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Graf Recke Stiftung 2013 3 Grußwort von Dr. Reinhard Frhr. v. Dalwigk, Präses des Kuratoriums der Graf Recke Stiftung. 4 Attraktivität weiterentwickeln Vorwort des Vorstands. 6 Zahlen und Fakten 7 Spenden- und Förderbericht 22»Wir müssen die Menschen befähigen!« Ein Podiumsgespräch mit leitenden Mitarbeitenden. 36 Was ist ein guter Arbeitgeber? Ein Impulsreferat von Prof. Christian Schrapper beim Neujahrsempfang 2014. 50 Adieu und vielen Dank! Pfarrer Ulrich Lilie verlässt die Graf Recke Stiftung. 53 »Mein Chef sieht super aus!« An dieser Antwort auf die Frage nach der Arbeitgeberattraktivität lässt sich der Kern des Themas wunderbar erkennen. Erziehung & Bildung »Hier fühle ich mich als Mensch« 8 Die Integrationshelfer des Familien unterstützenden Dienstes (FuD). 12 15 18 26 28 Vorbild Graf Recke Karrieren gehen oft eigenartige Wege. »Bei uns gibt es reale Aufstiegschancen« Gabriele Trojak-Künne über den Arbeitsmarkt Jugendhilfe. Den großen Schatz genießen Der Quellengrund in Wuppertal ist der östlichste Standort der Graf Recke Erziehung & Bildung. »Wir sind immer die, die weit reisen müssen.« Die Intensivwohngruppe Waisenhausstraße in Mönchengladbach-Rheydt. Ein alter Recke Wolfgang Richter ist seit 26 Jahren bei der Stiftung. 30 »Es ging mir immer um Gerechtigkeit.« Die Sonderschullehrerin Barbara Murakami erzählt von ihren Erfahrungen. 40 47 Eine Rückkehr voller Stolz Stefan Heil kehrt auf ungewöhnliche Weise in seine Wohngruppe zurück. Auf dem Weg in die Leitung Ein neuer Studiengang in der Jugendhilfe. Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik 44 Ein gutes Team Wie sich Mitarbeiter im Sozialpsychiatrischen Verbund vor Burn-Out schützen. 48 Neues lernen, Haltung reflektieren Wie Mitarbeiter berufliche Fort- und Weiterbildung sehen. Wohnen & Pflege 14 Ein gutes Beispiel für Integration Ida Nikolenko ist mit 60 Jahren noch einmal Auszubildende geworden. 32 43 »Das Haus Berlin ist mein Paradies« Ein Haus, drei Mitarbeitende, drei ganz individuelle Geschichten. Die zweite Chance Über Umwege in den Traumberuf. Dr. R. Frhr. v. Dalwigk, Präses des Kuratoriums der Graf Recke Stiftung Grußwort Liebe Leserinnen und Leser, Arbeitgeberattraktivität ist der Schwerpunkt unseres Jahresberichtes 2013. Dieses Thema entwickelt sich vor dem Hintergrund der aktuellen demografischen Entwicklung und des allerorten konstatierten Fachkräftemangels zu einer immer drängenderen Frage. Denn attraktive Arbeitgeber finden leichter passende Bewerber und erzielen eine hohe Verbundenheit ihrer Mitarbeitenden und können sich auf einem hart umkämpften Arbeitsmarkt so besser positionieren. Und auch und gerade für die bereits in unserem Unternehmen tätigen Mitarbeitenden ist die Arbeitgeberattraktivität von hoher Wichtigkeit. Denn nur motivierte Mitarbeitende, die mit Überzeugung für ihren Arbeitgeber einstehen, können die anspruchsvollen und manchmal auch schwierigen Aufgaben der Stiftung wirklich gut meistern. Vorstand und Aufsichtsgremien sind dazu da, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, permanent zu überprüfen und stetig weiter zu entwickeln. Gerade in Zeiten von Veränderungen, die mit unseren Plänen für die Neuentwicklung der beiden großen Areale in Wittlaer und Hilden einhergehen, ist es wichtig, Vertrauen und Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden spürbar werden zu lassen. Denn vor dem Hintergrund der auf gesellschaftlicher und politischer Ebene viel diskutierten neuen Konzepte und Rahmenbedingungen für unsere großen Geschäftsfelder Erziehung & Bildung, Wohnen & Pflege und Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik dürfen wir nicht vergessen, welche von hoher Kompetenz und Fachlichkeit geprägte engagierte Arbeit unsere Mitarbeitenden jeden Tag in unseren Einrichtungen leisten. Ich möchte es an dieser Stelle deshalb nicht versäumen, den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden unserer Stiftung noch einmal ausdrücklich Dank zu sagen für ihre unverzichtbare Arbeit. Der Jahresbericht würdigt dieses Engagement auch vor dem Hintergrund der Frage: Was erwarten die Mitarbeitenden von uns als Arbeitgeber? Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und grüße Sie, liebe Leserinnen und Leser, herzlich im Namen des Kuratoriums der Graf Recke Stiftung. Graf Recke Stiftung 3 Ulrich Lilie, Theologischer Vorstand Attraktivität weiterentwickeln Liebe Leserinnen und Leser, in einer kleinen internen anonymen Abfrage zu Beginn dieses Jahres haben wir einige leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Stiftung gefragt, welche Kriterien sie zur Beurteilung der Attraktivität eines Arbeitgebers anlegen würden. Mehrheitlich entschieden sich die Mitarbeitenden für diese Gesichtspunkte: Auf Platz eins landete das Kriterium »selbstständiges und eigenverantwortliches Arbeiten«, der verständliche Wunsch nach einem unbefristeten Arbeitsplatz sowie das durchgängig für erforderlich gehaltene »Vertrauen der Vorgesetzten« markierten die Plätze zwei und drei. »Soft Skills« wie Arbeitsatmosphäre, Kommunikation und das förderliche Verhalten von Vorgesetzten sind Mitarbeitenden in der sozialen Arbeit offensichtlich genauso wichtig, wie die sogenannten »harten Kriterien« tarifliche Entlohnung und Altersvorsorge (Platz sieben). In diesem Jahresbericht stellen wir Ihnen unsere Überlegungen und Initiativen vor, mit denen wir die Attraktivität der Graf Recke Stiftung als Arbeitgeber stärken und weiter entwickeln wollen. Dabei leitet uns eine Grundüberzeugung: In der täglichen Begleitung, der Pflege und Beratung unserer Bewohnerinnen und Klienten prägen unsere motivierten und gut qualifizierten haupt- 4 Graf Recke Stiftung Petra Skodzig, Finanzvorstand und ehrenamtlichen Mitarbeitenden mit ihrem tagtäglichen Einsatz das Gesicht der Graf Recke Stiftung. Mit der gerade neu gewählten Gemeinsamen Mitarbeitervertretung, den Geschäftsbereichsleitungen, externen Fachleuten und nicht zuletzt unseren Mitarbeitenden selber wollen wir dafür Sorge tragen, dass Wertschätzung, Fehlerkultur und Vertrauen die durchgängigen Erfahrungen sind, die Mitarbeitende mit der Führungskultur in unserer Stiftung sammeln können. Selbstverständlich sind bei uns trotz längst nicht mehr kostendeckender Erlöse ein kirchlicher Tarif inklusive einer Jahressonderzahlung und eine entsprechende Alterszusatzversorgung. Wir setzen uns sehr dafür ein, dass das so bleiben kann. Nicht zuletzt stehen hier die öffentlichen Kostenträger in einer Mitverantwortung dafür, dass Berufe in der sozialen Arbeit und in der Pflege die Anerkennung und Attraktivität erhalten, die sie nicht nur bei Sonntagsreden verdienen. Angesichts des demografischen Wandels, der Zunahme von psychischen Erkrankungen sowie der ständig steigenden Bedarfe in der Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Förderungsbedarfen liegen hier große gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Aber auch unsere Anstrengungen und Ideen sind gefragt. Gute Weiterbildungs-, Aufstiegs- und Qualifizierungschancen, familienfreundliche Arbeitszeiten und eine Arbeitsplatzgestaltung zum Beispiel in der Pflege, die eine lange Erwerbsbiografie im Pflegeberuf erst möglich macht – dafür treten wir ein, daran ar beiten wir. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und freuen uns über Ihre Anregungen und Ideen! Mit herzlichen Grüßen aus der Graf Recke Stiftung Graf Recke Stiftung 5 603 Mitarbeiter Erziehung & Bildung 372 Mitarbeiter Wohnen & Pflege 28 55 Mitarbeiter Kitas Mitarbeiter Graf Recke Schulen 135 Mitarbeiter Haus Berlin gGmbH 237 Mitarbeiter Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik 35 6 1.544 79 Gesamtzahl der Mitarbeiter Mitarbeiter DIFS GmbH Graf Recke Stiftung Mitarbeiter Stiftungsverwaltung Alle Werte basieren auf der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer im Jahr 2013. Dennis Fröhlen, Leiter der Stabsstelle Fundraising, berichtet: Spenden- und Förderbericht der Graf-Recke-Gruppe für das Jahr 2013 Im Geschäftsjahr 2013 wurde die erfolgreiche Entwicklung in der Graf Recke Stiftung im Bereich des Fundraising fortgesetzt. Die Stiftung konnte erfolgreich Spenden, Zuwendungen und Fördermittel von Privatpersonen, Firmen, fördernden Stiftungen, Banken und Sparkassen und Soziallotterien einwerben. Mit Fundraising will die Graf Recke Stiftung die Arbeiten ermöglichen, die weit über die Erstattung von Kostenträgern hinausgehen und somit das Besondere und Einzigartige schaffen. In der gesamten Stiftung konnten im Jahr 2013 159.811,14 Euro eingeworben werden und direkt den Projekten zufließen. Dabei entfielen auf den Geschäftsbereich Erziehung & Bildung 72.775,43 Euro, den Geschäftsbereich Wohnen & Pflege 76.752 Euro und auf den Geschäftsbereich Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik 350 Euro. Auf die Stiftungsverwaltung entfielen 6.236,30 Euro. Für die Graf-Recke-Kindertagesstätten gemeinnützige GmbH konnten 3.697,41 Euro eingeworben werden. Der Wert der Sachspenden summiert sich auf 2.701,49 Euro. Im Bereich des gesellschaftlichen Engagements von Firmen sind insbesondere das Engagement der Ford Werke aus Köln und der Provinzial Versicherung Rheinland mit dem Programm »Pro Ehrenamt« hervorzuheben. 14 Mitarbeiter aus den Ford Werken in Köln haben mit hohem Engagement im September 2013 das Freizeitcafé auf dem Campus Hilden wieder auf Vordermann gebracht. Die Provinzial Versicherung Rheinland hat im Jahr 2013 der Graf Recke Stiftung zwei Torwände gespendet und sich mit drei Ehrenamtstagen engagiert. Dabei strichen die Versicherungsmitarbeitenden unter anderem den Pferdestall in Hilden, darüber hinaus installierten sie einen Sinnesparcours in der Kita an der Graf Recke Kirche sowie eine Zahlenstrecke für Jung und Alt für die Kita im Walter-Kobold-Haus. Dank der Förderung der Aktion Mensch mit dem Programm »miteinander gestalten« konnte im DGSTreff im Jahr 2013 ein Inklusion Dance Challenge veranstaltet werden. Hier tanzten hörende und hör eingeschränkte Jugendliche und junge Erwachsene im Hauptbahnhof in verschiedenen Kategorien um die Wette. // Spendenkonto KD-Bank eG Dortmund, BIC GENODED1KDB IBAN DE44 1006 1006 0022 1822 18 Dennis Fröhlen, Leiter der Stabsstelle Fundraising: Telefon 0211. 940 08-184 [email protected] Graf Recke Stiftung 7 »Hier 8 Erziehung & Bildung Stefan Pannenbecker sagt: »Die Arbeit mit behinderten Menschen hat mich schon immer fasziniert.« fühle ich mich als Mensch« Sie arbeiten an Schulen, Kindergärten oder in Familien. Sie begleiten ihre Schützlinge durch den Alltag und helfen ihnen über die vielen Hürden des Lebens: die Integrationshelfer des Familien unterstützenden Dienstes (FuD) der Graf Recke Stiftung. Mit wem identifizieren sie sich? Mit ihren Kindern oder Jugendlichen? Mit der Schule oder dem Kindergarten, an dem sie arbeiten? Oder doch mit ihrem Arbeitgeber? Wie nehmen sie ihn wahr und was bedeutet er ihnen? Eine Rundreise auf der Suche nach der Antwort auf die Frage Von Roelf Bleeker-Dohmen und Greta Buschhaus Tanja Arndt war erschrocken. Darüber, »wie groß die Graf Recke Stiftung ist«. Eine Freundin, die bereits beim Familien unterstützenden Dienst der Graf Recke Stiftung arbeitete, hatte ihren Arbeitgeber weiterempfohlen. »Ich kannte die Stiftung vorher nicht und habe sie dann gegoogelt«, berichtet die 40-jährige gelernte Arzthelferin. Aber der Schreck wich sehr schnell der positiven Überraschung: »Als ich auf der Internetseite gesehen habe, wie viele Bereiche die Stiftung abdeckt, fand ich das klasse und superinteressant.« Erziehung & Bildung 9 Tanja Arndt meint: »Es ist ein absoluter Luxus, so gern zur Arbeit zu gehen« Großer Träger – große Auswahl Tanja Arndt begleitet den sechsjährigen Ardian durch seinen Alltag im Kindergarten der Lebenshilfe in Düsseldorf, einem heilpädagogischen Kindergarten. Ardian ist Autist. Seine Betreuerin erzählt mit großem Engagement, wie er langsam Vertrauen zu ihr aufbaute, wie er anfing, sich auch für andere Kinder zu interessieren, und dass sie hofft, dass wenn er nächstes Jahr zur benachbarten Schule wechselt, sie ihn auch dorthin begleiten wird. Tanja Arndt ist Integrationshelferin mit Leib und Seele und das seit letztem Jahr im Familien unterstützenden Dienst (FuD) der Graf Recke Stiftung. Zuvor hat sie auch schon in anderen sozialen Bereichen Erfahrungen gesammelt und eine Zusatzausbildung als Heilpraktikerin gemacht. Als sie nach einigen Jahren Kinderpause wieder beruflich einsteigen wollte, hatte die dreifache Mutter zwei Jobs in Aussicht – wieder als Arzthelferin einzusteigen oder aber als Integrationshelferin. Auf Empfehlung ihrer Freundin entschied sie sich für letzteren. Tanja Arndt wusste, was sie wollte, und der Familien unterstützende Dienst mit seinen über 300 ambulanten Betreuungen bot eine ganz breite Palette. »Die Arbeit mit Ardian macht mir großen Spaß«, sagt seine Betreuerin. »Und das ist ein absoluter Luxus, so gerne zur Arbeit zu gehen!« 10 Erziehung & Bildung Soziale Berufe sind oft mehr Herzensangelegenheit als andere. Auch Stefan Pannenbecker sagt: »Die Arbeit mit behinderten Menschen hat mich schon immer fasziniert.« Heute betreut er in der LVR-Schule am Volksgarten in Düsseldorf den zehnjährigen Elias. Zur Graf Recke Stiftung kam er über Karin Springob, Leiterin des FuD Nord mit Sitz in Hilden. Die war schon beim Trägerverein am Düsseldorfer Hauptbahnhof seine Vorgesetzte und wechselte dann zur Graf Recke Stiftung. »Ich habe sie zufällig getroffen, erzählt, dass ich auf der Suche nach einer neuen Aufgabe sei. Da hat sie mich gefragt, ob ich mich nicht bei der Graf Recke Stiftung bewerben möchte.« Auch Stefan Pannenbecker musste erst »googeln«, um herauszufinden, wie umfangreich das Angebot der Stiftung ist. Die Bandbreite der Angebote seines Arbeitgebers findet der gelernte Sozialarbeiter auch für sich persönlich attraktiv. »Ich werde bestimmt nicht immer hier an dieser Schule in diesem Job arbeiten«, sagt der 29-Jährige. Und vielleicht gibt es dann auch innerhalb der Stiftung eine neue Herausforderung für ihn. Auch deshalb sei ein großer Arbeitgeber attraktiv, findet Stefan Pannenbecker, weil innerhalb des eigenen Unternehmens die Bandbreite der Karrieremöglichkeiten einfach größer sei. Bezahlung und Zusatzversorgung Für Heike Göpel bedeutet ein großer Träger »Sicherheit«. Das Motiv der 55-Jährigen ist dabei ähnlich: »Wenn ich mal nicht mehr in der Schule arbeiten will oder kann, möchte ich gern woanders reinschnuppern.« Größe sorge für Vielfalt, meint Heike Göpel, die schon seit Jahren an der Helen-Keller-Schule in Ratingen arbeitet, aber erst seit zwei Jahren für den FuD der Graf Recke Stiftung. Der Schulleiter hatte sie angesprochen und den Kontakt vermittelt, denn zu diesem Zeitpunkt waren schon zahlreiche Kolleginnen und Kollegen der Graf Recke Stiftung dort unterwegs und Heike Göpel wusste: »Hier gibt es viel mehr Fortbildungsangebote, die wir für unsere Arbeit dringend benötigen.« In gemeinsamen Fortbildungen lernte die gelernte Kauffrau, die ihre berufliche Laufbahn bei einer Bank begonnen hatte, auch Kolleginnen und Kollegen aus ganz a nderen Bereichen kennen. »Dieser Austausch ist sehr spannend.« Und dann gab es noch einen ganz wesentlichen Aspekt: die Bezahlung. Die, so ihr Kollege Sergey Romanov, sei für ihn sogar der ausschlaggebende Grund gewesen, den Träger zu wechseln. Die Integrationshelfer der Graf Recke Stiftung werden nach dem kirchlichen Tarifrecht bezahlt – keine Selbstverständlichkeit, weiß Romanov, der auch noch die Zusatzversorgung der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse erwähnt. »Uns geht es gut hier« sind sich die beiden einig. »Es gibt wenig, das nicht gut läuft«, sagt Heike Göpel. Und wenn doch mal ein Problem bestehe, dann sei die Chefin regelmäßig vor Ort und immer ansprechbar. Professionell und ansprechbar Die Wichtigkeit der Erreichbarkeit der Vorgesetzten oder zentralen Mitarbeiter zieht sich ebenso durch die Argumentation aller Kolleginnen und Kollegen wie die Professionalität und Transparenz. Stefan Pannenbecker schwärmt geradezu: »Es wird genau abgerechnet, jede Stunde wird bezahlt, wir werden über alles, was uns zusteht, gut informiert.« Rund 60 Kräfte der Graf Recke Stiftung sind alleine schon an der LVR-Schule am Volksgarten tätig, FSJler und BuFDis nicht mitgerechnet. Die FuD-Kollegen sind regelmäßig vor Ort, um sich mit ihnen auszutauschen. So sieht es auch Kia Shabdiz, ebenfalls an der Volksgartenschule tätig. Sie betreut drei schwerstmehrfachbehinderte junge Menschen, ein höchst anspruchsvoller Job. Aber sie fühlt sich gut bezahlt, gut begleitet und ist froh, 2008 den Träger gewechselt zu haben: »Früher habe ich mich mehr als reiner Helfer gesehen, hier fühle ich mich als Mensch!« // Erziehung & Bildung 11 »Wir haben gerade aufgrund unserer oft bunten Lebensläufe schon viel im Leben geschafft.« Karrieren gehen oft eigenartige Wege. Die berufliche Laufbahn von Silke Offschinski-Lansen ist ein gutes Beispiel. Heute macht sie das, was sie gern macht, auch wenn sie sich etwas mehr Anerkennung dafür wünscht. Von Roelf Bleeker-Dohmen Eine Altbauwohnung in Neuss. Vor der Tür stehen aufgereiht sieben Paar Kinderschuhe. »Es hat sich rumgesprochen, dass ich den Kindern auch über die Schulzeit hinweg helfe«, stellt Silke Offschinski-Lansen lakonisch fest. Deshalb kommen jeden Nachmittag bis zu sieben Kinder, meist mit »Migrationshintergrund«, zu ihr zur inoffiziellen Hausaufgabenbetreuung in ihre Wohnung. Für die gelernte Zahntechnikerin ist das ganz normal, ebenso wie für ihren leiblichen Sohn. Denn der war die ganzen Jahre mit dabei, in denen seine Mutter insgesamt sieben Pflegekinder aufnahm und sie alle bis zum Abitur begleitete. Die berufliche Laufbahn von Silke Offschinski- Lansen ist keine gradlinige. In ihren Beruf als Ausbilderin in einem Zahntechniklabor kehrte sie nach ihrer Elternzeit nicht zurück. Eines Tages las sie einen Zeitungsbericht über »Eltern als Beruf«. Für sechs Jungs und ein Mädchen war das ein Glücksfall: Sie erhielten bei Silke Offschinski- Lansen ein Zuhause, das ihnen nicht in die Wiege gelegt worden war. »Mein Jüngster wird im Juni 19 und hat grad sein Abi.« Als eben dieser Jüngste in die Schule kam, ging Silke Offschinski-Lansen wieder arbeiten. In der Wertpapierabteilung einer Bank blieb sie zehn Jahre. Dann konzentrierte sie sich darauf, zwei 12 Erziehung & Bildung ihrer Kinder durchs Abitur zu bringen. Da aber daneben noch Zeit genug war, gab die achtfache Mutter Kunstunterricht an einer Realschule und an einem Gymnasium. Kurz darauf wurde sie gefragt, ob sie nicht an der Realschule als Integrationshelferin arbeiten möge. Sie mochte, aber die Arbeitsbedingungen und die finanzielle Ausstattung gefielen ihr überhaupt nicht. »Ich mache diesen Beruf sehr gerne«, sagt sie, »aber ich möchte auch ein ausreichendes Gehalt dafür«. Es war purer Zufall, dass Silke Offschinski-Lansen, die damals noch für einen anderen Träger arbeitete, dem Grafen von der Recke begegnete: Eines ihrer Pflegekinder wollte seine Facharbeit über den Grafen und seine Rettungsanstalt schreiben. Als die Unzufriedenheit von ihr und sieben anderen Integrationshelfern wuchs, entdeckte Silke Offschinski-Lansen die Graf Recke Stiftung als Arbeitgeber. Der Graf ist für Silke Offschinski-Lansen ein wichtiges Vorbild. Sein Wirken und seine Bereitschaft abzugeben, hat sie überzeugt. Nun galt es für sie, die Kolleginnen zu überzeugen. Die tarifliche Bezahlung sei dabei ein ganz wichtiges Argument gewesen für den Wechsel, aber auch die Professionalität des neuen Arbeitgebers. Gemeinsam mit der Leitung des Familien unterstützenden Dienstes der Graf Recke Stiftung organisierte sie innerhalb kurzer Zeit den Wechsel. »Die Kolleginnen sind mir wie einer Entenmutter hinterhergelaufen!« Bereut hat es niemand: »Natürlich machen wir hier immer noch Überstunden, aber die werden ganz transparent und professionell in Leistungsnachweisen aufgeführt und sind jederzeit überprüfbar.« Und wenn es doch mal hake, seien die Mitarbeitenden der Graf Recke Stiftung jederzeit ansprechbar und lösungsorientiert. Einen Wunsch hat Silke Offschinski-Lansen aber noch: »Mehr Anerkennung für uns Integrationshelfer, mehr Rechte und mehr Rückendeckung. Als Bankerin hatte ich das Gefühl, viel angesehener zu sein als jetzt. Wir werden gerade von den Lehrern oft kritisch beäugt, dabei haben wir gerade aufgrund unserer oft bunten Lebensläufe schon viel im Leben geschafft.« // Vorbild Graf Recke Erziehung & Bildung 13 Ida Nikolenko, geboren in Kasachstan. Ein gutes Beispiel Ida Nikolenko (60) kam aus Kasachstan, hat unsere Sprache gelernt und mit 60 Jahren eine weitere Ausbildung gemacht Von Gabriele Vaquette Für Ida Nikolenko war es keine Frage: Sie wollte sich auch mit 60 Jahren noch einmal der Herausforderung stellen und eine Ausbildung machen. Die Frau aus Kasachstan kam 2002 nach Deutschland und arbeitet seit 2003 im Senioren- und Pflegeheim Haus Berlin am Pestalozziweg als Pflegehelferin; 2012 startete sie dann eine Ausbildung zur examinierten Altenpflegerin. Sie ist für ihre Kollegen und ihren Arbeitgeber ein Vorbild und Beispiel für eine gelungene Integration. »Das ist eine besondere Leistung, sich nach so vielen Berufsjahren noch einmal fortzubilden. Wir sind schon stolz auf sie«, sagt Geschäftsführer Jürgen Büstrin. Er und seine Kollegen zollten Ida Nikolenko die allergrößte Wertschätzung, denn an Pflegekräften herrsche ein Mangel. Das Team habe die Ausbildung mitgetragen: »Das ist gelebte Solidarität und spricht für das Arbeitsklima«, sagte Büstrin. Das sieht Ida Nikolenko, die sich ganz bescheiden gibt, auch so: »Es war schwer, aber ich fühle mich hier wohl, das liegt am Team.« Die Entscheidung, 6000 Kilometer nach Deutschland umzuziehen, fiel vor elf Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Wladimir, mit dem sie seit 1974 verheiratet ist, und ihren Kindern Julia (36), Alexej (31) und Anna (25). Ida Nikolenko hatte als Krankenschwester an der Berufsschule in Semipalatinsk gearbeitet. Die Stadt und die Region 400 Kilometer östlich der Hauptstadt Astana ist als ehemaliges russisches Atomwaffen-Testgelände in 14 Wohnen & Pflege für Integration der Welt bekannt. Fast 400 Atomwaffen wurden dort von 1949 bis 1989 über- und unterirdisch gezündet. »Die politische und alltägliche Lage war unsicher«, sagt Ida Nikolenko, deren Mutter Erika Bangert, geborene Müller, deutschstämmig war; die Wurzeln der Familie sollen in Mitteldeutschland oder Schwaben liegen. In Kasachstan arbeitete Ida Nikolenko als Röntgenlaborantin im Krankenhaus. »Des öfteren landeten Patienten mit Messerstichen und Schusswunden bei uns«, erzählt sie. Angesichts dieser schwierigen Umstände beschloss die Familie einmütig auszuwandern: »Mein Bruder war auch schon nach Deutschland gegangen und sagte, dass es dort einfach besser ist.« Ida Nikolenko absolvierte ein sechsmonatiges Praktikum im Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster und einen neunmonatigen Sprachkurs. Aus einer Notwohnung an der Wittorfer Straße zogen sie und ihre Familie 2006 nach Ruthenberg um. Nach einem Praktikum im Haus Berlin stand es fest: »Das hat mir hier gleich gefallen.« Von Juni bis November 2012 absolvierte sie dann die Altenpfleger-Ausbildung am Bildungszentrum für Gesundheit und Pflegeberufe in Uetersen. Ihr Chef stellte sie dafür frei, genehmigte ihr bezahlten Urlaub und engagierte sogar eine Ersatzarbeitskraft – eine Investition, die alle mittrugen. Pflegedienstleiter Norbert Borchert bekräftigt das: »Sie ist ein Gewinn für das Haus.« Die agile 60-Jährige arbeitet im Wohnbereich 7, der Abteilung für Demenzkranke. Sie legt Infusionen, sorgt für die richtige Medikamentierung, überprüft Blutdruck und Blutzucker, stellt Diabetiker richtig ein und überwacht auch die Bewohner, die an anderen chronischen Krankheiten leiden. Vor allem hat sie für alle ein freundliches Wort und ein offenes Ohr. ›Ihre‹ Bewohner hat sie ins Herz geschlossen: »Es sind viele persönliche Bindungen entstanden. Ich bin froh, in Deutschland zu sein«, sagt Ida Nikolenko. // Der Artikel erschien ursprünglich im Holsteinischen Courier. Wir drucken ihn mit freundlicher Genehmigung nach. »Bei uns gibt es reale Demografischer Wandel und Fachkräftemangel sind allgegenwärtige Schlagworte und Herausforderungen, mit denen alle Branchen mehr oder weniger schwer zu kämpfen haben. In der Kinder- und Jugendhilfe kommen einige besondere Fragen hinzu, wie Gabriele Trojak-Künne, Fachbereichsleiterin im Geschäftsbereich Erziehung & Bildung, im Interview mit Roelf Bleeker-Dohmen erläutert. Aufstiegschancen« Soziale Berufe sind immer noch verstärkt Frauenberufe. Ist das ein Problem, Frau Trojak-Künne? Zumindest bringt das Probleme mit sich: Zum einen fallen Frauen – bei allen Bestrebungen hinsichtlich Ganztagsschulen und Rechtsansprüchen auf Betreuungsplätze für Unter-Dreijährige – immer noch ganz oder teilweise aus, wenn sie Kinder bekommen. Zum anderen müssen wir uns aber auch auf den verstärkten Ausfall von Frauen vorbereiten, wenn die längere Lebensdauer von Menschen und die steigende Überalterung der Gesellschaft immer mehr Familien zwingt, sich um einen zu pflegenden Angehörigen im Rahmen häuslicher Pflege zu kümmern. Auch hier sind es in der Regel die Frauen, die beruflich kürzer treten und uns dann in den Einrichtungen fehlen. Dadurch trifft uns der allgemeine Fachkräftemangel noch härter. Ein fachliches Problem des deutlichen Übergewichts an Frauen im Pädagogischen Berufsfeld führt dazu, dass Kinder zunehmend nur von Frauen erzogen werden. So gibt es Kinder, die über ihre alleinerziehende Mutter, die Kindergärtnerinnen und die Grundschullehrerinnen in ihren ersten Jahren fast ausschließlich auf weibliche Bezugspersonen treffen. Das stellt insbesondere für die Jungen ein Problem dar, denen das Rollenvorbild fehlt. Was muss getan werden, um soziale Berufe für Männer attraktiver zu machen? Zum einen ist das eine Frage der gesellschaftlichen und politischen Haltung gegenüber sozialem Engagement. Die Anerkennung des Sozialen war meines Erachtens schon mal deutlich ausgeprägter. Zum anderen ist das natürlich auch eine Frage der Vergütung. Die spielt für Männer eine größere Rolle. Die Tarifumstellung hat hier zu gravierenden Einschnitten geführt, die kaum mehr Anreiz bieten, dieses Berufsfeld zu wählen – zumal, wenn davon mal eine Familie ernährt werden soll. Aber auch die Optionen, Teilzeit zu arbeiten, um berufbegleitende Zusatzqualifikationen zu erwerben, reduzieren sich, wenn man dann seine Miete nicht mehr zahlen kann. Aber hier hilft kein Jammern, sondern wir Erziehung & Bildung 15 »Der Zyklus von Ausbildung, Arbeiten und Rente gilt ja schon längst nicht mehr.« müssen berufliche P erspektiven und Angebote schaffen. Bei uns gibt es reale Aufstiegschancen, weil wir in unseren Systemen Teamleitungen, stellvertretende Teamleitungen haben, die tariflich durchaus attraktiv eingestuft sind und weitere Karriereoptionen eröffnen. Das setzt zunächst mal eine vernünftige Ausbildung voraus… …und da haben wir mit Einführung der BachelorStudiengänge weitere Aspekte, welche die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe aktuell beschäftigen: Die Studieninhalte sind uneinheitlich und somit weniger vergleichbar geworden, zudem hat die Verkürzung der Ausbildungszeit meist den Praxisanteil getroffen. Für uns bedeutet das sehr viel mehr Aufwand in der Einarbeitung von Mitarbeitenden, die gleichwohl von Anfang an als Fachkräfte gewertet und bezahlt werden müssen. Auch kommen die Studierenden früher in den Job, was in der Jugendhilfe nicht ganz unproblematisch ist: Der Alters- und damit Rollenunterschied zwischen den Pädagogen und Betreuten hat sich verringert, was sich je nach Betreuungsform mehr oder weniger stark auswirkt. Die jungen Pädagogen haben insbesondere den Jugendlichen in den Intensivgruppen weniger entgegenzusetzen und zeigen nicht selten, dass die Fähigkeit zu Krisen- und Stressbewältigung noch nicht genügend ausgeprägt ist, um die Anforderungen selbstständig und eigenverantwortlich zu bewältigen. Früher gab es das Anerkennungsjahr, das ich für absolut sinnvoll halte, weil es genügend Zeit zur Verfügung stellt, um mit anleitender Begleitung an den Aufgaben zu wachsen. Wir bieten unseren Berufseinsteigern deshalb die Möglichkeit, ein freiwilliges 16 Erziehung & Bildung nerkennungsjahr zu absolvieren. Dieses Angebot wird oft gern A angenommen, weil es den Berufsanfängern einfacher macht, Unsicherheiten zuzugeben und Rückfragen zu stellen, als wenn sie als Fachkraft direkt auf Augenhöhe mit den Kolleginnen und Kollegen sein müssen. Weil uns bewusst ist, dass für junge Erzieher und Pädagogen der Austauschbedarf hoch ist, haben wir schon seit Jahren eine sich auf dem Campus in Hilden einmal im Monat treffende »Einsteigerrunde«, wo sich die neuen Mitarbeitenden unter Anleitung einer erfahrenen Kollegin untereinander kennenlernen, austauschen und Kontakte knüpfen können. Gleichzeitig hilft es uns, strukturelle Probleme zu erkennen und zu beseitigen. Einstiegshilfen als Attraktivitätsmerkmal? Auf jeden Fall! Wir arbeiten in unseren Gruppen teilweise mit schwer traumatisierten Kindern und Jugendlichen. Das kann nur funktionieren, wenn wir unsere Mitarbeitenden eng begleiten, zum Beispiel in Mitarbeitenden-, Team- und Supervisionsgesprächen, in denen wir gemeinsam unsere Arbeit reflektieren und Stärken und Schwächen von Mitarbeitenden herausarbeiten. Darüber hinaus ist der Bildungsweg unserer Mitarbeitenden mit Berufseintritt ja nicht abgeschlossen! Fort- und Weiterbildung, eine weitere Ausbildung oder eine Fortsetzung des Studiums bis zum Master versetzen unsere Kolleginnen und Kollegen in die Lage, sich auch im weiteren Berufsleben den fachlichen Anforderungen zu stellen. Um ihnen das zu ermöglichen, bemühen wir uns um flexible Arbeitszeitmodelle. Aber auch zur Gestaltung verschiedener Lebenszeitmodelle sind solche Modelle interessant. Der Zyklus von Ausbildung, Arbeiten und Rente gilt ja schon längst nicht mehr. Heute sind Modelle gefragt, die Lern-, Arbeits- und Ruhephasen in einem Zeitraum ermöglichen. Große Konzerne versuchen schon länger unter der Überschrift »lebensereignisorientierte Personalentwicklung«, ihren Mitarbeitenden Flexibilität und Entlastung zu verschaffen. Wir als großer Träger haben da ganz sicher auch Möglichkeiten. Gabriele Trojak-Künne sieht gute Aufstiegschancen bei der Graf Recke Erziehung & Bildung. Welche Rolle spielt dabei die strukturelle Veränderung der Bevölkerung? Demografisch werden wir mit der Veränderung der Bevölkerungsstruktur hin zu immer mehr älteren Menschen selbstverständlich auch innerhalb unserer Mitarbeiterschaft diesem Phänomen begegnen. Nach Vorausberechnungen des statistischen Bundesamtes wird das Potenzial an »Erwerbspersonen« schon zwischen 2017 und 2024 zu jeweils 40 Prozent aus 30- bis 50-Jährigen und 50- bis 65-Jährigen bestehen – die Verschiebung der Renteneintrittsgrenze nach hinten mal ganz außer Acht gelassen. So haben wir neben der erschwerten Neugewinnung von Fachkräften auch die Aufgabe, ältere Fachkräfte fit und leistungsfähig zu erhalten, zumal wir im Schicht- und Gruppendienst Arbeitsbereiche haben, die nur in bestimmten Lebensphasen attraktiv und leistbar sind. Betriebliche Gesundheitsförderung wird immer wichtiger und findet sich in Projekten wie aktuell der Kooperation mit dem Sportzentrum Hilden wieder. Darüber hinaus sind wir dazu übergegangen, den älteren Kolleginnen und Kollegen Arbeitsplatzalternativen anzubieten, da Mitarbeitende in den Wohngruppen in den seltensten Fällen bis zum Ende ihrer Lebensarbeitszeit in der Jugendhilfe bleiben, wenn ihnen nicht Anreize zum Stellenwechsel auf weniger belastete Arbeitsplätze – ohne Gehaltseinbußen – angeboten werden. Sie hierzu durch Fort- und Weiterbildung zu qualifizieren, ermöglicht ihnen eine adäquate Weiterbeschäftigung und gibt uns die Chance, das Wissen und die Erfahrungen der älteren Kolleginnen und Kollegen, zum Beispiel als Therapeuten, weiter zu nutzen. Diese Angebote gelten übrigens nicht nur für langgediente Mitarbeitende, sondern sind gerade auch für Frauen attraktiv, die die erste berufliche Phase dazu nutzen, Zusatzqualifikationen zu erwerben, um finanzielle Einbußen bei späterer Teilzeitbeschäftigung während der Familienphase zu verringern. Das klingt, als müsse man in der Jugendhilfe erst mal den Knochenjob machen, um dann Jahre später vielleicht attraktive Perspektiven entwickeln zu können… Nein, das ist eine falsche Sicht der Dinge. Gerade für jüngere Mitarbeitende ist der Gruppen- und Schichtdienst durchaus interessant – nicht nur wegen der entsprechenden Zulagen! Die Arbeitszeiten ermöglichen ihnen viel Freizeit auch innerhalb der Woche, was viele Mitarbeitende als Vorteil empfinden. Sogar für junge Familien kann Schichtarbeit von Vorteil sein, weil die Betreuung der Kinder dadurch besser gewährleistet ist, als wenn zum Beispiel beide Partner von acht bis fünf aus dem Haus sind. Und viele junge Väter sagen mir, dass sie durch den Schichtdienst oft schon mittags zu Hause sind und viel mehr Zeit für ihre Kinder haben als Väter mit den klassischen Büroarbeitszeiten. Dieses Gespräch ist eine aktualisierte Version eines Interviews, das in der recke:in 3/2012 erschienen ist. // Erziehung & Bildung 17 18 Erziehung & Bildung Den großen Schatz Raus aufs Land fährt, wer den Quellengrund besuchen möchte. Genauer gesagt: raus ins Bergische Land. Am Rande Wuppertals, idyllisch gelegen zwischen Wiesen und Wäldern, muss der Ortsunkundige ein wenig suchen, um das Wohn- und Schulgebäude von Haus Quellengrund zu finden. Von Roelf Bleeker-Dohmen Der Quellengrund ist – zusammen mit der Gruppe Emmichstraße in Wuppertal – der östlichste Standort der Graf Recke Erziehung & Bildung. Eine halbe Autostunde entfernt von Düsseldorf leben 14 Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen und besuchen am gleichen Ort zwei Klassen, in denen sie von je zwei Lehrern betreut werden. »Hier ist man selten allein im Dienst«, sagt Marian Reineke, Erzieherin im Haus Quellengrund. »Bei meinem vorherigen Arbeitgeber musste ich oft allein klar kommen. Hier kann man sich im Team absprechen und gemeinsam entscheiden.« Marian Reineke wurde in Wuppertal geboren, lebte bis vor Kurzem dort und zog dann nach Velbert. »Ich kenne mich aus hier in der Gegend!« Er arbeitete nach seiner Erzieherausbildung bei einem katholischen Jugendhilfeträger in Velbert und bewarb sich dann gezielt bei der Wohngruppe Haus Quellengrund. Ein Bekannter, der damals schon dort tätig war, hatte ihm von dort berichtet und wie zufrieden er dort sei. »Ich habe mich nicht bei der Graf Recke Stiftung beworben, sondern beim Haus Quellengrund«, sagt der 37-Jährige, der im Sommer seit neun Jahren hier arbeitet. »Aber ich habe die Graf Recke Stiftung als Arbeitgeber sehr schnell schätzen genießen gelernt.« Die Größe des Unternehmens hält er für einen Vorteil: »Das sorgt schon für eine besondere Professionalität in der Organisation, in der Fachlichkeit; es gibt einen Austausch zwischen den Gruppen und dadurch wächst der Erfahrungsschatz innerhalb des Unternehmens.« Die räumliche Entfernung zur Stiftung ist da kein Problem. »Wir arbeiten eng mit den Gruppen an den anderen Standorten zusammen«, berichtet Reineke. Jetzt am Wochenende komme die Gruppe Achilles aus Wittlaer im Quellengrund zu Besuch. »Das sind alles ehemalige Quellengrund-Bewohner, die Kontakt halten!« Er selbst ist immer mal wieder in den anderen Gruppen, vor allem wenn es um Anschlussmöglichkeiten für die jungen Heranwachsenden geht. Aufgenommen werden Kinder im Quellengrund bis höchstens zwölf Jahre, mit spätestens 16 muss ein Anschluss gefunden werden. »Da ist es natürlich auch gut, wenn dies innerhalb der Stiftung möglich ist«, meint Reineke. »Dazu stehen wir mit den Kolleginnen und Kollegen anderer Gruppen im engen Austausch.« Schon ganz zu Anfang seiner Tätigkeit wurden die neuen Mitarbeitenden nach Düsseldorf in die Geschäftsbereichszentrale zum geselligen Kennenlernen eingeladen. »Da fühlte ich mich direkt willkommen«, sagt Marian Reineke. »Und je mehr ich von dort mitbekam, desto mehr konnte ich mich mit der Graf Recke Stiftung identifizieren.« Dabei hat alles zwei Seiten. Auch die Größe. Mit den beiden anderen großen Geschäftsbereichen hat Reineke fast keine Berührungspunkte. Und in einem großen Unternehmen kann nicht alles gleich gut laufen. Und als vor fünf Jahren die Misshandlungsvorwürfe gegen die Gruppe Lernfenster in Hilden aufgedeckt und sie ein paar Monate später ein großes Thema in den Erziehung & Bildung 19 »Die Bereichsleitung hat uns den Rücken gestärkt.« Medien waren, da waren auch die Mitarbeiter im Quellengrund sehr verunsichert, erinnert sich Marian Reineke. Aber auch hier, findet er, habe die Stiftung sehr gut reagiert: »Frau Schreiber als Bereichsleitung hat uns den Rücken gestärkt, uns versichert, dass wir unsere Arbeit gut machen. Gleichzeitig wurden von der Leitung Maßnahmen wie Antigewalt-Training oder Dokumentationsund Meldeverfahren eingeführt. Es wurde schnell und verantwortungsvoll gehandelt.« Dass gerade die Dokumentation oft viel Zeit in Anspruch nimmt und Marian Reineke findet, dass das Verhältnis von Dokumentation und eigentlicher Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen »immer mehr auseinanderklafft«, das ist etwas, das die Leitenden im Blick behalten sollten, sagt er: »Ich sehe die Notwendigkeit, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich dadurch nicht so viel Zeit für die Kinder habe, wie ich bräuchte.« Doch auch hier findet der Erzieher, dass seine Vorgesetzten und die Leitungsverantwortlichen im fernen Düsseldorf ein offenes Ohr für solche Anliegen haben. Und so genießt Marian Reineke die Professionalität und den Erfahrungsschatz eines großen Arbeitgebers und den guten Teamgeist im Quellengrund. Und sollte es ihn, aus welchen Gründen auch immer, einmal von dort wegziehen, sagt Marian Reineke mit einem dezenten Grinsen, dann gebe es ja – nur für den Fall – innerhalb der Graf Recke Stiftung noch viele andere Arbeitsmöglichkeiten. // 20 Erziehung & Bildung Der Quellengrund Das Haus Quellengrund ist eine Wohngruppe für 14 Mädchen und Jungen im Alter von 6 bis 16 Jahren mit geistigen Behinderungen und Verhaltensauffälligkeiten (SGB XII und SGB VIII). Sie gehen alle in die Schule Quellengrund auf dem gleichen Gelände. Hier werden Schülerinnen und Schüler unterrichtet, die im Grenzbereich von Lernbehinderung zu geistiger Behinderung liegen und zusätzlich verhaltensauffällig sind. Das Haus liegt in einem Naturschutzgebiet und setzt mit naturnahem Lernen neben den lebenspraktischen Übungen einen besonderen Schwerpunkt. Erziehung & Bildung 21 Birgit Kleekamp ist Leiterin der beiden Düsseldorfer Einrichtungen der Graf Recke Wohnen & Pflege. Michael Mertens ist Geschäftsbereichsleiter der Graf Recke Erziehung & Bildung. Jan Dubbel ist Bereichsleiter im Sozialpsychiatrischen Verbund. Frank Schwanz ist Einrichtungsleiter des Heilpädagogischen Wohnhauses Haarbachhöfe in Ratingen. Das Gespräch wurde moderiert und aufgezeichnet von Dr. Roelf Bleeker-Dohmen, Leiter der Unternehmenskommunikation. 22 Graf Recke Stiftung »Wir müssen die Menschen befähigen! « Zwei Mal im Jahr werden die neuen Mitarbeitenden der Graf Recke Stiftung zu einer zentralen Einführungsveranstaltung eingeladen. Ein Bestandteil der Veranstaltung ist ein Podiumsgespräch mit leitenden Mitarbeitenden aller Geschäftsbereiche zum jeweiligen Jahresthema. Das Vorgespräch dazu haben wir aufgezeichnet und hier zusammengefasst. Was ist ein attraktiver Arbeitgeber? mertens Einer, dessen Mitarbeitende nicht gehen wollen. Wir finden hier bei der Graf Recke Stiftung eine hohe Verweildauer von Mitarbeitenden vor. Allerdings nehme ich gleichzeitig als Widerspruch wahr, dass das oft gerade die sind, die ein sehr hohes Unzufriedenheitspotenzial formulieren. Weil sich gerade langjährige Mitarbeitende bei ihrem Arbeitgeber wie zu Hause fühlen und benehmen? kleekamp Vielleicht steckt dahinter die Tatsache, dass Menschen sich an alles gewöhnen – auch an das Gute. Wenn ich 2 0 Jahre lang irgendwo tätig bin, nehme ich die Vorteile irgendwann als selbstverständlich wahr. Oft wird mir die Qualität meines Arbeitgebers erst wieder klar, wenn ich mich um einen alternativen Arbeitgeber bemühen muss. Aber einen Grund zum Klagen findet wohl jeder. kleekamp Manche jammern bestimmt nicht zu Unrecht. Die Herausforderungen an die Menschen in unserem Arbeitsbereich fordern die ganze Person – körperlich, seelisch und geistig. Oft leiden wir aber auch unter Rahmenbedingungen, die der Arbeitgeber gar nicht selbst setzt. dubbel Auch bei uns im Geschäftsbereich ist die Verweildauer relativ hoch. Ein Grund dafür ist sicherlich ganz einfach die Vergütung. Wer seinen Arbeitsplatz nach langen Jahren wechselt, muss ja gehaltsmäßig wieder weiter unten anfangen. Vergütung und unbefristeter Vertrag sind zwei wesentliche Faktoren. Aber welche Anforderungen formulieren Arbeitnehmer noch an ihren Arbeitgeber? kleekamp Mitarbeiter wollen gern Handlungsspielräume haben, Kreativ- und Gestaltungsräume. Haben sie diese, ist ihr Arbeitgeber für sie ein guter. mertens Dieses Bedürfnis ist sicherlich berufsgruppenabhängig. Viele Mitarbeitenden möchten auch bei uns ihre KreaGraf Recke Stiftung 23 »Viele Köpfe aus unterschiedlichen Berufsfeldern erweitern die Kompetenz eines jeden einzelnen Teams.« Birgit Kleekamp tivität größtmöglich ausleben, und das ist ja völlig in Ordnung, so lange das Wohl der Kinder und Jugendlichen gesichert ist. Dabei verfügen Mitarbeitende durchaus über eine hohe Identifikation sowohl mit der diakonischen Zugehörigkeit ihres Arbeitgebers als auch dem Grafen von der Recke als einem der ältesten diakonischen Arbeitgeber überhaupt. Aber dieses Bild ist diffus. dubbel Unsere Mitarbeitenden benötigen Handlungsspielräume, sie wollen sich nicht ständig beim Vorgesetzten rückversichern, sondern eine gewisse Selbstverwirklichung schaffen. Gleichzeitig wollen sie das Gefühl einer guten Struktur haben. Kleekamp In Vorstellungsgesprächen höre ich immer wieder die Frage: Macht Ihr auch Fortbildungen? Wie ist die Ausstattung? Sind genug Leute da? Die Ausstattung ist wichtig und dass ich dort nicht allein die Verantwortung tragen muss, sondern noch andere da sind. schwanz Neue Anforderungen erfordern auch ein gutes Maß an geeigneten Fortbildungen. Wichtig hierbei ist die Auslese an guten Dozenten und Fortbildungsangeboten, um unsere Mitarbeiter für diese Anforderungen zu rüsten. Dazu zählen auch Auffrischungsseminare und ein guter Informationsfluss. kleekamp Wichtig ist, dass die Angebote auch beim Mitarbeiter ankommen. Wir orientieren uns bei den Mitarbeiterentwicklungsgesprächen auch am Fortbildungsbedarf. Damit verbinden sich gerade in der Pflege auch Aufstiegsmöglichkeiten. Die Aufstiegsmöglichkeiten in der Pflege durch Fort- und Weiterbildung sind schon sehr gut, ob ich mich nun spezialisiere oder auch weiterbilde 24 Graf Recke Stiftung für Wohnbereichs- oder Pflegedienstleitung. Allerdings überlegen sich viele, die sehen, wie viel so eine Leitung zu tun und zu verantworten hat, ob sie das für 50 Euro mehr im Monat machen möchten. Manche haben aber einfach Spaß daran, mehr Verantwortung zu übernehmen. Ist das im Sozialpsychiatrischen Verbund auch so? dubbel Da sind die Hierarchien eher flach. Wir haben eigentlich nur Mitarbeiter im Gruppendienst und Bereichsleiter. In meinem Bereich haben wir außerdem gerade mal drei Ergänzungskräfte, also Quereinsteiger. Die meisten Mitarbeitenden haben einen ihrer Ausbildung und ihrem Studium entsprechenden Tätigkeitsbereich und daran ändert sich in der Berufskarriere nicht mehr viel. schwanz Wir halten in den Bereichen multiprofessionelle Teams vor, welche gleichberechtigt ihren Dienst verrichten. Viele Köpfe aus unterschiedlichen Berufsfeldern erweitern die Kompetenz eines jeden einzelnen Teams. Die flache Hierarchie sorgt für Transparenz und klar geregelte Verantwortlichkeiten. mertens Im Geschäftsbereich Erziehung & Bildung ist das sehr funktionsgebunden, wer möchte, kann als Teamleitung einer Gruppe oder über eine Zusatzqualifikation, zum Beispiel therapeutische Ausbildung, eine höhere Gehaltsklasse erreichen. Ist es für die Identifikation der Mitarbeitenden eigentlich von Vorteil, bei einem solch großen Träger zu arbeiten? kleekamp Ja, aber das beziehen die Mitarbeitenden eher auf ihren Geschäftsbereich, also bei uns auf Wohnen & Pflege mit seinen fünf Einrichtungen, weniger auf die Graf Recke Stiftung insgesamt. schwanz Steht ein Arbeitgeber gut in der Öffentlichkeit dar und hält dieser seine vorab versprochenen Rahmenbedingungen ein, so identifizieren sich die Mitarbeiter gerne mit ihm. Unsere Geschäftsbereiche sind meist nicht miteinander zu verknüpfen »Für viele unserer Erzieher und Pädagogen ist Arbeit auch ein ›Beheimatetsein‹, weil ihre Arbeit eben in zentraler Weise auch Beziehungsarbeit ist..« Michael Mertens und haben wenige Schnittstellen. Interessiert schauen Mitarbeiter aber auch über den Tellerrand und verfolgen im Intranet veröffentlichte Beiträge und aktuelle Geschehnisse aus anderen Bereichen. mertens Die Arbeitgeberstudie des Teams um Professor Schrapper hat bei uns sehr deutlich gezeigt, dass unsere Mitarbeitenden sich oft als Inseln verstehen. Dieses Inseldenken hat mehrere Aspekte. Zum einen bringt es eine hohe Autonomie und auch Gestaltungsspielraum für die Mitarbeitenden mit sich. Einflüsse der Zentrale werden da als Reglementierung erlebt. Wenn ein Team funktioniert, dann ist es für die Kolleginnen und Kollegen ein toller Arbeitsplatz. Die Arbeit in unseren Gruppen geht ja oft weit über das hinaus, was Arbeit normalerweise ist, es ist für viele Erzieher und Pädagogen ein »Beheimatetsein«, auch ein viel zitiertes Wort aus der Studie, weil ihre Arbeit eben in zentraler Weise auch Beziehungsarbeit ist. Wir haben in unseren Arbeitsfeldern nun mal Menschen, die sozial engagiert sind und hierfür gute Arbeitsbedingungen benötigen. Ich habe Ausstiegsgespräche geführt, in denen die Mitarbeitenden klar gemacht haben, dass sie dann aussteigen, wenn die Teamstrukturen zu konfliktbeladen werden. Wenn die Anforderungen überfordern, der Krankheitsstand steigt, das Miteinander im Schichtbetrieb leidet und nur durch Doppelschichten aufgefangen werden kann, dann müssen beim Arbeitgeber die Alarmglocken klingeln. Das halten die Mitarbeitenden nur eine Zeitlang aus. kleekamp Wenn. Natürlich kann es zeitweise notwendig sein, dass Mitarbeitende solche Entwicklungen auffangen müssen, dann muss es eine Perspektive geben, ein Ende in Sicht sein. Und diese Perspektive muss dann auch greifen, da darf man die Mitarbeitenden nicht enttäuschen. Unsere Strukturen und Anforderungen müssen so sein, dass diese Mitarbeitenden ihnen gewachsen sein können. Wie stellt man als großer Träger sicher, dass die von Ihnen hier formulierten Ansprüche flächendeckendfunktionieren? mertens Durch unsere Struktur. Wir haben unsere Systeme kegelförmig aufgebaut und Bereichsleitungen und Fachaufsichten über die Teams gesetzt, die auf die Einhaltung achten. dubbel Der Wunsch nach Transparenz von Seiten der Unternehmensspitze ist da. Aber die Mitarbeitenden wollen selbst bestimmen, ob sie zum Beispiel das Intranet lesen oder nicht. kleekamp Ich empfinde vieles, was wir hier tun, schon als höhere Weihen. Dass es solche Veranstaltungen wie diesen zentralen Einführungstag gibt, ist überhaupt schon positiv. Wir sind daran interessiert, ein guter Arbeitgeber zu sein. Aber wir können nicht alle Wünsche erfüllen. Wir sind nicht zuständig dafür, dass der Mitarbeiter glücklich ist. Aber wichtig ist die Fehlerkultur, es muss eine Offenheit geben, Fehler einzugestehen. Fehler zuzugeben, kann Sicherheit schaffen. Und auch als Chef muss ich es aushalten, dass Fehler passieren. Wichtig ist hier, was man aus den Fehlern macht, was man aus ihnen lernt! Wir müssen die Menschen befähigen. Habe ich das getan und sie ausreichend informiert, kommt dann aber auch als nächster Schritt eine Sanktion, wenn Mitarbeitende nicht angemessen agieren, obwohl sie es hätten tun können. Dass es da eine Konsequenz gibt, ist ja auch eine Sicherheit für die Kollegen. Man kann nicht alles durchgehen lassen. Ich muss als Chef gucken, wie Fehler passieren konnten und was zu tun ist, damit es nicht wieder passiert. // Graf Recke Stiftung 25 » Wir sind immer die, die weit reisen müssen « Sabine Koslowski schaut gern über den Tellerrand. Ihr Kollege Alexander Sanchez konzentriert sich lieber auf die Gruppe. Wenn der Geschäftsbereichsleiter zu Besuch kommt, freut er sich aber darüber. Von Roelf Bleeker-Dohmen 26 Erziehung & Bildung Sabine Koslowski und ihr Kollege Alexander Sanchez arbeiten in Wuppertal. Man bekommt schon einiges mit, wenn man möchte. Sagt Sabine Koslowski, seit vier Jahren Erzieherin in der Wohngruppe Rheydt in Mönchengladbach. Sie ist seit Mai des letzten Jahres stellvertretende Teamleitung, nimmt an Teamleiter-Sitzungen auf dem Campus in Wittlaer teil, hat dort das PART-Training zur Gewaltprävention mitgemacht und war Mitglied im Deeskalationsteam, das geschäftsbereichsweit agiert. Die Zentrale ihres Geschäftsbereiches ist für sie kein abstraktes Wesen. Ihr Kollege Alexander Sanchez war nur einmal in der zen tralen Verwaltung des Geschäftsbereiches Erziehung & Bildung, um seinen Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Sogar das Bewerbungsgespräch zuvor hat in der Gruppe stattgefunden. Über die Graf Recke Stiftung habe er sich natürlich kundig gemacht, als er sich dort bewarb, sagt Alexander Sanchez. Aber ansonsten geht er morgens von seinem Wohnort Kempen nach Rheydt in den Gruppendienst und danach wieder nach Hause. Sein Bild von der Stiftung? »Die Graf Recke Stiftung ist für mich vor allem Herr Neunzig; mit dem telefoniere ich öfter«, lacht Alexander Sanchez. Herr Neunzig ist die für die Gruppe zuständige Fachaufsicht. Beworben haben sich beide bei der Graf Recke Stiftung, nicht speziell für eine Gruppe. Beide haben eine weite Anreise –A lexander Sanchez aus Kempen gut 30 Kilometer, Sabine Koslowski aus Wuppertal sogar fast 60 Kilometer! Sie fährt also vom äußersten Osten des Verbreitungsgebietes der Graf Recke Erziehung & Bildung in den äußersten Westen. Aber das Konzept der Gruppe habe sie von Anfang an überzeugt, sagt sie. Auch ihr Kollege fühlt sich in der Gruppe wohl. Aber die Stiftung ist für ihn weit weg. Intranet? Wird meistens überlesen. »Da steht für uns wenig Interessantes drin.« »Wir werden hier schon leicht mal vergessen«, pflichtet ihm Kollegin Koslowski bei. Wenn aber der Geschäftsbereichsleiter das Frühlingsfest der Gruppe besucht, freuen sich die Mitarbeiter darüber. Die Neuauflage des zentralen Mitarbeiterfestes im ZAKK Düsseldorf im September ist für ihn dagegen nicht von Interesse. »Die Mitarbeiter der Außenwohngruppe sind halt immer die, die weit reisen müssen«, meint der 28-jährige Sozialpädagoge. Das sei ihm zu aufwendig. Das sieht Sabine Koslowski wiederum anders. Den zentralen Einführungstag für neue Mitarbeiter in Wittlaer, an dem auch sie teilgenommen hat, findet sie toll. Und schon seit Jahren ist die Gruppe beim Sommerfest in Hilden mit einem Getränkestand vertreten. Über den Tellerrand zu schauen, das hat ihr schon ihr alter Teamleiter mit auf den Weg gegeben, sagt Sabine Koslowski. Obwohl auch sie festgestellt hat, dass die neuen Mitarbeitenden – und dazu zählt sie auch den Kollegen Sanchez – dazu gar nicht mehr so den Bezug haben. Sie selbst will weiter über den Tellerrand schauen. // Die Mitarbeiter der Intensivwohngruppe Waisenhausstraße in Mönchengladbach-Rheydt betreuen Jugendliche und junge Erwachsene von 12 bis 18. In der benachbarten Wohngemeinschaft Waisenhausstraße leben Jugendliche zwischen 18 und 21 Jahren auf der Basis von Fachleistungsstunden. Von dort aus werden weitere Jugendliche und junge Erwachsene im Raum Mönchengladbach betreut. Erziehung & Bildung 27 Ein alter Recke Was ist ein guter Arbeitgeber? »Warum fragen Sie ausgerechnet bei mir nach?« entgegnet Wolfgang Richter, 55, im 26. Jahr in der Graf Recke Stiftung als Heimerzieher tätig. Von ihm könne man keine glatten Antworten erwarten, aber die sind auch nicht gefragt, sondern eben das, was ein alter Recke nach jahrzehntelanger Erfahrung zum Thema zu sagen hat. Von Beate Simon »Wenn ich nicht zufrieden wäre, wär’ ich schon lange weg. Es geht um eine lange Zeit, da gab es gute Phasen und weniger gute«, meint er diplomatisch und beginnt bei seinen Anfängen. Begonnen hat der gelernte Kaufmann und Versicherungsfachmann als Erziehungshelfer. Dann ergriff er die Chance, in einer Familiengruppe eine berufsbegleitende dreijährige Ausbildung zum Heimerzieher zu machen. Als er vor 26 Jahren mit seiner Frau überlegte, wo sie denn nun gemeinsam beginnen könnten, entschieden sie sich nach einem Jahr Prüfzeit für die Graf Recke Stiftung, die als christlich-diakonische Einrichtung im Ver28 Erziehung & Bildung gleich zu anderen Einrichtungen am besten abgeschnitten hatte: Beide waren sie erstaunt, wie gepflegt und geordnet die Arbeitsstätten anzutreffen waren und wie kompetent sie die Leitungsmitglieder empfanden. Die Richters blieben bis heute. Wolfgang Richter hat seit dem Herbst 2010 die Teamleitung der Villa Rundweg. Die Gruppe hat vier Mitarbeiter für acht Plätze; davon fünf bis sechs klassische Plätze in der Gruppe, zwei Wohngemeinschaftsplätze und einen Apartmentplatz. Alle Bewohner von neun bis 21 Jahren werden von der Gruppe aus betreut. Bei der Frage nach dem Arbeitgeber unterscheidet Wolfgang Richter verschiedene Phasen: Anfangs gab es noch die Residenz pflicht; man war bekannt in der Einrichtung auch mit seiner Lebensgeschichte. Der Direktor der damaligen Düsselthaler Anstalten, Pfarrer Salzmann, kannte und grüßte jeden mit Namen. »Man war Teil des Ganzen, der Dienstgemeinschaft«, sagt Richter. Die nächste Phase war geprägt von notwendigen einschneidenden Entscheidungen: der Trennung vom Dreiflügelhaus, dem großen alten Kinderheim an der Einbrunger Straße, die Gründung der Altenhilfe. Es gab auch Entscheidungen, die nach Auffassung von Wolfgang Richter zum »Verlust der Bodenhaftung« führten, zahlreiche Umzüge der Verwaltung und die Übernahme anderer Häuser, all dies verknüpft mit vielen neuen Problemen. Besonders die Ausgliederung der Jugendhilfe in eine Tochtergesellschaft führte bei den Mitarbeitenden zu Verunsicherungen in Fragen der Wirtschaftlichkeit und der Arbeitsplatzsicherheit. 2011 wurde die Jugendhilfe wieder in die Stiftung zurückgeführt. Wolfgang Richter bekennt sich zum Dritten Weg, zum Konzept der Dienstgemeinschaft: Jeder ist Teil einer Gemeinschaft, wirkt darin an seiner Stelle zum gemeinsamen Zweck, Menschen zu helfen. Danach haben die Mitarbeiter zwar zum Beispiel kein Streikrecht, aber in der Graf Recke Stiftung einen Dienstherrn, »dem man vertrauen kann, Vorstand und Leitung, die sich um Mitarbeiter kümmern.« Und wenn es doch Probleme gibt? »Ich würde immer einen Weg suchen und finden, auch wenn dieser nicht unbedingt über »Man muss mir nicht den ganzen Tag auf die Schultern klopfen.« den nächsten Vorgesetzten führt.« Die Mitarbeitervertretung, bei der er auch selbst mitwirkt, hält er für eine gute Einrichtung, die Konflikte »mit Augenmaß« aufgreift und angeht. Er ist davon überzeugt, dass eine Gesamtmitarbeitervertretung, die im März erstmals gewählt wurde, erstrebenswert ist als Einrichtung für die gesamte Stiftung. Fühlt er sich gewertschätzt? Er zögert: »Man muss mir nicht den ganzen Tag auf die Schultern klopfen«. Aber gefreut hat ihn doch die Jubilarsehrung nach 25 Jahren »für lange und nicht immer einfache Arbeit«. Eine freundliche Geste auch die persönliche Einladung zum Essen und die persönliche Ansprache vom Theologischen Vorstand, der bei den Feierlichkeiten »mehrere hundert Jahre Graf Recke Stiftung versammelt« sah. Und heute? Es gilt, Zeichen zu setzen in Hilden und Wittlaer, grundlegende Neuerungen in die Wege zu leiten. Als notwendig sieht er diese bei der Bausubstanz und in den pädagogischen Konzepten, die mittlerweile wettbewerbsfähig sind. Dies sind für ihn die Schlüssel zum Erfolg eines Unternehmens, auch dass man sich von Immobilien trennt und sich auf das Kerngeschäft besinnt. Wolfgang Richter verweist darauf, dass die Graf Recke Stiftung vor Jahren drittgrößter Wohnungsgeber in Düsseldorf war, Landwirtschaft betrieb und Jagdrechte hatte. Fühlt er sich bei diesem Strukturwandel als Mitarbeiter denn mitgenommen? Wolfgang Richter: »Ich brauche dieses dauernde ›Was sagst du denn dazu?‹ nicht.« Er vertraut Vorstand und Leitung, die richtigen Entscheidungen zum Wohl des Ganzen und der Einzelnen zu treffen. Ist die Graf Recke Stiftung denn nun ein guter Arbeitgeber? »Ja, ganz sicher«, lautet die prompte Antwort, und es fallen Wolfgang Richter spontan viele Beispiele ein: Verlässlichkeit, gute Rahmenbedingungen, wirtschaftliche Sicherheit in einem Unternehmen, das noch Ende der 80er Jahre etwa 300 Mitarbeitende umfasste und heute über 1.500, soziale Absicherungen wie die kirchliche Zusatzversorgung und die Tarifbindung… Und deshalb ist Wolfgang Richter auch nach 26 Jahren noch da. // 2013 erhielt Wolfgang Richter aus der Hand des Theologischen Vorstands seine Urkunde für 25-jährige Mitarbeit Erziehung & Bildung 29 33 Jahre bei der Graf Recke Stiftung: Barbara Murakami, Sonderschullehrerin, erzählt von ihren Erfahrungen. Von Beate Simon »Die Schularbeit liegt mir in den Genen«, sagt Barbara Murakami. Ihr Vater war Grundschullehrer und Schulleiter. Sie selbst erweiterte ihre Grundschullehrerausbildung mit dem Studium Sonderpädagogik, in Köln. Warum sollte es ein sozialer Beruf sein? Als Vorbild galt ihr Albert Schweitzer, nach dem auch ihre Grundschule benannt war. Als Elfjährige fasste sie den Entschluss: »Wenn ich groß bin, mach ich auch ein Kinderheim auf wie Albert Schweitzer!« Und sie begann schon einmal, Dinge zu sammeln, die man dafür braucht, 30 Erziehung & Bildung Teller, Eierbecher, Löffel, und hortete das künftige Mobiliar auf dem Speicher. Nach einem Aufenthalt in England, wo auch die erste Tochter geboren wurde, entschied sich Barbara Murakami mit ihrer Familie für die Graf Recke Stiftung. Dort lebte die Familie zunächst im alten Pfarrhaus der Einrichtung. Später zog die Familie in den Bergesweg und lebt dort bis heute. Hier kamen die beiden anderen Kinder zur Welt. Die heute 62-Jährige war ab 1981 im Schuldienst der Schule II mit dem Schwerpunkt Lernbehinderung tätig, die damals noch nicht Privatschule war. Sie begann ihre Arbeit erst mit den älteren Schülern in einer sechsten Klasse mit 14 Kindern und in einer achten Klasse. »Damals waren die Klassen riesengroß, alles bunt gemischt, und Förderklassen gab es nicht.« 33 Jahre Graf Recke Stiftung – wie bewertet Barbara Murakami ihr Vierteljahrhundert als Lehrerin dort? »Wenn man eine Idee hat, kann man etwas Neues einführen, auch etwas Ungewöhnliches, und wird dabei unterstützt. Eine Privatschule eignet sich da sehr gut, weil die Gesetzeslagen mehr Förderschullehrerin Barbara Murakami fühlt den Sinn ihrer Arbeit. »Es ging mir immer um Gerechtigkeit« Freiraum geben. Der Vorteil: Man kann neue Wege gehen und wird nicht so eingeengt.« So bekam sie die Möglichkeit, eine Montessori-Ausbildung zu machen, gefördert von der damaligen Schulleiterin Lotte Brune. Sie hat dann Elemente der Montessori-Pädagogik an der Schule eingeführt, die fester Bestandteil des Arbeitens in der Primarstufe wurde – angepasst an die dortigen Bedingungen. Der Grundgedanke der Montessori-Pädagogik leitete sie bei ihrer Arbeit: »Respektvoll sein«, »jeder hat einen eigenen inneren Bauplan« – eine gute Vorbereitung auf die später immer mehr raumgreifende Inklusion, wo es um individuelle Förderung geht. Aktuell stieß Murakami bei ihrem Arbeitgeber auch mit der Idee, schon im Kindergarten das Thema Inklusion anzugehen, um keine Chancen zu vergeben, auf Unterstützung bei der Umsetzung. »Gut war immer die Flexibilität der Einrichtung und die große Unterstützung, die ich erfuhr. Ich lernte, in Grenzen zu jonglieren. Da habe ich gute Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel wurde der Stundenplan darauf abgestellt, dass ich meine Kinder vom Kindergarten abholen konnte oder wegen meiner Stillzeit erst um viertel vor neun arbeiten musste. Dafür war ich dann mittags länger da. Auch Ausbildungen wurden durch ein solches Entgegenkommen möglich. Natürlich war es ideal, auf dem Gelände zu wohnen, um die verschiedenen Lebensbereiche verknüpfen zu können.« Was wurde zuviel manchmal? »Ich habe ja mit Verhaltensauffälligen gearbeitet, das war auch rein körperlich sehr anstrengend, wenn einem alles um die Ohren fliegt. Da war es immer wichtig, dass da andere Dinge waren, die einen Ausgleich geben konnten, Familie, Freunde, Fortbildung.« Welche Bedeutung hat der diakonische Hintergrund? »Ich gehe aus von der Gottesebenbildlichkeit der Menschen egal wie der Mensch ist. Das baut einen hohen Anspruch auf, innerlich als fordernder Selbstanspruch, der auch leicht in den Burnout führt. Und von außen gesehen: Der Anspruch wird vor sich hergetragen, aber die bereit gestellten Rahmenbedingungen machen es oft schwierig, den im Alltag immer umzusetzen.« Die vielen Herausforderungen führten Barbara Murakami 1997 zum neuen Lebensschwerpunkt der Körper- und Therapiearbeit mit Shiatsu neben ihrer Arbeit als Lehrerin, Ziel war dabei: Sich selbst wahrnehmen, Abstand finden und weiter lebenslang an der eigenen Haltung arbeiten – zunächst für sich selbst, später in einer Therapie- und Lehrerausbildung, eine Psychosynthese Ausbildung kam später dazu. Alles fließt heute ein in die Schularbeit, die Arbeit in der Inklusion oder in Fortbildungen, die sie anbietet für Prophylaxen und Burnout-Vermeidung. Seit 2007 arbeitet sie im Schulstandort Ratingen, in der Inklusion ist sie nun im dritten Jahr, aktuell mit drei Tagen an der Paul Maar Schule, vier Stunden im Kindergarten und ein bis zwei Tagen in der Schuletage. Auch ehrenamtlich ist sie tätig und wirkt mit beim neu geschaffenen Oasentag für die Mitarbeitenden der Graf Recke Stiftung. »Ich möchte einbringen, was ich kann«, sagt sie. Insgesamt findet Barbara Murakami, wird die Arbeit etwas unpersönlicher. Ihr Grundgefühl bei der Arbeit ist aber heute nach wie vor: »Du kannst dich so einbringen, wie du bist, das ist sinnstiftend und beugt einem Ausbrennen vor.« // »Du kannst dich so einbringen, wie du bist, das ist sinnstiftend und beugt einem Ausbrennen vor.« Erziehung & Bildung 31 32 Wohnen & Pflege »Das Haus Berlin ist mein Paradies« Ein Haus, drei Mitarbeitende, drei ganz individuelle Geschichten. Gemeinsam ist Enver Mirena, Haustechnik, Melanie Hartz, Küchenhilfskraft, und Silke Kaufhold, Leitung Sozialdienst: Sie fühlen sich wohl im Haus Berlin in Neumünster. enver mirena, haustechnik, facility manager Als Enver Mirena kurz vor Silvester 1993 in Itzehoe ankam, hatte er keine Perspektiven. In Deutschland durfte er nicht arbeiten, 15 Jahre lang. »Ich saß nur zu Hause und ab und zu ging ich zum Sozialamt.« Eine Gesetzesänderung bot ihm dann endlich die Chance, ein Visum zu erhalten und arbeiten zu dürfen. »In der Ausländerbehörde habe ich gesagt: Ich suche eine Arbeit, auch ohne Geld. Ich will arbeiten.« Enver Mirena wurde ›Hilfshausmeister‹ im Haus Berlin. Von der 400-Euro-Kraft arbeitete sich Mirena vor zu einem Halbzeitjob – »mit allen Papieren und als Hausmeister«. Inzwischen hat der Mann aus dem Kosovo eine Dreiviertelstelle. »Ich habe viel Unterstüzung durch meinen Arbeitgeber erlebt«, sagt Mirena heute. Mit seiner Familie ist er trotzdem weiterhin von der Abschiebung bedroht. Dabei wünscht er sich nur, dass es einfach so weiter geht: »Ich bin sehr glücklich und zufrieden, das Haus Berlin ist mein Paradies.« Wohnen & Pflege 33 »Man ist hier keine Personalnummer, sondern eine geschätzte Mitarbeiterin – und diese Wertschätzung kann ich auch an meine Kollegen und an die Bewohner weiter geben.« melanie hartz ,verantwortliche küchenhilfskraft, verantwortliche schichtleitung im spätdienst Seit sieben Jahren ist Melanie Hartz Mitarbeiterin im Haus Berlin. Angefangen hat sie als 400-Euro-Kraft. Schon immer wollte sie »mit Menschen arbeiten«, also im sozialen Bereich. »Der diakonische Hintergrund ist eigentlich nicht so wichtig«, sagt Melanie Hartz, um dann nachzuschieben: »Aber die christlichen Grundwerte sind mir doch auch wichtig – die Menschen stehen hier im Vordergrund!« Mit ihrem Arbeitgeber ist Melanie Hartz sehr zufrieden. Sie hat regelmäßige Mitarbeiterentwicklungsgespräche. »Da werde ich gefördert, da kann ich auch einfordern, dass ich gerne mehr machen will, mehr Verantwortung übernehmen möchte und die auch bekomme.« Im Haus gehe es sehr familiär zu, findet Melanie Hartz. »Da kommt der Chef und fragt auch mal: Frau Hartz, wie gefällt’s Ihnen denn hier? Man ist hier keine Personalnummer, sondern eine geschätzte Mitarbeiterin – und diese Wertschätzung kann ich auch an meine Kollegen und an die Bewohner weitergeben.« Melanie Hartz würde gerne noch weiter aufsteigen. Dazu nutzt sie das Weiterbildungsangebot des Hauses. Trotz ihrer ehrgeizigen Pläne ist sie schon jetzt sehr zufrieden: »Und wenn mich was stört, kann ich es direkt sagen.« 34 Wohnen & Pflege silke kaufhold, leitung sozialdienst In zehn Jahren ist Silke Kaufhold im Haus Berlin von der Aushilfe in der Pflege über eine Weiterbildung Sozialmanagement bis in die Leitung des Sozialdienstes aufgestiegen. Fachlich ist sie damit sogar zur Einrichtungsleitung befähigt. In die Pflege ist sie gleich nach dem Abitur eingestiegen. »Der soziale Bereich ist meine Berufung!«, sagt sie. Was braucht es dafür? »Geduld und Sozial kompetenz. Ich bin Mitglied der Kirche, aber keine regelmäßige Kirchengängerin«, bekennt sie. Christ sein bedeute für sie, menschlich sein, wie im Leitbild und der Goldenen Regel der Graf Recke Stiftung beschrieben. »Gut ist es, dass die goldene Regel verschriftlicht ist, gelegentlich müssen wir uns gegenseitig an die Inhalte erinnern! Aber das gilt nicht für die Pflege«, betont Kaufhold, da dürfe es keine Kompromisse geben. »Mir sind ganz viele Möglichkeiten hier im Haus gegeben worden, daher bin ich hier und fühle mich wohl«, sagt Silke Kaufhold. »Ich freue mich auf neue Herausforderungen.« // Wohnen & Pflege 35 Was ist ein guter Arbeitgeber? Gekürzte Version des Impulsreferats von Professor Christian Schrapper beim Neujahrs empfang 2014 der Graf Recke Stiftung am 14. Februar 2014. Ein guter Arbeitgeber ist ein Arbeitgeber, bei dem die beschäftigten Frauen und Männer gute Arbeit gut machen können. Was für ein Satz! Ein guter Arbeitgeber, wer möchte das nicht sein und wer möchte dort nicht arbeiten? Ein Wunschtraum, eine Illusion oder doch eher ein Widerspruch in sich: Gute Arbeitgeber? Kann, wer Arbeit gibt, überhaupt gut sein? An den drei zentralen Begriffen Arbeit, gute Arbeit und gut gemachte Arbeit will ich mich abarbeiten und versuchen, Antworten auf die Frage zu suchen: Was ist ein guter Arbeitgeber? Also zuerst zur Arbeit: Auf, zur Arbeit: Das hört sich schon wenig lustvoll an, mehr nach Pflicht und Plage, sicher auch nach Anstrengung und Mühe. Was wir unter Arbeit verstehen, entspringt wesentlich zwei gegensätzlichen Erfahrungen und Ideen: Zum einen Arbeit als schöpferische Tätigkeit, in der wir uns im doppeltem Wortsinne selbst verwirklichen, uns Wirklichkeit aneignen, so wie 36 Graf Recke Stiftung wir sie vorfinden und unsere Wirklichkeit erschaffen, so wie wir sie sehen wollen. Zum anderen Arbeit als Pflicht, Notwendigkeit und Zwang, die wir tun müssen, um unsere Existenz überhaupt sichern zu können. Und den allermeisten von uns bleibt dafür nur unsere »nackte Arbeitskraft«, die wir auf einem Marktplatz mit mehr oder weniger Konkurrenz zu einem möglichst guten Preis verkaufen müssen. Zum einen wird Arbeit also als die menschliche Tätigkeit begriffen, mittels derer wir uns die natürliche Umwelt so zu eigen machen, dass wir gut in und mit dieser Welt leben können. Arbeit ist hier also vor allem Selbsttätigkeit des Menschen, notwendig zwar, aber doch selbstbestimmt und selbstwirksam – wie wir heute sagen würden. Der doppelt freie Lohnarbeiter, in dieser Figur spitzte Karl Marx die Widersprüche der historischen Umwälzungen zu, an deren Beginn vor gut 150 Jahren er die Arbeitswelt erlebte und zu verstehen suchte. Einerseits befreit von den Zwängen der Leibeigenschaft und ständischen Gesellschaft, andererseits aber nur noch im Besitz der eigenen Arbeitskraft, die der Arbeiter an die Besitzer der Arbeitsmittel, die Kapitaleigner – als Schimpfwort: die Kapitalisten – verkaufen muss, um überhaupt existieren zu können. »Ob die Dienstgemeinschaften ohne Arbeitskämpfe auskommen können, ob dem Arbeitgeber nicht alles Gute abgetrotzt werden muss, ist strittig.« Was war geschehen? Vor allem dreierlei: 1. Die so positive Sicht auf die Arbeit als menschliche Tätigkeit war schon zu Zeiten der alten Griechen Illusion und Privileg. Für die existenzsichernde Arbeit – die Praxis – waren vor allem Sklaven und Frauen zuständig; die freien Bürgermänner waren mit politischem Palaver und Nachdenken über die Welt ausgelastet. So war auch der Päd-Agoge, ein Knaben-Führer, so die direkte Übersetzung, ein Sklave, der die Knaben zur Schule führte. 2. Für die Christenmenschen des Mittelalters war Arbeit vor allem Mühsal und Plage, Anstrengung und Entbehrung, fremdbestimmt und abhängig, im besten Falle die untrennbar andere Seite eines frommen Lebens: ora et labora, so die benediktinische Mönchsregel. 3. Und nun betritt Martin Luther die Weltbühne und bringt auf den Punkt, was die fleißigen Bürger schon immer wussten und fühlten: Arbeit ist keine Schande, sondern Dienst am Menschen, an der Welt und somit auch an Gott. Entscheidend ist, dass diese neue Wertschätzung für jede Arbeit gilt, egal ob die Magd die Stube ausfegt oder der Kaiser sein Reich regiert: In der Arbeit sind die Menschen gleich vor Gott. Hier wird vorbereitet, was Max Weber später als protestantische Arbeitsethik ausmacht und zu einem Fundament der Industriealisierung erklärt, ohne die unsere moderne Welt nicht vorstellbar wäre. Der mit viel Konflikt und Kampf errungene gesellschaftliche Fortschritt seit Luther und Marx liegt hier in Westeuropa vor allem darin, die unkalkulierbaren Risiken dieser existenzsichernden Arbeit mehr und mehr gebändigt und abgesichert zu haben. Arbeiterbewegung, Arbeitsverträge, Arbeitsrecht sind die Stichworte, aber auch Arbeitskampf – ein bis heute kontroverses Thema bei kirchlichen Arbeitgebern, die einen dritten Weg zwischen Sozialismus und Kapitalismus suchen, die Dienstgemeinschaft. Ob diese Gemeinschaften ohne Arbeitskampf auskommen können, um angesichts strukturell ungleicher Positionen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern die konkreten Arbeitsbedingungen auszuhandeln, ob es einen guten Arbeitgeber überhaupt geben kann, oder ob dem Arbeitgeber nicht alles Gute abgetrotzt werden muss, genau das ist strittig und genau an dieser Frage unterscheiden sich bis heute die Sichtweisen auf die Arbeitswelt grundlegend. Damit komme ich zu den beiden anderen Stichworten meiner Definition vom guten Arbeitgeber: hier können beschäftigte Frauen und Männer gute Arbeit gut machen. Zuerst zur »Guten Arbeit«. Was ist »Gute Arbeit« in den Arbeitsbereichen der Graf Recke Stiftung: Erziehung & Bildung, Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik sowie Wohnen & Pflege? Hier ist die besondere Qualität der Arbeit bedeutsam: Nicht technische Produkte oder Waren stellen sie her, sondern mit und für Menschen erbringen sie Dienstleistungen der Erziehung und Bildung, Pflege und Versorgung, der Behandlung und Heilung. Aus den Untersuchungen im Arbeitsbereich Erziehung und Bildung im letzten Jahr ist mir noch sehr gegenwärtig, welche fundierten und präzisen Vorstellungen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Arbeitsbereiches darüber haben, was gute Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ausmacht, aber auch, was sie daran hindert. Gute Arbeit machen können, macht Sinn, ermöglicht die Erfahrung, etwas bewirken zu können, aber auch, dass die Mühe lohnt – die beiden Seiten von Arbeit. Ein guter Arbeitgeber lässt nicht nur zu, sondern seine gesamten Organisationsleistungen sind darauf gerichtet, gute Arbeit möglich zu machen. Denn mehr kann der Arbeitgeber hier nicht tun, er kann gute Arbeit nicht erzwingen. Gute Arbeit setzt auf Seiten der Arbeitnehmer voraus, dass sie eigene Vorstellungen und Kompetenzen haben, gute von schlechter Arbeit zu unterscheiden. Graf Recke Stiftung 37 »Führung, Förderung und Fürsorge sind hier die drei großen F moderner Unternehmensleitung«. Ein guter Arbeitgeber schätzt und fördert diese Vorstellungen und Kompetenzen für gute Arbeit, alleine durchsetzen kann er sie nicht. Ein guter Arbeitgeber fördert daher auch die unvermeidbar kontroversen Auseinandersetzungen darum, was denn als gute Arbeit angesehen werden kann. Qualitätsentwicklung ist dafür das manchmal sehr technokratisch verkürzte Konzept. Ein guter Arbeitgeber sorgt auch dafür, dass die Menschen, um die es dabei geht, zentrale Akteure und Bezugspunkt guter Arbeit bleiben. Keine einfache Aufgabe. Damit komme ich zum letzten Aspekt: der gut gemachten Arbeit: Ein guter Arbeitgeber sorgt dafür, dass die Menschen, die er beschäftigt, ihre Arbeit gut machen können. Hier sind zum einen die klassischen Bedingungen für einen guten Arbeitsplatz zu nennen, auf den Punkt gebracht mit dem eingängigen Motto: Gutes Geld für gute Arbeit, also angemessene und existenzsichernde Entlohnung, bei uns üblicherweise in Tarifverträgen vereinbart, aber leider nicht für alle und für jede Arbeit. Gerade ein großer Arbeitgeber der Wohlfahrtspflege wie die Graf Recke Stiftung wird mit einer Fülle besonderer Arbeitsverhältnisse konfrontiert sein, die auch besondere Antworten der Entlohnung verlangen. Ein guter Arbeitgeber zeigt sich hier ebenso flexibel wie prinzipientreu. Bedingungen für gut gemachte Arbeit sind w eiter organisatorische Arbeitsbedingungen, das Zeitmanagement, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch hier sind gerade in einer großen Organisation immer wieder die Besonderheiten des einzelnen Falles zu berücksichtigen, ohne in die Beliebigkeit abzugleiten. 38 Graf Recke Stiftung Die Arbeitskultur zählt ebenfalls zu den wichtigen Bedingungen für gut gemachte Arbeit: eine Atmosphäre der Anerkennung und Unterstützung, kollegial ebenso wie zu den Vorgesetzten. Führung, Förderung und Fürsorge sind hier die drei großen F moderner Unternehmensleitung. Und nicht zuletzt sind hier die materiellen Bedingungen zu nennen, die Ausstattung der Wohnungen und Stationen, der Projekte und Arbeitsplätze. Hier soll sich ja Grundlegendes ändern durch den völligen Umbau der Wohngebäude für junge Menschen auf dem Campus in Wittlaer. Die Bedingungen, gute Arbeit auch gut machen zu können, müssen immer wieder der Maßstab sein, wenn solche Pläne geschmiedet und umgesetzt werden. Zu gut gemachter Arbeit zählt aber auch die Art und Weise, wie Kindern, Kranken oder alten Menschen begegnet wird. Aufgaben der Erziehung, Pflege oder Behandlung sind immer anfällig für schlechte Abhängigkeiten, da sie fast »natürlich« Abhängigkeit herstellen. Respekt, Transparenz und Beschwerden für wertvoll halten, dies sind wichtige Bedingungen, um die so sehr gewollte Teilhabe, die Inklusion, konkret zu leben. Respekt vor den Lebensvorstellungen und Lebenserfahrungen der Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, Transparenz aller Entscheidungen und Maßnahmen, die in ein anderes Lebens eingreifen, und die Bereitschaft, sich kritisieren zu lassen, Beschwerden als wertvollen Beitrag im ständigen Kampf um etwas Unabhängigkeit in von Abhängigkeit so sehr geprägten Verhältnissen. Auch dies gehört zu gut gemachter Arbeit, für die zuerst jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer verantwortlich sind, für die der Arbeitgeber die erforderlichen Voraussetzungen und Anreize schaffen muss und die er immer wieder in geeigneter Weise kontrollieren und reflektieren muss. Fazit: Ein guter Arbeitgeber? Wer ist das? Die Graf Recke Stiftung will es sein, ein guter Arbeitgeber, daher dieses Jahresmotto 2014. Neben den üblichen drei F (Führung, Förderung und Fürsorge) sehe ich die großen S, die einen guten Arbeitgeber auszeichnen: Selbstwirksamkeit ermöglichen, die immer wieder neue Erfah- rung, das eigene Leben in den eigenen Händen zu haben, Einfluss nehmen zu können auf die wichtigen und die alltäglichen Entscheidungen, die ein Leben prägen. Das Besondere ist, dass nur, wenn auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in ihrer Arbeit selbstwirksam erleben, mit ihrer Arbeit etwas bewirken können, Einfluss haben auf Bedingungen und Prozesse ihrer Arbeit, nur dann haben sie überhaupt eine Chance, diese so lebenswichtige Erfahrung trotz aller Widernisse auch jungen, alten und kranken Menschen zu ermöglichen. Sicherheit ist die zweite zentrale Anforderung an einen guten Arbeitgeber: die Sicherheit des Arbeitsplatzes mit angemessener Bezahlung ebenso wie mit Entwicklungschancen. Wenn Unsicherheit nur noch Angst macht, gelingt kaum noch etwas, droht die verhängnisvolle Spirale aus mangelndem Zutrauen und Misserfolg. Die Menschen, die hier erzogen und betreut werden, kennen diesen Sog nach unten nur zu gut, brauchen viel Kraft und Ermutigung, dagegen zu halten. Wer hier arbeitet, braucht daher viel Zutrauen, dass es auch diesmal wieder geschafft werden kann. Dafür brauchen Mitarbeiter die Sicherheit ihres Arbeitgebers, der ihnen zutraut und vertraut, aber auch der kritisch fragt und zu kritischen Fragen ermutigt. Soziale Verantwortung meint das dritte S: als ein großer Arbeitgeber hat die Stiftung auch große Verantwortung für das Soziale, hier in Wittlaer, in der Stadt Düsseldorf, in Diakonie und evangelischer Kirche. Mit sozialer Verantwortung meine ich nicht soziale Wohltaten verteilen, sondern die aktive Gestaltung des Sozialen, der Ideen und Bedingungen, die unser Zusammenleben prägen und ermöglichen. Das Entwicklungsprojekt für ein inklusives Leben im Quartier kann Ausdruck aktiver Verantwortung sein, sich darin zuständig erklären für Kinder, die besonderen Schutzes bedürfen, ohne damit ausgeschlossen zu werden. Soziale Verantwortung für das Ganze und den Einzelnen wird dabei zum Kompass, in jeder Zeit die richtige Antwort zu suchen, vor 100 Jahren in den beeindruckenden Anstaltsbauten hier vor der Türe dieser Kirche, wie in dem neuen inklusiven Quartier. Alle drei S (Selbstwirksamkeit, Sicherheit und soziale Verantwortung) kann ich in einem S zusammenfassen, das einen guten Arbeitgeber auszeichnet: Es macht Sinn, es ist sinnvoll, hier zu arbeiten. Ein guter Arbeitgeber ist also ein Arbeitgeber, bei dem es Sinn macht zu arbeiten, weil er ermöglicht und herausfordert, dass gute Arbeit gut gemacht werden kann. // Prof. Dr. Christian Schrapper ist Professor am Institut für Pädagagogik der Universität Koblenz-Landau. Schwerpunkte seiner Arbeit und Forschung sind die Geschichte, Theorie, Planung, Organisation und Methoden sozialer Arbeit sowie sozialpädagogische Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe. Mit seinem Team hat er vor einem Jahr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Systeme des Geschäftsbereiches Erziehung & Bildung interviewt. In über sechzig Gesprächen wurden anhand eines umfangreichen Leitfadens mit den Mitarbeitenden-Teams, der Mitarbeitervertretung sowie in zahlreichen Einzelgesprächen Fragen zu den Aufgabenbereichen der Mitarbeitenden, der aktuellen Situation des Geschäftsbereichs und der Stiftung, zu fachlichen Stärken und Schwächen, zur Leitungstätigkeit und den erforderlichen Entwicklungen konstruktiv diskutiert. Graf Recke Stiftung 39 »Ich wollte auf eigenen Füßen stehen.« 40 Erziehung & Bildung Stefan Heil ist stolz auf seine Rückkehr und findet sie auch »lustig«. Eine Rückkehr voller Stolz Als Stefan Heil damals in einer, wie er sagt, »Nacht- und Nebelaktion« seine Sachen packte und die Wohngruppe der Graf Recke Stiftung verließ, wäre eine freiwillige Rückkehr für ihn undenkbar gewesen. Zehn Jahre später ist er wieder tagtäglich hier, aber, sagt er selbst, »mit einem ganz anderen Wertgefühl«. Von Roelf Bleeker-Dohmen Stefan Heil lernt die Graf Recke Stiftung kennen, als er aus dem Franz-Sales-Haus in Essen in die Außenwohngruppe DuisburgBissingheim der Jugendhilfe der Graf Recke Stiftung, wechselt. 14 Jahre alt ist er da und er bleibt fünf Jahre. Nach zwei Jahren wechselt er von der Außenwohngruppe in die Wohngruppe Düsselthal auf dem Campus Wittlaer, dann hat er genug: »Ich wollte schneller auf meinen eigenen Beinen stehen. Ich habe es als negativ empfunden, überhaupt in so einer Einrichtung sein zu müssen. Ich hatte das Gefühl, ich gehöre da gar nicht hin!« Also entlässt er sich selbst. Im Schutze der Dunkelheit fährt er mit seiner Freundin vor, sie räumen sein Zimmer aus und fahren davon. Dass die für ihn zuständigen Mitarbeitenden darüber nicht erfreut sein würden, war dem Flüchtling klar, und die nachfolgenden Diskussionen sind für beide Seiten anstrengend und unangenehm. Aber Stefan Heil ist fest entschlossen, seinen Weg zu gehen. Und das tut er. Ohne zu wissen, dass dieser ihn später wieder nach Wittlaer zur Graf Recke Stiftung zurück führen wird. Der heute 29-Jährige, damals 19, bezieht eine Wohnung in Düsseldorf-Wersten. Er arbeitet weiterhin in den Werkstätten für angepasste Arbeit (WfaA), wie schon während seiner letzten Monate in der Jugendhilfe der Graf Recke Stiftung. Stefan Heil lässt sich als Elektriker anlernen und macht verschiedene »Zielpraktika« bei Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes. Und plötzlich taucht die DiFS GmbH auf. Ob er dort ein Praktikum machen wolle, fragt seine Betreuerin bei der WfaA. Die DiFS habe ihren Sitz in Einbrungen auf dem Gelände der Graf Recke Stiftung in Wittlaer… Und Stefan Heil? Sagt ja. Auch wenn Freunde ihn fragen, ob er denn »bescheuert« sei. Schließlich ist er mit den Mitarbeitenden der Stiftung damals nicht gerade einvernehmlich auseinander gegangen. Aber Stefan Heil sagt: »Ich bin mir für mich klar. Ich werfe der Graf Recke Stiftung ja nichts vor. Ich wollte damals einfach nicht mehr dort sein, wollte auf eigenen Füßen stehen.« Stefan Heil hat ein Hobby: »Ich bastle Mountainbikes zusammen, fahre sie – und setze sie nachher wieder zusammen…« Regelmäßig geht es für ihn ins Sauerland; »downhill, da zerlegt es die Räder eigentlich früher oder später immer«. Stefan Heil ist pragmatisch, anpackend, gelassen. Und deshalb lässt er sich die Gelegenheit nicht entgehen, einen Fuß in die Tür zum ersten Arbeitsmarkt zu bekommen. Dass es die Tochtergesellschaft der Graf Recke Stiftung sein würde, die ihm diese Tür öffnet, findet er »lustig«. Vor allem aber sieht er seine Chance: Im Herbst 2013 tritt er sein drei monatiges Praktikum in der Hausmeisterei der DiFS an. Dass die DiFS-Geschäftsführerin Daniela Baumann bereits ihr Unternehmen ins Zuverdienst-Modellprojekt des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) geführt hat, weiß Stefan Heil zu Erziehung & Bildung 41 »Das macht mich stolz, dass ich das Vertrauen für diese Aufgabe bekommen habe.« diesem Zeitpunkt noch nicht. Seit Juli 2011 erprobt der LVR die Förderung von Beschäftigungsverhältnissen als Zuverdienst für behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Als Stefan Heil in seinem Praktikum bei der Haustechnik mit seinen Fähigkeiten und seiner Art überzeugt, greift das eine ins andere und Geschäftsführerin Baumann bietet Stefan Heil im Rahmen des Modellprojekts einen Arbeitsplatz in der Haustechnik der DiFS an. Stefan Heil, der Downhill-Mountainbiker, zögert nur einen kurzen Moment. Weder die Rückkehr in die Graf Recke Stiftung noch die Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes machen ihm Angst. Die Vorbereitung in den WfaA und die Praktika haben ihm das notwendige Rüstzeug verschafft, »ich weiß, wie der Hase läuft«, sagt Stefan Heil selbstbewusst. Seit 1. Januar 2014 ist er Hausmeisterhelfer der DiFS, im Moment mit Einsatzort Seniorenzentrum Zum Königshof in Unterrath. »Das macht mich stolz, dass ich das Vertrauen für diese Aufgabe bekommen habe.« Stefan Heil ist als Hausmeisterhelfer auch in Wohngruppen der heutigen Graf Recke Erziehung & Bildung unterwegs, um dort »Leuchtmittel zu tauschen, Technikräume zu kontrollieren und das Außengelände zu pflegen«. Dabei trifft er auch Mitarbeitende, die früher für ihn zuständig waren. Was sagen die ihm? »Die finden’s toll und freuen sich!« Geschäftsführerin Baumann hat diese Reaktionen auch schon gehört: »Für seine ehemaligen Betreuer ist es eine echte Überraschung, dass er in den Jahren so konsequent seinen Weg gegangen ist, viel gelernt hat und heute auf dem ersten Arbeitsmarkt integriert werden kann.« Das LVR-Modellprojekt soll die Anforderung der UN-Behindertenrechtskonvention des Rechts aller Menschen auf Teilhabe am Arbeitsleben fördern. Stefan Heil, der junge Mann, der damals die Wohngruppe der Jugendhilfe so fluchtartig verlassen hat und nun am gleichen Ort den Schritt auf den ersten Arbeitsmarkt geschafft hat, ist der ebenso eindrucksvolle wie lebendige Beweis dafür, dass Teilhabe keine reine Theorie ist. Wenn er heute übers Gelände geht und alte Bekannte trifft, spürt Stefan Heil die fragenden Blicke: Wie hat der das denn jetzt geschafft? Das macht ihn stolz: »Ich bin wieder hier. Aber mit einem ganz anderen Wertgefühl als damals!« // 42 Erziehung & Bildung Ihre zweite Chance Als Claudia Maibauer 22 Jahre alt war, stand sie auf dem Schlauch. Sagt sie heute, sieben Jahre später. Ihr Examen zur Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflegerin hatte sie nicht bestanden. »Drei Jahre Ausbildung in den Sand gesetzt«, sagt sie kopfschüttelnd. Heute kann sie das gelassen sehen, denn Claudia Maibauer hat einen Weg gefunden – es läuft beruflich wieder rund für sie. Von Roelf Bleeker-Dohmen Claudia Maibauer ist 29 und in der Ausbildung zur examinierten Pflegefachkraft. Eigentlich war der Zug schon abgefahren, »ich habe eine eigene Wohnung und würde mit einem Ausbildungsgehalt nicht weit kommen«, sagt sie. Aber Claudia Maibauer merkte, dass sie in eine Sackgasse geriet: Mit 22 hatte sie die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin »in den Sand gesetzt« und anschließend jahrelang als Pflegeassistentin gearbeitet. »Da habe ich alles an Fort- und Weiterbildung mitgenommen, was ich konnte«, berichtet sie. Aber bei aller Motivation fehlte ihr der richtige Abschluss. Ihr war klar: »Ohne Ausbildung komme ich da nicht weiter.« Seit zwei Jahren arbeitet Claudia Maibauer im Haus Linde des Dorotheenpark Seniorenzentrums. Als die dortige Pflegedienstleitung ihr »fachliches Potenzial« bescheinigte, wuchs ihr Wunsch, das Thema Ausbildung doch noch einmal anzugehen. Als dieselbe Pflegedienstleitung ihr dann auch noch vom »Wegebau-Programm« der Bundesagentur für Arbeit berichtete, sah die Düsseldorferin ihre Chance und packte sie beim Schopfe: »Unter bestimmten Umständen kann man in diesem Programm ein Ausbildungsjahr überspringen und man bekommt während der Ausbildung weiter das Pflegehelfergehalt«, berichtet Claudia Maibauer. Jetzt musste nur noch das DIP, das Deutsche Institut für Pflegeforschung in Köln, ihre fachliche Eignung bescheinigen, mit der sie ein Jahr überspringen konnte. »Ich war für einen Claudia Maibauer weiß jetzt, was sie will. Tag zur Prüfung in Köln und dann hieß es warten…«, erinnert sie sich. Als das Ergebnis vorlag, war die Freude groß und Claudia Maibauer trat am 1. Oktober 2013 ihre Ausbildung im Haus Linde an. »Beim Programm Wegebau übernimmt die Arbeitsagentur 50 Prozent der Kosten, den Rest tragen wir als Arbeitgeber«, erklärt Sandra Hübner, die in der Graf Recke Wohnen & Pflege die Ausbildung koordiniert. »So wird den Mitarbeitenden die Möglichkeit geboten, einen qualifizierten Abschluss zu machen und nicht dauerhaft auf der Helferebene zu bleiben. Diese Möglichkeit haben sie sonst wahrscheinlich gar nicht.« Die Graf Recke Wohnen & Pflege bildet auf dieser Grundlage derzeit drei Kräfte aus, ab September 2014 kommt ein weiterer Auszubildender hinzu. Claudia Maibauer ist glücklich mit ihrer zweiten Chance, die sie unbedingt nutzen möchte. Warum es dieses Mal mit dem Examen klappen wird, kann sie ziemlich genau sagen: »Ich bekomme hier von meinem Arbeitgeber alle Unterstützung. Die Kolleginnen und Kollegen fragen mich immer wieder, was ich brauche, ob ich noch etwas wissen will. Die Arbeitsatmosphäre ist hier ruhig und gelassen, ich fühle mich einfach wohl und gut aufgehoben.« In der Pflegeschule der Kaiserswerther Diakonie habe sie derzeit einen Notendurchschnitt von 1,2, es sieht also sehr gut aus. »Jetzt mache ich nächsten Herbst mein Examen und dann sehe ich weiter, welche Möglichkeiten es gibt. Ich weiß aber schon jetzt, ich möchte die Graf Recke Stiftung nicht verlassen, weil sie mir so viel gegeben hat.« // Wohnen & Pflege 43 Ein gutes Team Wie sich Mitarbeiter im Sozialpsychiatrischen Verbund der Graf Recke Stiftung vor Burn-Out schützen Von Petra Welzel Zunehmende Arbeitsbelastung durch mehr Aufgaben, eine angespannte Finanzierungslage und höhere Anforderungen: Wer kennt das nicht? Diese Entwicklung wird quer durch alle Berufsgruppen schon seit langer Zeit beklagt. Doch wie sieht das konkret bei einzelnen Mitarbeitern aus? Wie schätzen sie selbst ihre Lage ein und welche Umstände spielen dabei eine Rolle? Fragen, die sich jeder ab und an mal stellen sollte, um seine Arbeitssituation zu reflektieren. Die Antworten sind natürlich auch für den Arbeitgeber von großem Interesse, weshalb Nicole Paulussen, Leiterin des Geschäftsbereichs Sozialpsychiatrie & Heilpä44 Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik dagogik, eine entsprechende Untersuchung von Studierenden in ihrem Bereich von Anfang an unterstützte. Eine der fünf Studenten und Studentinnen ist Özlem Kaya, die im Betreuten Wohnen des Sozialpsychiatrischen Verbundes erst als Praktikantin, mittlerweile als Sozialarbeiterin arbeitet. Zum Thema ihrer Untersuchung im Rahmen des Studiums an der Hochschule Nijmegen machte sie die eigene Arbeitssituation sowie die ihrer Kollegen und Kolleginnen. Zentrale Fragestellung war: Wie nehmen sie die Arbeitssituation wahr und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Die Studierenden bedienten sich der qualitativen Sozialforschung. Das bedeutet: Das Subjekt und seine subjektiv konstruierte Welt stehen im Fokus des Interesses. Nicht an die Naturwissenschaften angelehnte Laborbedingungen waren das Maß, sondern die berufliche Situation sollte mittels natürlicher Kommunikationsprozesse untersucht werden. Die Alltagsnähe war durch das Setting der Untersuchung gegeben, die im Arbeitsumfeld stattfand. Als Interaktionsprozess angelegt, unterlag die Untersuchung einer laufenden Veränderung und Anpassung. Özlem Kaya hat Arbeitssituationen bei der Graf Recke Stiftung analysiert. Grundsätzliche Annahme war, dass der Bedarf an ambulanter Betreuung, also Betreuung in der eigenen Wohnung oder in einer Wohngemeinschaft, aus verschiedenen Gründen zunimmt. So gehen die Kostenträger davon aus, dass ambulante Versorgung im Vergleich zur stationären preiswerter ist. Und die Klienten selbst, Menschen mit psychischer Erkrankung, ziehen es oft vor, in der eigenen Wohnung oder in einer Wohngemeinschaft anstatt stationär betreut zu werden. Bedeutet nun eine erhöhte Nachfrage mehr Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter? Und wie gut aufgestellt ist der Sozialpsychiatrische Verbund, um mit steigenden oder wechselnden Anforderungen zurecht zu kommen? Die Diversitätsplanung innerhalb des Verbundes wurde mit Hilfe des so genannten 7-S-Modells analysiert. Zusammengefasst ging es dabei darum, ob der Sozialpsychiatrische Verbund eine lernende Organisation ist und ob Würdigen und Wertschätzen eine zentrale Stellung einnehmen. Das Funktionieren von Teams und Netzwerken wurde genau wie die Ablaufplanung und die Selbststeuerung des Einzelnen untersucht. Der Führungsstil und seine Auswirkungenauf die Entscheidungsfindung waren von Bedeutung, das Stammpersonal und seine Spezialisierung ebenso. In halbstrukturierten und problemzentrierten Interviews gingen die Studenten den einzelnen Punkten auf den Grund. Der Personalschlüssel wurde überwiegend als relativ positiv eingeschätzt, auch die Kommunikation funktioniert auf den unterschiedlichen Ebenen. Das Team des Betreuten Wohnens wird als sehr stark und gefestigt beschrieben. Als Manko wurde erlebt, dass die Größe des Teams Fallbesprechungen schwierig macht. Der Wunsch nach teilweisem Bilden von Kleingruppen wurde geäußert. Sehr positiv wurde die Möglichkeit zur Teilnahme an Fortbildung und Supervision erlebt, was auch weitere Maßnahmen der Psychohygiene zur Zeit verzichtbar macht. Insgesamt zeigten die Interviews ein überraschendes Ergebnis: Eine Überlastung der Mitarbeiter wird zwar wahrgenommen, aber nicht als übermäßig bedrohlich angesehen. Alles deutete darauf hin, dass das Team hierbei eine wichtige Rolle spielt. Die Teamstruktur erlaubte es, die Arbeitsbelastung einzelner aufzufangen und in diesem Sinne als erste Anlaufstelle zu fungieren. Um dieses Ergebnis zu verifizieren, wurden Fragebögen an zehn Mitarbeiter unterschiedlichen Alters, Geschlechts und beruflicher Grundausbildung vergeben. Hierbei wurden Selbstaussagen zu verschiedenen Fragestellungen getroffen, zum Beispiel »Das Gefühl ausgebrannt zu sein…« oder Die Hälfte der Mitarbeiter beklagt eine steigende Arbeitsbelastung. »Ich fühle mich im Unternehmen und an meinem Arbeitsplatz…«. Bei der Auswertung stellte sich heraus, dass lediglich die Hälfte aller Mitarbeiter eine Zunahme der Arbeitsbelastung beklagte. Aber auch nur die Hälfte der Mitarbeiter fühlte sich in der Arbeit angemessen geschätzt. Hier wäre es notwendig, qualitativ die unterschiedlichen Erwartungshaltungen und die Motivation der Mitarbeiter zu untersuchen, um zu genaueren Ergebnissen zu kommen. Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik 45 »Umso besser, dass sich hier die Interessen von Mitarbeitern und Arbeitgeber treffen.« Interessant ist, dass 80 Prozent der Mitarbeiter bekunden, dass sich ihre Arbeit gut mit dem Familienleben vereinbaren lasse. Diese Antwort ist umso erstaunlicher, als das Betreute Wohnen Schichtund Wochenenddienste mit sich bringt. Aber augenscheinlich sind die Arbeitszeiten trotzdem so gestaltet, dass sie selbst für Mitarbeiter mit Familie tragbar sind. Vermutet werden kann, dass auch hier Rückhalt im Team besteht, der eine gewisse Flexibilität ermöglicht. Die Selbstaussage zur Weiterbildung brachte zu Tage, dass 70 Prozent der Mitarbeiter innerhalb des letzten Jahres an einer Fortbildung teilgenommen haben und 20 Prozent in den letzten drei Jahren. Damit scheint sich zu bestätigen, dass im Sozialpsychiatrischen Verbund – wie übrigens auch im anderen Teil des Geschäftsbereichs, dem Heilpädagogischen Verbund – der Anspruch, Fortund Weiterbildung auf einem hohen Niveau zu gewährleisten, in der Praxis umgesetzt wird. Allerdings kennen auch 80 Prozent der Mitarbeiter das Gefühl, hin und wieder ausgebrannt zu sein. Stellt man dieser Zahl die Aussage gegenüber, dass eine Zunahme der Arbeitsbelastung von den allermeisten nicht als übermäßig bedrohlich empfunden wird, kann man wohl zu dem Schluss kommen – und das taten auch die Verfasser der Untersuchung –, dass das Team des Betreuten Wohnens viele Schwierigkeiten auffangen kann. 46 Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik Die Empfehlung von Özlem Kaya und den anderen Studenten ist es demzufolge auch, hier weiter zu investieren: in Teambuilding, in Supervision, in Fortbildung. Gerade Maßnahmen, die die Zusammenarbeit der Kollegen und Kolleginnen fördern, scheinen für die Arbeitszufriedenheit bedeutsam zu sein. Und im Grunde ist es auch nur logisch, dass eine Haltung, die aus Einzelkämpfern Teamplayer macht, die beste Burn-Out-Prophylaxe ist. Umso besser, dass sich hier die Interessen von Mitarbeitern und Arbeitgeber treffen: Von interessanten Arbeitsplätzen, bei denen Wertschätzung und die Möglichkeit der Weiterentwicklung gegeben sind, profitieren letztendlich alle. Ambulant Betreutes Wohnen im sozialpsychiatrischen Bereich Bei dieser Form der Betreuung erfahren die Klienten Unterstützung in der eigenen Wohnung bei allem, was sie aufgrund der psychischen Erkrankung nicht mehr allein bewältigen können, sei es, den Kontakt zur Außenwelt zu halten oder den Tag sinnvoll zu strukturieren. Die Mitarbeiter helfen auch bei der Wohnungssuche, falls Klienten noch keine eigene Wohnung haben oder vermitteln einen Platz in einer betreuten Wohngemeinschaft. Vor allem für Leute, die gern mit anderen zusammen leben möchten, um Kontakte zu haben oder gemeinsam den Alltag zu gestalten – zum Beispiel beim gemeinsamen Kochen – ist das eine geeignete Wohnform. Das Team, das die Klienten betreut, ist multiprofessionell zusammengesetzt, d. h. jeder bringt ganz unterschiedliche Kompetenzen und Erfahrungen sowie hohes Fachwissen in die Arbeit, die von Klient zu Klient sehr unterschiedlich aussehen kann, ein. // Judith Jäger versucht, das Studium neben ihrem Vollzeitjob zu absolvieren. Auf dem Weg in die Leitung Judith Jäger nimmt als eine von zwei Mitarbeitenden der Graf Recke Erziehung & Bildung am Master-Studiengang Leitung in der Erziehungshilfe teil. Den bietet die Bochumer Evangelische Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Kooperation mit vier diakonischen Trägern an. Einer davon ist die Graf Recke Stiftung. Von Roelf Bleeker-Dohmen Als Judith Jäger im Intranet der Graf Recke Stiftung vom Master-Studiengang »Leitung in der Erziehungshilfe« las, war ihre Entscheidung schnell getroffen. »Ich war schon seit Längerem auf der Suche nach einem Master-Studiengang«, sagt die 29-Jährige. Das berufsbegleitende und berufsintegrierende Angebot der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Kooperation mit der Graf Recke Stiftung und drei weiteren diakonischen Partnern erschien der Mitarbeiterin der Wohngruppe Quellengrund in Wuppertal als genau das richtige. Ihr Studium der Sozialpädagogik und Management hatte sie mit dem Bachelor abgeschlossen, »aber nur mit dem Bachelor sind die Karrierechancen in der Jugendhilfe nicht gerade groß. Viele Stellenausschreibungen fordern den Master.« Zielgruppe des Studienangebotes sind berufserfahrene Fachkräfte aus der Erziehungshilfe wie Judith Jäger, die nach ihrem Anerkennungsjahr seit 2008 in der Gruppe für 14 Jungen und Mädchen von 6 bis 16 mit geistigen Behinderungen und Verhaltensauffälligkeiten in Wuppertal arbeitet, die eine Leitungsfunktion anstreben – sowie an Träger, die ihre Mitarbeitenden gezielt auf Leitungsfunktionen in diesem Feld vorbereiten wollen. Wie die Graf Recke Stiftung. Die verpflichtet sich im Rahmen der Weiterbildungsvereinbarungen zwischen Mitarbeitenden und den beteiligten Arbeitgebern zur hälftigen Kostenübernahme der Teilnahmegebühr von 5.925 Euro. Darüber hinaus erhalten die beteiligten Mitarbeitenden eine Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung, maximal 25 Arbeitstage für drei Studienjahre. Weitere Absprachen werden individuell vereinbart. Judith Jäger wird zunächst versuchen, das Studium neben ihrem Vollzeitjob zu machen. »So habe ich auch schon den Bachelor gemacht«, sagt sie. Ob das auf Dauer funktioniert, will sie dann sehen. »Das geht dann eben auf Kosten meiner Freizeit«, sagt sie. »Ich lass das erst mal auf mich zukommen.«. // Erziehung & Bildung 47 Neues lernen, Über den eigenen Tellerrand schauen – wie Mitarbeiter des Geschäftsbereiches Sozial psychiatrie & Heilpädagogik berufliche Fortund Weiterbildung sehen Von Janet Eales und Petra Welzel Zu Beginn direkt etwas Positives: Zum Thema Fortbildungen kann man eigentlich jeden der rund 230 Mitarbeiter des Geschäftsbereiches Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik befragen, da die Teilnahme an Seminaren, Kursen und Workshops jedem offen steht und auch von den meisten genutzt wird. Rede und Antwort standen dann letztlich drei Mitarbeiter. Silvia Harguth, die seit 19 Jahren im Sozialpsychiatrischen Verbund beschäftigt ist, beschreibt die Themenvielfalt bei den Fortbildungen als sehr groß: Es geht beispielsweise um den Umgang mit jungen psychisch erkrankten Erwachsenen, um Persönlichkeitsstörungen, Psychopharmaka, aber auch um rechtliche Themen wie die Zusammenarbeit mit einem gesetzlichen Betreuer. Neben der reinen Wissensvermittlung geht es auch immer wieder um die Reflektion der eigenen Haltung, zum Beispiel beim Thema Aggression. Und zum Stichwort Psychohygiene fallen der gelernten Sozialarbeiterin Workshops ein, die sich um die Grenzen der eigenen Belastbarkeit drehen, um das Abgrenzen und um Achtsamkeit mit sich und anderen. 48 Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik Haltung reflektieren Kai Dietzmann, der seit 14 Jahren im Heilpädagogischen VerbundMenschen mit geistiger oder Schwerstmehrfachbehinderung betreut, erwähnt vor allem Fortbildungen zum Thema Autismus oder geistige Behinderung und Sexualität. Auch Christian Schattling, der als Ergotherapeut im Sozialpsychiatrischen Verbund arbeitet, betont die Vielfalt der Themen. In den letzten Jahren gibt es vermehrt Schulungen zu manual basierten Gesprächsgruppen, die vorher eher den Kliniken vorbehalten waren, wie zum Beispiel STEPPS. Mit Hilfe dieses Programmes können emotional instabile Menschen Vieles zum Umgang mit Gefühlen lernen, MKT (Metakognitives Training) vermittelt vor allem Menschen mit Psychosen eine bessere Einschätzung der Realität. Christian Schattling findet es sinnvoll, sowohl an Inhousewie an externen Fortbildungen teilzunehmen. »Bei den Inhouse- Kursen bildet man sich zusammen mit Kollegen weiter, was zur Bildung von Netzwerken innerhalb des Geschäftsbereiches beiträgt.« Beim Besuch von externen Fortbildungen kann man was »gegen die eigene Betriebsblindheit« tun, wie Silvia Harguth findet, da man dort eben erfährt, wie Mitarbeiter bei anderen Trägern arbeiten und welche Fragestellungen sie haben. »Anstrengend wird es, wenn sich nach der Fortbildung noch ein Spätdienst anschließt«, weiß der Heilpädagoge Kai Dietzmann. »Trotzdem nehmen in ›meinem‹ Wohnhaus Haarbach Höfe die Mitarbeiter sehr gern an Fortbildungen teil.« Silvia Harguth findet es kritisch, wenn die Fortbildung mal nicht zur Praxis passt, was aber eher selten vorkommt. Genauso sieht es Christian Schattling: »Je konkreter es in der Fortbildung wird, desto besser kann man das Wissen auch umsetzen.« Auf jeden Fall bleiben Fortbildungen spannend, mit zunehmender Berufserfahrung wählen die Mitarbeiter die Themen gezielter je nach eigenen Talenten oder erfolgter Spezialisierung aus. Großer Wert wird auch darauf gelegt, den anderen Kollegen das neu erworbene Wissen weiterzugeben. »Beim theoretischen Teil klappt das auch meist recht gut«, betont Kai Dietzmann. »Schwieriger wird das bei den Übungen.« Apropos Übungen: Den meisten Mitarbeitern fällt es auch nach vielen Seminaren immer noch schwer, Rollenspiele vor der Videokamera zu absolvieren. Umso schöner ist dann das Gefühl, es geschafft zu haben. Und umso besser kann man sich dann in Klienten hinein versetzen, mit denen man dann vielleicht auch ähnliche Übungen durchführt. Nach Wünschen zu Fortbildungen befragt, kam der Vorschlag, sich öfter gemeinsam mit Klienten weiterzubilden, wie das bereits bei Erste-Hilfe-Kursen oder Brandschutzübungen stattgefunden hat. Durch die vielfältigen Weiterbildungsangebote ist im Laufe der Jahre ein großer Pool an Fachwissen, Erfahrungen und Erkenntnissen entstanden, der ständig zunimmt. Einig sind sich alle Befragten, dass Fortbildungen motivieren. Sie helfen dabei, sich selbst und die eigene Arbeit immer wieder neu zu hinterfragen, anders wahrzunehmen und letztendlich auch zu verändern. Und umgekehrt gehen dann auch von der Praxis wieder Impulse in die Fortbildungen: Was bewährt sich, was muss nochmal neu überdacht werden? Fortbildungen regen Diskussionen an und helfen, mit der ständigen Weiterentwicklung Schritt zu halten oder diese manches Mal sogar ein bisschen voran zu treiben. Fortbildung ist ein wesentlicher Faktor, um die Qualität der Arbeit zu sichern, was man im Geschäftsbereich Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik früh erkannt und umgesetzt hat. // Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik 49 50 Graf Recke Stiftung Adieu und vielen Dank! Drei Jahre und sieben Monate war Pfarrer Ulrich Lilie Theologischer Vorstand der Graf Recke Stiftung, zuvor schon Mitglied des Kuratoriums der Stiftung. Zum Ende Juni 2014 verlässt Pfarrer Ulrich Lilie die Graf Recke Stiftung, um am 1. Juli sein Amt als Präsident der Diakonie Deutschland in Berlin anzutreten. Im Interview mit Unternehmenssprecher Roelf Bleeker-Dohmen zieht der neue Diakonie-Präsident Bilanz. Sie haben für die Graf Recke Stiftung das Amt des Superintendenten des Kirchenkreises Düsseldorf aufgegeben. Warum eigentlich? Diese Entscheidung ist mir damals – übrigens genauso wie meine Entscheidung jetzt – überhaupt nicht leicht gefallen. Der Kirchenkreis Düsseldorf war auf einem unumkehrbar guten Weg. Und er ist es bis heute. Mein Vertrauen in die Personen, die damals Führungsverantwortung trugen, war so groß, dass ich den Reiz, eine so vielseitige und traditionsreiche Einrichtung wie die Graf Recke Stiftung mit zu leiten, als eine große Herausforderung gerne angenommen habe. Wie groß war die Umstellung zwischen der Leitung eines Kirchenkreises und einer operativ tätigen diakonischen Einrichtung? In meiner Lebenslinie gibt es ja einen diakonischen wie einen kirchlichen Erzählfaden. Mit dieser Entscheidung habe ich mich noch einmal für die diakonische Seite entschieden. Ich habe meine Leitungsaufgabe im Kirchenkreis in einem wohlverstandenen Sinne immer auch als eine unternehmerische Aufgabe verstanden. Selbstverständlich habe ich gerade bei Finanz- und sozialrechtlichen Fragen noch Mal einiges dazugelernt. Ich habe auch noch einmal nachdrücklich erfahren, dass sich unternehmerische und anwaltliche Diakonie überhaupt nicht ausschließen. Im Gegenteil, sie ergänzen sich. Was waren die schwierigsten Momente Ihrer Amtszeit? Dazu gehören sicherlich einige Personalentscheidungen, die wir im Rahmen der wirtschaftlichen Konsolidierung der Stiftungsverwaltung, aber auch in der inzwischen vollumfänglich gelungenen fachlichen Neuaufstellung des Geschäftsbereiches Erziehung & Bildung auf Vorstandsebene treffen mussten. Zu den schwierigen Situationen gehören plötzliche Todesfälle von Mitarbeitenden, schwierige Personalgespräche und manchmal auch die Erfahrung, dass manche Medien immer noch eine Neigung verspüren, zum Beispiel Mitarbeitende in der Pflege und deren tagtäglichen Einsatz eher zu skandalisieren als zu würdigen. Jeden Tag wird hier eine hoch anerkennenswerte Arbeit geleistet, die bei den geringsten Anzeichen oder Anlässen zu Kritik unter den abenteuerlichsten Überschriften skandalisiert wird. Graf Recke Stiftung 51 »Sehr gern hätte ich zumindest noch die Grundsteinlegung der ersten Häuser mitgefeiert.« Was war der schönste Moment als Theologischer Vorstand der Graf Recke Stiftung? Es gab eine Fülle von sehr schönen Momenten, die ich dankbar und bereichert mit nach Berlin nehmen kann. Dazu gehören manche Besuche und Gespräche in Gruppen und Einrichtungen vor Ort. Viele Begegnungen und Gespräche mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden sowie mit Klienten und BewohnerInnen. Aber auch die motivierende Erfahrung, dass sich Hartnäckigkeit bei der Umsetzung von als richtig erkannten Projekten auszahlt. Nicht zuletzt habe ich die sehr vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit mit meiner Vorstandskollegin und vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, nicht zuletzt in unserem Vorstandsbüro, immer als eine Bereicherung erlebt. Ein Projekt, das Sie sehr vorangetrieben haben und das Ihnen sehr am Herzen liegt, ist das Demenzquartier in Hilden, in dem Menschen mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können. Sie hätten die Umsetzung des Projekts sicher noch gerne weiter begleitet. Was hätten Sie außerdem gern noch vor Ihrem Wechsel nach Berlin zu Ende gebracht? Sehr gerne hätte ich zumindest noch die Grundsteinlegung der ersten neuen Netzwerkkegelhäuser unserer Kinder- und Jugendhilfe mitgefeiert. Und selbstverständlich hätte ich gerne auch noch die neue Tagespflege in Unterrath oder den ersten Bauabschnitt für das Dorotheenquartier in Hilden eröffnet. Vielleicht laden Sie mich dazu dann ja ein. Ich komme – damit müssen Sie rechnen! Sie erhalten dieser Tage Glück- und Segenswünsche für Ihre neue Aufgabe. Welche Wünsche geben Sie der Graf Recke Stiftung und ihren Mitarbeitenden mit auf den Weg? Ich wünsche allen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden in der Stiftung weiterhin die Anerkennung, die ihre hoch engagierte und qualifizierte Arbeit jeden Tag verdient. Ich wünsche ihnen verlässliche Rahmenbedingungen und jedem einzelnen Klienten, den Bewohnerinnen und Bewohnern und jeder Mitarbeiterin und allen Mitarbeitern auch persönlich Gottes Segen und alles erdenklich Gute. Ich bin sicher, die Graf Recke Stiftung ist – und das ist zuallererst auch ein Verdienst von vielen, die hier ihre tägliche Verantwortung wahrnehmen – nach manchen schwierigen Jahren wieder auf einem sehr guten Weg und mit ihren Zukunftsprojekten wie mit ihrer fachlichen Ausrichtung bestens für die zukünftigen Herausforderungen aufgestellt. Adieu und vielen Dank! 52 Graf Recke Stiftung Marcus Guttmacher-Jendges ist Leiter des Referats Personal & Organisationsentwicklung der Graf Recke Stiftung. »Mein Chef sieht super aus!« Bei näherer Betrachtung dieser Antwort einer Mitarbeiterin auf die Frage nach der Arbeitgeberattraktivität lässt sich der Kern des Themas wunderbar erkennen, meint Marcus Guttmacher-Jendges, Leiter des Referats Personal & Organisationsentwicklung. Von Marcus Guttmacher-Jendges Ein schönes, triviales Missverständnis erlebten wir in einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin, als wir uns nach der Arbeitgeber attraktivität erkundigten. Die Antwort – »mein Chef sieht super aus!« – machte uns neugierig. Bei näherer Betrachtung lässt sich aus dieser Aussage der Kern des Themas wunderbar erkennen: Was attraktiv ist, bestimmt zunächst einmal ganz sicher jeder Mitarbeitende für sich selbst. Es wurde schnell deutlich, was sie meint: Sie fühlt sich sehr wohl an ihrem Arbeitsplatz. Viele Bedingungen, die ihr wichtig sind, stimmen. Sie kennt ihre Kollegen gut, im Team hilft man sich. Der Teamleiter hat immer ein offenes Ohr und ist präsent. Die Arbeit mit ‚ihren‘ Kindern ist eine tägliche Herausforderung, aber gut zu bewältigen. Die Arbeitszeiten sind in Ordnung. Unter Berücksichtigung ihrer familiären Situation konnte die Kollegin ihre Arbeitszeit im vergangenen Jahr um einige Stunden reduzieren und so allen Anforderungen gerecht werden. Alles nur eine Momentaufnahme, aber für diese Mitarbeiterin die perfekte Situation und die Basis für eine positive Bewertung ihres Arbeitgebers, nach innen wie nach außen. Der Chef – der sie unterstützt – sieht »super« aus. Alles das trägt zu einer sehr guten Reputation, einem der wichtigsten Kriterien bei der Bewertung von attraktiven Arbeitgebern, bei. In diesem Beispiel führen alle Aspekte und Betrachtungsweisen zum Ziel: Die von Professor Schrapper herausgearbeiteten Faktoren Selbstwirksamkeit, Sicherheit und soziale Verantwortung und die eingangs dieses Jahresberichts vom Vorstand zitierten hard facts und soft skills stehen in einem guten Miteinander. Klar ist, dass die diakonische Vergütung überdurchschnittlich attraktiv, die Einsatzbereiche im Vergleich mit anderen Branchen verhältnismäßig krisensicher sind und dass für Mitarbeitende attraktive Nebenleistungen bestehen, wie Jahressonderzahlung, Kirchliche Zusatzversorgung und Kinderzuschläge. Aber aktuelle Studien zum Personalmanagement belegen, dass nur die Unternehmen attraktiv sind, die zu allen wichtigen Faktoren – materielle Werte, Unternehmenskultur, Unternehmensreputation, Arbeitsinhalte, Work-Life-Balance sowie Personalentwicklung – bedarfsgerechte und passgenaue Maßnahmen für das Unternehmen, die Bereiche und den einzelnen Mitarbeiter entfalten. Wesentliche Faktoren dabei sind Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit. Das bedeutet: Das alles muss umsetzbar sein in besseren wie auch in schlechteren Zeiten. Dies ist ein hoher Anspruch, doch sich dem zu stellen, ist heute notwendiger denn je. Wir werden also weiter fragen müssen. Denn »super« aussehen ist Verantwortung und Pflicht, täglich neu in allen Einrichtungen und allen Geschäftsbereichen der Graf Recke Stiftung. // Graf Recke Stiftung 53 Es gibt immer wieder gute Gründe, sich geschäftsbereichsübergreifend zu feierlichen, sportlichen oder informativen Anlässen zu treffen. In der Graf Recke Stiftung gehören dazu: …der Neujahrsempfang, zu dem alle Mitarbeitenden der Stiftung jedes Jahr eingeladen sind… …die feierliche Ehrung der Jubilare, die seit 25, 30, 35 oder gar 40 Jahren im Dienst der Stiftung stehen… …die zentrale Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeitende, die zwei Mal im Jahr stattfindet… 54 Graf Recke Stiftung …das Sommerfest für alle Auszubildenden und Jahrespraktikanten der Graf Recke Stiftung… …das Mitarbeitendenfest im ZAKK in Düsseldorf. …die Teilnahme an den Deutschen Firmenlaufmeisterschaften… …zentrale Informationsveranstaltungen des Vorstands… Herausgeber Vorstand der Graf Recke Stiftung Einbrunger Straße 82, 40489 Düsseldorf Redaktionelle Leitung Dr. Roelf Bleeker-Dohmen, Unternehmenskommunikation der Graf Recke Stiftung Konzept und Layout Claudia Ott und Nils-Hendrik Zündorf Fotos Alle Graf Recke Stiftung, außer Nils-Hendrik Zündorf (Umschlag, Seite 5), Fylkesarkivet/Flickr (Seite 15), Danka Peter/Unsplash (Seite 18, 21), Dominik Martin/Unsplash (Seite 30), Sharpneil/Flickr (Seite 40), Forrest Cavale/ Unsplash (Seite 44), Little Visuals (Seite 49), Laurenz Berges (Seite 50, 52). Stand Juni 2014 Auflage 1.250 Exemplare Die Graf Recke Stiftung ist Mitglied des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche im Rheinland e.V. Graf Recke Stiftung 55