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Transcrição

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G
E
Ein Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne in der Ziegelei Oberkaufungen
IMPRESSUM:
Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne
Kassel e. V.
Wahlershäuser Str. 27
34130 Kassel
Tel. 0561-6029170
Fax 0561-6029419
info@ Erfahrungsfeld-kassel.de
www.erfahrungsfeld-kassel.de
Konzept: Christoph Jöckel, Frank Hellbrück,
Tamara Leszner
Stand: 26. März 2009
Seite 2
Ein Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne in der Ziegelei Oberkaufungen
KONZEPT
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INHALTSVERZEICHNIS
Die Idee .........................................................................................................................................7
Der Betreiber
Erfahrungssfeld zur Entfaltung der Sinne Kassel e.V...............................................................................8
Bilder und Presse ...............................................................................................................................9
Der Hintergrund
Hugo Kükelhaus und das Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne ........................................................10
SinnesGänge – Ein Beitrag zu einer Wahrnehmungskultur in einer entsinnlichten Welt ..........................11
Die SinnesGänge im Ofen der Ziegelei Oberkaufungen .....................................................................15
Die einzelnen Stationen
Das Hören lebt vom Lauschen ..........................................................................................................19
Zwischen Licht und Finsternis ............................................................................................................27
Ich spüre die Welt............................................................................................................................39
Die Zielgruppe
Erfahrungsfelder – eine Erfolgsgeschichte ..........................................................................................50
Angebote und Zielgruppen...............................................................................................................51
Der Standort ...............................................................................................................................53
Zeitplan .......................................................................................................................................57
„Benötigt werden offene und überwachte Stätten,
in denen der Besucher gehend, sitzend, liegend,
stehend Umgang halten kann mit den Elementen
Feuer, Wasser, Luft; und mit Licht und dessen farb
erzeugendem Ringen mit der Dunkelheit. Über
dem Eingang des Tempels zu Delphi stand ein
gemeißelt:
„Mensch, werde der Du bist.
Mensch, erkenne Dich selbst.
Mensch: Sei!“
Benötigt wird ein neues Delphi. Benötigt wird das
Selberbauen eines Delphi. Wobei die Erfahrung
wirksam wird, dass das Bauen der Bau ist.“
Hugo Kükelhaus
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DIE IDEE
Die Idee der SinnesGänge beruht auf dem Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne von Hugo
Kükelhaus (1900 – 1984). Er hat als Wahrnehmungsforscher auf pädagogischem, künstlerischem und handwerklichem Feld mit dem
Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne ein methodisches Instrumentarium geschaffen, um die
Phänomene der menschlichen Wahrnehmung in
aktiver Tätigkeit erfahrbar zu machen.
Die Sinne sind unsere Tore zur Außenwelt, in allen
Prozessen des Austausches mit unserer Umwelt,
des Lernens und in der sozialen Begegnung, sind
wir auf sie angewiesen. Alles, was wir wahrnehmen und erkennen, nehmen wir über die Sinne
auf. Mit Hilfe der Sinne lernen wir die Welt und
unsere Mitmenschen kennen und uns selbst als
Individuum in der wahrhaftigen Bedeutung des
Wortes begreifen. Nichts, was nicht zuvor über die
Sinne erfasst wurde, kann in den Geist gelangen.
Unsere Sinne sind also sowohl ein Tor nach innen
in die Prozesse unseres Leibes, wie auch ein Fenster nach außen zu Natur, Umfeld und Mitmenschen. Insbesondere für Kinder sind vielfältige
und anregende Sinneseindrücke die Basis für eine
gesunde Entwicklung und das Lernen.
Wenn wir unsere Sinne nicht aktiv gebrauchen
und entwickeln, verkümmern ihre Fähigkeiten.
Die SinnesGänge leisten auf niederschwellige
Art und Weise einen aktiven Beitrag zur Schulung
der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit und
des schöpferischen Handelns. In einem Zeitalter
von multimedialer Reizüberflutung, in welchem
der Mensch immer mehr zum passiven Konsumenten einer scheinbar fertigen Welt wird, ist es
von dringender Notwendigkeit, ein gesundes, unvoreingenommenes Wahrnehmen der Welt und
ihrer Phänomene als Grundlage für ein eigenverantwortliches, kreatives Handeln auf weitem
Feld zu erfahren und zu üben.
Ziegelei Oberkaufungen
Das Projekt soll verwirklicht werden in, um und
auf dem ehemaligen Brennofen der Ziegelei
Oberkaufungen - 10 km entfernt von Kassel. Dieser Zickzackofen mit seinen 16 begehbaren
Brennkammern bietet ein herausragendes Ambiente für ein Erfahrungsfeld zur Entfaltung der
Sinne, bietet Raum für SinnesGänge.
Erfahrungsfeld
Die SinnesGänge führen den Besucher zu mehr
als 30 Erfahrungsstationen, an denen auf spielerische Art und Weise von Kindern ebenso wie von
Erwachsenen, Grundphänomene der menschlichen Sinneswahrnehmung aktiv erlebt werden
können. Zielgruppen sind:
Familien, Kinder, Einzelbesucher
Die SinnesGänge sind jeweils von Mai bis September samstags, sonn- und feiertags sowie zu
Sonderaktionen für Einzelbesucher geöffnet. Angesprochen sind Menschen aller Altersgruppen,
wobei der Schwerpunkt auf Familien mit Kindern
liegt.
Kindergärten, Schulklassen,
Jugendgruppen und Senioren
Von Montag bis Freitag können Führungen und
Workshops für Gruppen in den SinnesGängen
gebucht werden. Diese Angebote richten sich vor
allem an Kindergärten, Schulklassen, Jugendund Ausbildungsgruppen. Es werden außerdem
Workshops für Menschen mit Behinderung und
für Senioren angeboten.
Teamfortbildungen
Die SinnesGänge bieten viel Potenzial für kreative Teamfortbildungen und Betriebsausflüge.
Sonderausstellungen, Lesungen, Konzerte sowie
weitere kulturelle Veranstaltungen sind im einmaligen Ambiente der SinnesGänge im und um
den Ofen der Ziegelei Oberkaufungen angedacht.
Seminare und Fortbildungen
Auf der Basis des Erfahrungsfeldes zur Entfaltung
der Sinne werden Seminare und Workshops für
LehrerInnen und ErzieherInnen angeboten. Zentraler Themenschwerpunkt sind die Sinne und das
menschliche Wahrnehmungsvermögen. Eine Erweiterung und Kooperation im Bereich der Gesundheits- und Umweltbildung sowie der Zirkus,Erlebnis- und Naturpädagogik sind denkbar.
Zukunftsperspektiven
Auf längere Sicht könnten sich die SinnesGänge zu einem außergewöhnlichen Kulturzentrum entwickeln mit Café, Werkstätten sowie
Seminar- und Veranstaltungsräumen.
7
ERFAHRUNGSFELD
ZUR
ENTFALTUNG
Der Verein „ Erfahrungsfeld zur Entfaltung der
Sinne Kassel e. V.“ wurde im Januar 2006 von
einer kleinen Gruppe bestehend aus Pädagogen,
Therapeuten, Kunst- und Kulturschaffender gegründet, mit der Zielsetzung in Kassel oder Umgebung ein Erfahrungsfeld im Sinne der Ansätze
von Hugo Kükelhaus aufzubauen.
Zunächst wurde ein mobiles Erfahrungsfeld mit
15 Stationen aufgebaut, das seit Herbst 2006 im
Rahmen von Workshops in Kindergärten und
Schulen sowie bei Festen und Veranstaltungen in
Nordhessen, aber auch im Ruhrgebiet und im
Saarland im Einsatz war.
Dank einer Kooperation mit der GWG der Stadt
Kassel war es im Frühjahr 2007 erstmals möglich
im Geschäftsgebäude der Wohnungsbaugenossenschaft eine öffentliche Aktion mit dem Erfahrungsfeld zu veranstalten, die einen großen
Publikumszuspruch hatte. Diese Veranstaltung
wurde im Juni 2007 wiederholt, wobei zusätzlich
ein Dunkelcafé eingerichtet wurde, welches zum
absoluten Highlight wurde.
Während der Documenta fanden mehrere Projekte in Kooperation mit dem Kinder- und Jugendnetzwerk
sowie
der
Projektgruppe
„Mach-was-TRäume“ statt. Ebenso wurde eine öffentliche Aktion auf der Wiese an der Drahtbrücke
angeboten.
Ende 2007 und im Frühjahr 2008 konnte der
Verein jeweils über zwei Monate leer stehende
Geschäftsräume der GWG in Anspruch nehmen,
8
DER
SINNE KASSEL E. V.
um das Erfahrungsfeld aufzubauen. Am Wochenende wurde die Ausstellung für Einzelbesucher geöffnet, montags bis freitags Führungen für
Schulklassen und Gruppen angeboten.
Dieses Angebot hatte eine sehr große Resonanz
sowohl bei den Einzelbesuchern als auch den
Gruppen. Besonders zu erwähnen ist auch die
Kooperation mit dem Fotografen Stefan Pötzsch,
der im Rahmen des Erfahrungsfeldes seine Pflanzenfotografien ausstellte, die eine willkommene
Ergänzung zu den Erfahrungsstationen darstellten.
Gefördert vom Land Hessen wurden im Jahr
2008 erstmals drei Fortbildungsveranstaltungen
für ErzieherInnen zum Thema „ Wahrnehmung
und Sprache“ angeboten, die schnell komplett
ausgebucht waren. Außerdem war das Team des
Erfahrungsfeldes auch in der Fortbildung von Tagesmüttern engagiert.
Im August und September 2008 war das Erfahrungsfeld im Loft der Ziegelei in Oberkaufungen
zu Gast. Diese Zeit brachte einen völlig überwältigenden Besucherstrom mit insgesamt 1500 Besuchern innerhalb von sieben Wochen. Besonders
hervorzuheben ist neben einem Rahmenprogramm mit Filmvorführung, Lesung und Vortrag
die Sonderaktion zum Tag des offenen Denkmals.
Dabei wurde der ehemalige Brennofen der Ziegelei zum zentralen Schauplatz für Sinneserlebnisse. Ein Dunkelgang mit Tastskulpturen konnte
erkundet werden und im Dunkelcafé konnten die
Besucher Kaffee, Saft und Kuchen genießen. Au-
ßerdem wurde ein 40 m langer Barfußweg installiert, der über die verschiedenen Materialien der
Ziegelherstellung von Sand, Wasser und Ton bis
hin zum fertigen Ziegel führte.
Aus dieser sehr erfolgreichen Kooperation mit Tamara Leszner - Eigentümerin der Ziegelei Oberkaufungen - ist die Idee geboren, im Rahmen
dieses Industriedenkmals das Erfahrungsfeld fest
zu etablieren. Wie die Erfahrung im Sommer
2008 zeigte, steckt eine große Anziehungskraft in
diesem Ort und die Kombination unserer Erfahrungsstationen mit dem denkmalgeschützten Industriegebäude - insbesondere den Brennkammern des Ofens - bietet ein wohl bundesweit
einzigartiges Ambiente für ein Erfahrungsfeld zur
Entfaltung der Sinne.
Der Verein ist Mitglied im internationalen Netzwerk der Erfahrungsfelder zur Entfaltung der Sinne
und kooperiert mit namhaften Vertretern der Erfahrungsfeldbewegung wie Lienhard Barz (Nürnberg), Walter Siegfried Hahn (Manila/Philippinen)
und Wolfram Graubner (Herrischried). Darüberhinaus besteht eine gute Zusammenarbeit mit
Künstlern und Pädagogen, die im Sinne der Ideen
von Hugo Kükelhaus arbeiten.
BILDER
UND
PRESSE
„Der Renner war bei
den
Jugendlichen
neben der Wasserschale der chinesische
Gong. Die Töne, die
dieses Musikinstrument erzeugte, konnte
man zwar nicht sehen,
dafür aber deutlich
spüren.“
HNA 22.9.2007
„Der kreative Umgang mit den Phänomenen sinnlicher Wahrnehmung, von den Entwicklern des Stationenweges freundlich und kompetent angeleitet,
ist, zumal im Bildschirmzeitalter, ein besonderes
Abenteuer. Eines, das den Dingen auf den Grund
geht, das in der unmittelbaren, wachen Begegnung
mit der Welt sein Glück sucht und findet.“
HNA, 27.3.2007
„Wer die Ausstellung besucht, sollte sich Zeit
nehmen, denn statt ums
Anschauen geht es an
den 15 liebevoll gestalteten Stationen ums Mitmachen.“
HNA, 10.06.2008
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HUGO KÜKELHAUS
UND DAS
ERFAHRUNGSFELD
ZUR
ENTFALTUNG
spielsweise die „ Greifringe“, eine Serie von Holzspielzeug für Kleinstkinder.
Von 1939 bis 1945 war er Soldat, wurde jedoch
zeitweise freigestellt, um in Lazaretten körperbehinderten Verwundeten zu einer handwerklichen
Rehabilitation zu verhelfen. Er gehörte auch dem
Widerstandskreis um Graf von Schulenburg an.
Hugo Kükelhaus wurde am 24. März 1900 in
Essen geboren. Nach dem Abitur arbeitete er als
Schreiner und studierte danach an verschiedenen
deutschen Universitäten mit den Schwerpunkten
Soziologie, Philosophie, Mathematik (Logik) und
Physiologie. In zahlreichen freiberuflichen Tätigkeiten, unter anderem als Innenarchitekt, Journalist, Autor, bildender Künstler, Philosoph und
Berater suchte er Antwort auf folgende Frage:
„Wie kann der Mensch wieder leibhaftig zur bewussten Wahrnehmung seiner Organe fähig werden und zum Einklang mit seinem ganzen Körper
finden?“
Diese Frage war sein ständiger Antrieb, der sich
sowohl in Schriften als auch in praktischen Arbeiten ausdrückte. Unter anderem befasste sich
Hugo Kükelhaus mit der physiologischen Gestaltung von handwerklichen und industriellen Gebrauchsgütern, aber auch mit der Gestaltung von
Kinderspielzeug. So entwickelte er 1939 bei10
Nach weiteren Betätigungen als Schriftsteller widmete er sich intensiver der Untersuchung über die
Sinnesprozesse. 1952 erschien sein wohl tiefsinnigstes Werk mit dem Titel „Das Wort des Johannes - eine Theologie der Sinne“.
Ab 1960 entwickelte er sein „naturkundliches
Spielwerk“, aus dem dann später das Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne hervorging. Mit
zwölf seiner Erfahrungs- und Spielstationen nahm
Hugo Kükelhaus 1967 an der Weltausstellung in
Montreal teil und zeigte seine Ideen so erstmals
der Öffentlichkeit. Somit waren die ersten Bausteine für seine nachfolgenden „Erfahrungsfelder
zur Entfaltung der Sinne“ gelegt.
Hugo Kükelhaus hatte nach der intensiven Auseinandersetzung mit der Gedankenwelt Goethes
dessen Ansatz der Farbenlehre auf weitere Bereiche physikalischer Phänomene übertragen. Es
ging um die Wirkung solcher Phänomene durch
die Wahrnehmung auf den menschlichen Organismus und seine Befindlichkeit und nicht um ihre
wissenschaftlich physikalische Beschreibung und
Erklärung.
DER
SINNE
Ab 1973 fungierte er als Berater gegen eine „unmenschliche Architektur“ und wirkte an einer „organgesetzlichen Architektur“ beim Bau von
Schulen, Kindergärten, Industriebetrieben und Kliniken mit.
Das „Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne“,
wurde 1975 erstmals bei der Handwerksausstellung „EXEMPLA“ in München und später bei der
„PHÄNOMENA“ in Zürich präsentiert und war
auch nach seinem Tod bis in die 90er Jahre als
Wanderausstellung in zahlreichen Städten in
Deutschland und der Schweiz unterwegs und
wurde von mehreren 100.000 Menschen begeistert besucht. Aus dieser Wanderausstellung sind
dann die großen stationären Erfahrungsfelder zur
Entfaltung der Sinne in Essen, Nürnberg, Wiesbaden und Frauenfeld (jetzt Rüttihubelbad) entstanden, die bis heute auf einen ungebrochen
hohen Besucherzuspruch bauen können.
In seinem letzten Vortrag mit dem Titel „Vom
Sehen zum Schauen“, den er noch in den letzten
Tagen seines Lebens in Herrischried gehalten hat,
findet man eine Art Zusammenfassung seines Lebenswerks und gleichzeitig einen großen in die
Zukunft gerichteten Auftrag, die menschliche
Wahrnehmung nicht verkümmern zu lassen.
Hugo Kükelhaus starb 1984 in Herrischried
„Wir unterhalten uns jetzt über das Thema „Vom
Sehen zum Schauen!“ Die meisten Menschen kön
nen nur sehen mit Begriffen und nicht mit Augen.
Goethe drückte es so aus: „Was ist das Schwerste
in allem? Mit Augen zu sehen, was vor den
Augen dir liegt.“
SINNESGÄNGE – EIN BEITRAG ZUR WAHRNEHMUNGSKULTUR IN EINER ENTSINNLICHTEN WELT
Sinneswahrnehmungen braucht der Mensch zum
Leben genauso dringend wie Nahrung und Atemluft. Durch die Sinne im Kontakt mit der Welt, den
Menschen und uns selbst zu sein, gehört zu den
zentralen Entwicklungsbedingungen des Menschen. Ohne Wahrnehmung ist die menschliche
Existenz gefährdet.
Sehr eindrücklich werden die Folgen der Wahrnehmungslosigkeit an einem Experiment verdeutlicht, das um 1960 mit angehenden Astronauten
in den USA durchgeführt wurde: „Man legte tief
unter der Erdoberfläche ein erschütterungsfreies
Bassin an, in dessen blutwarmem Wasser sich
eine Testperson schwebend befand. Der Körper
war in Watte verpackt, um das Zustandekommen
von Hautempfindungen zu unterbinden. Dazu absolute Licht- und absolute Lautlosigkeit. (...)
Oberirdische Monitoren verzeichneten die Reaktion aller lebenswichtigen Organe. Nach wenigen Minuten schon stellten sich beklemmende
Halluzinationen ein, Verlust raumzeitlicher
Maßstäbe. (...)Nach etwa 10-15 Minuten begann
durch Störung der Vorgänge in Teilen des Zwischenhirns die Versorgung des Nervensystems mit
Hormonen im gebotenen Verhältnis zu versagen;
mit dem Effekt totaler Gedankenflucht und lebensgefährlicher Störung des hormonalen
Gleichgewichts: Die weißen Blutkörperchen setzten zu einer sprunghaften Vermehrung an. Der
Versuch musste abgebrochen werden, um den
Probanden zu retten. Er wäre zugrunde gegangen (unvorstellbar qualvoll) mangels der Auseinandersetzung mit einer herausfordernden
Außen-Welt." (Hugo Kükelhaus)
Diese sinnliche Herausforderung durch die Außenwelt ist Grundlage für unser menschliches Dasein: „Die menschlichen Sinne dienen nicht nur
einfach der Kenntnisnahme dessen, was der Fall
ist. Sie dienen vor allem auch der (Rück)Versicherung in Hinsicht auf Beständigkeit und Verlässlichkeit der Fundamente unseres Daseins.“ So
fasst es der Pädagoge und Therapeut Henning
Köhler in seinem Buch „Von ängstlichen, traurigen und unruhigen Kindern“ zusammen.
Wahrnehmung und Aktivität
Nur durch den aktiven Gebrauch unserer Wahrnehmungstätigkeit, durch den Umgang mit einer
uns herausfordernden Welt, halten wir unsere
Sinne lebendig, pflegen sie durch die Tätigkeit.
„Was uns erschöpft, ist nicht die Inanspruchnahme, sondern gerade umgekehrt, ist die NichtInanspruchnahme der Möglichkeiten, die unseren
Bewegungs-, Tast-, Hör- und Sehorganen innewohnen, ist die Stillegung, die Ausschaltung der
Prozesse des Auges, des Ohrs, der Haut, der
Beine, Füße, Arme, Hände.“ (Hugo Kükelhaus)
Elfriede Hengstenberg greift dieses Thema für die
Pädagogik bereits im Jahr 1913 auf und es ist
heute aktueller denn je: „Wie erschrickt man,
wenn man den Zustand einer Schulklasse auf sich
wirken lässt! Nur noch wenige Kinder sind es,
deren freies, aufrechtes Sitzen auf Ungestörtheit
schließen lässt. Man verlangt vom sechsten Lebensjahr an Arbeit vom Kind. Aber die Art der Arbeit, die es in der Schule vorgesetzt bekommt,
entspricht absolut nicht seinem Interesse. Anstatt
sich die Beziehung zu dieser Welt durch selbst-
ständiges Forschen und Entdecken zu erobern,
muss das Kind nun auf seinem Platz stillsitzen und
lernen. Eine Forderung, die seinen natürlichen
Bedürfnissen nicht entspricht. Es soll Dinge lernen, die es schwer begreifen kann, weil sie in keiner
lebendigen
Beziehung
zu
den
Notwendigkeiten seines jungen Lebens stehen. Es
soll Aufgaben lösen, für die es weder Interesse
noch Verständnis aufbringen kann. Es soll jetzt auf
einmal von außen her aufnehmen und Lese-, Rechen- und Turnübungen nachmachen, die ihm
fertig geliefert werden, an denen es nichts mehr
zu rütteln gibt. An keinem dieser Dinge kann es
nach Herzenslust probieren und deshalb tritt das
ein, was überall im organischen Leben eintritt,
wenn keine Beanspruchung mehr gefordert wird:
Es verkümmert!“
Wir halten unsere Sinne nur dadurch lebendig
indem wir ihnen Nahrung geben, indem wir sie
mit Anregungen versorgen, die sie herausfordern
und entwickeln.
Hugo Kükelhaus beschreibt dies sehr plastisch
und beispielhaft: Man stelle sich vor, dass man
eine lange Strecke über eine schnurgerade,
ebene, hellerleuchtete, völlig hinderungsfreie Betonbahn gehen müsste. Dass man nach 4 oder 5
km solcher eintönigen Lauferei ermattet sein wird,
leuchtet ohne weiteres ein. Es erginge einem ganz
anders, wenn man die gleiche Strecke durch
einen Wald gehen würde. Nach 5 km ist man erfrischt und fühlt sich wohl und besitzt ein ganz anderes Zeitgefühl in Bezug auf die gelaufene
Strecke.
Man stelle sich vor, in einem Raum mit schwar11
zen Wänden zu stehen. Von der Decke hängt eine
allseits beleuchtete große weiße Kugel. Dass auf
diese Weise die Kugel nicht als Körper, sondern
als flache Scheibe wahrgenommen werden kann,
leuchtet ein. Dies ist aber ganz anders, wenn die
Kugel durch ein schwaches seitliches Licht aus
dem Dunkel auftaucht. Es ist kaum möglich, die
Kugel dann nicht als Körper zu erkennen.
Anhand dieser Szenen stellt sich heraus, dass erst
durch die Herausforderung von Ereignissen, die
mit Unsicherheiten und Widerständen verbunden
sind, der Mensch etwas für ,,wahr" nimmt. Eingeebnete Zustandsunterschiede (gerade Betonbahn), Gleichförmigkeit (allseitige Beleuchtung)
und die Aufhebung polarer Gegensätze machen
ihn gleichsam blind. Nur wenn sich etwas verändert, vermögen wir unsere sinnenhaften Fähigkeiten und Kräfte zu entfalten sowie uns und
unsere Bewegungen zu erleben. Veränderungen
im Sinne von Wechsel und Wandel, in der Spannung von hell und dunkel, hoch und tief, weit und
nah setzen Relationen zwischen dem Mensch und
seiner Umwelt und bestimmen so den Menschen.
Wir brauchen Steine, die uns im Wege liegen,
Wagnisse, Unsicherheiten, Risiken für eine gesunde Lebensentfaltung. Diese will das Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne anregen.
Der wahrnehmende Mensch im
Mittelpunkt
Das Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne stellt
den Menschen mit seiner Wahrnehmungstätigkeit
in den Mittelpunkt. Was machen die Eindrücke
der Welt mit mir? "Was fängt die Welt mit mir an?"
1212
(Hugo Kükelhaus). Das wären die zentralen Fragen, die sich dem Besucher stellen. Es geht um
Beziehung, um Austausch, um Begegnung, um
Korrespondenz des Menschen mit seiner Umwelt,
seinen Mitmenschen und seinem eigenen Leib.
Diese Korrespondenz ist Sinnestätigkeit.
Im Unterschied zu Science Centers
Auch wenn manche Stationen des Erfahrungsfeldes zur Entfaltung der Sinne den Experimenten
moderner Science Centers gleichen, ist gerade an
diesem Punkt der entscheidende Unterschied:
Science Centers haben den Anspruch, Gesetze
und Phänomene der Natur und der Wissenschaft
auf anschauliche Weise erfahrbar zu machen und
zu erklären. Das Erfahrungsfeld zur Entfaltung der
Sinne dagegen stellt den Menschen in den Mittelpunkt, den Menschen als Wahrnehmer und
Gestalter der Welt seines Lebensumfeldes und
seiner selbst.
Sehnsucht nach Wahrnehmung
Der Mensch in der technisch-industriellen Zivilisation wird zunehmend seiner sinnenhaften Entwicklungsmöglichkeiten beraubt. Die eintönig
werdende Umwelt bietet nicht mehr genügend
Sinnes- und Körpererfahrungen für den Menschen. Besonders die Nahsinne verkümmern und
verarmen, wohingegen das auditive und visuelle
Wahrnehmungssystem einer Dauerbelastung unterliegen.
In Anbetracht einer Gesellschaft, die sich zunehmend auf mediale Weise Eindrücke von der Welt
verschafft, einer Gesellschaft, die das Bewusstsein
für den eigenen Leib verliert, scheint es dringend
geboten, Möglichkeiten der Auseinandersetzung
mit den einfachen Dingen des Lebens wieder in
den Mittelpunkt zu rücken.
Bei allen medial vermittelten Sinneseindrücken,
denen wir heute ausgesetzt sind, wächst eine unglaubliche Sehnsucht nach der einfachen, aber
realen Begegnung mit einem Zipfel der Wirklichkeit. Vielleicht ist es auch diese Sehnsucht, die
Kinder und Jugendliche ebenso wie Erwachsene
dazu veranlasst, Erfahrungen, wie den Klang des
Gongs, den Gang über den Barfußweg oder das
Spiel mit dem Gleichgewicht auf der Balancierscheibe, wieder und wieder aufzusuchen. Sie werden nicht müde, auch wenn sie es schon
mehrmals erlebt haben, diesen Hunger nach realem Umgang mit sich selbst und der Welt zu stillen.
Mit dem Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne
will Hugo Kükelhaus dem Menschen seinen eigenen Leib, seinen Organismus und seine Verknüpfung mit der Umwelt neu erfahrbar machen.
Die Wahrnehmung des eigenen Leibes als
Grundlage zum Umgang mit Mensch und Welt
wird hier geschult. Die Erfahrungsstationen greifen Grundphänomene des Daseins auf, wie wir
sie in allen Lebensbereichen wiederfinden. Wir
können uns daran unser Verwurzeltsein in Leib
und Welt verdeutlichen und neue Zusammenhänge erleben. Wir können erleben, dass es Gesetzmäßigkeiten gibt, die in der Natur genauso
wirken wie im menschlichen Organismus und im
sozialen Gefüge.
Damit setzt das Erfahrungsfeld genau da an, wo
heute so große Not herrscht. Es schafft auf erlebnismäßiger Ebene Bezüge zum eigenen Leib und
zur Umwelt – eben diese Bezüge, die wir immer
mehr verlieren, von denen wir uns mehr und mehr
entfremden. Es regt an, die Dinge neu zusammenzufügen. „Das Erfahrungsfeld war für Kükelhaus aber nie Selbstzweck, sondern ein
methodischer Ansatz, sensibilisierend, bewusst
machend aber auch ausgleichend auf die von
ihm aufgezeigten Defizite zu wirken.“1 Das ist ein
salutogenetischer Ansatz schlechthin. In die Worte
des Salutogenese-Begründers Aaron Antonovsky
gefasst, könnte man sagen: Das Erfahrungsfeld
zur Entfaltung der Sinne schafft ein neues Kohärenzgefühl zwischen Mensch und Welt, zwischen
Mensch und Mensch und nicht zuletzt mit sich
selbst.
Das Erfahrungsfeld stärkt das Selbst- und Weltgefühl, es sensibilisiert in spielerischer Weise sowohl für die Prozesse der Umwelt, für soziale
Kontakte, als auch für den eigenen Leib.
Die Stationen des Erfahrungsfeldes zur Entfaltung
der Sinne verstehen sich als Gelegenheiten, diese
Sehnsucht zu stillen, sie zu erfahren, sie zu wecken, als Anregung, für ein sinnerfüllteres Leben,
für eine Besinnung....
Niemand bringt es besser zum Ausdruck als Hugo
Kükelhaus selbst:
„Es sind Anstalten zu errichten, in denen alle der
Leibeinheit des Menschen zugeordneten Bedürf
nisse wahrgenommen werden. „Wahrgenom
men“ in der Doppelbedeutung des Wortes – von
erkennen und wahren.
Anstalten des Gegenwärtigmachens der Gegen
wart. Anstalten (Bedürfnisanstalten sozusagen), in
die man eintritt – jung und alt –, um – beispiels
weise – seinen Augen ihrer Gesetzlichkeit gemäß
zur Inanspruchnahme zu verhelfen. Wo man mit
nichts sonst als mit Hilfe seiner eigenen Augen se
hend wird. Eine Anstalt, in der ein Raum des
Klangs gebührend eingegliedert ist: in dem durch
Anschlagen von Gongs, von Trommeln, mit Sai
tengeräten Klänge und Rhythmen erzeugt werden.
(...)
Öffentlich benötigt wird ein GangBoden von
Stein, Holz, Keramik, Ziegel, Geflecht, reliefartig
erhoben mit einem Auf und Ab, mit Engung und
Weitung – auf dem durch Barfußgehen ähnliches
erfahrbar wird wie beim Wandern über den wel
ligen Sand eines Strandes. Öffentlich benötigt
werden Anlagen, die ausgestattet sind mit
Schwingungszurichtungen und geräten, mit Pen
delgerüsten, Schaukeln, Wippen, rotierenden
Scheiben, BalanceKugeln und dergleichen. (...)
Öffentlich benötigt werden Stationen, in denen
der Mensch dadurch zur Wahrnehmung der uni
versalen Gesetzlichkeit seines leiblichen Seins,
seiner inneren Natur gelangt, dass er alle Gele
genheit wahrnimmt sie wiederzuerkennen in der
Gesetzlichkeit der äußeren Natur.“
13
Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne
An den Stationen kann erfahren und erlebt werden: Wie das Auge sieht · das Ohr hört · die
Nase riecht · die Haut fühlt · die Finger tasten ·
der Fuß (ver)steht · die Hand be(greift) · das Gehirn denkt · die Lunge atmet · das Blut pulst · der
Körper schwingt · und dass die Wahrung der Gesetze der eigenen Natur den Menschen befähigt,
in den Erscheinungen der äußeren Natur die gleiche Gesetzlichkeit sowohl wahrzunehmen als
auch zu wahren.“ Im Erfahrungsfeld warten keine
Sensationen auf den Besucher. Es geht um das
Entdecken feinster Zustandsunterschiede in der
Wahrnehmung, um das Spüren des eigenen Körpers und seiner Sinne. Es geht nicht um das Erklären der Erfahrungen, sondern um intensives
Erleben und Nachspüren des Erlebten. „Haben
wir die Glieder und Sinnesübungen (...) durchgespielt (...), so werden wir am Ende durch das Gefühl gestärkt sein, eine Wanderung durch uns
selbst, durch unseren Leib und seine Organe, angestellt zu haben. Wir werden beseelt sein von
dem Verlangen, das Erlebte nicht wieder absinken zu lassen durch den Druck einer Welt, die
sich der Mensch zu Beginn der technischen Revolution so ganz anders vorgestellt hatte.“ (Hugo
Kükelhaus) Das Erfahrungsfeld ist für alle Altersgruppen gleichermaßen geeignet, die Geräte
können allein oder in Gruppen bespielt werden.
Sie eignen sich zum längeren Verweilen ebenso
wie zum Spielen im Vorbeigehen. Durch z.B. aufmerksames Verfolgen von Phänomenen mit den
Augen kann man das Gesehene auf sich wirken
lassen und fühlt sich so nicht nur als Betrachter
des Vorganges, sondern – mehr oder weniger un14
14
terschwellig – als Teil desselben, andere Stationen ermöglichen dies z.B. durch das Erleben der
eigenen Körperbewegungen.
Anregungen für den Alltag –
Nachhaltigkeit
Das Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne ist
darauf angelegt, Besucher zu beeindrucken, zu
berühren, Anregungen zu geben, Perspektiven zu
verändern, die Welt mit anderen Augen zu sehen.
So betrachtet ist die Ausstellung „SinnesGänge“ ein Ort der spielerischen Wahrnehmungsschulung, die für den Alltag des Besuchers
nicht ohne Bedeutung bleibt. Das was ich im Erfahrungsfeld erlebe, kann mich anregen, im Alltag, in meiner Arbeit, in der Kommunikation mit
meinen Mitmenschen, in der Natur, in der Kunst
neu wahzunehmen, sensibel zu werden für Prozesse der Wahrnehmung und dort das wiederzufinden, was das Erfahrungsfeld in konzentrierter
Form präsentiert.
Letztlich ist der Zweck einer solchen Ausstellung
wie SinnesGänge sich selbst überflüssig zu machen.
Dazu schreibt der Leipziger Anglistik-Professor,
Autor und Kükelhaus-Kenner Elmar Schenkel:
„Im Grunde aber ist die Existenz eines solchen Erfahrungsfeldes ein schreckliches Symptom. All die
genannten Erfahrungen sollten eigentlich nicht an
Ersatzobjekten stattfinden, sondern an den Naturphänomenen selber. In einer Zeit des immer
rasanter werdenden Wirklichkeitsverlustes, des
Verlustes von Natur am eigenen Körper und an
der ‘Umwelt’ - ein Ausdruck, den Kükelhaus
hasste, denn er setzt jene Spaltung von Mensch
und Natur nur fort – müssen neue, schöpferische
Wege gefunden werden, um zumindest ein Bewusstsein des Verlustes zu wecken. (...)
Das Erfahrungsfeld verhält sich zu Alltagserfahrungen wie ein Gedicht zur Alltagssprache. Hugo
Kükelhaus’ Bruder, der im Krieg verstorbene Lyriker Hermann (...) schrieb einmal: Gedichte sind
‚Strudel im Strom der Sprache’. Genau das ist
das Erfahrungsfeld – Strudel im Strom des Alltags,
an dem man sich erfrischt und erneuert.“
DIE SINNESGÄNGE
IM
OFEN
Die im Jahre 1981 stillgelegte Ziegelei Lohhöfer
in Oberkaufungen ist seit 1995 im Besitz von
Tamara Leszner, die dieses Industriedenkmal
Stück für Stück renoviert, um es für Wohnen, Arbeiten, Kunst, Handwerk und Kultur nutzbar zu
machen.
Der Kern der SinnesGänge wird durch die 16
als Gewölbegänge konzipierten und miteinander verbunden Gänge des historischen ZickZack-Ofens der Ziegelei Oberkaufungen
gebildet. Diese Kammern haben eine Gesamtfläche von knapp 400 qm und bieten ein herausragendes Ambiente für die Stationen des
Erfahrungsfeldes zur Entfaltung der Sinne. Insbesondere die Klangstationen sowie Phänomene zu Licht und Finsternis werden dort Ihren
Raum finden. Durch die Verschachtelung und
das dicke Gemäuer besteht vor allem die Möglichkeit, auch bei größeren Besucherzahlen, sich
ungestört mit den Stationen zu beschäftigen.
Während die Brennkammern mit künstlichem
Licht erhellt werden - oder als Räume für Erfahrungen im Dunkeln genutzt werden - sind die
Gänge um den Ofen herum, die ebenfalls in
den Ausstellungsbereich integriert sind durch die
hohen Rundbogenfenster von hellem Licht
durchflutet. Diese Gegensätze sind schon ein
Erfahrungsfeld an sich. Diese Flächen eignen
sich durch ihre Höhe und Helligkeit für Bewegungsexperimente, Phänomene des Sehens in
der Helligkeit, Balancieren, Tasten usw.
DER
ZIEGELEI OBERKAUFUNGEN
nächst als multifunktionale Fläche angelegt ist
und bei Bedarf für Ausstellungen und Seminare
genutzt werden kann. Langfristig könnten hier
auch weitere Seminar-, Werkstatt- und Ausstellungsräume entstehen.
Aufbau der Ausstellung
Der Aufbau der Ausstellung „SinnesGänge“
folgt den Ideen des Erfahrungsfeldes zur Entfaltung der Sinne nach Hugo Kükelhaus. Als
Grundgedanke steht dabei ein Ausspruch von
Kükelhaus im Vordergrund, den er dem Besucher des Erfahrungsfeldes an die Hand gibt:
Der Besucher ist der Dreh- und Angelpunkt der
Ausstellung, in ihm schließen sich die Eindrücke
und Erfahrungen der Ausstellung zu einer Einheit zusammen. Gerade darauf zielt die Ausstellung „SinnesGänge“ ab: Den Menschen für die
Prozesse der Wahrnehmung zu sensibilisieren
und die einzelnen Wahrnehmungsbereiche in
ein ganzheitliches Persönlichkeitskonzept zu integrieren. „Nicht das Auge sieht, nicht das Ohr
hört, nicht die Hand handelt, nicht das Gehirn
denkt und lernt, sondern der ganze Mensch ist
es, der jeweils durch das entsprechende Organ
sieht, hört, handelt, denkt, lernt.“ (Hugo Kükel
haus).
Die Ausstellung gliedert sich in drei große Themenbereiche, die sich aber an vielen Stelen
durchdringen können und auch sollen, so wie
die Wahrnehmung eines einzelnen Sinnesorgans
niemals losgelöst von den restlichen Eindrücken
betrachtet werden kann.
1. Das Hören lebt vom Lauschen
Klänge – Worte – Gedanken – Begegnung
2.Sehen – zwischen Licht und Finsternis
Polarität und Steigerung
3. Ich spüre die Welt
Grenzen – Bewegung – Gleichgewicht
Eine zusätzliche freie Fläche entsteht auf dem
Ofen mit einer Größe von ca. 800 qm, die zu-
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Partnerschaukel
Nutzung durch das Hessische Ziegeleimuseum
Wasserstrudel
Klangstein
Momochord
Pendelstein
Wasserklangschale
Wasserspringschale
Prismen
Doppelhelix
Impulskugeln
Dreizeitenpendel
Strömungstafel
Chladnische
Klangplatten
Summlöcher
Gongs
Abendrot und Himmelsbla
Rieseltafel
rotierende Scheiben
Schalltoter Gang
Komplementärfarben
Dunkelgang
Dunkelraum
Licht
Spiegelgang
kippende Perspektive
Camera
Obscura
Begehbares
Kaleidoskop
Finsternis
Balancierscheiben
Kasse, Bücher...
Balancierscheibe
1. DAS HÖREN
LEBT VOM
LAUSCHEN – KLÄNGE - WORTE - GEDANKEN - BEGEGNUNG
Chladnische Klangfiguren
Mit einem Geigenbogen wird – senkrecht zu ihr –
eine dünne Metallplatte angestrichen, deren Mittelpunkt auf einem Ständer befestigt ist. Der ganz
dünn auf die Platte gestreute feine Sand beginnt
zu tanzen und ordnet sich zu wunderschönen, organisch wirkenden Mustern, die das Schwingungsbild der Platte wiedergeben. Aus dem
scheinbaren Nichts, dem Chaos entstehen wie
durch Zauberhand Muster und Figuren.
In Folge von Eigenresonanzen beginnt die Platte
zu schwingen. Der Sand wird beim Tönen der
Platte von den vibrierenden Partien regelrecht
weggeschleudert und wandert zu den Stellen, an
denen keine Schwingung auftritt. Auf diese Weise
werden die Knotenlinien von stehenden Wellen
sichtbar gemacht, die sich auf der Platte ausbilden.
Chladnische Klangfiguren sind benannt nach
Ernst Florens Friedrich Chladni, der 1787 die
Schrift „Entdeckungen über die Theorie des Klanges“ veröffentlichte, in der er Klangfiguren darstellt und beschreibt, wie man sie erzeugen kann.
Die Menschen waren von den Mustern so sehr
fasziniert, dass Chladni seinen Lebensunterhalt
mit dem Auftreten als Lehrer und Referent über
seine Figuren verdienen konnte und selbst Napoleon sagte: „Dieser Mann lässt die Töne sehen.“
An diesem Experiment ist die gestaltbildende Kraft
von Klängen, von Schwingungen ebenso wie ihr
ästhetischer Formenreichtum auf eindrückliche Art
und Weise zu erfahren.
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Gongs
Am Anfang des Spiels mit dem Gong steht für den
Besucher die Stille. Er nimmt den Gong als Gegenstand wahr, alleine seine Form weist schon
darauf hin, dass hier etwas klingt. Denn zu den typischen Klangformen des Metalls gehört neben
der Glocke und der Triangel, der Gong. Und so
hat die große glänzende Scheibe einen hohen
Aufforderungscharakter, man möchte gerne wissen, welcher Klang sich in der Stille verbirgt.
Dabei ist der Klang des Gongs sehr vielfältig. Der
Grundton ist ein tiefer, warmer Ton, zu dem, je
öfter verschiedene Stellen des Gongs angeschlagen werden, eine Fülle von sehr klaren Obertönen kommt. Je nachdem wie die Schläge auf dem
Gong gesetzt werden, variiert das Hörerlebnis.
Man kann ihn sehr sanft anschlagen, aber auch
durch kräftige Impulse in der Fülle seiner Töne
baden. So erhält der Besucher einen lebendigen,
fühlbaren Eindruck der gestalterischen Kräfte, die
sich im Metall verbergen.
Genauso wie sich der Ton des Gongs allmählich
aufbaut, so verabschiedet er sich auch: langsam.
Es ist ein langsamer Abschied zur Stille, der zusammen mit der Geburt des Klangs den urbildlichen Charakter des Gongs ausmacht. Denn
genau wie der Mensch hat jeder Klang, der auf
am Gong entsteht, eine Biografie. Er wird aus der
Stille geboren, lebt mit großer Intensität und verabschiedet sich aus dieser allmählich in die Stille.
Um die letzten Töne, die an der Grenze des
Wahrnehmbaren sind, muss der Besucher lauschen. Dieses Innehalten und Lauschen kommt
einer weiteren Erfahrung zugute, die der Gong
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den Besuchern schenkt.
Denn die Haut hört
seine Töne in besonderem Maß mit. Denn die
Schallwellen des Gongs
werden auch über die
Haut empfunden. Das
liegt daran, dass der
menschliche Körper zu
einem großen Teil aus
Wasser besteht, das sehr
empfindlich für Schall ist
und diesen aufnimmt.
Dabei wirken die Schallwellen des Gongs ziehend nach innen und
dehnend nach außen.
So kann die Klanggestalt
des Gongs ganz besonders auf verschiedene
Zonen des Körpers wirken.
Unterschiedlich große
Gongs aus verschiedenen Materilien (Bronze,
Eisen, Messing) lassen
verschiedene Klangqualitäten erfahrbar machen.
Klangstein
Der Klangstein ist eine Steinsäule. Diese ist auf
zwei Dritteln der Höhe in der Mitte eingeschnitten, sodass der Eindruck einer Stimmgabel entsteht.
sondern von der Haut aufgenommen und so auf
ganz besondere Art verinnerlicht.
Verblüfft ist der Besucher zunächst, beim Erreichen des Klangsteins. Denn ein Stein an sich erscheint uns als kaltes, lebloses Ding. Damit wird
das Experiment, das den Stein in der Interaktion
mit dem Besucher zum Singen bringt, zu einem
ganz besonderen Erlebnis.
Der Stein muss angerieben werden, damit der in
ihm verborgene Klang zutage treten kann. Dabei
erfahren wir neben dem überraschenden Klang
des Steins, einiges über die in ihm verborgenen
Eigenschaften, die uns bei seinem bloßen Anblick
nicht offenbar sind. Denn neben der Masse und
der Härte des Steins können wir am Klangstein
seine Elastizität erleben.
Seinen Ton entlockt man dem Stein entweder
durch Anschlagen mit der flachen Hand oder
durch Reiben. Jedoch erfordert das letztere Etwas
Geduld und Übung, denn man muss den Stein
mit Wasser benetzen und ihn dann gefühlvoll reiben. So entlockt man ihm einen zarten Ton, der
durch intensiveres Reiben zu einem starken, vollen Ton reifen kann. Dieser Klang schwingt in der
großen Masse des Steins noch einige Zeit nach.
Die Schallwellen des Steins übertragen sich auf
den Menschen, beim Reiben ganz besonders. So
wird die Klanggestalt des Steins nicht nur hörbar,
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Monochord
„Welt-Anschauung – Welt-Anhörung“
Das Monochord, eines der ältesten Saiteninstrumente überhaupt, geht vermutlich zurück u.a. auf
Pythagoras, der an einer einzelnen Saite Zahlenverhältnisse in der Musik untersuchte. Er teilte
diese in ihrer Länge mit Stegen nacheinander im
Verhältnis 1/2, 1/3, 1/4 usw. ab und entdeckte
dabei die Töne der Obertonreihe in ihrer natürlichen Reihenfolge (Oktav, Quint usw.) entsprechend dem Grad ihrer Konsonanz. Aus dieser
Entdeckung folgte die Erkenntnis des Naturgesetzes, dass Obertöne in jedem Klang in eben dieser Reihenfolge auftauchen.
Das pythagoreische Denken war geprägt vom Bewusstsein der Einheit von Ton und Zahl, also von
Qualität (Empfindung) und Quantität (Messbarem) als zwei Seiten der Musik. Diese harmonikale Denkweise beschränkte sich in der Folge
nicht auf die Untersuchung innermusikalischer
Phänomene, sondern gipfelte in der Erkenntnis,
dass die natürlichen Grundlagen der Musik zugleich die Bausteine der Weltordnung (Harmonia
mundi ) schlechthin sind. Das Monochord öffnet
das Tor zu der Erkenntnis, dass die im klanglichen
Bereich waltenden Zahlenverhältnisse Ordnungen entsprechen, deren einfache Prinzipien in
allen Naturreichen herrschen, und dass der hörend wahrnehmende Mensch Wahrer dieser Ordnungen sein sollte.
Werden die Saiten durch Zupfen oder Anschlagen zum Klingen gebracht, wird nicht nur der eine
Ton, sondern eine ganze Reihe von Obertönen
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hörbar: Das "Lied des Eintons" beginnt zu spielen.
Die sich aus dem Grundton entfaltenden Obertöne öffnen gleichsam ein Fenster zum Kosmos.
Der Gesang der Obertöne ist nicht vom Spieler
gemacht - er kann nur vom Spieler zum Klingen
gebracht werden. Es sind Melodien, die schon
waren, bevor der Mensch die Erde betrat. Das ist
es, was die "Alten" Sphärenmusik nannten.
Schalltoter Gang
Der schalltote Gang ist ein stark gedämmter Raum, der jegliche Geräusche, Worte, Klänge sofort verschluckt anstatt zu reflektieren und damit nahezu unhörbar macht.
Gleichzeitig ist er nur sehr schwach beleuchtet.
Manchmal bedürfen wir des weitgehenden oder völligen Entzugs allzu gewohnter Wahrnehmungen, um uns ihrer Bedeutung und Funktion bewusst zu werden. Die eigene Stimme wird fremd, wird fast nicht mehr erlebbar, ich erlebe mich nicht mehr selbst im Spiegel der mich umgebenden Welt. Wenn das Hören aufhört, verlieren wir
eine wichtige Orientierung.
Diese Form von Entzug macht erfahrbar, wie sehr meine Stimme - und im übertragenen Sinne meine Stimmung - abhängig ist von meiner räumlichen Umgebung. Wir
erleben, dass das Gehör nicht nur der Aufnahme und Verarbeitung akustischer Reize dient, sondern, dass es zudem ein raumschaffendes Organ ist, das seinerseits bestimmter Bedingungen bedarf, um sich entfalten zu können. Und es kann sich in diesem Falle die unangenehme Erfahrung einstellen, dass das Gehör mit dem Gleichgewichtssinn gekoppelt ist und dass eine die menschlichen Bedürfnisse missachtende Umwelt uns im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Gleichgewicht bringen kann.
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Summstein
Der Summstein besteht aus einem Sandsteinquader mit eingemeisselter Höhlung in der Größe,
dass ein menschlicher Kopf ganz vom Stein umschlossen werden kann.
Wer sich traut den Kopf in diese dunkle Höhle zu
stecken, den erwartet ein Erlebnis der besonderen Art. Dazu muss man ein wenig summen, hohe
und tiefe Töne ausprobieren, bis man den Ton
trifft, der seine Entsprechung im Summstein hat.
Ist der Ton gefunden, so beginnt, der ganze Stein
mitzuschwingen. Diese Schwingung überträgt sich
auf den ganzen Körper und wird als wohltuende
Tiefenmassage vor allem im Bereich der Wirbelsäule empfunden.
Diese außergewöhnliche Erfahrung mithilfe der
Stimme ist aber keine Erfindung der Neuzeit. In
einer unterirdischen Tempelanlage auf Malta,
dem Hypogain, wurden Höhlungen in den Wänden gefunden, die zum Summen genutzt wurden.
Es wird vermutet, dass Summsteine in der Frühzeit dazu benutzt wurden Trance-Zustände hervorzurufen, sie wurden jedoch auch zu
Heilzwecken eingesetzt.
Das Erlebnis des Summsteins ist ein ausgesprochenes Erlebnis von Resonanz, Der Spiegel der
eigenen Worte, der Widerhall. Im Erleben der
resnanz fühlen wir uns in unserem Dasein bestätigt und geborgen, Resonanz gibt mir das Gefühl,
„Ich bin nicht allein“.
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Wasserklangschale
Hier erlebt der Besucher das Zusammenspiel von
Wasser, Luft und Klang, im Hören, im Sehen, im
Tasten....
Die mit Wasser gefüllte Eisenschale (1,50 m) wird
durch sanfte Schläge auf den Rand zum Klingen
gebracht. Die Vibrationen der Metallschale erfüllen einerseits die umgebende Luft mit Klang. Andererseits wird das Wasser in der Schale zum
Schwingen angeregt, wodurch sich ein symmetrisches Kräuseln der Wasseroberfläche ergibt, was
in seiner Strukturierung an die Formen der Chladnischen Klangplatten erinnert.
Sowohl im Wasser als auch am Rand der Schale
lässt sich die Kraft der Töne auch mit den Händen
tastend erfahren.
Steigert man die Intensität des Anschlags, so kann
man das Wasser fontänenartig zum Spritzen bringen.
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Wasserspringschale
Die Wasserklangschale ist eine aus Bronzeguss
gefertigte und mit Wasser gefüllte Schale (80cm
Durchmesser) mit zwei Griffen am oberen Rand.
Diese Wasserklangschalen haben ihren Ursprung
in Asien und werden dort als „Glücksbecken“ bezeichnet.
Um die Schale in Schwingung zu versetzen, reibt
man mit befeuchteten Handflächen über die
Griffe. Zunächst erklingt ein summender Ton, der
bald auch im Sich-Kräuseln der Wasseroberfläche sichtbar wird. Wird die Bewegung intensiviert,
so springt das Wasser eindrucksvoll von vier Stellen aus - symmetrisch - in die Höhe. Durch Änderung der Intensität der Reibung lassen sich die
Töne und auch die Muster auf dem Wasser verändern.
Der Spieler der Schale erlebt, wie nicht nur die
Schale schwingt und klingt, sondern wie sich die
durch Eigenaktivität hervorgerufenen Klänge
durch den ganzen Körper hindurch fortsetzen.
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2. ZWISCHEN LICHT
UND
FINSTERNIS – POLARITÄT
Abendrot und Himmelsblau
Nicht nur das räumliche Sehen ist vom Spiel zwischen Licht und Schatten abhängig, auch in der
Welt der Farben spielt dieser Kontrast eine große
Rolle. Besonders eindrücklich kennen wir das von
zwei Naturphänomenen: der untergehenden
Sonne und dem Blau des Himmels.
Faszinierend ist es seit jeher für den Menschen,
das Farbenspiel der untergehenden Sonne. Golden, grün und violett erscheint das Abendrot und
die Sonne mitten darin als rot glühender Ball.
Somit erscheint die Sonne ganz anders als am
Morgen, wo sie als golden auftaucht und im Steigen immer heller wird und damit das Himmelsblau hervorlockt.
Abendrot entsteht nur, weil die Helligkeit der
Sonne abgedunkelt wird. Es ist also ein direktes
Produkt der Wechselwirkung zwischen hell und
dunkel. Je näher die Sonne beim Sinken dem Horizont wird, desto intensiver wird ihre Farbe. Das
liegt daran, dass das Licht immer länger durch
die durch Abgase und Staub getrübte Luft wandert, bevor es das Auge des Betrachters trifft.
Dieses Erlebnis wird bei dieser Station für den Betrachter künstlich herbeigeführt. Dabei erhältt er
einen tief greifenden Eindruck in das Wesen der
Farbe Rot. Diese zeigt im Abendrot alle Facetten
ihres Eigenseins. Das Rot der Sonne wird beim
Untergehen immer drängender, herausfordernder
und regt den Betrachter immer mehr an. Denn
die Farbe Rot trägt das andringende Wesen der
Farbe Gelb in sich, welche sich im Rot steigert.
UND
STEIGERUNG
Der Besucher erfährt, dass Farbe mehr ist als eine
Ausdehnung über eine Fläche oder einen Körper.
Die Farbe ist an den Körper gebunden, auf dem
sie erscheint, sie ist das Innerste dieses Körpers,
der nach außen getragen wird.
Das Himmelsblau entsteht in genau umgekehrter
Weise, nämlich durch eine helle Trübung, die vor
einem dunklen Hintergrund erscheint. Der dunkle
Hintergrund ist hier das Weltall, das in seiner tiefen Schwärze so leer erscheint. Durch die Atmosphäre der Erde erscheint uns die Schwärze des
Weltalls als Himmelsblau. Diese unglaublich abstrakte Erkenntnis wird für den Besucher an dieser
Station greifbar. Es wird für ihn erfahrbar wie die
Trübung der Atmosphäre im Zusammenspiel mit
der Helligkeit der Sonne den Himmel blau erscheinen lässt. Er erfährt wie das Himmelsblau
sich mehr und mehr ins Violette wandelt je näher
er der unendlichen und fruchtbaren Schwärze des
Himmels kommt.
Und genauso bildet sich die Farbe Violett auch
aus hellen Anteilen, vertreten durch die Farbe Rot
und dunklen, die durch Blau repräsentiert werden. So kann der Besucher als Erkenntnis von
dieser Station mitnehmen, dass alle Farben aus
dem Gegenspiel von hell und dunkel entstehen.
Klar wird dann, dass selbst das hellste Wesen
immer eine Spur Dunkelheit enthält.
Hierbei erhält er einen tiefen Einblick in das
Wesen der Farbe Blau, die sich ihm nicht aufdrängt, sondern ihn zieht. Der Besucher erfährt
am eigenen Leib wie wichtig die Polarität von hell
und dunkel für das gesamte Farbenspektrum ist.
Denn die Farbe Grün ergibt sich beispielsweise
beim Mischen von Blau und Gelb. Sie trägt also
das andringende Wesen von Gelb genauso in
sich wie das ziehende des Blau. Grün vereint also
beide Polaritäten, ist gleichermaßen „aktiv“ wie
„passiv“.
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Begehbare Camera Obscura
Die Camera Obscura wurde bereits im 15. Jahrhundert von Leonardo da Vinci beschrieben.
Dabei weist das Modell der Camera Obscura
faszinierende Parallelen zum Auge auf. Sowohl
bei der Lochkamera wie auch beim Auge tritt das
Licht durch eine kleine Öffnung bzw. die Pupille
ein. Der innere Raum der Camera Obscura entspricht der dunklen Augenhöhle. Die Leinwand,
die an der Rückwand der Lochkamera aufgehängt wird, findet ihre Entsprechung in der Netzhaut des menschlichen Auges.
Und genauso wie im Auge entsteht auch das Bild
der Camera Obscura durch einen Gegenstand,
der im Tageslicht vor die Öffnung der Lochkamera gehalten wird. Dabei ist die Größe dieses
Lochs maßgeblich für die Schärfe des entstehenden Bildes. Je kleiner der Durchmesser ist, desto
schärfer wird das Bild, das dabei entsteht. Genau
wie auf der Netzhaut steht das Bild, das von der
Leinwand empfangen wird, auf dem Kopf.
Dieser Prozess dauert allerdings bis zu drei Minuten, währenddessen warten die Besucher in der
Dunkelheit. Hier findet sich auch die Parallele zu
anderen optischen Stationen: die Polarität von
hell und dunkel. Denn auch in der Camera Obscura wird die Nötigkeit des Zusammenspiels von
Licht und Finsternis verdeutlicht. Die Besucher verinnerlichen, dass sie überall wo Gegenstände
durch Beleuchtung der Dunkelheit entrissen werden, das Bild des Gegenstandes mit sich nehmen.
Auch die Dunkelheit gewinnt mit diesem Versuch
eine neue Qualität, denn sie macht alles andere
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unsichtbar und erlaubt trotzdem dem Licht ein
Bild zu transportieren.
Genau dies lässt den Besucher staunen: Das Bild
wird allein durch das Licht transportiert. Dazu
braucht es keinen Projektor oder ein anderes
technisches Gerät. Dabei bleibt es unsichtbar,
selbst wenn das Licht wieder zum Bild auf der
Leinwand wird. Genau wie bei der Erscheinung
des Vollmonds am dunklen Nachthimmel, wo
auch kein Lichtkegel zu sehen ist, ruft dieser einfache Versuch Staunen hervor und vermittelt diese
komplizierte Gesetzlichkeit auf sehr verständliche
Weise.
Begehbares Kaleidoskop
Drei stehende Spiegelflächen bilden ein geschlossenes Dreieck, das der Besucher nur betreten kann, indem er unter den Spiegeln hindurch
klettert.
Diese Station ist eine Erweiterung der Spiegelstation und führt dem Besucher die Wirkung des eigenen Spiegelbildes, das Zurückgeworfensein auf
sich selbst, die Reflexion noch eindrücklicher vor
Augen. Der Besucher sieht sich von allen Seiten
um ein vielfaches gespiegelt, er selbst steht im
Mittelpunkt und trifft von allen Seiten - in harmonisch schöner Anordnung auf einzig und allein sich selbst.
Zentralinformation könnte man diese Station
auch nennen - hier geht es um das zentrale
Thema des Erfahrungsfeldes - Der Mensch, Ich
selbst - als Besucher stehe im Mittelpunkt. Der
rote Faden bin ich selbst.
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Dunkelgang
Dieser ca. 20 m lange Gang, der mal enger mal
weiter, mal höher, mal tiefer wird, ist absolut finster.
Es ist eine Frage von Mut und Vertrauen, von
Sich-Einlassen können, von Orientierung in der
Orientierungslosigkeit, auf die sich der Besucher
hier einlässt.
Die Dunkelheit als Gegenpol von Licht führt uns
in eine „andere Welt“: Im Dunkeln werden durch
die Abwesenheit des Sehsinns, die anderen Wahrnehmungskanäle, vor allem der Tast- und Hörsinn, aber auch Geruchs- und Geschmackssinn
in ihrer Aktivität gesteigert. Die Finsternis umgibt
den Besucher, sie hüllt ihn ein, ist überall, kein
Ende ist zu sehen.
Beim Heraustreten in die Helligkeit kann die Polarität zwischen Licht und Finsternis und ihre Wirkung auf den Menschen ein Stück weit bewusster
erfahren werden.
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Farbige Schatten
Eine Leinwand wird mit rötlichem Licht beleuchtet. Stellt sich nun ein Besucher in den Lichtkegel,
so erscheint - wie zu erwarten - sein dunkler
Schatten im roten Umfeld. Nun wird ein zweiter
Scheinwerfer mit weißem Licht zugeschaltet, der
Teile des dunklen Schattens ausleuchtet und einen
Halbschatten entstehen lässt. Dieser aber ist
weder rot noch schwarz: Er erscheint in grün.
Dieses Spiel lässt sich mit verschiedenen Farben
durchspielen, erweitern und vertiefen und man
wird immer wieder erstaunt sein, dass Farben
sichtbar werden, die von außen betrachtet, in den
Scheinwerfern gar nicht vorhanden sind.
gewesen, so musste man sie nun für hochblau ansprechen, als ein gesteigertes Gelb von den beleuchteten
Teilen widerschien. Als aber die Sonne sich endlich ihrem Niedergang näherte und ihr durch die stärkeren
Dünste höchst gemäßigter Strahl die ganze, mich umgebende Welt mit der schönsten Purpurfarbe überzog,
da verwandelte sich die Schattenfarbe in ein Grün, das nach seiner Klarheit einem Meergrün, nach seiner
Schönheit einem Smaragdgrün verglichen werden konnte.
Die Erscheinung ward immer lebhafter, man glaubte sich in einer Feenwelt zu befinden, denn alles hatte sich
in die zwei lebhaften und so schön übereinstimmenden Farben gekleidet, bis endlich mit dem Sonnenunter
gang die Prachterscheinung sich in eine graue Dämmerung und nach und nach in eine mond und sternhelle
Nacht verlor.“
Johann Wolfgang von Goethe
Neben dem eignet sich diese Station ganz wunderbar zum Spielen mit dem Schatten an sich,
zum Beobachten der Konturen, der Größe...
Der Schatten als das Abbild des Menschen, mein
Schatten, der mich unweigerlich verfolgt, dem ich
nicht entrinnen kann.
„Auf einer Harzreise im Winter (29. November
bis 16. Dezember 1777) stieg ich gegen Abend
vom Brocken herunter, die weiten Flächen auf und
abwärts waren beschneit, die Heide von Schnee
bedeckt, alle zerstreut stehenden Bäume und vor
tragend Klippen, auch alle Baum und Felsen
massen völlig bereift, die Sonne senkte sich eben
gegen die Oderteiche hinunter.
Waren den Tag über, bei dem gelblichen Ton des
Schnees, schon leise violette Schatten bemerklich
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Kippende Perspektive
Ist das Eckgebilde ein vorspringender Balkon
oder eine zurückspringende Nische? Oder
schaue ich in einen Raum, in dessen oberer Ecke
ein würfelartiges Gebilde hängt?
Betrachtet man diese Zeichnung mit einer
Gruppe von Menschen, so werden immer unterschiedliche Antworten kommen, auf die Frage
„Was sehen Sie hier?“
An dieser Station kann der Betrachter unterschiedliche Sichtweisen auf die Welt entdecken,
durch intensives hinschauen, neue Perspektiven
sich erschließen, sich in die Weltsicht des anderen
versuchen hineinzuversetzen und zunächst auch
anzuerkennen, dass der Blick eines jeden Menschen auf die Welt ein individueller ist.
Was diese Ansammlung geometrischer Flächen
nun wirklich ist, liegt im Auge des Betrachters und
steht auch nicht vordergründig zur Debatte.
„In diesem fortgesetzten Vor und Zurück, Hin und
Her vollzieht sich, hier ungewöhnlich deutlich, das
Sehen überhaupt.“
Hugo Kükelhaus
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Komplementärfarben
Der Besucher wird aufgefordert, mindestens eine
Minute lang eine rotes Bild an der Wand zu betrachten, ohne dabei die Aufmerksamkeit von
dem Bild abzuwenden.
Danach blickt er auf die daneben liegende weiße
Fläche und erblickt das rote Bild mit den gleichen
Konturen nun in grüner Farbe.
Das Auge schafft hier ein Nachbild in der Komplementärfarbe. Auch dieser Versuch zeigt uns,
mit welcher Aktivität der Mensch in den Prozess
des Sehens und insbesondere des Farbensehens
einbezogen ist. Kein äußerer, rein physikalischer
Vorgang geht hier vonstatten, sondern ein intimer
Austauschprozess zwischen Mensch und Welt.
„Als ich gegen Abend in ein Wirtshaus eintrat und
ein wohlgewachsenes Mädchen mit blendend
weißem Gesicht, schwarzen Haaren und einem
scharlachroten Mieder zu mir ins Zimmer trat,
blickte ich sie, die in einiger Entfernung vor mir
stand, in der Halbdämmerung scharf an, indem
sie sich nun darauf hin wegbewegte, sah ich auf
der mir entgegenstehenden weißen Wand ein
schwarzes Gesicht mit einem hellen Schein um
geben, und die übrige Bekleidung der völlig deut
lichen Figur erschien von einem schönen
Meergrün.“
Johann Wolfgang von Goethe, aus „Entwurf einer
Farbenlehre“
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Licht und Finsternis
Der Besucher kann hier jeweils durch ein Loch in drei unterschiedliche Kammern schauen:
Die erste Kammer enthält eine schattenlos ausgeleuchtete
weiße Kugel vor weißem Hintergrund. Schaut man in diese
Kammer hinein, so wird man auf den ersten Blick sagen, sie
sei leer, nichts wird sichtbar - trotz größtmöglicher Helligkeit.
Die zweite Kammer enthält ebenfalls eine weiße Kugel diesmal jedoch nur von einer Seite schwach beleuchtet vor
einem schwarzen Hintergrund. In dieser kontrastreichen
Umgebung tritt die Kugel sogleich für den Betrachter in ihrer
vollen Form in Erscheinung. Diese Erfahrung zeigt, dass das
Sehen sein wahres Wesen im Wechselspiel zwischen Licht
und Schatten hat.
Vertieft wird diese Erkenntnis durch den Blick in die dritte
Kammer. Hier erwartet den Besucher auf den ersten Blick
nichts als Dunkelheit. Erst durch das Anschalten der Beleuchtung wird dem Besucher offenbar, dass in der Dunkelheit ein steinerner Kopf verborgen ist. Dieser Kopf kann von
unterschiedlichen Seiten, mal mehr, mal weniger beleuchtet
werden. Hierbei fällt auf, dass das Mienenspiel des Kopfes
offenbar von dem Winkel des Lichteinfalls abhängt. Ganz
greifbar wird dabei, dass die innere Wahrnehmung ganz offensichtlich vom Wechselspiel zwischen hell und dunkel beeinflusst wird. Jeder Mensch benötigt zum Sehen und zum
Wahrnehmen seiner Umwelt nicht nur die Helligkeit, sondern ihr Zusammenspiel mit der Dunkelheit. Räumliches
Sehen ist also immer ein Vorgang, der abhängig ist von dem
Pendel zwischen Licht und Dunkelheit.
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Prismen
Hier stehen dem Besucher verschiedene Prismen
zur Verfügung durch die hindurch er auf eine
schwarz- weiß gemusterte Fläche schauen kann.
Dabei offenbart sich ihm ein unvergleichliches
Farbspiel. Dunkle Stellen an der Wand, durch das
Prisma betrachtet, erscheinen plötzlich farbig.
Und auch an den Übergängen von hell zu dunkel bilden sich Säume in den schönsten Farben
des Regenbogens. Der Blick durch das Prisma
faszinierte schon von alters her, so wird berichtet,
dass sein Besitz früher das Majestätsrecht des chinesischen Kaisers war.
völlig anders erscheinen als dem Menschen, der die gleiche Wiese betrachtet. Eben weil die Koppelung von
Farbe und Empfindung einzig beim Menschen auftritt.
Physikalisch zeigt uns der Versuch mit dem Prisma die Polarität von Gelb und Blau, die sich im Auseinandertreten der Farben in die jeweilige Richtung zeigt. Die Farbe Gelb erzeugt Nähe, die Farbe Blau zieht in die
Ferne, diese Polarität vereint das Prisma. Wie das Farbenspiel des Prismas auf den jeweiligen Betrachter wirkt
und welches Erleben es bei ihm auslöst, ist ganz unterschiedlich. Denn es hängt davon ab, welches Empfinden der Betrachter mit diesen Farben verbindet.
Für das Farbspiel des Prismas ist eine lange Kette
von Ursachen und Bedingungen des Lichts verantwortlich. Allerdings empfindet jeder Mensch
den Blick durch das Prisma anders, da Farbe primär eine Sache der Wahrnehmung ist. Man kann
zwar Farbkarten erstellen, diese spiegeln jedoch
niemals das Farbempfinden einer Person wieder.
Der Besucher erfährt, dass Farbe aus der Interaktion von Mensch und Umwelt entsteht. Das Auge
wird geschult für das Sehen der Farbe, gleichzeitig tritt beim Sehen eine Empfindung auf, die wiederum die Merkfähigkeit des Menschen schult.
Genau diese Fähigkeit ist es auch, die das
menschliche Sehen vom Sehen des Tieres unterscheidet. Denn die meisten Tiere sehen keine Farben, sie nehmen die Welt in einer Farbskala aus
Grau-, Schwarz- und Weißtönen wahr. Vereinzelte
Tiere sehen farbig, jedoch dient dies allein dem
Zweck, die Nahrungssuche zu vereinfachen. So
wird der Biene eine mit Blüten bedeckte Wiese
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Rotierende Scheiben
Die Vorgänge, die das Betrachten der in Drehung
versetzten Tafeln auslöst, findet nicht auf der Tafel
(dem Objekt des Sehens) statt, sondern einzig im
Betrachter (dem Subjekt des Sehens).Die Erscheinungen sind im selben Maße wirklich, wie der Betrachter und die Tafel wirklich sind. Man wende
daher seine Aufmerksamkeit ebenso sehr auf die
Empfindungen, die durch den Anblick der Tafel
ausgelöst werden, wie auf diese selbst. Die „Empfindung” genannten Zustandsänderungen des
Betrachters sind der Gegenstand der Versuche.
1. Spirale
Das Motiv zeigt eine Spirale, die sich zur Mitte hin
verengt und nach außen öffnet. Dreht man die
Scheibe im Uhrzeigersinn, so scheint sich die Spirale immer mehr zu erweitern. Dreht man sie entgegengesetzt, so bildet sich ein tiefer werdender
Trichter. Wendet man seinen Blick von der
Scheibe ab, so scheint sich die gesamte Umgebung wie im Zeitraffer zu verengen bzw. zu erweitern.
2. Pulsation
Das Motiv zeigt schwarze konzentrische Quadratlinien mit kreisförmig gebogenen Ecken. Die
geraden Strecken der Quadratlinien beginnen
sich in der Drehbewegung nach innen einzubiegen, während die runden Ecken sich vorzuwölben
scheinen. Die Linien scheinen sich wellenförmig
um den Mittelpunkt zu winden. Das Linienfeld insgesamt erweckt den Anschein, sich pulsierend zusammenzuziehen und zu weiten.
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3.Aus- und Einstülpung
Das Motiv zeigt eine Schar sichelartiger Bögen.
Infolge des Abstandes ihrer Mittelpunkte und der
Gegenrichtung ihrer Schwellungen umschließen
die größeren Sicheln die kleineren. In Drehung
versetzt, fügen sich sogleich die größeren Bögen
zu einem Kegelmantel, der dem Betrachter entgegen kommt, während die kleineren Bögen die
Wandung eines Trichters bilden. Der räumliche
Eindruck des Gebildes ändert sich auch dann
nicht, wenn man es im Hin- und Hergehen durch
Änderung des Blickwinkels anschaut.
4. Farbscheibe
Diese Scheibe ist in blaue und gelbe Sektoren
eingeteilt. Bei der Drehung kommt es nicht nur
zur Farbmischung, es erscheint die Farbe Grün
und kurze Zeit danach die Komplementärfarbe
Purpur-Rot.
Der Betrachter erlebt hier die Wirkung der Farbe
als physiologische, immaterielle Erscheinung. Die
Farbe entsteht hier nur im Moment, im Sehprozess, der sich zwischen Betrachter und Scheibe
abspielt.
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Spiegel und Zerrspiegel
Die Welt ist dein Spiegel...
„Erkenne Dich selbst und Du wirst Gott und das
Universum schauen.“ (Orakel von Delphi)
Für den Menschen ist die Begegnung mit dem eigenen Spiegelbild von großer Bedeutung. Es birgt
die Möglichkeit, sich selbst von außen zu betrachten, sich mit Distanz gegenüberzustehen und
wirft gleichzeitig die Frage auf - „Bin ich mein
Spiegelbild? In diesem Sich-Selbst-Gegenüberstehen erwächst das Selbstbewusstsein.
Der Spiegel - eine ganz alltägliche Station, die
den Besucher auf seine eigene Identität verweist.
Diese durchaus ernste Angelegenheit bekommt
durch die Zerrspiegel eine Nuance von Komik
und Erweiterung der Grenzen. Über sich selbst lachen können ist gesund. Aber auch zu erleben,
wie sehe ich in extremer Verformung aus.
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3. ICH
SPÜRE DIE
WELT – GRENZE - SCHWINGUNG - BEWEGUNG - GLEICHGEWICHT
Barfußgehen
Ein Teil der SinnesGänge sind als Barfußgänge
konzipiert. Hier ist der Fußboden mit unterschiedlichen Materialien wie Sand, Steine, Stroh,
Seile, Ziegel belegt, die dazu anregen unbeschuht begangen zu werden.
Vor allem wer die Barfußgänge mit geschlossenen Augen begeht, kann sie sehr intensiv erfahren. Beim Beschreiten wird der Besucher dazu
angeregt, Gefühle und Begriffe mit dem Empfinden des Fußes zu assoziieren.
Aber das Barfußgehen ist mehr als eine bloße Tasterfahrung. Es ist ein tiefer Akt des Vertrauens, denn es ist
ratsam, diesen Weg mit geschlossenen Augen zu gehen. Er ist also ein Wagnis, auf das der Mensch sich bewusst einlassen muss, ein Wagnis, weil immer der Fall ins Ungewisse droht. So ermöglichen die Barfußgänge
dem Besucher ins Vertrauen zu seinem inneren und äußeren Führer zu gehen und sind somit ein geschützter
Rahmen, in welchem soziale Kompetenzen geübt werden können.
Um stehen und gehen zu können hat die Natur
den Fuß des Menschen ganz besonders gebaut.
Er ist wirklich ein architektonisches Meisterwerk,
das auf einer sehr kleinen Grundfläche die ganze
Last des Körpers trägt. Aber auch ein Spiegelbild
des gesamten Körpers findet sich in den Reflexzonen des Fußes. Jedes Organ kann über eine
bestimmte Zone des Fußes stimuliert werden, das
macht sich beispielsweise die Fußreflexzonenmassage zunutze.
Was viele Menschen nicht wissen, ist, dass der
Fuß genauso viele Tastrezeptoren an der Hautoberfläche hat wie die Hand. Somit ist der Fuß
sehr berührungsempfindlich, was dem Gehenden
ein Empfinden für den Untergrund schenkt, auf
welchem er sich bewegt. Leider haben wir in unserer Gesellschaft nur wenig Möglichkeit das
Gehen mit den bloßen Füßen zu genießen.
Ein Mensch, der bewusst geht, ist der Ferne zugewandt. Denn seine Füße tragen ihn weg, aber
er handelt auch aktiv und zieht so die Weite an.
39
Doppelhelix
Spirale des Lebens
Lange vor unserer Zeitrechnung wurde die Einzelspirale als Symbol des Lebens verehrt.
Die neue Form, von Hugo Kükelhaus als Doppelspirale erdacht, erinnert an die DNA-Spirale
unserer Erbanlagen; sie ist aber gegenläufig. Die
Einheit der Gegensätze wird demonstriert, sie ist
ohne Anfang und Ende. Sie symbolisiert das
Leben, das leibliche Vergehen, aber auch die
Wiederauferstehung.
Die Doppelhelix wird in langsame Drehung versetzt. Bei der Hängespirale wird der Haltefaden
an einem Haken eingehängt. Einmal aufgezogen
rotiert die Hängespirale automatisch; durch
selbstständiges Zurückspulen dreht sie mehrmals
rechts- und linksherum im Wechsel. Bei der
Standspirale wird der Wechsel jeweils oben von
Hand eingeleitet.
Während wir hinsehen, entsteht der Eindruck, als
wenn sich entweder die äußere Spirale nach
oben, die innere nach unten oder umgekehrt bei Änderung der Drehrichtung - die äußere nach
unten, die innere nach oben bewegt. Wir sehen
einen Kreislauf, bei dem die beiden gegensätzlichen Bewegungsrichtungen von einem zum anderen Ende so auseinander hervorgehen, wie sie
ineinander einmünden, während doch bei der
Schraube selber sich kein Punkt aus der Drehebene herausbewegt. Alle Punkte bleiben ja in
gleicher Höhe.
Man lässt sich Zeit, den Weg der Spiralwindungen zu verfolgen. Ruhe wird bei Ihnen einkehren.
Die harmonische Umkehr der Windungen lassen
40
Sie den ewigen Kreislauf erkennen. In einer Bewegung finden Auf- und Abstieg statt - die Einheit
der Gegensätze.
Dreizeitenpendel
Es handelt sich bei diesen, um den gleichen
Drehpunkt schwingenden Kugelpendeln darum,
dass sie in der gleichen Zeiteinheit verschieden
schnell schwingen. Während das Kugelgewicht
mit dem längsten Pendelarm eine Rollschwingung
ausführt, führt das mittlere zwei, das obere drei
Schwingungen aus. Das geschieht entsprechend
der darauf gemessenen Länge der Pendelarme.
Die Gewichte sind gleich. Der dreifältige Rhythmus des Vorgangs beeinflusst - nach Art der Resonanz - das Befinden des Beobachters. Ähnlich
wie es beim Klang von drei verschiedenen Glocken immer wieder zum gleichzeitigen Zusammenklang aller drei Laute kommt, so kommt es
auch bei den drei verschieden schnellen Schwingungen immer wieder dazu, dass ihre Pendelgewichte zur gleichen Zeit auf der gleichen Linie
liegen.
Der ausgesprochen rhythmischen Eigenschaft des
Dreizeitenpendels entspricht eine rhythmisierende
Wirkung auf den Beobachter.
Die vorliegende Anordnung 1 : 2 : 3 könnte auch
nach dem Frequenzverhältnis der Quinte = 2 : 3
oder der Quinte = 3 : 4 abgewandelt werden.
1 : 2 ist das Frequenzverhältnis der Oktave. Die
hier über das Sehen eintretende Wirkung kann
mit dem musikalischen Hörerlebnis verglichen
werden.
41
Große Balancierscheibe
Die große Balancierscheibe besteht aus einer runden Holzplatte mit 2 m Durchmesser, die in der
Mitte auf einer stählernen Halbkugel gelagert ist.
Wenn etwas in Balance ist, bezeichnet dies einen
Zustand in dem sich alles, was daran beteiligt ist,
im Gleichgewicht befindet. Wie schnell dieses
Gleichgewicht kippen kann, kennt wohl jeder aus
seinem alltäglichen Leben.
Auf der großen Balancierscheibe kann der große
Balanceakt des Alltags auf spielerische Art und
Weise erfahren werden. Sie lädt Besucher aller Altersstufen dazu ein, das Gefühl einer gemeinsamen Lage und die Faktoren, die diese Lage
ändern, kennen zu lernen. Sie erfahren wie Bewegungen zusammenwirken können, aber auch
dass man sich gemeinsam darüber verständigen
muss, wie man das große Ziel der Balance erreicht. Dafür müssen sie achtsam sein für sich, ihr
Gegenüber und die gemeinsame Lage.
Ganz nebenbei wird der Besucher zu sehr natürlichen Bewegungsformen zurückgeführt. Denn auf
der Balancierscheibe sind die Bewegungen klein,
pendelnd und kreisend. Ein geradliniges Vorgehen wie wir es vom Alltag gewohnt sind, führt auf
der Balancierscheibe zu keinem großen Erfolg. So
heißt es für alle Teilnehmer dieses Erlebnisses erst
einmal: loslassen. Vor allem von der Vorstellung
ein Ziel müsse möglichst geradlinig und mit
einem kurzen Handlungsweg erreicht werden.
Und noch etwas begegnet uns auf der Balancier42
scheibe: Ruhe. Viel zu selten treffen die meisten
Menschen diese in ihrem Alltag an. So sind die
ersten Bewegungen auf der Balancierscheibe
auch eher von forscher Natur. Aber dadurch, dass
hier jeder spürbar mit jedem in Verbindung steht,
verwandelt sich die hektische Bewegung des Alltags schnell in eine sensiblere, behutsame Bewegung, was das Spiel auf der Balancierscheibe
auch zu einer Erfahrung der Ruhe macht.
Impulskugeln
Elastizität oder Rückstellkraft
Ein gegen eine Wand geworfener Schneeball
bleibt daran kleben. Ein Ball prallt zurück. Ebenso
eine gehärtete Stahlkugel, vorausgesetzt, dass die
Wand die annähernd gleiche Härte aufweist wie
Ball und Stahlkugel. Die Eigenschaft, die Ball und
Kugel befähigt, zurückzuprallen, heißt „Elastizität”. Der Schneeball hat sie nicht.
Elastisch ist ein Gegenstand, der nach einer gewaltsamen Verformung in seine ursprüngliche
Form zurückspringt.
Ein Kugelgewicht, das an Fäden hängt, die einen
gleichschenkligen Winkel bilden, schwingt bei
einer Auslenkung in ein und derselben Ebene.
Eine derart schwingfähige Stahlkugel berührt statt
einer Wand eine Nachbarkugel. Mit dieser und
einigen weiteren in der gleichen Weise aufgehängten Stahlkugeln bildet sie eine Reihe.
Man lenke die erste Kugel aus und lasse sie zurückschwingen. Sie stößt ihren Nachbarn an. Dieser gibt den Anstoß (den Impuls) weiter an seinen
Nachbarn. Der Impuls eilt durch alle Kugeln hindurch, ohne dass diese dadurch bewegt werden,
bis zur letzten, die keinen Nachbarn mehr vor sich
hat. Sie fliegt fast so hoch, wie die erste Kugel
ausgelenkt war. Sie fällt zurück und stößt ihren
Nachbarn an. Damit wiederholt sich der Vorgang
bis die Energie aufgezehrt und in Wärme umgesetzt ist.
Statt einer kann man auch mehrere äußere Kugeln zugleich oder in Intervallen auslenken.
Was geschieht dann?
43
Kleine Balancierscheiben
Auch bei den kleinen Balancierscheiben (40 100 cm) geht es darum, mit dem Gleichgewicht
zu spielen, Polaritäten und Mitte am eigenen Leib
zu erfahren. Ungleichgewicht und Gleichgewicht
werden hier für den Einzelnen erfahrbar. Hierbei
wird besonders das Ohr stimuliert, welches neben
dem Hören auch noch für die Balance des gesamten Körpers verantwortlich ist. Denn ohne das
Ohr wäre es dem Menschen gar nicht erst möglich gewesen sich zum Gehen aufzurichten.
Schon während der embryonalen Entwicklung
dient das Ohr zum Ausgleich von Körperprozessen zwischen der Mutter und dem ungeborenen
Kind. Nach der Geburt wandelt sich diese Ausgleichsfunktion in ein Balance Organ. Doch die
Balance durch das Ohr leidet in unserer bewegungsarmen Zeit.Wenn der Besucher auf der Balancierscheibe die Augen schließt kann er dies
ganz eindrücklich erfahren. Dabei wird er schnell
das Gleichgewicht verlieren und es wird ihm ins
Bewusstsein gerufen, wie sehr wir uns mit den
Augen an etwas festhalten müssen.
Ganz besonders erfahrbar wird der Zusammenhang vom Hören und der Balance, wenn man
versucht in einem schallgedämpften Raum zu balancieren. Denn dadurch wird der Akt der Balance zu einem schwierigen Unternehmen, das
den meisten Menschen nicht oder nur unter größten Mühen gelingt.
44
Partnerschaukel
Die Partnerschaukel besteht aus zwei gegenüberliegenden Schaukeln. Diese haben einen langen
Schaukelweg und sind durch Seile miteinander
verbunden, so dass sich die Bewegung der einen
Schaukel auf die andere überträgt.
Die Partnerschaukel ermöglicht es den Besuchern, die Bewegung des Pendels mit dem ganzen Körper zu erfahren. Beim Schaukeln mit
einem Partner wird die Wechselwirkung der Bewegung erfahrbar. Denn eine Schaukel verhält
sich immer passiv und reagiert auf den Schwung
der anderen, der mittels einer Seilkonstruktion
übertragen wird.
Aber das Schaukeln ist auch ein Training der sozialen Kompetenzen der Schaukelnden. Denn es
ist wichtig die Bewegungen in Gleichklang zu
bringen, um ein harmonisches Schaukeln zu ermöglichen. In der Schwingung müssen beide
Partner ein großes Maß an Achtsamkeit aufbringen, denn kleine Abweichungen der Schaukelbewegung müssen durch Vermindern oder Steigern
der Tätigkeit ausgeglichen werden. So üben Besucher ganz spielerisch, was in unser aller Leben
so wichtig ist: ein achtsamer Umgang mit sich
selbst und seinem Gegenüber.
45
Pendelstein
An dieser Station entdeckt der Besucher einen
großen Natursteinbrocken, der an einem Stahlseil pendelnd befestigt ist.
Der Pendelstein vereint die gegensätzlichen Prinzipien der Schwerkraft und der Aufrichtung.
Die Aufrechte des Menschen ist kein starrer Zustand, vielmehr entspringt sie unzähligen kleinen
Pendelbewegungen des Körpers um die eigene
innere Achse. Genau diese Schwingung wird am
Pendelstein fühlbar. Schwingung ist etwas Universales, wir schwingen mit unserer Umwelt so wie
diese mit uns schwingt. Fühlbar wird die Schwingung wenn die Besucher die Möglichkeit erhalten sich unter den Pendelstein zu legen, der sanft
in Bewegung gebracht wird.
Jedoch lässt der Pendelstein mehrere intensive
Sinneserfahrungen zu. So können sich die Besucher auf den Stein setzen und mit geschlossenen
Augen im Kreis schwingen. Dadurch entsteht ein
völlig neues Körpergefühl, da die eigene Bewegung so verlangsamt wird, dass der Besucher
einen Eindruck in das Gefühl der Schwerelosigkeit bekommt. Aber auch die Wirkung von Masse
und Erdanziehung wird vom Pendelstein erlebbar
gemacht. Und auch das Erlebnis wie leicht der
schwere Brocken horizontal in Bewegung gebracht werden kann, wird manchen Besucher erstaunen.
46
Rieseltafel
Die Rieseltafel schenkt den Besuchern die Möglichkeit, große Vorgänge im Kleinen zu erleben.
Denn sie ist mit zwei unterschiedlichen Sanden
gefüllt, die sich neben der Körnung auch durch
ihre Farbe unterscheiden. Durch das Drehen der
ganzen Tafel kann der Sand auf die Oberseite befördert werden, wo er durch Trichter nach unten
rieseln kann.
Eigentlich würde man nun erwarten, dass sich die
beiden Sande vermischen und nach unten rieseln.
Doch genau das Gegenteil ist der Fall, sie rieseln
geordnet Schicht für Schicht, Farbe für Farbe.
Dreht man die Tafel nur ein wenig, verändert sich
das Bild wiederum. Es entstehen neue fließende,
harmonische Formen. Dreht man jedoch die Tafel
zu schnell, entsteht nichts weiter als Chaos, welches sich wiederum ordnet, wenn die Geschwindigkeit der Tafel wieder langsamer wird.
Beim Betrachten bekommt der Beobachter eine
Idee vom Entstehenden, das durch die Bewegung
geordnet wird. Eng ist dieser Eindruck mit der Erfassung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbunden. Übergänge werden klar, so wie
der vom Chaos zum Geordneten. Zustand und
Zeit sind keine festen Dimensionen mehr, sondern
abhängig von Rhythmus und Bewegung.
47
Strömungstafel
Diese Station besteht aus einer Acrylglas Doppelscheibe, die auf einem Holzgestell montiert ist.
Die Tafel ist beweglich gelagert, sodass der Besucher sie durch Anstoßen in Bewegung setzen
kann. Zwischen den zwei Acrylglasscheiben befindet sich Wasser, das mit kleinen Teilchen angereichert ist.
Hier bekommt der Besucher einen Eindruck vom
Zusammenhang zwischen Rhythmus und Gestaltbildung. Denn sobald man die Tafel in eine Pendelbewegung versetzt, beginnt das Wasser damit
ein- und ausrollende Spiralen zu bilden, welche
das Formprinzip nahezu aller Lebewesen ist.
Durch den Rhythmus erst prallt das Wasser an die
Wand der Scheiben, bildet Stauwellen und somit
Strukturen, die stark an die Struktur des Meeresuntergrundes erinnern.
Ganz deutlich wird beim Beobachten, wie das
Wasser mit Hindernissen umgeht. Es umspült sie
sacht und umschifft sie, weil es durch engere Kanäle schneller fließt. Trifft das Wasser auf einen
Widerstand, so bildet sich ein Stau vor ihm und
ein Sog nach ihm. So kann der Betrachter alle Urbewegungen des Lebendigen in der Strömungstafel beobachten.
Aber auch die Zeit wird durch den Rhythmus von
Wasser und Gestaltbildung beeinflusst. Denn im
Lauf der Zeit verändern sich die Bilder der Strömungstafel. Dadurch geht das Spiel mit der Strömungstafel in die körperliche Befindlichkeit des
Menschen über. Denn die Zeit und Geduld, wel48
che der Besucher zur Beobachtung aufbringt, ist
erlebbare Zeit.
Wasserstrudel
Ein Rührwerk im Innern des Zylinders setzt durch
Handkurbelantrieb das Wasser, das die Hälfte des
Behälters ausfüllt, in erst langsame, dann schnellere Umdrehung. Das Wasser steigt dabei an den
Wänden hoch und formiert sich zu einem Strudel
mit einem bis zum Boden reichenden Sogtrichter
in seinem Inneren.
Die Wassermengen, die den Körper des Trichters
bilden, rotieren in spiraliger Bewegungsform in
zwei Richtungen: von oben nach unten, zugleich
aber - ähnlich wie bei einer Pendelschwingung in gegenläufiger Richtung von unten nach oben!
Die Schraubung von oben nach unten wirkt saugend, die von unten nach oben treibend. Oben
beginnt das Kreisen langsam, um sich nach unten
hin zu beschleunigen. Umgekehrt verhält es sich
mit der Rotationsgeschwindigkeit von unten nach
oben. Die Spirale ist das formende Prinzip der
Strudelbewegung. In der Spiralbewegung offenbart sich eine zentrale Gestaltungskraft der Natur,
wie man sie beispielsweise in Schnecken, Farnen
Tannenzapfen oder auch der menschlichen DNA
wiederfindet. Die Spirale ist ein Leben beherrschendes Ordnungsprinzip.
Als Kinder waren wir fasziniert vom Anblick des
Strudels, mit dem das Badewasser in den Abfluss
gurgelte. Kinder sehen anders als Erwachsene.
Bei ihnen ist der sowohl nervöse wie bluthafte Zusammenhang der Sehvorgänge und der Sehgegenstände mit allen anderen Sinnesverrichtungsorganen noch ebenso innig, wie während deren Entwicklungsgeschichte vor der Geburt.
Für sie gilt der Satz: Nicht das Auge sieht, sondern der Mensch sieht.
Die Spiralbewegung ist eine der Urformen, die
die Entwicklungsbewegung des werdenden Lebens ausführen. Wem es gelingt, sie mit den
Augen des Kindes zu sehen, an dem vollzieht sich
über die Vernetzung von Nerven- und Blutbahnen
eine erinnernde Rückbindung an die frühesten
Bewegungsmuster der Keimgeschichte. Darin
liegt der Grund für die Faszination des „Badewasserstrudels”.
49
ERFAHRUNGSFELDER -
EINE
In Nürnberg, Essen und Wiesbaden gibt es umfassende Erfahrungsfelder zur Entfaltung der
Sinne, die mit großem Erfolg arbeiten. Allein das
„Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne und des
Denkens“ im Schloss Freudenberg in Wiesbaden
wird jährlich von mehr als 120.000 Menschen
besucht und wird mittlerweile auch stark von weltweit operierenden Wirtschaftsunternehmen als
Fortbildungsstätte genutzt. Auch das Nürnberger
Erfahrungsfeld, das nur über Sommer seine Tore
öffnet, weist über 100.000 Besucher pro Jahr auf.
Hier ist das Erfahrungsfeld mit jährlich wechselndem Themenschwerpunkt in einem städtischen
Park aufgebaut, was es zu einem besonders attraktiven Ausflugsziel für Schulklassen, Kindergartengruppen und Familien macht.
Weitere öffentliche Erfahrunsgfelder gibt es in
Essen, Biberach, Bremervörde, in Rütthubelbad
(Bern/CH) sowie in Manila/Philippinen. An vielen
weiteren Orten in Deutschland gibt es kleinere
Projekte und mobile Erfahrungsfelder zur Entfaltung der Sinne, die für gezielte Veranstaltungen
genutzt werden können. So bietet z.B. die Landeszentrale für Gesundheit in Bayern e.V. ein Sortiment an Erfahrungsstationen an, die Schulen,
Kindergärten und anderen Bildungseinrichtungen
zur Verfügung gestellt werden bzw. bei gesundheitsbezogenen Aktionstagen genutzt werden.
Außerdem werden die von Hugo Kükelhaus entwickelten Erfahrungsstationen zunehmend in
ihrem spielerisch-therapeutischen Wert erkannt
und werden vielerorts mehr oder weniger aktiv zur
Gestaltung von Therapiegärten, Kurparkanlagen,
Klinikgeländen etc. verwendet.
50
ERFOLGSGESCHICHTE
Die Erfahrungsfelder zur Entfaltung der Sinne treffen einen Nerv der Zeit, sie scheinen in Menschen
etwas anzusprechen, was sie bewegt.
Besucherzahlen
In Kaufungen rechnen wir in den ersten Jahren
mit einer Besucherzahl von rund 10.000 Personen.
Dabei gehen wir von Öffnungszeiten an allen
Wochenenden in den Monaten Mai bis September sowie Führungen und Workshops für Schulklassen unter der Woche aus.
ANGEBOTE
UND
ZIELGRUPPEN
Die Sinnesgänge zeichnen sich durch die Ansprache einer sehr großen Bandbreite an Zielgruppen aus.
Aus mehreren Jahren Erfahrung mit mobilen und
temporären Projekten mit sehr unterschiedlichem
Klientel hat sich gezeigt, dass das Erfahrungsfeld
zur Entfaltung der Sinne ein hohes Potenzial hat,
Besucher quer durch alle Altersgruppen, unabhängig von Bildungsniveau und ethnischer Herkunft, anzusprechen und zu begeistern.
Staunen, Entdecken und Spaß haben ist ebenso
möglich wie eine intensive Weiterbildung, Forschungs- und Studienarbeit an Themen der
Wahrnehmung, der Kommunikation und des sozialen Lernens.
Öffnungszeiten
In der Zeit zwischen Ostern und September sind
die Sinnesgänge samstags, sonn- und feiertags von 11.00 – 18.00 Uhr geöffnet.
Montags bis freitags werden nach Voranmeldung
Führungen, Workshops und Seminare angeboten.
Darüberhinaus sind Sonderaktionen und kulturelle Abendveranstaltungen geplant, die separat
angekündigt werden. Außerdem können die
Räume der SinnesGänge ganz oder teilweise für
Firmenevents, Feste und private Veranstaltungen
gemietet werden.
Einzelbesucher, Familien,
Kleingruppen...
Als zentrales Anliegen sollen die Besucher angeregt werden, selbstständig und aktiv die Stationen
des Erfahrungsfeldes zu entdecken, zu staunen,
zu experimentieren und beobachten.
Dies wird zum einen durch eine Beschriftung der
einzelnen Stationen erreicht, die neben einer kurzen Anleitung vor allem Anregungen und Fragen
mit auf den Weg gibt, die in der Auseinandersetzung mit der entsprechenden Station zum Gedankenanstoß werden können. Zum anderen
wird die Ausstellung von 3 – 4 pädagogisch und
fachlich geschulten Mitarbeitern betreut. Ihre Aufgabe ist es, so viel wie möglich den Besucher
selbst entdecken und erfahren zu lassen, nur
Wegbegleiter zu sein und keine Erfahrungen vorweg zu nehmen.
Je nach Intensität der Auseinandersetzung und
der Verweildauer an den einzelnen Stationen dauert ein Rundgang durch die SinnesGänge 1,5 bis
2 Stunden.
Schulklassen und
Kindergartengruppen
Die größte Zielgruppe für Führungen und Workshops unter der Woche sind Schulklassen und
Kindergartengruppen.
Auch bei den geführten Rundgängen steht das eigene Entdecken und Experimentieren der Besucher im Vordergrund. Die Führung kann dabei
helfen, Zusammenhänge und Verknüpfungen der
einzelnen Themen untereinander herzustellen und
vor allem Brücken in den Lebensalltag der Besucher zu bauen.
Kinder haben ein natürliches Bedürfnis, die Welt
zu entdecken und auszuprobieren. In den SinnesGängen ist ein spielerisch-experimentelles
Lernen gefragt und angeregt. Es geht nicht in erster Linie darum Wissen über die Sinne zu vermitteln, sondern anhand des Umgangs mit den
Phänomenen des Hörens, des Sehens, des Tastens zu erleben, was die Eindrücke mit uns machen, berührt zu werden von der Welt,
zuzulassen, dass Eindrücke mich be-eindrucken
im wahrsten Sinne des Wortes. Ein solches Erlebnis, vom Klang des Gongs berührt zu werden,
kann viel aufschlussreicher sein, als manch eine
wissenschaftliche Erklärung über das Wirken der
Schallwellen im Ohr.
Die Sinnesgänge sind ein idealer Ort, um eine
entdeckende, experimentelle Lernkultur zu pflegen.
Neben dem zentralen Thema der menschlichen
Wahrnehmung können in Führungen Workshops
anhand von Experimenten und Gruppenübungen
auch übergreifende Themen wie soziale Fähigkeiten, Nähe und Distanz, Leben ohne Licht usw.
bearbeitet werden.
Sozialkompetenz entwickeln –
für Schüler, Jugendgruppen, Teams...
In der menschlichen Begegnung und Kommunikation spielt die Wahrnehmung eine zentrale
Rolle.
51
Die Stationen des Erfahrungsfeldes zur Entfaltung
der Sinne vermitteln durch ihren spielerisch-experimentellen Charakter eine lockere und ungezwungene
Arbeitsatmosphäre,
um
die
Grundphänomene der Wahrnehmung und des
eigenen Erlebens und Interpretierens der Umwelt
zu entdecken und zu erarbeiten. Durch gezielte
Kommunikationsübungen und Gruppenerfahrungen können diese Entdeckungen leicht in den Alltag übertragen werden. Für diese Projekte
kooperiert das Erfahrungsfeld zur Entfaltung der
Sinne Kassel mit weiteren Partnern aus den Bereichen Coaching, Beratung sowie Erlebnis- und
Zirkuspädagogik.
Senioren
Im Alter lässt die Kraft der Sinnesorgane nach. Ältere Menschen hören und sehen oft schlechter,
die Bewegungs- und Koordinationsfähigkeiten
werden eingeschränkter.
Der spielerisch-entdeckende Ansatz des Erfahrungsfeldes zur Entfaltung der Sinne kann hier die
Wahrnehmungsorgane anregen und stimulieren
und neue Entdeckerfreude an Klängen, Farben,
Formen, Bewegung und Gleichgewicht wachrufen.
In Kooperation mit Senioren-Wohn- und Pflegeeinrichtungen bieten wir spezielle Führungen und
Projektnachmittage an.
52
DER STANDORT
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Urrsprünglich war der Ofen „umhaust“, d.h. der
Luftraum um den Ofen war mit einer Holzdecke
geschlossen, auf der Trockenregale standen. Die
Umhausung soll in Teilen wieder hergestellt werden. Sowohl im EG als auch in der Mitte des
Bohlengangs lief der sog. „Kreistransporteur“ mit
dem die Steine aus der Trocknung ins EG verbracht wurden. Im EG abgebaut, soll die Eisenkonstruktion im Luftraum erhalten bleiben.
Die gusseisernen Rundbogenfenster und das
Sichtmauer-werk der Außenwände und des Ofens
geben dem Raum einen ganz eigenen Charakter
der – schon aus denkmal-pflegerischen Gründen erhalten werden soll.
Das Ofengewölbe wurde in den Jahrzehnten seiner Nutzung immer wieder repariert und geflickt.
Hierdurch ist ein sehr vielfältiges Oberflächenprofil
in den verschie-densten Rot-Brauntönen entstanden, das mit entsprech-ender Beleuchtung zur
Geltung gebracht werden soll. Alle Wand- und
Gewölbeflächen müssen jedoch gereinigt und offenporig versiegelt werden. Der Estrich um den
Ofen ist nicht zu halten, er muss voll- ständig erneuert werden und soll mit eingelegten Eisen- und
Ziegelsteinen strukturiert werden.
Der in Sand verlegte Ziegelboden auf dem Ofen
muss aufgenommen und neu verlegt werden. Die
über 350 Feuerungs- und Lüftungsöffnungen sollen verkürzt und mit dem Ziegelboden bündig verlegt werden.
Der (heizbare) Seminarraum wird über den Luftraum zur Außenwand hin erweitert, erhält Holzkastenfenster und ist zum Ausstellungsbereich hin
vollständig (isolier-)verglast.
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DER ZEITPLAN
2009: Einwerben der Sponsoren und
(ehrenamtliche) Vorarbeiten
2010: Baumaßnahmen 1. Bauabschnitt
2011: Jan - März Beleuchtung und Einbau
der Stationen
2011: Mitte Mai: Eröffnung im Rahmen der
1000 Jahrfeier von Kaufungen
57