Spurensuche im Klosterviertel
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Spurensuche im Klosterviertel
Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Herzlich Willkommen! Mit diesem Katalog zeigen wir nun, was wir auf unserer mehrwöchigen Spurensuche durch das Klosterviertel in Berlin Mitte entdeckt haben. Wie fing es eigentlich an? Im Herbst 2010 kamen wir alle im Projektunterricht zusammen und hörten zum ersten Mal von der Idee “Spurensuche im Klosterviertel”. Was soll eine Spurensuche überhaupt sein & gibt es wirklich Interessantes im Klosterviertel? Es gibt ein Klosterviertel? Wo? Denn gerade Berlin ist eine Stadt im Wandel! Buckelalt, Wir erfuhren im Zentrum für aber immer wieder modern mit Berlin-Studien, in der Aus- einer bewegten und wechselstellung “Berlins vergessene vollen Geschichte. Mitte“ und während unserer eigenen Recherchen, dass sich Wir zogen los! Mit Kamera und unsere Umwelt immer wieder alten Archivfotos bewaffnet, auf vielfältigste Art und Weise suchten wir unsere Spurenverändert: suchepunkte. Wir interviewManchmal bemerken wir diese ten Zeitzeugen & Schriftsteller, Veränderungen, manchmal je- stöberten in der Bibliothek und doch nicht. Wir können aber sammelten unser Material. einige Veränderungen mit der Kamera sichtbar machen. Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Herzlich Willkommen! Das Ergebnis liegt nun vor: Eine begehbare Ausstellung, Kataloge und wir präsentieren unsere Interviews und viele weitere Fotos auf dem Spurensucheportal www.spurensucheprojekt.de Viel Spaß wünschen die Spurensucher der ESBZ. . Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Herzlich willkommen zu unserem Spaziergang durch das Klosterviertel - der Urzelle Berlins! Erlebt mit uns eine kleine Zeitreise durch das Viertel und entdeckt wie wir, viele neue und interessante Details zur Stadtgeschichte. Unsere Spurensuchepunkte: ° Die Klosterstraße ° Das Amtsgericht Mitte & die Littenstraße ° Der U-Bahnhof Klosterstraße & der Bunker in der Waisenstraße ° Das Palais Podewil ° Das Restaurant “Zur letzten Instanz“ ° Der Jüdenhof ° Das Alte Stadthaus ° Die Schleuse Mühlendamm Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Die Klosterstraße 1830 Eduard Gärtner “Die Klosterstraße“, 1830 Seit wann gibt es überhaupt die Klosterstraße? Sollte hier wirklich einmal mehr Leben gewesen sein als jetzt? Kaum vorstellbar, denn das Klosterviertel ist heute augenschein- lich fast ausgestorben. Ab und zu sieht man Menschen, die in die umliegenden Büros eilen oder Touristen, erkennbar an den Stadtführern, die sie in Taschenform mit sich herumtragen... Also muss hier doch mal was tolles gewesen sein und es interessante Dinge zu entdecken geben?! Wir machten uns auf die Suche – geleitet von den Fragen: Wer, wieso weshalb, warum.. Die erste Spur führte uns in die Stadtbibliothek, wo wir in den Büchern zum Viertel stöberten. Ein Buch mit dem Titel „Quer durch Mitte - Das Klosterviertel“, geschrieben von Ralph Hoppe, inspirierte uns sehr. Wir luden ihn zu einem Interview in unsere Schule ein. Und zwei Wochen später saßen wir mit unserem Diktiergerät in der Schulbibliothek. Das Interview kann man sich im Portal anhören. Es war eine unserer Hauptquellen für unsere weitere Recherche: Die Klosterstraße in Berlin Mitte ist eine der ältesten Straßen der Stadt. Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Die Klosterstraße 1910 “Die Klosterstraße“, 1910 Der Name ist auf das ehemalige Franziskaner-Kloster zurückzuführen, welches sich in der Klosterstraße befand. Heute ist es nur noch eine Ruine und heißt wie früher Graues Kloster, nach den Mönchen, die dort immer graue Kutten trugen. Die Straße wurde nach dem Kloster benannt und das Viertel nach dieser Straße. Die Klosterstraße ist eine etwa 400 Meter lange, heute relativ ruhige und idyllische Straße. Sie beginnt an der heutigen Grunerstraße und führt dann in Richtung Süden in einem leichten Bogen bis hin zur Spree ans Rolandufer. Auf ihrem Weg kreuzt sie die Parochialstraße und die Stralauer Straße. Ihr ursprünglicher Verlauf begann am Neuen Mark an der Marienkirche. In einem Bogen lief sie von dort aus parallel zur Stadtmauer bis hin zur Stralauer Straße. Die Stadtmauer bildete am nördlichen Ende zunächst eine Sackgasse. Als die Stadtmauer dann allerdings abgerissen wurde, führte die Straße bis zur Neuen Friedrichstraße. Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Die Klosterstraße 2011 “Die Klosterstraße“, 2011 Heute ist die Klosterstraße nur noch halb solang wie damals. Heute existiert nur noch der südliche Teil. Die Klosterstraße ist in etwa so alt wie die Stadt Berlin. Sie entstand im Zuge der Vergrößerung des heutigen Nikolaiviertels Anfang des 13. Jahrhunderts. Im Mittelalter war die Klosterstraße die vornehmste Straße in Berlin. Markgrafen und Kurfürsten suchten diese Straße auf, um dort zu zumindest für eine kurze Zeit zu leben. Das Viertel gehörte zur „gehobenen Wohngegend“ der Stadt. Im 17. und 18. Jahrhundert entstanden vor allem zweibis dreigeschossige Bürgerhäuser wie zum Beispiel das Palais Podewil, welches durch seine bemerkenswerte Architek- tur auffällt. Die Parochialkirche befindet sich ebenfalls an der Klosterstraße. Aus der Luftperspektive sieht sie aus, wie ein vierblättriges Kleeblatt. Das Besondere an ihr, war das Glockenspiel mit 37 Glocken. Leider wurde der Kirchturm, nachdem er im II. Weltkrieg zerstört wurde, bisher noch nicht wieder aufgebaut. Aber die Bemühungen zum Wiederaufbau bestehen. Die Klosterstraße hat eine sehr abwechslungsreiche Namensgeschichte: Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Die Klosterstraße 2011 1690 wurden zunächst mehrere Straßenabschnitte unter dem Namen Klostergasse zusammengefasst. Die Abschnitte waren meist nicht größer als ein Block oder eine Straßenseite. Diese Straßenabschnitte hatten im Laufe der Jahre verschiedene Namen: „Gegen dem Grauen Kloster“, „Neben dem Grauen Kloster“, „Am Georgenthor“, „Am Oderberger Tor“, „Neben der Kanzlei“, „Gegen der Kanzlei“. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts bekam die Klostergasse ihren heutigen Namen “Klosterstraße”, um ihrer damaligen Bedeutung gerecht zu werden. In der Klosterstraße gibt es eine Menge historischer Gebäude zu entdecken: Zum Beispiel die Parochialkirche – berühmt für ihr Glockenspiel, welches nicht nur in Berlin bekannt war, oder das Alte Stadthaus, die Reste der alten Stadtmauer oder man besucht Berlins ältestes Restaurant „Zur letzten Instanz“, ein Fingerzeig auf den Justizpalast in der Littenstraße. Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Der U-Bahnhof Klosterstraße An der aufwendig gestalteten U-Bahnstation “Klosterstraße”, welche am 1.Juli 1913 in Betrieb ging, hält die U-Bahnlinie U2. Der Name der Bahnstation be-schreibt auch seine Lage: Er befindet sich in der Klosterstraße in Berlin-Mitte. Alfred Grenander, ein schwedischer Architekt, der viele UBahnhöfe in Berlin gestaltet hat, plante auch die Station in der Klosterstraße. Der U-Bahnhof Klosterstraße liegt 6,3 Meter unter der Erde. Er wurde allerdings in 8 Meter Tiefe gegründet. Das war damals für einen U-Bahnhof eine beachtliche Tiefe. Wenn man auf den Bahnsteig steht, erkennt man seine beachtliche Breite und seine kurvige Lage. Die Breite (11,6 Meter) begründet sich damit, dass der Bahnsteig ursprünglich für 3 Gleise – 3 verschiedene Strecken gedacht war. Eigentlich sollten die Fahrgäste von hier aus mit den angedachten 3 Zügen zur Schönhauser Alle, zur Frankfurter Allee und zum Potsdamer Platz fahren können. Die aufwendige Gestaltung der Station mit seinen verschiedenfarbigen Kacheln sticht jedem Besucher ins Auge. Auch die Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Der U-Bahnhof Klosterstraße früher/heute großen Tafeln zeigen, welche verschiedenen Verkehrsmittel in Berlin im Laufe der Jahrzehnte zum Einsatz kamen. Ein- und Aussteigende können sich zum Beispiel den Wagen 12 genauer anschauen. Wer aufmerksam durch den Bahnhof geht, dem wird eine Bronzetafel auffallen. Auf ihr sind die geschichtlichen Eckdaten der Berliner U-Bahn aufgezählt. Ebenso zeigt die Tafel die Gesichter aller für den U-Bahnbau wichtigen Personen. Nach dem II. Weltkrieg war die Tafel verschollen und tauchte erst in den 80er Jahren wieder auf. Wer schon einmal auf dem Bahnsteig Klosterstraße stand, sind bestimmt auch die sogenannten Vorhallen im Zwischengeschoss aufgefallen. Fachleute sprechen hier von einer gehobenen Ausstattung, denn der Bahnhof befand sich in der Nähe des Alten und Neuen Stadthauses, Außenstellen des Roten Rathauses. Deshalb musste auch der Bahnhof repräsentativer gestaltet Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Der U-Bahnhof Klosterstraße sein. In der südlichen Vorhalle gibt es außerdem eine kleine Kunstgalerie: 4 Ölgemälde des Münchner Künstlers Friedrich Holwein zieren die Halle. “U-Bahnhof Klosterstraße“ 2011 “U-Bahnhof Klosterstraße“, Ende 19. Jahrhundert Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Der Bunker in der Waisenstraße 2011 Bunkereingang Waisenstraße Der Bunker Waisentunnel ist ein ehemaliger U-Bahnhofsrohbau, der zu einer geplanten U-Bahnstrecke von Gesundbrunnen nach Neukölln gehörte. Diese wurde 1912 von der AEG für die Stadt Berlin geplant und teil- weise gebaut. Durch den I. Weltkrieg wurden die Bauarbeiten unterbrochen und nach dem Krieg nicht mehr nach den alten Plänen weitergeführt. Im II. Weltkrieg wurde in den UBahnhofsrohbau ein Luftschutzbunker eingebaut, der auch heute noch existiert. Wir waren auf einer kleinen Zeitreise: Die Bunkeranlage ist 260 m lang. Sie besteht aus einem langen Gang, von dem auf beiden Seiten Räume (Aufenthalts- und Sanitärräume) abgehen. Der Bunker hat 1200 qm Nutzfläche. Der Eingang des Bunkers liegt im Boden. Er besteht aus einem Betonrahmen, in dem ein Gitter liegt, durch das man eine Treppe, die nach unten führt, sehen kann. Mit den ersten Bombenangriffen auf Berlin beschloss die Stadt Sicherungsmaßnahmen für die Bevölkerung und für die Rüstungsindustrie. Dazu gehörte unter anderem auch die Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Der Bunker in der Waisenstraße 2011 lag zu nah an der Oberfläche. Ein schlimmer Treffer hätte ausgereicht, viele Schutzsuchende zu töten. Maßnahme „Aktion Mutter und Kind“. Dafür sollten Mütter und Kinder in neugeschaffenen Bunkeranlagen schlafen gehen. Dazu gehörte auch der Bunker in der Waisenstraße. Die Verwaltung schaffte in diesen unterirdischen Räumen Platz für zirka 1000 Personen, doch in den schlimmsten Zeiten des Krieges mussten viel mehr Menschen darin Schutz suchen. Gasschleusen sollten sie vor Vergiftung schützen, doch eigentlich waren die Menschen ungeschützt, denn die Anlage Die Mütter wurden mit ihren Kindern in kleinen zellenartigen Räumen untergebracht. Die Räume waren jeweils ca. 3 x 2 Metern groß und wurden mit 7 Personen belegt, obwohl nur zwei 3 Stockbetten pro „Zelle“ zur Verfügung standen. Nur wer einen Berechtigungsschein hatte, durfte den Bunker betreten – streng geprüft in den Räu- Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Der Bunker in der Waisenstraße 2011 men der Bunkeraufsicht. Zum weiteren Schutz wurde eine ausgeklügelten Belüftungsanlage mit Kohlefiltern und Gasschleusen installiert. Es gab ein Notstromaggregat und weitere Versorgungsräume. Über drei Eingänge konnte die Schutzanlage betreten werden, am Nord- bzw. Südende befanden sich Notausgänge in den Waisentunnel. Heute sind nur noch der Mitteleingang in Höhe der Voltairestraße und die Notausgänge intakt. In einzelnen Abschnitten des Bunkers herrscht unterschiedliches Klima. Das liegt an der Nähe zur Spree. So ist es am Südende, Richtung Spree, feuchter als am Nordende. Davon zeugen die unterschiedlichen Rostzustände der im Bunker verbauten Eisenteile. Nach dem Ende des II. Weltkrieges wurde der Bunker nicht mehr als Schutzraum genutzt. Kurzzeitig nutzte der VEB Champignonzucht einige Räume in den 50ger Jahren. Die Ertragsquote war allerdings nicht sehr hoch, so dass die Zucht in den 60er Jahren wieder eingestellt wurde. Heute wird der Bunker ab und zu für Filmarbeiten genutzt und ist zu Sonderveranstaltungen der Öffentlichkeit zugänglich. Er ist Eigentum der BVG und ist man im Bunker, hat man keinen Handyempfang. Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Das Palais Podewil 1951 Der französische Architekt Jan de Bodt entwarf das Barockpalais, welches nach seinen Plänen 1701 bis 1704 in der damals sehr vornehmen Klosterstraße gebaut wurde. Vorher stand hier ein einfaches Lehmfachhaus, welches nach Bränden mehrfach wiederaufgebaut wurde und bautechnisch den jeweiligen Umständen angepasst wurde. welcher für Friedrich den Großen als Staatsminister für Auswärtiges tätig war. Podewil war allerdings mit dem Aussehen des Hauses nicht ganz zufrieden und ließ es durch das Anbringen von Stuckdecken und Auftragen von Wandgemälden aufwerten. Nach dem Tod Podewils ging das Haus durch viele Hände und seine Nutzung änderte sich dadurch stetig: Das dreigeschossige Wohnhaus So wurde das Palais 1874 vom mit Balkon gehörte seit 1732 Berliner Magistrat gekauft, der Heinrich Graf von Podewil, im ersten Stock das Märkische Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Das Palais Podewil 2011 Provinzialmuseum unterbrachte. Das Museum war das das erste rein bürgerliche, vom Königshaus unabhängige Museum Berlins. Heute kennt man es unter dem Namen „Märkisches Museum“ am Köllnischen Park. Die oberen Etagen wurden als Dienststellen des Magistrats genutzt. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Haus renoviert und erhielt einen Anbau. Und wieder änderte sich seine Nutzung: So war es zuerst Sitz der Berliner Wasserwerke und ab 1920 zog die Bezirksverwaltung von Berlin Mitte ein. Es wird sogar wieder Amtssitz - ab 1937 war der Bezirksbürgermeister von Mitte neuer Hausherr. Im II. Weltkrieg wurde das Palais Podewil schwer beschädigt – eigentlich bis auf die Grundmauern zerstört. Allerdings lässt die DDR-Regierung das Haus ab 1952 wiederaufbauen. Die Fassade erhält fast originalge-treu den barocken Stil wieder. Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Das Palais Podewil Allerdings wird das Dach als einfaches Satteldach aufgebaut. Auch die verwendeten Materialien der Rekonstruktion beim Außen- und Innenausbau sind nicht original. Die Bauarbeiter verwenden zum Beispiel Stahlbeton und die Innenräume werden komplett neu angeordnet. Schon 1954 wird das Haus neu eröffnet. Ab jetzt dient es als Klubhaus der Freien Deutsche Jugend (FDJ). Unter der Leitung der FDJ wird es zum „Haus der jungen Talente“ (HdjT) – ein attraktiver Anziehungspunkt für die Jugend. 1966 werden die Festsäle und der Dachstuhl durch einen Brand erneut vernichtet. Die Zerstörung gibt aber auch die Möglichkeit, das Dach nach der historischen Vorlage wieder aufzubauen. Mittlerweile nutzen die Jugendlichen den großen Saal des Hauses für Konzerte und Filmvorführungen oder treffen sich in einer der zahlreichen Arbeitsgemeinschaften, die es im HdjT gibt: Literaturzirkel, Foto-AG, philosophische Gesprächsrunden, Pantomime, Tanz und vieles mehr. Zwischenzeitlich werden etwa 40 verschiedene FreizeitGruppen gezählt. Beim Kartenvorverkauf für Konzerte ist der Andrang oftmals so groß, dass die Schlange bis auf die Straße geht und die Jugendlichen im Haus schlafen, damit sie sich ihre Karten sichern können. Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Das Palais Podewil in den 70er und 80er Jahren Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Das Palais Podewil 2011 Mit der Wende ändert sich wieder die Nutzung des Hauses. Noch bis 1991 existiert das „Haus der jungen Talente“. Danach wird es geschlossen und wieder, noch aufwendiger, renoviert. Von der Hausaufteilung der DDR bleibt kaum etwas zurück. Ein neuer Zeitgeist zieht ein. 1992 wird das Haus unter dem Namen „Podewil“ wieder eröffnet. Es ist immer noch ein Kulturzentrum für verschiedenste kulturelle Veranstaltungen. Hof des Podewils, 2011 Im Zuschauersaal gibt es heute 450 Plätze und es finden verschiedenste Konzerte oder Literaturlesungen statt. Auch der Innenhof wurde saniert und für Freilichtveranstaltungen wieder nutzbar gemacht. Die Zweigstelle des Grips-Theaters hat hier ein Zuhause gefunden und zieht wieder junges Publikum an. Das Palais steht heute unter Denkmalschutz. Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) „Zur letzten Instanz“ Willkommen im ältesten Restaurant Berlins! Das Gebäude wurde 1561 zum ersten Mal erwähnt. Im Jahr 1621 wurde hier von einem Reitknecht des Kurfürsten Georg Wilhelm als Branntweinstube eröffnet. Weil viele Menschen das Graue Kloster in der Waisenstraße besuchten, kehrten sie oft auch in der Stube ein und so wurde der Treffpunkt immer bekannter. Die Parochialkirche gegenüber erhielt 1719 ihr berühmtes “Zur letzten Instanz”, ohne Jahresangabe Glockenspiel und wurde somit ein Ausflugspunkt. Auch die Gastube profitierte davon. Um ordentlicher und anziehender auf Familien zu wirken, wurde sie in „Biedermeierstübchen am Glockenspiel“ umbenannt. Über die Jahre aßen und tranken viele berühmte Persönlichkeiten in der Gaststube. Vor allem in der 20er Jahren scheint es ein Treffpunkt für Promis zu sein. Davon Zeugen Fotos, Bilder und Gedichte. Die heutigen Besitzer zählen stolz auf: Maxim Gorki Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) „Zur letzten Instanz“ vlnr. Heinrich Zille, Clara Zetkin, Charlie Chaplin, Henny Porten (russ. Schriftsteller), Hermann Sundermann (Schriftsteller), Heinrich Zille (Maler, Zeichner), Charlie Chaplin (brit. Schauspieler), Clara Zetkin (Politikerin und Frauenrechtlerin), Otto Nagel (Maler), Henny Porten (Schauspielerin), Wilhelm Raabe (Schriftsteller) und viele mehr. 1924 erhält die Gaststube einen wieder einen neuen Namen: „Zur letzten Instanz“, eine Anspielung auf das nahe liegende Amtsgericht in der Littenstraße. Um die erneute Namensgebung ranken sich viele Mythen. Zum Beispiel die Geschichte von zwei Bauern, die miteinander im Rechts-streit waren, aber ihn in letzter Instanz bei einem Bier (zuviel) beilegten. Oder die romantische Geschichte eines Ehepaares, welches sich eigentlich scheiden lassen möchte, aber ihre Liebe in der Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) „Zur letzten Instanz“ letzen Instanz neu erblühen lassen. Während des II.Weltkriegs erlitt das Gebäude starke Schäden. Deshalb wurde es 1961 geschlossen und an den DDRStaat übergeben. Der Staat als neuer Eigentümer sorgte für die originalgetreue Restaurierung und schon 1963 wurde das Restaurant wieder eröffnet und erfreut sich seitdem wieder großer Beliebtheit. Berühmt ist auch der große Biergarten. Die hintere Wand des Restaurants ist in die Stadtmauer eingefügt. Das soll noch an die alten Zeiten erinnern. Was ebenfalls sehr besonders ist, ist der alte Majolika Kachelofen aus Berliner Produktion, an welchem sich schon Napoleon Bonaparte gewärmt haben soll. Alle Speisen im Restaurant haben einen Bezug zur Justiz. So heißt die Bulette „Verhandlungspause“ und die kurz angebratene Kalbsleber „Kreuzverhör“. Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de “Zur letzten Instanz“, 2011 Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) „Zur letzten Instanz“ Auch heute kommen noch viele berühmte Gäste: z.B. der ehemalige französische Präsident Jacques Chirac oder der Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder. 2003 war das Restaurant Drehort für den Kinofilm "Liegen lernen". “Zur letzten Instanz“, 1987 “Zur letzten Instanz“, 2011 Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Das Amtsgericht Berlin-Mitte Wir sind Deniz, Mohammed, Paula, Jasper und Richard haben im Rahmen des Spurensucheprojekts das Amtsgericht Berlin-Mitte in der Littenstraße genauer erforscht. Dabei haben wir auch zum Namensgeber der Straße - Hans Litten - Fakten recherchiert. Für unsere Nachforschungen waren auch die Interviews mit dem Schriftsteller Ralph Hoppe und mit dem Pförtner des Amtsgerichts hilfreich. Diese kann sich jeder unter www.spuren- sucheprojekt.de anhören. Hinter der Klosterruine erhebt sich das imposante Amtsgericht. Es ist im Stile des süddeutschen Barocks errichtet. Noch 1693 stand hier ein barockes Amphitheater für Tierkämpfe und Wasserspiele. Für ein neues Kadettenhaus wurde aber zwischen 17761779 alles abgerissen. Allerdings benötigte die Stadt auch bald die Kadettenanstalt nicht mehr und schon bald zog das Gericht in die Räumlichkeiten ein. Doch Amtsgericht-Mitte, 1959 Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Das Amtsgericht Berlin-Mitte der Platz reichte nach kurzer Zeit nicht mehr aus: Es gab mehr Bedarf an Räumlichkeiten und so wurde das Gebäude ab 1900 erweitert. Innerhalb von nur 4 Jahren entstand ein neues Gebäude. Wie zum Beispiel das Gericht in Berlin-Wedding wird auch das Gericht in der Littenstraße als “Justizpalast” bezeichnet. Ein Palast ist immer beeindruckend, oft auch bedrückend. Genau diesen Effekt wollten die Architek- ten erreichen. Angeklagte sollten sich in diesem Gebäude noch kleiner fühlen und die Übermacht der Justiz noch stärker spüren. Aber auch Nichtangeklagte sollten sich der Justizmacht immer bewusst sein. Im Inneren des Gebäudes eröffnet sich eine große, fast kreisrunde Halle. Das Herzstück dieser Halle ist die wunderschöne Zwillingswendeltreppe. Der Grundriss der Treppe bildet eine 8. Jede einzelne Zwillingswendeltreppe wird von jeweils Amtsgericht-Mitte, 2011 10 Pfeilern getragen. Bei näherer Betrachtung sehen die Treppen im Eingangsbereich wie ein Wasserfall aus. Der Wartebereich wirkt dabei wie ein Teich. In Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Treppe im Amtsgericht-Mitte, 2011 Das Amtsgericht Berlin-Mitte der Halle wird der Besucher von Ritterfiguren beobachtet. In der Halle wacht die unbestechliche, weil blinde, Justizia über Kläger und Angeklagte. Der II. Weltkrieg verursachte starke Schäden am Haus. Viele schöne Details gingen dabei verloren. So wurde der Haupteingang bei der Reparatur nur vereinfacht wiederhergestellt. Noch heute finden sich Einschusslöcher in der Hausfassade. Ende der 60er Jahre beschloss die DDR-Regierung eine umfassende Neugestaltung des Viertels. Die Grunerstraße wurde zu der Hauptverkehrsstraße wie wir sie heute kennen. Laut & vielbefahren! Dafür musste unter an- derem der nördliche Flügel des Amtsgerichts abgerissen werden und auch andere Gebäudeteile wurden abgetragen. Die Symmetrie des Hauses wurde dabei zerstört. Eine Tafel am Fußgängerübergang zum Shopping Centre “Alexa” erinnert daran. Nach der Wende wurde zuerst das undichte Dach des Gerichts renoviert und eine Alarmanlage eingebaut. Auch die Büros der Angestellten wurden modernisiert, ebenso die maroden Leitungen. Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Hans Litten Heute ist das renovierte Haus ein beliebtes Ziel auf vielen Stadtführungen, nur als Angeklagter kommt man immer noch nicht gerne hierher. Wie fast alle Straßen im Viertel hat auch die Littenstraße eine wechselnde Namensgeschichte: Seit dem 17. Jahrhundert bis vor 1778 hieß die Straße „Am Stralauer Thor“, seit 1778 bis zum 10.5.1951 „Neue Friedrichstrasse“ und seit dem 10.5.1951 „Littenstraße“. Namensgeber für die Neubenen- nung war der jüdische Rechtsanwalt Hans Litten. Er wurde am 19. Juni 1903 in Halle an der Saale geboren und wuchs in Königsberg auf. Schon früh interessierte und engagierte sich Litten für Politik. So arbeitet er nach seinem Studienabschluss in Berlin für die Rote Hilfe. Eine Organisation, die Wilhelm Pieck und Clara Zetkin gründeten, um notleidende Arbeiterfamilien zu unterstützten. Die Rote Hilfe gab auch Rechtsschutz und half bei der Vertei- Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Hans Litten digung von Arbeitern, die wegen ihrer politischen Aktivitäten oder Überzeugungen angeklagt wurden. Hans Litten übernahm als Verteidiger einige Mandate. In seinen Prozessen versuchte er zu zeigen, dass die NSDAP keine legitime Partei war, denn mit Sorge bemerkte er das Erstarken Hitlers in Deutschland. Um sei Recht vor Gericht zu bekommen, lud er dafür sogar Adolf Hitler in den Zeugenstand und gab ihn dort der Lächerlichkeit preis. Nach der Machtergreifung Hit- lers wurde Hans Litten sofort in sogenannte Schutzhaft genommen. Die Hilfegesuche seiner Mutter und anderer Rechtsanwälte mit Bitte auf Freilassung des Inhaftierten wurden abschlägig beurteilt. Während seiner Zeit als Anwalt hatte er sich zu viele mächtige Feinde gemacht. Litten war 5 Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert. Geschwächt und gebrochen, erhängte er sich am 5. Februar 1938 im KZ Dachau. Auf dem Friedhof Pankow III in Niederschönhausen wurde er beigesetzt und ihm zu Ehren wurde die Neue Friedrichstraße in Littenstraße umbenannt. Eine Gedenktafel am Gerichtsgebäude sowie eine Büste erweisen ihm die letzte Ehre. Hans Litten-Büste, 2011 Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Das Alte Stadthaus Das Alte Stadthaus wurde von 1902 -1911 für sieben Millionen Goldmark nach den Plänen des Architekten Ludwig Hoffmann errichtet. Die feierliche Einweihung fand am 29.10.1911 statt. Gebaut wurde es, weil Berlin stetig wuchs und die Verwaltung schon bald mehr Platz brauchte als im Rathaus zur Verfügung stand – es war also ein ergänzender Verwaltungsbau zum Berliner Rathaus. Der Magistrat der Stadt kaufte für den Bau alle benötigten Grundstücke auf und riss die darauf bestehenden Gebäude ab. Bis 1938 hieß das imposante Gebäude übrigens Neues Stadthaus, bis das „Neue Stadthaus“ in der Parochialstraße diese Bezeichnung erhielt. Das „Alte Stadthaus“ ist ein monumentales Gebäude mit fünf Innenhöfen, einem Festsaal und einem Turm. Der Grundriss ist unregelmäßig: Die Frontseite (Jüdenstraße) misst ca. 83 m, die Seite zur Klosterstraße 127 m, an der Pa- rochialstraße 108 m sowie zur Stralauer Straße stolze 94 m. Auf dem Dach des Turms stand bis 1951 eine Fortuna Statue, die durch eine Fernsehantenne und später Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Längsschnitt der Mittelachse Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Das Alte Stadthaus 1955 durch einen Fahnenmast ersetzt wurde. Die Fortuna Statue wurde rekonstruiert und ist heute wieder auf dem Dach des alten Stadthauses zu sehen. Die Architekten in Berlin träumten schon immer von einer Umgestaltung des Viertels um das Stadthaus. Während der Nazizeit plante man rund um das Alte Stadthaus alles neu zu bauen und ein großes Stadt- und Verwaltungsareal zu schaffen. Dafür mussten die Häuser vor dem Stadthaus weichen, denn hier sollte ein großer Aufmarschplatz entstehen. So erklärt sich die heutige Freifläche vor dem Haus, auf welcher nur Fahnenmasten und ein traurig verloren wirkender Springbrunnen stehen. Während des II. Weltkriegs wurde das Gebäude von Fliegerbomben getroffen, doch die größte Zerstörung des Gebäudes erfolgte in den letzten Kriegsmonaten. Nach Kriegsende wurde das zum Teil abgebrannte Mansar- Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Das Alte Stadthaus 2011 dendach nicht originalgetreu, sondern als Satteldach wieder aufgebaut. Für das Mansardendach fehlte das nötige Schnittholz. Auch andere Reparaturen blieben liegen, da Geld, Material und Personal fehlten. Im Allgemeinen entsprachen „wilhelminische“ Gebäude auch nicht dem sozialistischen Idealbild, deshalb wurde es nur repariert, statt saniert, und Büros fanden darin einen neuen Platz. Erst als 1955 der DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl ins Alte Stadthaus einziehen wollte, wurde es modernisiert: Eine Heizung und eine Lüftung, in den Fluren wurde roter Teppich ausgelegt und die elektrischen Anlagen wurden modernisiert. Im Zuge dieser Umbauarbeiten bekam auch der „Bärensaal“, der Festsaal, ein völlig neues Gesicht. Während er vorher über 1000 Personen fasste, fanden nachher nur noch 300 Personen darin Platz. Aus dem Stadthaus wurde das „Haus des Ministerrats“. Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Das Alte Stadthaus Das wohl wichtigste Ereignis, welches jemals im „Alten Stadthaus“ stattfand, war die Verhandlung zum Einigungsvertrags 1990 unter Führung von Lothar de Maizière – dem letzten Ministerpräsidenten der DDR. Heute hat hier die Senatsinnenverwaltung ihren Sitz und es steht unter Denkmalschutz. Bärensaal 1911 Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Bärensaal 1999 Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Die Jüdenstraße & der Jüdenhof Das Wort Jüden ist eine Nebenform zum mittelhochdeutschen Wort Juden. Also bedeutet Jüdenstraße Judenstraße. Die Jüdenstraße ist eine der ältesten Straßen von Alt-Berlin. Sie ist Ende des 13. Jahrhunderts nach dem hier gelegenen Großen Jüdenhof benannt. Die Benennung der Straße hat sich bis heute erhalten und wurde auch in der nationalsozialistischen Zeit nicht verändert. Die Jüdenstraße wurde im 13. Jahrhundert angelegt. Jüdische Einwohner sind schon seit 1295 in Berlin nachweisbar. Von der alten Bebauung der Jüdenstraße blieben nach den Zerstörungen im II. Weltkrieg und den Abrissen in der DDR-Zeit nur das Rote Rathaus sowie das Alte und das Neue Stadthaus erhalten. Von der Jüdenstraße zweigte der platzartige Große Jüdenhof ab, dessen alte Bebauung sich bis in die 30er Jahre erhalten blieb. 1936 stand auf dessen Straßenschild: Spielende Kinder im “Jüdenhof”, 1930 „Großer Jüdenhof" Der Große Jüdenhof wurde nach dem (dort befindlichen) verschließbaren Wohnsitz der Juden benannt. Abseits von den Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Die Jüdenstraße & der Jüdenhof bekannten jüdischen Zentren wohnten hier viele jüdische Kaufleute, die im Viertel Handel betrieben. Ein Ghetto war der Jüdenhof aber nicht, auch wenn es zuerst so scheint. Die Juden, die ab 1671 in die Stadt kamen, wohnten nicht im Jüdenhof. Sie waren zu wohlhabend und die kleinen Häuser im Jüdenhof waren ihnen zu klein. Der im Hochmittelalter angelegte Große Jüdenhof bestand bis 1937 als ein Ensemble von zwölf Wohnhäusern um einen fast qua- dratischen Hofraum zwischen Jüden- und Klosterstraße. Der einzige öffentliche Zugang zum Hof befand sich zwischen den Häusern Jüdenstraße 46 und 47. Nach der Sanierung eines Teils der Altbauten und teilweiser Neubebauung in den 30er Jahren wurde die Bebauung des Großen Jüdenhofes im Zweiten Weltkrieg größtenteils zerstört. Die übrig gebliebenen Gebäude wurden zu DDR-Zeiten für einen Parkplatzes abgerissen. Der Große Jüdenhof ist bis “Jüdenhof”, 2011 auf seine neben dem Neuen Stadthaus gelegene Einfahrt im heutigen Stadtgrundriss nicht mehr kenntlich. 1937/38 wurden die Häuser Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) “Jüdenhof”, 1951 Die Jüdenstraße & der Jüdenhof Nr. 1 bis 5 für den Neubau der Städtischen Feuersozietät (heute Neues Stadthaus) abgerissen. Die Häuser Nr. 6 bis 12 wurden renoviert. 1950/51 wurden die Reste des im Krieg schwer beschädigten Großen Jüdenhofs abgerissen und aufgeräumt. Die oft fotografierte etwa 200 Jahre alte Akazie vor dem Haus Großer Jüdenhof Nr. 9 wurde 1938 gefällt. Anstelle der Laterne, die danach in der Mitte des Hofes stand, pflanzte man um 1939 eine junge Scheinakazie. Dieser mittlerweile stark verkrüppelte Baum überdauerte als einziges Relikt des Großen Jüdenhofs den Krieg und die Nachkriegszeit. Am Anfang des 20. Jahrhundert befand sich dort noch der Große Judenfriedhof der israelischen Gemeinde. Dieser ist ebenfalls nicht mehr vorhanden. Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Die Jüdenstraße & der Jüdenhof Im Zuge der angedachten Sanierung und Umgestaltung im Stadtgebiet Klosterviertel, inklusive Straßenverlegungen und angedachtem Wiederausbau des Straßenbahnnetzes soll auch der Jüdenhof wieder zur Geltung kommen. “Jüdenhof”, 2011 Entwurf “Jüdenhof“, Architektenbüro Haberland Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Die Mühlendammschleuse Klödenplan Berlin-Cölln, 13. Jhd. Der Mühlendamm - „Molendam tu Berlin“ - wurde im 13. Jahrhundert zwischen den beiden Städten Berlin und Cölln erbaut. Die Schleuse war damals noch die einzige Verbindung zwischen Berlin und Cölln. Meist hatte der, der den Mühlendamm besaß, die Macht in den beiden Städten. Mit dem Bau des Mühlendammes begann das Zeitalter der Schifffahrt in Berlin und Cölln. Berlin wurde vom Wasser aus erbaut, viele Schiffe brachten die Baustoffe in das Zentrum, denn die Pferdefuhrwerke konnten die benötigten Mengen nur sehr langsam in die Stadt transportieren. Auch der spätere Einsatz von Autos oder Zügen war dem Transportschiffsverkehr keine Konkurrenz. Also kann man sa- gen, dass Berlin vom Wasser her erbaut wurde und der Mühlendamm sozusagen die Urzelle von Berlin ist. Der Mühlendamm war ein sehr wichtiger Standort für die Produktion, denn am Mühlendamm standen früher Tabakund Getreidemühlen. Außerdem gab es noch in den alten Bögen Händler, die zwischen den beiden Städten hin und her fuhren, und die Städte mit Lebensmitteln versorgten. Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Die Mühlendammschleuse Die Schleuse wurde im Laufe der Jahre mehrmals erweitert und umgebaut. Der Standort vom Mühlendamm wurde in den 30er Jahren geändert. Den II. Weltkrieg überstand die Schleuse fast unzerstört, ein Treffer ist heute noch am leicht abgesackten Führerstandhäuschen erkennbar. 1966 wurde dann der alte Mühlendamm abgerissen. 1973 wurde die Schleuse schließlich komplett neu aufgebaut und nochmals erweitert. Die Kammerlänge des Müh- Albert Schwendy “Aussicht von den Königlichen Mühlen am Mühlendamm nach der Langen Brücke in Berlin”, 1850 lendamms beträgt heute 136,00 m, die Kammerbreite der Nordkammer 11,75 m und die der Südkammer 12,00 m. Außerdem hat die Schleuse eine Hubhöhe von 1,50 m. Die Schleuse wurde als Doppelkammerschleuse von je 140 m Länge errichtet, von denen 136 m nutzbar sind. Die Kammerwände bestehen aus verankerten Stahlspundbohlen, die Häupter aus Stahlbeton, die angrenzenden Ufermauern wurden aus Granitsteinmauerwerk hergestellt. Die Sohle der Schleusenkammer besteht aus Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Die Mühlendammschleuse Mühlendammschleuse, 1981 Mühlendammschleuse, 2011 Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Die Mühlendammschleuse einem Wabenpflaster. Jeder der 8 Stemmtorflügel wiegt ca. 12 Tonnen, sie bestehen aus geschweißtem Stahl. Der Antrieb der Tore erfolgt über Hydraulikzylinder. Zur Füllung und Entleerung der Kammern befinden sich in den Toren Segmentschütze. Seit 1990 werden die Berliner Wasserstraßen vom Wasser-und Schifffahrtsamt Berlin unterhalten . Der Außenbezirk Neukölln ist u.a. für den Betrieb der Schleuse Mühlendamm zuständig. Früher wurden 5-6 Personen für das Betreiben der Schleuse pro Schicht gebraucht, doch heute werden nur noch 2 Schleusenwärter gebraucht – die neue Computertechnik und die Überwachungskameras machen es möglich. Sobald die Sonne nach Berlin kommt und das Wetter beginnt, wärmer zu werden, nimmt der Verkehr auf der Spree sehr stark zu: die vielen Sportboote und die Ausflugsdampfer der verschiedenen Reedereien lassen den Fluss zu einer stark befahrenen Seestraße werden. In dieser Zeit ist die Schleuse im Dauerbetrieb. Mühlendammschleuse, 2011 Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Vielen Dank! Projekträger: Denk mal an Berlin e.V. c/o Wall AG Friedrichstraße 118 10117 Berlin Dieses Spurensucheprojekt wurde möglich gemacht durch die materielle & finanzielle Unterstützung von: Stiftung Lotto Berlin, Evangelische Schule Berlin Zentrum „Berlins vergessene Mitte“, Herrn Grabow im Amtsgericht Mitte für das Interview, Herrn Petzold von der Schleuse Mühlendamm, dem BVG-Mitarbeiter Herrn Joachim Gorell für die Führung durch den Kooperationspartner: Wir danken außerdem herzlich: Bunker Waisenstraße und Frau Dr. Centre for Modern Education Frau Jenny Porschien für die Füh- Gabriele Miketta für das Interview Anja Kreisel rung durch das Zentrum für Berlin- zum Palais Podewil & die vielen FoLychener Straße 82 Studien, dem Schriftsteller Ralph tos. 10437, Berlin Hoppe für das Interview zu „Quer e-mail: [email protected] durch Mitte – Das Klosterviertel“, Herrn Peter Teicher für die Führung Evangelische Schule Berlin Zentrum durch die Parochialkirche, dem Wallstraße 32, Gebäude B Ephraim Palais für die interessante 10179 Berlin-Mitte Ausstellung & Führung durch die Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de Spurensuche im Klosterviertel - Orte und Geschichte(n) Bildnachweis Klosterviertel: „Berlin Klosterstraße“, Gärtner, Eduard, 1830, wikimedia „Klosterstraße mit Parochialkirche um 1910“; Hochschule der Künste, Berlin U-Bahnhof Klosterstraße: „U-Bahnhof Klosterstraße“, Künstler unbekannt; BVG Berlin Palais Podewil: “Haus der Berliner Jugend”, Gielow, 1952; Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 18313307-0004 Fotos aus dem Archiv des Podewil “Zur letzten Instanz“: „Das schöne Berlin“, Fotograf unbekannt, Jahr unbekannt; Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 146-1983-020-01A Bilder prom. Gäste; wikipedia, 2011 Logo, http://www.zurletzteninstanz.de, 2011 “Zur letzten Instanz”, Oberst, Klaus, 1987; Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 183-19870324-017 Amtsgericht Berlin-Mitte: “Reste der Stadtmauer und Gericht Mitte”, Brietzke, 1959; Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 183-670720001 Hans Litten: Bild Litten; http://www.tekla-szymanski.com/graphics/ litten.jpg, 2011 Altes Stadthaus: „Längsschnitt der Mittelachse“, Zeichner unbekannt, Jahr unbekannt; Festschrift zur Wiedereröffnung des Bärensaals im Alten Stadthaus Berlin am 21. Juni 1999, Senatsverwaltung für Inneres, Berlin „Berlin, Stadthaus, Straßenbahn“, Junge, Peter Heinz, 1955; Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 183-28540-0004 „Bärensaal 1911“, Fotograf unbekannt, 1911; Festschrift zur Wiedereröffnung des Bärensaals im Alten Stadthaus Berlin am 21. Juni 1999, Senatsverwaltung für Inneres, Berlin „Bärensaal 1999“, Fotograf unbekannt, 1999; Festschrift zur Wiedereröffnung des Bärensaals im Alten Stadthaus Berlin am 21. Juni 1999, Senatsverwaltung für Inneres, Berlin Jüdenstraße & Jüdenhof: „Berlin, spielende Kinder im “Jüdenhof”, Fotograf unbekannt, 1930; Deutsches Bundesarchiv (German Fed- eral Archive), Bild 145 Bild-P063067 „Alt-Berlin - Großer Jüdenhof”, Rudolph, 1950; Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 183-S99981 „Entwurf Jüdenhof“, Haberland Architekten, Jahr unbekannt; Stadtentwicklung, Berlin Mühlendamm-Schleuse: “Berlin und Kölln im Anfang des 13. Jahrhunderts”, Klöden; wikipedia, 2011 „Aussicht von den Königlichen Mühlen am Mühlendamm nach der Langen Brücke in Berlin“, Schwendy, Albert, 1850; wikimedia „Berlin Mühlendammschleuse“, Settnik, Bernd, 1981; Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 183-Z0325-028 aktuelle Fotos: Spurensucher, Herr Buschner, Straßenausschnittskarte: googlemaps, 2011 Projektgruppe der „Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ www.spurensucheprojekt.de