Seismische Einwirkungen auf erdverlegte
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Seismische Einwirkungen auf erdverlegte
Hauptaufsatz Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen wissenschaftlich begutachteten und freigegebenen Fachaufsatz („reviewed paper“). Seismische Einwirkungen auf erdverlegte Rohrleitungssysteme C. Butenweg, T. Schmitt, B. Rosen Zusammenfassung Die erdbebensichere Auslegung von erdver- Berechnung • unterirdische Anlagen • Erdbeben • Dynamik 316 legten Rohrleitungssystemen ist von wesentlicher Bedeutung zur Sicherstellung der Funktionalität der Versorgungsinfrastruktur nach einem Erdbebenereignis. Zur Vermeidung von Netzausfällen ist es erforderlich, die räumlich weit ausgedehnten Leitungssysteme mit geeigneten rechnerischen Modellen seismisch zu bemessen. Der vorliegende Beitrag behandelt die Beanspruchung von Rohrleitungssystemen durch seismische Welleneinwirkung und stellt geeignete Näherungsansätze und ein detailliertes Rechenmodell für seismische Leitungsanalysen vor. Mit den Ansätzen wird in Berechnungsbeispielen der Einfluss wesentlicher Parameter auf die seismisch induzierten Dehnungen in Rohrleitungssystemen untersucht. Seismic loading on underground pipeline systems Abstract The earthquake resistant design of buried pipeline systems is essential to ensure the operational reliability of the supply infrastructure after an earthquake event. To avoid supply interruptions it is necessary to analyze the seismic safety of spatial expanded pipeline systems with appropriate computational models. The present paper discusses the seismic loading on pipeline systems through seismic wave propagation and presents suitable approximation approaches and a detailed computational model for pipeline systems under seismic excitation. Finally, the introduced approaches are used within calculation examples to study the influence of key parameters on seismically induced strains in pipeline systems. 1 Einleitung Erdverlegte Rohrleitungssysteme für die Energie- und Wasserversorgung sind ein wesentlicher Bestandteil der Versorgungsinfrastruktur, deren Funktionalität auch nach einem Erdbeben sichergestellt sein muss. Zurückliegende Erdbebenschäden haben die seismische Vulnerabilität von Leitungssystemen aufgezeigt. Nach dem Erdbeben in Kobe (Japan) im Jahre 1995 kam es zu einem Ausfall der Wasserversorgung, der in den stark betroffenen Gebieten fast zwei Mo- Dr.-Ing. Christoph Butenweg Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamik RWTH-Aachen [email protected] Dr.-Ing. Timo Schmitt TÜV SÜD Industrie Service GmbH München [email protected] Dr.-Ing. Britta Rosen SDA-engineering GmbH Herzogenrath [email protected] Bauingenieur Bild 1. Erdbebenschäden an Rohrleitungen [6], [7] Fig. 1. Earthquake damage to pipelines nate andauerte [1]. Bei dem Erdbeben in Chi-Chi (Taiwan) im Jahre 1999 wurde etwa 50 % der erdverlegten Infrastruktur zerstört [2]. Im Erdbebenfall können Rohrleitungssysteme durch transiente Verschiebungsdifferenzen fortschreitender Erdbebenwellen und durch permanente Verschiebungsdifferenzen infolge von oberflächennahen Verwerfungen, Bodenverflüssigung, Hangrutschungen und seismischen Setzungen beansprucht werden. Sind in unmittelbarer Nähe des Standortes oberflächennahe Verwerfungen mit großem Magnitudenpotenzial vorhanden (z. B. M > 5.5 – 6.5), sollte eine gesonderte Betrachtung der möglichen permanenten Verschiebungsdifferenzen erfolgen. Dabei treten nicht nur Verschiebungen entlang der Verwerfung auf, sondern auch Sekundärverschiebungen abseits der Verwerfung. Zur Abschätzung der Verschiebungen an Verwerfungen existieren sowohl deterministische [3] als auch probabilistische Methoden [4], [5]. Bild 1 oben zeigt einen Erdbebenschaden in Palm Springs (Kalifornien) an einer Diesel führenden Rohrleitung mit einem Durchmesser von 0,5 m, die direkt über eine Verwerfung verlief. Die Leitung wurde durch Faltungen und Brüche um mehrere Meter verkürzt, und es liefen größere Mengen Diesel aus [6]. Bild 1 Band 89, Juli / August 2014 Hauptaufsatz Bild 2. Seismische Wellenarten mit Bewegung der Bodenpartikel Fig. 2. Seismic waveforms and soil particle movement unten zeigt den Bruch einer Stahlleitung in Mexico City, deren Reparatur mehrere Tage benötigte [7]. In diesem Beitrag werden ausschließlich Verschiebungsdifferenzen durch fortschreitende Erdbebenwellen betrachtet, und es wird vorausgesetzt, dass der Untergrund stabil und nicht verflüssigungsgefährdet ist. Durch die Erdbebenwellen werden erdverlegte Leitungen durch Bodenbewegungen beansprucht und erfahren aufgrund der räumlichen Ausdehnung und des Einfallswinkels der Erdbebenwellen entlang der Leitung unterschiedliche Beanspruchungen. Daher wird als Einwirkung in den Rechenmodellen eine fortschreitende Welle angesetzt, welche die Rohrleitung zeit- und ortsabhängig unterschiedlich erfasst. Die Beanspruchungen entstehen dabei im Wesentlichen durch die Verschiebungsdifferenzen benachbarter Rohrabschnitte und durch die Interaktion der Rohrleitung mit dem Boden. 2 Seismische Welleneinwirkung auf Rohrleitungen 2.1 Wellenarten und Wellenausbreitung Bei einem Erdbeben kommt es durch Bruchvorgänge in der Erdkruste zu Erschütterungen, die sich als seismische Wellen bis zur Erdoberfläche ausbreiten, wobei die an einem Standort ankommenden Wellen hinsichtlich ihrer Amplitude und ihres Frequenzgehalts, neben der Magnitude und der Entfernung zum Standort, entscheidend von der Zusammensetzung des Ausbreitungsmediums beeinflusst werden. Durch die Wellenausbreitung im Boden entstehen Partikelbewegungen und damit Verformungen, die den erdverlegten Rohrleitungen aufgezwungen werden. Daraus ergeben sich in den Rohrleitungen seismische Beanspruchungen, die bei Nichtberücksichtigung zu schweren Schäden an den Leitungen führen können. Für die Ermittlung der Verformungen infolge seismischer Welleneinwirkung ist es erforderlich, Band 89, Juli / August 2014 die Wirkung der verschiedenen Wellenarten differenziert zu betrachten. Vom Erdbebenherd breiten sich die Raumwellen aus. Sie werden unterteilt in P-Wellen (Primärwellen, Longitudinalwellen oder Kompressionswellen) und langsamere S-Wellen (Sekundärwellen, Transversalwellen oder Scherwellen). Die P-Wellen breiten sich idealisiert – ähnlich den Schallwellen in der Luft – kugelförmig vom Entstehungsort aus, während die Scherwellen orthogonal dazu verlaufen. Das Verhältnis von P- zu S-Wellengeschwindigkeit (vp / vs) ist abhängig von der Poissonzahl. In Gesteinen mit einer Poissonzahl von 0,25 beträgt das Verhältnis gerade vp / vs = ÷3. Die Scherwellen sind aufgrund der Wirkungsrichtung und der größeren Amplituden für die Einwirkungen auf Bauwerke von besonderem Interesse. Durch die Reflexion der Raumwellen an der Erdoberfläche und deren Überlagerung entstehen zusätzlich Oberflächenwellen. Es wird zwischen Love-Wellen (L-Wellen) und Rayleigh-Wellen (R-Wellen) unterschieden. Diese Wellen haben nur eine geringe Eindringtiefe und wirken damit auf oberflächennah verlegte Rohrleitungen ein. Die Geschwindigkeit der R-Welle ist im homogenen Halbraum kleiner als die der Scherwelle und beträgt bei Böden etwa 90 % bis 95 % der Scherwellengeschwindigkeit. Die Teilchenbewegung der R-Welle ist elliptisch, ähnlich den Wasserwellenbewegungen an der Küste. Sie entsteht durch Überlagerung von P-Wellen und vertikal polarisierten Scherwellen (SV-Wellen). L-Wellen entstehen durch Reflexion der horizontal polarisierten Scherwellen (SH-Wellen) an der Erdoberfläche. Die Amplituden der Oberflächenwellen nehmen näherungsweise exponentiell mit der Tiefe ab. Bild 2 zeigt die zu den verschiedenen Wellenarten korrespondierenden Partikelbewegungen des Bodens. Da erdverlegte Rohrleitungen oberflächennah eingebaut werden, hat der Winkel zwischen Wellenpfad der Raumwellen und der Erdoberfläche einen entscheidenden Einfluss auf die zu erwartenden Bodenbewegungen. Bild 3 zeigt beispielhaft die Wellenpfade und Wirkungsrichtungen der Pund S-Wellen im Vertikalschnitt. Die P-Wellen wirken in Laufrichtung des Wellenpfades, während sich die S-Wellen orthogonal dazu ausbilden. Auf dem Laufweg an die Erdoberfläche wird die Richtung der Wellen an jedem Übergang zwischen zwei Bodenschichten abgelenkt. Durch die nach oben abnehmende Dichte der Bodenschichten wird der Wellenpfad zunehmend steiler. Die Einfallswinkel gp (P-Welle) und gs (S-Welle) zur Erdoberfläche sind in der Realität sehr klein. Dies liegt daran, dass die kürzeste Distanz zwischen Erdbebenherd und Standort in geschichteten Medien nicht dem schnellsten Weg der Wellen entspricht. Die Erdbebenwellen breiten sich im kompakten Festgestein der Erdkruste sehr schnell aus und durchlaufen auf dem schnellsten Weg zum Standort die letzte Wegstrecke im weniger dichtem Gestein bzw. Sediment relativ steil nach oben zur Erdoberfläche. Bei bodendynamischen Berechnungen werden daher häufig vereinfachend horizontal polarisierte S-Wellen (gs = 0) angenommen. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Erdbebenwellen an der Erdoberfläche hängt wesentlich vom Einfallswinkel der Wellen ab, der sich vom Ausbreitungspfad ausgehend vom Festgestein in größeren Tiefen bis hin zur Erdoberfläche ergibt. Die sogenannte scheinbare Wellengeschwindigkeit CSW der Welle entlang der Erdoberfläche kann entsprechend Bild 3 über die Winkelbeziehung CSW = CS / sin gs berechnet werden [9]. Maßgebend ist die Scherwellengeschwindigkeit, da Bauingenieur 317 Hauptaufsatz 318 Bild 3. Wellenpfade P- und S-Welle, Einfallswinkel gs, gp und scheinbare Wellengeschwindigkeit CSW an der Erdoberfläche [8] Fig. 3. Wavepath P- and S-wave, incident angle gs, gp and apparent wave velocity CSW at the ground surface die S-Welle aufgrund ihrer Wirkungsrichtung, der größeren Amplitude im Vergleich zur P-Welle und ihrer deutlich kleineren Wellengeschwindigkeit schadensrelevanter ist und länger auf die Rohrleitung einwirkt. Bei gs = 0° fällt die Erdbebenwelle vertikal von unten ein, und es handelt sich um eine vertikal polarisierte S-Welle (CSW = •). In diesem Fall werden die Punkte entlang der Rohrleitung gleichzeitig angeregt, sodass sich praktisch keine Relativverschiebungen ergeben. Nach O´Rourke et al. [10] liegen die scheinbaren Wellengeschwindigkeiten etwa zwischen 2 – 5 km/s, wobei der Mittelwert 3,5 km/s beträgt. Tabelle 1.Welleneinwirkungen und Beanspruchung der Rohrleitung Table 1. Wave excitation and pipeline loading Bauingenieur Bild 4. Idealisierung der Bodenbewegungen als sinusförmige Welle Fig. 4. Idealisation of soil movement as sinusoidal wave 2.2 Beanspruchung der Rohrleitung durch Wellenausbreitung Zur Verdeutlichung der einzelnen Wellenwirkungen auf erdverlegte Rohrleitungen werden die Raum- und Oberflächenwellen vereinfacht als sinusförmige Wellen mit der Wellenlänge l, der Wellengeschwindigkeit C, der Amplitude A und der Periode T über die Zeit t betrachtet (Bild 4). Für die Idealisierung als Sinuswelle sind in Tabelle 1 die durch Raumwellen hervorgerufenen Partikelbewegungen im Boden und die daraus resultierenden Beanspruchungen für die Leitungen zusammengestellt. Es wird deutlich, dass pulsierende P-Wellen in Rohrleitungsrichtung Zug- und Druckbeanspruchungen verursachen. Bei einer Einwirkung senkrecht zum Rohr verursachen P-Wellen hingegen eine Ovalisierung des Rohrquerschnitts. Auch bei der Einwirkung der S-Wellen muss die Wellenrichtung berücksichtigt werden. Eine in Rohrlängsrichtung fortschreitende S-Welle führt zu Biegebeanspruchungen der Leitung und in den anderen Richtungen zu Schubbeanspruchungen mit den dargestellten Querschnittsverformungen, wobei die Spannungsverteilungen über den Querschnitt in jeder Richtung unterschiedlich sind. Für die Erdbebenbemessung von Rohrleitungen ist neben der Wellenausbreitung auch die Wellenenergie von wesentlicher Bedeutung. Bei den Raumwellen weisen S-Wellen eine wesentlich höhere Energie als P-Wellen auf, die zu größeren Bodenbewegungen und in der Folge zu höheren Beanspruchungen der Rohrleitungen führen. Bei den Oberflächenwellen können die L-Wellen gegenüber den energiereicheren R-Wellen vernachlässigt werden. Die R-Wellen breiten Band 89, Juli / August 2014 Hauptaufsatz sich immer entlang der Erdoberfläche aus und verursachen eine elliptische Rollbewegung des Bodens, die den Boden auf und ab sowie in Ausbreitungsrichtung der Welle bewegt. Auf diese Weise ergeben sich für die R-Wellen qualitativ vergleichbare Beanspruchungen in Längs- und Querrichtung des Rohres wie bei P-Wellen. Aus den genannten Gründen ist es für die seismische Bemessung von Rohrleitungen in der Regel ausreichend, S-Wellen und R-Wellen zu berücksichtigen. Die modellhafte Aufteilung der seismischen Bodenbewegung in die einzelnen Wellenarten und Einwirkungsrichtungen ist ein stark vereinfachter Ansatz. In der Realität liegt in den meisten Fällen ein geschichteter Boden mit verschiedenen Kombinationen von Fest- und Lockergesteinen vor, der zu einem komplizierten Wellenfeld führt. Die genaue Lage des Erdbebenherdes, die Magnitude, der Herdmechanismus, die Geometrie der Verwerfung, die Entfernung zum jeweiligen Rohrleitungsabschnitt und die genaue Schichtung des Untergrundes mit ihren Eigenschaften sind a priori nicht bekannt, sodass nicht vorhersehbar ist, unter welchem Winkel die S- und R-Wellen auf die Rohrleitung treffen und wie die Wellen im Raum orientiert sind. Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass die maximalen Beanspruchungen infolge der einzelnen Wellenarten über den Querschnitt unterschiedlich verteilt sind, sodass eine einfache Überlagerung zu konservativen Ergebnissen führt. Schlussendlich wird die Komplexität auch noch dadurch erhöht, dass Rohrleitungssysteme Richtungswechsel und Festpunkte aufweisen, die wiederum Einfluss auf die Wahl des ungünstigsten Winkels des Wellenpfades für die maßgebende Bemessungssituation haben. In Abhängigkeit von der gewünschten Genauigkeit und des akzeptierten Aufwandes, können erdverlegte Rohrleitungen entweder auf Grundlage von Näherungsansätzen oder aufwendigen dynamischen Berechnungen für seismische Einwirkungen ausgelegt werden. Im Folgenden werden Verfahren für diese Nachweismöglichkeiten vorgestellt und bewertet. 3.1 Näherungsansatz nach Newmark für gerade Rohrleitungsabschnitte Der am häufigsten verwendete Näherungsansatz für gerade Rohrleitungsabschnitte zur Abschätzung der zulässigen Grenzwerte der Dehnungen und Krümmungen wurde von Newmark [11], basierend auf drei Annahmen, entwickelt. Es wird angenommen, dass sich die seismischen Wellenmuster nicht verändern und der Unterschied an zwei Punkten entlang der Rohrleitung nur aus dem Zeitversatz resultiert. Weiterhin wird unterstellt, dass Rohr- und Bodenbewegungen gleich groß sind und die Trägheitskräfte der Rohrleitung vernachlässigbar sind. Die Bodenbewegung u wird als sinusförmige Welle betrachtet: ε= ∂u ω⋅d x =− cos ω t − ∂x C C (2) Somit berechnet sich die maximale Bodendehnung emax mit der maximalen Bodengeschwindigkeit v in Wellenrichtung zu: v ω ⋅d = C C ε max = (3) Weiterhin kann die Krümmung k wie folgt berechnet werden: κ= ∂2u ∂x 2 κ max = =− ω 2d C2 x sin ω t − C (4) a 2 C = ω ⋅ d2 C2 (5) Für S-Wellen ist für C nach Abschnitt 2 die scheinbare Wellengeschwindigkeit CSW in Rohrrichtung anzusetzen. Diese berechnet sich nach Bild 5 für S-Wellen zu: CSW = CS sin γ S (6) Für die R-Wellen, deren Wellenpfad parallel zur Erdoberfläche verläuft, ist für C die Phasengeschwindigkeit der Welle anzusetzen (nahezu die Scherwellengeschwindigkeit gemäß Abschnitt 2), die der scheinbaren Wellengeschwindigkeit entspricht. Der Ansatz nach Newmark [11] liefert konservative Ergebnisse, da von einem starren Verbund zwischen Rohrleitung und Boden ausgegangen wird. Der Ansatz ist gut geeignet für moderate Bodenbewegungen, überschätzt aber die Beanspruchungen der Leitung für große Bodenbewegungen bei hohen Erdbebenintensitäten sowie im Falle weicher Böden. Deshalb ist es sinnvoll zu überprüfen, ob die Bodendehnungen überhaupt auf das Rohr übertragen werden können. Die maximal aufnehmbare Dehnung emax beträgt: (1) Hierbei sind d die Amplitude der Gesamtverschiebung, w die Kreisfrequenz der Welle, C die Wellengeschwindigkeit, x die Koordinate entlang der Rohrleitung und t die Zeit. Daraus kann die Bodendehnung e berechnet werden: Band 89, Juli / August 2014 Bild 5. Rohrleitung mit einlaufender seismischer Welle Fig. 5. Pipeline and incoming seismic wave Daraus ergibt sich die maximale Krümmung kmax mit der maximalen Bodenbeschleunigung a in Wellenrichtung: 3 Berechnungsansätze x u( x, t ) = d ⋅ sin ω t − C 319 ε max = Tu ⋅ LR A⋅E (7) Hierbei sind Tu die maximal übertragbare Axialkraft nach der folgenden Gleichung 8, LR die Einleitungslänge, auf der Reibungskräfte übertragen werden, A die Querschnittsflä- Bauingenieur Hauptaufsatz Bild 7. 3D-Modell der Rohrleitung mit nichtlinearen Bodenfedern Fig. 7. 3D-model of pipeline with non-linear soil springs 320 Bild 6. Rohrbogen mit einlaufender seismischer Welle (Draufsicht) Fig. 6. Bend and incoming seismic wave (top view) che und E der Elastizitätsmodul des Rohres. Die Länge LR kann näherungsweise mit einem Viertel der scheinbaren Wellenlänge l an der Erdoberfläche angesetzt werden. 3.2 Näherungsansätze für Verzweigungspunkte In Rohrleitungssystemen werden Geradenstücke in Verzweigungspunkten durch Bögen, Kreuzungen oder T-Verzweigungen miteinander verbunden. Aus Erdbebenschäden ist bekannt, dass die Verzweigungspunkte im Hinblick auf mögliche Schädigungen kritisch sind. Grund hierfür sind zusätzliche Biegebeanspruchungen infolge der Auflagerwirkung der Geradenstücke beim Durchlauf der Welle. Bild 6 zeigt beispielhaft die Entstehung der Biegemomente für einen Rohrbogen mit einem Winkel von 90° für eine parallel zum vertikalen Rohrleitungsabschnitt auf den Rohrbogen zulaufende Welle in der Draufsicht. Da die Rohrverformungen in der betrachteten Ebene durch die Aktivierung der Bodenpressung in dem horizontalen Rohrleitungsabschnitt behindert werden, entstehen bemessungsrelevante Biegemomente in dem Rohrbogen. Weiterhin werden im vertikalen Rohrabschnitt Mantelreibungskräfte über die Einleitungslänge LR aktiviert. Die resultierende Biegebeanspruchung des Rohrbogens hängt von der Einwirkungsrichtung der Erdbebenwelle, dem Winkel des Bogens, den Steifigkeitsverhältnissen der einlaufenden Leitungen, den Bodensteifigkeiten, dem Verhältnis von Rohrleitungsdurchmesser und Wandstärke D / t, der Mantelreibung des Rohres sowie der Einbindetiefe ab. Für die Ermittlung der Beanspruchungen von 90° Bögen und T-Verzweigungen wurden von Shah und Chu [12] und Shinozuka und Koike [13] Näherungsansätze auf Grundlage der Theorie des elastisch gebetteten Balkens entwickelt. Hierbei wurden die Annahmen von unendlich steifen Bögen, homogenen Bodeneigenschaften und gleichen Querschnitten für die einlaufenden Rohrleitungen getroffen. Aufgrund des eingeschränkten Gültigkeitsbereichs der Näherungsansätze müssen die Ansätze für die in der Praxis vorkommenden Einbausituationen (z. B. Bögen mit beliebigen Winkeln) im Einzelfall erweitert werden. Alternativ dazu können mit dem im Abschnitt 3.3 vorgestellten Rechenmodell beliebige Einbausituationen analysiert werden. Bauingenieur Bild 8. Federgesetz in axialer Richtung Fig. 8. Spring law in axial direction 3.3 3D-Modell der Rohrleitung mit nichtlinearen Bodenfedern In dem 3D-Modell wird die Rohrleitung unter Vernachlässigung der Trägheitskräfte mit Balkenelementen abgebildet, und die Interaktion zwischen Leitung und Boden ist über Federn in axialer, transversaler und vertikaler Richtung definiert (Bild 7). In der Vertikalrichtung sind zwei Federn angeordnet, da sich die Federeigenschaften für die Aufwärts- und Abwärtsbewegung unterscheiden. Die im Folgenden definierten Federkennlinien der Bodeneigenschaften in die drei Raumrichtungen basieren auf den Angaben in den Richtlinien ASCE [14] sowie ALA [15]. 3.3.1 Federgesetz in axialer Richtung Das in Bild 8 dargestellte Federgesetz für die axiale Richtung ist definiert durch die maximal übertragbare Axialkraft Tu und die maximale Relativbewegung Dt. In axialer Richtung beträgt die maximal übertragbare Axialkraft Tu pro Längeneinheit: Tu = π ⋅ D ⋅ α ⋅ c + π ⋅ D ⋅ H ⋅ γ 1 + K0 tan ( f ⋅ ϕ ) 2 (8) Hierbei sind D [m] der Rohrdurchmesser, c [kN/m²] die Kohäsion, a [-] der Adhäsionsfaktor, H [m] die Höhe der Bodenverfüllung über dem Rohr, K0 [-] der Erdruhedruckbeiwert, g [kN/m²] die effektive Bodenwichte, f [-] der Beiwert zur Berücksichtigung des Rohrmaterials (Beton: 1,0; glatter Stahl: 0,7) und j [°] der Reibungswinkel des Bodens. Der Adhäsionsfaktor a ist wie folgt anzusetzen: α = 0, 608 − 0, 00123 ⋅ c − 0, 274 2 c 100 + 1 + 0, 695 3 c 100 + 1 (9) Band 89, Juli / August 2014 Hauptaufsatz 321 Bild 11. Federgesetz in vertikaler Richtung Fig. 11. Spring law in vertical direction Bild 9. Federgesetz in transversaler Richtung Fig. 9. Spring law in transversal direction Die maximale vertikale Kraft Qu pro Längeneinheit für Aufwärtsbewegungen beträgt: Qu = Ncv ⋅ c ⋅ D + Nqv ⋅ γ ⋅ H ⋅ D (11) Hierbei sind Ncv der vertikale Tragfähigkeitsfaktor für bindige Böden (0 für c = 0) und Nqv für Sand (0 für j = 0), die wie folgt ermittelt werden: Bild 10. Tragfähigkeitsfaktoren Nqh und Nch [15] Fig. 10. Bearing capacity factors Nqh und Nch Die maximale Relativbewegung Dt beträgt 3 mm für dicht gelagerten Sand, 5 mm für locker gelagerten Sand, 8 mm für steifen bindigen Boden und 10 mm für weichen bindigen Boden. H H Ncv = 2 ≤ 100, anwendbar für ≤ 10 D D (12) ϕ⋅H Nqv = ≤ Nq 44 ⋅ D (13) Die Relativbewegung Dqu für die maximale vertikale Federkraft Qu beträgt 0,01 H bis 0,02 H und < 0,1 D für locker bis dicht gelagerten Sand sowie 0,1 H bis 0,2 H und < 0,2 D für steifen bis weichen bindigen Boden. Der maximale vertikale Kraft Qd pro Längeneinheit für Aufwärtsbewegungen beträgt: Qd = Nc ⋅ c ⋅ D + Nq ⋅ γ ⋅ H ⋅ D + N γ ⋅ γ ⋅ 3.3.2 Federgesetz in transversaler Richtung Das in Bild 9 dargestellte Federgesetz für die transversale Richtung ist definiert durch die maximale Kraft in transversaler Richtung Pu und die maximale Relativbewegung Dp. Die maximale Kraft in transversaler Richtung Pu pro Längeneinheit beträgt: Pu = Nch ⋅ c ⋅ D + Nqh ⋅ γ ⋅ H ⋅ D 3.3.3 Federgesetz in vertikaler Richtung Das in Bild 11 dargestellte Federgesetz für die vertikale Richtung wird definiert durch die maximal übertragbare Axialkraft Qu und die maximalen Relativbewegung Dqd und Dqu. (14) Hierbei ist γ [kN/m³] die totale Bodenwichte und Nc, Nq und Ng sind die vertikalen Tragfähigkeitsfaktoren, die sich wie folgt berechnen: NC = [cot(ϕ + 0, 001)] ⋅ ϕ + 0, 001 (10) )] ⋅ [exp[ π ⋅ tan(ϕ + 0, 001)]tan 2 45 + − 1 2 Hierbei ist Nch der horizontale Tragfähigkeitsfaktor für bindige Böden (0 für c = 0) und Nqh für Sand (0 für j = 0). Die beiden Tragfähigkeitsfaktoren werden aus dem Diagramm in Bild 10 bestimmt. Die zur maximalen Kraft Pu gehörige Relativbewegung Dp beträgt 0,07 bis 0,1 (H + D/2) für losen Sand, 0,03 bis 0,05 (H + D/2) für mitteldichten Sand, 0,02 bis 0,03 (H + D/2) für dichten Sand und 0,03 bis 0,05 (H + D/2) für steifen bis bindigen Boden. Band 89, Juli / August 2014 D 2 (15) ϕ Nq = exp( π tan ϕ ) tan 2 45 + 2 (16) N γ = e( 0,18ϕ − 2, 5) (17) Die zur maximalen vertikalen Kraft Qd korrespondierende Relativbewegung Dqd beträgt 0,1 D bis 0,15 D für nicht-bindigen und bindigen Boden. 3.3.4 Federgesetz für Torsion In den Richtlinien [14], [15] finden sich keine Angaben für den Ansatz des Widerstands des Bodens gegen Rotationen des Rohres um die Längsachse. Wenn die Rohrleitung Kur- Bauingenieur Hauptaufsatz 4.3.3.4.3 (3) [17] mindestens drei Sets von Zeitverläufen zu verwenden, aus denen die Maximalwerte der Zustandsgrößen zu ermitteln sind. Somit werden für eine vollständige Rohrleitungsanalyse insgesamt neun Zeitverläufe benötigt. 3.3.7 Vorgaben nach DIN EN 1998–4 Nach DIN EN 1998–4, Anhang B.2 [18] kann das vorgestellte Näherungsverfahren (Abschnitt 3.2) oder das detaillierte 3D-Modell (Abschnitt 3.3) verwendet werden, wobei hinsichtlich der Modellierung keine Vorgaben gemacht werden. Nach DIN EN 1998–4, Abschnitt 6.5.2 [18] sind aber für geschweißte Stahlrohrleitungen maximale Dehnungen einzuhalten, um die Verformungskompatibilität und einen ausreichenden Beulwiderstand sicherzustellen. Die zulässige Zugdehnung beträgt 3 % und die zulässige Druckstauchung ist der kleinere Wert von 1 % und 20 t/R [%]. 322 Bild 12. Fortschreitende Wellenfront über einen Trassenverlauf Fig. 12. Propagating wave-front along a pipeline venbereiche aufweist, sollte jedoch der Torsionswiderstand berücksichtigt werden. Nach Kuhlmann [16] kann die Annahme getroffen werden, dass sich für Relativbewegungen zwischen Rohr und Boden in tangentialer Richtung der gleiche Widerstand wie für Relativbewegungen in axialer Richtung einstellt. Mit der maximal auf die Rohrleitung übertragbaren Axialkraft Tu pro Längeneinheit (Gleichung 8) ergibt sich das maximal pro Längeneinheit auf die Rohrleitung übertragbare Torsionsmoment Ru zu: R u = Tu ⋅ D 2 4 Anwendungsbeispiele Die nachfolgenden Berechnungsbeispiele werden für eine Rohrleitung aus Stahl mit Nenndurchmesser DN 250 und einer Wandstärke von 5 mm durchgeführt. Die Bodenwichte wird mit g = 20 kN/m3, der Reibungswinkel des Bodens mit j = 35°, der Beiwert zur Berücksichtigung des Rohrmaterials mit f = 0,8 und der Erdruhedruckbeiwert K0 mit 1,0 angesetzt. Die Kohäsion c und die Adhäsion a werden nicht berücksichtigt, die Höhe H der Bodenverfüllung über dem Rohr wird mit 2 m gewählt. Als Ausrundungsradius zwischen Geradenstücken wird 2 m gewählt. Als Erdbebenbelastung wird nach DIN EN 1998–1/NA [19] das elastische Antwortspektrum für die Erdbebenzone 1, Untergrundkombination C-R, Bodenbeschleunigung agR = 0,6 m/s2 mit dem Bedeutungsfaktor gI = 1,6 angesetzt. Daraus ergibt sich eine Referenzbodenbeschleunigung von ag = 0,96 m/s2. Aus dem Spektrum wurden für die drei Berechnungen jeder betrachteten Rohrleitungssituation 9 stochastisch unabhängige Verschiebungszeitverläufe mit einer Dauer von 5 s generiert. Für den vertikalen Zeitverlauf wurden 50 % der horizontalen Belastung angesetzt. Aus den Ergebnissen der drei Berechnungen wurden im Anschluss jeweils die Maximalwerte ermittelt. (18) Auch für die Torsionsfeder wird ein bilineares Federgesetz angesetzt. Die zur Aktivierung des maximalen Torsionswiderstandes Ru notwendige relative Verdrehung Dj ergibt sich, indem die relative Verschiebung Dt zur Aktivierung des maximalen axialen Bodenwiderstandes in Radiant umgerechnet wird: ∆ϕ = 2 ⋅ ∆t D (19) 3.3.5 Ansatz der seismischen Einwirkung im 3D-Modell Die seismischen Einwirkungen werden im 3D-Modell als stochastisch unabhängige Verschiebungszeitverläufe in die drei Raumrichtungen auf die Lagerpunkte der Federelemente angesetzt. Hierbei wird die Wellenausbreitung durch die zeitversetzte Aufbringung der seismischen Einwirkung an den Lagerpunkten für die scheinbare Wellengeschwindigkeit CSW simuliert. Die sich ausbreitende Wellenfront wird in einer vorgegebenen Richtung angesetzt. Zu jedem Zeitpunkt der Zeitverlaufsberechnung wird die Entfernung jedes Rohrleitungspunktes im Rechenmodell zur Wellenfront berechnet. Sobald die Welle einen Punkt der Rohrleitung erreicht, werden in diesem die drei Raumkomponenten der Erdbebenwirkung gleichzeitig wirkend voll angesetzt. Schematisch ist das Prinzip der sich ausbreitenden Wellenfront über einen Trassenverlauf in Bild 12 dargestellt. 3.3.6 Generierung der Verschiebungszeitverläufe Die Verschiebungszeitverläufe für die seismischen Rohrleitungsanalysen sind aus normativ vorgegeben elastischen Antwortspektren abzuleiten, die eine Vielzahl verschiedener Erdbebenszenarien mit unterschiedlichen Magnituden und Entfernungen als Umhüllende abdecken. Aus den elastischen Antwortspektren sind für jede Raumrichtung synthetische Zeitverläufe zu generieren, die stochastisch unabhängig sein müssen. Da die Ergebnisgrößen aus Zeitverlaufsberechnungen streuen, sind nach DIN EN 1998–1, Abschnitt Bauingenieur 4.1 Gerader Rohrleitungsabschnitt Betrachtet wird ein gerader Rohrleitungsabschnitt mit der Länge von 100 m und einer in Rohrrichtung verlaufenden Wellenfront. Die scheinbare Wellengeschwindigkeit wird konservativ mit CSW = 2.000 m/s angesetzt und die maximale Bodengeschwindigkeit wird nach ALA, Tabelle 11.1–1 [15] für eine Erdbebenmagnitude von M = 6,5 und eine Epizentraldistanz von 50 – 100 km aus v/ag = 0,109 berechnet. Damit ergeben sich die Dehnung und Krümmung mit den dazugehörigen Spannungen zu: ε max = ] 0, 109 ⋅ 0, 96 = 5, 232 ⋅ 10 −5 [ − ] 2000 σ max = ε max ⋅ EI = 10, 99 N mm 2 κ ⋅ EI N 2000 0, 96 −4 1 κ max = = 2, 4 ⋅ 10 m 2000 2 mm κ ⋅ EI N σ max = = 0, 00675 W mm2 Band 89, Juli / August 2014 Hauptaufsatz Die Ergebnisse zeigen, dass die Biegespannungen vernachlässigbar sind. In Bild 13 sind die Ergebnisse des Ansatzes nach Newmark für Wellengeschwindigkeiten von 150 m/s bis 5.000 m/s den Simulationsergebnissen mit dem in Abschnitt 3.3 vorgestellten 3D-Berechnungsmodell gegenüber gestellt. Die Kurven zeigen qualitativ einen vergleichbaren Verlauf, wobei der Ansatz nach Newmark aufgrund der Annahme eines starren Verbunds zwischen Rohr und Boden konservativere Ergebnisse liefert. Der Ansatz der Wellengeschwindigkeiten von unter 2.000 m/s stellt einen für die Realität äußerst unwahrscheinlichen Fall dar, da dann der Einfallswinkel gs zwischen Wellenpfad und Erdoberfläche gegen 90° strebt (CSW = CS) und der Wellenpfad nahezu parallel zur Erdoberfläche verlaufen würde. 4.2 Rohrleitungsabschnitt mit 45° Bogen In diesem Beispiel wird ein 45° Rohrbogen der Leitung betrachtet. Es wird der Einfluss der Welleneinfallsrichtung untersucht. Die Geometrie der Leitung und die jeweilige Richtung der Wellenfront zeigt Bild 14. Bei 0° Einfallswinkel verläuft die Wellenfront in Achsrichtung des ersten Leitungsabschnittes. Es ergibt sich eine maximale Spannung von 177 N/mm2. Das nahezu gleiche Ergebnis von 178 N/mm2 ergibt sich für den Winkel von 90°. Die Wellenfront trifft in diesem Fall zuerst orthogonal auf den ersten Leitungsabschnitt. Bei einem Winkel von - 45° läuft die Wellenfront gewissermaßen in den Rohrleitungsbogen von innen ein. Dabei ergibt sich eine deutlich geringere maximale Spannung von 70 N/mm2. Der Welleneinfallswinkel hat demnach einen signifikanten Einfluss auf die Beanspruchungen. 4.3 Rohrleitungsabschnitt mit zwei 45° Bögen Bild 15 zeigt einen Rohrleitungsabschnitt bestehend aus zwei horizontalen Rohrstücken und einem mittleren Rohrabschnitt. Der Winkel a wird in zwei Berechnungsmodellen mit 45° und 90° angesetzt. Die scheinbare Wellengeschwindigkeit wird konservativ mit CSW = 2.000 m/s angesetzt und die Wellenfront läuft parallel zum ersten horizontalen Rohrabschnitt ein. Die maximalen Spannungen ergeben sich in dem Bogen des ersten Richtungswechsels zu 135,1 N/mm2 für den 90° Bogen und zu 160,1 N/mm2 für den 45° Bogen. Die Ergebnisse zeigen, dass die resultierenden Spannungen von dem Rohrleitungsverlauf abhängig sind und es in den Bögen der Richtungswechsel zu Spannungskonzentrationen durch zusätzliche Biegebeanspruchungen kommt. Bild 16 zeigt die Spannungskonzentration und Verformung des ersten Rohrbogens für das Modell mit dem 90° Bogen. 323 Bild 13. Rohrspannungen in Abhängigkeit der Wellengeschwindigkeit CSW Fig. 13. Pipe strain versus wave velocity CSW Bild 14. Rohrleitungsabschnitt mit 45° Bogen (Draufsicht) Fig. 14. Pipe section with 45° bend (top view) Bild 15. Rohrleitungsabschnitt mit zwei Bögen (Draufsicht) Fig. 15. Pipe section with two bends (top view) 5 Fazit Für die Ermittlung der Beanspruchungen von Rohrleitungssystemen durch seismische Welleneinwirkung können Näherungsansätze oder detaillierte Rechenmodelle eingesetzt werden. Mit dem Näherungsansatz nach Newmark können die Beanspruchungen gerader Rohrleitungsabschnitte auf der sicheren Seite abgeschätzt werden. Für Verzweigungspunkte wie Bögen, Kreuzungen oder T-Verzweigungen sind detaillierte Zusatzbetrachtungen erforderlich, in denen die Geometrie der einlaufenden Leitungen Berücksichtigung finden muss. In diesen Fällen ist die seismische Analyse mit einem 3D-Rohrleitungsmodell und nichtlinearen Bodenfe- Band 89, Juli / August 2014 Bild 16. Axialspannung für den Rohrbogen mit a = 90° Fig. 16. Axial strain for a pipe bend with a = 90° Bauingenieur Hauptaufsatz dern sinnvoll, da mit diesem beliebige Einbausituationen analysiert werden können. Die durchgeführten Variantenberechnungen zeigen, dass wesentliche Einflussparameter die scheinbare Wellengeschwindigkeit, Krümmungsänderungen in Bereichen von Richtungswechseln, die Bodensteifigkeiten und die Steifigkeit der Leitung sind. Aufgrund der 324 Literatur [1] EQE: The January 17, 1995 Kobe Earthquake, An EQE Summary Report, April 1995, www.eqe.com/publications/kobe/kobe.htm, 2004. [2] Tsai, J.S., Jou, L.D., Lin, S.H.: Damage to Buried Water Supply Pipelines Streuungen der Bodeneigenschaften und der seismischen Welleneinwirkung durch die räumliche Ausdehnung von Rohrleitungen sollten seismische Rohrleitungsuntersuchungen immer mit oberen und unteren Grenzwerten durchgeführt werden, um eine ausreichende Erdbebensicherheit zu erreichen. Vol. 10, pp. 283–294, 1982. [11] Newmark, N. M.: Problems in wave propagation in soil and rock. Proc. International. Symp. on wave propagation and dynamic properties of earth materials, Univ. of New Mexico, 1967. in the CHI-CHI (Taiwan) Earthquake and a Preliminary Evaluation of [12] Shah, H., Chu, S.: Seismic analysis of underground structural elements, Seismic Resistance of Pipe Joints, Journal of the Chinese Institute of Journal of the power division, ASCE, Vol. 100, No. PO1, S.53–62, Engineers, Vol. 23, No. 4, S. 395–408, 2000. [3] Liu, A., Chen, K., Wu, J.: State of art of seismic design and seismic 1974. 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