Alleen in Mecklenburg-Vorpommern (S124 AiD)
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Alleen in Mecklenburg-Vorpommern (S124 AiD)
Geschichte der Alleen Ende des 18. Jahrhunderts, etwa zu der Zeit, als viele Parks und Schlossanlagen mit Alleen bepflanzt wurden, schrieb der englische Dichter und Maler William Blake: „Und ich weiß, dass diese Welt eine Welt der Phantasie und Vision ist ... Der Baum, der manche zu Tränen rührt, ist in den Augen anderer nur ein grünes Ding, das im Wege steht“ Dieser Ausspruch zeigt – Bäume und speziell auch Alleen waren zu allen Zeiten Objekt kontroverser Diskussionen. Und es wird wohl auch in Zukunft nicht anders werden. Allee – eine Straße, beidseitig mit Bäumen bestanden. Der Begriff „allée“ kommt aus dem Französischen (aller) und wird im „Dictionnaire des deux Nations“ von 1762 wie folgt beschrieben: „Allee: ein Gang, ein Hin- und Hergang, ein Spaziergang, Lustgang in einem Garten oder anderswo.“ Die Allee hat also zunächst gar nichts mit Bäumen zu tun. Im 18. Jahrhundert wird der Begriff „Allee“ In Deutschland für breite Wege verwendet, die mit Bäumen, Kübeln, Hecken oder Rabatten eingefasst sein können und später setzt sich der Begriff für die Bezeichnung Wege und Straßen durch, die mit Bäumen eingefasst sind. Die Geschichte der Alleen beginnt bereits im Ägypten des Altertums wo sie schon um 1400 v.Chr. in einem Bildnis der Gartenanlage und Villa des Heerführers Amenophis III mit den Baumarten Sykomore und Palmen nachgewiesen wurden. Im Hochmittelalter (ca. 1000-1250 n.Chr. bis zum Spätmittelalter (1250-1500 n.Chr.) nahm in Italien der Trend zum Anlegen von Alleen weiter zu. Als Gartenkunst erlebte das Anlegen von Alleen im barocken Frankreich von 1600 bis 1750 seinen Höhepunkt. Alleen in Mecklenburg-Vorpommern Wann und wo es die ersten Alleen in Mecklenburg-Vorpommern gab, ist nicht bekannt. Es wird angenommen, dass das Anlegen der Alleen in die Zeit fällt, in der Mecklenburg entwaldet wurde, als Ende des 12Jahrhunderts Heinrich der Löwe die slawische Macht vernichtet hatte und deutsche Bauern hierher kamen. Innerhalb von 50 Jahren hatte sich ein dichtes Netz von Dörfern gebildet und Wälder wurden gerodet. Um den Holz- und Obstbedarf zu decken, wurden an Wegen ein oder beidseitig Weiden, Obstbäume, Pappeln, Ulmen und auch Walnussbäume gepflanzt. Im 17. und 18. Jahrhundert (Barock) wurden Alleen zunächst als baumbestandener Weg in Park- und Schlossanlagen und als Zufahrten zu Herrenhäusern gepflanzt. Sie dienten zuerst als Gliederungselemente für Haus- und Gartenalagen dann auch der Kulturlandschaft. Ziel war es, die irdische Weltordnung zu betonen, das heißt, den Landesherren oder Grundbesitzer in den Mittelpunkt zu stellen. Sehr bekannt ist die Lindenallee in Hannover-Herrenhausen, die erste Anlage (1682) mit Lindenalleen in Deutschland. In Mecklenburg-Vorpommern wird der Park in Griebenow bei Greifswald 1706 erstmalig erwähnt, Bedeutsam sind außerdem die von Willhelm Malte Fürst zu Putbus in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts auf Rügen gestaltete Park- und Kulturlandschaft, Peter Joseph Lenné hat uns seine Gartenkunst in den „ästhetisch aufgeschmückten“ Garten- und Parkanlagen von Ludwigslust und Basedow, in Schwerin, in Remplin und auch in Boizenburg hinterlassen. Bei der großzügigen und weitläufigen Anlagen von Ludwigslust bilden Stadt, Schloss und Schlosspark ein Ensemble, das in dieser Ausführung in Mecklenburg einzigartig ist. Es wird deshalb auch oft als 'mecklenburgisches Versailles’ bezeichnet. Weit über Mecklenburgs Grenzen hinweg ist auch die Parkanlage bei Schloss Bothmer im Klützer Winkel mit der etwa 200jährigen Festonallee bekannt. Die Linden wurden hier so kunstvoll gestutzt, geteilt und geschnitten, dass man meint, die Linden fassen sich gegenseitig an, Seit dem 18. Jahrhundert, der Renaissance, führen die Alleen aus den Städten und Dörfern hinaus und säumen in der freien Landschaft viele Wege und Straßen. Während heute, in einer Zeit größtmöglicher Mobilität, die Alleen für die Verkehrssicherheit oft als hinderlich bewertet werden, waren die Alleen in der Vergangenheit als Wegbepflanzung ein wichtiges Element der „Verkehrssicherheit“. Sie dienten der Wegmarkierung, dem Schutz gegen das Abrutschen in den Weggraben, der Sicherung landwirtschaftlicher Flächen und von Böschungskanten. Aus diesen Gründen wurden Alleen Ende des gerade an Straßen gepflanzt, die von Postkutschen befahren wurden. Beispiele für die ersten Alleen über Land waren die von Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg 1647 angelegt Straße ‚Unter den Linden‘ vom Berliner Schloss ausgehend ins freie Feld. Sie wurde über eine Länge von 952m (250 Ruten) in 6 Reihen aus Linden und Nussbäumen gepflanzt. Der früheste Nachweis einer Allee an einer Straße in Vorpommern kommt aus dem Jahr 1694 und beschreibt die Allee östlich von Putbus auf Rügen, heute ein Teil der Deutschen Alleenstraße und mit Krimlinden bestanden. Auswertungen von Karten der „Königlich Preussischen Landes-Aufnahme ergeben, dass die gegenwärtig vorhandene flächendeckende Alleenlandschaft nicht vor 1840 entstand. Eine Sonderform der Allee, die möglicherweise auch für eine Verbreitung von Gebäude unabhängigen Baumalleen in der freien Landschaft beigetragen hat, ist die Mailbahn (engl. pall-mall). Diese Bahnen dienten einem Kugelspiel (Boule), das besonders in Frankreich, Italien, Schottland und Irland verbreitet war. Es bot sich an, diese Bahnen mit Bäumen zu beschatten. In romanischen Ländern ist das Spiel immer noch beliebt und es werden auch heute noch vielfach Baumalleen dafür genutzt. 1638 wurde in Altona die noch heute so genannte Pallmaille aus 400 Linden, Ahornbäumen und Ulmen in vier Reihen angelegt. In London ist die Straße Pall Mall und The Mall bekannt, die auf diese Nutzung hinweisen. Die häufigsten Baumarten waren Ahorn, Linde, Kastanie, Eiche aber auch Obst, Weiden, Pappeln und Ulme. Die Alleen von Mecklenburg-Vorpommern wurden größtenteils am Anfang des 19. Jahrhunderts angelegt. In jener Zeit wurde nahezu jeder Weg mit Bäumen bepflanzt, so dass Alleen zum Landschaftsbild von Mecklenburg und Vorpommern gehören und wie Bauwerke aus früherer Zeit von großer kulturhistorischer Bedeutung sind. Die Motive zum Anpflanzen einer Allee sind sehr unterschiedlich gewesen. Im Wesentlichen kann man vier Motive nennen: Gezielte Gestaltung der Landschaft unter ästhetischen Aspekten zur Verbesserung des Wohlbefinden des Menschen In der 2.Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Alleen auch „bloß der Aussicht“ wegen gepflanzt. Der Architekt Leonhard Christoph Sturm äußerte 1718: „Die größte Schönheit der Alleen besteht darin/wenn man das Ende derselben nicht absehen kann ….“ Beispiel hierfür ist die Allee vom Potsdamer Neuen Palais, von wo seit 1763 eine Baumreihe „nur für das Auge“ nach Westen führt. Mecklenburgs Landesherr Großherzog Paul Friedrich Straße legte die Allee zwischen Bad Doberan und dem 1793 gegründeten Seeheilbad Heiligendamm an. Es ist eine der prächtigsten Alleen unseres Bundeslandes. Mächtige Linden säumen beidseitig die um 1837 ausgebaute Chaussee zu dem 1793 angelegten großherzoglichen Seebad. Die hoch aufstrebenden Äste formen ein Gewölbe aus Blättern und Geäst, vermitteln den Eindruck von Erhabenheit und gebieten Ehrfurcht. Verkehrssicherheit In der Zeit des Reisens zu Fuß, zu Pferd oder Pferdewagen haben Bäume am Straßenrand Schutz geboten, spendeten Schatten und Schutz vor Wind, Regen und Staub und gaben Orientierung, Gründe, weshalb auch Napoleon und Friedrich II., König von Preußen Bäume entlang von Chausseen anpflanzen ließen. Die Bäume sollten den Soldaten bei ihren langen Märschen Schutz bieten und den Weg weisen. Nutzung von Holz, Zweigen, Blättern und Früchten Technischer Nutzen, wie Befestigung der Böschung, der Entwässerung des Unterbaus von Straßen. Bemerkenswert ist, dass es zu Fällungen gesunder Alleen weder vor noch während des Zweiten Weltkrieges kam. Wenn überhaupt, dann wurden die Alleen nur ausgedünnt, etwa jeder zweite Baum entfernt. Nach dem zweiten Weltkrieg kam es besonders im westlichen Teil Deutschlands zu einem ungeheuren Aufschwung der Technik und der Mobilität. Der ökologische Nutzen der Alleen wurde nicht mehr erkannt. 70% aller Landesstraßen und 30% aller Bundestraßen wurden auf eine Fahrbahnbreite von mindestens 5,50m verbreitert und asphaltiert. Es kam zu einem ungeheuerlichen Vernichtungsfeldzug gegen die Alleen. 50000 km Alleen, so schätzt man, wurden seit 1945 insbesondere auf dem Territorium der heutigen alten Bundesländer gefällt. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Erdumfang 44000 km beträgt, wird einem die Tragweite erst richtig begreiflich. Wesentlich gefahrloser gestaltete sich das Leben der Alleebäume in der damaligen DDR. Da der Verkehr hier gering und die finanziellen Mittel für einen Straßenausbau und Baumschnitte begrenzt waren, konnten sich die Alleebäume ohne ständigen Pflegeschnitt und ohne Schädigungen im Wurzelbereich durch Baumaßnahmen prachtvoll entwickeln. Außerdem gab es keine Notwendigkeit für das Fällen von Bäumen am Straßenrand. Allerdings gab es auch keine nennenswerte Neuanpflanzungen, obwohl die landeskulturelle Bedeutung erkannt wurde. Zur Zeit der Wiedervereinigung brachte die ehemalige DDR einen landschaftsästhetischen Schatz in die neue, größere Bundesrepublik ein. Doch die Wiedervereinigung brachte auch eine Veränderung der Infrastruktur mit sich und zwar in einem ungeheuer rasanten Tempo. Behörden und Verbände waren darauf überhaupt nicht eingerichtet und so kam es zu ganz schwerwiegenden und nicht wieder gut zu machenden Schäden an den alten Alleen insbesondere im Wurzelbereich, aber auch am Stamm und in den Kronen. Diese Fehler und die klare Missachtung bestehender Vorschriften für Baummaßnahmen im Bereich von Bäumen sind die Ursache für so viele Baumfällungen heute und die zahlreichen lückigen Alleen. Bäume wurden zunehmend nicht mehr als schön und nützlich empfunden, sondern als Hemmnis des Fortschritts und als Gefährdung der Verkehrssicherheit. Ergebnis: Weniger als 20% der Alleen an Bundes- und Landesstraßen sind geschlossen! Der Rest ist lückig oder befindet sich bereits in der Auflösung, und die Lücken werden immer größer! Jährlich werden in Mecklenburg-Vorpommern etwa 8000 Alleebäume aus Gründen der Verkehrssicherheit gefällt!