50 Jahre Marketing- und Markenkommunikation
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50 Jahre Marketing- und Markenkommunikation
50 Jahre Marketing- und Markenkommunikation Analysiert man die Entwicklung der Kommunikation im Rahmen des Marketing und des Markenmanagements in den vergangenen 50 Jahren so kann konstatiert werden, dass sich ihr Stellenwert kontinuierlich erhöht hat. Dies liegt daran, dass viele Produkte im Laufe der Zeit mit der Reifung von Märkten zunehmend homogener und damit austauschbarer wurden und Wettbewerbsvorteile oft nur noch über Art und Umfang ihrer Kommunikation aufbauen können. Die Angleichung der technisch-funktionalen Qualität vieler Produkte ist unter anderem daran zu erkennen, dass 85% der Verbrauchsgüter in den Heften der Zeitschrift „Stiftung Warentest“ schon in den Jahren 1993 und 1994 die gleiche Beurteilung erhalten haben. So hat sich Marketing und Markenführung in vielen Bereichen immer stärker von einem Produkt- zu einem Kommunikationswettbewerb entwickelt. Die Stärkung der nachhaltigen Innovationskraft eines Unternehmens ist dabei vielerorts jedoch vernachlässigt worden. Die Kommunikation in der Nachkriegszeit und den 50er Jahren Marken kommunizierten die Widerverfügbarkeit ihrer Ware und meldeten sich beim Nachfrager zurück. Die häufigsten Botschaften in der Kommunikation waren schlicht „wir sind wieder da“, „zurück in friedensmäßiger Aufmachung“ oder einfach „wieder erhältlich“. Das Beispiel des Anzeigenmotivs der Marke Persil aus dem Jahre 1950 verdeutlicht dies exemplarisch (vgl. Abb. 1). Nach dem Zweiten Weltkrieg war es den Deutschen zunächst untersagt eigene Medien herauszugeben. Nach und nach wurden dann einzelnen Personen, die nicht aus der NS-Zeit vorbelastet waren, Lizenzen zur Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften erteilt. Titel die auf Basis solcher Lizenzvergaben herausgegeben werden durften waren z.B. „Der Spiegel“, „Die Zeit“, „Stern“ oder die „Frankfurter Rundschau“. Genutzt wurden diese Printmedien unter anderem von den Alliierten zur „Re-Education“ der Deutschen zu Demokraten. Die Lizenzpflicht für Printmedien wurde dann im Jahre 1949 aufgehoben und es erschienen bereits in den ersten 6 Monaten 400 neue Zeitungen und Zeitschriften. Die Markteinführung der ersten großen (Frauen-) Publikumszeitschriften „Constanze“ (heute: „Brigitte“) und „Ihre Freundin“ (heute: „Freundin“) ermöglichte in dieser Zeit erstmals wieder den Einsatz von Massenmedien zur Marketing- und Markenkommunikation. Abb. 1: Persil aus d. Jahr 1950 (Quelle: www.alte-werbung.de) Qualitative Eigenschaften oder gar überlegener Kundennutzen wurden in dieser Zeit kaum kommuniziert. Dies war schlicht nicht notwendig, weil das Angebot die übermäßige Nachfrage ohnehin nicht befriedigen konnte. Insgesamt hatte die Kommunikation für den Markterfolg in dieser Zeit lediglich eine untergeordnete Bedeutung Viele Menschen erlebten im Zuge des mit dem deutschen Wirtschaftswunder einhergehenden dramatischen Anstiegs des realen Volkseinkommens einen bis dahin nicht bekannten Wohlstand. Musste beispielsweise ein vierköpfiger Arbeitnehmerhaushalt im Jahre 1950 noch mit durchschnittlich 343 DM auskommen, so waren es zum Ende der 50er Jahre bereits ca. 750 DM. Mit diesem Wohlstand einhergehend wurde der Konsum zum zentralen Leitmotiv einer nachholbedürftigen Gesellschaft. Diesem Leitmotiv entsprangen die Fress-, Kleidungs-, Einrichtungs- und Urlaubswelle. Es galt die Maxime: „Hast du was – bist Du was“. Daneben war in dieser Zeit eine Verbreiterung der Mittelschicht zu beobachten. Dies führte zu einem verstärkten Massenkonsum und zu einer Vereinheitlichung der Konsumgewohnheiten. Vespa-Motorroller und Fernseher wurden zu Symbolen einer sich zunehmend an materiellen Werten orientierenden Gesellschaft. Auch der Rundfunk war zunächst strikt geregelt und es dauerte bis zum Jahr 1950, bevor sich die von den Alliierten kontrollierten Landesrundfunkanstalten zur Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammenschlossen. Das erste „richtige“ Fernsehprogramm wurde dann im Jahre 1952 vom Nordwestdeutschen Rundfunk ausgestrahlt. Ab 1956 sendeten BR, HR, NWDR, SR, SWF und SFB das Deutsche Fernsehen als ein Gemeinschaftsprogramm. Das Monopol der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollte schließlich bis 1984 Bestand haben, bevor es aufgrund von massivem Druck seitens der Verlage aufgehoben wurde. Die erste Werbung wurde im deutschen Fernsehen am 03.11.1956 vom Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt. Es handelte sich dabei um eine Werbung für das Waschmittel Persil von der Firma Henkel. Der Grund für diese Pionierleistung ist ein wenig skurril, denn der Bayerische Rundfunk errichtete den Sendemast für sein TV-Programm auf einem Berg, der der Firma Henkel gehörte. Im Gegenzug ließ sich die Firma Henkel zusichern, dass der erste in Deutschland ausgestrahlte Werbespot eines ihrer Produkte bewerben sollte. Diese Rahmenbedingungen ermöglichten es zahlreichen „alten“ Marken, wie etwa Maggi, an ihre Vorkriegstradition anzuknüpfen und sich erfolgreich bei den für ein wenig „vertraute Vergangenheit“ dankbaren deutschen Nachfragern zurück zu melden. Wie das Beispiel Maggi zeigt wurden, um den Nachfragern das Wiedererkennen der „altbekannten“ Marken zu erleichtern die Logos und Packungsgestaltungen bei der Wiedereinführung zumeist wenig oder gar nicht Diese ersten Aktivitäten in der Marketing- und Markenkommunikation zu Beginn der 50er Jahre hatten primär Ankündigungscharakter. Unternehmen und 2 verändert (vgl. Abb. 2 und hier insbesondere die Verpackungen aus den Jahren von 1937 bis 1947). Abb. 2: Maggi Verpackungen (Quelle: www.Markenmuseum.de) Exemplarisch kann dies auch am Beispiel Nivea gezeigt werden. So blickte bereits im Jahre 1950 ein gut gebräuntes junges Paar auf einem Nivea Plakatmotiv in eine bessere Zukunft und vermittelte den kriegsgebeutelten Deutschen neue Zuversicht und die Aussicht auf bessere Zeiten (vgl. Abb. 3). Die Marke Nivea begann in dieser Zeit das vor allem bei den Frauen neu erwachte Interesse an Schönheitspflege und Kosmetik gezielt anzusprechen. Das Grau der Kriegsjahre war verflogen und Nivea vermittelte ästhetische Werte und neuen Glanz (vgl. Abb. 4). Auf strategischer Ebene wurde im Jahr 1959 die Entscheidung gefällt, Nivea zu einer Dachmarke für ein ganzes Hautpflegesortiment zu machen. Aus diesem Grund erschien das Wort „Creme“ auf den Creme-Dosen von nun an in einem Schreibschriftzug, um zu verdeutlichen, dass die Creme lediglich ein Produkt unter vielen ist (vgl. Abb. 5). Die Firma Beiersdorf begann darüber hinaus im Laufe der 50er Jahre, die im Krieg verlorenen Rechte an der Marke „Nivea“ in den Ländern mit denen sich Deutschland im Krieg befunden hatte sukzessive zurückzukaufen. Abb. 3: Nivea aus dem Jahr 1950 (Quelle: Beiersdorf AG 2001, S. 54) Abb. 4: Nivea aus dem Jahr 1954 (Quelle: Beiersdorf AG 2001, S. 56) Für die 50er Jahre prägend waren neben dem neu erwachten Interesse an Pflege, Schönheit und materiellem Konsum vor allem traditionelle Werte wie etwa Fleiß-, Leistungs- oder Anpassungsbereitschaft. Besonders die Anpassungsbereitschaft führte dabei zur Vermischung von Konsum- und Moralstandards. Beispielsweise hatte man sich bestimmten Modevorschriften unterzuordnen, um in der Gesellschaft nicht negativ aufzufallen. Auch die Kommunikation machte sich solche Konsumimperative zu nutze. Exemplarisch hierfür sei auf ein Printmotiv der Marke Uhu-Line verwiesen, auf welchem ein Ordnungshüter die auf die Verwendung von Uhu-Line zurückzuführende Faltenlosigkeit des Oberhemdes bemerkt und daraufhin eine gute Fahrt wünscht. (vgl. Abb. 6) Abb. 5: Logos aus 1949 und 1959 (Quelle: Beiersdorf AG 2001, S. 55) Auch die Marke Persil der Henkel KGaA machte sich in dieser Zeit die Rückbesinnung auf traditionelle Werte wie Fleiß, Reinheit und Pflege zu nutze. In Zeiten von Seuchen und Krankheiten aufgrund unzureichender Waschmittelversorgung wurde die Marke Persil zum Symbol einer neuen Reinlichkeit aufgebaut. Dies drückte sich unter anderem durch den nach dem Zweiten Weltkrieg geprägten Begriff des „Persil-Scheins“ aus. Ähnlich wie Nivea war auch die Rückkehr von Persil ein Stück zurückgewonnene Normalität. So war die von einer großen Werbekampagne begleitete Wiedereinführung von Persil im Jahre 1950 für die Deutschen ein wichtiges Zeichen für das Ende der Notjahre. Abb. 6: Uhu-Werbemotiv aus dem Jahr 1956 (Quelle: Gries/Ilgen/ Schindelbeck 1995, entnommen aus Hansen/Bode 1999, S. 75) Aus Gründen der Widererkennbarkeit und Tradition wurde der aus dem Jahre 1913 stammende Slogan „Persil bleibt Persil“ zunächst beibehalten. Als eine 3 Folge sinkender Marktanteile durch stärker werdende Konkurrenzprodukte der Firma Unilever wurde im Jahre 1959 das erste Mal die Hilfe einer Agentur in Anspruch genommen und der alte Slogan musste der „Persil 59“ Kampagne mit dem Leitspruch „das beste Persil, das es je gab“ weichen (vgl. Abb. 7). Für diese Kampagne setzte das Unternehmen erstmals den gesamten Instrumente-Mix in der Kommunikation (u.a. TV-, Funk- und Printmedien) ein. Der Erfolg war groß und Persil wurde wieder zum Marktführer. Zu dieser Zeit wurde bei Henkel in Düsseldorf erstmals ein offizielles Ressort „Marketing“ eingerichtet, welches alle Aktivitäten im Absatzbereich zusammenfasste. Abb. 7: „Persil 59“ (Quelle: www.markenmuseum.com) In den 50er Jahren war schließlich auch der Durchbruch amerikanischer Marken und Konsumgewohnheiten auf dem deutschen Markt. Die erste Coca-Cola Kampagne warb Mitte der 50er Jahre mit dem Slogan „Mach mal Pause“ und traf damit den Nerv einer an Überarbeitung leidenden deutschen Gesellschaft. Die strebsame Arbeitsamkeit der 50er Jahre durfte nun hin und wieder durch ein wenig Konsum unterbrochen werden (vgl. Abb. 8). Ende der 50er Jahre begann mit der einsetzenden technisch-funktionalen Angleichung der Produkte ein bis heute anhaltender Trend, der die Marketingund Markenkommunikation zu einem immer wichtigeren Engpass und Erfolgsfaktor der Markenartikelhersteller werden ließ. Der Produktfokus stand von nun an nicht mehr allein beherrschend im Mittelpunkt der Kommunikationsarbeit. Die Ansprache emotionaler Konsummotive wurde verstärkt. Ein Trend der sich in den 60er Jahren bestätigen sollte. Abb. 8: Coca Cola aus dem Jahr 1959 (Quelle:www.alte-werbung.de) Die Kommunikation in den 60er Jahren So kam es in den 60er Jahren zu einer grundsätzlich anderen Ausrichtung der Marketing- und Markenkommunikation. Die Kommunikation sollte nicht mehr direkt Produkte sondern zunächst Emotionen und Images verkaufen. Die Werbung wurde immer mehr von einer Produkt- zu einer Lifestylewerbung. Durch dieses neue Anforderungsprofil erhöhte sich die Bedeutung der Marketing- und Markenkommunikation und die entsprechenden Budgets stiegen deutlich an. Begünstigt wurde diese Entwicklung darüber hinaus durch neue technologische Entwicklungen und die zunehmende Diffusion und Akzeptanz von Radio, TV und Kino in der Bevölkerung. Vor allem durch den Einsatz von TV-Kommunikation ergaben sich neue Möglichkeiten der multisensualen Kundenansprache. Insgesamt erhöhten sich die Ausgaben für Marketing- und Markenkommunikation im Zeitraum von 1952 bis 1966 von unter 500 Millionen DM auf nahezu 4,5 Milliarden DM. Dabei stieg mit Beginn der 60er Jahre auch die Bedeutung der Fernsehwerbung stark an. Die Gründe hierfür liegen vor allem in 4 der zunehmend besseren Versorgung der Haushalte mit Fernsehgeräten. Waren zum Ende der 50er Jahre noch deutlich unter 20% der Haushalte mit Fernsehgeräten ausgestattet, so stieg dieser Prozentsatz bis zum Ende der 60er Jahre auf annähernd 70%. Gleichwohl wurde bis zum Ende der 60er der größte Anteil der Kommunikationsausgaben für Zeitungs- und Zeitschriftenanzeigen aufgewendet. Abb. 9: Das „Moderne Leben“ (Quelle: www.Alte-Werbung.de) Abb. 10: Printwerbung der Marke Volkswagen aus dem Jahr 1967 (Quelle: Volkswagen AG, S. 32-33) Das Wertgefüge der deutschen Gesellschaft war zu Beginn der 60er Jahre zwar noch immer von traditionellen Werten geprägt, es begannen sich aber immer mehr Menschen von der Rigidität der Adenauer Zeit zu befreien. „Modernität“ war ein zentrales Motiv in dieser Zeit und wurde daher auch im Rahmen von Kommunikationsmaßnahmen aufgegriffen. Die neue Modernität wurde primär durch die amerikanische Gesellschaft und deren Konsumgewohnheiten geprägt. Coca-Cola, Marlboro und Rock’n Roll waren „hipp“ (vgl. Abb. 9). Auch die Marke Volkswagen nutzte die Popularität des amerikanischen Lebensstils und warb mit dem großen Erfolg ihrer Produkte in Amerika (vgl. Abb. 10). Im Laufe der 60er Jahre begannen sich dann zunächst bei einer Minderheit Selbstentfaltungswerte wie etwa Emanzipation und Selbstverwirklichung durchzusetzen. Auch die „Sexwelle“ als neuerlicher Konsumtrend ist in diesem Kontext zu sehen. Dieses neue Selbstverständnis zeigte sich auch im Verhältnis der Menschen zur Arbeit, die von vielen mehr und mehr als kurzzeitige Unterbrechung der Freizeit interpretiert wurde. Die Freizeit und damit verbunden der Urlaub genossen einen immer höheren Stellenwert. Diese neuen Impulse wurden auch von den Markenführenden aufgegriffen. So nutzte beispielsweise die Marke Nivea verstärkt Urlaubs- und Freizeitmotive wie etwa sportliche Tätigkeiten im Rahmen ihrer Marketing- und Markenkommunikation (vgl. Abb. 11). Abb. 11: Nivea Anzeigenmotiv aus dem Jahr 1967 (Quelle: Beiersdorf AG 2001, S. (57-) 59) Mit den so genannten 68er Jahren begann schließlich ein bedeutsamer gesellschaftlicher Umbruch. Es war die Zeit der Hippies, des Rock und der freien Liebe. Die mit diesen „rebellischen“ Bewegungen einhergehenden neuen Werte wurden vielfach auch von den Markenartikelherstellern aufgegriffen. Hierfür beispielhaft war die Kommunikation der Marke Afri-Cola, die eine Welt im „Cola Rausch“ propagierte und damit elementare Werte der neuen Jugendkultur aufgriff (vgl. Abb. 12). Die emotionale und symbolische Aufladung der Marketing- und Markenkommunikation stand in engem Zusammenhang mit der in den 60er Jahren beginnenden tiefenpsychologischen, qualitativen Konsumentenforschung und des Glaubens der Markenführenden an die Steuerbarkeit der Nachfrager. Vielleicht lag es an den mit diesem Glauben einhergehenden Botschaften, dass sich die Nachfrager von der Marketing- und Markenkommunikation allmählich zu emanzipieren begannen und diese kritisch hinterfragten. Abb. 12: Afri-Cola Werbung von 1968 (Quelle: www.Alte-Werbung.de) 5 Gegen Ende der 60er Jahre veränderten sich die Markt- und Handelsstrukturen erneut. Es entstanden erste größere Einkaufszentren, die Preisbindung im Handel wurde aufgehoben und die Selbstbedienung eingeführt. Derartige Veränderungen in den Märkten sowie das allgemeine Nachlassen des bis dahin starken wirtschaftlichen Wachstums stellten auch etablierte deutsche Markenartikelhersteller vor neue Herausforderungen. Die Kommunikation in den 70er Jahren Mit den 70er Jahren verschärften sich noch einmal die Marktverhältnisse. Die Inflationsrate stieg nach 3-4% in den 60er Jahren auf 8% an, die Arbeitslosenquote stieg von 1% auf über 4% und das Wachstum des Sozialproduktes sank auf unter 2%. Einen ersten Höhepunkt markierte dabei sicherlich die Ölkrise im Jahr 1973. Darüber hinaus machte eine zunehmende Fragmentierung der Märkte eine differenziertere Marktbearbeitung und eine noch konsequentere Ausrichtung an Kundenbedürfnissen erforderlich. Die Marketing- und Markenkommunikation musste sicherstellen, dass ein für die immer spitzeren und kleineren Zielgruppen maßgeblicher Kundennutzen überzeugend vermittelt wurde. Es entstand daher für die Kommunikation die Notwendigkeit, ihre Instrumente auf Basis der Informationen aus der Marktforschung und Marktsegmentierung noch zielgruppenspezifischer einzusetzen. Ein prägnantes Beispiel für die nun noch gezieltere Ansprache einzelner Nachfragersegmente war die „Pepsi-Generation“ Kampagne. Diese bereits in den 60er Jahren begonnene Kampagne richtete sich an den städtischen Mittelklasse-Jugendlichen und differenzierte sich damit eindeutig vom Hauptkonkurrenten Coca-Cola, der versuchte, mit seinem Produkt alle Nachfrager, in gleicher Weise zu erreichen (vgl. Abb. 13). Abb. 13: Pepsi-Generation Kampagne (Quelle: Tedlow 1990, entnommen aus Hansen/Bode 1999, S. 130) Zur selben Zeit sah sich die Marketing- und Markenkommunikation einer immer kritischer werdenden Gesellschaft gegenübergestellt. War der Konsum bis weit in die 60er Jahre hinein noch die primäre Antriebskraft großer Teile der Gesellschaft, so wurde dies nun wesentlich differenzierter wahrgenommen. Es kam zu bedrohlichen Auswüchsen, wie etwa Anschlägen auf Warenhäuser als Reaktion auf den so genannten „Konsumterror“. Obwohl diese radikalen Ansichten lediglich von einer Minderheit gelebt wurden, beeinflussten sie die Diskussionen in der Gesellschaft in erheblichem Maße. Der Besitz von Konsumgütern wurde nicht mehr als durchweg erstrebenswert erachtet, sondern er war gleichermaßen Ausdruck einer Gesellschaft des Überflusses und der Verschwendung. Dies führte dazu, dass sich auch das Marketing und die Kommunikation zunehmend kritischer mit ihren Werten und Zukunftsvorstellungen auseinander zu setzen begann. 6 Gleichzeitig waren in anderen Teilen der Gesellschaft Entwicklungen hin zu einer genussbetonten Lebens- und Konsumweise zu erkennen. Insbesondere in der Jugend spiegelte sich dieses neue Streben nach hedonistischen Werten wider. So wurde diese Generation häufig als „Frust- oder Nullbock“-Generation bezeichnet. Im Vordergrund stand das Streben nach Vergnügen und Spaß. Die Jeans wurde zum meistgetragenen Kleidungsstück und die Nachdenklichkeit der späten 60er Jahre war verflogen. Diese neue jugendliche Leichtigkeit spiegelte sich auch in der Kommunikation wider, wie das Beispiel einer Werbekampagne von VW aus dem Jahr 1974 zeigt (vgl. Abb. 14). Ungeachtet der Konsumkritik einerseits und des aufkommenden Hedonismus andererseits, waren jedoch bei weiten Teilen der Gesellschaft zunächst noch immer traditionelle Werte dominierend. Abb. 14: VW aus dem Jahr 1974 (Quelle: Volkswagen AG 2002, S. 121) Abb. 15: „Creme 21“ aus dem Jahr 1972 (Quelle: www.Markenmuseum.com) Insgesamt sahen sich die Markenführenden vielfältigen Herausforderungen gegenübergestellt. Zunehmender Konkurrenzdruck und die Widersprüchlichkeit in der Gesellschaft waren lediglich zwei davon. So musste z.B. die Marke Nivea den Markteintritt vieler neuer Wettbewerber verkraften, die im Gegensatz zur Universalcreme Nivea sehr spezialisierte Produkte und Anwendungsgebiete anboten. Die „Creme 21“ der Firma Henkel richtete sich beispielsweise gezielt an jüngere Verwender (vgl. Abb. 15). Abb. 16: Nivea aus dem Jahr 1971 (Quelle: Beiersdorf AG 2001, S. 60 und 62) Bei der Auseinandersetzung mit dieser neuen Konkurrenz half Nivea vor allem der Einsatz der Kommunikationskampagnen „Die Creme de la Creme“ und „Only-Me“. Diese stellten die nahezu allumfassenden Verwendungsmöglichkeiten der Nivea Creme im Vergleich zu Spezialprodukten und die Einzigartigkeit der Marke heraus. Darüber hinaus hatten die Kampagnen eine stark kompetitive Ausrichtung („Eine bessere gibt es nicht“) und so wurde besonders die „Creme de la Creme“ Kampagne vom Wettbewerber Henkel massiv attackiert und als Reaktion darauf nicht weiter verwendet (vgl. Abb. 16). Später wurde die Kommunikation von Nivea dann von der in den 70er Jahren aufkommenden modernen, naiven Malerei geprägt (vgl. Abb. 17). Die Kommunikation in den 80er Jahren Die schon zum Ende der 70er Jahre aufgekommene Wettbewerbsorientierung steigerte sich im Laufe der 80er Jahre noch erheblich. Das primäre Ziel aller Kommunikationsmaßnahmen war es, den anvisierten Zielgruppen die eigene „Unique Selling Proposition“ (USP) zu vermitteln. Dabei sahen sich die Markenführenden schnell verändernden Zielgruppen gegenübergestellt. So führte der anhaltende Geburtenrückgang sowie ein Anstieg der Lebenserwartung zu einem deutlichen Anstieg der Zahl der über 60jährigen, während der prozentuale Anteil jüngerer Altersklassen an der Gesamtbevölkerung abnahm. Auch die Familienstruktur wandelte sich in dieser Abb. 17: Nivea aus dem Jahr 1975 (Quelle: Beiersdorf AG 2001, S. 65) 7 Zeit stark. Während die Anzahl der Haushalte insgesamt anstieg, sank die durchschnittliche Haushaltsgröße und es entstanden mehr und mehr Einpersonenhaushalte mit entsprechenden Implikationen für die Immobilienwirtschaft, die Möbelindustrie und die Haushaltsgerätehersteller. Die Marketing- und Markenkommunikation reagierte auf diesen Trend zum Single-Dasein. So zeigten Printkampagnen der 80er Jahre in verstärktem Maße einzelne Frauen oder Männern und wichen damit zunehmend von den Familienmotiven vorheriger Dekaden ab (vgl. Abb. 18). Abb. 18: Nivea Anzeigenmotiv aus dem Jahr 1987 (Quelle: Beiersdorf AG 2001, S. 83) Der Single-Trend der 80er Jahre ging einher mit einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft. Während die verfügbaren Einkommen durchschnittlich weiter anstiegen, kam es zu einer verstärkten Ungleichverteilung innerhalb der gesellschaftlichen Schichten. Dies hatte zur Folge, dass auch auf den Märkten eine Polarisierung von Massenprodukten einerseits und Premiumprodukten andererseits einsetzte. Die in großen Teilen der Gesellschaft zuvor verbreitete Konsumzurückhaltung lockerte sich und es wurde wieder vermehrt Wert auf Luxus und Statussymbole gelegt. Der mit einem verstärkten Individualismus einhergehende allgemeine Wertewandel hin zu einem nach außen getragenen Streben nach Luxus und gesellschaftlicher Besserstellung wurde politisch durch den britischen „Thatcherismus“ und die US-amerikanischen „Reaganomics“ geprägt. Auch in der Unterhaltungsbranche wurden materielle Werte und „Individualismus“ thematisiert. Beispielhaft hierfür waren der Film „Wall Street“ oder der Song „Material Girl“ von Madonna (vgl. Abb. 19). Etwa zur Mitte der 80er Jahre drückte sich dieser Individualismus in der Gesellschaft auch durch die Kreation neuer Nachfragertypologien wie etwa der „Dinks“ (double income no kids), der „Grumps“ (grown up matured people) oder der besonders bekannten „Yuppies“ (young urban professionals) aus. Keine andere Gruppe verkörperte den Zeitgeist und Konsumstil der 80er Jahre so gut, wie die „Yuppies“, welche bis heute untrennbar mit Fitnessklubs, Sushi-Bars und Boss-Anzügen verbunden sind. Abb. 19: Plakat des Films „Wall Street“ und Madonna in den 80er Jahren Die Marketing- und Markenkommunikation griff diesen Individualismus und das damit verbundene Streben nach persönlichem Erfolg auf. Stellvertretend dafür steht die wohl bis heute zu den bekanntesten und für die 80er Jahre typischsten Werbekampagnen zählende „Drei-Wetter-Taft“-Kampagne der Marke Taft. Eine dynamische, junge Unternehmerin stieg an drei verschiedenen Orten der Welt mit jeweils perfekt sitzender Frisur aus dem Flugzeug. Sie demonstrierte dabei nicht nur ihre Internationalität sondern, vor allem ihren gesellschaftlichen Status und ihre Emanzipation. Eine Form der Kommunikation, die noch in den 70er Jahren für erhebliche Irritationen gesorgt hätte (vgl. Abb. 20) Abb. 20: Motive aus dem Werbespot „Drei Wetter Taft“ Schließlich verschärfte sich nicht nur die kompetitive Ausrichtung der Kommunikation, sondern es standen durch den Einsatz so genannter Below-theLine Kommunikationsinstrumente wie etwa Sponsoring, Direkt- oder Event 8 Marketing erstmals auch die Kommunikationsinstrumente eines Unternehmens untereinander in einem sich verschärfenden Wettbewerbsverhältnis. Die Kommunikation in den 90er Jahren Die 90er Jahre begannen mit einem für die ganze Welt historischen Ereignis; der Wiedervereinigung Deutschlands am 03.10.1990. Diese führte zunächst zu einem Nachfrageimpuls im Westen Deutschlands der maßgeblich durch Kapitaltransfers in den Osten finanziert wurde. Nicht nur diese sehr einschneidende Veränderung stellte die Unternehmen in den 90er Jahren vor neue Herausforderungen. Kontinuierliche Wandlungen auf der Makroebene, etwa in den Bereichen Technologie, Politik, Recht und vor allem die sowohl quantitativen als auch qualitativen Veränderungen auf dem Gebiet der Medien waren darüber hinaus Ursache eines beschleunigten Wertewandels. Abb. 21: Anzeigenmotiv der Marke Benson&Hedges aus dem Jahr 1995 (Quelle: Art Director’s Club 1996, entnommen aus Hansen/Bode 1999, S. 198) Die durch technische Innovationen entstandenen neuen Möglichkeiten der Information, produzierten eine vom Nachfrager nicht mehr zu bewältigende Informationsflut und verlangten von den Unternehmen eine konsequentere Integration aller eingesetzten Kommunikationsinstrumente. Ziel war es, den Nachfragern trotz der Vielzahl an Kommunikationskanälen eine konsistente Botschaft und eine widerspruchsfreie Markenidentität zu präsentieren. Gesamtgesellschaftlich wurde der in den 80er Jahren vorherrschende Individualismus in den 90er Jahren zu einer (zumindest vordergründig) „wahrhaftigen“ Einzigartigkeit des Individuums. Die Individualität einer Person drückte sich dabei vielfach durch den Konsum aus und wurde durch diesen nach außen kommuniziert. Die Unternehmer griffen diesen Trend zur „Identität durch Konsum“ auf und so warb zum Beispiel die Marke Benson&Hedges mit dem Spruch: „Sie sind nicht irgendwer. Rauchen Sie nicht irgendwas“ (vgl. Abb. 21). Auch die Marke Nivea reagiert auf die seitens der Nachfrager intendierte Individualität. Es wurde eine dekorative Kosmetiklinie eingeführt, die es den vornehmlich weiblichen Nachfragern ermöglichte, ihr Aussehen trendgerecht und individuell zu gestalten. Die Kommunikation erfolgte zum Teil ebenfalls in einer individualisierteren Weise durch Beauty-Workshops die von der Firma Beiersdorf seit 1996 regelmäßig durchgeführt wurden und bei welchen den Teilnehmern individuelle Schönheitstips gegeben wurden. Abb. 22: Freizeitentwicklung in Deutschland seit 1950 (Quelle: BAT Institut für Freizeitforschung) Mit der ausgeprägten Individualität entstand ein Drang nach persönlicher Freiheit und damit eng verbunden, der Wunsch nach mehr Freizeit. Dies führte dazu, dass die zur freien Verfügung stehende Zeit im Jahre 1990 erstmals die Dauer der Arbeitszeit überstieg (vgl. Abb. 22). 9 Die Freizeitindustrie begann in dieser Phase zu boomen. Gleichwohl sank durch diese Entwicklung nicht die Bereitschaft zur Arbeit, sondern es fand eher eine Vermischung von Arbeitszeit und Freizeit statt. Diese Vermischung konnte auch auf anderen Ebenen, wie beispielsweise der Freizeit- und Einkaufswelt, beobachtet werden. So entstanden Shopping-Malls in denen man neben einem Kino auch ein Restaurant oder Fitnesscenter besuchen konnte. Für diese zunehmende Vermischung von eigentlicher Kernleistung (dem Kauf oder Konsum) und Erlebnissen stand beispielsweise die Restaurantkette „Planet Hollywood“ (vgl. Abb. 23) Abb. 23: Kernleistung mit Unterhaltung am Beispiel von „Planet Hollywood“ Ein weiterer wesentlicher Trend im sozio-kulturellen Bereich der 90er Jahre war die zunehmende Thematisierung ökologischer Faktoren, welche sich nicht zuletzt durch die Bedeutungszuwächse der grünen Partei oder der Umweltverbände wie BUND und Greenpeace ausdrückte. Daneben zeichneten sich jedoch auch andere Teile der Gesellschaft in den 90ern durch eine explizite „Lockerheit“ im Umgang mit politischen oder kulturellen Themen aus. Zu denken ist hier beispielsweise an die Anhänger der Techno-Bewegung, die fernab politischer Motivationen dem Drang nach Vergnügen und gemeinschaftlichem Spaßgefühl nachging. Auch die Marketing- und Markenkommunikation konnte es sich erlauben, politische Themen die früher unantastbar gewesen wären, in einer humorvollen Weise für die Werbung zu verwenden, wie das Beispiel des Che Guevara in der Sixt-Anzeige zeigt (vgl. Abb. 24). Schließlich schritten in den 90er Jahren die Internationalisierung und Globalisierung der Märkte noch weiter voran. Dieser Trend ist auch heute noch aktuell und eine Umkehr davon nicht vorstellbar. Angesichts von weltweit präsenten Medien wie dem Internet, MTV, dem Nachrichtensender CNN oder der Zeitung „Wall Street Journal“ wird es daher zukünftig für Unternehmen notwendig sein, die Kommunikation nicht nur in einem nationalen Kontext, sondern weltweit stärker zu integrieren und zu überwachen, um starke Marken aufzubauen und den nachhaltigen Unternehmenserfolg zu sichern. Abb. 24: Anzeigenmotiv der Marke Sixt aus dem Jahr 1996 (Quelle: Art Director’s Club 1996 entnommen aus Hansen/Bode 1999, S. 382). 10