Forschung und Entwicklungen im Klarinettenbau

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Forschung und Entwicklungen im Klarinettenbau
13. Schweizerische Klarinettentagung in Zürich
31. Oktober 2015
Die Jahrestagung der Swiss Clarinet Society wurde dieses Jahr von den Lehrkräften der Zürcher
Hochschule der Künste organisiert und durchgeführt, sie fand im Toni-Areal, den neuen
Räumlichkeiten der ZhdK statt. Die perfekt abgewickelte Organisation und die sehr interessante
Programmation oblag unserem Vorstandsmitglied Bernhard Röthlisberger, Dozent für Bassklarinette
an dieser Hochschule. Bernhard Röthlisberger begrüsste die zahlreichen Anwesenden mit einer
gekonnten Powerpoint-Präsentation, die er mit einer witzigen Fotomontage mit Klarinettenbecher als
Kaminschlote auf dem neuen HdK-Gebäude abschloss.
Das Tagungsprogramm umfasste fünf Teile. Der Vormittag bot vier der heute zu den namhaftesten
zählenden Klarinettenfirmen eine Plattform. Ab Mittag war dann die Industrieausstellung mit
Testmöglichkeiten in verschiedenen Zimmern geöffnet. Nach der Generalversammlung der Swiss
Clarinet Society waren sechs Kurzvorträge aus dem Bereich der Klarinettenpädagogik zu hören und
zum Schluss spielte das Klarinettenoktett Amadé mit unserem Vorstandsmitglied Marco Santilli als
Leader und Solist ein fulminantes und hochvirtuoses Konzert. Ein wahrhaft grandioses und
reichhaltiges Programm!
Gleich nach Bernhard Röthlisbergers Einführung kam Jochen Seggelke ans Rednerpult. Jochen
Seggelke ist Inhaber der Bamberger Klarinettenfabrik Schwenk & Seggelke, die sich mit der
Herstellung der ganzen Palette der historischen Klarinetten und innovativen neuen Klarinetten (sowohl
Deutsches System wie Böhm-System) inzwischen weltweit einen hervorragenden Ruf gesichert hat.
Jochen Seggelke zeigte uns in seinem Vortrag, wie er in seiner Werkstatt das traditionelle Handwerk
pflegt und so auch in der Lage ist, ganz spezielle Einzelanfertigungen zu bauen. Als Beispiel führte er
eine Klarinette in G vor, die er einfach herstellte, um die speziellen klanglichen Wirkungen dieser
Mensur zu erfahren. Jochen Seggelke erwähnte nicht ohne Stolz, dass seine Firma der einzige
Klarinettenhersteller ist, der von der kleinsten Klarinette (hoch as?) bis zur Kontrabassklarinette alles
baut. Eine wichtige Spezialität von Schwenk & Seggelke ist die Anwendung verschiedener Holzarten.
Nebst Grenadill können Klarinetten aus Buchsbaumholz oder Mopane bestellt werden, je nach
klanglicher Vorliebe der Kunden. Dass neben gelebter Tradition auch kühner Fortschritt bei Schwenk
& Seggelke Platz hat, zeigte uns Jochen Seggelke, als er über seine neueste Entwicklung sprach,
einer neuartigen Kontrabassklarinette, die er zusammen mit der Hochschule der Künste Bern (unter
Ernesto Molinari) und mit Martin Suter, dem Inhaber des Zuger Ateliers "Blashaus" entwickelt. Diese
Kontrabassklarinette kann sich eine ganz auf die akustische Optimierung ausgerichtete Form leisten,
denn da die Klappen mit sensorbestückten elektromechanischen Aktoren versehen sind, können die
Löcher kompromisslos am akustisch korrekten Ort gebohrt werden. Auch hier hat Jochen Seggelke
ein für die Klarinette ungewöhnliches Holz gewählt, nämlich Ahorn. Schliesslich werden Fagotte auch
meist aus Ahorn gefertigt. Diese völlig neuartige Kontrabassklarinette befindet sich aktuell im finalen
Prototyp-Stadium und sollte bald spielbereit vorgeführt werden können.
Ebenfalls ganz der Tradition verpflichtet, beleuchtete im nächsten Vortrag Jérôme Selmer die illustre
Geschichte seines Unternehmens, das er als Generaldirektor in der vierten Generation führt. Henri
Selmer, der Gründer des Unternehmens begann 1885 vorerst mit dem Bau von KlarinettenMundstücken Klarinettenblättern, bevor er 1898 damit begann, Klarinetten zu bauen. Henri Selmer
konnte auch auf die Mitwirkung seines jüngeren Bruders Alexandre zählen, der ab 1898 Klarinettist
im Boston Symphony Orchestra und ab 1901 Soloklarinettist des Cincinnati Symphony Orchestra war.
Nachdem die Selmer-Klarinette 1904 an der Ausstellung von St. Louis mit einer Gold-Medaille
prämiert worden war, half Alexandre seinem Bruder tatkräftig bei der Eroberung des amerikanischen
Markts. Obschon später die für die Firma Selmer wichtige Herstellung der Saxophone dazukam, blieb
die Marke stets der Klarinette verpflichtet und wartete im Laufe der Jahre mit ganz interessanten
Modellen auf. Legendär waren die Centered Tone, Radio Tone und Balanced Tone Klarinetten, deren
Qualitäten von Benny Goodman auf meisterhafte Weise vorgeführt wurden. Auch Modelle wie die
Récital mit ihrer aussergewöhnlichen Wanddicke oder die neue Signature erfreuen sich grosser
Beliebtheit und Beachtung. Schliesslich hob Jérôme Selmer hervor, dass man sich wieder der
Traditon des Klarinettenmundstück-Bauens besann und nun mit einer neuen Serie
Klarinettenmundstücke aufwartet. Schliesslich wurden die neue Serie Seles vorgestellt, Klarinetten im
bestmöglichen Preis/Leistungsverhältnis.
Die Firma Yamaha entsandte den Entwickler Isawo Miyachi für den nächsten Vortrag. Isawo Miyachi
ist ein höchst beflissener und kompetenter Tüftler, der sich hingebungsvoll den verschiedensten
kleinen Verbesserungen an Yamahas Klarinetten annimmt. Er leitet das Atelier Yamaha in Wien und
nahm in seinem Vortrag Bezug auf die speziellen akustischen Eigenschaften der Klarinette. Mit Hilfe
eines auf die Grossleinwand projizierten Computerprogramms zeigte Isawo Miyachi, dass der
Klarinettenbau hinsichtlich Intonation wegen der ungradzahligen Obertöne der Klarinette den
Entwicklern besondere Hürden in den Weg stellt. Bedauerlicherweise stellte auch die Sprache ein
Hindernis dar, aber den Anwesenden wurde schon klar, dass Yamaha mit den Entwicklungen am
neuen Flaggschiff SE-Artist Model eine Klarinette konzipiert hat, die in allen Aspekten höchsten
Ansprüchen gerecht werden kann.
Der letzte Vortrag dieses interessanten Vormittags war für Buffet Crampon reserviert. 84% aller
Klarinetten werden von Buffet Crampon hergestellt, jährlich sind es aktuell 22'000 Stück. Eric Baret,
seit 20 Jahren Akustiker, Entwickler und Tester bei Buffet Crampon, stellte die neuesten
Entwicklungen vor, mit einem speziellen Blick auf die neuen Schallbecher und Birnen, die unter dem
Namen ICON vermarktet werden. Eric Baret führte aus, dass der Schallbecher einen entscheidenden
Einfluss auf den Klang der ganzen Klarinette hat, nicht nur (wie man zuerst vermuten würde) auf die
tiefen Töne. Deshalb hat Buffet Crampon nun intensiv verschiedene Formen und Holzbeschaffenheit
von Schallbechern beforscht und hat nun unter dem Namen ICON Schallbecher zur Hand, die den
verschiedenen Buffet-Klarinetten noch besseren Klang entlocken können. Das gleiche gilt für die
neuen Birnen, die auch unter dem Namen ICON erhältlich sind und mit ihrer invertiert konischen
Bohrung den hauseigenen speziellen Birnen Moenning und Chadash Konkurrenz machen. Die ICON
Birnen sollen auf alle A- und B-Klarinetten passen, egal welche Bohrung oder welches Modell. Sie
sind auch hinsichtlich der Materialien differenziert, so kann man zwischen vergoldeten, versilberten
und schwarz vernickelten Ringen auswählen. Die goldenen Ringe produzierien mehr hohe Obertöne,
die silbernen machen den Klang runder und weicher und die schwarz vernickelten Ringe sollen sich
klanglich ungefähr zwischen den beiden anderen befinden.
Die ICON Schallbecher und ICON Birnen sind Teil einer neuen Linie von Buffet Crampon, die sich
Sound Design nennt und Accessoires bietet, die teils akustisch und teils ästhetischen DesignPrinzipien folgen.
Nach diesen höchst interessanten Vorträgen beschloss die Generalversammlung der Swiss Clarinet
Society den Vormittag.