen: Korrelation verschiedener Kennwerte
des selben Signals; ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau.
EMuJoy
EDA
Gesichtsmuskelaktivität (EMG)
Herzaktivität (EKG)
Valenz
Arousal
Level
Amp
freq
max.amp
corrug
orbic.
zygom.
IBI
HR
SDNN
Valenz
1.000
-.584
.116
-.098
.087
-.048
-.432
.394
.401
-.027
.031
.163
.025
Arousal
-.584
1.000
.026
.223
.075
.222
.240
-.016
-.044
.096
-.091
-.120
-.066
EDL
.116
.026
1.000
.321
.306
.435
-.099
.529
.168
-.169
.182
.208
-.058
EDRsamp
-.098
.223
.321
1.000
.109
.909
.021
.270
.101
-.052
.066
.089
-.056
EDRsfreq
.087
.075
.306
.109
1.000
.252
-.073
.314
.276
-.149
.155
.142
-.006
EDRsampmax
-.048
.222
.435
.909
.252
1.000
.000
.427
.150
-.071
.080
.113
-.037
-.432
.240
-.099
.021
-.073
.000
1.000
-.196
-.209
.077
-.080
-.083
.055
.394
-.016
.529
.270
.314
.427
-.196
1.000
.604
-.110
.117
.232
.015
EMGLszy
.401
-.044
.168
.101
.276
.150
-.209
.604
1.000
-.138
.144
.205
-.001
IBI
-.027
.096
-.169
-.052
-.149
-.071
.077
-.110
-.138
1.000
-.993
-.263
.304
HR
.031
-.091
.182
.066
.155
.080
-.080
.117
.144
-.993
1.000
.305
-.286
SDNN
.163
-.120
.208
.089
.142
.113
-.083
.232
.205
-.263
.305
1.000
.473
MSD
.025
-.066
-.058
-.056
-.006
-.037
.055
.015
-.001
.304
-.286
.473
1.000
interval
.292
-.275
.129
-.013
-.045
-.050
-.140
.186
.105
.025
-.028
.157
.073
Amplitude
.085
-.037
.158
.133
.204
.212
-.016
.229
.193
-.237
.234
.154
-.007
Duration
.022
-.111
.010
.017
.067
.051
.000
-.009
.011
-.259
.256
.186
.077
.165
.084
.327
.241
.306
.358
-.011
.520
.376
-.075
.074
-.008
-.143
.246
.017
.400
.214
.295
.367
-.018
.653
.452
-.154
.154
.115
-.075
stdduration
-.068
-.138
-.174
-.103
-.139
-.137
-.018
-.315
-.224
-.119
.123
.101
.122
stdmaxspeed
.168
.052
.358
.123
.186
.237
.049
.588
.375
-.059
.056
.083
-.042
stdspeed
.084
.133
.284
.171
.212
.245
.069
.470
.308
.036
-.044
-.070
-.120
intervall
.023
.120
-.003
.019
.023
.070
.065
.051
-.012
.292
-.303
-.148
-.014
clamp
.001
-.063
-.017
-.044
-.058
-.036
.073
-.102
-.030
-.323
.337
.144
-.057
opamp
-.064
-.032
.019
.022
.008
.034
.083
-.069
-.028
-.347
.358
.125
-.092
clduration
.103
-.161
-.008
-.044
-.090
.014
-.078
.063
.024
-.128
.126
.214
.135
opduration
.074
-.169
.018
-.083
-.100
-.063
-.020
-.033
-.041
-.243
.244
.102
-.078
.220
EMGLsco
EMG EMGLsor
EKG
Hautleitfähigkeit (EDA-Level & EDRs)
speed
Sakk Maxspeed
Blink delay
MSD
.004
-.001
-.017
-.060
.062
-.017
-.040
.041
.007
.111
-.105
.144
totalduration
.086
-.143
.011
-.057
-.033
.027
-.057
.086
.016
-.142
.142
.236
.146
clmaxspeed
-.036
.034
-.003
-.022
-.029
-.035
.149
-.034
.038
-.225
.240
.068
-.101
opmaxspeed
-.156
.137
.067
.116
.182
.144
.208
-.011
-.002
-.172
.180
.012
-.098
stdtotaldur
.113
-.137
.023
-.048
-.008
.049
-.092
.141
.034
-.064
.062
.215
.162
stdclspeed
-.129
.173
.013
.055
.050
.015
.196
-.052
-.006
-.007
.016
-.135
-.162
stdclmaxspeed
-.063
.117
.050
.047
.026
.018
.144
.070
.087
-.036
.049
.011
-.070
225
ANHANG – 15.2 AUSWERTUNG 10-SEKUNDEN-ZEITFENSTER
15.2 Auswertung 10-Sekunden-Zeitfenster
Tab. 15.2.1: Bivariate Produkt-Moment-Korrelationen der physiologischen Maße mit den Valenz- und Arousalratings für die in 10-Sekunden-Fenstern ausgewerteten Filmclips (n=57 Vpn).
Erweiterte Version von Tab. 9.4.3 (S.170) mit allen ermittelten physiologischen Variablen. EMuJoy= kontinuierliche Selbstbewertung; Sakk=Sakkadenkennwerte; Blink=Lidschlagkennwerte;
Für Erläuterung der Variablennamen s. signalweise Abschnitte von Kap.8.2, S.126 und 8.3 S.131. Grau schraffierte Zellen: Korrelation verschiedener Kennwerte des selben Signals;
ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau. Das Signifikanzniveau variiert je nach
Signal (Anzahl gültige VP, s. Tab. 9.4.2 S.160) leicht.
EMuJoy
EDA
EMG
EKG
Sakk
Blink
EDA
EMG
EKG
Valenz
Arousal
Level
corrug
orbic.
zygom.
IBI
HR
SDNN
MSD
Valenz
1.000
-.341
.043
-.357
.344
.379
.036
-.035
.084
.043
Arousal
-.341
1.000
.089
.099
.011
-.019
-.092
.101
.010
.004
EDL
.043
.089
1.000
-.037
.388
.130
-.157
.177
.114
.058
EMGLsco
-.357
.099
-.037
1.000
-.105
-.140
-.015
.006
-.058
-.003
EMGLsor
.344
.011
.388
-.105
1.000
.616
-.153
.170
.167
.082
EMGLszy
.379
-.019
.130
-.140
.616
1.000
-.141
.152
.130
.038
IBI
.036
-.092
-.157
-.015
-.153
-.141
1.000
-.990
-.062
.240
-.205
HR
-.035
.101
.177
.006
.170
.152
-.990
1.000
.115
SDNN
.084
.010
.114
-.058
.167
.130
-.062
.115
1.000
.634
MSD
.043
.004
.058
-.003
.082
.038
.240
-.205
.634
1.000
-.022
interval
-.008
.000
-.011
.015
.094
.043
.078
-.073
-.039
Amplitude
.037
.008
.135
-.031
.152
.136
-.125
.127
.076
.019
Duration
-.063
.004
.024
.000
-.041
-.006
-.116
.111
.060
.025
speed
.229
.001
.228
-.068
.480
.383
-.104
.114
.067
-.001
Maxspeed
.247
-.006
.271
-.021
.568
.446
-.151
.162
.100
.015
stdduration
-.151
-.002
-.132
.022
-.295
-.183
-.028
.017
-.004
.012
stdmaxspeed
.179
.005
.239
.039
.511
.319
-.093
.103
.080
.026
stdspeed
.196
.006
.212
.008
.480
.306
-.046
.056
.040
.196
intervall
.013
.075
-.055
.046
-.047
-.037
.170
-.174
-.088
-.009
clamp
.000
-.022
.040
.019
-.050
-.018
-.149
.155
.067
-.020
opamp
.020
-.012
.051
.032
.001
.041
-.130
.140
.069
-.004
clduration
.078
-.065
-.051
-.082
.038
.044
-.003
.002
.063
.014
opduration
.007
-.025
-.005
.028
.022
.065
-.062
.063
.067
-.014
delay
.059
.027
-.054
-.027
.052
.071
.051
-.056
.027
.063
totalduration
.063
-.046
-.057
-.069
.041
.043
-.015
.013
.062
.016
clmaxspeed
.025
.030
.065
.056
.053
.042
-.051
.061
.036
.047
opmaxspeed
.043
-.019
.077
.094
.061
.052
-.090
.098
.017
-.003
.027
stdtotaldur
.079
-.046
-.069
-.087
.064
.061
.013
-.017
.053
stdclspeed
-.057
.044
.058
.098
-.021
-.033
-.007
.011
-.040
.007
stdclmaxspeed
.026
.046
.074
.046
.121
.083
.028
-.020
.002
.071
226
ANHANG – 15.3 AUSWERTUNG 1 WERT PRO VP PRO EMOTION, EMG HERAUSPARTIALISIERT
15.3 Auswertung 1 Wert pro VP pro Emotion, EMG herauspartialisiert
Tab. 15.3.1: Partialkorrelationen aller physiologischen Kennwerte(1 Wert pro Vp pro Emotion, 57 Vpn) analog zu Tab. 9.3.6 (S.156). Für Erläuterung der Variablennamen s. signalweise
Abschnitte von Kap.8.2, S.126 und 8.3 S.131. Grau schraffierte Zellen: Korrelation verschiedener Kennwerte des selben Signals; Ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte
Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau. Alle Kennwerte baseline-korrigiert;
EMuJoy
Valenz
EDA
EKG
Sakk
Blink
Hautleitfähigkeit (EDA-Level & EDRs)
Herzaktivität (EKG)
Arousal
Level
Amp
freq
max.amp
IBI
HR
SDNN
MSD
Valenz
1.000
-.607
-.087
-.209
-.075
-.223
.062
-.061
.056
.051
Arousal
-.607
1.000
.037
.224
.092
.239
.082
-.077
-.112
-.083
EDL
-.087
.037
1.000
.209
.206
.251
-.156
.167
.126
-.082
EDRsamp
-.209
.224
.209
1.000
.037
.912
-.035
.047
.037
-.068
EDRsfreq
-.075
.092
.206
.037
1.000
.157
-.113
.116
.066
-.010
EDRsampmax
-.223
.239
.251
.912
.157
1.000
-.045
.052
.032
-.055
IBI
.062
.082
-.156
-.035
-.113
-.045
1.000
-.992
-.239
.306
HR
-.061
-.077
.167
.047
.116
.052
-.992
1.000
.281
-.288
SDNN
.056
-.112
.126
.037
.066
.032
-.239
.281
1.000
.488
MSD
.051
-.083
-.082
-.068
-.010
-.055
.306
-.288
.488
1.000
interval
.229
-.261
.034
-.061
-.111
-.143
.049
-.055
.119
.079
Amplitude
-.008
-.042
.063
.080
.137
.141
-.216
.212
.103
-.012
Duration
.026
-.114
.023
.021
.072
.064
-.262
.258
.193
.077
speed
-.031
.087
.097
.124
.169
.185
-.018
.013
-.162
-.185
Maxspeed
.023
.003
.113
.050
.117
.135
-.110
.104
-.054
-.123
stdduration
.047
-.136
-.021
-.018
-.040
-.004
-.165
.171
.192
.139
stdmaxspeed
-.070
.122
.061
.044
.075
.048
.097
-.111
-.211
-.157
stdspeed
-.017
.028
.083
-.059
-.002
-.032
.000
-.009
-.066
-.076
intervall
.045
.106
-.048
-.003
.014
.041
.295
-.306
-.160
-.020
clamp
.065
-.080
.056
-.019
-.032
.010
-.341
.355
.173
-.059
opamp
-.018
-.052
.074
.039
.030
.068
-.363
.375
.147
-.095
clduration
.072
-.150
-.055
-.061
-.115
-.012
-.122
.120
.206
.139
opduration
.100
-.169
.036
-.078
-.092
-.058
-.251
.253
.115
-.076
delay
-.024
.007
-.052
-.074
.055
-.040
.116
-.111
.140
.222
totalduration
.056
-.138
-.053
-.085
-.058
-.015
-.138
.137
.227
.148
clmaxspeed
.018
-.001
.039
-.019
-.029
-.024
-.235
.251
.078
-.111
opmaxspeed
-.100
.091
.095
.112
.200
.155
-.188
.198
.021
-.113
stdtotaldur
.057
-.126
-.079
-.092
-.048
-.018
-.052
.050
.194
.167
stdclspeed
-.062
.135
.061
.063
.068
.033
-.019
.029
-.127
-.176
stdclmaxspeed
-.056
.085
.032
.023
-.002
-.018
-.032
.044
-.005
-.082
227
ANHANG – 15.4 AUSWERTUNG 10-SEKUNDEN-ZEITFENSTER, EMG HERAUSPARTIALISIERT
15.4 Auswertung 10-Sekunden-Zeitfenster, EMG herauspartialisiert
Tab. 15.4.1 Partialkorrelationen der physiologischen Maße mit den Valenz- und Arousalratings für die in 10-Sekunden-Fenstern ausgewerteten Filmclips (n=57 Vpn) analog zu Tab. 9.4.3
(S.170). EMuJoy= kontinuierliche Selbstbewertung; Sakk=Sakkadenkennwerte; Blink=Lidschlagkennwerte; Für Erläuterung der Variablennamen s. signalweise Abschnitte von Kap.8.2,
S.126 und 8.3 S.131. Grau schraffierte Zellen: Korrelation verschiedener Kennwerte des selben Signals; ausgegraute Werte: nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem
5%-Niveau, fett gedruckte Werte: signifikant auf dem 1%-Niveau. Das Signifikanzniveau variiert je nach Signal (Anzahl gültige VP, s. Tab. 9.4.2 S.160) leicht.
EMuJoy
Valenz
EDA
EKG
Sakk
Blink
EDA
Arousal
Level
EKG
IBI
HR
SDNN
MSD
Valenz
1.000
-.358
-.081
.106
-.115
.009
.023
Arousal
-.358
1.000
.090
-.091
.100
.013
.003
EDL
-.081
.090
1.000
-.118
.134
.060
.026
IBI
.106
-.091
-.118
1.000
-.990
-.037
.256
HR
-.115
.100
.134
-.990
1.000
.088
-.223
SDNN
.009
.013
.060
-.037
.088
1.000
.633
MSD
.023
.003
.026
.256
-.223
.633
1.000
interval
-.034
-.004
-.055
.094
-.091
-.055
-.030
Amplitude
-.035
.009
.093
-.102
.101
.050
.008
Duration
-.064
.006
.048
-.123
.119
.067
.029
speed
.052
.000
.073
-.028
.031
-.020
-.044
Maxspeed
.058
-.016
.093
-.068
.071
.004
-.037
stdduration
-.064
.002
-.021
-.078
.071
.048
.038
stdmaxspeed
.062
-.005
.035
.035
-.033
-.045
-.039
stdspeed
.042
-.011
.054
-.013
.016
-.002
-.019
intervall
.050
.071
-.041
.167
-.170
-.079
-.006
clamp
.022
-.022
.068
-.158
.166
.077
-.016
opamp
.023
-.014
.064
-.127
.138
.070
-.003
clduration
.042
-.057
-.069
.001
-.004
.054
.012
opduration
-.004
-.027
-.005
-.054
.055
.063
-.015
.060
delay
.030
.030
-.074
.063
-.068
.017
totalduration
.029
-.040
-.077
-.010
.007
.053
.014
clmaxspeed
.027
.024
.052
-.040
.050
.030
.043
opmaxspeed
.057
-.030
.063
-.077
.085
.010
-.008
stdtotaldur
.033
-.038
-.101
.022
-.027
.039
.022
stdclspeed
-.019
.034
.070
-.008
.013
-.033
.008
stdclmaxspeed
.001
.040
.032
.051
-.045
-.017
.062
228
ANHANG – 15.4 AUSWERTUNG 10-SEKUNDEN-ZEITFENSTER, EMG HERAUSPARTIALISIERT
Tab. 15.4.2: Partialkorrelationen der peripherphysiologischen Maße mit den Valenz- und Arousalratings für die in 10Sekunden-Fenster ausgewerteten Filmclips(n=57 Vpn), aufgeschlüsselt nach Zielemotion analog zu Tab. 9.4.4 (S.171),
zusätzlich noch um den Einfluss der Gesichtsmuskelaktivität bereinigt. EMuJoy= kontinuierliche Selbstbewertung;
Sakk=Sakkadenkennwerte; Blink=Lidschlagkennwerte; Für Erläuterung der Variablennamen s. signalweise Abschnitte
von Kap.8.2, S.126 und 8.3 S.131. Grau schraffierte Zellen: Korrelation verschiedener Kennwerte des selben Signals;
ausge-graute Werte = nicht-signifikant, normal gedruckte Werte: signifikant auf dem 5%-Niveau, fett gedruckte Werte:
signifikant auf dem 1%-Niveau. Das Signifikanzniveau variiert je nach Signal (Anzahl gültige VP, s. Tab. 9.4.2, S.160)
und Zielemotion (Anzahl Zeitfenster beim zugehörigen Films) leicht.
Valenzrating (ohne Arousal)
EMu
Joy
EDA
E
K
G
S
a
k
k
B
l
i
n
k
Valenz
Arousalrating (ohne Valenz)
Freude
Trauer
Ekel
Wut
Angst
1
1
1
1
1
Arousal
Freude
Trauer
Ekel
Wut
Angst
1
1
1
1
1
EDL
-.023
.089
.138
.108
-.059
-.086
.093
.131
-.032
.076
IBI
.228
.159
-.095
.049
.109
.044
.018
-.084
.044
-.117
HR
-.227
-.177
.083
-.058
-.110
-.038
-.021
.072
-.027
.125
SDNN
-.065
-.044
.017
-.007
.062
.149
.118
-.089
-.026
-.064
MSD
.007
.039
.025
-.039
.100
.102
.041
-.049
-.030
.022
interval
.224
-.027
-.013
-.065
-.119
-.033
.007
-.001
.017
-.081
stdduration
-.043
-.099
-.014
-.105
.127
.059
-.031
.056
-.163
.017
stdspeed
.021
.074
.016
.085
-.124
-.060
.032
-.067
.137
.015
stdmaxspeed
.044
.017
.117
.031
-.073
.016
-.010
.059
.064
.012
intervall
-.008
.119
.043
.009
.121
-.029
.174
.036
.004
.194
stdtotaldur
.041
-.190
.111
-.140
.154
.008
.144
.167
-.216
.009
stdclspeed
.001
.125
-.121
.056
-.072
-.036
-.087
-.192
.167
-.063
stdclmaxspeed
-.019
.129
-.161
.062
.011
-.063
.066
-.128
.209
-.008
229