Ein Bummel durch das stille Brügge

Transcrição

Ein Bummel durch das stille Brügge
» treffpunkt Choco
-Story
(Wijnzakstraat)
» Kilometer 4 km
» Ende Café Vlissinghe
in der la Blekersstraat
Ein Bummel durch
das stille Brügge
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St.-Anna und St.-Gillis mögen als das „stille“ Brügge gelten,
ENDE
doch gibt es hier, weitab von den ausgetretenen Pfaden,
­einiges zu erleben. Was halten Sie zum Beispiel von einer
Reihe nostalgischer Windmühlen, einfachen Arbeitervierteln
und ein paar exklusiven Herrenclubs? Damit Sie all diese
­Eindrücke in Ruhe verarbeiten können, lassen wir Sie
­hinterher in dem ältesten Café von Brügge verschnaufen!
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TREFFPUNKT
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Von Choco-Story bis zur Gouden-Handstraat
Gibt es einen besseren Ausgangspunkt für die längste der hier beschriebenen
Stadtwanderungen als Choco-Story (Wijnzakstraat 2) 41 . Im Schokoladenmuseum
tauchen Sie nicht allein in die süße Geschichte von Schokolade und Kakao ein, sondern können die Köstlichkeiten auch probieren und sich einen kleinen Vorrat zulegen,
damit Sie unterwegs bei Kräften bleiben. Auf Seite 68 enthüllt Meister-Chocolatier
Dominique Persoone noch mehr Schokoladengeheimnisse. Aber das ist nicht alles.
An der gleichen Adresse befindet sich auch Lumina Domestica 43 , das Museum
mit der größten Lampensammlung der Welt mit über 6000 Antiquitäten.
sestraat. Das würdige weiße Schulgebäude auf der anderen Seite der Brücke ist das
frühere Kolleg der englischen Jesuiten.
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Biegen Sie links in die Sint-Jansstraat, gehen Sie weiter auf der Korte Ridderstraat
gegenüber und dann nochmals links auf den Sint-Maartensplein.
Direkt vor Ihnen taucht die prächtige St.-Walburgakirche 21 auf. Diese Barockkirche
(1619-1642) hat eine auffallend schöne Kommunionbank und einen Hochaltar aus
Marmor. Im Sommer gibt es hier herrliche Konzerte mit klassischer Musik (Eintritt
frei). Ganz in der Nähe, an der Hausnummer 4, sehen Sie das frühere Schottenkontor.
Gehen Sie weiter über die Koningstraat bis an die Brücke.
An dieser Brücke, die die stimmungsvolle Spinolarei mit der Spiegelrei verbindet, haben Sie links einen schönen Blick auf das Oud Huis Amsterdam. Heute ist dies ehemalige Herrenhaus ein elegantes Hotel. In dieser Gegend verkehrten damals vor allem Engländer und Schotten. Die Engländer hatten an der Spinolarei selbst eine eigene Steegere oder Treppe, über welche sie ihre Waren entladen konnten. Die Treppe
gibt es heute noch, und die damit verbundene Straße heißt passenderweise Engel-
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St.-Gillis, das Viertel der Arbeiter und Künstler
Gehen Sie über die Brücke und halten Sie sich rechts, um vier Straßen weiter links in
die Gouden-Handstraat einzubiegen.
Die Gouden-Handstraat und die St.-Gillisgemeinde waren im 15. Jahrhundert als
Künstlerviertel bekannt. Hans Memling durfte allerdings einige Straßen weiter, in der
Sint-Jorisstraat, wohnen. Jan van Eyck hatte in der Gouden-Handstraat ein Atelier
und auch seine etwas weniger berühmten Kollegen hatten sich in dieser Gemeinde
angesiedelt.
Biegen Sie sofort rechts ab in die Sint-Gilliskerkstraat.
Diese Straße endet an der St.-Gilliskirche 17 , dem Zentrum des verträumten
­St.-Gillisviertels. Diese ursprüngliche Kapelle wurde 1258 in den Stand einer Gemeindekirche erhoben. Trotz der neugotischen Innenausstattung und der prächtigen
Gemälde ähnelt sie eher einer stattlichen Dorfkirche. Aber vergessen Sie nicht:
rund um die Kirche liegen mehrere berühmte Maler begraben. Von Hans Memling
(† 1494, damals der am besten bezahlteste Maler seiner Zeit) über Lanceloot Blondeel († 1561) bis Pieter Pourbus († 1564). Ihre Gräber und auch der Friedhof sind
­inzwischen verschwunden, aber ihre Künstlerseele schwebt noch über dem Ort.
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Brügge und das Meer
Die Potterierei verbürgte Jahrhunderte lang den Reichtum von Brügge. In Damme war
diese Gracht durch eine Schleuse, die „Speie“, mit der tiefen, zum Meer führenden Fahrrinne des Swins verbunden. Während Damme zum Vorhafen heranwuchs, wurde Brügge
im Hochmittelalter zum wichtigsten Handelszentrum Nordwesteuropas. Kunst und Kultur blühten und der Wohlstand schien endlos. Doch das Blatt wendete sich, als Maria von
Burgund plötzlich starb. Die Beziehungen zwischen Brügge und den Burgundern verschlechterten sich, und der burgundische Hof verließ die Stadt. In seinem Kielwasser
folgten die Kaufleute und mit ihnen ihr Reichtum. Der Swin versandete, und Brügge verlor seine privilegierte Handelsstellung. Die Stadt fiel in einen langen Winterschlaf.
Gehen Sie um die Kirche herum und biegen Sie in die Sint-Gilliskoorstraat ein.
Obwohl die Arbeiterhäuschen in dieser und den angrenzenden Straße recht klein
sind, haben sie doch meistens ein zugemauertes Fenster. 1880 wurden Fenster
nämlich besteuert, worauf schlagartig eine Menge für immer verschwand.
katholischen Priester ausgebildet werden. Wenige Meter weiter liegt das Hospitaal­
museum-Liebfrauenkirche ter Potterie (Nummer 79) 37 versteckt. Bereits im 13.
Jahrhundert versorgten hier emsige Schwestern Pilger, Reisende und Kranke. Die
­gotische Kirche mit barocker Innenausstattung und die reichhaltige Kunstsammlung,
die das Hospital im Laufe der Jahrhunderte zusammengetragen hat, können nun besichtigt werden. Eine gut versteckte Perle, die die breite Masse noch nicht entdeckt hat!
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Von der Potterierei
bis zu den Vesten
Biegen Sie am Ende der Straße
links in die Langerei ein und überqueren Sie direkt die erste Brücke,
die schöne Snaggaardbrug, zur
Potterierei, wo Sie links abbiegen
und dann ein gutes Stück weiter
geradeaus gehen.
Wenn Sie bereits ein gutes Stück auf der Potterierei gegangen sind, bemerken Sie auf
Ihrer rechten Seite das Grootseminarie (Priesterseminar) Brügge (Nummer 72) 04 .
Mit dem üppigen Obstbaumgarten und den Weiden mit grasenden Kühen ein einmalige Fleck in der Stadt. Hier wurde zwischen 1628 und 1642 eine neue Zisterzienser­
abtei gegründet, die durch den Reichtum und die Gelehrtheit ihrer Bewohner berühmt
werden sollte. Während der französischen Revolution wurde die Abtei säkularisiert,
und der Abt und seine Mönche wurden vertrieben. Die Abteigebäude aus dem 17.
­Jahrhundert dienten der Reihenfolge nach als Lazarett, militärisches Arsenal und
königliches Gymnasium bis sie 1833 das Großseminar aufnahmen, wo bis heute die
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Gehen Sie bis zur Schleuse, und biegen Sie dann rechts ab.
Von hier aus sehen Sie auf der anderen Seite des Rings den Anfang der Damse Vaart,
die zu dem ebenso romantischen Damme führt. Was heute so idyllisch aussieht, sollte
früher einmal Kriegszwecken dienen. Bis zum Achtzigjährigen Krieg war Brügge über
Damme mit Sluis verbunden. Der ehrgeizige Napoleon ließ die Verbindung mit der
Fahrrinne des Swins, der natürlichen Vorgängerin der Damsen Vaart, von spanischen
Kriegsgefangenen ausbaggern, um so einen Anschluss an Antwerpen auf dem Wasserweg zu schaffen. So konnte er die Hafenstadt zu einem Flottenstützpunkt ausbauen
und die lästigen englischen Blockaden umgehen. Damme wurde zweigeteilt.
Schließlich sollten die wilden Pläne des kleinen Generals nie vollständig verwirklicht
werden. Die belgische Unabhängigkeit
(1830) setzte ihnen ein Ende, und das
ganze Projekt strandete in Hoeke, einer
Dammer Teilgemeinde. Heute kann man
diesen lieblichen Weg nach Damme auf
dem Kanal oder über den verkehrs­
beruhigten Radweg am Kanal entlang
erleben. Dies ist unbedingt zu
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Die Schützengilde,
165 Männer und eine Queen!
Dort, wo lange Zeit eine der ärmeren
Gegenden war, befinden sich, wider­
sprüchlicherweise, zwei sehr exklusive
Clubs. Von der Anhöhe der St.-Janshuismühle aus sehen Sie links unten die St.Jorisgilde, eine Gilde der Armbrust­
schützen, und rechts, mit einen
­auffallend zierlichen Turm, die St.-­
Sebastiaansgilde. Die letztere ist über
600 Jahre alt, was auf der Welt einmalig
ist. Die Gesellschaft zählt genau 165
Männer und ein bemerkenswertes weib­
liches: die englische Königin. Seitdem
im 17. Jahrhundert der englische König
Charles II im Exil Brügge zur Residenz
erhob, besteht zwischen dem britischen
Königshaus und Brügge ein enges Band.
Man raunt sich zu, dass das englische
Königshaus bei jedem ­offiziellen Staatsbesuch in Belgien erst kurz bei der
Schützengilde reinschaut.
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nahmen die Aufgabe der Müller. Die Koeleweimühle 25 und die St.-Janshuismühle
32 , die beide zum Bruggemuseum gehören, sind heute noch zu besichtigen. Ein
Müller gibt nicht nur Erläuterungen, er zeigt Ihnen auch, wie dort gemahlen wurde.
Besteigen Sie auf jeden Fall die Erhebung, auf der die St.-Janshuismühle steht, von
hier aus gesehen die dritte. Oben auf diesem Hügel bekommen Sie ein fantastisches
Stadtpanorama präsentiert. Ideal, um Ihre frisch erworbenen Kenntnisse kurz auf­
zufrischen. Und es gibt noch mehr zu sehen! Rechts unten liegt die „Verloren Hoek“,
heute ein volkstümliches Viertel, das im 19. Jahrhundert berüchtigt und verarmt
selbst von der Polizei gemieden wurde.
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Das verträumte Brügge
­ mpfehlen, wenn man das von Jacques Brel so treffend besungene „Le plat pays“
e
(Mein flaches Land) im wahrsten Sinne des Wortes erleben will. Ein malerischer
­Kanal, umgeben von meterhohen Pappeln, gebeugt vom ständig wehenden Westwind,
inmitten einer einmaligen Polderlandschaft. Auf Seite 76 nimmt die Brügger Reisejournalistin ­Sophie Allegaert Sie zu weiteren schönen Stellen rund um Brügge mit.
Biegen Sie dann rechts ab und schlendern Sie weiter entlang den grünen „Vesten“,
die wie ein Ring die Stadt umgeben.
Im 16. Jahrhundert drehten auf diesen Festungsanlagen gut 30 Windmühlen. Heute
sind noch genau vier davon übrig. Ab dem 17. Jahrhundert ging der Brotkonsum
durch die Einführung der Kartoffel zurück, und die neuen Dampfmaschinen über­
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Gehen Sie den Hang hinunter und direkt in den Rollweg hinein.
Genau an der Ecke befindet sich das Bruggemuseum-Gezelle 22 , das Geburtshaus
von Guido Gezelle (1830-1899), eines der berühmtesten Dichter Flanderns. Hier finden Sie handgeschriebene Briefe, Schreibgerät und einen herrlich ruhigen Garten
mit einer Jahrhunderte alten korsischen Kiefer. Seine Eltern arbeiteten hier als Gärt­
ner und Hausmeister und bekamen dafür Kost und Unterkunft für die ganze Familie.
In dieser idyllischen Umgebung wuchs der kleine Guido Gezelle auf. Obwohl er einige
Jahre in anderen Städten verbrachte, kehrte er wieder nach Brügge zurück. Er war
Kaplan an der St.-Walburgakirche und übernahm die Leitung des Englischen Klosters (Carmerstraat 83-85), wo er starb. Man sagt, seine letzten Worten waren: „Ich
hörte so gerne die Vögel singen.“. Hier, in dem grünsten Teil der Stadt, weiß man sofort, was der Priester und Dichter damit meinte.
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Nehmen Sie die zweite Straße links, die Balstraat.
In dieser malerischen Straße mit kleinen Arbeiterhäusern ist das Heimatmuseum
27 untergebracht. Einige der Häuser aus dem 17. Jahrhundert, die nur ein Schlafzimmer hatten, wurden restauriert und nach altem Vorbild eingerichtet, von der Hutmacherei, über die Zuckerbäckerei bis zu einem Klassenzimmer. So bekommen Sie
einen Einblick in die Zeit von damals. Von hier aus fällt der Turm der Jeruzalemkapel
07 aus dem 15. Jahrhundert, eine prächtige Privatkirche an der Ecke, sofort ins
Auge. Die Kirche wurde im Auftrag der Familie Adornes erbaut, einem bedeutendem
Brügger Kaufmannsgeschlecht. Im Jahr 1470 holte Anselm Adornes seinen Sohn,
­eines von seinen 16 Kindern, in Padua ab, um mit ihm ins Heilige Land zu pilgern.
Wieder daheim auf belgischem Boden, beschlossen Sie, die Grabeskirche von
­Jerusalem nachzubauen. Das Ergebnis ist zumindest bemerkenswert! Direkt neben
der Kapelle befindet sich das Spitzencentrum 24 , wo Jung und Alt Workshops und
Schnellkurse besuchen kann. Das Zentrum hat ein eigenes Museum und ist in
­restaurierten Stiftungshäusern untergebracht, in denen bis vor 50 Jahren Klöpplerinnen wohnten. Gehen Sie während einer der Vorführungen hinein, dann scheint es
als wäre die Zeit stillstehen geblieben.
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Gehen Sie an der Kreuzung rechts in die Jeruzalemstraat und biegen Sie danach links
zum Sint-Annaplein ab.
Hier regiert die augenscheinlich schlichte St.-Annakerk 16 . Mag Sie auch von außen
nüchtern erscheinen, beim Hineingehen entdecken Sie Brügges schönste Barock­
kirche. Je reicher die Gemeinde wurde, desto mehr gewann die Kirche an Glanz.
Lassen Sie die Kirche hinter sich, und biegen Sie links in die Sint-Annakerkstraat
ein und dann etwas weiter rechts in die Sint-Annarei.
An der Ecke, an der die beiden Grachten aufeinandertreffen, prunkt Brügges
schönstes Rokokohaus. Nehmen Sie auf einer schattigen Bank Platz und genießen
Sie die Aussicht.
Gehen Sie einige Meter zurück und schlagen Sie direkt an der Brücke in die
­Blekersstraat ein.
Hausnummer 2 beherbergt das Café Vlissinghe, unbestritten das älteste Café von
Brügge. Bereits seit 1515 befindet sich in diesem Haus ununterbrochen eine Kneipe.
Gemütlichkeit in einer besonderen Atmosphäre, ein idealer Ort für eine Rast, um all
das Gesehene und Erlebte vielleicht bei einem Lokalbier zu verarbeiten. Gezondheid,
wie man hier in Flandern sagt.
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