Krisenberatung und Krisenbegleitung Teil II

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Krisenberatung und Krisenbegleitung Teil II
Unterlagen für Hochschullehrgang
für SchülerberaterInnen an höheren Schulen
Modul5
Krisenberatung und Krisenbegleitung
Einführung in die Krisenberatung
und Krisenbegleitung Teil II
Lebenskrise – Adoleszenz
Zusammengestellt von Dr. Hans Smoliner
INHALT
1 DIE STUFEN DER PSYCHOSOZIALEN ENTWICKLUNG .................................................................... 1
2. JUGENDZEIT ........................................................................................................................................... 4
3 IDENTITÄT BEI MENSCHEN (aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie) .................................................. 6
4 PERSÖNLICHKEITS- und IDENTITÄTSENTWICKLUNG .................................................................... 7
5 KINDER UND JUGENDLICHE IN GRENZSITUATIONEN................................................................. 10
6 TRAUERREAKTION................................................................................................................................ 13
7 TRAUMA .................................................................................................................................................. 15
8 KRISE UND SUIZIDALITÄT IM JUGENDALTER ................................................................................ 17
9 ABHÄNGIGKEIT ..................................................................................................................................... 22
10 INTERNETABHÄNGIGKEIT ................................................................................................................ 29
11 GEWALT UND GEWALTPRÄVENTION IN DER SCHULE ............................................................... 32
12 LITERATURHINWEISE:....................................................................................................................... 43
Dr. Hans Smoliner
Schulpsychologe, Klin. und Gesundheitspsychologe
Dipl. Kunsttherapeut
Psychotherapeut und Supervisor
Schulpsychologie – Bildungsberatung Feldkirchen
9560 Feldkirchen, Obere Tiebelgasse 5
Tel.: 04276/37 700
Mobil: 0699/100 95 316
[email protected]
www.schulpsychologie-kaernten.ksn.at
Lebenskrise - Adoleszenz
1 DIE STUFEN DER PSYCHOSOZIALEN ENTWICKLUNG
(nach Erikson, 1994)
Ungefähres Alter
Konflikt
0–11 LMo/2 Jahre
Vertrauen vs.
Misstrauen
Stabiles (grundlegendes) Sicherheitsbewusstsein
Unsicherheit, Angst
11LMo/2–3 Jahre
Autonomie vs.
Selbstzweifel
Selbstwahrnehmung als Handelnde(r), als fähig zur Körperbeherrschung und als Verursacher von Geschehnissen
Zweifel an der eigenen Fähigkeit zur Kontrolle über Ereignisse
Initiative vs.
Schuld
Vertrauen auf eigene Initiative und Kreativität
Gefühl fehlenden Selbstwertes
Kompetenz vs.
Minderwertigkeit
Vertrauen auf angemessene
grundlegende soziale und intellektuelle Fähigkeiten
Mangelndes Selbstvertrauen,
Gefühl des Versagens
Festes Vertrauen in die eigene
Person
Wahrnehmung des Selbst als
bruchstückhaft; schwankendes, unsicheres Selbstbewusstsein
Intimität vs.
Isolierung
Fähigkeit zur Nähe und zur
Bindung an jemand anderen
Gefühl der Einsamkeit, des
Abgetrenntseins; Leugnung
des Bedürfnisses nach Nähe
Mittleres
Erwachsenenalter
Generativität vs.
Stagnation
Interesse an Familie, Gesellschaft, künftigen Generationen, das über unmittelbar
persönliche Belange hinausgeht
Selbstbezogene Interessen;
fehlende Orientierung an der
Zukunft
Höheres
Erwachsenenalter
Ich-Integrität vs.
Verzweiflung
Gefühl der Ganzheit, grundlegende Zufriedenheit mit
dem Leben
Gefühl der Vergeblichkeit,
Enttäuschung
3–6 Jahre
6 Jahre–Pubertät
Jugend
(Adoleszenz)
Junges
Erwachsenenalter
Identität vs.
Rollendiffusion
Angemessene Lösung
Unangemessene Lösung
Erikson beschreibt die Entwicklung der kindlichen bzw. der menschlichen Identität (ohne jedoch den
Identitätsbegriff an sich jemals wirklich zu erläutern). Diese entfaltet sich im Spannungsfeld zwischen den
Bedürfnissen und Wünschen des Kindes als Individuum und den, sich im Laufe der Entwicklung permanent verändernden, Anforderungen der sozialen Umwelt. Eriksons Entwicklungstheorie spricht damit den
Beziehungen/der Interaktion des Kindes mit seiner personalen (und gegenständlichen) Umwelt eine tragende Rolle zu. Innerhalb seiner Entwicklung durchläuft der Mensch phasenspezifische Krisen und
Konflikte, welche durch die Konfrontation mit den gegensätzlichen Anforderungen und Bedürfnissen
ausgelöst werden und deren Bewältigung Erikson als Entwicklungsaufgabe bezeichnet.
Jede der acht Stufen stellt einen Konflikt dar, mit dem das Individuum sich aktiv auseinander setzt. (Die
Altersangaben sind Richtwerte und nicht absolut zu sehen.) Die Stufenfolge ist dabei unumkehrbar und
universal. Die erfolgreiche Bewältigung einer Entwicklungsstufe ist für die Bewältigung der nächsten zwar
nicht unbedingt erforderlich, aber hilfreich. Die vorangegangenen Phasen bilden somit das Fundament für
die kommenden Phasen, und angesammelte Erfahrungen werden verwendet, um neue Identitätskrisen zu
verarbeiten. Dabei wird ein Konflikt nie vollständig gelöst, sondern bleibt ein Leben lang aktuell. Für die
Entwicklung ist es aber notwendig, dass er auf einer bestimmten Stufe ausreichend bearbeitet wird, um
die nächste Stufe erfolgreich zu bewältigen.
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
1.1 Stufe 1: Urvertrauen vs. Urmisstrauen
(1. Lebensjahr)
Das Gefühl des Ur-Vertrauens bezeichnet Erikson (1973) als ein „Gefühl des Sich-Verlassen-Dürfens“
(ebenda: 62). Hierzu ist das Kind angewiesen auf die Verlässlichkeit der Bezugspersonen. Werden dem
Kind Forderungen nach körperlicher Nähe, Sicherheit, Geborgenheit, Nahrung etc. verweigert, entwickelt
es Bedrohungsgefühle und Ängste, da eine weitgehende Erfüllung dieser Bedürfnisse lebenswichtig ist.
Zum Anderen verinnerlicht es das Gefühl, seine Umwelt nicht beeinflussen zu können und ihr hilflos ausgeliefert zu sein. Hier entsteht die Gefahr der Etablierung eines Ur-Misstrauens. Es können infantile
Ängste des „Leergelassenseins“ und „Verlassenwerdens“ entstehen (ebd.).
1.2 Stufe 2: Autonomie vs. Scham und Zweifel
(2. bis 3. Lebensjahr)
Erikson bezeichnet dieses Stadium als „entscheidend für das Verhältnis zwischen Liebe und Hass, Bereitwilligkeit und Trotz, freier Selbstäußerung und Gedrücktheit“. Beschrieben wird die zunehmende Autonomieentwicklung des Kindes und ihre Bedeutung für die Manifestierung eines positiven Selbstkonzeptes/Identität. Die Bedingung für Autonomie wurzelt in einem festen Vertrauen in die Bezugspersonen und
sich selbst, setzt also die Bewältigung der Phase „Vertrauen versus Misstrauen“ voraus. Das Kind muss
das Gefühl haben, Explorieren oder seinen Willen durchsetzen zu dürfen, ohne dass dadurch der erworbene „Schatz“ des Vertrauenkönnens und Geborgen-Seins in Gefahr gerät. Hier spielt Erikson zufolge
die Emotion Scham eine wichtige Rolle. Die weitgehende oder permanente Einschränkung der explorativen Verhaltensweisen des Kindes führt dazu, dass es seine Bedürfnisse und Wünsche als schmutzig und
nicht akzeptabel wahrnimmt. Was sich beim Kind etabliert ist schließlich Scham und der Zweifel an der
Richtigkeit der eigenen Wünsche und Bedürfnisse.
1.3 Stufe 3: Initiative vs. Schuldgefühl
(4. bis 5. Lebensjahr)
Findet das Kind mit vier oder fünf Jahren zu einer bleibenden Lösung seiner Autonomieprobleme, steht es
Erikson zufolge bereits vor der nächsten Krise. Er legt hier seinen Fokus stark auf die Bewältigung oder
Nichtbewältigung des „Ödipuskomplexes“. Die symbiotische Beziehung zwischen Mutter und Kind öffnet
sich und das Kind realisiert die Bedeutung anderer Personen im Leben der Mutter. Weiter geht es in erster Linie um eine gesunde Meisterung der kindlichen Moralentwicklung. Die Grundlage für die Entwicklung des Gewissens ist gelegt, das Kind fühlt sich unabhängig vom Entdecktwerden seiner „Missetaten“
beschämt und unwohl. „Aber vom Standpunkt der seelischen Gesundheit müssen wir darauf hinweisen,
dass diese große Errungenschaft nicht von übereifrigen Erwachsenen überlastet werden darf; dies könnte
sich sowohl für den Geist wie für die Moral selbst übel auswirken. Denn das Gewissen des Kindes kann
primitiv, grausam und starr werden, wie sich gerade am Beispiel von Kindern beobachten lässt, die sich
mit einer Abschnürung ihrer Triebe durch Verbote abfinden mussten. Gegebenenfalls verinnerlicht das
Kind die Überzeugung, dass es selbst und seine Bedürfnisse dem Wesen nach schlecht seien. Im Gegenzug dazu beschreibt Erikson das Kind, welches diese Krise bewältigen kann, als begleitet vom Gefühl
„ungebrochener Initiative als Grundlage eines hochgespannten und doch realistischen Strebens nach
Leistung und Unabhängigkeit“(ebenda: 87f).
1.4 Stufe 4: Werksinn vs. Minderwertigkeitsgefühl
(6. Lebensjahr bis Pubertät)
Kinder in diesem Alter wollen zuschauen und mitmachen, beobachten und teilnehmen; wollen, dass man
ihnen zeigt, wie sie sich mit etwas beschäftigen und mit anderen zusammen arbeiten können. Das Bedürfnis des Kindes, etwas Nützliches und Gutes zu machen, bezeichnet Erikson demzufolge als Werksinn
bzw. Kompetenz. Kinder wollen nicht mehr „so tun als ob“ – jetzt spielt das Gefühl an der Welt der Erwachsenen teilnehmen zu können, eine große Rolle. Demgegenüber steht in dieser Phase die Entwicklung
eines Gefühls der Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit. Dieses Gefühl kann sich immer dann etablieren, wenn der Werksinn des Kindes überstrapaziert wird. Auch Kinder, die mit Leistungsansprüchen der
Erwachsenen überfordert werden und sich schließlich selbst überfordern, scheitern häufig in dieser Entwicklungsphase. Kinder fühlen sich aus anderen Gründen minderwertig und unzulänglich, wenn ihr BeDr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
dürfnis etwas zu tun "wie die Großen" ständig unterbunden wird - aus Sorge oder weil es Aufmerksamkeit
für das kindliche Tun erfordert: Sie haben den Eindruck, „nur“ ein unfähiges Kind zu sein, das an der
Welt der Großen nicht teilhaben kann, weil es zu klein, zu schwach und zu unbegabt ist.
1.5 Stufe 5: Identität vs. Identitätsdiffusion
(Jugendalter)
Identität bedeutet, dass man weiß, wer man ist und wie man in diese Gesellschaft passt. Aufgabe des Jugendlichen ist
es, all sein Wissen über sich und die Welt zusammenzufügen und ein Selbstbild zu formen, das für ihn und die
Gemeinschaft gut ist. Seine soziale Rolle gilt es zu finden. Ist eine Rolle zu strikt, die Identität damit zu stark, kann
das zu Intoleranz führen. Schafft der Jugendliche es nicht, seine Rolle in der Gesellschaft und seine Identität zu finden, führt das nach Erikson zu Zurückweisung. Menschen mit dieser Neigung ziehen sich von der Gesellschaft zurück und schließen sich u.U. Gruppen an, die ihnen eine gemeinsame Identität anbieten. Wird dieser Konflikt erfolgreich ausbalanciert, so mündet das in die Fähigkeit der Treue. Obwohl die Gesellschaft nicht perfekt ist, kann man in
ihr leben und seinen Beitrag leisten, sie zu verbessern. (Das gleiche gilt für zwischenmenschliche Beziehungen.)
1.6 Stufe 6: Intimität vs. Isolierung
(Frühes Erwachsenenalter)
Aufgabe dieser Entwicklungsstufe ist es, ein gewisses Maß an Intimität zu erreichen, anstatt isoliert zu bleiben. Die
Identitäten sind gefestigt und es stehen sich zwei unabhängige Egos gegenüber. Es gibt viele Dinge im modernen Leben, die dem Aufbau von Intimität entgegen stehen (z. B. Betonung der Karriere, großstädtisches Leben, die zunehmende Mobilität). Wird zu wenig Wert auf den Aufbau intimer Beziehungen (was auch Freunde etc. mit einbezieht)
gelegt, kann das nach Erikson zur Exklusivität führen, was heißt, sich von Freundschaften, Liebe und Gemeinschaften
zu isolieren. Wird diese Stufe erfolgreich gemeistert, ist der junge Erwachsene fähig zur Liebe. Damit meint Erikson
die Fähigkeit, Unterschiede und Widersprüche in den Hintergrund treten zu lassen.
1.7 Stufe 7: Generativität vs. Stagnation
(Mittleres Erwachsenenalter)
Generativität bedeutet die Liebe in die Zukunft zu tragen, sich um zukünftige Generationen zu kümmern, eigene
Kinder großzuziehen. Erikson zählt dazu nicht nur eigene Kinder zu zeugen und für sie zu sorgen, er zählt dazu auch
das Unterrichten, die Künste und Wissenschaften und soziales Engagement. Also alles, was für zukünftige Generationen "brauchbar" sein könnte. Stagnation ist das Gegenteil von Generativität: sich um sich selbst kümmern und um
niemanden sonst. Zu viel Generativität heißt, dass man sich selbst vernachlässigt zum Wohle anderer. Stagnation
führt dazu, dass andere uns ablehnen und wir andere. Niemand ist so wichtig wie wir selbst. Wird die Phase erfolgreich abgeschlossen, hat man die Fähigkeit zur Fürsorge erlangt, ohne sich selbst dabei aus den Augen zu verlieren.
1.8 Stufe 8: Ich-Integrität vs. Verzweiflung
(Hohes Erwachsenenalter)
Der letzte Lebensabschnitt stellt den Menschen vor die Aufgabe, auf sein Leben zurückzublicken. Anzunehmen, was
er getan hat und geworden ist und den Tod als sein Ende nicht zu fürchten. Das Gefühl noch einmal leben zu müssen, vielleicht um es dann besser zu machen, Angst vor dem Tod, führt zur Verzweiflung. Setzt sich der Mensch in
dieser Phase nicht mit Alter und Tod auseinander (und spürt nicht die Verzweiflung dabei), kann das zur Anmaßung
und Verachtung dem Leben gegenüber führen (dem eigenen und dem aller). Wird diese Phase jedoch erfolgreich gemeistert, erlangt der Mensch das, was Erikson Weisheit nennt - dem Tod ohne Furcht entgegensehen, sein Leben annehmen und trotzdem die Fehler und das Glück darin sehen können.
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2. JUGENDZEIT
2.1 Jugend – Periode des Überganges:
von ABHÄNGIGKEIT zu EIGENSTÄNDIGKEIT
– körperlich
– kognitiv
– emotional
– sozial
– finanziell
2.2 Jugend – erhöhte Risikoaffinität:
–
–
–
–
–
legale und illegale Drogen
sexuelles Risikoverhalten
Risikoverhalten im Straßenverkehr
Mutproben
Faszination des Todes
2.3 Sozialpsychologische Aspekte:
Erhöhte Anforderungen an soziale Kompetenz durch:
–
–
–
–
–
–
–
–
–
Einfluss gesellschaftlicher Faktoren
Zunahme seit den 50er Jahren
Wandel der Lebensumstände
Arbeit
Freizeitausweitung
Stresszunahme
Nachbarschaftsverhältnisse
Familienstruktur
Abnahme der sozialen Kontrolle
2.4 Jugend – Motor Der Gesellschaftlichen Entwicklung:
–
–
–
–
–
Kritikfähigkeit
Wertorientierung
Flexibilität
Kontaktfähigkeit
Träume
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2.5 Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz
(nach Havighurst, 1982)
Adoleszenz
(12-18 Jahre)
Neue und reifere Beziehungen zu Altersgenossen beiderlei Geschlechts aufbauen.
Übernahme der männlich/weiblichen Geschlechterrolle.
Akzeptieren der eigenen körperlichen Erscheinungen
und effektive Nutzung des Körpers
Emotionale Unabhängigkeit von den Eltern und
anderen Erwachsenen.
Vorbereitung auf Ehe und Familienleben.
Vorbereitung auf eine berufliche Karriere.
Werte und ein ethisches System erlangen, das als Leitfaden für Verhalten dient – Entwicklung einer
Ideologie.
Sozial verantwortliches Verhalten erstreben und
erreichen.
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3 IDENTITÄT BEI MENSCHEN
(aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie)
Die Identität eines Menschen besteht darin, dass:
– dieser Mensch von anderen Menschen unterscheidbar ist, und
– dieser Mensch als derselbe/dieselbe identifizierbar bleibt, auch wenn er/sie sich verändert.
Identität entsteht immer innerhalb eines Verhältnisses zwischen dem, was etwas ist und dem, was es nicht
ist. Insbesondere wäre kein Mensch in der Lage, ohne andere Menschen eine Identität als Mensch zu
entwickeln. Denn wir sind auf die Menschen, die wir nicht sind, angewiesen, um uns von ihnen unterscheiden und zugleich Mensch sein zu können. Insofern ist unsere persönliche Identität in ihrem Wesen
sozial.
Da Identität auf Unterscheidung beruht und "Unterscheidung" ein Verfahren ist, das ein Ganzes untergliedert ("scheidet"), kann etwas nur als Teil eines Ganzen Identität erlangen. Daher wird verständlich,
weshalb Menschen ihre Identität als bestimmte Menschen in einem Wechselspiel von "Dazugehören" und
"Abgrenzen" entwickeln.
3.1 Psychische Identität
Die psychische Identität stellt keine wie auch immer geartete eindeutige Essenz oder ein unveränderliches
Wesen dar. Im Gegenteil: Identität als psychologisches Konzept geht geradezu davon aus, dass sich ein
Mensch mit etwas "identifiziert", also ein äußeres Merkmal einer bestehenden Gruppenidentität als sein
eigenes Wesensmerkmal annimmt. In gewisser Hinsicht erscheint dies als notwendiger Prozess zur Heranbildung einer eigenen Persönlichkeit, aber es bleibt stets ein Element der Fremdbestimmung und Zuschreibung.
3.2 Soziale Identität
Die soziale Identität wird einer Person durch die Gesellschaft zugeschrieben und umfasst alle Eigenschaften die diese Identität enthält. Eine soziale Identität ist eng mit der Übernahme bestimmter Rollen innerhalb einer (sozialen) Gruppe verbunden. Eine Rolle kann die berufliche Arbeit sein.
3.3 Verändern der Identität
Ein Mensch verändert dann ihre/seine Identität, wenn
– sie/er sich so verändert, dass dadurch Kriterien, anhand derer sie/er identifiziert wird, unbrauchbar
werden, (z.B. Cross-Gender: Identität als Mann oder Frau verändern; Emanzipation: gemeinsam
Identität entwickeln) oder
– einige Instanzen, welche die Identifizierung vornehmen, entfallen, oder einige Kriterien der Identifizierung geändert werden (z.B. Galileo Galilei: vom Ketzer zum bahnbrechenden Entdecker; Emigration: vom Einheimischen zum Fremden).
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4 PERSÖNLICHKEITS- und IDENTITÄTSENTWICKLUNG
PERSÖNLICHKEITSund
IDENTITÄTSENTWICKLUNG
Selbstwahrnehmung
Selbst- und
Fremdbewertung
Selbstwert
Selbstkonzept
4.1 Einflüsse der Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung
PERSÖNLICHKEITSund
IDENTITÄTSENTWICKLUNG
Schule
Beruf
Begabungen
Fähigkeiten
Interessen
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soziale und
emotionale
Kompetenzen
Familie
Freunde
Partner
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4.2 Jugendsprache als Identitätsfindung
(aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie)
Jugendsprache ist der Jargon der Jugend. Jugendliche sprechen anders als Erwachsene, anders als ihre Eltern. Als wesentliche sprachliche Motive und Motivationen erscheinen Abgrenzung und Selbstdefinition
(Identitätsfindung). Jugendsprache wird meistens nur unter Gleichaltrigen verwendet, in den so genannten Peer Groups (Bezugsgruppe gleichaltriger Jugendlicher). Sie kann von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich sein. Manche Gruppen gebrauchen in hohem Maße Fäkalismen, andere bevorzugen es, ihre eigenen Wortkreationen in ihre Gespräche einzubauen.
Ein großer Teil der Ausdrücke sind Neologismen (Wortneuschöpfungen) - wie zum Beispiel: alken (=
sich hemmungslos betrinken), ödig (= langweilig) oder Härtepreis (= Wucherpreis). Manche Wörter
werden leicht verändert: aus "vorgestern" wird vordergestern, aus "einsam" wird alleinsam und aus "Konzert" Konzi
Andere Begriffe entstehen durch Wortaddition. So ist in der Jugendsprache der Teletubbyzurückwinker
eine kreative Alternative zum "Schwächling"
Viele Begriffe werden gesteigert, indem man super, mega, hammer, extra, spitzen oder ober’ davor setzt.
Im Extremfall werden sogar mehrere dieser Steigerungsformen genutzt: Das war echt ein megaspitzenklasse Konzi!
Ironie und Bedeutungsverschiebungen sind häufig. Eine Massage ist unter Jugendlichen keinesfalls eine
angenehme, durchblutungsfördernde Behandlung, sondern eine Schlägerei, und ein fetter Hund ist kein
übergewichtiger Dackel, sondern ein dem Sprecher sympathischer Mensch (siehe auch: Warmduscher;
ein "Rauchmelder" ist außerdem kein Gerät zur Warnung vor Rauchentwicklung, sondern ein Lehrer, der
kontrolliert, ob Schüler in den Pausen rauchen
Kreatives Verwenden von Zeichen der Popkultur, Werbung, Film oder Jugendszenen, oft in Form von
Anglizismen (englischer Lehnwörter) wie z.B. cool als Synonym für "schön", "toll" oder "beeindruckend",
phat,shice
Hybridformen sind Wörter aus anderen Sprachen (meistens aus dem Englischen), welche "eingedeutscht"
werden, wie zum Beispiel mailen (= E-Mails versenden) oder chillen (= sich ausruhen, entspannen)
(de.wikipedia.org). Außerdem findet sich die „klangliche Eindeutschung“, wie sie z. B. bei dem Wort
‚Workmän’ (= Walkman) stattgefunden hat. (Hermann Ehmann – Voll konkret).
Fäkalismen und sexuelle Begriffe sind in der Jugendsprache alltäglich. Jugendliche kreiren und gebrauchen häufig Schimpfwörter. Diese mögen zwar anstößig klingen, sind aber meistens nicht ernst gemeint.
Es ist also tatsächlich normal, wenn man hört, dass ein Jugendlicher zu seinem Kameraden sagt: Ach fick
dich doch, du Spasti!, denn es heißt so viel wie "Lass mich doch in Ruhe."
Die meisten Ausdrücke der Jugendsprache verschwinden nach etwa 10-20 Jahren wieder aus dem
Sprachgebrauch. Manches bleibt aber auch erhalten und ist eine Hauptquelle für den allmählichen
Sprachwandel.
Versuchen ältere Menschen, Jugendsprache zu benutzen (etwa Politiker, die selbst "jugendgemäß" erscheinen möchten), so wirkt dies oft unbeholfen und löst Heiterkeit unter jungen Menschen aus.
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4.3 Die 16 Lebensmotive
(Steven Reiss, 1998)
1. MACHT:
Streben nach Erfolg, Leistung, Führung und Einfluss
2. UNABHÄNGIGKEIT:
Streben nach Freiheit, Selbstgenügsamkeit und Autarkie
3. NEUGIER:
Streben nach Wissen und Wahrheit
4. ANERKENNUNG:
Streben nach sozialer Akzeptanz, Zugehörigkeit und positivem
Selbstwert
5. ORDNUNG:
Streben nach Stabilität, Klarheit und guter Organisation
6. SPAREN:
Streben nach Anhäufung materieller Güter und Eigentum
7. EHRE:
Streben nach Loyalität und moralischer, charakterlicher
Integrität
8. IDEALISMUS:
Streben nach sozialer Gerechtigkeit und Fairness
9. BEZIEHUNGEN:
Streben nach Freundschaft, Kameradschaft und Humor
10. FAMILIE:
Streben nach einem Familienleben und besonders danach,
eigene Kinder zu erziehen
11. STATUS:
Streben nach social standing, nach Reichtum, Titeln und
öffentlicher Aufmerksamkeit
12. RACHE:
Streben nach Konkurrenz, Kampf, Aggressivität und Vergeltung
13. ROMANTIK:
Streben nach einem erotischen Leben, Sexualität und
Schönheit
14. ERNÄHRUNG:
Streben nach Essen und Nahrung
15. KÖRPERLICHE AKTIVITÄT:
Streben nach Fitness und Bewegung
16. RUHE:
Streben nach Entspannung und emotionaler Sicherheit
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5 KINDER UND JUGENDLICHE IN GRENZSITUATIONE
(nach Gertrude Bogyi, Universitätsklinik für Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters)
5.1 Grenzsituationen
–
–
–
–
Begegnung mit dem Tod
Chronisch kranke Bezugspersonen
Unfall
Scheidung der Eltern
–
–
–
–
Physische, psychische Gewalt
Zeugenschaft
Fluchttrauma
Katastrophen
5.1.1 Kritisches Ereignis
– Plötzlich und unerwartet auftretend
– Gewohnte Bewältigungsmechanismen überfordert
– Psychische Stressbelastung
Beispiele.: Verlust oder Tod eines nahe stehenden Menschen, Unfall, schwere Krankheit, Trennung, Gewalt, Überfall, sexueller Missbrauch, Großschadensereignisse, Naturkatastrophen...
Nicht jedes kritische Ereignis muss in eine Krise führen und nicht jede traumatische Krise muss zu psychischen Störungen führen!
Bei entsprechenden Bewältigungsmöglichkeiten kann die Person nach Durchleben der verschiedenen
Phasen ihr gewohntes Leben wieder aufnehmen. Nicht mit der gleichen psychischen Ausstattung wie vorher, sondern durch die Erfahrung reicher eine Krise bewältigt zu haben. Viele der Betroffenen können das
Erlebte, nach einem entsprechenden Bearbeitungszeitrahmen und mit Hilfe der Unterstützung ihres sozialen Umfeldes, bewältigen, d.h. in ihre Lebensgeschichte einordnen, sodass es ein Stück ihrer psychischen Identität ist.
5.1.2 Traumatisches Erlebnis
Traumatische Erlebnisse sind Grenzerfahrungen - sie bringen Individuen an die Grenze ihrer Belastbarkeit, ihrer Flexibilität, ihres Handlungsvermögens, ihres Fassungsvermögens und oft an die Grenze zwischen Leben und Tod. (Butollo, 2003)
Ein traumatisches Erlebnis wird als vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren
und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten erlebt, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einher geht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirken kann.
5.1.3 Traumatische Reaktion
Biphasischer Wechsel zwischen Intrusion und emotionaler Dumpfheit (emotionale Anästhesie), der gewissermaßen mit Hilfe einer Schaukelbewegung zur Verarbeitung der traumatischen Erfahrung beitragen
kann.
Intrusionen oder „Flashbacks": Belastende und sich aufdrängende Erinnerungen und Eindrücke, meist
in Form von sensorischen Wahrnehmungen (Bilder, Gerüche, Töne, Geschmack ...). Der Betroffene erlebt es so, als wäre es im Hier und Jetzt – er kann nichts dagegen tun - erlebt das Trauma sozusagen wieder.
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5.2 Phasen der Krisenbewältigung
(nach Erika Schuchardt)
Ungewissheit
Was ist eigentlich los?
Gewissheit
Eingangsstadium I
Ja aber das kann doch nicht sein...
Kognitiv-reaktiv fremdgesteuerte Dimension
Aggression
Warum gerade ich?
Verhandlung
Wenn... dann muss aber?
Depression
Durchgangsstadium II
Wozu..., alles ist sinnlos?
emotional ungesteuerte Dimension
Annahme
Ich erkenne jetzt erst
Aktivität
Ziel Stadium III
Ich tue das
reflexiv-aktional selbstgesteuerte Dimension
Solidarität
Wir handeln
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5.3 Beurteilung von Krisen bei Kindern und Jugendlichen
Um das Ausmaß einer Krise erfassen zu können, hat es sich bewährt, Krisen in Bezug auf die Zahl der betroffenen Dimensionen zu betrachten:
Welche und wie viele Säulen der Identität sind "angeknackst", welche und wie viele sind stabil, geben Sicherheit und wirken kompensierend?
5.5.1 Säulen der Identität:
1.
2.
3.
4.
5.
Körper, Sexualität, phys. Gesundheit,
Soziales Netz, Freunde, Beziehungen,
Tätigkeiten, Arbeit, Freizeitgestaltung,
Wohnen, Geld, Materielles,
Werte, Religion, Spiritualität
Wie Krisen erlebt und verarbeitet werden, hängt allerdings nicht nur davon ab, wie tiefgreifend und allumfassend die Erschütterungen sind, sondern auch davon, welche Erfahrungen ein Mensch in seinem bisherigen Leben mit Krisen und deren Überwindung gemacht hat.
5.5.2 Zum Verlauf von Krisen
Ein "typischer Krisenverlauf" lässt sich - schematisch und grob vereinfacht - folgendermaßen darstellen:
– Ein krisenhaftes Geschehen wird durch innere und/oder äußere Ereignisse (Konflikt/Trauma) ausgelöst (z.B. Kündigung, Tod der Mutter)
– Es entsteht Turbulenz, Unsicherheit, Verwirrung, Angst (Engpass-Gefühl). Die alten Abwehrstrukturen sind labilisiert, drohen sich aufzulösen. Diese Phase dauert unterschiedlich lange und verläuft
unterschiedlich dramatisch bis zum
– Höhepunkt / Wendepunkt im Krisenverlauf (Crisis heißt "Höhepunkt")
– Lösung der Krise im positiven Sinn - wenn nicht, wird dieser Kreislauf vielleicht einige Male durchlebt, durchlitten, bis mehr und mehr losgelassen werden kann - sofern dieser Prozess nicht an irgendeiner Stelle "chronisch" blockiert ist.
5.5.3 Betroffene Personen:
1. Primäropfer: vom Ereignis selbst unmittelbar traumatisiert, also z.B. Verletzte, Verschüttete, Missbrauchsopfer...
2. Secundäropfer: die durch den Anblick der Unfallstelle oder durch die Hilfe für die Opfer traumatisiert wurden. Das können Zuschauer, Angehörige, Notärzte, Sanitäter, Feuerwehrmänner, Exekutivbeamte, Notfallpsychologen, -Seelsorger, freiwillige Helfer, etc. sein.
3. Tertiäropfer: die nicht vor Ort waren, aber durch die Nachricht des Ereignisses traumatisiert wurden, also z.B. Angehörige und Freunde der Opfer, Nachbarn, Hinterbliebenen, aber auch Telefonisten in Organisationen.
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
6 TRAUERREAKTION
6.1 Definition von Trauer:
(nach Jorgos Canacakis, 1992)
„Trauer ist die gesunde, lebensnotwendige, kreative Reaktion auf Verlust – und Trennungsereignisse“
6.2 Trauer - Emotion und Prozess
1.
2.
3.
4.
5.
Biologische Ebene
Physiologische Ebene
Psychische Ebene
Soziale Ebene
Historische und kulturelle Ebene
6.3 Trauerreaktionen von Kindern und Jugendlichen
Kinder und Jugendliche trauern anders als Erwachsene. Sie sind angewiesen:
– auf Bezugspersonen
– auf Information
und sie haben einen anderer Trauerrhythmus:
– sprunghaft, unberechenbar, punktuell
– Re-Grieving Phänomen:
Prozess muss mit jedem Entwicklungsschritt immer wieder neu aufgenommen werden
6.3.1 Einflussfaktoren bei Kindern und Jugendlichen
– Reaktion der Eltern , Elternteil
– Rolle der verlorenen Person im Leben des Kindes
– Qualität der Beziehung
– Geschlecht
– Alter und Entwicklungsstufe
– Persönlichkeitsstruktur und
Abwehrmechanismen
– Todesbegriffsentwicklung
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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–
–
–
–
–
Todesart und Begleitumstände
Frühere Erfahrungen mit dem Tod
Anzahl der Verluste
Soziales Umfeld
Religiöse Vorstellungen
Veränderungen, die Ereignis nach sich
zieht
– Weitere Verluste
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Lebenskrise - Adoleszenz
6.3.2Trauerreaktionen von Kindern und Jugendlichen
Trauerreaktionen von Kindern
–
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–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
Angst, selbst zu sterben
Trennungsängste
Verlustängste
Bestrafungsängste
Aktives Verdrängen
Übertriebene Ausgelassenheit
Wunsch, dass alles „normal“ weitergeht
Wunsch nach Wiedervereinigung
Existentielle Fragen
Sachfragen
Wut und Aggression
Schuldgefühle
Interventionsfantasien
Suche nach Verursacher
Idealisierungstendenzen des Verlorenen
Weinen oft dann nicht, wenn es erwartet wird
– Sprunghaftes punktuelles Trauern
Trauerreaktionen von Jugendlichen
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
Rückzug, Abkapseln
Wunsch nach Ablenkung
Gespräch mit Freunden
Sinnkrise
Abenteuer
Übertriebene Unterhaltung
Bedürfnis, eigenes Leben zu verändern
Verstärktes Autonomiebestreben
Aufsuchen des Tatortes
Psychosomatische Beschwerden
Essensverweigerung
Suizidgedanken
Suchtverhalten
6.3.3 Maskierte Trauerreaktionen
–
–
–
–
–
–
Schulversagen
Delinquentes Verhalten
Depressive Erkrankungen
Angst – und Zwangsstörungen
Suchterkrankung
Suizidalität
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
7 TRAUMA
7.1 Definition nach ICD – 10:
Traumen sind kurz oder lang anhaltende Ereignisse oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung mit
katastrophalem Ausmaß, die nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde
Große Bandbreite traumatischer Situationen und Situationskonstellationen lässt kein einheitliches
„Traumasyndrom“ erwarten
7.2 Psychische Traumatisierung
– Vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten
– Gefühle der Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe
– Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis
7.2.1 Posttraumatische Belastung
– Akute Belastungsstörung
– Posttraumatische Belastungsstörung
– Anpassungsstörung
– Dissoziative Störungen
– Psychotische Störungen
– Depression
7.2.2 Unterschied zwischen Akuter und posttraumatischer Belastungsstörung
Akute Belastungsreaktion
–
–
–
–
–
–
Zustand der Betäubung
Rückzugsverhalten
Überaktivität
Vegetative Zeichen panischer Angst
Ärger, Aggression
Verzweiflung
Posttraumatische Belastungsstörung
– Anhaltendes Er- oder Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen (Flashbacks)
– Lebendige Erinnerungen, sich wiederholende
Träume
– Verallgemeinerung belastender Situationen
– Gedächtnis- und Merkfähigkeitsstörungen
– Erhöhte psychische Sensibilität und Erregung
– Vermeidungsverhalten
7.2.3 Vergleich von Trauer und Posttraumatischem Stress
(Raphael, 2003)
Trauer
– Konzentration auf verlorene Person
– Sehnsucht nach der verlorenen Person
– Erregung beim flüchtigen Gedanken an verlorene Person
Posttraumatischem Stress
– Konzentration auf Tod und Bilder des Grauens
– Streben nach Sicherheit, Geborgenheit
– Erregung wegen möglicher weiterer Bedrohungen
7.2.4 Psychogenes Schocksyndrom
(Walter Spiel 1974)
1. Panikreaktion, Fluchttendenzen, Angst, Apathie
2. Aktive Verdrängung gegen die Bewusstmachung der Ereignisse, Bearbeitung in Fantasie
3. Symptombildung – oft erst nach 6 – 12 Monaten: Leistungsabfall, Rückzug,
Angst Kontaktprobleme etc.
4. Bearbeitung in der Realität möglich
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
15
Lebenskrise - Adoleszenz
7.3 Arten von Trauma
7.3.1 Kindheitstrauma Trauma – Typ
Leonore Terr 1995, unterscheidet zwischen:
– Trauma Typ 1: einmaliges traumatisches Erlebnis
– Trauma Typ 2 : längerdauernde, wiederholte traumatische Ereignisse
– Unterschiedliche Reaktionsweisen
Trauma Typ 1
–
–
–
–
–
–
Trauma Typ 2
Unfälle
Längerfristige Trennungen
Operative Eingriffe
Schwere Erkrankungen
Verbrennungen
Todeserlebnis
–
–
–
–
Trauma – Opfer Typ 1
Trauma - Opfer –Typ 2
–
–
–
–
–
–
–
–
– Detaillierte Erinnerungen
– Wahrnehmungsverzerrungen
– Schuldzuschreibungen
Vernachlässigung
Misshandlung
Missbrauch (emotional, sexuell)
Chronische Traumatisierung durch Krieg,
Flucht, Folter
Depersonalisation
Dissoziation
Andauer von Wut und Ärger
Emotionale Anästhesie
Wendung der Wut gegen die eigene Person
Selbstverletzungen
Suizidgedanken
Aggression nach außen:
Opfer werden zu Tätern
Kombination Typ 1 und Typ 2
– Langfristig bestehende traumatische Situationsfaktoren in Verbindung mit schockartigen Verletzungen und Verlusten führen in der Regel zu anhaltender pathologischer Trauer und Depression.
– Integration in das Selbstbild fällt extrem schwer.
7.3.2 Kindheitstraumata
1.
2.
3.
4.
Wiederkehrende sich aufdrängende Erinnerungen
Repetitive Verhaltensweisen z.B.: traumatisches Spiel
Traumaspezifische Ängste
Veränderte Einstellung zum Leben und zur Zukunft
7.3.3 Trauma und Entwicklung
– Alter und Entwicklungsstand
– Ausmaß der Traumatisierung
– Soziales Umfeld
Eine starke soziale Unterstützung bei bekannter (akuter) Traumatisierung hält die Folgen eher gering.
Geringe soziale Unterstützung und scheinbar geringe Traumatisierung (Vernachlässigung) im frühen Alter führen eher zu schweren Folgen in der Entwicklung
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
16
Lebenskrise - Adoleszenz
8 KRISE UND SUIZIDALITÄT IM JUGENDALTER
Die Jugendzeit ist für jeden die Zeit, in der er sich von der Geborgenheit der Kindheit trennt. Es ist die
Zeit, sich selbst stark genug zu fühlen, von nun an alles selbst zu machen und zudem besser, aufrichtiger,
konsequenter als die Eltern.
Dann ist es wieder die Zeit der Selbstzweifel, der Unsicherheit, der Schwäche – schnell wechselnd will der
Jugendliche wieder zurück in die Geborgenheit der Kindheit, will wieder klein sein, nichts machen, nichts
selbst entscheiden müssen.
Zu Veränderungen, Trennungen und Brüchen gehören Krisen.
Annähernd zwei Drittel aller Suizide werden von Männern begangen. Suizidversuche werden zu zwei
Dritteln von Frauen begangen. Wir verstehen Suizidversuche als einen Schrei nach Hilfe, so dass wir davon ausgehen, dass Frauen eher als Männer auch in zugespitzten Situationen in der Lage sind, um Hilfe
zu rufen. Männer scheinen demgegenüber ihrer klassischen Rolle zu erliegen und seltener Hilfe in Anspruch nehmen (sie kommen auch deutlich weniger in Beratungseinrichtungen) und greifen eher zu Mitteln, die Helfern weniger Chancen lassen.
Zwei Drittel aller Jugendlichen kennen Suizidgedanken. Dies muss nicht Angst machen. Suizidgedanken
können Teil einer gesunden Entwicklung in der Adoleszenzphase sein. In dieser Lebensphase stellt sich
die Frage: „Warum soll ich die Kindheit verlassen? Warum soll ich erwachsen werden? Warum lebe ich?“
Suizidgedanken haben oftmals eine lebensstabilisierende Funktion, wenn sie in eine Stärkung des eigenen
Selbst münden. Was jedoch, wenn diese Phantasie ins Leere geht, wenn sich bei einem Kind oder Jugendlichen nicht das Gefühl einstellt, "„dann werden meine Eltern um mich traurig sein“, „dann werden meine
Eltern alle Ungerechtigkeiten, die sie mir angetan haben, spüren und bereuen“? In solchen Fällen eines
offenen, unklaren Ausganges suizidaler Gedanken werden sich die Gedanken verdichten, sozusagen in
der Praxis die Reaktion der Eltern zu überprüfen, ob sie über den Tod des Kindes wirklich traurig sind.
Es kommt zu Auffälligkeiten, wie viel zu spät von der Schule zurückzukommen, um die Reaktion der Eltern oder anderer wichtiger Beziehungspersonen zu überprüfen. „Warten sie wirklich auf mich oder sind
sie froh, wenn ich weg bin?“ Wenn auch hier die Antwort nicht zu finden ist, verdichten sich die Gedanken zum Suizid. „Wenn ich dann daliege, leblos, voller Tabletten, müsst ihr neu entscheiden: Wollt ihr
mich, liebt ihr mich, so rettet mich – ansonsten will ich lieber sterben.“
8.1 Einschätzung der Suizidalität
Die wichtigsten Hinweise auf Suizidgefahrdung sind direkte oder indirekte Äußerung von Suizidgedanken, entsprechende Vorbereitungen, Ankündigungen und Handlungen. Je konkreter die Vorstellung, desto größer ist das Risiko!
8.1.1 Risikogruppe
– Alkohol-, Medikamenten-, Drogenabhängige
– Depressive
– Alte und Vereinsamte
– Entwurzelte Menschen
– Suizidankündigung
– Früherer Suizidversuch
8.1.2 aktuelle Krise:
– Schock-, Reaktionsphase bei traumatischer Krise (durch den Notfall ausgelöst)
– Vollbild der Krise bei Veränderungskrise (durch den Notfall verstärkt)
8.1.3 suizidale Entwicklung
– Erwägung (Suizid als Möglichkeit)
– Abwägung (Schwanken zwischen ja und nein)
– Entschluss (Wunsch Suizid zu begehen)
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
8.1.4 Präsuizidales Syndrom
– Einengung (situativ, affektiv, bezüglich Beziehungen oder Werten), Gedanken kreisen nur noch um
den geplanten Suizid.
– Gehemmte Aggression
– Suizidphantasien
8.2 Präsuizidales Syndrom
(nach E. Ringel)
8.2.1 A - Einengung
situative Einengung
– Umwelt ist übermächtig, erdrückend, überfordernd
– Einengung infolge bloßer Einbildung
– als Folge eines Schicksalsschlages: Verlust der Familie, einer geliebten Person
dynamische Einengung
Im normalen gesunden Status des Menschen spielen Kräfte und Gegenkräfte miteinander und halten den
Menschen in der Balance. In einem pathologisch präsuizidalen Zustand ist diese Balance verloren gegangen, eine Kraft wird übermächtig und die Gegenregulationsmechanismen versagen.
Einengung der zwischenmenschlichen Beziehungen
Der zum Suizid Neigende ist immer ein einsamer, isolierter Mensch. Der Selbstmordversuch ist ein Hilfeschrei nach Beistand, nach Integration. Der Selbstmord erfolgt, wenn dieser Hilfeschrei missglückt ist.
(bei mehr als 1/3 aller Selbstmörder sind vorher Suizidversuche vorausgegangen.)
Einengung des Werterlebens
Der zum Selbstmord Neigende ist immer ein in seinem Werterleben gestörter Mensch. Er hat kein Selbstwertgefühl; er hält nichts mehr von sich selbst. Die Einstellung zum Selbstwertgefühl ist immer verbunden
mit einer Störung der Beziehung zu den Werten.
8.2.2 B - Masochistische Aggressionen:
Gehemmte und gegen die eigene Person gerichtete Aggressionen. Der Selbstmord ist ein unbeschreiblich
aggressiver Akt. Es kommt vorerst zur Anstauung von Aggressionspotentialen. Diese können dann nicht
nach außen abreagiert werden, und es kommt unter dem Druck der Aggressionen zur Wendung der Aggression auf die eigene Person.
8.2.3 – Selbstmordphantasien:
Die Phantasien werden beim Selbstmordgefährdeten vorerst als Ventil intendiert. „Wenn es mir schlecht
geht, kann ich noch immer Selbstmord begehen.“ Schließlich kommt es zur Umkehr: Gedanken, die er
vorerst selbst gerufen hat, wird er nun nicht mehr los. Die Gedanken drängen sich auf, überwältigen ihn;
sie treiben das Opfer in die Aktion des Selbstmordes hinein.
Fortschritt der Phantasie in drei Stadien:
– Wunsch, tot zu sein.
– Idee, Selbstmord zu begehen.
– Fixierung auf eine bestimmte Methode. (Höchster Grad der Gefahr!)
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
8.3 Motive für eine Suizidhandlung
(Henseler, In: Wedler, 2001)
Können aus 4 Bereichen gleichzeitig kommen:
– Autoaggression
– Aggression - will andere durch seinen Tod und durch die dadurch bei diesen induzierten Schuldgefühlen bestrafen, evtl. auch erpressen.
– Flucht - möchte nur seine Ruhe haben
– Appell
Der unterschiedliche Charakter der Motive, zeigt schon die Ambivalenz suizidaler Menschen.
„Der suizidale Mensch will eigentlich nicht sterben, aber unter den gegebenen Bedingungen auch nicht
mehr weiterleben". Es handelt sich häufig um den Wunsch nach Ruhe, Entspannung und Wohlbefinden.
Diese Unsicherheit des Suizidanten bietet eine Chance für die Krisenintervention!
8.4 Wie äußert sich Suizidgefährdung bei Kindern und Jugendlichen?
(aus www. neuhland.de)
Suizidgefährdung ist auf den ersten Blick nicht ohne weiteres erkennbar. Fast allen Suiziden gehen Signale bzw. mehr oder weniger konkrete Hilferufe voraus. Alarmzeichen zeigen sich häufig durch ein verändertes Verhalten, das auch in der Schule zu beobachten ist. Dazu gehören:
– Leistungsabfall
– Schulverweigerung, Schwänzen
– Unkonzentriertheit
– Beschäftigung mit dem Thema Tod (Zeichnungen, Aufsätze, verbale Äußerungen)
– verändertes Sozialverhalten (Abbruch von Freundschaften, Rückzug oder aggressiv abwehrendes
Verhalten)
– äußerliche Veränderungen (Vernachlässigung, starke Gewichtszu- oder -abnahme)
– körperliche Beschwerden unklarer Ursache (Kopf-, Bauchschmerzen, Schwindelgefühle)
– Verschenken von liebgewordenen Sachen
8.4.1 Wie fühlt sich ein Suizidgefährdeter Schüler?
Ein Suizidversuch erzählt immer eine längere Geschichte. Vielschichtige Erfahrungen und Erlebnisse verdichten sich bei einem suizidalen Jugendlichen zu einem Gefühl der Wertlosigkeit, sie stehen vor einem
Berg von Problemen, die sie nach ihrem Empfinden niemals lösen können, sie fühlen sich häufig ungeliebt, überfordert, hilflos, eingeengt. Bisher angewandte Handlungs- und Problemlösungsstrategien funktionieren nicht mehr. Gefühle von Versagen und "alles hat keinen Sinn mehr" verstärken sich. Die meisten
Jugendlichen, die einen Suizidversuch unternehmen, wollen leben.
Viele formulieren ihre Gefühle:
"Ich wollte eigentlich nicht tot sein, nur meine Ruhe haben, den Druck und alle Probleme los sein. Ich will
eigentlich leben, aber so wie jetzt kann ich nicht mehr."
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
8.5 Auslöser und Ursachen suizidalen Verhaltens
(aus www. neuhland.de)
Zu unterscheiden sind Auslöser und Ursachen suizidalen Verhaltens. Im Vorfeld eines Suizidversuchs
finden sich unterschiedliche Belastungssituationen.
5.5.1 Auslöser sind aktuell belastende Situationen:
–
–
–
–
–
Versagenserlebnisse
Enttäuschungen
Liebeskummer
sexuelle Identitätsprobleme
Trennung von Freund oder Freundin
–
–
–
–
Todesfälle in der Familie
Scheidung der Eltern,
Gewalterfahrungen
Schulversagen
Solche Faktoren können den "letzten Tropfen" bedeuten, "der das Fass zum Überlaufen bringt".
Langandauernde Belastungsfaktoren bestimmen das Lebensgefühl des Suizidgefährdeten. Sie sind die Ursachen für suizidales Verhalten.
5.5.2 Ursachen für suizidales Verhalten:
– gespannte Familienatmosphäre
– häufige Streitigkeiten der Eltern
– ablehnendes oder überforderndes Verhalten
der Eltern
– Funktion als Partnerersatz für einen Elternteil
– Sündenbockfunktion
Kinder und Jugendliche, die dauerhaft solchen Belastungssituationen ausgesetzt sind, haben wenige Möglichkeiten, ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln.
8.6 Umgang mit suizidgefährdeten Schülern/Innen
8.6.1Grundsätze
– alle Äußerungen ernstnehmen
– Ruhe bewahren
– Informationen besorgen
– vertrauensvolle Gespräche mit Betroffenen suchen
(besonders wichtig: Ernstnehmen des Gesprächspartners und aktives Zuhören)
– Betroffene Schüler(in) nicht alleine lassen
– Kontakt mit Experten herstellen, um weitere Schritte zu beraten
(z.B. Schulpsychologie, Schularzt, etc.)
– weiterführende Interventionen nach Bedarf
– Betroffenheit zulassen, allenfalls mit ganzer Klasse Perspektiven entwickeln
– wenn notwendig: Aufarbeitung in der Klasse; Aufarbeitung im Lehrerteam; am besten mit externen
Experten (Kontakte über Schulpsychologie etc.)
– geeignete Vertrauenspersonen für Prozessbegleitung in der Klasse suchen (Peers?)
– Bei eingetretenem Suizid: Vorsorge für Psychohygiene der Lehrer treffen und überlegen, wie der
Vorfall in der Klasse aufgearbeitet werden kann. (Möglicherweise durch Zuziehung von Experten
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
8.7 Suizidpräventive Maßnahmen in der Schule
(Aus www. neuhland.de)
Lehrer sind wichtige Multiplikatoren, sie werden mit vielfältigen Verhaltensweisen ihrer Schüler konfrontiert, werden von den Schülern angesprochen, müssen reagieren. Es wäre eine Überforderung, von den
Lehrern zu erwarten, therapeutische Funktionen zu übernehmen. Sie können die Probleme der suizidgefährdeten Kinder und Jugendlichen nicht lösen, aber oftmals können sie Entlastungen schaffen (zuhören)
und Hilfsmaßnahmen in die Wege leiten.
Es geht darum, die Probleme der Schüler wahrzunehmen, die soziale Kompetenz der Schüler zu stärken.
Es ist weder verantwortungsvoll, die Probleme der Schüler erst gar nicht wahrzunehmen, noch sich für alles alleine verantwortlich zu fühlen. Im Rahmen des Schulunterrichts sollte Raum und Zeit zur Verfügung
stehen, um über Selbstmordgedanken sprechen zu können (die meisten Jugendlichen haben in Konfliktsituationen irgendwann einmal den Gedanken, es könnte auch eine Lösung sein, das Leben zu beenden).
Wichtige Bestandteile der Suizidprophylaxe sind:
– Raum zu schaffen, über solche Gedanken sprechen zu können,
– ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass Suizidgedanken nicht Verrückt- oder Kranksein bedeutet,
sondern Ausdruck von schwerwiegenden Konflikten und Beziehungsproblemen sind,
– die Möglichkeit zu schaffen, über Probleme und mögliche Lösungsstrategien zu sprechen,
– das Thema Suizidalität zu enttabuisieren.
Eine der wichtigsten Interventionen bei Suizidgefährdung ist die Kommunikation,
das "In-Beziehung-Gehen".
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
9 ABHÄNGIGKEIT
(aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie)
Die Begriffe Abhängigkeit, Sucht und Missbrauch werden vielfach bedeutungsgleich verwendet:
Als Abusus (lat.) oder Missbrauch bezeichnet man den übermäßigen Konsum einer oder mehrerer Drogen.
Hierzu zählen Medikamente, Alkohol, Nikotin, Analgetika, Tranquilizer, Amphetamine, Psychotrope Substanzen wie Opiate, Cannabisprodukte, Schnüffelstoffe, LSD, Kokain, Heroin oder Crack. Die aufgeführten
Substanzen führen – in jeweils unterschiedlicher Ausprägung – zuerst zur Gewöhnung, dann zu psychischer
und schließlich zu körperlicher Abhängigkeit.
Der Begriff Abhängigkeit (umgangssprachlich: Sucht) steht in der Medizin und klinischen Psychologie für
das unabweisbare Verlangen nach bestimmten Stoffen oder Verhaltensformen, durch die ein kurzfristig
befriedigender Erlebniszustand erreicht wird. Diesem Verlangen werden nach Verständnis der Weltgesundheitsorganisation die Kräfte des Verstandes untergeordnet. Es beeinträchtigt die freie Entfaltung einer Persönlichkeit und kann die sozialen Bindungen und die sozialen Chancen eines Individuums beeinträchtigen oder zerstören, was sehr häufig der Fall ist. Abhängigkeit wird von der WHO als Krankheit
eingestuft [1]und nicht als Willens- oder Charakterschwäche.
Die WHO definiert Abhängigkeit als „einen seelischen, eventuell auch körperlichen Zustand, der dadurch
charakterisiert ist, dass ein dringendes Verlangen oder unbezwingbares Bedürfnis besteht, sich die entsprechende Substanz fortgesetzt und periodisch zuzuführen.“
Im offiziellen Sprachgebrauch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) existierte der Begriff „Sucht“ von
1957 bis 1963. Danach wurde er durch „Missbrauch“ und „Abhängigkeit“ ersetzt. In wissenschaftlichen
Arbeiten wird der Begriff „Sucht“ daher seltener verwendet. Umgangssprachlich werden Abhängigkeit
und Sucht synonym verwendet, Das Wort „Sucht“ ist weit verbreitet.
Wortherkunft
Das Wort „Sucht“ (germ. suhti-, ahd. suht, suft, mhd. suht) ist nicht verwandt mit „suchen“. Es geht auf
„siechen“ (ahd. siechen, mhd. siuchan) zurück, das Leiden an einer Krankheit. Im heutigen Sprachgebrauch ist das Adjektiv „siech“ (vergleiche auch engl. sick) nur noch regional gebräuchlich.
Bereits 1888 definierte Meyers Konversationslexikon „Sucht“ als ein in der Medizin veraltetes Wort, das
früher ganz allgemein Krankheit bedeutete. Heute wird „Sucht“ in der Jugendsprache im Sinne von Bedürfnis, „Sucht nach etwas“ verwendet („habe eine Sucht auf“). In zusammengesetzter Form kommt es
in vielen Kontexten der Alltagssprache vor: Schwindsucht, Wassersucht, Fettsucht, Fallsucht, Gelbsucht,
Mondsucht, Trunksucht, Sehnsucht, „Naschsucht“, „Suchtbeziehung“, „Suchttherapie“.
Das Adjektiv „süchtig“ kennzeichnet stoffabhängige und stoffunabhängige Suchtbeziehungen in konkreter wie auch übertragener Bedeutung in unterschiedlichsten Zusammenhängen („kokainsüchtig“, „süchtig
nach Liebe“, „eifersüchtig“, „publicitysüchtig“).
9.1 Stoffgebundene vs. nicht-stoffgebundene Abhängigkeit
Den sogenannten stoffgebundenen Abhängigkeiten (z. B. der körperlichen Alkohol-, Nikotin-, Heroinabhängigkeit sowie der psychischen Cannabis- und Kokainsucht) kommt dabei eine repräsentative Bedeutung zu. Sie veranschaulichen in drastischer, aber zugleich auch einschränkender Weise eine Erscheinung, der man auf fast allen Gebieten des menschlichen Erlebens und Verhaltens begegnen kann. Ob Arbeiten, Sammeln, Kaufen, Spielen, Essen oder Sexualität – fast jede Form menschlichen Interesses kann
sich zu einer Abhängigkeit steigern, der Krankheitswert zukommt (=nicht-stoffgebundene Abhängigkeit).
Bei den letztgenannten Abhängigkeiten spricht man von Verhaltenssüchten. Übermäßig ausgeprägte Persönlichkeitseigenschaften wie Machtstreben oder Bindungsbedürfnis werden dagegen als Bestandteil von
Persönlichkeitsstörungen angesehen.
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
9.1.1 Liste verschiedener Abhängigkeiten bzw. Süchte
Stoffgebundene Abhängigkeiten
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
Alkoholsucht – Alkohol
Amphetaminsucht
Barbituratsucht
Benzodiazepinsucht
Cannabissucht
Codeinsucht
Heroinsucht
Kokainsucht
Morphinsucht
Nikotinsucht
Koffeinsucht
Polytoxikomanie
Schokoladensucht
Essstörungen (zum Teil)
Nicht-stoffgebundene Abhängigkeiten
(Verhaltenssucht)
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
Arbeitssucht, Workaholic
Beziehungssucht
Bibliomanie
Chatsucht
Co-Abhängigkeit
Essstörungen (z. B. Anorexie, Bulimie, Adipositas)
Fernsehsucht
Handy-Abhängigkeit
Internetsucht
Kaufsucht
Lesesucht
Mediensucht
Sammelsucht („Messie-Syndrom“)
Selbstverletzendes Verhalten
Sexsucht
SMS-Abhängigkeit
Solariumsucht
Spielsucht
Sportsucht, (Fitnesssucht)
9.2 Funktionen von Suchtmitteln
– Probleme lösen
– Konflikte vermeiden
– Normen widersetzen
– Lust und Genuss erleben
– Gruppengefühl herstellen
– Grenzerfahrungen spüren
9.3 Psychologische Wirkmechanismen
Hinter einer Abhängigkeit steht psychologisch immer eine stellvertretende Suche nach Beziehung, Liebe,
Glück, Kontakt, Lust, Zufriedenheit etc., die natürlich auf diesem Weg erfolglos bleibt. Im Wesentlichen
handelt es sich um eine Ersatzhandlung, bei der die geistige und emotionale Energie auf die Auseinandersetzung mit dem Suchtmittel gerichtet ist. So wird oft die Notwendigkeit menschlicher Kontakte und
auch die Anforderungen des Alltags missachtet. Dabei ist es egal, ob das Suchtmittel stofflich (Alkohol,
Nikotin, Essen, etc.) oder nichtstofflich (Arbeit, Glücksspiel, Chatten, etc.), oder austauschbar ist. Das ist
auch unabhängig davon, ob das Suchtmittel eine körperliche Abhängigkeit bewirkt oder nicht. Körperliche
Abhängigkeit z. B. bei Alkohol oder Heroin erschwert die Therapie zusätzlich.
9.4 Merkmale abhängigen Verhaltens
Nicht jeder Abhängige muss alle Symptome zeigen. Die Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung ist
oft Ergebnis eines langen Prozesses, der in vielen kleinen Schritten ablaufen kann. Verhalten, Erleben,
Lebensgewohnheiten und Persönlichkeit verändern sich – oft unbemerkt – und passen sich langsam der
Sucht an. Die schrittweise Veränderung erschwert es sowohl den Betroffenen als auch den Angehörigen,
diesen Prozess wahrzunehmen.
Der Abhängige nimmt gezielt Einfluss auf sein seelisches Erleben. Er tut dies aber nicht durch adäquates
und realitätsgerechtes Handeln (vom Standpunkt der Gesellschaft, aber oft auch des Abhängigen selbst
betrachtet), sondern durch den Vollzug der von der Abhängigkeit gesteuerten Handlung. Daraus resultiert ein kurzfristiges Befriedigungserleben.
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
9.4.1Freiheitsverlust
Freiheitsverlust und Freiheitsverzicht, vom naiven Freiheitsbegriff ausgehend, können weitere Merkmale
und Entwicklungen der Abhängigkeitserkrankung sein. Der Verlust an Freiheit beginnt zunächst als ein
Verlust der Freiheit des Willens und des Denkens. Ist die Durchführung der süchtigen Handlung durch
materielle, geistige oder andere Umstände unmöglich gemacht, wird das Denken des Süchtigen eingeengt
auf die Befriedigung der Abhängigkeit.
9.4.2 Suchtdruck
Für viele Abhängige muss die Befriedigung der Abhängigkeit (Suchtdruck, englisch: Craving) möglichst
sofort erfolgen. Vergangenheit und Zukunft verlieren häufig ihren bedeutungsgebenden Einfluss auf die
Gegenwart. Zukunftsplanung reduziert sich oft zunehmend auf die Organisation der Abhängigkeit. Die
Lebenseinstellung des Süchtigen wird in vielen Fällen in übermächtiger Weise augenblickszentriert. Eine
unangemessene Dominanz der Gegenwart ist daher ein weiteres Wesensmerkmal süchtigen Verhaltens.
9.4.3 Leugnung der Abhängigkeit
Zur Abhängigkeitserkrankung gehört häufig das Leugnen der Krankheit vor sich selbst und anderen. Es
werden manchmal simple („ich trinke/rauche aus purem Genuss“), oft auch skurrile bis absurde Ausreden („Mein Arzt hat mir mehrere Liter Bier am Tag verordnet, für die Nieren“) benutzt, um das eigene,
durch die Abhängigkeit dominierte Verhalten zu rechtfertigen. Dazu gehört oft auch ein Relativieren und
Herunterspielen der konsumierten Menge und der Konsumhäufigkeit.
Auch das Gegenteil von Leugnung kann der Fall sein, einige Abhängige sind der Umwelt gegenüber wehleidig und bemitleiden sich selbst, weil sie sich als arme Opfer ihrer Abhängigkeitserkrankung sehen.
9.4.4 Kontrollverlust
Abhängige verlieren die Kontrolle über ihr Verhalten, das kann zum völlig maßlosen Verhalten führen, so
dass bis zum Umfallen getrunken wird. Der eigene Kontrollverlust ist für Abhängige meist beschämend,
da sie scheinbar nicht (mehr) im Besitz ihrer vollen geistigen Kräfte sind, so dass es zu massiven Verleugnungen und Vertuschungen vor sich selbst und der Umwelt kommt (z. B. jedes Bier sofort bezahlen, damit man nicht wirklich weiß, wie viel man getrunken hat). Deshalb wird Kritik von außen als unangenehm
wahrgenommen. Dies alles führt meistens zur gesellschaftlichen Isolation oder in entsprechende gesellschaftliche Randgruppen.
Sind entsprechend feste Strukturen im Leben vorhanden wie eine Arbeit, so kann es vorkommen, dass
Abhängige jahrelang nicht auffallen oder ein Doppelleben führen. Versucht werden Reduktion oder Verzicht auf die Suchtmittel zu bestimmten Begebenheiten, um Kontrolle über das von der Abhängigkeit gesteuerte Verhalten zu erlangen und nach außen als gesund zu erscheinen.
9.4.5 Co-Abhängigkeit
Oft wird das von der Abhängigkeit gesteuerte Verhalten von Freunden oder Familienangehörigen unterstützt, die dem Abhängigen viele Aufgaben abnehmen und nach außen Probleme leugnen, nahestehende
Verwandte und Freunde verfallen in co-abhängige Verhaltensweisen und tragen so dazu bei, dass das Leben des Abhängigen nach außen lange Zeit „normal“ funktionieren kann. Als Co-Abhängigkeit gilt auch,
wenn man Verantwortung für das Verhalten des Süchtigen übernimmt, sein Verhalten rechtfertigt und
sich seine/ihre Abhängigkeit nicht eingesteht. Co-Abhängige Verhaltensweisen können auch bei professionellen Helfern wie z. B. Sozialarbeitern auftreten.
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
9.4.6 Verlagerung von Abhängigkeit
Auch ein „Funktionieren in der Gesellschaft“ kann Teil des Leugnungsprozesses sein, so dass mit Disziplin, oft unter extremen Kraftanstrengungen, der Konsum eingeschränkt wird bzw. das von der Abhängigkeit gesteuerte Verhalten den Erfordernissen des Alltags zeitweise angepasst werden kann.
Süchte können mit anderen kombiniert werden oder der Betroffene wechselt von einer Sucht zur anderen, eine sogenannte Abhängigkeitsverlagerung findet statt.. Gesellschaftlich anerkannte Arbeit kann in
Form von Arbeitssucht (Workaholic) als Deckmantel dienen, um einen „Kick“ zu bekommen, während in
der Freizeit ein anderer Suchtmechanismus gelebt wird.
9.5 Kriterien der Abhängigkeit
Abhängigkeit oder Abhängigkeit von Substanzen ist in der Internationalen Klassifikation von Krankheiten
im Kapitel 5 (ICD 10, V) definiert (Im amerikanischen Raum ist das DSM IV verbreitet, die Definition ist
allerdings ähnlich). ICD 10 Kapitel V Nummer F1x.2 definiert das Abhängigkeitssyndrom wie folgt:
– Es liegt ein starkes Verlangen oder eine Art Zwang vor, die Substanz zu konsumieren.
– Kontrollverlust: Es liegt eine verminderte Kontrolle über den Substanzgebrauch vor, also Kontrollverlust über Beginn, Beendigung oder Menge oder Konsum über einen längeren Zeitraum als geplant, oder erfolglose Versuche, den Konsum zu verringern oder zu kontrollieren.
– körperliches Entzugssyndrom: Körperliche Symptome treten auf, wenn die Substanz reduziert oder
abgesetzt wird (beispielsweise Zittern, Halluzinationen, Kreislaufkollaps bei Alkohol, oder grippeähnliche Symptome, Erbrechen, Krampfanfälle bei Opiaten).
– Toleranzentwicklung: Für Intoxikationen (Vergiftungen) oder um den gewünschten Effekt zu erreichen, müssen deutlich größere Mengen konsumiert werden, oder bei dem Konsum derselben Menge treten deutlich geringere Effekte auf: Wer mit 1,6‰ noch PKW fahren kann, hat mit Sicherheit
eine Toleranzentwicklung. Diese Toleranzentwicklung bezieht sich auf die meisten Rauschmittel
(einschließlich Alkohol), nicht nur auf Substanzen, die körperlich abhängig machen.
– Einengung auf den Substanzgebrauch: Es werden andere wichtige Interessen, Vergnügen, Arbeit,
Beziehungen vernachlässigt, oder es wird viel Zeit darauf verwandt, sich die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Auswirkungen des Konsums zu erholen.
– Anhaltender Konsum trotz eindeutig schädlicher Folgen (körperlich, psychisch, sozial): Fortgesetzter Konsum, obwohl sich der/die Betreffende über die Art und das Ausmaß der Schädigung bewusst
war oder hätte bewusst sein können (selbstschädigendes Verhalten).
Die oben genannten Kriterien müssen mindestens einen Monat lang bestehen oder in zwölf Monaten wiederholt bestanden haben. Wenn drei der oben genannten Kriterien erfüllt sind, kann die Diagnose Abhängigkeit gestellt werden.
9.5.1 schädlicher Gebrauch
Der ICD 10 kennt auch die Diagnose schädlicher Gebrauch, diese ist wie folgt definiert:
– Deutlicher Nachweis, dass der Substanzkonsum für psychische oder physische Probleme verantwortlich ist. Dazu gehört auch eingeschränkte Urteilsfähigkeit, gestörtes Verhalten, dass evtl. zu negativen Konsequenzen und Behinderung von zwischenmenschlichen Beziehungen führt.
– Die Art der Schädigung kann klar beschrieben werden. (Beispiele: Gewalt unter Alkoholeinfluss, Interessenverlust an Partnerschaft, PKW-Fahren unter Drogeneinfluss).
– Der Konsum muss mindestens einen Monat lang oder wiederholt innerhalb von zwölf Monaten aufgetreten sein.
– Es dürfen zur gleichen Zeit keine anderen psychischen oder Verhaltensstörungen vorliegen (außer
akuter Intoxikation mit Substanzen).
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
9.6 Ursachen/Auslöser der Abhängigkeit
Seit den 80er Jahren betrachtet man Abhängigkeit/Sucht als multifaktoriellen Prozess, bei dem biologische, psychische, soziale und gesellschaftliche Faktoren zusammenwirken. Eine Suchterkrankung entwickelt sich in einem multikausalen und interaktiven Prozess. (Laging M. „Riskanter Suchtmittelkonsum bei
Jugendlichen“; 2005; S.32)
Alan Leshner hat 1997 als Direktor des amerikanischen National Institute of Drug Abuse (Nida) eine Bilanz der jahrzehntelang betriebenen neurowissenschaftlichen Forschungstätigkeit gezogen: Abhängigkeit
ist eine Hirnkrankheit.
9.6.1 Multifaktorielle Genese der Abhängigkeit
PERSÖNLICHKEIT
„DROGE“
Wirkung, Verfügbarkeit
UMWELT
Familie, Soziales Umfeld
9.6.2 Ursachenmodell
Soziales Umfeld
–
–
–
–
Persönlichkeit
– Selbsteinschätzung
– Frustrationstoleranz
– Konfliktfähigkeit
(Sucht-) Mittel
–
–
–
–
Gesellschaftliche Bedingungen
– Normen
– Konsumorientierung
– Leistungsorientierung
Konsum
– Missbrauch
– Gewöhnung
– Sucht
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
Stresssituationen
Familie
Schule
Arbeit
Eigenschaften
Verfügbarkeit
Dosis
Dauer der Einnahme
26
Lebenskrise - Adoleszenz
9.7 Begleitkrankheiten (Komorbidität)
9.7.1 Psychische Begleitkrankheiten
Neben dem Abhängigkeitssyndrom (bei Alkohol ICD-10-Code F10.2) gibt es eine Reihe von körperlichen
und psychischen Begleitkrankheiten. Alkoholismus bedingt weitere Krankheiten; viele Menschen mit Persönlichkeitsstörungen und psychischen Krankheiten werden süchtig.
– Häufige psychische Begleitkrankheiten sind Angststörungen, Depression, Anpassungsstörungen
sowie Persönlichkeitsstörungen und Psychosen.
– Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung werden oft abhängig.
– Oft kann eine Posttraumatische Belastungsstörung Ursache der Abhängigkeit sein. Diese zeigt sich
u. U. mit ähnlichen Symptomen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung.
– Alkohol, Amphetamine, Medikamente und psychoaktive Drogen wie LSD und Cannabis können eine Psychose bzw. eine Drogenpsychose auslösen (bzw. durch starke Entzugserscheinungen bei einer körperlichen Abhängigkeit kann es zu Delir kommen).
Das Vorhandensein von psychischen Begleitstörungen ist nicht zwingend, sie können aber unter Umständen den Verlauf und die Prognose der Suchterkrankung stark beeinflussen.
Oft lässt sich nicht mehr sagen was Ursache und was Wirkung ist, weil die Betroffenen meist sehr spät
Hilfe suchen oder auffällig werden. Einig ist sich die Fachwelt aber, dass eine Psychotherapie ohne Entzug kein Sinn hat, genauso wenig wie Entzug ohne Psychotherapie. Also erst (stationäre) Entgiftung,
dann Therapie.
Das fortschreitende Unterdrücken von der selbstständigen Suche im nüchternen Zustand nach Problemlösungen führt oft zu „sozialer Inkompetenz“, so das viele an der Abhängigkeit erkrankte oft Symptome
von Persönlichkeitsstörungen aufweisen, sie können keine Belastungen mehr ertragen.
9.7.2 Physische Begleitkrankheiten
Je nach Art, Dauer und Menge des Konsum – in erster Linie – toxischer Substanzen, unterschiedlich. So
beispielsweise:
– AIDS
– Hepatitis
– Korsakow-Syndrom
– Delirium Tremens
– Leberzirrhose
Bei psychischer Abhängigkeit – also nicht von toxischen Substanzen – wie Essstörungen z. B.
– Psychosomatiken / Hypochondrie
– Herz-Kreislauferkrankungen
– Entwicklungsverzögerung
– Ausbleiben der Menstruation
– Temporäre Impotenz
– vorzeitige Hautalterung
9.8 Abhängigkeitsbehandlung
1. körperlicher Entzug des Suchtmittels (Entgiftung)
2. psychotherapeutische Behandlung (Langzeitentwöhnung) in einer Fachklinik (Psychosomatische
Klinik)
3. Mitbehandlung der Angehörigen/Bezugspersonen
4. Mitarbeit in Selbsthilfegruppe (zumindest für einige Jahre unabdingbar) z. B. Anonyme Alkoholiker
Das oberste Behandlungsziel ist der dauerhafte Verzicht auf die abhängigkeitserzeugende Mittel. Dazu
sollten in der psychotherapeutischen Behandlung die Persönlichkeitsdefizite entweder durch „Nachreifung“ verringert oder ein anderer Umgang damit erlernt werden. Nur dann ist der Patient in der Lage, auf
das Mittel, von dem er abhängig ist, zu verzichten, da er z. B. zu seinen Defiziten stehen kann.
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
Die Behandlung von Abhängigkeiten hat sich zu einem Spezialgebiet der Medizin entwickelt, das heute
zunehmend auch auf Erkenntnissen der Neurobiologie aufbaut und ein ganzes Spektrum an therapeutischen Verfahren anbieten kann.
Es kann zu einer Abhängigkeitsverlagerung kommen.
9.8.1 Kennzeichen einer erfolgreichen Therapie
Eine erfolgreiche Therapie
– bietet einen neuen, überlagernden Lernprozess
– überwindet die Entzugserscheinungen (umstritten bei Methadon-Therapie)
– hilft das eigene Verhalten zu kontrollieren und so einen Rückfall zu vermeiden
– ist lösungsorientiert (neues Umfeld, neues Kontakt- und Sozialverhalten)
– arbeitet wo notwendig auch an alten Verletzungen
– bezieht die Kontaktpersonen mit ein
9.10 Sucht in Österreich
Nikotin
ca. 2 Mill. Raucher
Alkohol
330.000 Alkoholkranke
900.000 gefährdet
8.000 Todesopfer pro Jahr
Medikamente
11.000 Abhängige
Illegale Drogen
20.000 Abhängige
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10 INTERNETABHÄNGIGKEIT
10.1 Kreislauf der Internetabhängigkeit
(nach ©[email protected])
Online-Spiele (Fantasy)
Online Erotik- Sexkonsum
Fantasie, Ideale
Beziehung/Kontakt
(Projektion)
Erfahrung von:
Gruppenzugehörigkeit
Zuwendung
Sehnsucht nach:
Zuwendung,
Anerkennung,
echtem Verständnis,
Liebe
@
Keine
echte/reale, sinnliche
Beziehungserfahrung
innere Einsamkeit
Virtuelles Erleben :
Ideale Identität,
Kontakt/Beziehung+
Selbstwert
Besseres Gefühl Online als Offline
10.2 Internetkonsum 2. Quartal 2007
(Quelle: Austrian Internet Monitor)
– Aktive Internetnutzer: ca. 4,610.000 Personen ab 14 Jahren
– 68 % (der Bevölkerung ab 14 J.) Internetnutzer
– 57 % (der Bevölkerung ab 14 J.) mehrm./ Woche
Ausgehend vom geringsten Prozentsatz Abhängiger aus internationalen Studien = 3% der täglichen Nutzer (Humboldt Uni Berlin), sind hochgerechnet 40.000 – 70.000 Österreicher (ab 14 Jahren) als aktuell
internetabhängig einzustufen
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10.3 Diagnostische Kriterien
(als Vorschlag, Zimmerl)
10.3.1 Fokussierung:
– Der Brennpunkt (Fokus) des Denkens und der Handlungsintention richtet sich darauf, online zu
sein.
– Offline treten quälende Fantasien darüber auf, was man versäumen könnte.
– Eine Art von „Craving“ (Gier) ist zu beobachten.
– Die Folge ist eine Einengung des Verhaltensraumes, der Internetgebrauch erlangt 1.Priorität
10.3.2 Kontrollverluste:
– der online verbrachte Zeitrahmen kann nicht kontrolliert werden.
– oft – nicht immer – findet sich auch das Phänomen der „Toleranzsteigerung“, das heißt,
– dass der User zur Befriedigung sein Online-Verhalten quantitativ und qualitativ ständig intensivieren muss.
10.3.3 Negative Konsequenzen:
Durch das exzessive Online-Verhalten treten
– sowohl psychosoziale Folgeschäden
(soziale Selbstisolierung durch Vernachlässigung aller Sozialkontakte, Arbeitsplatzverlust, schulisches Versagen bzw. mögliche Verschlechterung psychischer Grunderkrankungen),
– als auch körperliche Schäden auf
(Mangelernährung , Vernachlässigung des Schlafbedürfnisses, Schäden am Bewegungsapparat,
Schäden am Sehapparat, bis hin zu vital bedrohlichen Erschöpfungszuständen).
10.3.4 Entzugssymptome:
Wie bei anderen Abhängigkeitserkrankungen findet man bei Internetsüchtigen, wenn sie unfreiwillig „offline“ sind, psychovegetative Entzugssymptome wie
– Reizbarkeit,
– Affektlabilität,
– Unruhe und
– Unkonzentriertheit.
10.3.5 Unfähigkeit zur Verhaltensänderung:
Trotz der Offensichtlichkeit der negativen Folgen des Verhaltens ist der Internetsüchtige nicht aus eigenem fähig, sein Verhalten zu korrigieren. Suchttypische intrapsychische „Abwehrmechanismen“
– von der Verleugnung/Bagatellisierung
– über die Projektion
– bis hin zur Rationalisierung, also dem Erfinden gefinkelter Rechtfertigungsstrategien
sind ebenfalls festzustellen.
10.4 Wer ist gefährdet?
– Personen mit unsicherer und/oder
– gehemmter und/oder unreifer Persönlichkeitsstruktur
– selbstverliebte Individuen mit sadistischen Impulsen
10.4.1 Motivation
– Realitätsflucht und Realitätsverdrängung
– Experimentieren mit der eigenen Identität
– Befriedigung von Spieltrieb und Kommunikationsbedürfnis
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10.4.2 Gefährdungsbereiche
– vor 10 Jahren 2/3 der Süchtigen im Kommunikationsbereich, 1/3 im Spielbereich
– 10 Jahre später haben sich die Relationen etwas verschoben. Zwar dominieren diese Bereiche nach
wie vor, aber zunehmenden Anteil gewinnen das Glücksspiel, Erotik, Angebote wie ebay oder diverse Partnerbörsen, bis hin zur Blogszene (virtuelle Tagebücher, YouTube, MySpace,...).
– Durch die sich anbahnende Verschränkung mit der Mobiltelefonie (mobile internet) ist mit einer
Ausweitung des Phänomens zu rechnen.
10.4.3 Gefährdung für Jugendliche
–
–
–
–
–
Internetsucht ist vornehmlich eine Jugendproblematik (1,8 Mio. 0-19 J.)Petrie and Gunn(1998)
10,3% Internetabhängige Gruppe bis 15 J.
2,2% der 21-29 jährigen
Bis 18 Jahre Jungs doppelt so häufig betroffen wie Mädchen
Mit zunehmenden Alter sind vermehrt Frauen betroffen (Hahn, Jerusalem 1999)
10.5 Online Spiele oder MMORPG’s
(MMORPG = Massive Multiplayer Online Role Playing Game)
10.5.1 „World of Warcraft“:
–
–
–
–
–
Mehr als 9.000.000 mal weltweit verkauft
Spielwelt ist größer und detaillierter als die meisten anderen MMORPGs
Prinzip: der Charakter eines Spielers wird durch seine investierte Zeit immer stärker.
Mehr als 10.000 „Quests“, die kontinuierlich weiter erneuert werden („Patches“);
Dieses Spielprinzip (intensiv spielen wird belohnt) hat hohes Suchtpotential
10.5.2 Etikette in Gruppen
(orig. Auszug von wow.de)
– Dabeibleiben, bis die Aufgabe erledigt ist
– Übertrefft euch selbst Zum Wohl eurer Gruppe solltet ihr nicht kleinlich sein. Spielt, so gut ihr nur
könnt. Helft anderen Gruppenmitgliedern, wann immer es möglich ist. Wenn ihr sie beeindruckt,
wird man euch in guter Erinnerung behalten. Dadurch lassen sich gute Beziehungen für die Zukunft knüpfen.
10.6 Behandlung
– Einzelfall orientiert
– Sozialtherapie
– Psychotherapie
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11 GEWALT UND GEWALTPRÄVENTION IN DER SCHULE
11.1 Entstehung und Aufrechterhaltung von gewaltbereitem Verhalten
Hier findet sich eine theoretische Zusammenschau der Entstehung und Aufrechterhaltung von gewaltbereitem Verhalten (Aigner, 2000).
Offensichtlich ist die Wechselwirkung von individuellen, zwischenmenschlichen und sozialen / gesellschaftlichen Konflikten in unterschiedlichen Kontexten wie Familie, Kindergarten, Schule und Öffentlichkeit als Grundvoraussetzung von gewaltbereitem Verhalten:
11.1.1 Säuglings- und Kindesalter
–
–
–
–
–
–
–
Mangelnde Befriedigung emotionaler und körperlicher Bedürfnisse
Starke Unlust- und Frustrationserlebnisse
Gefühl von Feindseeligkeit, Wut und Hass
Minderwertigkeitsgefühle
Beeinträchtigte Beziehungsstruktur zwischen Mutter und Kind
Ungünstige Beziehungserfahrungen der Kinder:
Unsicher-vermeidende Bindungsmuster sind die Folge von Vernachlässigung, Misshandlung und
Furcht einflössendem Erziehungsstil.
– Unsicher-ambivalente Bindungsmuster sind die Folgen fehlender Grenzen bzw. starker Einschränkung.
– Desorganisierte Bindungsmuster entstehen durch widersprüchliche Beziehungsangebote.
11.1.2 Familiärer Kontext
–
–
–
–
Elterliches Erziehungsverhalten wirkt sich auf die Gewaltbereitschaft aus
im Umgang mit Grenzen und Regeln in extremen Ausprägungen
durch die Qualität der Paar- und Partnerbeziehung
durch das Familienklima
11.1.3 Schulischer Kontext
– Schulisches Leistungsversagen mit negativen Auswirkungen auf die Selbstverwirklichung und die
sozialen und beruflichen Lebenschancen
– Vernachlässigung der Bedürfnisse mit der Begrenzung des Bewegungsdranges, des individuellen
Lerntempos und der Mitbestimmungsmöglichkeiten
– Konkurrenz statt Kompetenz
– Schüler-Lehrer-Beziehung als Rollenkonflikt zwischen Unterricht, Erziehung und Bezugsperson für
Beziehungswünsche
– Schulklima
11.1.4 Gesellschaftlicher Kontext
Gesellschaftliche Wandlungskonzepte als Hintergrund der individuellen, familiären und schulischen Bedingungsfaktoren, gekennzeichnet durch die Individualisierung der Lebenswelten und dem Verlust eines
orientierenden und allgemeinverbindlichen Normen- und Wertesystems:
11.1.4.1 Familiale Lebensbedingungen
Projektionen von utopischen und imaginären Wünschen auf das traditionelle Familienmodell als Diskrepanz zwischen Familienalltag und Familienideal
Arbeitsmarktsituation und Einschränkung von Sozialleistungen
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11.1.4.2 Kindheitsbedingungen
Auflösung der Grenzen zwischen Kindheit und Jugend sowie Jugend und Erwachsenenalter
Ein-Kind-Familien, Alleinerziehung
Einfluss der Medien
11.2 Ausdrucksformen von Aggression
(Entnommen aus Petermann und Petermann, 1996)
Aggression beschreibt zunächst im Kern ein Verhalten, das darauf gerichtet ist, jemanden anderen direkt
oder indirekt zu schädigen. Zur genaueren Unterscheidung
gibt es folgende Kriterien (Vitiello & Stoff, 1997):
11.2.1 Feindselige vs. Instrumentelle Aggression
Feindselige Aggression umfasst Verhaltensweisen, die das Ziel haben, einer Person direkt Schaden zuzufügen. Mit Verhaltensweisen, die als instrumentelle Aggression bezeichnet werden, wird dagegen das Ziel
verfolgt, indirekt etwas Bestimmtes zu erreichen.
11.2.2 Offene vs. Verdeckte Aggression
Unter offener Aggression werden feindselige, trotzige sowie eher impulsive und unkontrollierte Verhaltensweisen verstanden (z.B. Kämpfen, Raufen). Von verdeckter Aggression spricht man bei versteckten,
instrumentellen und eher kontrollierten Handlungen wie z.B. Stehlen oder Feuer legen.
11.2.3 Reaktive vs. Aktive Aggression
Reaktive Aggression bezeichnet Reaktionen auf wahrgenommene Bedrohungen und Provokationen. Aktive Aggression dagegen umfasst zielgerichtete oder auch impulsive Verhaltensweisen, die ohne konkreten
äußeren Anlass auftreten können.
11.2.4 Affektive vs. Räuberische Aggression
Affektive Aggression ist unkontrolliert, ungeplant und impulsiv, wogegen kontrollierte zielorientierte, geplante und versteckte Handlungen als räuberische Aggression bezeichnet werden.
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11.3 Kreislauf der angstmotivierten Aggression
Ängstlich (unsicher) im Umgang mit anderen
↓
Übermäßige Erwartung hinsichtlich sozialer
Anerkennung, übersensibel gegenüber Bedrohung,
Ungewissheit hinsichtlich zwischenmenschlicher
Zuneigung
↓
Aggression als Mittel, sich Respekt zu verschaffen
(=unangemessene Selbstbehauptung)
↓
Aggression führt zur emotionalen Erleichterung,
Verringerung der Angst (=angenehmer Zustand)
↓
Immer häufiger wird soziale Angst durch
Aggression abgebaut (=Verstärkung)
↓
Gesteigerte Aggression bewirkt Bestrafung,
Vergeltung und soziale Ablehnung von Seiten
der Umwelt
↓
Erhöhte Bedrohung
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11.4 Prozessablauf und Interventionsmöglichkeiten
Interventions-Möglichkeiten
Äußeres Ereignis
1. Stufe
Wahrnehmung
←
1. Stufe
Veränderung der Wahrnehmungsgewohnheiten
←
2. Stufe
Verringerung der Gewohnheitsstärke
←
3. Stufe
Verstärkung der Hemmungspotenziale
←
4. Stufe
Neubewertung möglicher Folgen
↓
2. Stufe
Handlungsauswahl
↓
3. Stufe
Hemmungspotenziale
↓
4. Stufe
Vorwegnahme der Folgen
↓
Handlungsausführung
Konsequenzen
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
11.5 Auslösende Faktoren von Aggression
(Entnommen aus Petermann & Petermann, 2000)
Bedenkt man die vielfältigen Beweggründe und unterschiedlichen Formen von aggressiven Verhaltens, so
ist das dargestellte Konzept (Kaufmann, 1965) der Versuch einer Systematik, der jedoch jeder individuellen Einzelheit nicht gerecht werden kann:
11.5.1 Stufe 1: Wahrnehmung
Auf dieser Stufe wird entschieden, ob ein Ereignis oder ein Reiz als bedrohlich gilt oder nicht. Dabei unterscheiden sich Kinder z.B. in ihren Wahrnehmungsgewohnheiten. So erleben aggressive Kinder eine bestimmte Situation als sehr viel bedrohlicher als nicht aggressive Kinder. Es erfolgt hier also die Entscheidung: „bedrohlich oder unbedrohlich“.
11.5.2 Stufe 2: Handlungsauswahl
Nachdem ein Ereignis als bedrohlich wahrgenommen wurde, wird jetzt auf dieser Stufe entschieden, wie
man darauf reagieren will (=Handlungsimpuls). So kann man auf ein bestimmtes, als bedrohlich wahrgenommenes Ereignis z.B. entweder mit Vermeidung oder aber mit Aggression reagieren. Welche Reaktionsweise man wählt, hängt dabei von eingeschliffenen, eingeübten und fast automatisch ablaufenden Verhaltensweisen (=Gewohnheitsstärke) ab. Im Falle der aggressiven Kinder heißt dies: Je häufiger ein Kind
bisher gewohnt war, mit Aggression zu reagieren, desto wahrscheinlicher wird es sich auch in neuen Situationen aggressiv verhalten. Die Wahl einer bestimmten Reaktionsweise wird von den vorliegenden Wahrnehmungsgewohnheiten geprägt. Auf dieser Stufe fällt also die Entscheidung: „Wie will ich reagieren: aggressiv oder nicht aggressiv?“
11.5.3 Stufe 3: Hemmungspotenziale
Auf dieser Stufe fällt eine eher generelle Entscheidung, ob die vorher ausgewählte Handlung auch ausgeführt werden soll. Diese Entscheidung wird stark von bisherigen Lernerfahrungen und Handlungsimpulsen beeinflusst. Dabei spielen die früher erlebten Konsequenzen eine entscheidende Rolle. Sind z.B. in der
Lebensgeschichte die aggressiven Handlungen immer bestraft worden, so kann es sein, dass jetzt der Gedanke an die Ausführung einer solchen Handlung prinzipiell heftige Angst auslöst. Die Handlungsausführung wird gehemmt. Bei dieser Person liegt eine so genannte Aggressionsangst vor. Sind in der Lerngeschichte bisher keine oder nur wenige, schlechte Erfahrungen mit der Ausübung von Aggression verknüpft gewesen oder hat immer der Nutzen von Aggression gegenüber den negativen Konsequenzen
überwogen, dann liegen jetzt keine oder nur wenige Hemmungspotenziale für die ausgewählte aggressive
Handlung vor und der Handlungsimpuls erreicht die nächste Stufe. Dieser Entscheidung läuft meistens
blitzartig ab und wird subjektiv nicht unbedingt als bewusste und geplante Entscheidung empfunden.
Bei aggressiven Kindern sind gerade für aggressive Impulse keine Hemmungspotenziale vorhanden, während nicht aggressive Handlungsimpulse abgeblockt werden, da sie subjektiv immer als erfolglos erlebt
werden und nur die aggressiven Handlungen erfolgreiche Konsequenzen beim Gegenüber zu haben
scheinen („Mir hört ja doch niemand zu, außer: Ich schreie ganz laut und wütend!“). Auf dieser Stufe fällt
also die allgemeine Entscheidung: „Soll die ausgewählte Handlung ausgeführt werden: ja oder nein?“
11.5.4 Stufe 4: Bewertung der möglichen Konsequenzen
Nachdem also auf der vorherigen Stufe eher allgemein entschieden worden war, dass der Handlungsimpuls zugelassen wird, fällt jetzt auf dieser Stufe eine eher situationsorientierte Entscheidung. Man überprüft die Konsequenzen der Handlung. Diese Entscheidung wird getroffen, indem man sich die möglichen Reaktionen in der sozialen Umwelt auf die beabsichtigte Handlung vorstellt. Erscheinen einem die
wahrscheinlichen Konsequenzen als sehr unangenehm, dann wird entschieden, dass die geplante aggressive Handlung nicht ausgeführt wird. Diese Entscheidung kann umso besser getroffen werden, je langfristiger man die Konsequenzen vorhersagen kann. So ist z.B. für aggressive Kinder typisch, dass sie nur die
kurzfristigen Konsequenzen ihrer Handlung wahrnehmen. Diese erleben sie als erfolgreich („Man hat
mich gehört, weil ich ganz laut und wütend geschrien habe!“). Die eher negativen langfristigen Konsequenzen der sozialen Vereinsamung werden nicht beachtet. So muss an diesem Punkt darauf hingewiesen
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
36
Lebenskrise - Adoleszenz
werden, dass Kinder generell Schwierigkeiten damit haben, die Konsequenzen ihrer Handlungen vorherzusehen. Dies hängt auch von der gerade erreichten Stufe der kognitiven Entwicklung ab. So dürfte sehr
häufig übersehen werden, dass Kinder auf Grund ihres kognitiven Reifegrades bestimmte Konsequenzen
ihrer Handlung noch gar nicht abschätzen können.
Auf dieser Stufe fällt also die situative Entscheidung, ob das Verhalten ausgeführt werden soll oder nicht.
Lautet jetzt die Entscheidung „ja“, so wird der Handlungsimpuls auch tatsächlich ausgeführt.
11.6 Zielverhalten beim Abbau von Aggressionen
(Petermann & Petermann, 2000)
11.6.1 Voraussetzung: Die Einübung von motorischer Ruhe und Entspannung
Autogenes Training (Kapitän Nemo Geschichten)
Muskelentspannung (Progressive Muskelrelaxation)
Phantasiereisen
11.6.2 Differenzierte Wahrnehmung (Stufe 1)
Hinweise und Signale einer Situation richtig interpretieren und zuordnen
Verschiedene Reize, Reaktionen und Verhaltensweisen und deren Konsequenzen und Abfolge unterscheiden (mit Hilfe von Beobachtungslernen und Modelllernen)
11.6.3 Angemessene Selbstbehauptung als positive Form v. Aggression (Stufe
2)
Positive Formen der Selbstbehauptung:
Forderung nach einem eigenständigen Lebensbereich
Ausgleich von Pflichten und Rechten innerhalb des Systems
Durchsetzen von angemessenen Bedürfnissen in Systemen
Verteidigen eines Standpunktes, Kritik äußern
Ärger und Wut bei Konflikten angemessen äußern
Konkurrenzverhalten nach fairen Regeln praktizieren
11.6.4 Kooperation und Hilfeleistung als Alternativverhalten
zur Aggressionshemmung (Stufe 3)
3 große Bereiche des prosozialen Verhaltens:
Altruistisches Verhalten: Anderen Menschen helfen, da sie in Not geraten sind
Ausgleichende Gerechtigkeit: Gibst Du mir, geb‘ ich Dir (Vorsicht vor Lynchjustiz)
Kooperatives Verhalten: Hängt ab von:
Erwartung einer Belohnung (Fundrückgabe)
Soziale Verstärkung (Zuneigung, Lob)
Soziales Bedürfnis (aus einer Isolation herauskommen)
11.6.5 Selbstkontrolle als Schritt zur Aggressionshemmung (Stufe 3)
= willentliche Lenkung eigenen Verhaltens
Orientierung an sich selbst gesetzten Zielen
Möglichkeit durch Fremd- oder Selbstverbalisation
11.6.6 Einfühlungsvermögen im Sinne einer Neubewertung der Folgen des eigenen Handelns aus der Sicht des Gegenübers (Stufe 4).
Innere Vorweg- und Anteilnahme an den Konsequenzen für das Opfer einer aggressiven Handlung.
Wichtig dabei: nicht nur hineindenken, sondern auch hineinfühlen!
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
11.7 Kurzfristige Maßnahmen gegen Gewalt
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
Ignorieren, um dem Aggressor nicht unnötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Im Keim ersticken (nonverbal)
Stoppen und Abbrechen (verbal)
Sachliche Kritik und Entzug von Vergünstigungen
Keine eigenen aggressiven und undisziplinierten Verhaltensweisen zeigen, d.h. sich selbst als positives Verhaltensmodell zeigen.
Vermeiden unklaren Unterrichtsablaufes, eines unklaren Unterrichtsstiles.
In Kommunikation mit SchülerInnen eine akzeptierende Grundhaltung ausdrücken
Vermeiden aggressiver Hinweisreize im Klassenzimmer, be3 Unterrichtsmaterialien.
Als Lehrer die Aufmerksamkeit der Klasse als Gesamtgruppe binden
In Kommunikation mit SchülerInnen versuchen schulische und persönliche Konflikte und Probleme kooperativ zu lösen.
Für Sachmotivation sorgen und lernbezogene Abwechslung (Rhythmisierung) in den Unterricht
einbauen (Lernsituation übersichtlich und klar gestalten).
In Kommunikation mit SchülerInnen Humor zeigen.
Einfühlung in Situation und Probleme von SchülerInnen vermitteln.
Störungen und Aggressionen „entdramatisieren“ und deeskalieren.
11.8 Langfristige Maßnahmen gegen Gewalt:
- Selbstkontrolle/Selbsterfahrung/Einfühlen in andere
- Selbstvertrauen, -bewusstsein/Selbstbehauptung/ Ich-Stärke aufbauen
Dies kann geschehen durch das:
1. Erarbeiten von Regeln bei Konflikten mit anderen (Einfühlen in andere).
2. Sich in aggressiven Situationen kennenlernen (um angemessene Selbstbehauptung zu üben).
3. Die Wirkung von Lob und Tadel erfahren.
4. Mit aggressiven Gefühlen und Verhaltensweisen fertig werden (Selbstkontrolle).
5. Rückmeldung über eigenes Verhalten erfahren (Selbstkontrolle).
11.9 Zehn Regeln zur Deeskalation in akuten Gewaltsituationen
(Lempert & Oelemann, 2000)
1. In Beziehung treten mit der Situation, „sich einmischen“, genau hinsehe!
Wenn Jungen sich prügeln, oder wenn Jungen Mädchen bedrängen und belästigen, ist das Ernst und nicht
Spiel! Deshalb: Nicht wegsehen, sondern Stellung beziehen.
2. Personale Konfrontation
Sich als Person ohne „pädagogisch – verständnisvolle“ Fassade „be-merk-bar“ machen. So nicht: „Du ich
weiß, dass du sauer bist, aber ich finde das irgendwie nicht gut jetzt.“ Sondern: „Schluss damit! Hier wird
nicht geprügelt!“ Oder: „So etwas will ich von euch/dir nie wieder!“
3. Trennung der Kontrahenten
Weitere Gewaltanwendungen durch Trennung der Gewalthandelnden verhindern. Opfer und Täter müssen sofort getrennt werden.
4. Sofort eindeutig Grenzen setzen
Keinerlei Gewalt oder Androhung von Gewalt gegen sich selbst als Intervenierende/den zulassen.
5. Personale Wertung
Eine Bewertung der Gesamtsituation deutlich machen, aber nicht moralisieren. „Ich verbiete dir das! Hier
läuft so was nicht!“
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
6. Einschätzung, ob depressive oder chaotische Gewaltkrise vorliegt
Beispiele: Ein Eifersuchtsdrama ist eine depressiv verengte Krise, in der der Gewalthandelnde nur noch
die scheinbare Überlegenheit der Partnerin sieht. In diesem Fall: Weiten, d.h. ihn auf seine Stärken, bzw.
auf andere Personen, die ihn mögen, aufmerksam machen: „Du bist schließlich nicht allein. Das kann
doch jeder sehen, dass Peter, Ulli, Karin dich gern haben.“ Meinst du, Rita tut es nicht auch weh, dass ihr
nicht mehr zusammen seid?“ Gruppengewalt hat einen zumeist chaotischen Krisenverlauf. Jeder ist gegen
jeden. Auch Unbeteiligte werden angegriffen; dann engen, d.h. dem Gewalthandelnden deutlich machen,
dass der/die Intervenierende nur schlichten will, aber kein Gegner ist. Ihn auf sich und die Realität beziehen. Ihn auf den Boden der Tatsachen bringen. Laut werden: „Was macht ihr hier eigentlich?“, „Euer
Streit interessiert mich nicht/ich hab damit nichts zu tun, aber das (Gewalt) läuft hier nicht!“ „Schluss
damit! Seht ihr nicht, dass er /sie Angst hat / verletzt ist / sich nicht wehren kann?“
7. Nicht entweichen lassen
Gewaltsituationen nicht durch Flucht der Gewalthandelnden abbrechen lassen, nach dem Motto: „Ist
doch nichts passiert“ Stattdessen: „Hier geblieben! Erst wird euer Streit geklärt, dann könnt ihr gehen!“
8. Ernst nehmen
„Ich nehme dich mit dem , was du sagst oder tust, beim Wort oder ernst!“ Auch die Gewalthandlung mit
ihrer interpersonalen Aussage „wörtlich“ nehmen und damit den Schüler für seine Gewalthandlung verantwortlich machen. Beschönigen ist dann nicht mehr möglich.
9. „Spiegeln“
„Das hier war kein Spaß, denn Tun hat Konsequenzen.“ Konsequenzen in Form vom persönlicher Ablehnung durch den Pädagogen/der Pädagogin, einer Meldung an die Schulleitung etc. Und : eine Erklärung
ist keine leere Drohung. Sie muss auch umgesetzt werden!
10. Begleitung nach dem Gewaltende
Der/die Pädagogin soll nicht aus dem Kontakt gehen, sondern im Kontakt bleiben, bis die Situation
deeskaliert ist, bis festgestellt werden kann: „Es ist bei den Handelndem angekommen.“ Nicht die Schüler/innen wieder zusammenkommen lassen, wenn damit gerechnet werden muss, dass man weiter geprügelt, belästigt wird.
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11.10 Mobbing unter Jugendlichen - Checkliste
„Aktiv gegen Gewalt“ – neue Praxishilfe für Schulleitungen
www.schule-w.de/unterricht/paedagogik/gewaltpraevention/aktiv
11.10.1 Sofortmaßnahmen
Recherche und Dokumentation durch die Klassenleitung (kein Aktionismus; Intervention erst nach Lage
der Fakten)
nach Schwere des Vorfalls Schulleitung informieren
Opfer unterstützen und begleiten
11.10.2 Einschalten wichtiger Institutionen
Information aller an der Klasse unterrichtenden Lehrkräfte (Vorfälle sammeln; Informationen über die
beteiligten Schüler/Schülerinnen austauschen; weiteres Vorgehen besprechen)
Eltern informieren
11.10.3 Pädagogische Maßnahmen
Intervention: Einzelgespräche mit allen Beteiligten
Ursachen und Hintergründe des Mobbings eruieren
eindeutige Grenzziehung formulieren und deren Einhaltung deutlich machen
Einzelgespräche mit den Eltern der beteiligten Schülerinnen und Schüler
Informationen an die Eltern der Klasse über Vorgehen und Konsequenzen (Elternabend, Elternbrief ...)
11.10.4 Ordnungsmaßnahmen
Anordnung verstärkter Maßnahmen bei Fortsetzung des Mobbings
Festsetzung von Ordnungsmaßnahmen im konkreten Fall durch Klassenlehrer, Klassenkonferenz und
Schulleitung
evtl. schulinterner Täter-Opfer-Ausgleich / Mediation
11.10.5 Mögliche begleitende Maßnahmen auf Schulebene
Projekttage zum Thema „Mobbing“
Schüler stärken über soziale Hilfsprogramme
Sensibilität der Lehrkräfte erhöhen / Pädagogischer Tag
Unterstützende Maßnahmen für das/die Opfer
Psychologische Betreuung; weitere Einzelgespräche
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
11.11 Pädagogische Handlungsstrategien
(Entnommen aus Sedlak, 2000: Konstanzer Trainingsmodel, 1994
11.11.1 Unerwünschtes Verhalten hemmen
(kurzfristige Therapie)
Ziel:
Entzug von Bekräftigung, Vermeiden von Erfolgserlebnissen für den/die
auffälligen Schüler(innen)
Enthält
1. Ignorieren des auffälligen Verhaltens
2. Stoppen oder Abbrechen (verbal)
3. Im Keim ersticken (nonverbal)
4. Sachliche Kritik und Entzug von Vergünstigungen
11.11.2 Negative Anregungen vermindern
(präventive Strategie)
Ziel:
Auslöser oder Hinweisreize vermeiden: Situationen vermeiden, in denen Störungs- oder Aggressionstendenzen zum Ausbruch kommen
Enthält
5. Nicht unbedingt notwendige Frustrationen im Unterricht vermeiden
(Unterrichtsaufbau)
6. Keine eigenen aggressiven oder undisziplinierten Verhaltensweisen zeigen
(Modellverhalten)
7. Vermeiden unklaren Unterrichtsablaufs/-stils
8. Abstimmung der sozialen Ordnung im Klassenzimmer auf die momentane
Unterrichtsform
9. Vermeiden aggressiver Hinweisreize
(im Klassenzimmer, in Unterrichtsmaterialien)
11.11.3 Positive Anregungen anbieten
(präventiv und kurzfristig)
Ziel:
Mit Aggression oder Störung unvereinbares Schülerverhalten anregen
Enthält
10. Die Aufmerksamkeit der Gruppe finden („Gruppenfokus“)
11. Für Sachmotivierung und lernbezogene Abwechslung sorgen (Unterrichtsaufbau/-stil)
12. Lernsituation übersichtlich gestalten (informierender Unterrichtseinstieg)
13. Vorbildliches eigenes Verhalten (Modell)
14. Schüler leistungs- und stoffbezogen ermutigen
15. Humor zeigen (Kommunikation)
16. Einfühlung und Verständnis vermitteln und auslösen
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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Lebenskrise - Adoleszenz
11.11.4 Persönliche Bewertungen und Sichtweisen verändern
(langfristige Strategie)
Ziel:
Langfristige Veränderungen von Grundeinstellungen der eigenen Person und
der Schüler(innen) in Hinblick auf den Umgang mit Aggressionen und Störung
Enthält
17. Störung und Aggression „entdramatisieren“
18. Resignation überwinden
19. Akzeptierende Grundhaltung gegenüber dem auffälligen Schüler einnehmen
(Kommunikation)
20. Aufbau sozialer, persönlicher Beziehungen zu den Schüler(innen)
(Grundlegende Verhaltensweise)
21. Schuldzuschreibungen und Verurteilungen vermeiden
(eigene Verantwortung erkennen)
22. Aggressive Modelle (Bilder usw.) kritisch betrachten und kooperative Modelle würdigen
23. Eigene Gefühle und Bedürfnisse akzeptieren und mitteilen
(Kommunikation)
11.11.5 Erwünschtes Verhalten fördern
(langfristige Strategie)
Ziel:
Bekräftigung disziplinierten und kooperativen Verhaltens, insbesondere durch
systematisches Einüben
Enthält
24. Positive Ansätze im Sozialverhalten stärken
25. Gemeinsam Regeln für das Verhalten im Unterricht vereinbaren
26. Selbst angemessen kommunizieren und dies auch die Schüler(innen) lehren
27. Kooperatives Lösen zwischenmenschlicher Konflikte üben
Dr. Hans Smoliner: Lebenskrise - Adoleszenz
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12 LITERATURHINWEISE:
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E. Erikson:
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„Lehrer-Schüler-Konferenz“, Heyne Sachbuch 1974
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„Die Klasse als Team“ Veritas, 1999
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Konkrete Erste-Hilfe-Tipps bei Drogenproblemen, Verlag Pieper
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Wolfgang Schmidbauer, Jürgen vom Handbuch der Rauschdrogen. Fischer Taschenbuch Verlag, FrankScheidt, Monika Schulenberg:
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