Tagesspiegel_20110814_Schrei, wenn du kannst

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Tagesspiegel_20110814_Schrei, wenn du kannst
14.08.2011, Rebecca Schindler
Schrei, wenn du kannst
Foto: dpa - Foto: dpa
Joe Cocker in der Waldbühne
Mit seiner in die Jahre gekommenen Figur – Brust raus, Bauch auch – steht Joe
Cocker bei Vollmond auf der Waldbühne und gibt seinen Woodstock-Schrei zum
Besten. In gewohnter Hektik zappelt er herum, führt seine zum Markenzeichen
gewordenen, merkwürdigen Armbewegungen aus und schmettert mit dieser
rauchigen, whiskeyverbrannten Stimme einen Hit nach dem anderen.
Über 13 000 Besucher sind gekommen – dabei war Cocker doch gerade erst vor ein
paar Monaten in Berlin, Ende November in der fast ausverkauften O2-World. Neben
altbekannten Mitgrölsongs wie „You Can Leave Your Hat On“, „Unchain My Heart“
und „Summer In The City“ streut Cocker am Sonnabend auch wieder einige Lieder
seines aktuellen Albums „Hard Knocks“.
Mag sein, dass dies seine bislang erfolgreichste Platte in Deutschland ist – das
Publikum schwoft, singt und klatscht dann doch lieber zu den Klassikern. Natürlich
werden bei Schmalznummern wie „Unforgiven“ vereinzelt die Feuerzeuge und
Wunderkerzen gezückt.
Die gute Stimmung in der Waldbühne hat der 67-Jährige allerdings ein wenig seinen
beiden Voracts zu verdanken: Tim Bendzko und – ja! – den Puhdys. Der Berliner
Sunnyboy Bendzko, der seit zehn Wochen auf Platz zwei der deutschen Singlecharts
„Nur noch kurz die Welt retten“ muss, zeigt, dass er noch weitere poppige
Ohrwürmer zu bieten hat. Die 1969 gegründeten DDR-Rocker hingegen greifen
genau wie Cocker auf altbewährtes Material zurück, heizen dem Publikum mit
typischen Berliner Hymnen wie „Hey, wir woll’n die Eisbärn sehn“ ein.
Joe Cocker, der sich während seines 100-minütigen Auftritts dann gewohnt wortkarg
gibt, lässt seiner Band viel Platz für ausufernde Saxophon-, Gitarren- und KeyboardSolos. An manchen Stellen wünscht man sich allerdings mehr von der Cocker’schen
Reibeisenstimme. Wie bei „N’oubliez jamais“, bei dem er nur von einem Akkordeon
begleitet wird.
Die Fans sind natürlich trotzdem mit ihrem Joe zufrieden, zum Ende der Show kann
sich kaum noch jemand auf den Sitzen halten. Zum Abschluss der Zugabenserie dann
noch einen von Cocker an diesem Abend so häufig vorgeführten Luftsprüngen: ein
tolles Gejaule bei Vollmond. Rebecca Schindler
Quelle http://www.tagesspiegel.de/kultur/schrei-wenn-du-kannst/4497708.html