Forum III Erkenntnisse der Resilienzforschung

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Forum III Erkenntnisse der Resilienzforschung
Forum III
Erkenntnisse der Resilienzforschung
Was Kinder stark macht.
Kongress Erziehung und Bildung im Bistum Aachen
am 12. Oktober 2007
Daniela Kobelt Neuhaus, lic.phil., dipl.heilpäd.
Was in diesem Vortrag vorkommt
1. Definitionen von Resilienz
2. Grundlagen und wissenschaftliche Erkenntnisse
26.10.2007
3. Resilienzkonzepte
4. Paradigmenwechsel in der Pädagogik
5. Fazit und Ausblick
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Erkenntnisse der Resilienzforschung
Daniela Kobelt Neuhaus
12.10.2007
1. Definition
resilience (engl.) bedeutet: Spannkraft, Elastizität
(Langenscheidts Universal-Wörterbuch Deutsch-Englisch)
Resilienz ist die Fähigkeit, nach einer erfolgten Einwirkung
wieder in den Ursprungszustand zurück zu kehren
(Hautelastizität, „Stehaufmännchen“,
26.10.2007 Homöostase,
Gruppensysteme ...)
Resilienz bezeichnet die psychische
Widerstandsfähigkeit von Kindern gegenüber
biologischen, psychologischen und psychosozialen
Entwicklungsrisiken.
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12.10.2007
Entdeckung der Resilienz
Kauai-Studie (seit 1955)
Beobachtung von 698 Kindern, die
1955 auf der Insel Kauai im HawaiiArchipel geboren wurden
(Emmi Werner, University of California)
26.10.2007
Bei 201 Probanden wurde bereits bei der Geburt ein hohes
Entwicklungsrisiko festgestellt:
chronische Armut, Geburtskomplikationen, geringes
Bildungsniveau der Eltern, chronische familiäre Disharmonie …
Messungen im Alter von 1, 2, 10, 18, 32 und 40 Jahren
Untersuchung über einen Zeitraum von 40 Jahren
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12.10.2007
Resilienzforschung als Grundlage des
heutigen Resilienzkonzeptes
Resilienzforschung beschäftigt sich
mit den Gründen, warum bestimmte Kinder selbst unter
widrigsten Entwicklungsbedingungen psychisch gesund
26.10.2007
bleiben
mit den Faktoren, die trotz eines hohen Risikos für die
Entwicklung einer Störung eine erfolgreiche psychosoziale
und kompetente Entwicklung unterstützen?
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12.10.2007
Ergebnisse der Kauai-Studie
129 der 201 Risikopersonen zeigten bereits mit zehn
Jahren schwere Verhaltens- und Lernstörungen, wurden
vor dem 18. Lebensjahr straffällig (vorwiegend
männliche Jugendliche) oder als Mädchen schwanger.
Das restliche Drittel (42 26.10.2007
Mädchen, 30 Jungen) entwickelte
sich trotz Risiko gut, schaute im Alter von 40 Jahren
hoffnungsfroh in die Zukunft und lebte in stabilen Ehen.
Ihre beruflichen und schulischen Erfolge waren z.T.
besser als die der Mehrheit der Kinder, die ohne
nennenswerte Risiken aufgewachsen sind.
Es zeichnete sich ab, dass „resiliente“ Personen besondere
Merkmale aufweisen, die sie zu schützen scheinen.
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Die Ergebnisse der Kauai-Studie (2)
Ein Resilienzmodell
Hauptrisikofaktoren
VULNERABILITÄT
Hauptstressquellen
Kindheit und
Jugendalter
26.10.2007
Unterstützungsquellen
Schutzfaktoren im Kind
Förderliche
Umweltbedingungen
Spannbreite der möglichen Entwicklung
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Konzepte der Resilienzforschung
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1.
Kompensatorische Modelle
(veraltet, aber insbesondere
im Zusammenhang mit
Behinderung immer noch
präsent)
2.
Schutz- vs. RisikofaktorenModelle (Modell direkt aus
der Kauai-Studie abgeleitet)
26.10.2007
3.
Modelle der Herausforderung:
Kompetenz- und
Ressourcenorientierung
4.
Kumulative oder additive
Modelle
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1. Das Kompensationsmodell
1. Das Kompensationsmodell
Es wurde über lange Jahre im Sinne von „viel
hilft viel“ sowohl in der medizinischen als auch
in der pädagogischen und psychologischen
Unterstützung von Kindern und Familien
praktiziert
26.10.2007
Dazu gehört:
- Defizite müssen behoben werden
- Üben am Fehler
- „lineare Erklärungsversuche“ im Sinne von
„wenn-dann“
- Für alles gibt es eine Therapie
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2. Schutz- versus Risikofaktoren-Modell
(Modell direkt aus der Kauai-Studie abgeleitet)
Risikofaktoren
sind Faktoren, welche die Entwicklung des Kindes
entscheidend beeinträchtigen können
Unterschieden werden vor allem:
26.10.2007
1. Psychosoziale Risiken
2. Biologische und psychologische Risiken
3. Traumatische Erlebnisse (= Erlebnisse, bei denen
Menschen direkt mit der Bedingtheit und Endlichkeit ihres
Lebens konfrontiert sind)
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1. Biologische und psychologische Risiken
sind zum Beispiel:
– Chronische Erkrankungen
– Prä- und perinataler Stress, Risikoschwangerschaften
oder –geburten
26.10.2007
– Genetische Defekte
– Neuropsychologische oder physiologische
Beeinträchtigungen (Schädigungen, die zu Behinderung
führen können)
– Entwicklungsverzögerungen oder –unregelmäßigkeiten
– Unsichere Bindungsorganisation
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2. Psychosoziale Risiken
– Niedriger sozialer Status der Familie / chronische Armut /
Arbeitslosigkeit der Eltern,
– Andauernde ungelöste Familienkonflikte
– Autoritäre oder gleichgültige (laissez faire)
Erziehungspraktiken 26.10.2007
– Trennung von wichtigen Personen, z.B. bei Umzug, beim
Übergang von der Familie in den Kindergarten oder vom
Kindergarten in die Schule
– Emotionale und körperliche Vernachlässigung im
Elternhaus
– chronische psychische Krankheit der Eltern
– Geringes Bildungsniveau der Mutter
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3. Traumatische Erlebnisse
– Naturkatastrophen oder technische Katastrophen
(Erdbeben, Fluten, Tschernobyl, ..)
– Kriegs- und Fluchterlebnisse
– Sexueller Missbrauch
26.10.2007
– Körperliche oder seelische Misshandlung
– Scheidung der Eltern
– Schwere Erkrankung oder Tod von Vater oder
Mutter oder anderen dem Kind sehr wichtigen
Personen
– …
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Schutzfaktoren
sind positive Voraussetzungen für die Entwicklung.
Sie können ein Kind vor einer späteren psychischen Krankheit
bewahren.
Es
–
–
–
sind
psychologische Merkmale der Person
26.10.2007
oder Eigenschaften des sozialen
Umfelds,
oder auch interaktionale Dimensionen
welche
– die Auftretenswahrscheinlichkeit psychischer Störungen senken bzw.
– die Auftretenswahrscheinlichkeit eines positiven / gesunden
Ergebnisses (z.B. soziale Kompetenz) erhöhen.
(Wustmann, 2004, 44)
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Schutzfaktoren in der Person
Bereits in der Kauaui-Studie wurde erkannt, dass es
bestimmte Merkmale gibt, die eine positive Entwicklung der
Kinder unterstützen. Die sind zum Beispiel:
Temperamentseigenschaften: „optimistisch“ „aktiv“, „gutmütig“
26.10.2007
und „liebevoll“ und „hohes
Antriebsniveau, Ausgeglichenheit und
Geselligkeit“, freundliche Gestimmtheit
Mindestens durchschnittliche Intelligenz
Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitsgefühle
Glaube
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Schutzfaktoren von außen
Soziale Ressourcen in der Familie und im außerfamilialen
Umfeld
–
–
–
–
–
Modelle für positives Bewältigungsverhalten,
stabile emotionale Beziehung zu einer Person,
sozial stabiles Milieu
Bindungen an (sichernde, bestärkende)
26.10.2007Erwachsene,
wohlwollende und unterstützende Begegnungen
Interaktionale Faktoren
– schützende Eigenschaften, die das Kind in der Interaktion z.B.
durch erfolgreiche Bewältigung von Entwicklungsaufgaben erwirbt
– Kommunikations- und Problemlösefähigkeit
– positive „Wendepunkte im Erwachsenenalter“, z.B. Heirat,
Militärdienst, Anerkennung von Eigenleistungen durch Dritte
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12.10.2007
Heterogenität der Effekte
Es gibt keine eindeutigen linearen Zusammenhänge
zwischen Risiko- und Schutzfaktoren, aber
– schützende bzw. Risiko mildernde Faktoren stehen in
kumulativer Wechselwirkung
26.10.2007
– was heute Risiko ist, kann morgen Schutzfaktor sein –
sieht man aber erst im Rückblick (z.B.: was mich nicht
umbringt, macht mich härter; Immunität gegen
Krankheit …)
– Das Geschlecht, das Alter und die Abfolge von Risiken
beeinflussen individuelle Entwicklungsprozesse
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3. Modelle der Herausforderung
3.1 Konzept der Kompetenzorientierung
3.2 Konzept der Ressourcenorientierung
Konzept der Kompetenzorientierung
Stärken stärken – Schwächen schwächen
Nicht die Ursachen und Symptome haben
Bedeutung, sondern die mobilisierbaren
Ressourcen
26.10.2007
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Modelle der Herausforderung:
Kompetenzorientierung
Beispiel Salutogenese (Antonovsky):
„Es geht um eine grundlegende Lebenseinstellung, die ausdrückt, in welchem
Ausmaß jemand ein „durchdringendes, überdauerndes und zugleich dynamisches
Gefühl der Zuversicht hat, dass seine interne und externe Umwelt vorhersagbar
ist und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich die Angelegenheiten so
gut entwickeln, wie man vernünftigerweise erwarten kann"
26.10.2007
Das Gefühl, dass die vom Leben gestellten Probleme und Anforderungen
es wert sind, das man Energie in sie investiert, dass man sich für sie
einsetzt und sich ihnen verpflichtet fühlt und das Gefühl, die Welt
sinnvoll zu erleben, setzt sich aus 3 Faktoren zusammen:
1. dem Gefühl von Verstehbarkeit (Sense of Comprehensibility)
2. dem Gefühl von Bewältigbarkeit (Sense of Manageability)
3. dem Gefühl von Bedeutsamkeit (Sense of Meaningfulness)
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Modelle der Herausforderung:
Kompetenzorientierung aktuell
Die meisten Bildungspläne bzw. –programme in Deutschland sind
kompetenzorientiert. Am deutlichsten sieht man das beim
Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan, der keine Lernfelder
mehr nennt.
Kompetenzorientierte Bildungspläne
gehen davon aus, dass
26.10.2007
Kompetenzen in jedem Lernfeld übergreifend erworben werden
können, d.h. Selbstbewusstsein und Ich-Stärke entstehen nicht nur
im sozialen Miteinander, sondern auch beim Rechnen, Musik
machen oder Reisen. Geographische Kompetenz erwerben sich
Kinder durch begleitete Erlebnisse mit interkultureller Vielfalt
ebenso wie durch Fernsehen, Kartenstudium und Stadtspaziergänge
oder mathematische Berechnungen von Wegstrecken vom
Kindergarten zur eigenen Haustüre.
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Modelle der Herausforderung:
Lebenslagen- oder Ressourcenorientierung
Als "Lebenslagen" werden die individuellen Handlungsspielräume
definiert, die von einer Vielzahl von individuell nicht beeinflussbaren
strukturellen Faktoren begrenzt werden.
Zur Lebenslage gehören ökonomische, nicht-ökonomische und
immaterielle, objektive und subjektive
Dimensionen (z.B.
26.10.2007
Einkommensniveau, Wohnqualität, Gesundheit, Basiskompetenzen
und Wohlbefinden). Häufig wird dieses Konzept in der
Armutsforschung genutzt. Armut wiederum ist eines der
Hauptrisiken junger Menschen in der Wahrung der Bildungs- und
Entwicklungschancen
Eine Lebenslage wird insgesamt zentral bestimmt vom
Haushaltseinkommen, weil damit der Zugang zur Befriedigung
zahlreicher anderer Bedürfnisse gewährt bzw. verwehrt ist.
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12.10.2007
Resilienz und Lebenslagenkonzept
Resilienzforschung fragt danach, auf welch unterschiedlichen
Wegen Kinder schwierige Lebensbedingungen und schwierige
Ereignisse meistern
Sie gibt keine Patentrezepte,
sondern verlangt eine
26.10.2007
differenzierte Analyse der individuellen Lebenslagen und
Bewegungen der Kinder und das Aufspüren von Ressourcen
Sie verabschiedet sich von der Vorstellung einer
Normalentwicklung eines normalen Kindes in einer normalen
Familie, einem normalen Kindergarten oder einer normalen
Schule
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12.10.2007
4. Kumulative oder additive
Resilienzmodelle
Resilienz
Intervention
im Umfeld
STRESS & AGGRESSION
IM UMFELD
Fähigkeiten
stärken
26.10.2007
Anpassungsstrategien
verbessern
SCHÜTZENDE
INDIVIDUELLE + INTERAKTIONALE FAKTOREN
Resilienz
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Schlüsselüberlegung zur Ressourcenorientierung
Halb voll oder halb leer?
Die Betrachtung individueller bzw. psychologischer Ressourcen zur
Problembewältigung ist für den Einzelnen aussichtsreicher als die
Diskussion von (sozial bedingten) Risiken.
Schuldig oder nicht schuldig?
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Resilienz ist keine „einheitliche“
Persönlichkeitseigenschaft; sie
existiert in abgestuften Facetten, die risikospezifisch,
kontextabhängig und ein Ergebnis des Zusammenspiels von Person
und Umwelt sind.
Einmal resilient –immer resilient?
Resilienzentwicklung ist kein lineares Phänomen: Ihr Wiederaufbau
nach Schicksalsschlägen ist oft unvollständig; zuweilen zeigt sich
eine gestiegene Verwundbarkeit bei späteren ähnlichen
Unglücksfällen.
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Paradigmenwechsel in der Pädagogik
Präventive Konzepte:
Kinder sind eigenaktive und kompetente Lerner
– Jedes Kind konstruiert sein Selbst selbst
– Es tut dies in ständiger Interaktion mit den ihm wichtigen
Personen – Erwachsenen und Kindern
26.10.2007
– Es nimmt dabei auch die historisch und kulturell gewachsenen
Bilder über Mädchen und Jungen, Männer und Frauen, Arme
und Reiche, Schwarze und Weiße, Behinderte und
Nichtbehinderte … in sein Selbstbild und in sein Bild von
anderen auf
– Jedes Kind hat ein unveräußerbares Recht auf Schutz und
aktive Unterstützung durch die Erwachsenen und die
Gesellschaft: es ist auch Rechtssubjekt
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Orientierung an den Stärken
1.
2.
3.
4.
5.
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Stärken und Ressourcen der Kinder sind relativ und
messen sich nicht am Alter der Kinder
Krisen und Risiken werden als zum Leben gehörig
betrachtet
Krisen und Risiken beherbergen immer auch eine Chance:
Wenn das eine nicht 26.10.2007
geht, muss man einen anderen Weg
suchen
Die besonderen Herausforderungen bei der Bewältigung
von Risiken ermöglichen unter Umständen die
Entwicklung besonderer Kompetenzen
Ermutigung und Aufforderung sind besonders wichtig
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Zur Erinnerung:
Familiäre und sozial-emotionale Risiken
– Gestörtes Familienklima
– Schlechte Eltern-Kind-Beziehung
– Wenig kindzentriertes 26.10.2007
Familienleben
– Geringe Erziehungs-, Bildungs-, Versorgungskompetenzen
der Eltern
– Belastungen der Eltern (Gesundheit, Behinderung,
Integration …..)
–
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Holz: Armut im Vorschulalter. 2004
Erkenntnisse der Resilienzforschung
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12.10.2007
Schützende Bedingungen in der Pädagogik
Kontinuierliches Beobachten, Wahrnehmen, Beachten
in der Eingewöhnungsphase und darüber hinaus
Mutter (Bezugsperson) als Expertin ernst nehmen
26.10.2007
Wertschätzenden Dialog mit Kind und Familie als
Vorschlag und Gegenvorschlag verstehen (Milani
Comparetti)
Ausgehend von der Situationsanalyse die
Erfahrungsräume des Kindes gestalten und dem Kind
Spielräume zu gewähren
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12.10.2007
26.10.2007
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12.10.2007
Beispiel: Armut als Risikofaktor
Bei Armut fällt in der Kita auf, dass Kinder
– oft unausgewogenes Frühstück mitbringen
(Gesundheitsrisiko)
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–
beim Thema Urlaub nicht mitreden können
(Erfahrungsrisiko)
26.10.2007
–
die Sport- und anderen „Bildungsangebote“ wenig
nutzen. (wer sich nicht bewegt, bleibt sitzen)
–
Feste und Feiern in der Kita meiden oder besonders
„auftrumpfen“ (Realitätsverlust)
–
nie über Armut sprechen, sondern nur darüber, was sie
zu Hause alles besitzen (Scham)
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Stigma-Management
Wenn man Dummheit oder Armut oder andere
„Makel“ und Lebenslagen vertuschen muss, hat
man nicht den Kopf frei für Lernen und
eigenständige und selbstbestimmte Bildung an den
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Themen, die einen wirklich
interessieren.
Jörg Jegge: Angst macht dumm!
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Beispiele für
Schutzfaktoren im Armutskonzept
Faktoren im Kind
Inner- und außerfamiliäre
Faktoren
– Soziale, emotionale und
kognitive Kompetenz
–
–
–
–
–
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– Verlässliche, überdauernde und
entlastende positive Beziehung
zu mindestens einer erwachsenen
Positives Selbstwertgefühl
Bezugsperson
26.10.2007
– Zumutungen und Zutrauen in die
Selbstwirksamkeitserwartung
Fähigkeiten des Kindes
und Leistungsmotivation
– Vielfältige Erfahrungsräume
– Vorhandensein von
Optimistische Grundhaltung
Zukunftsvorstellungen für Eltern
zum Leben
und Kind
– außerfamiliäre Angebote
Aktiv-problemlösendes
(Reduktion von Scham,
Verhalten
Netzwerke, Hilfe zur Selbsthilfe)
Freundschaft
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12.10.2007
Beispiel Armut: konkrete Schutzfaktoren
Bedingungen beziehungsweise Voraussetzungen bei armen
Kindern, die das Wohlergehen im Lernen zu begünstigen
scheinen:
– Deutschkenntnisse auf Seiten mindestens eines
26.10.2007
Elternteils
– Keine Überschuldung
– Keine beengten Wohnverhältnisse
– Gutes Familienklima (keine regelmäßigen Streitigkeiten)
– Regelmäßige gemeinsame Aktivitäten in der Familie
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Charakteristika resilienter Kinder
Interne Kontrollüberzeugung haben
Leben als Herausforderung betrachten
26.10.2007
Verpflichtungsgefühl: planerisches und zielorientiertes
Handeln
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Ressourcen- und Bewältigungshandeln
Die Resilienzforschung bestätigt:
– Je besser Menschen die eigenen Ressourcen kennen
und sich eigenaktiv handelnd verhalten können, desto
leichter ertragen sie Belastungen
26.10.2007
– Wer Hilfe holt, dem wird geholfen; wer sich nicht
bewegt, bleibt sitzen
– Für Kinder ist neben dem eigenen auch das elterliche
Bewältigungshandeln bedeutsam. Sie werden entlastet
durch Eltern, die sich selbstwirksam fühlen.
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12.10.2007
Aufgabe der Erwachsenen als Vorbild
- Positives Selbstkonzept entwickeln
- Fähigkeit, Konflikte gewaltlos zu bewältigen
26.10.2007
- Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen
Hört sich selbstverständlich an, ist es aber nicht!
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Eltern / Fachkräfte können Kinder unterstützen
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
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spezifische Fertigkeiten zu entwickeln,
Interessen und Hobbys zu entwickeln,
Soziale Fertigkeiten zu entwickeln und sich auch an anderen zu
orientieren,
Verantwortung zu übernehmen,
Bewältigungsmechanismen
zu entwickeln
26.10.2007
sich Ziele zu setzen und zu erreichen
eine Einstellung des Bestmöglichen (besser noch des „good
enough“ zu entwickeln
effektiv mit Veränderungen umzugehen
eine bedeutungsvolle Philosophie zu entwickeln
und schließlich sollte sie dem Kind Erziehung, Struktur und ein
gutes Beispiel bieten.
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Resilienzförderung
Förderung von:
• Problemlösefähigkeiten
• Verantwortungsübernahme
26.10.2007
• Selbstwirksamkeit
• positiver Selbsteinschätzung
• sozialen Kompetenzen
• Stressbewältigungskompetenzen
• körperlichen
Gesundheitsressourcen
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Empowerment für Kinder I
Ernährung:
– Kindercafé überprüfen – Angebot,
Finanzierung, Öffnung
– Kenntnis über Ernährung
26.10.2007
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12.10.2007
Empowerment für Kinder II
Unfallverhütung
Durch beengte Wohnverhältnisse
nutzen Kinder die Straße zum Spiel,
ohne wirklich damit umgehen zu
lernen.
26.10.2007
Durch Mobilitätstraining, Bewegung
und Sport werden Selbstaktivität und
Umgang mit Gefahren geübt
Fußgängerführerschein
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12.10.2007
Empowerment für Kinder III
Schulkinder
kommen zu
Besuch
Lesekompetenz
26.10.2007
Partizipation
Kinder können den Alltag entwicklungsangemessen mitbestimmen:
sich Hilfen suchen; konkret benennen,
was sie wollen; Umsetzung realisierbar
machen, Wertschätzung der Meinung
der Kinder …
Sprachförderung
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12.10.2007
Empowerment für Kinder IV
– Kindern ermöglichen, für sich zu
sorgen
– Stress angemessen zumuten
und zutrauen
Gesundheit und Hygiene
– Einfache Wege zur Zahnpflege26.10.2007
usw., UV-Gerät von Unfallkasse
ausgeliehen, um Dreck sichtbar
zu machen
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Wie du mir,
so ich dir!
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Rolle der Erwachsenen
oder
26.10.2007
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Förderung von Resilienz: Eigenaktivität
unterstützen
Zutrauen / Zumutung
Achtung und Wertschätzung
Klar formulierte Erwartungen
Selber tun lassen
Ermutigung
26.10.2007
Aufzeigen wirksamer Handlungsmöglichkeiten
Positives Feedback
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12.10.2007
Gestützter Dialog
Selbstverständlich begegnen
wir uns auf gleicher
Augenhöhe!
26.10.2007
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12.10.2007
Die Peer-Group als moderierender
Faktor für die Kinder
Neben den familiären Beziehungen wirkt vor allem
die Gleichaltrigengruppe. Je älter die Kinder, desto
bedeutsamer die Peer-Group.
26.10.2007
(kann aber auch ein Risikofaktor sein!!!). (Merten, 2003; zit. nach
Butterwegge et al. 2005,149)
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12.10.2007
Portfolios unterstützen die Wertschätzung
26.10.2007
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12.10.2007
Eltern stärken heißt Kinder stärken
Elternbildung
Elternförderung: Hilfe zur Selbsthilfe
Information und Begleitung
Wertschätzung
26.10.2007
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12.10.2007
Empowerment für Eltern
Hilfe zur Selbsthilfe
Partizipation: mit den Eltern nicht über sie
Vertrauensaufbau (schwierigster Punkt)
Systematische Stützmaßnahmen für Familien
– Schnuppernachmittage unter Aspekt „Klientel“
– Aufnahmegespräch (Patin des Kindes und seiner Familie – eine
Erzieherin ist zuständig26.10.2007
von Anfang an – Aufnahmebogen (inkl.
finanzielle Engpässe)
– Eingewöhnungsphase (Bindungstheorie, mindestens 14 Tage wenn
möglich in gestaffelter Form mit sukzessivem Ablösungsprozess in
Absprache zwischen Patin und Eltern)
Entwicklungsgespräche
– Einmal jährlich für alle Eltern
– Portfolios der Kinder – Entwicklungsordner von Kindern und Eltern
und ErzieherInnen
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12.10.2007
Empowerment für Eltern II
Bildungstage für Eltern
– Mathematik, Sprache,
Psychomotorik,
Entspannung Eltern
können pro Tag 2
Schwerpunkte belegen
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– Samstag mit
Kinderbetreuung
Natürliche
Mathematik
Auf den Spuren Ihrer Kinder:
Waldtage für Eltern
– Immer Samstags vor den
Waldwochen (3x eine
Woche im Jahr Jahreszeiten)
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12.10.2007
Empowerment für Eltern III
Ideen für kulturelle Bildung:
– Infobroschüre für kostenlose Freizeitangebote
– Ersatz in der Kita unter Einbeziehung von Eltern
(kulturelle Armut!)
26.10.2007
Service:
– Hilfestellung bei Erstattung von Kitagebühren,
Sozialhilfeanträgen, auch Hartz IV-Anträge werden in
der Kita ausgefüllt bei Bedarf usw.
– Assistenz in Erziehungsfragen
– Partner im Netzwerk sein zwischen
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12.10.2007
Achtung !!
Das Resilienz-Konzept ist kein Ersatz für
Sozialpolitik, sondern inspiriert sie und rückt sie ins
Blickfeld.
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Quelle:
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Vanistendael, S. (1996). Einige Bausteine für eine Kinderschutzpolitik in Europa. In W. Edelstein, K. Kreppner & D. Sturzbecher (Hrsg.), Familie und
Kindheit im Wandel. Postdam: Verlag für Berlin-Brandenburg.
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12.10.2007
Was man sich merken kann:
Das Kind mit seiner Individualität im
Blick
und die Gruppe nicht aus den Augen
– dem Umfeld Aufmerksamkeit
26.10.2007
schenken,
– das Angebot überprüfen (nicht an der
Pflanze ziehen, sondern den Boden
beackern
– ökologisch konzipierte Umrahmungen
entwickeln (Bronfrenbrenner, McInthyre)
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Anerkennung von Diversität
Resilienzforschung fragt danach, auf welch unterschiedlichen
Wegen Kinder schwierige Lebensbedingungen und schwierige
Ereignisse meistern
26.10.2007
Sie gibt keine Patentrezepte,
sondern verlangt eine
differenzierte Analyse der individuellen Lebenslagen und
Bewegungen der Kinder
Sie verabschiedet sich von der Vorstellung einer
Normalentwicklung eines normalen Kindes in einer normalen
Familie und einem normalen Kindergarten
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Erkenntnisse der Resilienzforschung
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12.10.2007
Kita als Ort der Triangulierung
ErzieherInnen sind „bedeutungsvolle Dritte“
Die Kita als zweite sichere Basis, von der aus die erste
(Beziehung zu den primären Bezugspersonen) „objektiviert“
werden kann
26.10.2007
Mentalisierungsfunktion der
Kita
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Gefahr
unheilige bzw. perverse Allianz
Schuldzuweisung an die Eltern
26.10.2007
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Erkenntnisse der Resilienzforschung
Daniela Kobelt Neuhaus
12.10.2007
Fragen an das Resilienzverständnis
Stützt das Resilienzkonzept den Gedanken der
„Reparaturpädagogik“ und der „Machbarkeit“? Sollte es
nicht vielmehr darum gehen, an einer kind- und
familiengerechten Gesellschaft zu arbeiten, statt Kinder
(und uns Erwachsene) 26.10.2007
immer fehlerloser und belastbarer
zu „machen“?
Entschuldet Resilienz mangelnde Verantwortung für
Kinder?
Inwiefern ist das Resilienzkonzept Ausdruck immer
weiterer Individualisierung und Entsolidarisierung?
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Erkenntnisse der Resilienzforschung
Daniela Kobelt Neuhaus
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Resilienz und Prävention
Auf Kinder, die nicht in einer Notsituation sind,
können Resilienzstudien nicht übertragen werden.
Resilienz ist weder trans-kulturell noch konstant
26.10.2007
– Gewisse Variationen sind auf Kulturzugehörigkeit
zurückzuführen
– Was für Kinder der Strasse gilt, ist für
wohlbehütete Kinder, die mit einer Behinderung
leben, nicht relevant
– Variationen basieren z.T. auch auf Geschlecht und
Alter
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Erkenntnisse der Resilienzforschung
Daniela Kobelt Neuhaus
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Ethische Fragen
Zweifelhaftigkeit des Anpassungskonzepts: Ist Anpassung
zum Zweck des Überlebens = Resilienz?
Resilienz als individuelle Eigenschaft birgt die Gefahr, sich
zu stark auf das Individuum zu konzentrieren und die
“makrosozialen” Bedingungen
zu vernachlässigen (siehe die
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Programme, welche die Lebensfähigkeit, die
Sprachfähigkeit oder andere individuelle Fähigkeiten
betonen)
Stigmatisierungsgefahr: Was ist mit Kindern, die nicht
resilient sind?
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Erkenntnisse der Resilienzforschung
Daniela Kobelt Neuhaus
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Ziel erreicht!
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