Diplom-Arbeit
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Diplom-Arbeit
Technische Universität Berlin Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft der Fakultät V für Verkehrs- und Maschinensysteme Fachbereich Kognitions- und Neuropsychologie Diplomstudiengang Psychologie Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Diplom-Psychologen (Dipl.-Psych.) Unterschiede in der Emotionsverarbeitung bei Achtsamkeitsmeditierenden und Nichtmeditierenden – eine Startle-Studie Willi Zeidler Erstgutachter: Prof. Dr. Manfred Thüring (Technische Universität Berlin) Zweitgutachter: Dr. Ulrich Ott (Bender Institute of Neuroimaging, Universität Gießen) Berlin, den 02. Januar 2007 Erklärung Ich erkläre an Eides Statt, dass ich diese Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Mir ist bekannt: Bei der Verwendung von Inhalten aus dem Internet habe ich diese zu kennzeichnen und mit Datum sowie der Internet-Adresse (URL) ins Literaturverzeichnis aufzunehmen. Diese Arbeit hat keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen. Ich bin mit der Einsichtnahme in der Bibliothek und auszugsweiser Kopie einverstanden. Alle übrigen Rechte behalte ich mir vor. Zitate sind nur mit vollständigen bibliographischen Angaben und dem Vermerk „unveröffentlichtes Manuskript einer Diplomarbeit“ zulässig. Berlin, den 02. Januar 2007 ...................................................... Willi Zeidler II 1 „Ich schließe meine Augen, um zu sehen.“ Paul Gauguin 2 1 Das achtspeichige Rad der buddhistischen Lehre: die Nabe des Rades steht für die ethische Disziplin, durch die der Geist gestützt und gefestigt wird. Die acht Speichen stehen für den achtfachen Pfad und die Weisheit, mit der die Unwissenheit überwunden wird. Die Felge versinnbildlicht die Konzentration, durch deren Kultivierung die Ausübung der Lehre gefördert wird. 2 Lächelnder Buddha im Tempel Bayon in Angkor Wat, Kambodscha. III Widmung und Danksagung Widmung Diese Arbeit ist meiner Mutter und meinem Vater gewidmet, die mir die unschätzbar wertvolle Zeit meines Studiums ermöglichten. Danksagung „Jeder Weg ist nur ein Weg, alle führen nirgendwohin. Es ist kein Verstoß gegen sich selbst oder andere, ihn aufzugeben, wenn dein Herz es dir befiehlt. Sieh dir jeden Weg scharf und genau an. Versuche ihn so oft wie nötig. Dann frage dich, und nur dich allein: Ist es ein Weg mit Herz? Wenn ja, dann ist es ein guter Weg, wenn nicht, ist er nutzlos.“ Carlos Castaneda: „Die Lehren des Don Juan“ Zutiefst dankbar bin ich an erster Stelle Herrn Dr. Ulrich Ott vom „Bender Institute of Neuroimaging“ (BION) der Universität Gießen, der diese Arbeit in einer herzlichen, inspirierenden, und fundierten und umfassenden Weise betreut und begleitet hat, wie man es sich als Student nicht anders wünschen könnte – er hat nicht nur präzise und strukturierte fachlich und wissenschaftlich wichtige Samen in mich gelegt, sondern auch auf einer menschlichen Ebene. Ich danke ihm für alle Zeit, Energie und Unterstützung, die er für mich aufgebracht hat, sowie für seine nicht abreißende Motivierung und seinen Zuspruch. Die Chance, ein für mich intellektuell und menschlich derart bereicherndes Thema bearbeiten zu dürfen, gewährte mir glücklicherweise Herr Prof. Manfred Thüring, ohne dessen umfangreiche, freundliche Unterstützung im logistischen Bereich die Arbeit nicht hätte umgesetzt werden können. Ich bedanke mich vielmals für die Möglichkeit, Ressourcen wie das Varioport und die Versuchsräume des Zentrum-Mensch-Maschine-Systeme (ZMMS) nutzen zu dürfen. Ohne das Wohlwollen von Herrn Prof. Thüring wäre das Projekt bereits im Keim erstickt worden. Die „Society for Meditation and Meditation Research“ (SMMR) gewährte großzügig die für die Durchführung der Studie notwendige finanzielle Unterstützung für die Entlohnung der Kontrollprobanden – hierfür bin ich Frau Anke Beumann und Herrn Dr. Harald Piron sehr zu Dank verpflichtet. Die Idee zu dieser Diplomarbeit hatte ihren Ursprung in einem Forschungsaufenthalt an der University of Arizona, USA. Dort durfte ich unter der Leitung von Willoughby Britton einen Einblick in die wissenschaftliche Achtsamkeitsforschung nehmen, wofür ich ihr vielmals danke, wie auch für alle Anregungen und Hinweise zu dieser Arbeit, mit denen sie mich nach meiner dortigen Zeit unterstützte. In Arizona begann ich gedanklich damit, Fragestellungen, die ich früher an den Buddhismus gerichtet hatte, im Kontext eines wissenschaftlichen Experiments auszuformulieren. Hier war das Zusammentreffen mit Herrn Prof. Al Kaszniak, der sich intensiv mit Meditation, Emotion und Bewusstsein auseinandergesetzt hatte, von großem Wert. Er führte mich in seiner umsichtigen und geduldigen Art aus einigen theoretischen Verwirrungen, den Buddhismus betreffend, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Ihm verdanke ich auch den Hinweis auf „The Feeling Buddha“ von David Brazier, ein Buch, das diese Arbeit sehr befruchtet hat. Dass ich diesen Aufenthalt, währenddessen ich auch die atemberaubende Natur des Südwestens der USA erleben durfte, durchführen konnte, verdanke ich der Förderung der TU-Berlin, der Fulbright-Organisation und letztlich Herrn Prof. Thüring, der mich dafür empfahl. Ihnen allen sei dafür herzlichst gedankt. Die Gewinnung von I Danksagung meditationserfahrenen Versuchsteilnehmern wäre ohne die überwältigend freundliche Hilfe der Deutschen Buddhistischen Union (DBU), der Buddhistischen Akademie Berlin, des Theravadanetzwerks, des buddhistischen Haus in Berlin Frohnau und aller anderen buddhistischen Zentren, die mich zu Besuchen einluden und mir Aushänge erlaubten, unmöglich gewesen. Besonders danke ich Frau Renate Seifarth, die mich als erfahrene Vipassana-Lehrerin an relevante Kreise empfahl, in theoretischen Fragen beriet, und praktisch unterwies. Ebenso empfinde ich tiefe Dankbarkeit dafür, den in Berlin lebenden österreichischen Theravâda-Mönch Bhikkhu Paññasâra kennen gelernt zu haben, der mich immer wieder unermüdlich und herzlich in die Tiefen des buddhistischen Dharma einführte. Im Vorfeld der Untersuchung erhielt ich von Herrn Prof. Wilfried Belschner und Herrn Prof. Harald Walach wertvolle Hinweise zur Gestaltung der Arbeit, für die ich Ihnen sehr danken möchte. Während der Versuchsdurchführung standen mir Herr Nikolaus Rötting, Systemadministrator des ZMMS, und Herr Becker von Becker-Meditec, Hersteller des Varioport-Messaufnehmers, freundlich und hilfsbereit zur Seite – ein großes Dankeschön für diese Unterstützung. Auch Alex Chirkoch, dem SPSS-Tutor, der mich auch noch „in letzter Sekunde“ freundlich unterstützte, gilt mein Dank. Herrn Albert Widman danke ich vielmals für die Energie, die er mir in den letzten kritischen Wochen vermittelt hat. Auch danke ich Herrn Steve Ayan von Gehirn & Geist -. Meinen Freunden Alex Mißelbeck, Andreas Schulz (für die gemeinsame Zeit im ZMMS und technische Unterstützung), Bastian Zimmermann (für stetige Sopranos Versorgung), Claudius Römhild, Dr. Holger Kunz (für hilfreiche Word-Geheimnisse und fürs Korrekturlesen), Kinga Kujat, Kristof Beghin, Martin Tischler (für wertvolle methodische Sprünge, auf die er mir geholfen hat, und fürs Korrekturlesen), Susanne Emmer und Philipp Rothkopf (für sein Wissen über Zen und für seinen Mut, sich dem Leben in seiner Gänze hinzugeben) danke ich für Ihre Freundschaft, die ich über alles schätze, dafür dass sie mich während diverser Durststrecken damit am Leben und bei Verstand erhalten haben (und dass sie einem während der Erstellung dieser Diplomarbeit über weite Strecken autistischen Freund dafür Nachsicht gewährten – wofür ich ebenso meinen Mitbewohnern Alisa Feist und Christian Griebenow danke). Bei der Wiegmann-Klinik für Psychosomatische Medizin, meinem Brötchengeber, will ich mich bedanken für ruhige Nachtschichten, in denen ein Großteil dieser Arbeit entstanden ist -. Ich möchte mich außerdem bedanken bei der Gesellschaft, die mir noch gestattete, kostenlos zu studieren, mit der Möglichkeit und Zeit, über den Tellerrand zu blicken (Philosophie-Kurse), oder längere Zeit in Asien zu reisen (Vipassana-Retreats), und meinen Horizont zu erweitern. In dieser Zeit hatte ich die (von mir als solche empfundene) Gnade, vier der gewaltigsten Wege, das Universum und den Menschen zu verstehen, kennen zu lernen: die Philosophie, die Wissenschaft, die Tiefenpsychologie und den Buddhismus. Ich danke schließlich meinen Eltern, die an mich geglaubt haben, die unendlich viel für mich getan haben, und durch die und mit denen ich sehr viel gelernt habe. Und am meisten danke ich meiner geliebten Freundin Sabrina Trapp, mit der zusammen ich den Weg durch die Psychologie, das Menschsein und zu ihr und mir gefunden habe. Danke, noch nie hat mich soviel mit einem Menschen verbunden. Ein besonderer Dank geht an die Versuchsteilnehmer, ohne die die Studie nie hätte existieren können: ich durfte in vielen Gesprächen Bewegendes und Bereicherndes von den Teilnehmern lernen, wodurch sich mein Verständnis der Achtsamkeitsmeditation und des Buddhismus enorm vergrößert hat – auch bin ich dankbar für die vielen freundlichen, menschlichen Begegnungen, die mir durch diesen Versuch geschenkt wurden. II Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Danksagung....................................................................................................... I Inhaltsverzeichnis ........................................................................................... III Abbildungsverzeichnis ...................................................................................VI Tabellenverzeichnis ........................................................................................IX Zusammenfassung.........................................................................................XII 1. 2. Einleitung................................................................................................ 14 1.1 Ausgangslage und Zielsetzung ................................................... 14 1.2 Aufbau der Arbeit ........................................................................ 16 Theoretische Grundlagen...................................................................... 18 2.1 Achtsamkeit – Hintergrund und Herkunft .................................... 18 2.1.1 Buddhismus.......................................................................................... 19 2.1.2 Leben und Lehre des historischen Buddha........................................... 23 2.2 Achtsamkeit im universitären und klinischen Kontext ................. 31 2.2.1 Östliche Weisheitslehren und westliche Wissenschaft ......................... 32 2.2.2 Kritische Überlegungen zur Meditationspraxis ..................................... 36 2.2.3 Wissenschaftliche Meditationsforschung ............................................. 38 2.2.4 Das MBSR-Programm von John Kabat-Zinn........................................ 42 2.2.5 Weiterentwicklungen, Anwendungsbereiche und Ergebnisse klinischer Studien ................................................................................................ 48 2.2.6 Konstruktdefinition und Forschung zu den vermuteten Wirkmechanismen ............................................................................... 50 2.2.7 Einordnung dieser Arbeit in aktuelle Forschungsperspektiven und -befunde .............................................................................................. 62 2.3 Überblick über die Emotionsforschung ....................................... 68 2.3.1 Buddhistische Sicht der Emotionen...................................................... 74 2.3.2 Philosophische Emotionstheorien ........................................................ 75 2.3.3 Psychologische Emotionstheorien ....................................................... 80 2.3.4 Neurowissenschaftliche Emotionstheorien........................................... 86 2.4 Theorien und Befunde zur Emotionsregulierung....................... 100 2.4.1 2.5 2.6 Achtsamkeit und Emotionsregulierung............................................... 113 Eingesetzte Emotionsmaße ...................................................... 117 2.5.1 Startle-Reflex..................................................................................... 122 2.5.2 Elektrodermale Aktivität ..................................................................... 130 Fragestellungen und Hypothesen ............................................. 132 III Inhaltsverzeichnis 3. Methodisches Vorgehen...................................................................... 135 3.1 Versuchsplan und unabhängige Variable (UV) ......................... 135 3.2. Stimulus Materialien und experimentelles Design..................... 136 3.2.1 Visuelles Stimulusmaterial ................................................................. 136 3.2.2 Akustischer Schreckreiz..................................................................... 140 3.2.3 Experimentelles Design ..................................................................... 140 3.3. Messinstrumente und abhängige Variablen (AV)...................... 143 3.3.1 AV „subjektives Gefühlserleben“........................................................ 143 3.3.2 AV „Affekttoleranz“............................................................................. 144 3.3.3 AV „Intensität & Verlauf der emotionalen Reaktionen“ ....................... 144 3.3.4 Explorativ erhobene Daten ................................................................ 144 3.4 Untersuchungsablauf ................................................................ 145 3.4.1 Gewinnung geeigneter Probanden .................................................... 145 3.4.2 Versuchsdurchführung....................................................................... 146 3.5 Datenaufbereitung und Auswertung.......................................... 151 3.5.1 Aufbereitung der physiologische Daten.............................................. 151 3.5.2 Auswertung........................................................................................ 153 3.6 4. Stichprobenbeschreibung ......................................................... 156 Ergebnisse ............................................................................................ 170 4.1 Subjektives Gefühlserleben ...................................................... 170 4.1.1 SAM-Ratings ..................................................................................... 170 4.1.2 Nachinterview .................................................................................... 175 4.2 Zeitverlauf der emotionalen Reaktion ....................................... 176 4.2.1 EDA-Zeitverläufe ............................................................................... 176 4.2.2 Zeitverlauf der Startle-Response ....................................................... 180 4.3 Reaktionsintensität.................................................................... 186 4.3.1 Reaktionsintensität der neurophysiologischen Komponente .............. 186 4.3.2 Reaktionsintensität der motivationalen Komponente.......................... 189 4.4 4.5 5. Affekttoleranz ............................................................................ 196 4.4.1 Verwendung von Vermeidungsstrategien .......................................... 196 4.4.2 Wohlbefinden vor und nach dem Versuch.......................................... 197 Fragebögen............................................................................... 199 Diskussion und Ausblick..................................................................... 200 5.1 Gefühlskomponente.................................................................. 200 5.2 Zeitverlauf der emotionalen Reaktion ....................................... 205 5.3 Reaktionsintensität.................................................................... 210 IV Inhaltsverzeichnis 5.4 Affekttoleranz ............................................................................ 213 5.5 Fragebögen............................................................................... 214 5.6 Zusammenfassung und Ausblick .............................................. 214 Literaturverzeichnis ..................................................................................... 217 Anhang .......................................................................................................... 246 Anhang A: Fragebögen und sonstige Unterlagen...................................... 246 A1.1: Flyer zur Probandenrekrutierung......................................................... 246 A1.2: Fragebogen zur Meditationserfahrung................................................. 247 A1.3: Fragebogen „Angaben zur Person“ ..................................................... 249 A1.4: Termin- und Einladungsschreiben....................................................... 252 A1.5: Einverständniserklärung...................................................................... 253 A1.6: SAM-Einführung.................................................................................. 254 A1.7: Fragebogen zur Ausgangslage ........................................................... 256 A1.8: Nachbefragung ................................................................................... 258 Anhang B: Stimulus Material ..................................................................... 260 B1.1: IAPS-Bilder bei den Frauen................................................................. 260 B1.2: IAPS-Bilder bei den Männern.............................................................. 260 B1.3: Miniaturansicht aller verwendeten Bilder ............................................. 261 B2.1: Baseline Instruktion............................................................................. 264 B2.2: Versuchsinstruktion............................................................................. 264 B2.3: SAM-Ratingskala für die Intensität des Gefühls .................................. 265 B2.4: SAM-Ratingskala für die Valenz des Gefühl........................................ 265 Anhang C: SPSS-Tabellen ........................................................................ 266 C1.1: SAM-Intensitätsratings........................................................................ 267 C1.2: SAM-Valenzratings ............................................................................. 268 C1.3: Nachinterview ..................................................................................... 270 C2.1: EDA-Zeitverlauf .................................................................................. 271 C2.2: Startle-Zeitverlauf ............................................................................... 274 C3.1: Intensität der neurophysiologische Komponente................................. 277 C3.2: Intensität der motivationalen Komponente .......................................... 281 C4.1: Affekttoleranz: Vermeidungsstrategien................................................ 287 C4.2: Affekttoleranz: Wohlbefinden .............................................................. 287 C5.1: Fragebögen ........................................................................................ 288 V Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Zunahme des Körpergewahrseins (schraffierte Bereiche) während eines MBCTKurses [Abb. aus Cayoun, 2005]....................................................................... 46 Abbildung 2: Funktionale Komponenten des „Co-Emergence Model of Reinforcement“ von Cayoun [Abb. aus Cayoun, 2005]...................................................................... 59 Abbildung 3: Ungleichgewicht innerhalb des informationsverabeitenden Systems in Cayoun´s „Co-Emergence Model of Reinforcement“ [Abb. aus Cayoun, 2005]. ............... 59 Abbildung 4: Darstellung des Circumplex-Modells mit den Dimensionen Erregung und Valenz [Abb. nach Russel & Pratt, 1980]. ..................................................................... 81 Abbildung 5: Anatomische Verortung der Amygdala und des Hippocampus [Abb. von http://www.humanillnesses.com]. ...................................................................... 89 Abbildung 6: Lage und Bestandteile der Basalganglien [Abb. von http://www.cjdgoettingen.de/bilder/basal]. ............................................................................... 90 Abbildung 7: Ausdehnung des lateralen präfrontalen Kortex (blau) [Abb. aus Davidson, Putnam & Larson, 2000]. ................................................................................................ 91 Abbildung 8: Lage des anterioren cingulären Kortex (gelb) [Abb. aus Davidson, Putnam & Larson, 2000]..................................................................................................... 92 Abbildung 9: Der orbitale und ventromediale Frontalkortex [Abb. aus Davidson & Irwin, 1999]. 93 Abbildung 10: Projektionen des mesolimbischen Dopaminsystems [Abb. von http://pubs.niaaa.nih.gov]................................................................................... 95 Abbildung 11: Lage des insulären Kortex in einem Transversalschnitt des Gehirns [Abb. von http://www.sinnesphysiologie.de]. ..................................................................... 96 Abbildung 12: Verschränkung emotionaler und interozeptiver Prozesse [Abb. aus Bechara & Naqvi, 2004]....................................................................................................... 97 Abbildung 13: Lage des somatosensorischen Kortex und der „Homunculus“ [Abb. aus Schandry, 2006]................................................................................................. 98 Abbildung 14: Hierarchisches Modell der Affektregulierung [Abb. nach Gross, 1998a]. .......... 100 Abbildung 15: Modell der freudschen Strukturtheorie der Psyche [Abb. aus Freud, 2000]. ..... 101 Abbildung 16: Differenzierung möglicher Emotionsregulierungs-Strategien [Abb. aus Gross, 2002]. ............................................................................................................... 106 Abbildung 17: Das emotionale „Defense”-Motivationssystem [Abb, aus Lang, Bradley & Cuthbert, 1998]. ............................................................................................... 119 Abbildung 18: Zeitlicher Verlauf einzelner Komponenten während der „Defensiv -Kaskade“ [Abb. aus Bradley & Lang, 2001]..................................................................... 120 Abbildung 19: Normaler Modulationsverlauf des Lidschlagreflexes [Abb. aus Lang, Bradley & Cuthbert, 1998]. ............................................................................................... 127 Abbildung 20: Feinere Auflösung der Prepulse-Inhibition des Startle-Reflexes [Abb. aus Bradley, Codispoti & Lang, 2006]. ................................................................... 127 VI Abbildungsverzeichnis Abbildung 21: Startle Modulation vor, während und nach der Bilddarbietung [Abb. aus Dichter, Tomarken & Baucom, 2002)............................................................................ 130 Abbildung 22: Mittlere Valenz- und Erregungswerte der IAPS-Bilder [Abb. aus Bradley & Lang, 2000]. ............................................................................................................... 138 Abbildung 23: Ablauf der Präsentation bis zum Versuchsbeginn ............................................. 141 Abbildung 24: Ablauf der Präsentation ab Versuchsbeginn...................................................... 141 Abbildung 25: Teile der verwendeten SAM-Version (links Valenz, rechts Intensität) ............... 143 Abbildung 26: Biosignal Recorder „Varioport-B“ ....................................................................... 147 Abbildung 27: Ableitungsort des Lidschlag-Reflexes [Abb. nach Blumenthal et al., 2005]. ..... 148 Abbildung 28: Schallschutzkammer, in der der Versuch stattfand............................................ 149 Abbildung 29: Audio- und Videoüberwachung der Versuchspersonen .................................... 150 Abbildung 30: Versuchsrechner ................................................................................................ 150 Abbildung 31: Boxplots für Praxisdauer in Jahren und Stunden je Gruppe.............................. 158 Abbildung 32: Boxplots für Prozentrang Achtsamkeitspraxis und FFA-Score je Gruppe ......... 160 Abbildung 33: Dauer einer Sitzung bei Kurz- und Langzeitmeditierenden ............................... 161 Abbildung 34: Frequenz der Sitzungen bei Kurz- und Langzeitmeditierenden......................... 162 Abbildung 35: Anzahl der Retreats bei Kurz- und Langzeitmeditierenden ............................... 162 Abbildung 36: Meditationsobjekt bei Kurz- und Langzeitmeditierenden ................................... 163 Abbildung 37: Bedeutung buddhistischer Philosophie bei Kurz- und Langzeit-meditierenden 163 Abbildung 38: Körperliche Gesundheit als Motiv für die Praxis ................................................ 164 Abbildung 39: Stressbewältigung und Erholung als Motiv für die Praxis .................................. 164 Abbildung 40: Innere Ruhe und Gelassenheit als Motiv für die Praxis ..................................... 165 Abbildung 41: Zusammensein mit Gleichgesinnten als Motiv für die Praxis ............................ 165 Abbildung 42: Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung als Motiv für die Praxis ......... 166 Abbildung 43: Religiöse oder spirituelle Motive für die Praxis .................................................. 166 Abbildung 44: Therapeutische Motive für die Praxis................................................................. 167 Abbildung 45: SAM-Intensitätsratings nach Gruppen und Bildvalenzen................................... 170 Abbildung 46: Boxplots für SAM-Intensitätsratings nach Gruppen und Bildvalenzen .............. 172 Abbildung 47: SAM-Valenzratings nach Gruppen und Bildvalenzen ........................................ 173 Abbildung 48: Boxplots für SAM-Valenzratings nach Gruppen und Bildvalenzen.................... 174 Abbildung 49: Wandel der erlebten Gefühlsintensität durch die Meditationspraxis.................. 175 Abbildung 50: Latenz der initialen EDRs nach Bildbeginn je Bildvalenz und Gruppe .............. 179 Abbildung 51: Anstiegszeit der initialen EDRs bis zum Maximum je Bildvalenz und Gruppe .. 179 Abbildung 52: Halbwertszeit der initialen EDRs je Bildvalenz und Gruppe .............................. 180 Abbildung 53: Zeitverlauf der Startle-Response je Valenz und Gruppe ................................... 181 Abbildung 54: Differenz Startle-Response während - nach Bilddarbietung bei negativen und positiven Bildern je Gruppe ............................................................................. 182 Abbildung 55: Potenzierung zu einzelnen Zeitpunkten und Differenz während - nach Bilddarbietung je Gruppe ................................................................................. 183 VII Abbildungsverzeichnis Abbildung 56: Inhibierung zu einzelnen Zeitpunkten und Differenz während - nach Bilddarbietung je Gruppe ................................................................................. 184 Abbildung 57: Summe der EDRs je Bildvalenz und Gruppe..................................................... 188 Abbildung 58: Maximum der EDRs je Bildvalenz und Gruppe.................................................. 188 Abbildung 59: Startle-Response je Gruppe und Bildvalenz über alle Zeitpunkte ..................... 190 Abbildung 60: Startle-Response zu Zeitpunkten, die Inhibition vermitteln................................ 191 Abbildung 61: Startle-Inhibition nach Gruppen ......................................................................... 192 Abbildung 62: Startle-Modulation je Gruppe und Bildvalenz..................................................... 193 Abbildung 63: Startle-Response zu Zeitpunkten, die Potenzierung vermitteln......................... 194 Abbildung 64: Startle-Potenzierung nach Gruppen................................................................... 195 Abbildung 65: Einsatz von Vermeidungsstrategien................................................................... 196 Abbildung 66: Art der Vermeidungsstrategien (Mehrfachnennung möglich) ............................ 197 Abbildung 67: Differenz Wohlbefinden nachher – vorher ........................................................ 198 Abbildung 68: Gruppenunterschiede der Startle-Response nach Alter .................................... 212 VIII Tabellenverzeichnis Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Abgrenzung verschiedener affektiver Zustände [nach Scherer, 2000]. ..................... 73 Tabelle 2: Wichtige neuronale Strukturen der Emotionsverarbeitung [nach Ochsner & FeldmanBarrett, 2001]. .................................................................................................... 88 Tabelle 3: Kennzeichen der eingesetzten IAPS-Bilder ............................................................. 139 Tabelle 4: Häufigkeiten für Versuchsteilnehmer pro Gruppe .................................................... 157 Tabelle 5: Häufigkeiten für Geschlecht über alle Gruppen ....................................................... 157 Tabelle 6: Häufigkeiten für Geschlecht pro Gruppe .................................................................. 157 Tabelle 7: Deskriptive Statistik für Alter .................................................................................... 158 Tabelle 8: ANOVA für Alter ....................................................................................................... 158 Tabelle 9: Häufigkeiten für Praxisdauer in Jahren .................................................................... 159 Tabelle 10: Deskriptive Statistik für Indices der Achtsamkeitspraxis ........................................ 159 Tabelle 11: Korrelationen für Indices der Achtsamkeitspraxis .................................................. 160 Tabelle 12: Deskriptive Statistik für Dauer einer Sitzung .......................................................... 161 Tabelle 13: Häufigkeiten für Berufsausbildung ......................................................................... 167 Tabelle 14: Häufigkeiten für Schulabschluss ............................................................................ 168 Tabelle 15: Häufigkeiten für Familienstand............................................................................... 168 Tabelle 16: Häufigkeiten für Konfession ................................................................................... 169 Tabelle 17: Deskriptive Statistiken für SAM-Intensitätsratings ................................................. 171 Tabelle 18: Deskriptive Statistiken für SAM-Valenzratings ....................................................... 173 Tabelle 19: Durch die Meditationspraxis bedingter Wandel der Gefühlsintensität ................... 176 Tabelle 20: Deskriptive Statistiken für EDA-Zeitverlauf ............................................................ 178 Tabelle 21: Deskriptive Statistiken für Differenz der Startle-Response während - nach Bilddarbietung.................................................................................................. 182 Tabelle 22: Deskriptive Statistiken für Differenz während - nach Bilddarbietung bei der StartlePotenzierung und -Inhibition je Gruppe ........................................................... 183 Tabelle 23: Deskriptive Statistiken für Startle-Response über alle Zeitpunkte je Valenz und Gruppe ............................................................................................................. 184 Tabelle 24: Deskriptive Statistiken für EDA-Intensität............................................................... 187 Tabelle 25: Statistiken für Startle-Response je Gruppe über alle Valenzen und Zeitpunkte.... 191 Tabelle 26: Deskriptive Statistiken für Startle-Inhibition............................................................ 192 Tabelle 27: Deskriptive Statistiken für Startle-Potenzierung ..................................................... 194 Tabelle 28: Deskriptive Statistiken für Wohlbefinden................................................................ 198 Tabelle 29: Kolmogorov-Smirnov-Tests für alle SAM-Ratings.................................................. 266 Tabelle 30: Levene-Test zur Varianzhomogenität für alle SAM-Ratings .................................. 266 Tabelle 31: Kolmogorov-Smirnov-Tests für Achtsamkeitsindices............................................. 266 Tabelle 32: Multivariate Tests für SAM-Intensitätsratings......................................................... 267 Tabelle 33: Tests der Zwischensubjekteffekte für SAM-Intensitätsratings ............................... 267 Tabelle 34: Korrelationen für SAM-Intensitätsratings ............................................................... 268 IX Tabellenverzeichnis Tabelle 35: Multivariate Tests für SAM-Valenzratings .............................................................. 268 Tabelle 36: Tests der Zwischensubjekteffekte für SAM-Valenzratings..................................... 269 Tabelle 37: Post-Hoc-Tests für SAM-Valenzratings.................................................................. 269 Tabelle 38: Korrelationen für SAM-Valenzratings ..................................................................... 270 Tabelle 39: Mann-Whitney-Test für Wandel der Gefühlsintensität ........................................... 270 Tabelle 40: Chi-Quadrat-Test für Wandel der Gefühlsintensität ............................................... 270 Tabelle 41: Kolmogorov-Smirnov-Tests für EDA-Zeitverlauf .................................................... 271 Tabelle 42: Levene-Test zur Varianzhomogenität für EDA-Zeitverlauf..................................... 271 Tabelle 43: Multivariate Tests für EDA-Zeitverlauf.................................................................... 272 Tabelle 44: Tests der Zwischensubjekteffekte für EDA-Zeitverlauf .......................................... 272 Tabelle 45: Post-Hoc-Tests für EDA-Zeitverlauf ....................................................................... 273 Tabelle 46: Korrelationen für EDA-Zeitverlauf .......................................................................... 273 Tabelle 47: Regressionsrechnung für EDA-Latenz................................................................... 274 Tabelle 48: Regressionsrechnung für EDA-Anstiegszeit .......................................................... 274 Tabelle 49: Regressionsrechnung für EDA-Halbwertszeit ........................................................ 274 Tabelle 50: Levene und Kolmogorov-Smirnov-Tests für Differenz während - nachher bei StartlePotenzierung und -Inhibition ............................................................................ 274 Tabelle 51: Multivariate Tests für Differenz der Startle-Response während - nach Bilddarbietung ......................................................................................................................... 275 Tabelle 52: Tests der Zwischensubjekteffekte für Differenz der Startle-Response während nach Bilddarbietung ......................................................................................... 275 Tabelle 53: Levene und Kolmogorov-Smirnov-Tests für Differenz während - nachher bei StartlePotenzierung und -Inhibition ............................................................................ 275 Tabelle 54: Deskriptive Statistiken für Potenzierungs und Inhibitions-Zeitverlauf .................... 276 Tabelle 55: Multivariate Tests für Differenz während - nachher bei Startle-Potenzierung und Inhibition .......................................................................................................... 276 Tabelle 56: Tests der Zwischensubjekteffekte für Differenz während - nachher bei Startle Potenzierung und -Inhibition ............................................................................ 277 Tabelle 57: Kolmogorov-Smirnov-Tests für EDA-Intensität ...................................................... 277 Tabelle 58: Levene-Test zur Varianzhomogenität für EDA-Intensität....................................... 278 Tabelle 59: Tests der Zwischensubjekteffekte für EDA-Intensität ............................................ 278 Tabelle 60: Multivariate Tests für für EDA-Intensität................................................................. 279 Tabelle 61: Post-Hoc-Tests für EDA-Intensität ......................................................................... 279 Tabelle 62: Korrelationen für EDA-Intensität............................................................................. 280 Tabelle 63: Regressionsrechnung für EDA-Summe ................................................................. 280 Tabelle 64: Regressionsrechnung für EDA-Maximum .............................................................. 280 Tabelle 65: Kolmogorov-Smirnov-Tests für Startle-Response.................................................. 281 Tabelle 66: ANOVA für overall Startle-Response ..................................................................... 281 Tabelle 67: Kruskal-Wallis-Test für overall Startle-Response................................................... 281 X Tabellenverzeichnis Tabelle 68: Levene-Test zur Varianzhomogenität für Startle-Response, Inhibition und Potenzierung.................................................................................................... 282 Tabelle 69: Post-Hoc-Tests für overall Startle-Response......................................................... 282 Tabelle 70: Korrelationen für overall Startle-Response ............................................................ 283 Tabelle 71: Alterskorrelationen für overall Startle-Response bei Nichtmeditierenden und Meditierenden .................................................................................................. 283 Tabelle 72: Regressionsrechnung für overall Startle-Response............................................... 283 Tabelle 73: Tests der Zwischensubjekteffekte für Startle-Inhibition.......................................... 284 Tabelle 74: Post-Hoc-Tests für Startle-Inhibition ...................................................................... 284 Tabelle 75: Alterskorrelationen für Startle-Inhibition bei Nichtmeditierenden und Meditierenden ......................................................................................................................... 284 Tabelle 76: Kruskal-Wallis-Test für Startle-Inhibition ................................................................ 284 Tabelle 77: Korrelationen für Startle-Inhibition.......................................................................... 285 Tabelle 78: Korrelationen für Alter und Achtsamkeitspraxis ..................................................... 285 Tabelle 79: Regressionsrechnung für Startle-Inhibition ............................................................ 285 Tabelle 80: Kruskal-Wallis-Test für Startle-Potenzierung ......................................................... 285 Tabelle 81: Tests der Zwischensubjekteffekte für Startle-Potenzierung................................... 286 Tabelle 82: Post-Hoc-Tests für Startle-Potenzierung................................................................ 286 Tabelle 83: Regressionsrechnung für Startle-Potenzierung ..................................................... 286 Tabelle 84: Alterskorrelationen für Startle-Potenzierung bei Nichtmeditierenden und Meditierenden .................................................................................................. 286 Tabelle 85: Korrelationen für Startle-Potenzierung ................................................................... 287 Tabelle 86: Chi-Quadrat-Test für Vermeidungsstrategien ........................................................ 287 Tabelle 87: ANOVA für Wohlbefinden....................................................................................... 287 Tabelle 88: t-Test für Wohlbefinden bei Nicht- vs. bei Kurzzeitmeditierenden ......................... 288 Tabelle 89: Spearman-Roh für „Abnahme Wohlbefinden – Achtsamkeitspraxis“..................... 288 Tabelle 90: Levene-Tests für Fragebögen ................................................................................ 288 Tabelle 91: Multivariate Tests für Fragebögen.......................................................................... 289 Tabelle 92: Tests der Zwischensubjekteffekte für Fragebögen (aus Platzgründen nur die Ergebnisse für „Gruppe“) ................................................................................. 289 Tabelle 93: Deskriptive Statistiken für Fragebögen .................................................................. 290 XI Zusammenfassung Zusammenfassung Die Achtsamkeitsmeditation ist eine aus der buddhistischen Lehre stammende Technik, die durch eine bewusste, genaue und nichtwertende Beobachtung der subjektiven mentalen und emotionalen Vorgänge zu Einsicht in die Zusammenhänge der Entstehung von leidvollen Reaktionsweisen und zu deren Aufhebung führen soll. Diese Technik erlangte in den letzten Jahren zunehmend Beachtung durch wissenschaftliche und klinische Forscher aus den westlichen akademischen Kreisen und fand Eingang in die Therapie zahlreicher psychischer und somatischer Störungen (Kabat-Zinn, 2003). Achtsamkeitsbasierte Therapieverfahren spielen in neuerer Zeit auch in Deutschland eine immer größer werdende Rolle (Heidenreich & Michalak, 2006). Ein zentraler Angriffspunkt solcher Interventionen ist ein veränderter Umgang mit emotional herausfordernden Erfahrungen – die genauen Wirkmechanismen dieses Aspekts der Achtsamkeitsmeditation wurden bisher jedoch noch wenig erforscht. Die vorliegende Studie untersuchte mit einem quasi-experimentellen Design und zusätzlicher korrelativ-regressionsanalytischer Auswertung die Unterschiede in der Emotionsverarbeitung bei insgesamt 43 Probanden, 30 davon mit abgestufter Achtsamkeitspraxis und 13 ohne Meditationserfahrung. Zur Emotionsinduktion kamen Bilder aus dem IAPS („international affective picture system“) zum Einsatz, gemessen wurde das Gefühlserleben der Probanden mittels der SAM („self assessment manikin“) Selbsteinschätzungsskala, die neurophysiologische Komponente der Emotionsreaktion mittels EDA („elektrodermale Aktivität“) sowie die motivationale Komponente über das so genannte Schreckreflex-Paradigma („Startle-Paradigma“). Das Startle-Paradigma ermöglicht es, zu erfassen, mit wie viel Defensiv-Motivation der Proband auf durch aversive Stimuli ausgelöste Emotionen antwortet, bzw. mit wie viel appetitiver Motivation auf durch positive Stimuli ausgelöste Emotionen. Des Weiteren wurden behaviorale Maße der Affekttoleranz erhoben. Die Ergebnisse zeigten einen mit zunehmender Achtsamkeitspraxis hypothesenkonformen Abfall der Intensität der neurophysiologischen Komponente sowie deren beschleunigten Zeitverlauf; je länger die Probanden meditierten, desto rascher klang ihre Reaktion ab. Auf Seiten der Startle-Response zeigte sich der vermutete Abfall der Motivationssystemaktivierung, ersichtlich an einer mit zunehmender Meditationspraxis abfallenden Intensität der Startle-Modulation. Die meditierenden Probanden reagierten also mit zunehmend geringerer Aversion bzw. Anhaftung auf ihre emotionalen Reaktionen. Beim Zeitverlauf der Startle-Reaktion boten die Ergebnisse keinen Anhaltspunkt für einen den Hypothesen entsprechenden, durch Achtsamkeitspraxis vermittelten, schnelleren Abfall der Reaktion. Auch die erwartete Zunahme der Gefühls- XII Zusammenfassung intensität ließ sich nicht belegen: die abgegebenen Ratings bei emotionalen Stimuli zeigten keinen signifikant positiven Zusammenhang mit der Achtsamkeitspraxis. In den durchgeführten Nachinterviews gaben die Probanden jedoch an, mit zunehmender Praxis hätte sich die Intensität der Gefühlswahrnehmung und der Gefühlsklarheit erhöht. Bestätigt werden konnte auch die vermutete Zunahme der Affekttoleranz im Verlauf der Achtsamkeitspraxis: Je länger die Probanden meditierten, desto weniger Vermeidungsstrategien wendeten sie an, und desto weniger erschöpfte sie, eigenen Angaben zufolge, das emotional herausfordernde Experiment. Zusammenfassend ließen sich vielfältige Einflüsse von andauernder Achtsamkeitspraxis auf die Emotionsverarbeitung zeigen, die darauf hindeuten, dass die Technik ein hilfreiches Mittel zur Emotionsregulation darstellt. Schlagworte: Emotion, Affekt, Emotionsregulation, Meditation, Achtsamkeit, Interozeption, Schreckreflex, EDA, Gefühl, Intensität, Erregung. XIII Theoretische Grundlagen 1. Einleitung 1.1 Ausgangslage und Zielsetzung „How should we manage our emotions? Should we attend to them or disregard them? Esteem them or revile them? Encourage them or suppress them?” James J. Gross Emotionen sind für uns Menschen ein essentielles und zentrales Phänomen (BennettGoleman, 2004; Damasio, 2000, 2001; Darwin, 1890; Goleman, 1997a; LeDoux, 1996; Solomon, 1993). Die Frage, wie wir mit unseren Emotionen und Leidenschaften am besten umgehen, beschäftigte schon die Denker im Hellenismus (Hirschberger, 1991; Störig, 1999). Vom exzessiven Ausleben (Hedonismus) bis zur völligen Gleichgültigkeit der Welt gegenüber (Stoa) wurden verschiedene Strategien propagiert. Der römische Kaiser Marc Aurel z.B. plädierte für eine Befreiung von den Leidenschaften und ihre Kontrolle bzw. Beschneidung. Darin sah er die Stärke des Menschen (Marc Aurel, 1857). Sigmund Freud (2000) wiederum wies auf die Gefahr der vom „Lustprinzip“ getragenen „Verdrängung“ aversiver Impulse, Gedanken und Emotionen hin (Freud, 1992, 1994). Diese würden zwar angstgeleitet aus dem Bewusstsein verbannt, behielten jedoch ihre Energie und machten sich in Form von körperlichen und neurotischen Symptomen wieder bemerkbar. Nach Freud (2000) ist die Unfähigkeit bzw. der Unwille, unangenehme Gefühle3 zu erleben bzw. zu ertragen, eine der Hauptursachen für das Entstehen von Neurosen und psychischem Leid (siehe auch Epstein, 1996; Mentzos, 2000; Michal, 2006; und Riemann, 1975). Dies wurde in neuerer Zeit von kognitiv-behavioralen Theoretikern bestätigt: „(…) most forms of psychopathology involve, in some way or another, the intolerance of aspects of private experience, as well as patterns of experiential avoidance in an attempt to escape private experience” (Bishop, Lau, Shapiro et al., 2004, S. 237; für empirische Belege siehe Hayes et al., 1996). Im Bereich der (Verhaltens-) Medizin, der Psychiatrie und Psychotherapie ist das Thema der Emotionsregulation, also die Frage, wie am besten mit intensiv aversiven oder auch dysfunktionalen Emotionen umgegangen wird, ein immer bedeutsamer werdender Gegenstand (Lazarus, 1991). Daniel Goleman hat 1995 mit seinem Bestseller „Emotionale Intelligenz“ das Thema in den Fokus des wissenschaftlichen und 3 Gefühl und Empfindung werden hier synonym verwendet für die subjektive, phänomenale Erlebensqualität der Emotionen (die daneben auch noch aus anderen Komponenten bestehen, siehe 2.3) 14 Theoretische Grundlagen öffentlichen Interesses rücken können. In neuerer Zeit zeichnet sich die Entwicklung eines neuen Zweiges von kognitiven Verhaltenstherapien ab, die sich speziell in dieser Frage profilieren (Hayes, Masuda, Bissett, Luoma & Guerrero, 2004; Hayes, Follette & Linehan, 2004; Heidenreich & Michalak, 2006; Kabat-Zinn, 2003; Krasner, 2004; Santorelli, 1999). Auch eine Ausgabe der populärwissenschaftlichen Zeitschrift „Gehirn und Geist“ widmet ihren Titel der Frage „Gefühle im Griff?“, was die Aktualität dieses Themenkomplexes unterstreicht. In einem Artikel geht dort Mauss (2005) auf Ergebnisse der modernen Psychologie und Hirnforschung ein: Studien zeigen, dass bloßes Unterdrücken der bereits erlebten Emotion in Ausdruck und Verhalten tendenziell krank macht, während ein „Reappraisal“ (kognitives Neubewerten) der emotionalen Reize auch das Gefühlserleben und die physiologischen Reaktionen positiv zu regulieren vermag. Damit scheint sich ein Ausweg aus dem scheinbaren Widerstreit zwischen Verdrängen bzw. Unterdrücken und dem Ausagieren bzw. überflutet werden bereits anzubahnen (Gross, 2006). In östlichen Kulturen wird seit mehreren Jahrtausenden ein heilsamer Umgang mit Emotionen gesucht und praktiziert (Goleman, 1997b). Somit ist eine Untersuchung dieser traditionsreichen Methoden von besonderem Interesse (Barinaga, 2003; Hayes & Feldman, 2004; Newberg & Iversen, 2003; Roemer & Orsillo, 2003; Sternberg, 2000). Die Lehren des Buddhismus könnten hier Wertvolles beitragen und werden zunehmend von Wissenschaftlern ernst genommen (Davidson & Harrington, 2002; Ekman, Davidson, Ricard & Wallace, 2005; Flanagan, 2006; Goleman, 1998, 2005; Harrington & Zajonc, 2006; Wallace, 2003; Wallace & Shapiro, 2006; Walsh & Shapiro, 2006). Der Buddhismus, der heute im Westen immer mehr als eine Psychologie und eine „Kunst des Lebens“ (Hart, 1996) denn als Religion aufgefasst wird (Gruber, 1999), geht auf den historischen Gautama Buddha zurück, der in Indien vor mehr als 2500 Jahren lebte und lehrte. Ursprung und Ziel seiner Lehren sind das Bedürfnis, einen sinnvollen Umgang mit der Unsicherheit und Vergänglichkeit der menschlichen Existenz und dem mannigfaltigen Leiden im menschlichen Leben zu finden. Buddha lehrte eine auf seiner Selbsterfahrung basierende Weisheit, die zu Glück und Befreiung innerhalb dieser unsicheren und sich wandelnden Welt führen soll (Schumann, 1976; Uhlig, 2005). Eine grundlegende Technik der buddhistischen Lehre ist die sogenannte Achtsamkeitsmeditation. Sie wurde auch als „Herz der buddhistischen Meditation“ (Nyanaponika, 1973; Wallace, Bays, Kabat-Zinn & Goldstein, 2006) bezeichnet. Diese 15 Theoretische Grundlagen Meditationspraktik hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr die Aufmerksamkeit und Beachtung westlicher Wissenschaftler auf sich gezogen (Borkovec, 2002; Shapiro & Schwartz, 2000; Shapiro, Carlson, Astin & Freedman, 2006; Sternberg, 2000). Ihrem Selbstverständnis nach ist sie ein expliziter Weg, heilsam mit aversiven Gedanken und Gefühlen umzugehen, um letztendlich dadurch im Kontext der buddhistischen Lehre in die Befreiung und Erleuchtung, d.h. Einsicht in die Natur der Dinge und deren Akzeptanz zu führen (Goldstein & Kornfield, 1991; Gunaratana, 1993). Die Erforschung und die klinische bzw. praktische Anwendung der Achtsamkeitsmeditation bei ansonsten schlecht therapierbaren psychischen und körperlichen Erkrankungen hat, vor allem aus den USA kommend, weltweit immer mehr Eingang in die wissenschaftlichen Institutionen gefunden (Lau & McMain, 2005). Auch in Deutschland steigt mittlerweile das Interesse an diesen neuartigen Interventionsmethoden rasant an (z.B. Broda, Fliegel, Schauenburg, Schweitzer, Senf & Wittmund, 2006; Heidenreich & Michalak, 2006) – die neue Ausgabe der Zeitschrift „Gehirn und Geist“ vom 21.11.2006 wählt „Achtsamkeit“ als Titelthema, um diesem Potential Rechnung zu tragen. Trotz einer Vielzahl von Arbeiten zu dieser Thematik in den letzten Jahren steht die Untersuchung der Mechanismen der Achtsamkeitspraxis noch immer an Ihren Anfängen und bietet damit ein spannendes Gebiet, auf dem noch viel zu entdecken ist. Einige Übersichtsartikel und theoretische Arbeiten (Baer, 2003; Bishop, 2002; Bishop et al., 2004; Brown & Ryan, 2003; Grossman, Niemann, Schmidt & Walach, 2004) haben in den letzten zwei bis vier Jahren nun den Boden für einen Konsens im Hinblick auf Konstruktdefinition und mögliche Wirkfaktoren bereitet. Das ermöglichte es dieser Arbeit, darauf basierende, konkrete Fragestellungen und Hypothesen zu entwickeln und empirisch die Bedeutung der buddhistischen Achtsamkeitsmeditation für die Emotionsverarbeitung und Emotionsregulation zu untersuchen. 1.2 Aufbau der Arbeit Der im Anschluss folgende Theorieteil enthält zwei Hauptabschnitte, die jeweils die relevanten Hintergründe der Achtsamkeits- und der Emotionsforschung vorstellen. Im ersten Teil führt er zunächst in das Konstrukt „Achtsamkeit“ aus Sicht der buddhistischen Lehre ein, der es entstammt. Zur Orientierung werden dabei Hintergründe gestreift, die sowohl das Leben des historischen Buddha als auch seine Lehre betreffen. Mit einem kurzen Überblick über die Rezeption östlicher Lehren im westlichen akademischen Rahmen sowie einigen kritischen Überlegungen zur Meditationspraxis, wird danach der Bogen gespannt zur genauen Betrachtung der 16 Theoretische Grundlagen Achtsamkeit aus wissenschaftlicher Perspektive. Dabei wird ausführlich auf das in diesem Zusammenhang zentrale Programm der „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“ (MBSR = „Mindfulness Based Stress Reduction“) von Prof. John Kabat-Zinn von der University of Massachusetts Medical School eingegangen. Kabat-Zinn war derjenige, der die nun florierende wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema in den 80er Jahren angestoßen hatte. Es werden dazu die Ergebnisse der verfügbaren klinischen Studien diskutiert, die das Programm in verschiedenen Kontexten evaluiert haben, und anschließend mögliche Wirkmechanismen achtsamkeitsbasierter Verfahren erörtert, wobei die vorliegende Diplomarbeit in den Kontext der aktuellen Forschungsfragen eingeordnet wird. Der zweite Teil, der sich der Emotionsforschung widmet, arbeitet über eine Diskussion buddhistischer, philosophischer, psychologischer und neurowissenschaftlicher Betrachtungsweisen zu dem Thema heraus, welchen Beitrag eine Betrachtung der Achtsamkeitspraxis zu zentralen, dort aufgeworfenen Fragen leisten kann. Mithilfe der gesammelten Befunde und Theorien wird versucht, Wirkprinzipien und Effekte der Achtsamkeitspraxis auf die Emotionsverarbeitung und die Emotionsregulation zu kondensieren bzw. abzuleiten. Die im Experiment zur Anwendung gekommenen peripher-physiologischen Emotionsmaße EDA und das Startle-Paradigma werden eingeführt, und zum Abschluss des Theorieteils die aus den Überlegungen abgeleiteten Hypothesen formuliert. Im Methodenteil werden sodann der Versuchsplan und das experimentelle Design geschildert, die Messinstrumente und der Untersuchungsablauf referiert, sowie das Vorgehen bei Datenaufbereitung und -auswertung aufgeführt. Eine Beschreibung der untersuchten Stichprobe schließt diesen Teil der Arbeit ab. Der darauf folgende Ergebnisteil entspricht in seiner Abfolge den Hypothesen und stellt der Reihe nach die Resultate für „subjektives Gefühlserleben“, „Zeitverlauf der emotionalen Reaktion“, „Reaktionsintensität“ und „Affekttoleranz“ dar. Explorativ erhobene Fragebogendaten werden hier ebenfalls besprochen. Wie sich die gefundenen Ergebnisse zu den Hypothesen und der aktuellen Literatur in Bezug setzen lassen, wird im letzten Abschnitt der Arbeit beschrieben, der eine Diskussion und Integration der Befunde, sowie einen Ausblick auf mögliche zukünftige Forschung zu diesem Thema unternimmt. 17 Theoretische Grundlagen 2. Theoretische Grundlagen 2.1 Achtsamkeit – Hintergrund und Herkunft „Hass mit uns herumzutragen ist wie das Greifen nach einem glühenden Stück Kohle in der Absicht, es nach jemandem zu werfen. Ob man ihn trifft, ist ungewiss. Mit Sicherheit verbrennt man sich jedoch dabei selbst.“ Buddha Im allgemeinen Sprachgebrauch ist die wohl geläufigste Konnotation von Achtsamkeit die der Sorgfalt, der Vorsicht oder Wachsamkeit (Duden, 1999). Achtsamkeit (engl. „mindfulness“) im hier untersuchten Sinn hat eine darüber hinaus weisende Bedeutung, die in ihrer Verwurzelung in der buddhistischen Psychologie begründet ist (Goldstein, 2003; Levine, 1994). Obgleich sich grundlegende Elemente einer Achtsamkeitspraxis in den mystischen und kontemplativen Traditionen aller Weltreligionen finden lassen (z.B. Meister Eckehart, 1955; siehe dazu auch: Tolle, 1999), hat doch der Buddhismus das Konzept am frühesten betont und am detailliertesten ausgearbeitet (Buchheld & Walach, 2004). Der Buddhismus meint mit Achtsamkeit eine spezielle, genau begründete, hergeleitete und definierte Art, die Aufmerksamkeit auf die gegenwärtigen Erfahrungen und Erlebnisse des Bewusstseins zu richten, ohne sie zu bewerten und ohne sich mit ihnen zu identifizieren (Gunaratana, 1993; Young, 1994). Achtsamkeit bedeutet also Aufmerksamkeitslenkung und Erfassung alles dem Bewusstsein im Moment phänomenologisch Zugänglichen, geprägt von einer Haltung der Akzeptanz und der Bereitschaft, es so zuzulassen, zu sehen und wahrzunehmen, wie es wirklich entsteht, ist, und vergeht (Allmen, 1990; Gruber, 1999). Ein weiteres Reagieren auf die Erfahrung, wie es im gewöhnlichen Alltagsbewusstsein permanent in Urteilen, Bewertungen, Interpretationen, Auswahl oder Vermeidung bzw. Zensur erfolgt, soll durch bloßes Wahrnehmen und Annehmen abgebaut werden (Goldstein, 2003; Kornfield & Breiter, 1985; Salzberg, 2002). Da die Achtsamkeitsmeditation, also das formale Üben dieser Haltung zunehmend aus ihrem ursprünglichen Kontext extrahiert und in den Dienst klinischer und therapeutischer Ziele gestellt wird – Dimidjian und Linehan (2003) machen sich Gedanken zu möglichen Konsequenzen dieses Vorgehens – ist es von Bedeutung, ein Wissen um ihren eigentlichen Bezugsrahmen zu bewahren (Kabat-Zinn, 1982, 1996, 2003). Von Buddha wurde sie letztendlich zur Entwicklung von Einsicht in die Natur der Dinge, von Weisheit und von Mitgefühl gelehrt. Am Ende seiner Praxis, und der Praxis 18 Theoretische Grundlagen aller, die sich im spirituellen bzw. buddhistischen Sinne auf den Weg der Achtsamkeitsübung begeben, steht die Erleuchtung (Buddha = „der Erleuchtete“): Das Leben in einem vergänglichen Universum mit all seinen Aspekten, all seinen Gesetzen, seinen Zyklen und Inhalten nicht mehr verzweifelt bekämpfen, vermeiden, verleugnen und missverstehen zu müssen, sondern in der Erfahrung seiner wahren Natur im Einverständnis mit Allem einen tiefen Frieden, eine tiefe Befreiung zu erfahren. Alle Schmerzen, alle Freude, alle Begegnungen, alle Verluste, alle Vorgänge des Lebens zu akzeptieren, willkommen zu heißen, und innerhalb der dergestalt gearteten Welt Glück zu erfahren (Brazier, 1997). Im Folgenden soll ein Überblick über den Buddhismus sowie über Leben und Lehre Buddhas dieses Wissen um die ursprünglichen Wurzeln im Kontext dieser empirischen Forschungsarbeit ermöglichen. Da die Praxis der teilnehmenden Probanden in dieser Tradition steht, sie also aktiv in buddhistischen Vipassana-Zentren meditieren, ist der Einblick in die buddhistischen Hintergründe wichtig, um die untersuchte Meditationsmethode und deren Ziele zu kennen. Zwei Probanden übten das von Kabat-Zinn entwickelte MBSR-Programm aus (siehe 2.2.4), dessen Basis ebenfalls die Vipassana-Meditation darstellt. 2.1.1 Buddhismus „(…) und der Sinn rechter Meditation ist es keineswegs, zeitweilige Schlupflöcher der Weltvergessenheit zu bieten. Realistische Meditation hat vielmehr die Aufgabe, innerhalb dieser gegebenen Welt den Geist des Menschen zu festigen, zu läutern und in seinen Möglichkeiten zu entfalten, damit er fähig werde, mit eben dieser Welt konfrontiert zu werden, sie zu verstehen, sie innerlich zu meistern und sie schließlich zu transzendieren“ (Nyanaponika, 1969, S. 124). Diese Worte stammen vom deutschen Mönch Nyanaponika, einem der ersten westlichen Menschen, der als Mönch in der Theravada-Tradition in Sri Lanka ordiniert wurde. Er ist der Autor des bedeutenden und klassischen Werkes „Geistestraining durch Achtsamkeit“, dessen Veröffentlichung die Achtsamkeitsmeditation im Westen überhaupt erst zugänglich und bekannt machte. In seinem Geiste wird der Buddhismus auch in dieser Arbeit betrachtet und interpretiert. Der heutige Buddhismus ist eine heterogene Lehre, die sich in verschiedenen Regionen Asiens in unterschiedliche Strömungen und Schulen entwickelt hat, seit nach dem Tod Buddhas das von der Urgemeinde einberufene, zweite „buddhistische Konzil“ 383 v. Chr. in Vesali in Indien (Gruber, 1999) das Vorgehen bei der Weitergabe seiner Lehre beriet, und sich aufgrund von Meinungsverschiedenheiten in zwei Schulen 19 Theoretische Grundlagen („Theravada“ und „Mahasanghika“) teilte. Die ursprüngliche Tradition, die nahtlos auf die Lehren des historischen Buddha zurückgeht, wird „Theravada“ (Pali für „Lehre der Ältesten“) genannt, und hat sich in Südostasien und Sri Lanka ausgebreitet (Bechert & Gombrich, 1989). Hier hat auch die explizite Praxis der Achtsamkeitsmeditation das stärkste Gewicht. Diese ursprünglichen Lehren werden „Abidhamma“ genannt (Bhikkhu Bodhi, 2000) und wurden im 5. Jahrhundert im Werk „Visuddhimagga“ („der Weg zur Reinheit“) zusammengefasst (Nyanatiloka, 1952). Daneben entwickelte sich der „Zen“ (japanisch) od. auch „Chan“ (chinesisch) Buddhismus in Japan und China (Herrigel, 1951; Kapleau, 1987; Suzuki, S., 1975; Suzuki, D.T., 1976). Zen bzw. Chan sind Übersetzungen des indischen SanskritBegriffes „Dhyana“, der eine allumfassende Geisteshaltung beschreibt, die durch die Eigenschaften Achtsamkeit, Klarheit, Gegenwärtigkeit und Wachheit gekennzeichnet ist. Auch in diesen Schulen ist also das reine Gewahrsein, das Entwickeln von Achtsamkeit in Verbindung mit „Zazen“ der streng formalisierten Sitzmeditation neben der Verwendung von sogenannte „Koans“, paradoxen Rätseln, die den logischen Verstand außer Kraft setzen sollen, um die spontane Erleuchtung zu erzielen, ein wichtiger Pfeiler des Erleuchtungsweges. Die letzte große Strömung bildet der Mahayana Buddhismus. Die „Mahasanghika“ (Sanskrit für „große Gemeinde“) entschied sich nach dem Konzil zu einigen Modifikationen, wie die Auflockerung der Ordensregeln, die stärkere Betonung der meditativ gewonnen Weisheit gegenüber dem erlernten Wissen, die Entwicklung des „Bodhisattwa-Ideals“, das die Aufschiebung der eigenen Erlösung zugunsten der Hilfe und Sorge um das Heil der Mitmenschen beinhaltet, sowie eine Öffnung und Verbreitung der Lehre für die Laien-Bevölkerung, da sie vorher aufgrund ihrer intellektuellen Komplexität und strengen Riten eher ordinierten Mönchen zugänglich war. Hieraus ging der so genannte „Mahayana“ (Sanskrit für „das große Fahrzeug“) Buddhismus hervor, der heute vor allem in China, Tibet, Nepal, Bhutan, Korea, Japan und Vietnam verbreitet ist (Rinpoche, 1993). Hier entstanden aufgrund regionaler Einflüsse über die Zeit hinweg weitere Unterformen, wie z.B. das tibetische „Vayrayana“ (Sanskrit für „Diamantfahrzeug“). Ausführlicheres zu Geschichte und Systemen des Buddhismus findet sich z.B. in Bechert und Gombrich (1989) oder Schumann (1976). Im Mahayana hat die systematische Achtsamkeitsmeditation je nach Unter-Schule nicht ganz so viel Gewicht wie im Theravada (Schumann, 1976). Im Mahayana wird eine Vielzahl unterschiedlicher Meditationstechniken angewandt, bedeutend sind hier auch imaginative Meditationen und Versenkungspraktiken. 20 Theoretische Grundlagen Mittlerweile hat sich auch eine eigene Form eines „westlichen Buddhismus“ herauszubilden begonnen. Der globale Zugriff auf Informationen, die Möglichkeit der Menschen aus der westlichen Welt, Reisen zu unternehmen, und die Emigration bedeutender buddhistischer Lehrer in den Westen hat zur Rezeption einer Vielzahl buddhistischer Konzepte geführt, deren Integration sich immer deutlicher als spezifisch westlicher Buddhismus präsentiert (Batchelor, 1994, 1998; Baumann, 1995; Brazier, 1997, 2001; Fields, 1992; Fronsdal & Van House, 2002; Goldstein, 2002; Kornfield, 2004; Messing, 1997), der die Essenz der buddhistischen Lehre an die Lebensumstände der westlichen Welt angepasst hat. Goldstein (2002, S. 27) charakterisiert diese neue Form des Buddhismus durch „Achtsamkeit als seine Methode, Mitgefühl als seinen Ausdruck und Weisheit als seine Essenz“. Einige westliche Lehrer (siehe dazu vor allem Brazier, 1997) legen die buddhistischen Urtexte, beginnend mit den „Vier Edlen Wahrheiten“ immer mehr in einem modernen Sinn aus, der durch überarbeitete Neuübersetzungen und Re-Interpretation der Quellen gespeist wird. Zwei sehr bedeutende buddhistische Lehrer der Achtsamkeitspraxis, Ajahn Buddhadasa und Ajahn Chah (siehe Gruber, 1999 und Kornfield & Breiter, 1985) waren mit ihren Modernisierungsbestrebungen und Neuauslegungen des Kanons dafür wegweisend. Auf zentrale Punkte der Lehre, die auf den westlichen Menschen befremdlich wirken mögen, wird so ein neues Licht geworfen: Der zu Buddhas Zeiten als unumstößlich angesehene Glaube an Reinkarnation und an das sogenannte Karma, das über eine Vielzahl von Leben hinweg das Dasein der Wesen beeinflussen soll, wird in diesen Neuauslegungen (Brazier, 1997, 2001) mehr als Symbol betrachtet, das auch auf die Mechanismen und Gesetze des aktuellen Lebens übertragen werden kann und sollte. David Brazier, ein Zen-Praktizierender und Psychotherapeut argumentiert leidenschaftlich für eine Korrektur alter Übersetzungsfehler und kulturgeschichtlich bedingt verzerrter Auslegungen von Zusammenhängen, die zu einer „orthodoxen“ Interpretation von Buddhas Lehren geführt hätten (Brazier, 1997), die es neu zu betrachten gelte („The new Buddhism“, Brazier, 2001). Auch die von einigen buddhistischen Lehrern und Autoren vertretene Interpretation der Lehren, es gelte, sich durch Nirwana, also „Erlöschen“ den Leidenschaften und Gefühlsreaktionen, letztlich der menschlichen Existenz bzw. dem Dasein überhaupt zu entziehen, da es an sich leidhaft und elend sei, wird scharf als Missverständnis zurückgewiesen (Brazier, 1997). Es gibt durchaus orthodoxe Auslegungen, z.B. das „Visuddhi-Magga“, (siehe Nyanatiloka, 1952) und einige buddhistische Autoren (beschrieben z.B. in Goleman, 1997b, S. 50-70), die Vipassana als ein Auslöschen der Empfindungen und der Ansprechbarkeit auf 21 Theoretische Grundlagen weltliche Vorgänge verstehen. Auch in dem für diese Arbeit sehr fruchtbaren Werk von Daniel Goleman „Dialog mit dem Dalai Lama – Wie wir destruktive Emotionen überwinden können“ (Goleman, 2005) zeigt sich in den Dialogen zwischen tibetischen Gelehrten und den teilnehmenden westlichen Wissenschaftlern, dass innerhalb des Buddhismus keine Einigkeit bezüglich einer Einschätzung der Emotionen besteht. Manche Schulen sehen jede Regung, die unseren Geist in Bewegung oder Unruhe versetzt, auch z.B. Liebe oder Trauer um den Tod eines Verstorbenen als destruktiv an, und streben daher nach seiner Beseitigung (Goleman, 2005, S. 246 u. 383; siehe auch Flanagan, 2000). Diese Sicht steht in scharfem Kontrast zu der hier vertretenen Sicht auf die Achtsamkeitsmeditation, auf deren Ziel und auf die Interpretation der Lehren Buddhas. Sie wird auch von den meisten westlichen buddhistischen Lehrern zurückgewiesen, ebenso von John Kabat-Zinn und seinem MBSR-Programm (Brazier, 1997; Kabat-Zinn, 1994; Kornfield, 1993). Dem modernen Verständnis der Achtsamkeit und des Buddhismus zufolge ist nicht die komplette Realität, die Welt an sich inhärent zurückzuweisen, oder schnellstmöglich zu überwinden. Ganz im Gegenteil sei es ein großes Geschenk zu leben – nur eine gewisse Art der Beziehung zur Existenz mit all ihren vielfältigen Aspekten fügt der unweigerlichen und notwendigen Komposition des Lebens unnützes und tieferes Leid hinzu (Brazier, 1997; Hart, 1996; Kabat-Zinn, 1994, 1996). Buddha versuchte zu Beginn seiner Suche, dem Problem sowohl mittels der damals von den hinduistischen Yogis praktizierten Weltflucht zu begegnen, als auch durch Stimulierung seiner Sinne mit allen möglichen materiellen Reizen. Das Zentrale seiner Botschaft ist, dass keiner dieser Wege, dem Leid zu entfliehen, funktionieren kann. Nach David Brazier´s Ansicht lehrte Buddha daher, dass Ereignisse, die Schmerz und Leid mit sich brächten, untrennbar zum Existieren eines jeden Wesens gehörten, dass eine edle Haltung der Akzeptanz, welche die „Wurzelgifte“ (Unwissenheit um die Natur der Dinge und des Geistes, Gier als Reaktion auf Gefühle, Aversion als Reaktion auf Gefühle) überwunden hat, jedoch ein sinnerfülltes, erleuchtetes, glückliches und menschlichenwürdiges Leben ermöglichen würde, trotz Schmerz, Krankheit, Tod und Vergänglichkeit. Die nachfolgenden inhaltlichen Ausführungen über den Buddhismus und die Achtsamkeit folgen diesem modernen Verständnis der buddhistischen Lehren. Gegebenenfalls werden mit Brazier (1997) Entwicklungslinien vom „orthodoxen“ Verständnis der Lehren zu diesen modernen Auslegungen hin aufgezeigt. 22 Theoretische Grundlagen 2.1.2 Leben und Lehre des historischen Buddha Vor allem Hermann Hesse hat einer breiteren Öffentlichkeit in der westlichen Welt mit seinen Romanen „Siddhartha“ (2002) und „Morgenlandfahrt“ (2001) die Lebensgeschichte und Lehre des Buddha nahe gebracht. Die folgende kurze Zusammenfassung orientiert sich an Schumann (1976) und Bechert und Gombrich (1989): Vor ca. 2500 Jahren wurde Siddharta Gautama in der Nähe der heutigen Grenze zwischen Indien und Nepal als Sohn eines mächtigen und wohlhabenden Fürsten geboren, seine Mutter starb kurz danach. Da von religiösen Oberhäuptern zu seiner Geburt prophezeit wurde, aus ihm werde entweder ein mächtiger Herrscher oder ein spiritueller Führer, sorgte sein Vater dafür, dass es ihm an nichts mangelte. Sein Anliegen war, einen starken Herrscher als seinen Nachfolger aufzuziehen. Er nahm an, dass der Schutz vor jeglicher Begegnung und Berührung mit den unangenehmen Seiten des Lebens seinen Sohn davon abhalten würde, sich für spirituelle Dinge zu interessieren. So wuchs Siddharta Gautama bis in seine späte Jugend hinein in der geschützten, prächtigen Scheinwelt des Palastumfeldes auf, wurde früh mit einer schönen Frau verheiratet, bekam einen Sohn und lebte im Genuss aller Freuden des Lebens. Die Geschichte von den vier Ausfahrten beschreibt, wie er beim Verlassen des Palastes auf einer Sänfte zum ersten Mal in Kontakt mit dem menschlichen Leiden kommt. Ein alter Mann am Stock, ein schwer kranker Mann, und der Anblick einer Leiche können von den Palastbediensteten nicht schnell genug aus Siddhartas Gesichtsfeld entfernt werden, so dass er erkennt, dass Alter, Krankheit und Tod Bestandteil jedes menschlichen Lebens sind. Diese Erfahrung bringt tiefes Mitgefühl in sein Leben, und er beginnt, über das Leiden, seinen Sinn, seine Ursachen und einen heilsamen Umgang damit nachzusinnen. Bei der vierten Ausfahrt trifft er auf einen Mönch und beschließt, dessen Weg zu beschreiten. Mit 29 Jahren verließ er also trotz starken Widerstands und tiefer Trauer seiner Familie den Palast und schloss sich einer Gruppe von Mönchen an, um nach Antworten auf seine brennenden Fragen zu suchen. Er unterzog sich der Legende nach sechs Jahre den strengsten asketischen Riten, den härtesten konzentrativen Techniken, den extremsten bis dahin bekannten hinduistischen yogischen Praktiken, um dem Leid zu entfliehen, bis er nahezu körperlich verendete. Als dies alles keine Antworten auf seine drängenden Fragen nach Sinn und Natur des Daseins und des Leidens erbrachte und er kurz vor dem Tod stand, begab er sich auf den anderen Pfad, den Pfad der Ausschweifungen, der Exzesse, der wahllosen Sinnesfreuden. Auch hier fand er nach anfänglichen Hoffnungen keine letztendliche Erfüllung, keine Leidbeseitigung und kein Glück. Dies führte ihn zur Beschreitung des „mittleren Weges“ zwischen diesen beiden Extremen. 23 Theoretische Grundlagen Er beschloss, beide Extreme zu meiden, sein Ziel nicht aufzugeben und in meditativer Betrachtung seines Geistes die Einsicht aus sich selbst heraus zu realisieren. Der Legende nach geschah dies, als er unter dem nach diesem Ereignis benannten Bodhibaum im Lotus-Sitz saß und meditierte. Während der langen Zeit, die er regungslos in Betrachtung seines Geistes und allen Inhalten verweilte, attackierten ihn der Legende nach alle denkbaren bösen Geister, Dämonen, Götter und versprachen ihm alles erdenklich Schöne oder bedrohten ihn mit allen erdenklichen, schrecklichen Visionen, um ihn herauszufordern. Er verharrte jedoch trotz allen Schreckens und erlangte in der Überwindung dieser Hindernisse die Erleuchtung (Pali „Nibbana“ od. Sanskrit „Nirwana“), die vollkommene Einsicht in das Wesen der Dinge und des Geistes. Er erkannte, dass alle Erscheinungen, also auch der menschliche Geist, den Bedingungen des Wandels, der Veränderung und der Vergänglichkeit unterworfen sind und dass es daher kein isoliertes, substanzhaftes „Selbst“ oder eine unveränderliche „Seele“ gibt. Das Unwissen dieser Tatsachen, erkannte er, erzeugt in der Reaktion auf die Realität gewaltiges Leid, denn „die Menschen klammern sich mit ganzer Kraft an ihre Identität – ihr geistiges und körperliches Sein – während es doch tatsächlich nur sich entwickelnde Prozesse gibt. Dieses Anhaften an eine nichtreale Vorstellung, die man von sich selbst hat, an etwas, das sich in Wirklichkeit fortwährend verändert, ist Leiden.“ (Hart, 1996, S. 59). Im Anschluss machte er sich auf, die erfahrene Weisheit zu lehren. Mit seiner ersten Lehrrede von den „Vier Edlen Wahrheiten“ setzte er das Rad des „Dharma“ („der buddhistischen Lehre“) in Gang. Die „Vier Edlen Wahrheiten“ sind zentral für die buddhistische Lehre, und sollen daher hier angeführt werden (Brazier, 1997; Kornfield, 1993; Panikkar, 1989): Die „Erste Edle Wahrheit” ist die Wahrheit vom Leiden oder der unbefriedigenden Natur der Welt („dukkha“), also die Erkenntnis, dass jede sich wandelnde Existenz untrennbar mit unangenehmen Erlebnissen und Widrigkeiten einhergeht und in diesem Sinne imperfekt ist (siehe dazu auch Eliade, 1986). Da Existenz nur aufgrund von Wandel, Veränderung, Vergänglichkeit möglich ist, stellt Leiden einen inhärenten Bestandteil des Lebens dar. Darin eingeschlossen sind existentielle Dinge wie Geburt, Alter, Krankheit, Tod, Schmerz, aber auch die Trennung von Angenehmem, das In-Kontakt-Kommen mit Unangenehmem – also der Verlust geliebter Zustände, Objekte, oder Wesen, bzw. die Begegnung mit verhassten Zuständen, Objekten, oder Wesen. Niemand kann diesen Vorgängen entfliehen. All diese Vorgänge sind „wahr“, also real und unvermeidlich. Vermeidung, Flucht, Leugnung, als auch Wut und Scham darüber, führen unweigerlich zu einem zusätzlichen, immens 24 Theoretische Grundlagen vergrößerten Ausmaß an Schmerz und Demütigung, das jenes durch die ursprünglichen Unwägbarkeiten bedingte Leid bei weitem übersteigt (Brazier, 1997). Die „Zweite Edle Wahrheit” ergründet unseren Umgang mit „dukkha“. Auf unsere Begegnungen mit „dukkha“ hin entstehen immer Gefühle. Nach Brazier (1997) lehrte Buddha, es sei völlig menschlich und in Ordnung, auch unvermeidlich, und außerhalb unserer Kontrolle, auf „dukkha“ hin mit Gefühlen zu antworten. Probleme entstehen aufgrund einer bestimmten Art des Umgangs mit ihnen, oder wenn wir sie vermeiden wollen. Wenn wir „dukkha“ erfahren, wollen wir, dass die Welt, die Realität eine andere sei, die sie jedoch nicht ist. Dieses Bestreben, unser vermeintliches „Selbst“ vor „dukkha“ zu schützen, oder „dukkha“ auszurotten, und die daraus entstehende Handlungen und Reaktionen laden jedoch ein Ausmaß an Angst, Leiden und Schmerzen auf uns, das noch weitaus größer ist, als das, dem wir zu entfliehen wünschen, da wir unbewusst wissen und spüren, dass „dukkha“ unausweichlich ist (Hart, 1996). Die drei sogenannten „Wurzelgifte“ Gier (Anhaftung), Hass (Aversion) und Verblendung (Unwissenheit) werden als Kern und Grund aller Probleme betrachtet (Hanh, 2002), wenn sie als Antwort auf die Gefühle entstehen. Die Gier zu haben (das, was angenehm ist), die Gier nicht zu haben (das, was unangenehm ist) und die Illusion über oder die Weigerung zur Einsicht in die Natur des Geistes („Nicht-Selbstheit“) und der Dinge (Wandel, Vergänglichkeit) und deren Nicht-Akzeptanz bzw. das NichtWissen liegen allen Problemen zugrunde. An dieser Stelle wird auf die ebenfalls grundlegende „Zwölfgliedrige Kette des Bedingten Entstehens“ (Schumann, 1976) rekurriert: „Unwissenheit, Gestaltungskräfte, Wahrnehmung, Körper-Geist, Sechs Sinne, Sinneskontakt, Gefühl, Durst, Ergreifen, Werden, Wiedergeburt, Alter und Tod“ führen in der orthodoxen Auslegung zu immer neuen Wiedergeburten – viele heutige buddhistische Lehrer interpretieren die Kette jedoch psychologisch als Bedingungen der Leidaufrechterhaltung oder -intensivierung und Entstehung von (Todes-) Angst im aktuellen Leben. Der Ansatzpunkt, an dem Achtsamkeit diese Kette, die das bedingte Entstehen des Leidens quasi automatisch perpetuiert (für Details und Bedeutung der einzelnen Phasen siehe Schumann, 1976) durchbrechen kann, ist der Erstkontakt der sechs Sinne mit ihren jeweiligen Objekten (auch der Geist wird hier als Sinn betrachtet, daher sechs). Von hier an entwickelt sich bei Anwesenheit der „Wurzelgifte“ die Kette des bedingten Entstehens des Leidens. Besonders relevant sind also hier die verbleibenden Glieder: „Gefühl, Durst, Ergreifen, Werden“ (Gruber, 1999). Wenn es aufgrund der Einsicht in die Illusion eines getrennten Selbst nichts als den achtsam erfassten Sinneskontakt und die darauf einsetzenden Empfindungen gibt, endet dort bereits die Entstehung von Bedingungen, die Leid aufrechterhalten bzw. vergrößern. 25 Theoretische Grundlagen Mit Achtsamkeitspraxis ist es möglich, das sich entwickelnde Gefühl (die Valenzbewertung) als Gefühl zu erkennen, und es einfach kommen und gehen zu lassen, so „dass Gefühle einfach kommen und gehen, ohne dass sie noch mit irgendeiner Form von Durst ‚eingekleidet’ werden, auch nicht mit dem Durst oder dem Verlangen, die Gefühle mögen aufhören“ (Gruber, 1999, S. 100). An dieser Stelle ist somit durch Achtsamkeit die Möglichkeit gegeben, in dem Moment, in dem sich gewöhnlich aus den Gefühlen automatisch der Durst, die Gier, oder die Aversion „zusammenbraut“, die Kette durch Nicht-Reagieren, durch bloßes, nicht-bewertendes achtsames Wahrnehmen zu unterbrechen. Indem man die „Drei Wurzelgifte“ als Reaktion auf die Empfindungen ausschaltet, werden wohlgemerkt nicht die Empfindungen selbst ausgeschaltet oder den Erfahrungen keine Bedeutung mehr beigemessen (Brazier, 1997), wie ein teilweise anzutreffendes Missverständnis über den Buddhismus suggeriert. Dies wäre fatal und töricht, da es für das Bestehen der menschlichen Spezies unbedingt notwendig ist, durch Gefühle über einzuleitende Reaktionen, die dem Überleben dienlich sind, informiert zu sein (Goleman, 1998). Eine voll-funktionierende, psychisch gesunde Person erlebt das gesamte Spektrum an Gefühlen (Roger, 1973). Es ist nach Brazier (1997) und Kornfield (1993) ein häufiges, aber schweres Missverständnis, dass Erleuchtung bedeute, keine oder nurmehr positive Gefühle zu erleben, oder keine Probleme mehr zu haben. Auch Mitleid, Mitgefühl, Lebendigkeit und Empfindsamkeit, also Eigenschaften (Gefühle), die man an großen spirituellen Führern (z.B. Dalai Lama) beobachten kann, wären dadurch unmöglich. Mit steigender Einsicht und Verwirklichung sieht man, beiden Autoren zufolge, die dunklen Seiten des Lebens und des eigenen Geistes eher noch deutlicher. Man lebt nicht plötzlich ohne sie, sondern besser als früher mit ihnen. Dieser grundlegende Ansatzpunkt in der Vipassana-Praxis ist fundamental für die Entwicklung der Hypothesen dieser Arbeit (siehe Abschnitt 2.6, Hypothese 1 und 4): Zum einen steigert Achtsamkeitspraxis die Bewusstheit, Klarheit, die Lebendigkeit, den Facettenreichtum und die Intensität der vom Bewusstsein erfassten Phänomene (Meibert, Michalak & Heidenreich, 2006). „Um es nochmals kurz zusammenzufassen, können wir sagen, dass das beobachtende Innehalten die Qualität des menschlichen Bewusstseins in vierfacher Weise beeinflussen und erhöhen kann: 1. seine Intensität, 2. seine Klarheit, 3. seinen Beziehungsreichtum, 4. seine Wahlfreiheit.“ (Nyanaponika, 1969, S. 141). Zum anderen (siehe Hypothese 3.2) ergibt sich aus den buddhistischen Schriften klar die Folgerung, dass mit steigender Achtsamkeitspraxis das automatische Reagieren mit den „Drei Wurzelgiften“ (Unwissenheit, Gier, Aversion) auf Empfindungen hin abnimmt, auf Gefühle dementsprechend immer weniger mit 26 Theoretische Grundlagen Vermeidung oder Anhaftung geantwortet wird (Goenka, 2005; Hart, 1996). Dies wiederum führt aus der Sicht buddhistischer Texte dazu, dass die Reaktion auf stresshafte emotionale Reize zunehmend schneller wieder abfällt (siehe Hypothese 2), da auf die Empfindung nicht zusätzlich mit Aversion oder Anhaftung reagiert wird: „Nach und nach werden die Momente des Beobachtens häufiger, und die des Reagierens seltener. Und selbst wenn wir negativ reagieren, so wird doch die Dauer und die Intensität der Reaktion abnehmen.“ (Hart, 1996, S. 166). Die „Dritte Edle Wahrheit” legt dar, dass es einen Weg zur Beendigung des Kampfes gegen das Leben, und dem aus dieser Abwehr resultierenden Leiden gibt, dass ein Loslassen und Überwinden der „Drei Wurzelgifte“ möglich ist. Die „Vierte Edle Wahrheit” expliziert den Weg, auf dem diese Befreiung zu erlangen ist, und weist auf den sogenannten „Edlen Achtfachen Pfad“ (Allmen, 1997): Dieser besteht aus drei Bereichen und acht Gliedern: I.) Weisheit („panna“): rechte Einsicht, rechte Entschlossenheit. II.) Ethische Integrität („sila“): rechte Rede, rechtes Handeln, rechter Lebensunterhalt. III.) Meditation („samadhi“): rechtes Bemühen, rechte Achtsamkeit, rechte Versenkung. Die Anweisung, auf welche Weise genau Achtsamkeit zu üben sei, wurde in einer zentralen Lehrrede Buddhas, dem sogenannten „Satipatthana Sutta“ aufgezeichnet. Buddha selbst legte nichts schriftlich nieder. Seine Anhänger verfassten lange nach seinem Tod, als eine mündliche Überlieferung nicht mehr auszureichen schien, die ersten schriftlichen Sammlungen seiner Lehren. Buddhas Lehrreden wurden in „Drei Körben“ („Tipitaka“) geordnet: „Korb der Ordensdisziplin“ („Vinaya Pitaka“), „Korb der Lehrreden“ („Sutta Pitaka“), „Korb der höheren Lehre“ („Abidhamma Pitaka“). Der Korb der Lehrreden wiederum ist in mehrere Sammlungen („Nikaya“) unterteilt, wobei sich die „Rede von den Grundlagen der Achtsamkeit“ („Satipatthana Sutta“) in der „Mittleren Sammlung“ („Majjhima Nikaya“) befindet. Diese Rede wird von vielen buddhistischen Schulen als besonders heilig und grundlegend verehrt, auch weil Buddha ihn als (einzigen) Pfad bezeichnet haben soll, der „ausschließlich“ zur Läuterung führt (Gruber, 1999). Die „Satipatthana Sutta“ lehrt vier Bereiche, die zum Training der Achtsamkeit herangezogen werden sollen (Nyanaponika, 1969; Sayadaw, 1990), und auf die als „Meditationsobjekt“ immer wieder zurückzukehren ist, sobald bemerkt wird, dass die Aufmerksamkeit abgeschweift ist: den Körper („kaya“), die Empfindungen („vedana“), den Geist („citta“) und Geistesobjekte („dhamma“). Die Grundlage zur Entfaltung der Praxis bildet hierbei der Körper („kaya“). Das Gewahrsein der Körperhaltung, der Körperfunktionen und -bewegungen sowie die Atemachtsamkeit („anapanna sati“, das 27 Theoretische Grundlagen bewusste Wahrnehmen der Empfindungen beim Aus- und Einatmen), die auch diesem Bereich zugeordnet wird, bilden die Basis und den Ausgangspunkt der Weiterentwicklung der Achtsamkeit auf die übrigen Bereiche. Sie dienen zudem als Möglichkeit, das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit immer wieder im Hier und Jetzt zu verankern. „Anapanna sati“ wird als besonders wichtig angesehen. Die Bewusstwerdung des Atems, der vom Moment der Geburt bis zum Tod ohne Unterbrechung kommt und geht, wird als ausnehmend nützliches Meditationsobjekt betrachtet, auch in späteren Phasen der Praxis. Die Reihenfolge der Objekte der Achtsamkeitsschulung legt auch einen ansteigenden Schwierigkeitsgrad nahe (Goldstein, 2003). Es wird für Anfänger zunehmend schwieriger, bei der reinen Betrachtung der Empfindungen, des Geistes und der Geistesobjekte zu verweilen, ohne sich in ihnen zu verlieren oder sich mit ihnen zu identifizieren. Die Empfindungen („vedana“), besser als subjektive Gefühlsvalenz (angenehm, unangenehm, neutral) oder -qualität übersetzt (Buchheld & Walach, 2004), stellen die zweite Grundlage der Achtsamkeit dar, und sind für diese Arbeit von besonderem Interesse. Im buddhistischen Verständnis folgt auf jede gefühlsmäßige Valenzbewertung der Wahrnehmungsinhalte gewöhnlich eine konditionierte, automatisch ablaufende Kette von leidvollen Reaktionen, gezeichnet von Aversion gegenüber den unangenehmem Empfindungen, Gier nach und Anhaftung an die angenehmen Empfindungen, sowie Gleichgültigkeit bei Neutralem (Goenka, 2005; Hart, 1996; Nyanaponika, 1969; Thera, 1972). „Und was verursacht diese Reaktionen? Seine Beobachtungen auf der tiefsten Ebene der Realität ließen den Siddhattha Gotama erkennen, dass Reaktionen aufgrund von Unwissenheit erfolgen. Wir sind uns der Tatsache nicht bewusst, dass wir reagieren, und ebenso wenig sind wir uns der wirklichen Natur dessen bewusst, worauf wir reagieren. Wir wissen nichts von der unbeständigen, unpersönlichen Natur unserer Existenz und wissen ebenso wenig, dass das Hängen an ihr nur Leiden bringt. Da wir unsere wirkliche Natur nicht kennen, reagieren wir wie mit Blindheit geschlagen, (…) und lassen es dadurch zu, dass sich die Reaktionen intensivieren.“ (Hart, 1996, S. 63). Nicht-urteilendes, achtsames Wahrnehmen dieser Vorgänge ermöglicht es, durch einfaches Nicht-Reagieren diese konditionierten Abläufe abzubauen, sich nicht mit den Empfindungen zu identifizieren, und ihre eigentliche Natur als vorübergehende Erscheinungen zu erkennen (Goldstein, 2003; Hanh, 1976). „Dies ist die Aufgabe von Meditierenden: Sie müssen ihre eigene vergängliche Natur verstehen, und zwar durch die Beobachtung der sich ewig wandelnden Empfindungen in ihrem Innern. Wann immer eine Empfindung auftaucht, reagieren sie nicht, sondern erlauben ihr, zu entstehen und zu vergehen. So werden 28 Theoretische Grundlagen die alten Konditionierungen des Geistes an die Oberfläche kommen und sich auflösen.“ (Hart, 1996, S. 145). Die dritte Grundlage der Achtsamkeit arbeitet mit dem Geist selbst („citta“). Achtsam sollen alle Geisteszustände, Gedanken etc. wahrgenommen und als solche erkannt werden. Die vierte Grundlage der Achtsamkeit bezieht sich auf die sogenannten Geistesobjekte („dhamma“), also die Wahrnehmungsinhalte des Geistes, die Formen, die in ihm Auftauchen. Auch hier soll durch absichtsloses, achtsames Schauen deren wahre Natur erfasst werden. Genauere Details und Einzelheiten stellen Gruber (1999) und Nyanaponika (1969) dar. Ziel dieser sukzessiven Beschäftigung mit den vier Grundlagen der Achtsamkeit ist Einsicht („Vipassana“) in die Natur aller Daseinserscheinungen und des Geistes, die Achtsamkeitsmeditation wird daher auch als „Vipassana-Meditation“ bezeichnet. Auch innerhalb der Theravada-Tradition gibt es eine Vielzahl von Schulen, ebenso etliche Vipassana-Strömungen. Deren Differenzierung nimmt Hans Gruber auf eine äußerst exakte und umfassende Weise vor, daher wird an dieser Stelle aus Platzgründen auf sein Überblickswerk „Kursbuch Vipassana“ (1999) verwiesen. Die buddhistische Psychologie bezeichnet dieses letztendliche Ziel als die befreiende Erkenntnis, besser Erfahrung der „Drei Daseinsmerkmale“ (Gunaratana, 1993): Vergänglichkeit („annica“), nicht-hinreichende Natur für dauerhafte Befriedigung oder Leidhaftigkeit („dukkha“) und Nicht-Selbstheit, also Substanzlosigkeit aller Erscheinungen („anatta“). Vor allem dieses Konzept, das die Abwesenheit eines konstanten Selbst beinhaltet, ist für westliche Menschen zu Beginn oft mit Schrecken und Verwirrung verbunden, und führt häufig zu Vermeidungsverhalten im Verlauf der Meditationspraxis (Kornfield, 1993; Nyanaponika, 1969). Diese drei Qualitäten, die nach Buddha alle Erscheinungen auszeichnen, werden von uns Menschen im Alltagsbewusstsein gerne verdrängt, was zum Entstehen der „Wurzelgifte“ Anhaften, Gier, Aversion führt, und dadurch letztendlich zum Kampf gegen das Leben. Daher soll durch kontinuierliche Praxis die Natur der Erscheinungen immer umfassender persönlich erfahren werden, so dass das Leben in Annerkennung dieser Tatsachen und im Einklang mit ihnen stattfindet. Daraus resultierend erfährt der Praktizierende die höchste Befreiung und unbedingte Freiheit, die Erleuchtung im Leben (Brazier, 1997). Diese Methode wird prinzipiell in allen Strömungen des Buddhismus gelehrt (Gruber, 1999), besonderes Gewicht hat ihre umfassende Einübung wie erwähnt in den Theravada-Schulen, im Zen Buddhismus und in der tibetischen „Shambhala“ Tradition (Trungpa, 1984, 1987). 29 Theoretische Grundlagen Diese Lehren stellen sich somit weder als metaphysisch noch als spekulativ dar, sondern sind eine konkrete Aufforderung zur eigenen, persönlichen Überprüfung von Überprüfbarem in der eigenen Erfahrung, da rein begriffliches Untersuchen oder Nachvollziehen dieser Einsichten ungenügend wäre (Allmen, 1997). „Sie offenbaren sich in dem Maße, wie man sich auf sie ‚einlässt’, indem man sie immer wieder kontemplativ-meditativ ‚wägt’ und praktisch umsetzt.“ (Gruber, 1999, S. 187). Zusätzliches Leiden entsteht in dieser Sicht also durch eine Haltung, die im Gegensatz zur Wirklichkeit steht (Goldstein & Kornfield, 1991). Laut Buddha ist im gesamten menschlichen Dasein nichts substanziell Konstantes oder Wesenshaftes zu finden, auch der Geist / das Selbst / die Persönlichkeit / die Seele ist ständig in Wandlung begriffen, was in den modernen Neuro- und Kognitionswissenschaften zunehmend bestätigt wird (z.B. Beckermann, 2000; Chalmers, 1996; Hofstadter & Dennett, 1986; Kaszniak, 1998; Metzinger, 1995, 2003; Roth, 2000). Hier ist jedoch wichtig, zu sehen, dass Buddha sich stets spekulativen Aussagen oder Diskussionen verwehrte, die eine endgültige, metaphysische Feststellung zur Seele oder zum Selbst machen: Seine Aussage von „anatta“ (Nicht-Selbst) bedeutet keine Leugnung der subjektiven Erfahrung eines Selbst, noch bedeutet es, dass es absolut kein Selbst gibt. Er wies beide Sichtweisen, nämlich die nihilistische („das Selbst existiert nicht“) als auch die positivistische („das Selbst existiert“) zurück, und verwies auf die erfahrungsmäßige Tatsache des konstanten Wandels und der Bedingtheit aller Phänomene (Gruber, 1999). Laut buddhistischer Lehre (Nyanaponika, 1969) umfassen folgende sogenannten „Fünf Daseinsgruppen“ („khanda“) unsere gesamte Existenz: Form; angenehme, unangenehme, neutrale Gefühlsqualitäten oder -valenzen; Wahrnehmung; mentale und emotionale Aktivitäten; Bewusstsein. All diese Daseinsgruppen sind immerwährendem Wandel, Veränderung und Vergänglichkeit unterworfen und bedingen sich gegenseitig („Was entstanden ist, muss vergehen.“ Buddha zitiert nach Gruber, 1999, S. 197). Nun ist einem Detail Beachtung zu schenken: Buddha selbst hat nie gelehrt, dass diese „Fünf Daseinsgruppen“ an sich leidvoll oder identifiziert mit Leiden sind, sondern dass „in dem Maße, wie sich Durst und Ergreifen auf die ‚Fünf Aggregate’ (Daseinsgruppen, Anm. d. Verfassers) richten (im unwissenden Wahr-Nehmen derselben als das ‚Ich’, das ‚Mein’ oder ein getrenntes ‚Selbst’), werden sie zur Quelle all unserer Leiden. So ist auch bloß ein Schluss möglich: Das Ergreifen des Lebens ist Leiden, nicht das Leben“ (Gruber, 1999, S. 192). Abschließend soll ein längerer Absatz aus dem Buch „Achtsamkeit und Akzeptanz in der Psychotherapie“ zitiert werden, da er nach Meinung des Verfassers treffend den Kern der Aussagen integriert: „Die Wurzelursachen des Leidens werden auch als die Drei 30 Theoretische Grundlagen Inneren Zwänge (kleshas) bezeichnet: die Ignoranz, d.h. die unbewusste oder bewusste Leugnung der Drei Daseinsmerkmale, das daraus entstehende Anhaften an Vergänglichem und die Aversion gegen Dinge, die außerhalb unserer direkten Kontrolle liegen (Allmen, 1997). Unser einziges wahres Leiden besteht demnach in dem Widerspruch zwischen der Vorstellung eines ‚getrennten, verlässlich-konstanten, konkret-stabilen und dinghaften Selbst’ (Gruber, 1999, S. 21) und dem ‚Dasein, das auf allen sechs Sinnesebenen (von Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Herz/Geist) aus ständig vergehenden, von Moment zu Moment sich wandelnden oder substanzlosen Eindrücken besteht.’ (ebd.)“ (Buchheld & Walach, 2004, S. 35). Ergriffen durch diese Einsicht und Befreiung, und der Erfahrung, dass alle fühlenden Wesen danach streben, Schmerz zu vermindern und Glück zu erlangen, entwickelt man Buddhas Lehre zufolge unweigerlich bedingungsloses Mitgefühl mit sich selbst und allen anderen fühlenden Wesen (Kornfield, 1993), was unethisches Verhalten in der Folge zunehmend unwahrscheinlich macht (Hanh, 2002). Die Lehre des Buddha ist somit eine überprüfbare, selbst erlebbare Einsicht in die Existenz, und ein Weg, ihre Bedingungen und Gesetze zu erkennen, zu akzeptieren, und dadurch (scheinbar) paradoxerweise tiefes Glück, Freude und Befreiung zu erlangen. Die zu Beginn der Praxis von westlichen Menschen gewöhnlich noch vehement verteidigte Vorstellung eines festen und abgetrennten Selbst, die im Abendland eine besonders starke Ausprägung bekommen hat, wird mit zunehmender Bewusstheit und Einsicht als Illusion und Grund aller Angst erkannt, und mündet schließlich in die Zerstörung der Einbildung eines dualistischen Getrenntseins vom Rest des Universums (Gruber, 1999). Das, wovor man die größte Angst hatte, wird in der Folge zum Grund für das Aufgeben aller Angst. Das Werkzeug auf diesem Weg ist kultivierte Achtsamkeit. 2.2 Achtsamkeit im universitären und klinischen Kontext Um das aktuelle Interesse an Achtsamkeit im wissenschaftlichen und angewandten Kontext zu beleuchten, soll zunächst auf die Rezeptionsgeschichte östlicher Weisheitslehren und Praktiken im Westen und speziell in der universitären Wissenschaft und im klinischen Bereich eingegangen werden. Ein Überblick über die empirische Meditationsforschung leitet dann hin zu dem zentralen Konzept, das alle weiteren Entwicklungen und die Achtsamkeitsforschung inspiriert hat: John KabatZinn´s MBSR-Programm (Kabat-Zinn, 1982). Im Anschluss werden die Weiterentwicklungen und Anwendungsbereiche aufgeführt sowie Ergebnisse klinischer Studien berichtet. Die für diese Arbeit besonders interessante bisherige Erforschung der 31 Theoretische Grundlagen angenommenen Mechanismen von Achtsamkeit wird dargestellt, und im Zuge dessen wird ein Ansatz, das Konstrukt Achtsamkeit im wissenschaftlichen Kontext zu definieren, eingeführt. Diese Hinführung ermöglicht die Einordnung dieser Arbeit in aktuelle Forschungsperspektiven. 2.2.1 Östliche Weisheitslehren und westliche Wissenschaft Bereits lange vor der jüngsten Welle des Interesses für östliches Gedankengut war das westliche Abendland in Kontakt mit östlichen Philosophien gekommen. Durch Alexander den Großen (365 – 323 v. Chr.), der sein Reich bis nach Nordindien vergrößert hatte, gelangten über die Seidenstraßen, mit denen Europa mit Indien und China verbunden wurde, östliche Lehren nach Europa. Plotin (205 – 270 n. Chr.) war wohl der erste europäische Philosoph, der nach Indien reiste, um die Lehren dort zu studieren. Seine dadurch stimulierten Überlegungen, die sehr vom hinduistischen Yoga Sutra beeinflusst wurden, und sich mit Extase, Versenkung und der Erfahrung der Realität hinter unserem Alltagsbewusstsein beschäftigte, regten später die christlichen Mystiker wie Johannes vom Kreuz (1995) oder Meister Eckehart (1955) an (Goleman, 1997b; Jäger, 2000; James, 1997). In der weiteren Philosophiegeschichte wurde buddhistisches Gedankengut von Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) formuliert (Schopenhauer, 1998). Nach seinen eigenen Aussagen waren ihm die Parallelen seines Werkes „Die Welt als Wille und Vorstellung“ und der Lehre Buddhas nicht bewusst, als er es verfasste. Die frappierenden Ähnlichkeiten führten jedoch ihn und viele Intellektuelle zu der Zeit erstmalig an den Buddhismus heran, so auch Friedrich Nietzsche (1844 – 1890), der durch Schopenhauers Lektüre seine Begeisterung für den Buddhismus entdeckte (Nietzsche, 1980). Auch der berühmteste amerikanische Psychologe William James (1842 – 1910) forschte mit großem Interesse über östliche Religionen. Sein Werk „Die Vielfalt religiöser Erfahrung“ (1997) ist ein Klassiker der Religionspsychologie. Als dann im 20. Jahrhundert mit dem Aufkommen der positivistischen Naturwissenschaft auch die Philosophie und vor allem die Psychologie unter deren Einfluss geriet, wurden Gegenstände wie religiöse Erfahrungen oder Bewusstsein gänzlich von der Forschungsagenda gestrichen (Feyerabend, 1976; 1980; Kuhn, 1973; Newberg et al., 2004; Pietschmann, 2005). Das östliche Denken übte in dieser Zeit eher auf Dichter seine Anziehungskraft aus (Emerson, 2003; Hesse, 2001, 2002; Kerouac, 1971; Pirsig, 1999; Thoreau, 2004; Whitman, 1985). Hermann Hesse löste mit seinen beiden Büchern in den Sechzigern und Siebzigern einen regelrechten Buddhismus-Boom in 32 Theoretische Grundlagen den USA und Europa aus. Alan Watts, selbst kein Psychologe sondern ehemals christlicher Pfarrer aus England, war für eine große Zahl von westlichen interessierten Psychologen das Sprachrohr des Buddhismus im Westen zu der Zeit. Er emigrierte in die USA und schrieb dort eine Vielzahl Bücher über die Integration westlicher und östlicher Weisheit und hielt zahlreiche Vorträge (z.B. Watts, 1963). Ein weiterer prominenter Vermittler östlicher Inhalte im Westen ist Dr. Richard Alpert, ehemals Psychologie Professor in Harvard. Er war mit Dr. Timothy Leary befreundet und erforschte mit ihm die Effekte von LSD. Der nach längeren Aufenthalten in Indien als „Baba Ram Dass“ („Diener Gottes“) zum Hinduismus Konvertierte publizierte das in den USA bekannte Werk „Be Here Now, Remember“ (Dass, 1971), in dem er von seinen spirituellen Praktiken und Erfahrungen berichtet, und wieso er deswegen seine Universitätskarriere aufgab. Im Gegensatz zum versiegenden Interesse der Wissenschaft nahm die Beachtung von östlichen Weisheiten durch klinisch und therapeutisch tätige Psychologen zu. Allen voran C.G. Jung war exzellent mit dem Bereich der östlichen Psychologie vertraut (Jung, 1947). Er studierte intensiv sämtliche östlichen Ansätze und setzte sie stets zur Situation des westlichen Menschen in Beziehung. Von ihm stammen Vorworte und Kommentare zu wichtigen Übersetzungen von Werken des Ostens, so z.B. dem chinesischen „I Ging“ („das Buch der Wandlungen“, Wilhelm, 1923) und zum „Tibetanischen Totenbuch“ (Evans-Wentz, 2003), sowie zu Werken von D. T. Suzuki. Er ist mit seinen Schriften sicher einer der wichtigsten Mittler zwischen westlicher und östlicher Psychologie. Dabei blieb es nicht aus, dass er bei aller Faszination und allem Lob der tiefen Weisheit des Ostens den westlichen Suchenden vor allzu viel Euphorie warnte. Seiner Ansicht nach ist das Denken und die kulturgeschichtliche Einbettung vieler östlicher Theorien und Praktiken für den hastigen westlichen Menschen fast unmöglich zu erschließen und richtig nachzuvollziehen. „Ich sage, wem ich kann: ‚Studieren Sie den Yoga. Sie werden unendlich viel daraus lernen, aber wenden Sie ihn nicht an, denn wir Europäer sind nicht so beschaffen, dass wir diese Methoden ohne weiteres richtig anwenden könnten’“ (Jung, 1963, S. 576). Den Grund dafür sah er in einer höheren Entwicklungsstufe und Reife der uralten Kulturen und Glaubenssysteme Asiens. Europa war im Vergleich jünger, und weniger differenziert. Auch gab er zu bedenken, dass die Beschäftigung damit zu einer Flucht werden könne: „Ihm schien es allzu einfach, in einer Faszination für die exotischen Formen des Ostens den eigenen Problemen zu entfliehen“ (Goleman, 1997b). Auch Medard Boss, ein einflussreicher Existentialist und Psychoanalytiker war von der Geisteswelt Asiens angetan (Boss, 1987). Seine Erfahrungen in Indien lehrten ihn zum 33 Theoretische Grundlagen einen großen Respekt vor den indischen Weisen, deren Eindruck auf ihn so stark war, dass er angesichts ihrer Verwirklichung und Erkenntnis die westliche Psychotherapie und Psychoanalyse als unterlegen betrachtete. Andererseits beeindruckten ihn Europäer, die sich dort zur Meditation als Nonne oder Mönch ordinieren ließen, wenig. Er attestierte ihnen eine mit asiatischen Weisheitsformeln aufgeblähte „Ichhaftigkeit“, sowie dass sie ausnahmslos vor der weiteren Beschäftigung mit Verwirklichungslehren von einer Psychoanalyse profitieren würden (Boss, 1987). Die im Westen sich weiter ausdifferenzierenden Psychotherapien nahmen im Verlauf dieser ersten Begegnungen immer öfter Anleihen aus dem asiatischen Gedankengut. Vor allem die neben dem Behaviorismus und der Psychoanalyse entstehende „dritte Kraft“ der ganzheitlichen und humanistischen Psychotherapien fand im Osten Inspiration für ein neues Welt- und Menschenbild (Kriz, 2001). Allen voran Erich Fromm (Fromm, 1976; Fromm, Suzuki & de Martino, 1974), Abraham Maslow (1969, 1985) und Carl Rogers (1973) räumten spirituellen Erfahrungen, von ihnen „Gipfel-, Grenz- oder Plateauerfahrungen“ genannt, einen wichtigen Raum in ihren Persönlichkeitstheorien und Therapiesystemen ein. In der in den USA sich ausbreitenden Gestalttherapie von Fritz Perls finden sich Anleihen aus den asiatischen Lehren, es wird sehr viel Wert auf das Hier und Jetzt gelegt, dazu kommen auch meditative Techniken zum Einsatz (Perls, 1973). Dasselbe gilt für die Entwicklungen von Victor Frankl, der in seiner Logotherapie die Notwendigkeit eines spirituellen Sinns betont (Frankl, 1987), sowie für Irvin D. Yalom, der in seinem Klassiker „Existentielle Psychotherapie“ (1989) beschreibt, dass auch dort östliche Lehren aufgegriffen werden. Ebenfalls die in Italien entstehende Psychosynthese nach Roberto Assagioli (1993) weist spirituellen Erlebnissen und Praktiken im Verlauf der Heilung psychosomatischer Erkrankungen einen festen Platz zu. Stanislav Grof, der die Verwendung von LSD in der Psychotherapie in den USA eingeführt hatte, bespricht in seiner sogenannten „Holotropen Therapie“ die Relevanz von östlichen Bewusstseinstechniken für die persönliche Entwicklung (Grof, 2004). In Deutschland wurde in dieser Hinsicht vor allem die so genannte „Initiatische Therapie“ nach Karlfried Graf von Dürckheim bekannt (Dürckheim, 1973). Auch Hugo M. Enomiya-Lasalle, ein Jesuit und Zen-Lehrer, machte sich in Deutschland um den Buddhismus verdient durch seine Verbindung von Zen und Christentum, die viele Menschen anspricht (Baatz, 2004). Die in den sechziger Jahren in der akademischen Psychologie stattfindende „Kognitive Wende“ (siehe dazu Gardner, 1992, 1999a, 1999b), die das Dogma des Behaviorismus brach, führte zu einer ersten vorsichtigen Öffnung gegenüber Themen wie Gefühle, Gedanken, subjektive Erfahrung, die zuvor nicht als Gegenstand der 34 Theoretische Grundlagen Psychologie erachtet wurden. Diese zunehmende Hinwendung zur subjektiven Erfahrung (Hayward, 1990; Varela, Thompson, & Rosch, 1991), als auch das immer größer werdende Interesse an östlichem Gedankengut in den Psychotherapien, bewirkte im weiteren Verlauf einen Umschwung der Haltung auch im wissenschaftlichen und universitären Bereich. Das Interesse an Meditation, an Spirituellem und Religiösem, an veränderten Bewusstseinszuständen und mystischen Erfahrungen sollte nunmehr wieder offiziell zum Gegenstandsbereich der wissenschaftlichen Psychologie gehören, da diese Phänomene zu allen Zeiten und in allen Kulturen einen zentralen Platz eingenommen hatten (Huxley, 1987). So forderten immer mehr Wissenschaftler, die selbst in dem Bereich Erfahrung hatten (Capra, 1975, 1988; Welwood, 2000), einen Paradigmenwechsel heraus, der schließlich in der Begründung der „Transpersonalen Psychologie“ als „vierter Kraft“ neben Behaviorismus, Psychoanalyse und Humanistischer Psychologie gipfelte (Murphy, 1994; Quekelberghe, 2005; Walsh & Vaughan, 1985; Wilber, 2000; Wilber, Engler & Brown, 1988). Charles T. Tart hat diese Entwicklung maßgeblich mit seinen Werken forciert und angeführt (z.B. Tart, 1972, 1975, 1988). Daneben ist auch der bekannte Amerikaner Ken Wilber zu nennen, der mit vielen wegweisenden Publikationen für die Integration aller Ebenen und Strömungen der Psychologie eintritt (Wilber, 1991, 1995, 2000a, 2000b). Auch in Deutschland hat die transpersonale Psychologie fußgefasst, und konkrete Forschung angeregt (z.B. Belschner, 2000; Buchheld, 2000; Heidenreich, Ströhle & Michalak, 2006; Majumdar, 2000; Piron, 2003; Vaitl, Birbaumer, Gruzelier et al., 2005; Walach, Buchheld, Buttenmüller, Kleinknecht & Schmidt, 2003). Ebenfalls aus den USA kommend, hat sich eine weitere Strömung innerhalb der akademischen Psychologie gebildet, „Positive Psychologie“ genannt (Kahneman, Diener & Schwarz, 1999; Seligman & Csikszentmihalyi, 2000). Deren Hauptaugenmerk liegt auf der Erforschung von positiven Gefühlszuständen wie Glück, Zufriedenheit, Erfüllung sowie deren Entstehung, Mechanismen und aufrechterhaltende Bedingungen. Es war damit ein Programm gestartet, das den Ausgleich schaffen sollte zu den bis dahin eher auf die dysfunktionalen, neurotischen oder pathologischen Aspekte der menschlichen Psyche fixierten Schulen innerhalb der Psychologie. Diese Öffnung des „offiziell erlaubten“ Interesses in der akademischen Psychologie hin zu Forschungsgegenständen wie Extase, Glück, innerem Frieden, Mitgefühl kam auch der Meditationsforschung zugute, die zuletzt durch die Renaissance der Achtsamkeitsmeditation und daraus entwickelter westlicher Therapieprogramme einen starken Zuwachs an Aktivität und Publikationen verbucht (Hamilton, Kitzman, & Guyotte, 2006). 35 Theoretische Grundlagen 2.2.2 Kritische Überlegungen zur Meditationspraxis „The way through the world is more difficult to find than the way beyond it.“ Wallace Stevens „Much of what is called ‚meditation’ is actually an unconscious removal from the complexity and messiness of life. The way medtiation is usually practiced anesthetizes our pain. But when meditation removes us from the actuality of our experience (…) then it is a sedative, not a midwife to our transformation. (…) The hidden agenda of getting rid of what one experiences undermines the attempt to examine whatever one experiences with nonjudgemental awareness. (…) Detaching from experience also results renouncing vital aspets of ourselves such as passion and intense emotions which is devitalizing and self-impoverishing. A ‘good’ meditation is not when the mind is devoid of thoughts and serene, but when one is attentative to whatever thoughts (or feelings or fantasies) one is experiencing, whether they lead to suffering or serenity” (Rubin, 2001, S. 122-127). Die weite Verbreitung und Anwendung der Meditation im Westen sowie das steigende Interesse an östlichen Weisheitslehren bewirkten neben den oben (2.2.1) geschilderten ersten mahnenden Stimmen von C.G. Jung und Medard Boss auch das Einsetzen einer kritisch-sachlichen Reflektion, einerseits der forschenden Wissenschaftler selbst (Scharfetter, 1997; Rubin, 2001; Walach, 2000; Wilber, Ecker & Anthony, 1995), als auch öffentlicher Kreise (Niebel & Hanewinkel, 1997; Schraut, 2002). Es wurde zunehmend thematisiert, dass die Hinwendung zu transpersonalen Thematiken als auch die Praxis meditativer Techniken durchaus auch missbräuchlichen Charakter annehmen kann, je nach zugrunde liegender Motivation. Ein herausgearbeiteter Schwerpunkt ist der missbräuchliche Einsatz von Meditation zur Abstumpfung der Empfindungen und Erzeugung einer gleichsam weltentrückten Immunität und Gleichgültigkeit unter dem Etikett des Nicht-Anhaftens (Rubin, 2001). Ein falsch verstandenes Bild von Meditation als dazu dienlich, mag vor allem auf Menschen mit emotionalen Problemen und Vermeidungsverhalten anziehend wirken, die mit Nicht-Anhaften betiteln, was man eigentlich als psychodynamische Abwehrmechanismen (Dissoziation oder Repression, Mentzos, 2000) gegen unliebsame Anteile der eigenen Person bzw. unerträgliche Gedanken oder Erfahrungen bezeichnen muss (sehr gut dargestellt in Wilber, Ecker und Anthony, 1995, S. 217). Da Meditation technisch gesehen durchaus in der Lage ist, dazu umgeformt und angewendet zu werden (Rubin, 2001; Scharfetter, 1997), ist es von großer Relevanz, auf die Gefahren, die aus einem derartigen Missbrauch resultieren, hinzuweisen 36 Theoretische Grundlagen (Epstein, 1990, Fiedler, 2001; Riemann, 1975). Ein bewusstes Abstumpfen der emotionalen Empfindsamkeit, um leidfrei zu leben, führt langfristig zu allen möglichen psychopathologischen Entwicklungen (Rubin, 2001), wie an den psychodiagnostischen Kriterien nachzuvollziehen ist (z.B. die „Alexithymie“; siehe Dilling, Mombour, & Schmidt, 2004; Saß et al., 2003). Ein weiteres Thema ist das Problem der Autoritätsgläubigkeit und Abhängigkeit, sowie infolgedessen der Aufgabe der eigenen kritischen Verstandestätigkeit, die sich in vielen dokumentierten Fällen in Guru-Schüler Verhältnissen abspielte. Das fundierte Werk „Meister, Gurus, Menschenfänger. Über die Integrität spiritueller Wege.“ setzt sich erstmalig, vom wissenschaftlichen Standpunkt kommend, ausführlich damit auseinander (Wilber, Ecker & Anthony, 1995). Ähnlich der erwähnten Kritik von Medard Boss (2.1.1) stellt sich bei westlichen Menschen, die sich euphorisch östlichen Praktiken und Ideen hingeben, das große Problem eines pathologischen Narzissmus (Röhr, 2005) als möglicher dahinter liegender Triebkraft (Wilber, Ecker & Anthony, 1995). Harald Walach hat sich dieser unangenehmen, lange tabuisierten Thematik in einem Artikel angenommen, in dem er den Narzissmus auch als „Schatten der Transpersonalen Psychologie“ bezeichnet (Walach, 2000). Pathologischer Narzissmus, also die übermäßige Erhöhung des eigenen Selbst, die Betonung der eigenen Besonderheit sowie die Abwertung der Anderen, lässt sich, als Kompensationsmechanismus verstanden, beobachten bei Menschen mit stark schwankendem und geringem Selbstwertgefühl (Lowen, 1984). Die beiden herausragenden Kliniker und Theoretiker auf diesem Gebiet, die Psychoanalytiker Kernberg und Kohut beschreiben dieses in den westlichen Industrienationen immer stärker verbreitete Persönlichkeitsmuster, das auch zum klinisch relevanten Bild einer Persönlichkeitsstörung werden kann, ausführlich in ihren Werken (Kernberg, 1996; Kohut, 1981, 2000; siehe dazu auch aus buddhistischer Sicht Falkenström, 2003). Zugrunde liegend ist die Annahme eines fragmentierten, also schwachen und verletzlichen Selbst, das aufgrund entwicklungsbedingter Versagungen in der Kindheit bestimmte Arten der Zuwendung (Bewunderung, Lob, Empathie, Liebe, aber auch Kritik, Grenzen und Realitätsbezug) entbehren musste, und so die Ausreifung zu einem stabilen und sicheren Selbst nicht abschließen konnte (siehe auch Fonagy, Gergely, Jurist & Target, 2004; Fonagy & Target, 2006). Menschen mit derartigen intrapsychischen Strukturen könnten sich verstärkt von östlichen Lehren und Praktiken angezogen fühlen, um damit ihren Selbstwert zu erhöhen und sich von anderen, „Normalen“, abzugrenzen (Walach, 2000). Da diese Motivation jeglichen östlichen Weisheitslehren jedoch gänzlich zuwider läuft, deren Intention in einer 37 Theoretische Grundlagen Auflösung der Selbstillusion und des Egoismus gipfelt, besteht hier eine starke, sozusagen unsichtbare Kluft zwischen der Intention der Schüler und der Intention der Lehre (die sich dem Bewusstsein der so Praktizierenden durchaus entziehen kann). Nach Walach (2000) und Wilber, Ecker und Anthony (1995) ist die nunmehr allgemein vertretene Ansicht im Bereich der Transpersonalen Psychologie und Therapie, dass nur der Mensch sich der Aufgabe der Transzendierung des Selbst widmen sollte, der bereits ein festes und starkes Selbst entwickelt hat. Diese auf den ersten Blick paradoxe Aussage beinhaltet jedoch die Sorge um das Wohl derjenigen Praktizierenden, deren Selbst den in der Meditation erlebten Erfahrungen überhaupt nicht gewachsen wäre (Epstein, 1990), bzw. deren Praxis sich aus irriger Motivation und falschem Verständnis heraus auf Jahre in eine unheilsame Richtung entwickeln würde. Zur vertiefenden Lektüre wird auf Wilber, Ecker und Anthony (1995) verwiesen, die alle oben umrissenen Aspekte umfassend behandeln. Die „Melbourne Academic Mindfulness Interest Group“ (2006) und Hayes und Feldmann (2004) verweisen in ihren Artikel ausführlich auf mögliche aversive Konsequenzen von fortschreitender Achtsamkeitsmeditationspraxis und auf möglicherweise auftauchende unangenehme Erfahrungen, auf die es als Lehrer kompetent und psychologisch geschult zu reagieren gilt. Diese möglichen Erlebnisse gründen nach Ansicht der Autoren, und der von ihnen gesichteten buddhistischen Literatur zur Achtsamkeit, größtenteils in der notwendigen Bewusstwerdung tiefsitzender verdrängter Gefühle, deren Konfrontation äußerst schmerzhaft sein kann. Diese bekannte Phase der Meditationspraxis, in der buddhistischen Literatur als „heightened neurosis“ bezeichnet (Hayes & Feldman (2004), ist jedoch als notwendiger Übergang in einen neuen Zustand der höheren Ordnung und Stabilität anzusehen, auf den jedoch mit Umsicht und Kompetenz zu reagieren ist, und der nur entsprechend stabilen Praktizierenden zugemutet werden sollte (Hayes & Feldman, 2004). 2.2.3 Wissenschaftliche Meditationsforschung Die empirische Erforschung der Meditation (in ihren vielfältigen Formen, siehe Carrington, 1998; Engel, 1999; Fontana, 1994) ist auf dem Hintergrund der berichteten Entwicklung der akademischen Atmosphäre zu betrachten. Trotz dieser vielen Hindernisse weisen umfassende internationale Bibliographien, deren bekannteste wohl von Murphy und Donovan (1997) erstellt wurde, mittlerweile über tausend wissenschaftliche Veröffentlichungen auf. Die beiden Autoren zeichnen präzise die Geschichte der wissenschaftlichen Erforschung der psychologischen und physiologischen Auswirkungen und Prozesse der Meditation nach, daher wird für eine 38 Theoretische Grundlagen detaillierte Schilderung auf deren Arbeit verwiesen. Da hier vor allem die Untersuchung der Achtsamkeitspraktiken von Relevanz ist, wird auf die übrigen Inhalte nur kurz eingegangen. Wie man an der großen Zahl der Untersuchungen sieht, hat mangelnde Beachtung oder Anerkennung im akademischen Rahmen die Interessierten nicht daran gehindert, ausgiebig zu forschen. Nach Murphy und Donovan (1997) führte jedoch die fehlende Reflektion der Ergebnisse in einer breiteren akademischen Öffentlichkeit zu einer Vielzahl von methodisch unzureichenden Studien und Einzelfalluntersuchungen, die eher explorativen Charakter aufweisen. Die Meditationsforschung lässt sich mit Ott (2000) und Murphy und Donovan (1997) zeitlich betrachtet in mehrere Phasen gliedern: Die Frühphase (30er Jahre bis in die 60er Jahre): Begeisterte Forscher suchen vor allem vor Ort in Indien erfahrene Gurus und Yogis, deren Praktiken im Hinduismus wurzeln, sowie Zen-Mönche in Japan auf, und fertigen über deren Fähigkeiten Einzelstudien sowie erste physiologische Untersuchungen an. Hier werden teils sagenhafte Fähigkeiten an den Praktizierenden beschrieben, die Studien sind jedoch oftmals methodisch kritisierbar und die Ergebnisse widersprüchlich. Die zweite Phase oder Blütezeit der Meditationsforschung (70er Jahre): Im Gefolge der Anhängerschaft der Beatles wird eine für den Westen aufbereitete Form der Mantra-Meditation, die in der hinduistischen Yoga-Tradition wurzelt, die „Transzendentale Meditation™“ (TM™) unter den Jugendlichen und Studenten in den USA populär. Vom Inder Maharishi Mahesh Yogi speziell auf den Westen zugeschnitten, wird diese Form der Meditation, bei der man ein Mantra, also eine Silbe fortlaufend im Geiste wiederholt, richtiggehend über eine Organisation vermarktet, mit speziellen Kursen, Einführungsritualen und zertifizierten Einweisern. Die starke Verbreitung, auch „TM-Welle“, und die dadurch in großer Anzahl zur Verfügung stehenden Praktizierenden begünstigten die rege Forschungsaktivität. Die Konsolidierungsphase (80er Jahre): Aufgrund der kritisierten methodischen Mängel (für Details siehe Ott, 2000) wurden neuere Studien mit verbesserten Designs durchgeführt, es setzte eine Sichtung der bisherigen Ergebnisse in Sammelbänden ein (z.B. Carrington, 1998; Naranjo & Ornstein, 1976; West, 1987) sowie eine kritische Reflektion der Befunde, die jedoch trotz allem beachtlich sind: In nahezu allen psychologischen und physiologischen Domänen finden sich Unterschiede, Verbesserungen oder ungewöhnliche Effekte, deren Auflistung zu lange wäre: Murphy und Donovan (1997) stellen die unüberschaubaren Forschungsergebnisse in einen übersichtlichen systematischen Zusammenhang. Von den 80er Jahren an bis heute 39 Theoretische Grundlagen beginnt auch eine Verlagerung des Interesses von der TM hin zu buddhistischen Meditationstechniken: Die TM-Organisation gerät teilweise gesellschaftlich unter Druck, da ihre Verbreitungsmethoden manchen fragwürdig erscheinen. Insgesamt hinterlässt die TM-Forschung einen eher gemischten Eindruck in der Forschungsgemeinschaft und Öffentlichkeit. Viele TM-Studien wurden nach und nach auch von der von Maharishi gegründeten „Universität“, genannt „Maharishi International School of Management“, finanziert (Murphy und Donovan, 1997), und können demgemäß wohl eine Kritik ihres Vorgehens als interessengeleitet nicht gänzlich widerlegen. Die von vielen westlichen Schülern (Gruber, 1999) in Südostasien studierte und in die USA gebrachte Achtsamkeitsmeditation rückt in einer letzten Welle seit den 1980er Jahren zunehmend ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. Wieder war das Interesse der Psychotherapie zu Beginn Schrittmacher der Forschung. Es wurde zunächst die erstaunliche Ähnlichkeit des Achtsamkeitskonzeptes mit den Ausführungen Sigmund Freud´s zur idealen Haltung des Therapeuten und der gewünschten Aufmerksamkeitslenkung des Patienten herausgestellt (siehe Brown und Ryan, 2004), einige der ersten wissenschaftlichen Arbeiten hatten somit einen psychoanalytischen Hintergrund (Carrington & Ephron, 1975; Emavardhana & Tori, 1997; Fromm, Suzuki & Martino, 1974; Kahn, 1985; Kutz, Borysenko & Benson, 1985; Kutz et al., 1985; siehe auch Epstein, 1990, 1996; Michal, 2006; Molino, 1999). Michael S. Christopher (2003) wiederum betont in seinem Artikel „Albert Ellis and the Buddha: Rational Soul Mates? (…)“ die Parallelen der Rational-Emotiven Therapie nach Albert Ellis und der Achtsamkeitstradition des Zen-Buddhismus. Martin (1997) plädierte sogar für eine Sicht auf Achtsamkeit als das verbindende Konzept aller psychotherapeutischen Richtungen. Da die westlichen Schüler, die in Asien Einweisungen in die buddhistische Achtsamkeitsmeditation bekamen, teilweise bereits etablierte Wissenschaftler oder Therapeuten waren, nahm die Achtsamkeit sozusagen eine Abkürzung in die wissenschaftliche Welt (beispielsweise Austin, 2001, 2006; Ekman et al., 2005; Davidson, 2002; Goleman, 1997b; Kornfield, 1993; Varela, 1998; Wallace, 1999, 2003; Wallace & Hode, 2007). Methode und Ziel der Achtsamkeit scheinen einer Adaption in ein westliches Umfeld, evtl. sogar ohne Rückgriff auf spirituelle Konzepte, eher gemäß (Hayes, 2002). Die Pionierarbeit von John Kabat-Zinn vom Medical Center der Universität von Massachusetts ist hierfür ohne Bespiel (Kabat-Zinn, 1982, 1998, 2003). Er verbrachte selbst längere Zeit in Asien, um Vipassana, Zen und Hatha-Yoga zu studieren, und entwickelte auf der Basis seiner eigenen Erfahrungen das „MindfulnessBased-Stress-Reduction“ Programm („MBSR“), das im Zentrum des Booms bei der 40 Theoretische Grundlagen Erforschung der Achtsamkeitsmeditation steht (Heidenreich & Michalak, 2003). Das Programm selbst, sowie Forschungsergebnisse dazu, bzw. zu seinen Weiterentwicklungen, werden im Folgenden unter 2.2.4 und 2.2.5 genauer besprochen. Gleichzeitig entsteht seit den 1980er Jahren ein beispielloses Projekt, das eine Ära des Austausches und der Zusammenarbeit, der Ideenfindung, der gegenseitigen Befruchtung und konkreten Forschungspraxis zwischen Buddhismus und westlicher Philosophie, Psychologie und den Neurowissenschaften einläutet. Das „Mind-And-Life“ Institut (www.mindandlife.org) organisiert regelmäßige Zusammenkünfte des Dalai Lama und ausgewählter buddhistischer Gelehrter mit den Koryphäen der internationalen Neuro-, Kognitions- und Emotionsforschung in Indien und den USA. Daniel Goleman, der das Projekt von Anfang an begleitet, hat die Geschichte der Treffen in dem Werk „Dialog mit dem Dalai Lama – Wie wir destruktive Emotionen überwinden können“ (2005) skizziert. Zu jedem der Treffen ist ein Buch erschienen, das die Diskussionen und Ergebnisse zusammenfasst, bzw. die Gespräche protokolliert (Goleman, 2005). Auch von Seiten der buddhistischen Gesprächspartner gibt es dazu Veröffentlichungen (z.B. Dalai Lama XIV., 2005; Revel, & Ricard, 2000). Daniel Goleman und Richard Davidson (siehe Davidson, 2004), beide Experten auf dem Gebiet der Emotionsforschung und international renommierte Wissenschaftler, haben, teilweise gemeinsam mit John Kabat-Zinn, aus der Zusammenarbeit Forschungsprojekte entwickelt, welche die Achtsamkeitsmeditation in einem neurowissenschaftlichen Sinn als kognitives und emotionales Training verstehen, und in diesem Rahmen mit den neuesten wissenschaftlichen Instrumenten und auf höchstem methodischen Niveau erforschen (z.B. das Projekt „Cultivating Emotional Balance“ an der University of San Francisco, siehe www.mindandlife.org, oder Davidson, Kabat-Zinn, Schumacher et al., 2003; Lutz, Greischar, Rawlings, Ricard & Davidson, 2004). Vor allem die Frage nach dem Umgang mit destruktiven Emotionen und der Entwicklung von Mitgefühl, Themen, derer sich die buddhistische Lehre und die Achtsamkeitsmeditation ganz besonders angenommen haben, wird als viel versprechendes und relevantes Forschungsfeld der Zukunft begriffen (Goleman, 2005). Eine kürzlich erschienene Arbeit fasst die bisherigen Ergebnisse der neueren (und methodisch hochwertigen) Meditationsforschung zusammen: „Meditation states and traits: EEG, ERP, and neuroimaging studies“ (Cahn & Polich, 2006; siehe auch Baerentsen, Hartvig, StokildeJorgensen & Mammen, 2001). Zusammen mit den Überlegungen und Befunden von Newberg und Iversen (2003) zu den Vorgängen im Bereich der Neurotransmitter und der Neurochemie liegt damit ein ausdifferenziertes Bild der empirischen Ergebnisse der neueren Meditationsforschung vor. 41 Theoretische Grundlagen 2.2.4 Das MBSR-Programm von John Kabat-Zinn Der wichtigste stimulierende Einfluss auf die wissenschaftliche Untersuchung der Achtsamkeitsmeditation ging von John Kabat-Zinn´s MBSR-Programm aus. KabatZinn, Professor am Medical Center der Universität von Massachusetts, war in Gesprächen mit Kollegen immer wieder mit der Sorge um chronische und untherapierbare Krankheitsverläufe bei Schmerzpatienten konfrontiert. Da er aufgrund seiner AsienErfahrung hier einen möglichen Angriffspunkt der Achtsamkeit vermutete, initiierte er ein Programm, das Achtsamkeitspraktiken und auf Hatha-Yoga beruhende Körperübungen beinhaltete, und als Zusatz zur üblichen medizinischen Behandlung gedacht war (Kabat-Zinn, 1982). Achtsamkeitspraxis im Rahmen von MBSR wird (ähnlich wie in 2.1.1 und 2.1.2 über Vipassana ausgeführt) ausdrücklich nicht verstanden als Entspannungsverfahren (siehe dazu Vaitl & Petermann, 2004), oder Verfahren um Stress zu vermeiden, was auch durch EEG-Studien, die unterschiedliche Aktivierungsmuster bei Entspannung, Konzentration und Achtsamkeit zeigen, gestützt wird (Dunn, Hartigan & Mikulas, 1999). Wie oben für die buddhistische VipassanaMeditation ausgeführt (2.1.1), ist auch MBSR keine „(…) Technik, die man anwendet, um damit etwas Unangenehmes zu vermeiden oder nicht gewollte Zustände, Gefühle oder Schmerzen zu reduzieren oder gar ganz auszuschalten, sondern ein Lebensstil, bei dem es darum geht, den gegenwärtigen Augenblick mit all seinen Facetten, unangenehmen sowie angenehmen, so zu erleben, wie er gerade ist. Paradoxerweise reduzieren sich durch das nicht wertende Wahrnehmen dessen, was im Moment geschieht und erlebt wird häufig Schmerzen, schwierige Gefühle oder andere Probleme“ (Meibert, Michalak & Heidenreich, 2006, S. 178). Dies führt auch hin zum bedeutendsten Unterschied zwischen achtsamkeitsbasierten Interventionen und herkömmlichen Psychotherapien, vor allem kognitiven Verhaltenstherapien: Achtsamkeit zielt darauf ab, kognitive Prozesse an sich zu ändern, so z.B. die Haltung und den Umgang mit dem Inhalt der subjektiven Erfahrung. Psychotherapie hingegen versucht meist, dysfunktionale Inhalte zu ändern (Roemer & Orsillo, 2003). Die Integration dieser beiden Ansätze ist nach Baer (2003), Hayes, Follette & Linehan (2004) sowie Lau und McMain (2005) einer der Brennpunkte in den momentanen Diskussionen über Psychotherapie. Der Kurs erstreckt sich über 8 Wochen, jede Woche trifft sich die MBSRGruppe einmal für 2½ h, am Ende des Kurses wird zur Vertiefung der Praxis einmal ganztägig in Stille meditiert. Zentrale Elemente im MBSR-Programm sind achtsame Körperwahrnehmung („Body-Scan“), ein Element, das Kabat-Zinn direkt aus der Vipassana-Schule nach S.N. Goenka (Hart, 1996) entliehen hat und die klassische 42 Theoretische Grundlagen Sitzmeditation (siehe Nyanaponika, 1969). Immer wieder wird betont, wie wichtig es ist, diese formellen Methoden und die daraus erlernte Achtsamkeit im Alltag zu praktizieren und so viele Routinehandlungen wie möglich in dieser Haltung durchzuführen. Es werden dementsprechend vielfältige Hausaufgaben aufgegeben, die Teilnehmer sind zudem angehalten, jeden Tag selbstständig bis zu eine Stunde lang zu meditieren. Im gesamten Kurs wird nicht explizit auf religiöse Inhalte eingegangen, wenngleich der buddhistische Hintergrund zu Beginn des Kurses durchaus betont wird (Kabat-Zinn, 2003). Den Teilnehmern wird nahe gelegt, die erlernte Achtsamkeit in ihren gesamten Lebensstil einfließen zu lassen. In den USA und Europa wird MBSR an mehr als 240 Kliniken angeboten (Bishop, 2002). 64 Studien wurden zur Untersuchung der erzielten klinischen Verbesserungen durch die MBSR-Intervention bereits in den USA durchgeführt (Stand 2003, siehe Grossmann et al., 2003). Die erwähnten Übersichtsartikel (Baer, 2003; Bishop, 2002; Grossmann et al., 2003) ziehen davon die 20 methodisch besten zur Analyse der Effekte heran und kommen zu optimistischen Bewertungen der Forschungsergebnisse (siehe 2.2.5). In Deutschland dauert dieser Prozess noch an – nach einem ersten theoretischen Überblicksartikel (Heidenreich & Michalak, 2003) und einer ersten Evaluation von MBSR bei deutschen Patienten (Majumdar, Grossman, Dietz-Waschkowski, Kersig & Walach, 2002) in Freiburg, konnte sich bisher nur das Klinikum Essen-Mitte dazu entscheiden, MBSR in die teilstationäre Behandlung zu integrieren. Seit 2002 wird in Deutschland auch eine von Kabat-Zinn autorisierte Ausbildung zum MBSR-Trainer angeboten. Es ist nach Kabat-Zinn´s Ansicht von entscheidender Bedeutung, dass der Kursleiter selbst über mehrjährige Meditationsund Achtsamkeitspraxis verfügt, um das Konzept richtig vermitteln zu können. Das Lehren wie auch das Lernen der Achtsamkeitsmeditation erfordert also einiges an Bemühen und Ausdauer. Er warten Hindernisse, die den Praktizierenden, der sie nicht reflektiert, leicht und hartnäckig von der Praxis abbringen können (Meibert, Michalak & Heidenreich, 2006). Die innere Haltung des Meditierenden im MBSR-Programm ist daher nach Meibert, Michalak und Heidenreich (2006) von entscheidender Bedeutung. Folgende Eigenschaften sollen im Laufe des Kurses während der Übungen entwickelt werden: Nicht-Beurteilung, Geduld, „den Geist des Anfängers bewahren“, Vertrauen, Nicht-Greifen, Akzeptanz, Loslassen. Nicht-Beurteilung: Das automatische, reflexhafte klassifizieren von Erlebnissen, auf das wir dann dementsprechend reagieren, soll bewusst gemacht werden. Zunächst ist das Beurteilen ein normaler Prozess, der jedoch, läuft er unablässig und unbewusst ab, zu Problemen und Leid führen kann (Shapiro & Schwartz, 1999). Ziel ist also 43 Theoretische Grundlagen zunächst die Bewusstwerdung der unablässig stattfindenden Be- und Verurteilungen im Geist. Im weiteren Verlauf wird versucht, die Erlebnisse nicht wertend wahrzunehmen, um ein weiteres Reagieren zu vermindern. Geduld: Vor allem bei der Meditation ist diese nach Kabat-Zinn (1996) sehr hilfreich. Anfängliche Schwierigkeiten können nur überwunden werden, wenn dem Praktizierenden klar wird, dass alles seinen eigenen Rhythmus besitzt und seine eigene Zeit braucht, um sich zu entwickeln. Vor allem in der Meditation kann nichts erzwungen werden. „Den Geist des Anfängers bewahren“: Mit dem Buch „Zen Geist – Anfänger Geist“ von Suzuki (1975) meint „Anfänger Geist“ die Fähigkeit, eine offene geistige Einstellung beizubehalten. Die Menschen und Ereignisse um sich herum nicht durch Klischees und vorgefertigte Meinungen hindurch wahrzunehmen. „Anfänger Geist“ bedeutet letztendlich den Versuch, alles um sich herum so zu sehen, als wäre es das erste Mal. Dies gelingt durch die Schulung der Achtsamkeit, in der man erkennt, dass es tatsächlich kein zweites Mal gibt, in dem man dasselbe Ding oder denselben Menschen erblickt, da sich alles kontinuierlich wandelt. Vertrauen: In Momenten, die sicher auf jeden Praktizierenden zukommen, in denen es kein Vorankommen zu geben scheint, ist es nach Kabat-Zinn (1996) wichtig, durchzuhalten und Vertrauen in die Praxis zu haben. Auch wenn der Erfolg scheinbar ausbleibt, oder jede Anstrengung plötzlich sinnlos scheint, gilt es durch vorher bewusst gesammeltes Vertrauen, dabei zu bleiben, evtl. über solche Gedanken zu meditieren und sie als notwendige Phase zu akzeptieren. Nicht-Greifen: Jeder, der mit der Meditation beginnt, hat seine eigenen Ziele und Motive, bestimmte Erwartungen und Bestrebungen. Nun ist dies zwar verständlich, da MBSR gerade ja zur Unterstützung von chronischen und schweren Krankheiten angeboten wurde, dennoch ist es wichtig zu dieser Jagd nach einem bestimmten Ziel eine gänzlich andere Haltung einzuüben. Paradoxerweise bewirkt Meditation nur dann etwas, wenn man es schafft, sie absichtslos auszuüben (Kabat-Zinn, 2003). Diese Tendenz, die sich im Alltag immer wieder manifestiert, nach Dingen oder Erfahrungen zu greifen, sie an sich binden zu wollen, zu kontrollieren, ist für die Meditation äußerst hinderlich. Um eine Haltung des Nicht-Greifens zu entwickeln, auch im Hinblick auf ein angestrebtes Meditationsergebnis, gilt es in der Meditation solche Regungen einfach zu erkennen und vorüberziehen zu lassen. Es gilt, die Erfahrungen so zu sehen, wie sie wirklich sind, nicht wie man sie sich vorstellt. Akzeptanz: Akzeptanz bedeutet, alle Aspekte seiner Selbst und des Erlebens zunächst anzunehmen, wie sie sind. Gewöhnlich ist es für Menschen schwer, gewisse 44 Theoretische Grundlagen Seiten an der Welt und an sich selbst anzunehmen, insbesondere die unangenehmen an der Welt, bzw. die schwachen an sich selbst. Erst wenn die Welt anders und perfekter ist, erst wenn man selbst gewisse Eigenschaften abgelegt hat, dann kann man sich akzeptieren, so die gängige Herangehensweise (Kabat-Zinn, 1996). Dabei liegt nach Kabat-Zinn eine Bedingung für Veränderung in der vorherigen Akzeptanz des betreffenden Zustandes. Verstanden wird Akzeptanz also als Annehmen dessen, was ohnehin bereits Realität ist, um es ganz und vollkommen wahrzunehmen und daraus die richtige und hilfreiche Entscheidung oder Reaktion abzuleiten. Akzeptanz bedeutet also keinesfalls Resignation, sondern ist die notwendige Ausgangsbasis für fruchtbaren Wandel. So geübt im fortwährenden Betrachten der Geisteszustände während der Meditation, hilft sie uns auch, mit Umständen umgehen zu können, die sich nicht ändern lassen (Kabat-Zinn, 1998). Loslassen: Im Alltag passiert es oft (auch unbemerkt), dass man Erlebnisse, noch lange nachdem sie vergangen sind, mit sich herumträgt, über sie nachgrübelt, sie fest hält, obwohl man sie nicht mehr ändern oder zurückholen kann. Diese Beziehung zu Vergangenem wird Anhaften genannt, und es ist in der Achtsamkeitsmeditation eines der wichtigsten Ziele, sich dieser automatischen Haltung bewusst zu werden und sie loszulassen (Kabat-Zinn, 1996). Mit diesen inneren Einstellungen zu den Erlebnissen werden im Kurs folgende Praktiken und Techniken gelehrt: „Body-Scan“: Die Teilnehmer legen sich auf eine Matte, der „Body-Scan“ dauert gewöhnlich 45 Minuten. Das von S.N. Goenka entwickelte „Body-Sweeping“ („Körperdurchkehren“, siehe Hart, 1996) war hier das Vorbild. Die von Band oder vom MBSRKursleiter gesprochenen Instruktionen führen die Teilnehmer bei den Zehen beginnend, systematisch durch den gesamten Körper. Die Anweisung besteht darin, bewusst und gezielt in jeden Abschnitt des Köpers zu hineinzuspüren. Es geht also nicht darum, an die Körperteile zu denken, sondern die dort entstehenden Empfindungen zu erfühlen. Kann man keine lokalisieren, so gilt es dieses Nicht-Spüren wahrzunehmen. Wie oben ausgeführt (2.1.2) ist nach Buddha die Körperbetrachtung eine der Grundlagen der Achtsamkeit. Für die Kursteilnehmer ist die hier erworbene Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu lenken, grundlegend für die später gelehrte Sitzmeditation. Im Body-Scan wird mit fortschreitender Übung ein immer kompletteres und intensiveres Gewahrsein des eigenen Körpers und seiner mannigfachen Empfindungen erreicht. Viele Teilnehmer erleben auf diese Weise nebenbei eine Befreiung von ihrer völligen Entfremdung dem eigenen Körper gegenüber bzw. weiter Teile von ihm (Hart, 1996; Kabat-Zinn, 1996). Abbildung 1 zeigt die beeindruckende Steigerung der Selbsteinschätzung des Körpergewahrseins einer Teilnehmerin im 45 Theoretische Grundlagen Zuge eines „Mindfulness-Based-Cognitive-Therapy“-Kurses (MBCT, siehe auch 2.2.5) über die ersten vier Wochen hinweg. Abbildung 1: Zunahme des Körpergewahrseins (schraffierte Bereiche) während eines MBCT-Kurses [Abb. aus Cayoun, 2005]. Hatha-Yoga Übungen: Basierend auf dem erlangten Körperbewusstsein werden vom Kursleiter Köperübungen aus dem Hatha-Yoga eingeführt. In den Bewegungen ist das Ziel, bewusst die eigenen Grenzen zu spüren, und genau auf die Reaktionen darauf zu achten („das schaffe ich nie“, „die anderen sind besser“ etc.). Die Weiterführung des Köpergewahrseins in die Bewegung und die Achtsamkeit auf die gedanklichen Bewertungsprozesse bilden also den nächsten Schritt. Sitzmeditation: Die wohl dem westlichen Menschen unvertrauteste Beschäftigung, nämlich die des Nur-Sitzens und Nichts-Erreichen-Wollens macht auch den Kursteilnehmern zu Beginn die meisten Schwierigkeiten (Meibert, Michalak & Heidenreich, 2006), ist jedoch Kern der Achtsamkeitsschulung. Die Sitzmeditation wird daher in ihrer Dauer von 10 Minuten zu Beginn bis auf 40-60 Minuten ausgedehnt. Ziel ist, die vorher gewählte und festgesetzte Zeitspanne durchzuhalten, egal welche Gedanken oder Gefühle entstehen und vermeintlich zum Abbruch der Meditation zwingen. Sie kann entweder auf einem Stuhl oder am Boden auf einem Meditationskissen erfolgen. Die Körperhaltung ist aufrecht, Kopf, Nacken, Rücken gerade, die Beine überkreuz (halber oder ganzer sogenannter „Lotussitz“). Dann beginnt man, sich auf den Atem zu konzentrieren, entweder auf die Bewegungen im Bauchbereich, die der Atem erzeugt, oder auf die Empfindungen an der Nasenspitze. Zu Beginn ist es womöglich hilfreich, die Atemzüge zu zählen, um nicht zu schnell abzudriften. Beim Einatmen „eins“, beim Ausatmen „zwei“. Ist man bei zehn angelangt, kehrt man zu eins zurück. Früher oder später wird man feststellen, dass der Geist abschweift, entweder indem man feststellt, dass man über zehn hinausgezählt hat, oder indem man bei einem Gedanken, Bild, Gefühl, Tagtraum „aufwacht“, d.h. ihn 46 Theoretische Grundlagen bewusst wahrnimmt. Dies ist nun wieder ein Moment der Achtsamkeit, in dem man bewusst wahrgenommen hat, eben dass man abgedriftet ist, und wo der Geist war. In diesem Moment beschreibt man kurz den Inhalt des Geistes („Planen“) und kehrt zur Atembetrachtung zurück. Dies alles soll in der Haltung der Akzeptanz, Geduld und Nicht-Bewertung der Inhalte geschehen. Ist man nach einiger Zeit geübter, so wird die Ausdehnung der Aufmerksamkeit von den Atemempfindungen zu den Gefühlen, den Geräuschen, den Körperempfindungen, zum Kommen und Gehen der Gedanken und den Gedankeninhalten ausgedehnt. Jeder dieser Schritte ist verbunden mit steigender Schwierigkeit, sich nicht von den beobachteten Geistesinhalten davontragen zu lassen und sich nicht mit ihnen zu identifizieren (Kabat-Zinn, 1996). Die Auswirkungen wurden unter 2.1.2 ausführlich besprochen, und treffen auch hier zu: Je regelmäßiger und länger praktiziert wird, desto tiefer wird die Auswirkung der Sitzmeditation sein. Nach Meibert, Michalak und Heidenreich (2006, S. 174) erkennt der „(…) Übende, dass alle Empfindungen, Gedanken, Gefühle oder inneren Bilder, ebenso wie äußere Objekte wie z.B. Geräusche oder Gerüche dem gleichen Prozess der Vergänglichkeit unterliegen. Auch erkennt man, dass dieser Wandlungsprozess sowohl bei angenehmen als auch bei unangenehmen Erfahrungen stattfindet, also dass sich z.B. auch Schmerzen, unangenehme Gefühle wie Wut oder Trauer oder negative Gedanken verändern und dass nichts so bleibt, wie es ist. Durch die Haltung des Nicht-Greifens können wir mit der Zeit neue Sichtweisen über unsere automatisch ablaufenden Reaktionen und Verhaltensmuster entwickeln und erkennen, dass sowohl angenehme als auch unangenehme Erfahrungen gleichbedeutend sind und zum Leben gehören. Diese Erkenntnis, in der Tiefe erfasst, kann uns zu mehr Gleichmut, Klarheit und kreativen Handlungsmöglichkeiten führen.“ Gehmeditation: Die hier erworbene Fähigkeit, bei den Bewegungen unseres Körpers mit Achtsamkeit anwesend zu sein, lässt sich gut in den Alltag integrieren. Da der Körper immer da ist, ist er ein gutes Vehikel, um sich durch seine Betrachtung im Hier und Jetzt zu verankern. Bei der Gehmeditation werden die Muskelbewegungen sehr langsam und bewusst ausgeführt, und achtsam auf den Wandel der Körperempfindungen in den Füßen und Beinen geachtet. Das Gehen wird ohne Ziel ausgeführt, lediglich der gegenwärtige Moment wird wahrgenommen. Informelle Übungen: Damit der Transfer in den Alltag gelingt, werden Anleitungen gegeben, wie bei den verschiedensten kleinen Alltagshandlungen Achtsamkeit praktiziert werden kann: Beim Warten an der roten Ampel, beim Abwaschen, beim Zähneputzen, beim Kochen und beim Essen. So wird die Achtsamkeit immer mehr Haltung und Unterstützung im Leben und hilft, die schönen Dinge klarer 47 Theoretische Grundlagen wahrzunehmen und sie mehr genießen zu können, und mit den unangenehmen Dingen weniger kämpfen zu müssen (Kabat-Zinn, 1994). Alle gelehrten Techniken sind Bestandteil buddhistischer Achtsamkeitspraxis (Hanh, 1976), bzw. von ihr entlehnt (mit Ausnahme der Yoga-Körperübungen). Die Probanden dieser Studie haben also mit allen Praktiken Erfahrungen gemacht. 2.2.5 Weiterentwicklungen, Anwendungsbereiche und Ergebnisse klinischer Studien Das oben vorgestellte MBSR-Programm, dessen Erfolge bei Patienten mit chronischen Schmerzen, Stress, und unheilbaren Krankheiten (z.B. Krebs), und erste empirische Wirkungsnachweise (Kabat-Zinn, 1982; siehe auch weiter unten) führten im weiteren Verlauf in den USA zu einem anschwellenden Interesse vor allem der kognitivbehavioral orientierten Verhaltensmedizin und Psychotherapie (Baer & Krietemeyer, 2006; Campos, 2002; Hayes, Follette & Linehan, 2004; Hayes et al., 2004; Lau & McMain, 2005). Aus dem Gerüst des MBSR-Programms wurde eine Intervention zur Behandlung von klinischen Depressionen (die oben erwähnte MBCT) und zur Rückfallprophylaxe entwickelt (Ma & Teasdale, 2004; Ramel, Goldin, Carmona & McQuaid, 2004; Teasdale, 1999). Auch in der so genannten DBT („DialektischBehaviorale-Therapie“) zur Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung ist Achtsamkeit als tragendes Konzept mit eingegangen (Koerner & Linehan, 2000; Linehan, 1993, 1994; Robins, 2002). Die ACT („Acceptance and Commitment Therapy“), die zur Anwendung kommt bei einer breiten Palette von psychopathologischen Störungsbildern bis hin zu verringerter Lebenslust, hat Achtsamkeit als Behandlungskomponente ebenso integriert (Hayes, Luoma, Bond, Masuda & Lillis, 2006). Auch in der Behandlung der generalisierten Angststörung („GAD“) werden neue Programme entwickelt, die Achtsamkeit unterstützend einsetzen (Roemer & Orsillo, 2002; Wells, 2002). Schwartz, Gulliford, Stier & Thienemann (in press) beschreiben in einem Beitrag im „Psychospiritual Clinician´s Handbook“ die Möglichkeiten, Achtsamkeit bei Zwangsstörungen erfolgreich einzusetzen. Des Weiteren werden Einsatzmöglichkeiten von Achtsamkeit im Rahmen der rational-emotiven Behandlung (Christopher, 2003) von posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen Traumatisierungen diskutiert (Follette, Palm & Pearson, 2006). Luise Reddemann, eine Psychoanalytikerin, wendet Achtsamkeitstechniken bereits in der von ihr begründeten „Psychodynamisch Imaginativen Trauma Therapie“ an (Reddemann, 2006; Reddemann, Engl & Lücke, 2006). 48 Theoretische Grundlagen In den erwähnten drei Überblicksartikeln zur Wirksamkeit achtsamkeitsbasierter Interventionen (Baer, 2003; Bishop, 2002; Grossman et al., 2004) sind die Ergebnisse aller bis dahin publizierten und methodisch verwertbaren Studien zusammengefasst und analysiert. Für eine ausführliche Diskussion der nachfolgend berichteten Resultate wird auf diese Meta-Analysen verwiesen. Dort werden trotz methodenkritischer Anmerkungen zu einigen Studien (z.B. fehlende Kontrollgruppen) insgesamt viel versprechende Befunde referiert, welche die Wirksamkeit achtsamkeitsbasierter Ansätze hinsichtlich der Reduktion physiologischer und psychologischer Symptome bei allen untersuchten Störungsbildern stützen (siehe auch Germer, Siegel & Fulton, 2005; Lazar, 2005): Einer der ersten Bereiche, in dem MBSR eingesetzt wurde, war die Behandlung von chronischen Schmerzen. Die erzielten Verbesserungen in der Schmerzreduktion und im psychischen Wohlbefinden konnten auch noch in Follow-Up Untersuchungen nachgewiesen werden. Eingesetzt und evaluiert wurde MBSR auch zur Behandlung der psychischen Belastungen bei medizinischen Erkrankungen wie z.B. Diabetes, Krebs, Multiple Sklerose, Schuppenflechte, Erkrankung der Herzkranzgefäße, Prostatakrebs, Fibromyalgie (chronische Erkrankung, geht einher mit u.a. Schmerzen des Bewegungsapparates). Hier konnten der erlebte Stress und die mit der Krankheit einhergehenden Stimmungseinbußen signifikant reduziert werden bzw. der Umgang mit der Erkrankung verbessert werden. Im Bereich der psychischen Störungen wurden signifikante Erfolge berichtet beim Einsatz von MBSR bei Angststörungen, Panik, bei Zwängen und auch Persönlichkeitsstörungen. Die erzielten Verbesserungen konnten in 3-Monats- bzw. 3-Jahres-Follow-Up Untersuchungen bestätigt werden. Bei Essstörungen wurde durch den Einsatz des MBSR-Programms die Frequenz der Essattacken reduziert, auch Körperschema-Störungen sind Ziel achtsamkeitsbasierter Verfahren (Stewart, 2004). Die Untersuchungen der MBCT ergaben, dass die Wahrscheinlichkeit, innerhalb von einem Jahr nach Abklingen der Depression einen Rückfall zu erleiden (also eine erneute Episode einer Major Depression), im Vergleich zur gewöhnlichen Behandlung um mehr als die Hälfte sank. Auch in einer Reihe von Studien mit nicht erkrankten Probanden zeigte sich eine signifikante Verbesserung des Wohlbefindens, des Stressniveaus und der Lebensqualität (z.B. Oman, Shapiro, Thoresen, Plante & Flinder, 2006). Bei vielen Studien wurde bei Nachbefragungen gefunden, dass die Probanden aus eigenem Antrieb noch lange nach der Intervention weiter praktizierten. Bei der Entwöhnung von Substanz-, Alkohol- oder Nikotinabhängigkeit werden mittlerweile auch Ansätze zur Integration von Achtsamkeit vorgelegt (Breslin, Zack & McMain, 2002; Leigh, Bowen & Marlatt, 2005). Ein kommendes 49 Theoretische Grundlagen Einsatzgebiet von MBSR-Interventionen scheint das Stressmanagement von Klinikund Pflegepersonal sowie der Therapeuten selbst zu sein. Hier finden sich einige erste Studien, die Verbesserungen des Umgangs mit durch die Arbeit erzeugten Belastungen belegen (z.B. Epstein-Lubow, Miller & McBee, 2006). Der Einsatz achtsamkeitsbasierter Interventionen bei Psychosen scheint bisher eher kontraindiziert (siehe dazu Chadwick, 2005; „Melbourne Academic Mindfulness Interest Group“, 2006). 2.2.6 Konstruktdefinition und Forschung zu den vermuteten Wirkmechanismen Dem oben (2.2.5) skizzierten Bereich der Achtsamkeitsforschung, der Therapieevaluation, ist die überwiegende Mehrzahl aller publizierten Arbeiten zuzuordnen. Die Analyse und Erforschung der Wirkmechanismen hat im Vergleich dazu bislang wesentlich weniger Ergebnisse produziert (Shapiro et al., 2006), da sie nach Meinung der „Melbourne Academic Mindfulness Interest Group“ (2006) vor größeren konzeptionellen Herausforderungen steht. Explizite kognitionspsychologische oder neurowissenschaftliche Prozessmodelle wurden bisher noch nicht formuliert. Auf der Konstruktdefinition fußend, die von einer Gruppe von Achtsamkeitsforschern proklamiert wurde, sollen einige theoretische Ansätze zu möglichen Wirkmechanismen vorgestellt werden, aus denen sich die in dieser Arbeit formulierten Hypothesen ableiten lassen. Sodann werden erste Forschungsergebnisse in diesem Bereich diskutiert. John Kabat-Zinn prägte die oft zitierte Beschreibung von Achtsamkeit als „paying attention in a particular way: on purpose, in the present moment, and nonjudgementally“ (Kabat-Zinn, 1994, S. 4). Da dieses Zitat alleine lange die Basis für die Diskussion über das Konstrukt Achtsamkeit war, machte sich im Jahr 2004 eine Gruppe Achtsamkeitsforscher in dem Artikel „Mindfulness: A Proposed Operational Definition“ daran, das Konstrukt operational zu definieren, um der sich entwickelnden, vielfältigen Forschungstätigkeit einen wissenschaftlicheren Rahmen zu geben (Bishop et al., 2004). Dieser erste Definitionsversuch schlägt ein Zwei-Komponenten-Modell der Achtsamkeit vor, die explizit als mentales Training und nicht als Entspannungsverfahren oder Technik zur Stimmungsmanipulation verstanden wird (Bishop et al., 2004, S. 231). Die Autoren stufen Achtsamkeit als psychologischen Prozess, nämlich als „metakognitive Fähigkeit“ ein: Als Kognition über die eigenen Kognitionen (siehe auch Sugiura, 2004). Bestandteile von Metakognition sind laut Bishop et al. (2004) sowohl Überwachung als auch gegebenenfalls Kontrolle von Vorgängen. Diese Sicht der Autorengruppe auf Achtsamkeit als metakognitive Fähigkeit wird von den Autoren 50 Theoretische Grundlagen Brown und Ryan (2004) nicht geteilt. Deren Gegenargument lautet: Achtsamkeit, als Eigenschaft bewussten Erlebens, kann nicht auf Inhalte des Bewusstseins (wie Kognitionen, Emotionen, Sinneswahrnehmungen, als auch Metakognitionen, die letztlich ebenfalls Kognitionen sind) reduziert werden, da sie all diese Vorgänge erfassen und darauf angewendet werden kann, und daher nicht mit ihnen gleichsetzbar sein kann. Brown und Ryan, (2004, S. 243) dazu: „Simply put, if mindfulness involves observing thought, including thoughts about thoughts, it cannot be thought.” Diese Unstimmigkeit mag sich evtl. durch die uneindeutige Begriffsverwendung beider Autorengruppen erklären: Die von Bishop et al. (2004) intendierte Sicht auf Achtsamkeit als metakognitive Fähigkeit des Bewusstseins wird in dem Begriff Meta-Kognition nicht adäquat erfasst, da eine Kognition distinkt ist von einer Fähigkeit, Bewusstseinsinhalte wie z.B. Gedanken zu erfassen und wahrzunehmen. Die Komponenten der Definition von Bishop et al. (2004) lauten nun: (1.) Aufrechterhaltung, bewusste Lenkung bzw. Regulierung von Aufmerksamkeit, so dass das gegenwärtige Erleben in deren Fokus bleibt bzw. wieder gelangt, nachdem ein Abdriften bemerkt worden ist. (2.) Eine auf das Erleben gerichtete Haltung, die gekennzeichnet ist durch Akzeptanz, Neugier, Offenheit und Nicht-Bewertung. Diese beiden Komponenten sollen, Bishop et al. (2004) folgend, genauer beleuchtet und deren Effekte, auch im Hinblick auf die in dieser Arbeit aufgestellten Hypothesen, herausgestellt werden: Zu (1.) Aufmerksamkeit: Die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit auf das gegenwärtige Erleben, meist mithilfe der Verankerung am Atem, erfordert alsdann die Entwicklung der Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit auf diesem Fokus über einen längeren Zeitraum („sustained attention“, Bishop et al., 2004, S. 232). Aufrechterhaltung von Aufmerksamkeit meint die Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum bewusst, wach und aufnahmebereit zu bleiben, und nicht unwillentlich auf andere Objekte (auch mentale) hin abgelenkt zu werden (Bishop et al., 2004; Posner, 1980). Wird dieses Abdriften der Aufmerksamkeit bemerkt (dies wäre dann wiederum ein Moment der Achtsamkeit, siehe Kabat-Zinn, 1994), so erfordert dies die erneute Aufmerksamkeitsregulierung oder -lenkung zurück auf die Gegenwart, meist verankert in der Beobachtung der Empfindungen beim Atmen. Wenn die Praxiserfahrung fortgeschrittener ist, wird nach bemerktem Abdriften die Aufmerksamkeit wieder zurückgelenkt auf die bloße Wahrnehmung aller Inhalte des Bewusstseinsstroms, insofern die Fähigkeit erworben wurde, sich (die Aufmerksamkeit) nicht mehr von diesen Inhalten mitreißen oder davontragen zulassen (siehe zur Diskussion dieser beiden Stufen der Achtsamkeitsmeditation Brown und Ryan, 2004). Diese Aufmerk- 51 Theoretische Grundlagen samkeitslenkung („attention switching“, Bishop et al., 2004, S. 232) ist eine Fähigkeit, die der Anstrengung und Übung bedarf (Posner, 1980; Posner & Rothbart, 1992). Folglich sollte sich Achtsamkeitspraxis in wachsender Fähigkeit zur Aufmerksamkeitsaufrechterhaltung und -lenkung niederschlagen (Bishop et al., 2004). Die erwarteten Effekte dieser Praxis werden beschrieben als „(…) a feeling of being very alert to what is occurring in the here-and-now. (…), a feeling of being fully present and alive in the moment” (Bishop et al., 2004, S. 232; siehe dazu auch die Ergebnisse von Brown, Forte und Dysart, 1984a, 1994b; sowie von Easterlin und Cardena, 1999; und Forte, Brown und Dysart, 1987). Diese steigende Wirksamkeit der Aufmerksamkeitsregulation fördert nach Bishop et al. (2004) die Fähigkeit zur Hemmung oder besser Unterlassung von nachfolgenden, elaborierenden kognitiven Prozessen über die vorher erfassten Bewusstseinsinhalte („inhibition of elaborative processing“; Bishop et al., 2004, S. 233). Die bloße, direkte und achtsame Wahrnehmung der sich wandelnden Bewusstseinsinhalte ermöglicht es also, sich immer seltener unmerklich in grübelnde, verwickelte, weiterführende Assoziationen über Herkunft, Grund, Implikationen oder Inhalt der Erfahrungen zu verstricken: „Note that mindfulness is not a practice in thought suppression; all thoughts or events are considered an object of observation, not a distraction. However, once acknowledged, attention is directed back to the breath, thereby preventing further elaboration. This is thought to inhibit secondary elaborative processing of the thoughts, feelings, and sensations that arise in the stream of consciousness. Thus, mindfulness practices are though to be associated with improvements in cognitive inhibition, particularly at the level of stimulus selection” (Bishop et al., 2004, S. 233). Die Autoren argumentieren nun, dass die durch diese Hemmung freiwerdende Aufmerksamkeit (deren insgesamte Größe begrenzt ist) wiederum zur Verfügung steht, um in die Wahrnehmung des gegenwärtigen Erlebens miteinzufließen und so etwaige ansonsten nicht bewusst verarbeitete Aspekte davon zu erfassen. Achtsamkeitspraxis sollte also in einer größeren kognitiven Verarbeitungstiefe und -breite resultieren, subjektiv in einer weiteren, umfassenderen Perspektive auf das gegenwärtige bewusste Erleben (Bishop et al., 2004). Eine weitere wichtige Schlussfolgerung betrifft die Realitätsbezogenheit, also die Wirklichkeitsnähe der Wahrnehmung, die nach Bishop et al. (2004) mit steigender Achtsamkeitspraxis zunehmen sollte, da immer weniger Vorannahmen, Erwartungen und Bewertungen die gegenwärtige Wahrnehmung gleichsam „filtern“ würden (Bishop et al., 2004; S. 233). Dies ist vor allem im Hinblick auf eine Forschungstradition interessant, die sich mit dem Einfluss der Informationsverarbeitung und Wahrnehmung, bzw. deren Verzerrungen, 52 Theoretische Grundlagen auf die individuellen und gesellschaftlichen Konstruktionen von Wirklichkeit befasst (z.B. Berger & Luckmann, 1970; Watzlawick, 1996). Zu (2.) Haltung dem Erleben gegenüber: Als zweite Komponente des Konstruktes Achtsamkeit definieren Bishop et al. (2004) eine bestimmte Haltung und Einstellung gegenüber den im Bewusstsein auftauchenden und erfassten Erfahrungen. Auch hier sprechen die Autoren von aktiven und bewussten Willensentscheidungen (Bishop et al., 2004; S. 233), diese Haltung einzunehmen und vor allem während der formellen Meditationspraxis, aber auch während des Alltags aufrechtzuerhalten und immer wieder herzustellen. Diese Haltung ist gekennzeichnet durch Offenheit, Neugierde und Akzeptanz. „Acceptance is defined as being experientially open to the reality of the present moment. (…) it involves a conscious decision to abandon one’s agenda to have a different experience and an active process of ‘allowing’ current thoughts, feelings and sensations. (…) thus mindfulness can be conceptualized as a process of relating openly with experience” (Bishop et al., 2004, S. 233). Brown und Ryan (2004) weisen diese zweite Komponente zurück, da es ihrer Auffassung nach unmöglich ist, Erlebnissen die volle Aufmerksamkeit zuzuwenden (die erste Komponente, die sie gelten lassen), die man nicht akzeptiert, da man in solch einem Fall, immer und automatisch die Aufmerksamkeit ablenken würde: Sie zitieren Tolle (1999, S. 56) mit „In giving fullest attention to whatever the present moment presents (…), implies that you also completely accept what is, because you cannot give your full attention to something, and at the same time resist it“. Sie verstehen die Zweite somit als genuinen Bestandteil der ersten Komponente. Bishop et al. (2004) leiten einige wichtige Vorhersagen aus dieser zweiten Komponente ab, die zur Fundierung der in dieser Arbeit aufgestellten Hypothesen angeführt werden: Aufgrund der Akzeptanz und Offenheit gegenüber Erfahrungen prognostizieren die Autoren mit zunehmender Praxis eine Reduktion in kognitiven und behavioralen Strategien, die dazu dienen, gewisse Aspekte der erlebten Erfahrungen zu vermeiden oder zu verdrängen. „First, adopting a stance of curiosity and acceptance should lead to reductions in the use of cognitive and behavioral strategies to avoid aspects of experience.” (Bishop et al., 2004, S. 233). Diese Vorhersage stützt direkt die unter Gliederungspunkt 2.6 formulierte Hypothese 4a der Reduktion von Vermeidungsverhalten während des Experimentes. Der zweite Teil der Hypothese, der eine mit der Praxis steigende Affekttoleranz vermutet (4b), wird von Bishop und Kollegen einige Zeilen darunter wörtlich untermauert: „In essence, emotional distress would be experienced as less unpleasent and threatening, since the context of acceptance changes their subjective meaning. This would likely lead to improved affect tolerance, which can be measured (…) (Bishop et al., 2004, S. 234). 53 Theoretische Grundlagen Affekttoleranz ist nach Bonanno (2001) ein wichtiger Faktor mentaler Gesundheit, denn „the shift of awareness away from distressing emotion has traditionally been viewed as a form of maladaptive denial“ (S. 263). Die in der Achtsamkeitsmeditation angestrebte Einsicht in die Natur der geistigen und emotionalen Vorgänge führt Bishop et al. (2004) folgend im Verlaufe der Praxis zu einer steigenden kognitiven und emotionalen Komplexität, d.h. auch Unterscheidungsfähigkeit zwischen den einzelnen mentalen Vorgängen (Kognitionen, Körperwahrnehmungen, Gefühle), deren Bedeutung, wie sie einander und unser Verhalten bedingen, und miteinander verknüpft sind. Ein weiteres Ergebnis ist eine feiner auflösende Wahrnehmung sowie höheres emotionales Gewahrsein. „Thus mindfulness would be correlated positively with measures of emotional awareness (…)” (Bishop et al., 2004, S. 234). Brown und Ryan (2003, S. 823) formulieren: „Further, by adding clarity and vividness to experience, mindfulness may also contribute to well-being and happiness in a direct way“. Nielsen und Kaszniak (2006) schreiben dazu: „(…) years of training attention on the physiological and affective properties of emotional consciousness during meditation may result in heightened discrimination of emotional phenomenology in everyday life. Indeed, longterm Buddhist meditators have been described as possessing enhanced emotional awareness and improved emotional regulatory abilities“ (S. 393). Dies wird als Ausgangspunkt für die unter 2.6 aufgestellte Hypothesen 1a und 1b gesehen, in der vermutet wird, dass mit zunehmender Achtsamkeitspraxis die Intensität der subjektiv erlebten Emotionen steigt und diese zunehmend deutlicher erlebt werden: „(…) emotions are encountered in all of their force (…)“ (Hayes & Feldman, 2004, S. 258). Nielsen und Kaszniak (2006) formulieren dies ebenfalls in ihrer Arbeit: „We hypothesized that meditation may influence self-reported emotional awareness“ (S. 393). Ihre Ergebnisse stützen dies: „Meditators rated themselves higher than controls in emotional clarity – the ability to accurately discriminate among and label one’s feeling states – and length of meditation practice was positively correlated with clarity score” (S. 402). Achtsamkeit lehrt den Übenden, sich seiner Gefühle (auch der unangenehmen) bewusster zu werden, sie intensiver wahrzunehmen, und sich ihnen zu öffnen, anstatt sie zu vermeiden. Dies gelinge durch die Erfahrung derselben als vorübergehend, sich wandelnd und vergänglich, wodurch die Unangenehmen nicht mehr angsteinflößend sein müssten und die Positiven mehr genossen würden (Bishop et al., 2004; Kabat-Zinn, 2005). Erste empirische Ergebnisse von Hayes und Feldman (2004) unter Einsatz von Fragebögen bestätigten diese Vermutung: Das Ausmaß an Achtsamkeit war korreliert mit einem klareren Erleben von Gefühlen. Bishop et al. (2004) nehmen des Weiteren an, dass mit zunehmender Praxis die Wahrnehmung und 54 Theoretische Grundlagen Beschreibung von Gedanken und Gefühlen eher als fließende und vorübergehende Erscheinungen, denn als einem Selbst innewohnende Aspekte oder valide Widerspiegelungen der Realität zunimmt. „Mindfulness would likely be associated with more complex descriptions of one’s thoughts as contextual, relativistic, transient, and subjective” (Bishop et al., 2004, S. 234). Die Autoren fassen zusammen, dass Achtsamkeit darauf abzielt, mit den subjektiven Erfahrungen in Kontakt zu kommen, so dass man damit effektiver umgehen und psychopathologie-fördernde Vermeidungsstrategien fallen lassen kann (siehe dazu auch Eifert und Heffner, 2003; Hayes & Shenk, 2004; Hayes & Wilson, 2003). „The approach thus focuses on altering the impact of, and the response to, thoughts, feelings, and sensations” (Bishop et al., 2004, S. 237, Hervorhebungen im Original). „This would be expected to improve affect tolerance and decreased reactivity in the presence of emotional states“ (Bishop, 2002, S. 75). Dazu Baer (2003, S. 129): „This experience eventually leads to the extinction of fear responses and avoidance behaviors previously elicited by these stimuli“. Und weiter: „Thus the experience of mindfulness could lead to experience of pain sensations without excessive reactivity“ (Baer, 2003, S. 128). Dies wiederum ist ein zentraler Punkt für die in 2.6 aufgestellt Hypothese 3.2, in welcher eine Abnahme von motivationaler Reaktivität (Aversion oder Gier) auf das Erleben von Gefühlen hin postuliert wird. Entscheidend ist, dass mit steigender Praxis die Gefühle bewusster erlebt werden, die Reaktivität darauf hin aber abnehmen sollte: „With repeated practice, mindfulness allows the participant to develop the ability to calmly step back from thoughts and feelings during stressful situations, rather than engaging in anxious worry or other negative-thinking patterns that might otherwise escalate a cycle of stress reactivity and contribute to heightened distress” (Bishop, 2002, S. 72). Diese Verhinderung einer auf negative Gefühle hin eskalierenden Stress-Reaktivität sollte den in 2.6 aufgestellten Hypothesen 2 und 4b entsprechende empirische Ergebnisse zeitigen. Dort wird ein schnellerer Abfall der emotionalen Reaktionen postuliert, sowie eine geringere Erschöpfung nach der Teilnahme an dem im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten, stress-induzierenden Experiment, das eine Vielzahl emotional negativ valenter Stimuli darbietet. Hayes und Feldman (2004, S. 256) legen diese Hypothesen explizit nahe, indem sie vermuten: „(mindfulness, Anm. d. Verfassers) decreases emotional reactivity and facilitates a return to baseline after reactivity“. Von anderen Autoren wurden weitere Wirkmechanismen und Effekte in Betracht gezogen: U.a. Baer (2003), Hayes und Feldman (2004), Roemer und Orsillo (2003) sowie auch Shapiro et al. (2006) vermuten in den beiden Komponenten der Definition das Wirkprinzip von Expositionstherapien (siehe Reinecker, 1999) quasi 55 Theoretische Grundlagen miteingebaut. Indem man sich dem aversiven Erleben stellt und keine Vermeidungsstrategien anwendet, werden im Laufe der Zeit aufgrund von Desensibilisierung die Stressreaktionen auf das Erleben hin abnehmen. Shapiro et al. (2006) legen ein Modell vor, dass auf den beschriebenen Komponenten aufbauend einen Meta-Mechanismus, genannt „Reperceiving“ postuliert, der vier Mechanismen umfasst: Selbst-Regulation, Werte-Kongruenz, kognitive, emotionale und Verhaltens-Flexibiliät, und die eben angesprochene Exposition. Die Autoren betonen als zentralen Mechanismus das reperceiving, das sie als fundamentalen Perspektivwechsel und Desidentifiktation des Wahrnehmungsvorgangs von seinen Inhalten beschreiben. Die Natur des Perspektivwechsels beschreiben sie als: „(…) a rotation in consciousness in which what was previously „subject“ becomes „object“” (Shapiro et al., 2006, S. 378). Mit der wissenschaftlichen Entwicklungspsychologie (Kegan, 1986) argumentieren sie, dass dies ein Prozess sei, der sich von der Geburt des Säuglings an durch verschiedene Stadien ziehe und in der Achtsamkeit seine logische Weiterführung finde. Eine ähnliche Sicht wird übrigens von der Arbeitsgruppe um Peter Fonagy und Mary Target vertreten (Fonagy & Target, 2006; Fonagy et al., 2004): In deren neuestem Buch, das in einer einzigartigen Weise Kognitionspsychologie, interdisziplinäre Befunde Entwicklungspsycholgie, aus Neurowissenschaften, Bindungsforschung, Säuglings- forschung und Psychoanalyse integriert, bezeichnen sie diesen Vorgang als „Mentalisierung“. Aufgrund der Komplexität und Fülle ihrer Theorie wird dazu auf das Buch „Psychoanalyse und die Psychopathologie der Entwicklung“ verwiesen. Dieses Objektivieren von Bewusstseinsinhalten ermöglicht die Desidentifikation von ihnen, die zu einer abnehmenden Determiniertheit von diesen Inhalten führt. „We also begin to stand back from (witness) our “story” about who and what we ultimately are. Through this change in perspective, identity begins to shift from the contents of awareness to awareness itself“ (Shapiro et al., 2006, S. 379). „Reperceiving” wird von den Autoren streng von einem falschen Verständnis von Distanziertheit oder Gleichgültigkeit differenziert: „Through this process we are actually able to connect more intimately with our moment-to-moment experience, allowing it to rise and fall naturally with a sense of non-attachment. We experience what is instead of a commentary or story about what is. Therefore, reperceiving, in this hypothesized model, does not create apathy or indifference, but instead allows one to experience greater richness, texture, and depth (…)” (Shapiro et al., 2006, S. 379). Auch hier findet sich also Unterstützung für die in dieser Arbeit aufgestellte Hypothese der steigenden Intensität subjektiver Gefühlswahrnehmung (siehe 2.6, Hypothesen 1a und 1b). Achtsamkeitspraxis lässt sich damit von psychologischen Konstrukten wie „experiential avoidance“ (Sloan, 2003) und 56 Theoretische Grundlagen „emotional avoidance“ (Feldner, Zvolensky, Eifert & Spira, 2002) abgrenzen, welche ein Vermeidungsverhalten in Bezug auf das Erleben von vor allem aversiven Emotionen charakterisiert: „This construct has been operationalized as an indiviual´s unwillingness to experience feelings, physiologial sensations, and thoughts, especially those that are negatively evaluated (e.g. fear), as well as attempts to alter the form or frequency of these events and the contexts that occasion them“ (Sloan, 2003, S. 1257). „Experiential avoidance“ wird von Hayes et al. (2006) und Sloan (2003) als ein entscheidendes Kriterium bei der Entstehung und Aufrechterhaltung psychopathologischer Erkrankungen eingestuft. Eine zentrale Erfahrung ist hierbei: „(…) psychological problems are not the results of the thoughts or feelings themselves, but rather these problems are the results of the attempts to suppress, and control such unwanted private events (Sloan, 2003, S. 1258). Abermals schließt sich an dieser Stelle der Kreis zur psychodynamischen Erklärung neurotischer Störungen (Mentzos, 2000). Interessant sind die Befunde von Feldner et al. (2002), die experimentell herausstellen konnten, dass Personen, welche hoch auf dem Konstrukt „experiental avoidance“ laden, mehr selbstberichteten negativen Affekt auf aversive Stimuli präsentieren, wobei sich deren psychophysiologische Emotions-korrelate jedoch nicht von den KontrollProbanden unterscheiden. Die „high-experiential-avoiders“ scheinen also mehr Angst vor der selben physiologischen Erregung zu entwickeln, sie als stresshafter und weniger bewältigbar zu erleben, was eine mögliche Erklärungen für die Entstehung von Panik- und Angststörungen darstellen könnte (Feldner et al., 2002; Hayes, Wilson, Gifford, Follette & Strosahl, 1996). Feldner et al. (2002) grenzen Achtsamkeit davon ab, indem sie bei Achtsamkeit aufgrund der gesunkenen Angst und Reaktivität sowie der gesteigerten Selbstwirksamkeitserfahrung geringere physiologische Reaktivität bei mindestens gleichstarken Gefühlen erwarten. Eine weitere wichtige Abgrenzung des Konstruktes Achtsamkeit wird in Kapitel 2.4 vorgenommen; dort wird herausgestellt, dass ebenfalls der viel diskutierte Emotionsregulationsmechanismus der „Neubewertung“ (engl. „reappraisal“) nicht mit der Achtsamkeitspraxis gleichzusetzen ist: Er beeinhaltet eine Uminterpretation von emotionalen Stimuli, mit dem Ziel, sie auf die Neubewertung hin nicht mehr als aversiv zu erleben (Kalisch et al., 2005). Im Prinzip also eine Form der Beseitigung des negativen Affektes (auch „detachment“, „disengagement“, „dissociation“ oder „isolation“ genannt, siehe Kalisch et al., 2005). Nach Shapiro et al. (2006) beinhalten die vier von „Reperceiving“ umfassten Mechanismen: a) Exposition, b) Werte-Kongruenz, c) kognitive, emotionale und Verhaltens-Flexibilität, d) besseres Selbstmanagement und effizientere SelbstRegulation, womit eine steigende Fähigkeit zur Anpassung und Funktionsstabilität 57 Theoretische Grundlagen gemeint ist. Dies wird laut Shapiro et al. (2006) erreicht durch einen besseren Zugang zu den funktionalen Aspekten und Informationen der erfassten Emotionen, da aufgrund der Affekttoleranz weniger vermieden und irgnoriert wird. Die funktionalen Aspekte werden von Bradley und Lang (2000) als die in den emotionalen Zuständen transportierten Informationen bezeichnet, die für eine adaptive Anpassung des Organismus an die sich wechselnde Umgebung hilfreich und notwendig sind. Werte-Kongruenz meint, dass durch das steigende Gewahrsein immer leichter die eigentlichen persönlichen Werte in die Handlungen einfließen können, da immer seltener automatisch, reflexhaft, und dadurch evtl. nicht hilfreich oder wertekongruent reagiert wird (Shapiro et al., 2006). Kognitive, emotionale und Verhaltens-Flexibilität bezieht sich auf den eben erwähnten Abbau reflexhafter, konditionierter Reaktionen auf inneres Erleben. Durch diesen Zuwachs an Freiheitsgraden ist es immer mehr möglich, bewusst und flexibel zu handeln. Exposition, der letzte der vier Mechanismen wurde bereits weiter oben besprochen. Dieser Zuwachs an Freiheit führt laut Shapiro et al. (2006) zu dem Phänomen, dass selbst sehr starke Gefühle ohne übermäßige Reaktivität daraufhin erlebt werden können: „(Mindfulness, Anm. des Verfassers) (…) enables a person to experience even very strong emotions with greater objectivity and less reactivity“ (Shapiro et al., 2006, S. 381). Daraus lässt sich eine Dissoziation der Komponenten der emotionalen Reaktion ableiten: Auf ein starkes Gefühl wird aufgrund der sicheren Verwurzelung in der Achtsamkeit immer weniger mit ausgedehnter emotionaler (physiologischer / motivationaler) Reaktivität geantwortet. Genau dies wird in den in dieser Arbeit aufgestellten Hypothesen 3.1 und 3.2 postuliert (siehe Abschnitt 2.6). Diese fortschreitende Entwicklung durch die Achtsamkeitspraxis lässt sich in Verbindung setzen mit dem psychosomatischen Konzept der „Desomatisierung“ von M. Schur (in Hoffmann & Hochapfel, 2004): Er vertritt in seinem psychoanalytisch orientierten Modell der Entstehung psychosomatischer Erkrankungen die Ansicht, dass es der fortlaufende Reifungsprozess der ausdifferenzierenden Ich-Entwicklung von Geburt an immer mehr ermöglicht, dass Emotionen zunehmend psychisch repräsentiert werden und immer weniger unkoordiniert, unbewusst und somatisch (siehe dazu auch Holodynski & Friedlmeier, 2005). Von Cayoun (2005) wurde ein Modell vorgestellt, das die Veränderungen nach Achtsamkeitsinterventionen mithilfe der Begriffe „embodied cognition“ und „coemergence model of reinforcement“ beschreibt. „Embodied cognition“ ist eine Sichtweise auf die Bedeutung der Interaktion von Gedanken und Körperempfindungen für die emotionale Reaktivität: „(…) whereby the continuous interaction of thoughts and body sensations play a central role in emotional reactivity and the reinforcement of 58 Theoretische Grundlagen psychopathology“ (Cayoun, 2005, S. 1). Diese Rolle wird im „co-emergence model of reinforcement“ veranschaulicht (Abbildung 2): Abbildung 2: Funktionale Komponenten des „Co-Emergence Model of Reinforcement“ von Cayoun [Abb. aus Cayoun, 2005]. Cayoun beschreibt das Modell folgendermaßen: „Within a few hundred milliseconds, the stimulus is perceived, evaluated according to past experiences, needs, personality, expectation, values, etc, leading to the manifestation of body sensations to which one may react with a learned response when these reach a sufficient level of intensity. Reactions tend to occur even though body sensations may remain below awareness level, i.e., in absence of arousal” (Cayoun, 2005, S. 2). Dies stellt die normale Funktionsweise des gesunden Organismus dar. Die Aufrechterhaltung von psychopathologischen Funktionsweisen und das Aufschaukeln der emotionalen Reaktivität erklärt Cayoun innerhalb seines Modells mit einer Überbetonung der beiden Komponenten „Evaluation“ und „Reaction“ zu Lasten der Komponenten „Sensory Perception“ und „Interoception“ (Abbildung 3): Abbildung 3: Ungleichgewicht innerhalb des informationsverabeitenden Systems in Cayoun´s „Co-Emergence Model of Reinforcement“ [Abb. aus Cayoun, 2005]. 59 Theoretische Grundlagen Nach Cayoun (2005) führt emotionaler Stress bei den meisten Menschen, und umso ausgeprägter bei Patienten mit psychischen Störungen, zu einer wesentlich stärkeren Gewichtung der subjektiven Evaluationskomponente, und darauf folgender, konditionierter Reaktivität, zu Ungunsten der (mehr realistischen) perzeptuellen Informationen und der Körperempfindungen. Dies ist das Muster, welches die meisten Meditierenden zu Beginn ihrer Achtsamkeitspraxis erleben: Unangenehmes Material taucht im Bewusstsein auf, dessen mentale Evaluation verursacht starken psychischen Stress, worauf automatisch mit gelernten Verhaltensmustern reagiert wird. Die weitere Emotions- und Informationsverarbeitung der Person wird im Sinne eines dysfunktionalen Kreislaufes immer mehr die Komponenten „Evaluation“ und daraufhin die „Reaction“ verstärken. Cayoun (2005) erklärt diese Gewichtungsveränderung mit Verschiebung von Aufmerksamkeit. Evolutionspsychologisch betrachtet, konnte es seiner Ansicht nach in früheren Zeiten über Leben und Tod entscheiden, schnelle Evaluationen (automatische Schemaaktivierung) und Reaktionen (schnelle reflexhafte Konditionierungen) auf Ereignisse hin durchzuführen. Die tiefere Verarbeitung von perzeptuellen Aspekten sowie den ausgelösten Körperempfindungen hingegen würde in solch einem Fall zu viel Zeit kosten, und sei daher für das Überleben nicht notwendig gewesen. In extremen Fällen geht in diesem Modell der Kreislauf unter Moderation des sympathischen Nervensystems über in die aus der biologischen Psychologie bekannte Kampf- oder Flucht-Reaktion (Cayoun, 2005). Um hier wieder ein größeres Gleichgewicht herzustellen, ist es, und dies ist der für diese Arbeit relevante Punkt, mittels Achtsamkeit möglich, bewusst diejenigen Komponenten des Modells in den Fokus der Aufmerksamkeit zu bringen, die abnehmende Beachtung fanden. Achtsames Gewahrsein der Sinnesempfindungen, Körperempfindungen und aller entstehenden Gedanken und Gefühle, ohne sie weiter zu evaluieren und ohne auf sie zu reagieren, stellt in diesem Modell also die Balance wieder her. Dies führt zu verringerter emotionaler Reaktivität auf die Gedanken und Gefühle. Cayoun (2005) sieht daher in seinem Modell ein Argument für den Einsatz von Achtsamkeit bei einer breiten Palette von Psychopathologien. Er argumentiert nun mit einem in Zusammenhang mit Achtsamkeit immer öfter fallendem Schlagwort: Neuroplastizität, also die Fähigkeit des Gehirns, bis hinunter auf die neuronale Ebene, sich an wandelnde Umgebungsbedingungen anzupassen, sich neu anzuordnen und zu verknüpfen (Cooper, Intrator, Blais & Shouval, 2004). Die Gehirnregionen, welche für die Achtsamkeitspraxis besonders relevant sind, beinhalten präfrontale Teile des Frontallappens für die Aufmerksamkeitssteuerung sowie die Überwachung und Steuerung exekutiver Funktionen, einschließlich der Hemmung von reaktivem Verhalten bzw. nachgeschalteter, sekundärer 60 Theoretische Grundlagen Evaluation von Stimuli. Ebenso die Parietallappen und die Insula für die Fähigkeit, Körperempfindungen wahrzunehmen und zu überwachen („Interozeption“), speziell der gut untersuchte somatosensorische Kortex, der die Körperteile repräsentiert („Homunculus“). Neuere Forschung konnte nun zeigen, dass anhaltende Achtsamkeitspraxis auf eben diese Areale einen neuroplastischen Einfluss auszuüben vermag (Cayoun, 2005; Davidson, 2004a; Davidson, Jackson & Kalin, 2000; Lazar, Kerr, Wasserman et al., 2005; auf die einzelnen Studien wird in 2.2.7 eingegangen), sodass deren Funktionalität und Effizienz im Laufe der Praxis zunimmt: „The maintenance of this change highlights the role of mindfulness training in inducing neuroplasticity in pathways necessary for the self-regulation of emotions” (Cayoun, 2005, S. 4). Diese verbesserte Fähigkeit zur Interozeption betrifft Empfindungen, die vormals unterhalb der Wahrnehmungsschwelle verblieben und nun erfasst werden können, sowie außerdem ein generell gestiegenes Körperempfinden, dass sich von Mund, Händen, Füßen auf den gesamten Körper ausdehnt (Cayoun, 2005; siehe auch Abbildung 1). Der Effekt dieser erworbenen Fähigkeiten liegt in einer schnelleren und klareren Erfassung von subtilen Körperempfindungen, die im Sinne von Cayoun mit den Gedanken und Gefühlen „co-ermergieren“ und gleichsam frühe Hinweise auf den Zustand und die mentalen Prozesse des Organismus darstellen. Dadurch wiederum ist es eher im Zeitverlauf möglich, negative Evaluationen zu relativieren und sich mehr Zeit und Wahlmöglichkeit für eine bewusste Reaktion zu gewähren (Cayoun, 2005). Diese Argumentation bildet die Grundlage der in dieser Arbeit im Absatz 2.6 formulierten Hypothese 2a, die ein mit zunehmender Achtsamkeitspraxis schnelleres Einsetzen der emotionalen Reaktion sowie ein schnelleres Erreichen des Reaktionsmaximums vermutet. Die Erforschung der Neuroplastizität scheint sich als ein stimulierendes Gebiet für die Achtsamkeitsforschung zu erweisen: Unter Einsatz von Achtsamkeit und mit bewusster, willentlicher Aufmerksamkeitslenkung erzielte neuronale Strukturveränderungen werden von vielen Autoren als faszinierendes Gebiet betrachtet, in dem es möglich ist, den quasi subjektiv-willentlichen Eingriff des bewussten Gehirns in seine eigene biologische Struktur zu beobachten (siehe Cayoun, 2005; Schwartz, 1999; Schwartz, Gulliford, Stier & Thienemann, in press; Schwartz, & Begley, 2002; Schwartz, Stapp & Beauregard, 2004). „(…) we may uncover an opportunity to gain fresh insights into what promises to be one of the major new fields of investigation in the coming century – the role of volition in brain function” (Schwartz, 1999, S. 121). Schwartz fasst den kausalen Einfluss der Achtsamkeitspraxis auf die Emotions- und Informationsverarbeitung des Praktizierenden so zusammen: „In the early stages of 61 Theoretische Grundlagen treatment he basically feels the same – but he has begun to change in a critical way how he understands those feelings. With that change he has set the stage for making different choices about how to act on those feelings and sensations – choices, which (…) actually change the nature of the physics of the brain” (Schwartz, 1999, S. 127). Ein letzter zu erwähnender Mechanismus wird von einigen Autoren (siehe Cahn & Polich, 2006; Lazar, Bush, Gollub, Fricchione, Khalsa & Benson, 2000; Newberg & Iversen, 2003; Takahashi, Murata, Hamada et al., 2005) in der erwiesenermaßen durch formelle Sitzmeditation induzierten Erhöhung der parasympathischen Aktivität des peripheren Nervensystems zu Lasten sympathischer Aktiviertheit gesehen. Wie oben berichtet, ist ein Ansteigen sympathischer Erregung auf die Auslösung von Kampfoder Fluchtreaktionen hin ausgerichtet, um den Organismus vor Bedrohungen zu schützen. Sympathische Innervation bedeutet also eine Steigerung von Erregung (schnellerer Herzschlag, flachere Atmung), Anspannung (höhere Muskelspannung), Aktiviertheit (stärkeres Schwitzen) und schnellauslösbarer Reaktivität (Reflexe). Eine Zunahme der parasympathischen Aktivität, die meist im Sinne eines Antagonismus zur sympathischen gesehen wird, vermag somit diese für die Informations- und Emotionsverarbeitung wenig hilfreichen Einflüsse zu drosseln: „For instance, deep breathing may increase parasympathetic activity and vagal tone, thus facilitating attention and affect regulation” (Roemer & Orsillo, 2003, S. 174). (Hierzu ist anzumerken, dass es in der Achtsamkeitsmeditation keine Aufgabe ist, den Atem bewusst zu steuern oder zu vertiefen – dass diese Vertiefung, im Gegensatz zur meist flachen und hektischen Atmung im Alltag, jedoch im Verlauf des Sitzens von alleine auftritt, bedingt durch die Ruhe und das Innehalten). 2.2.7 Einordnung dieser Arbeit in aktuelle Forschungsperspektiven und -befunde „In terms of establishing an understanding of mindfulness, it is important to see if psychological changes also correlate with physiological and biochemical ones.” („Melbourne Academic Mindfulness Interest Group“, 2006, S. 289). Auch Brown und Ryan (2004) erhoffen sich zukünftig mehr Forschung, die konkret auf die proklamierten Mechanismen von Achtsamkeit abzielt. Diesem Geist folgend, ist in den letzten Jahren eine kleine Anzahl empirischer Artikel erschienen, welche die oben postulierten Mechanismen und deren Auswirkungen untersucht haben. Diese Ergebnisse werden kurz vorgestellt, um dann auf die Fragestellung dieser Diplomarbeit hinzulenken und deren Einordnung in die momentane Forschungstätigkeit im Bereich Achtsamkeit vorzunehmen. 62 Theoretische Grundlagen Ein gutes Raster, um die Befunde zu den Wirkmechanismen der Achtsamkeit einzuordnen, ist die Klassifikation von Davidson (2004c), in der er drei mögliche Untersuchungsansätze benennt: 1. „Meditation-state-effects“, 2. „State-after-effects“, und schließlich 3. „Changes in baseline over time“. (1.) Betrachtet die psychischen und physiologischen Veränderungen während der Praxis. (2.) Untersucht ein mögliches Anhalten dieser Veränderungen unmittelbar nach der formellen Übung. (3.) Befasst sich mit den nach Davidson (2004c) relevantesten Effekten der Praxis: Die Veränderung des Baseline-Wertes der untersuchten Variablen. Untersucht wird also der Meditierende in seinem Normalzustand im Alltag, um überdauernde Einflüsse der Praxis auf psychologische und physiologische Domänen erfassen zu können. Davidson et al. (2003) weisen auf den Grund für das von ihnen betonte Gewicht dieser Forschungsrichtung hin: „Moreover, virtually all forms of meditation profess to alter everyday behavior, effects that are by definition not restricted to the times during which formal meditation itself is practised“ (Davidson et al., 2003, S. 564). Eine spektakuläre Untersuchung zu den Effekten erster, zweiter und auch dritter Ordnung wurde vor kurzem von Lutz et al. (2004) veröffentlicht. Gemessen wurde die EEG-Aktivität von erfahrenen Langzeitmeditierenden der tibetischbuddhistischen Tradition im Vergleich mit einer Kontrollgruppe, ein Design wie es auch in dem hier zu berichtenden Experiment verwendet wurde. Lutz und Kollegen konnten zeigen, dass die Praktizierenden in der Lage waren, während formeller Sitzmeditation (Effekt der 1. Art) die höchste jemals an (gesunden) Menschen gemessene hochamplitudige Synchronizität im Gammaband des EEG hervorzurufen, ein Indiz für eine höchst präzise zeitliche Synchronisation in der Feuerrate weit verzweigter neuronaler Netzwerke und damit ein Korrelat von hoher, fokussierter Aufmerksamkeit (für Details zu weiteren funktionellen Bedeutungen der Gamma-Band Aktivität siehe Ott, 2000): „The endogenous gamma-band synchrony found here could reflect a change in the quality of moment-to-moment awareness, as claimed by the Buddhist practitioners and as postulated by many models of consciousness“ (Lutz et al., 2004, S. 16373). Dieser Anstieg blieb in der Baseline-Messung nach der Meditationsperiode im Vergleich zur Baseline vor der Meditation sichtbar erhalten (Effekt der 2. Art). Darüber hinaus fand sich in der Baseline-Messung vor der Meditation (Effekt der 3. Art) eine signifikante Erhöhung dieses EEG-Profils im Vergleich mit der Kontrollgruppe, welche keine der bei den Meditierenden erfassten Effekte aufwies: „The differences in baseline activity reported here suggest that the resting state of the brain may be altered by long-term meditative practice and imply that such alterations may affect task-related changes” (Lutz et al., 2004, S. 16373). „These data suggest that mental training involves 63 Theoretische Grundlagen temporal integrative mechanisms and may induce shortterm and long-term neural changes” (Lutz et al., 2004, S. 16369). Diese Befunde stützen die Überlegungen dieser Arbeit zu den neuroplastischen Einflüssen der Achtsamkeitspraxis auf die neuronalen Schaltkreise die für die motivationale Reaktivität auf emotionale Stimuli verantwortlich sind (Hypothesen 3.1 und 3.2, siehe Abschnitt 2.6). Lazar et al. (2005) publizierten ebenfalls bahnbrechende Befunde zu Effekten der 3. Art: Ergänzend zu den oben erwähnten Belegen für eine andauernde Wandelung der EEG-Aktivität konnten die Autoren zeigen, dass extensive Achtsamkeitsmeditation die physische Struktur des Gehirns dergestalt verändert, dass die mit Aufmerksamkeit, Interozeption und sensorischer Verarbeitung assoziierten Regionen deutlich stärker ausgeprägt waren als bei den Kontroll-Probanden. Auch ließ sich errechnen, dass der altersbedingte, normale Abbau der kortikalen Substanz durch die Praxis verlangsamt wird. „This data provide the first structural evidence for experiencedependent cortical plasticity associated with meditation practice“ (Lazar et al., 2005, S. 1893). Wiederum stärkt auch diese Studie die Hypothesen 3.1 und 3.2 dieser Arbeit: „Our findings suggest that cortical plasticity can occur, in adults, in areas important for cognitive and emotional processing” (Lazar et al., 2005, S. 1896). Die wohl einschlägigste Veröffentlichung über Effekte (der 3. Art) und Mechanismen der Achtsamkeitspraxis wurde 2003 von Richard Davidson und Kollegen publiziert: “Alterations in Brain und Immune Function Produced by Mindfulness Meditation”. In der Studie wurde der Einfluss eines 8-wöchigen MBSR-Kurses auf Asymmetriemaße der EEG-Aktivität und auf die Effizienz einer Grippe-Immunreaktion erfasst. Die EEG-Asymmetrie im Ruhezustand ist ein mittlerweile gut erforschter Indikator für dispositionale Affekte, ermöglicht also Vorhersagen, ob der Proband im Alltag eher mit negativen oder positiven Emotionen auf die Herausforderungen des Lebens reagiert (Davidson, 2004a, 2004b). Menschen mit stärkerer linksseitiger Aktivierung im EEG-Spektrum zeigen dispositional eher positive Emotionen, erholen sich schneller von stresshaften Ereignissen (Davidson, 2002; Davidson & Harrington, 2002) und zeigen verbesserte Funktionalität des Immunsystems (Davidson, 2004b; Davidson et al., 2003). Davidson und Kollegen konnten zeigen, dass nach der MBSRIntervention bei gesunden Normalprobanden eine Verschiebung der Aktivierungsmaße von rechts- zu linksseitiger Aktiviertheit stattfand, sowie eine größere Antikörperproduktion auf die Grippe-Immunisierung hin erfolgte. Diese beeindruckenden Ergebnisse untermauern die in dieser Arbeit (Absatz 2.6) aufgestellte These 2a/b des mit Achtsamkeitspraxis zunehmend schnelleren Abfalls der emotionalen Reaktion auf negative Stimuli hin, für die Daniel Goleman bereits 1976 (Goleman & Schwartz, 1976) 64 Theoretische Grundlagen Belege sammeln konnte: „Schnellerer Stressabbau ist eine typische Eigenschaft von Meditierenden“ (Goleman, 1997b, S. 222). Mit den Worten von Davidson und Kollegen lässt sich das Gewicht von deren Ergebnissen für die hier vorzustellende Untersuchung zusammenfassen: „We have suggested on the basis of a growing literature on the neural bases of emotion regulation that left-sided anterior activation is associated with more adaptive responding to negative and/or stressful events. Specifically, individuals with greater left-sided anterior activation have been found to show faster recovery after a negative provocation” (Davidson et al., 2003, S. 569). Damit wird der Achtsamkeitspraxis, die bereits nach 8 Wochen in der Lage ist, die frontale EEGAsymmetrie im Ruhezustand in Richtung linksseitiger Aktiviertheit zu verändern, eine kausale Rolle (Davidson & Harrington, 2002) für eine adaptivere Emotionsregulation, speziell eine schnellere Erholung von stresshaften Reizen zugeschrieben. Diese Befunde konnten vor kurzem durch eine Studie (Effekte der 3. Art) von Aftanas und Golosheykin (2005) gestützt werden, wenngleich diese eine andere Meditationstechnik untersuchten, hier die Sahaya Yoga Tradition. Ebenfalls mit EEG-Methodik überwachten sie die Reaktionen von Meditierenden und Nichtmeditierenden auf aversive Filmclips und kamen zu dem Ergebnis: „Experienced meditators manifest EEG signs of overall lower tonic arousal and greater proneness to sustain internal focus of attention. The EEG power findings are the first EEG-correlate of the theoretical assumption that meditators have better capabilities to moderate their intensity of emotional arousal” (Aftanas & Golosheykin, 2005, S. 906). Die erste Studie, die gezielt den Einfluss von Achtsamkeit (Effekte der 2. Art) auf die Emotionsverarbeitung operationalisiert, ist im Dezember 2006 erschienen: „Mechanisms of Mindfulness: Emotion regulation following a focused breathing induction“ (Arch & Craske, 2006). Die Autorinnen operationalisieren den Einfluss von Achtsamkeit über die Durchführung einer 15-minütigen, geleiteten Atemachtsamkeit aus Kabat-Zinn´s MBSR-Programm, bevor den Probanden emotional erregende und negativ-valente Bilder aus dem „International-Affective-Picture-System“ („IAPS“) gezeigt werden. Im Vergleich zu den Kontrollgruppen zeigen die Probanden in der Atemachtsamkeitsgruppe weniger selbstberichteten negativen Affekt, größere affektive Stabilität, und eine größere Bereitschaft, weitere negative Bilder zu betrachten. Diese, zwar lediglich auf Selbsteinschätzung beruhenden Ergebnisse sind nach Wissen des Verfassers die ersten, die einen systematischen Einfluss von experimentell manipulierter Achtsamkeit auf die Emotionsverarbeitung zeigen. Keiner der Probanden, auch nicht diejenigen in der Achtsamkeitsbedingung, hatte vorher Erfahrungen mit irgendeiner Meditationstechnik gemacht. Dass eine derart kurze Intervention bereits mess- 65 Theoretische Grundlagen bare Ergebnisse zeitigt, ist unter diesen Umständen durchaus als beeindruckend zu bezeichnen. Arch und Craske resümieren, die gefundenen Ergebnisse „may be viewed as a more adaptive responding to negative stimuli (by the focused breathing group, Anm. des Verfassers). The results are discussed as being consistent with emotional regulatory properties of mindfulness” (Arch & Craske, 2006, S. 1849). In einer unveröffentlichten Studie von Erisman, Salters-Pedneault und Roemer (2005) wird der Zusammenhang von zunehmender Achtsamkeit im Alltag und steigender Emotionsregulationsfähigkeiten (beides über Fragebögen erhoben) korrelativ bestätigt. Diese ersten, ermutigenden, wenn auch zahlenmäßig geringen Befunde stützen die Stoßrichtung der tragenden Fragestellung dieser Arbeit, die sich direkt in die neuesten Entwicklungen und Forderungen der Achtsamkeitsforschung einreiht, wie folgende Zitate zeigen mögen: „In addition, it will be important to determine whether mindfulness training alters one’s relationship to one’s thoughts, feelings and symptoms, the stated target of this intervention. This is a challenging dependent measure to operationalize“ (Roemer & Orsillo, 2003, S. 174). „Linehan (1994) suggests that mindfulness improves distress tolerance, and Kabat-Zinn (1990) suggests that a mindful response is distinct from a stress reaction in that an individual may experience arousal but he or she is aware of the full context and therefore is able to return to a state of equilibrium more rapidly. Thus, researchers suggest that one outcome of mindfulness is improved emotion regulation” (Roemer & Orsillo, 2003, S. 175). „However, nonjudgemental acceptance and decentering are expected to help one respond to the emotional content of a given context and recover from that response more quickly than an individual who is unable to see the larger context. Thus, studies that specifically explore the impact of mindfulness on emotional flexibility (i.e., experiencing emotions and recovering from those emotional responses) may be beneficial” (Roemer & Orsillo, 2003, S. 175). „Another outcome that may be particularly useful to explore is emotion regulation or emotional flexibility“ (Roemer & Orsillo, 2003, S. 175). Die oben (2.2.6) vorgestellte Definition und die beschriebenen Wirkmechanismen führen nach Hayes und Feldman (2004) und Berking und Znoj (2006) den Blick der Forschung also auf ein Gebiet, das ebenso wie Achtsamkeit den Umgang mit Emotionen thematisiert: Die wissenschaftlichen Theorien und Befunde zur Emotionsverarbeitung (Arnold, 1960; Demos, 1995; Ekman & Davidson, 1994; Frijda, 1986; Izard, 1977; Lane & Nadel, 1999; Lewis & Haviland-Jones, 2000; Mayne & 66 Theoretische Grundlagen Bonanno, 2001; Panksepp, 1998; Scherer, 2000; Tomkins, 1984) und vor allem zur Emotionsregulation (Gross, 2006). Nach Hayes und Feldman (2004), die in ihrem Artikel „Claryfying the Construct of Mindfulness in the Context of Emotion Regulation and the Process of Change in Therapy” diese Thematik erstmalig ausführlich thematisieren, stellt Achtsamkeit gleichsam den „missing link“ zwischen Vermeidung und Anhaftung (Sucht, Gier, Überwältigtwerden, den Emotionen erliegen, sie sofort ausleben) dar. Beide Wege, mit Emotionen umzugehen, wurden mittlerweile, auch empirisch bestätigt, als destruktiv für die psychische Gesundheit eingestuft (Hayes & Feldman, 2004). Was jedoch der ideale, ausbalancierte und gesunde Umgang mit Emotionen genau sein könnte, und wie dieser erreichbar wird, ist den beiden Autoren folgend weniger klar. Nach allen bisherigen Ausführungen leiten sich hier jedoch klare Vorhersagen aus der Achtsamkeitspraxis ab, die einen heilsamen und sinnvollen Umgang mit Emotionen und mentalen Vorgängen darzustellen scheint. Diese Vorhersagen will die hier berichtete Studie untersuchen. Die hier zugrunde liegende Fragestellung bezieht sich also auf Effekte der 3. Art und sieht sich in der Gefolgschaft der Entwicklung der Forschungsperspektiven hin zur Untersuchung der durch Achtsamkeit bewirkten Veränderungen der Emotionsverarbeitung: Welche Auswirkungen hat regelmäßige Achtsamkeitspraxis auf die Emotionsverarbeitung in der normalen Alltagsverfassung? Führt Achtsamkeitsmeditation zu einer allmählichen Transformation der emotionalen Reaktionen und des Gefühlserlebens der Praktizierenden? Eine neue Studie von Nielsen und Kaszniak (2006), in der bei den Achtsamkeitsmeditierenden eine gegenüber der Kontrollgruppe erhöhte selbstberichtete Klarheit der Gefühlswahrnehmung festgestellt wurde, resümiert: „In summary, long-term meditation practice may entrain automatic emotional regulatory mechanisms, fundamentally changing the way in which practitioners respond to ambiguous emotional events and altering the quality of experiences through changes in motivation and attention“ (S. 403). Nach diesen Argumentationen für die in dieser Arbeit aufgestellten Hypothesen aus Sicht der Meditationsforschung sollen nun im Anschluss die Emotionstheorie und -forschung zu Wort kommen und aus deren Perspektive die durch die Achtsamkeitspraxis zu erwartenden Veränderungen beleuchtet werden. 67 Theoretische Grundlagen 2.3 Überblick über die Emotionsforschung „Emotion is to be used and to help one grow: spiritually, intellectually, in every way!” Magda B. Arnold Das Wort „Emotion“ stammt aus dem Lateinischen: „emotio“ = heftige Bewegung, „emovere“ = herausbewegen, erschüttern. „Affekt“: Dieser Begriff ist aus dem griechischen Páthos (Leidenschaft) entstanden, aus welchem bei der Verbreitung ins Lateinische „afficere“ (einwirken, behandeln) und schließlich „affectus“ (Zustand, vor allem: Leidenschaft, Begierde) wurde (Störig, 1999). Wie in der Einleitung bereits angedeutet, ist das Verhältnis des Menschen zu seinen Emotionen durchaus seit langem Gegenstand von Theorien der Philosophie und Psychologie. In der Alltagssprache werden verwandte Begriffe wie Stimmung, Gefühl, Affekt häufig synonym verwendet und sollen daher an dieser Stelle aus wissenschaftlicher Sicht differenziert werden. Klaus Scherer, ein bedeutender Emotionsforscher, hat hierzu einen Überblicksartikel veröffentlicht (Scherer, 2000), der versucht, durch akkurate Unterscheidung der verschiedenen affektiven Untersuchungsgegenstände einige der gängigsten Uneinigkeiten und Streitpunkte unter den Forschern einer Auflösung entgegen zu führen: Das moderne Verständnis der wissenschaftlichen Psychologie und der Neurowissenschaften verwendet „Affekt“ als Oberbegriff für „Emotionen“ und „Stimmungen“, also für Phänomene, die mit einem veränderten subjektiven Befinden einhergehen (Meyer, Schützwohl & Reisenzein, 2003). Das Verständnis der Emotionen ist, wie viele andere Gegenstände in der psychologischen Forschung auch, kein von allen Schulen und Forschern geteilter Konsens. Die verschiedenen Blickwinkel werden weiter unten erörtert (2.3.3); hier soll zu Definitionszwecken die nunmehr auf breite Zustimmung stoßende Sicht auf Emotionen als synchronisierte, vorübergehende Prozesse, die aus mehreren Komponenten bestehen (Scherer, 2000, 1984), eingeführt werden: „Emotions are episodes of coordinated changes in several components (including at least neurophysiological activation, motor expression and subjective feeling, but possibly also action tendencies and cognitive processes) in response to external or internal events of major significance to the organism“ (Scherer, 2000). Ausgehend von der klassischen Dreikomponenten-Theorie von Izard (1977), die eine Emotions-„Trias“, bestehend aus neurophysiologischer Komponente, motorisch-expressiven Veränderungen und subjektivem Erleben, postulierte, haben im Laufe der Zeit die beiden zusätzlichen Komponenten Kognitionen und motivationale Prozesse bzw. Handlungs- 68 Theoretische Grundlagen tendenzen das Bild der emotionalen Vorgänge komplettiert (Scherer, 2000). Emotionen sind also teils intensive Reaktionen von eher kürzerer Dauer, die sich auszeichnen durch eindeutigen Objektbezug (z.B. wütend auf die rote Ampel), kognitive Komponenten (Evaluationen von Situationen, z.B. „Gas geben oder bremsen?“), phänomenologisch erlebte Gefühlskomponenten (Gefühl von Wut), spezifische motivationale Verhaltenstendenzen oder bereits konkrete Verhaltensweisen (bei Wut: z.B. hohe Aktiviertheit, bzw. tatsächliches Fluchen, Schlagen etc.; bei Freude: Lachen etc.), sowie schnellen, kurzfristigen physiologischen (z.B. Erhöhung von Puls, Atmung, Schweißdrüsenaktivität) und Ausdrucksveränderungen (Mimik, Gestik, z.B. Grimmasse bei Wut) (Scherer, 2000). Wie bereits erwähnt, wird mit „Gefühl“ die subjektiv und bewusst erlebte Komponente dieser Reaktionskaskade bezeichnet (Scherer, 2000). Grundsätzlich wird von nahezu allen Autoren das Prinzip der „response system - coherence“ mitgetragen, also die Annahme, dass aufgrund von Wechselwirkungen die Synchronisation der einzelnen Komponenten mit zunehmender Emotionsintensität immer mehr ansteigt – eine steigende Aktivität in einer der Komponenten würde demzufolge mit ebenso höheren Werten in den übrigen Komponenten einhergehen, wobei diese Assoziation mit steigender Emotionsintensität immer besser wird (Mauss et al., 2005). Dieses Prinzip macht man sich vor allem bei der Emotionsmessung zu Nutze (Bradley & Lang, 2000), wo vermittelt durch die Erfassung einer Komponente (z.B. der physiologischen) auf die Intensität einer anderen (z.B. das subjektive Gefühl) geschlossen wird. Schon Izard (1977) warnte jedoch davor, eine einzige Komponente als einen vollständigen Hinweis für die Darstellung der anderen Komponenten oder der Emotion als ganzes anzusehen. Nach Izard (1977) besitzt durchaus jede einzelne Komponente ausreichende Autonomie, um von den übrigen gleichsam dissoziiert sein zu können. Vor allem die Beziehung Gefühl – Physiologie wurde nach Mauss, Levenson, McCarter, Wilhelm und Gross (2005) von einigen Autoren in vergangenen Untersuchungen als teils schwach bezeichnet. Einige Experimente förderten gar keine oder sogar eine negative Assoziation zwischen den einzelnen Komponenten zutage (siehe Bonanno, 2001; Mauss et al., 2005). Vor allem individuellen Unterschieden in der physiologischen Reaktivität, der Emotionsregulation und dem Gewahrsein der emotionalen Reaktionen sind nach Mauss et al. (2005) diese Phänomene geschuldet: „Likewise, there might be individual differences in physiological reactivity or awareness of emotional responding, leading to varying degrees of experience – physiology or experience – behavior association” (Mauss et al., 2005, S. 186). Auch Anders, Lotze, Erb, Grodd und Birbaumer (2004) fanden in einer fMRI-Studie, dass die verbalen Gefühlsberichte der Probanden und die Intensität der EDA- und Startle-Reaktionen 69 Theoretische Grundlagen unterschiedlich stark korrelieren können: „(…) presumably depending on changing levels of attention and cognitive processing during stimulus perception, the degree to which periphal physiologic responses and verbal reports of valance and arousal are correlated varies“ (Anders et al., 2004, S. 207). Bradley, Codispoti, Cuthbert und Lang (2001) berichten von einer Untersuchung, die für gleichgeschlechtliche Erotika eine Dissoziation von Startle-Reflex, EDA und Gefühl belegte: „In any event, these data define same-sex erotic pictures as a dramatic instance of response system discordance” (S. 295). Anders el al. (2004) zeigen, dass den verschiedenen Komponenten unterschiedliche Gehirnregionen zugrundegelegt sind (siehe dazu 2.3.4), wodurch eine isolierte Modulation erklärbar wird: „The (…) important finding of this study is the functional segregation of brain structures underlying periphal physiologic responses and verbal reports. Startle reflex augmentation was associated with amygdalar activity and SCRs with frontomedial activity, whereas verbal reports of valence and arousal were associated with insular and thalamic activity, respectively” (Anders et al., 2004, S. 205). Lang, Bradley und Cuthbert (1998b) folgern: „Relationships between specific measures can vary widely for individuals and to some extent between particular groups” (S. 393). Diese Erkenntnisse sind von entscheidender Relevanz für die Hypothesen 1a / 1b und 3.1 / 3.2 in Abschnitt 2.6, die eine durch Achtsamkeitspraxis vermittelte Dissoziation der Gefühlskomponente und der motivationalen / peripherphysiologischen Komponente prognostizieren. Im Zuge der Funktionsbestimmung werden die Komponenten von Scherer (1984, 2000) fünf unterschiedlichen Emotionssystemen bzw. -funktionen zugeordnet: • Das Informationsverarbeitungssystem (kognitive oder Appraisal-Komponente) • Das Versorgungssystem (neuro- und peripherphysiologische Komponente) • Das Steuerungssystem (motivationale Komponente) • Das Aktionssystem (Ausdruckskomponente) • Das Monitorsystem (Gefühlskomponente) Das Informationssystem dient der Bewertung der Relevanz interner und externer Reize. Die kognitive oder auch Appraisal (Bewertung) -Komponente der emotionalen Reaktion wird ausführlich unter 2.3.3 auseinandergesetzt, da sie die wichtigste Komponente eines Zweiges von psychologischen Emotionstheorien darstellt. Das Versorgungssystem umfasst einerseits die zentralnervösen Vorgänge im Gehirn, welche bei den neurowissenschaftlichen Emotionstheorien unter Abschnitt 2.3.4 behandelt werden, wie auch peripherphysiologische Reaktionen. Diese dienen der Aufrechterhaltung und Regulierung lebenserhaltender Funktionen und der 70 Theoretische Grundlagen schnellen Energieversorgung und Anpassung des Organismus an signifikante Situationen, die u.U. Kampf- oder Fluchtreaktionen nahe legen. Sie werden überwacht und initiiert vom vegetativen Nervensystem (VNS, siehe auch Schandry, 1998, 2006), welches die autonomen Körperfunktionen kontrolliert. Es ist in zwei Subsysteme unterteilt, den sympathischen und den parasympathischen Anteil, wobei beide in funktioneller Hinsicht Antagonisten darstellen: In der Regel wirkt der Sympathikus eher auf erhöhte momentane Leistungsfähigkeit des Organismus, der Parasympathikus dagegen dämpft das Erregungs- und Aktivitätsniveau des Organismus. Das VNS innerviert neben den inneren Organen („glatte Muskulatur“) die Drüsen, die Blutgefäße und die Haut. Damit vermag es die Steuerung von kardiovaskulärer Aktivität, elektrodermaler Aktivität, Pupillenweite, Temperatur, Atmung, Schweißdrüsen zu übernehmen und reguliert diese Parameter in Zeiten hoher Energieanforderung, so genannter ergotroper Reaktionslagen (z.B. bei einer emotionalen Episode), nach oben (Schandry, 1998). Das Versorgungssystem leistet also die schnelle und unwillkürliche Auslösung physiologischer Prozesse, die zur Bereitstellung von Energie und Aktiviertheit führen. Es sollte in diesem Sinne im Zuge einer emotionalen Reaktion umso stärker aktiviert werden, je bedrohlicher bzw. handlungsfordernder eine interne oder externe Situation erscheint (Bradley & Lang, 2000; Bradley et al., 2001; Schandry, 2006). Zur Erfassung von Unterschieden in der Reaktivität des Versorgungssystems wurde in der hier vorzustellenden Studie die elektrodermale Aktivität (EDA) erhoben (siehe dazu auch Abschnitt 2.5.2). Da durch Achtsamkeitspraxis die Kampf- / FluchtReaktivität abgebaut werden soll (siehe 2.2.6), wird in Hypothese 3.1 in Abschnitt 2.6 eine analoge Absenkung der neurophysiologischen Reaktivität, operationalisiert über die EDA, postuliert. Das Steuerungssystem umfasst die für diese Arbeit zentralen emotionalen Motivationsschaltkreise „approach“ (Annäherung) und „avoidance“ (Vermeidung), die von den meisten Emotionswissenschaftlern in der einen oder anderen Form als grundlegend für die gesamte Organisation tierischer und menschlicher Emotionsverarbeitung verstanden werden, da sie ein Produkt der evolutionären Sicherung des Überlebens darstellen (Bradley & Lang, 2000; Davidson, 2003; Lang, 1995). Im Falle möglicher Bedrohung des Organismus durch aversive Reize wird unmittelbar das defensive „avoidance“ Motivationssystem aktiviert, ein neuronaler Schaltkreis, der vermittelt durch somatische und autonome Bereitstellungsprozesse, Flucht, Rückzug, Vermeidung oder Angriff vorbereitet. Entsprechend tritt nach Bradley et al. (2001) unter positiv valenten Stimulusbedingungen, die Überleben, Versorgung und Wachstum des Organismus dienlich sind, das appettitive „approach“ Motivationssystem in Kraft. 71 Theoretische Grundlagen Hierbei wird der Organismus durch sinngemäße physiologische Veränderungen zur lustvollen bzw. positiv valenten Reizquelle hingeführt, wobei der neuronale Schaltkreis den Organismus grundlegend auf Nahrungsaufnahme, Hinwendung, Ergreifen, Einverleiben und Kopulation vorbereitet (Bradley et al., 2001). Anthony, (1985), Davis (1997), Lang (1995), Vrana, Spence und Lang (1988) haben zur Erfassung der Stärke dieser emotionalen Motivationskomponente die Verwendung des so genannten „Startle“ (Schreckreflex) -Paradigmas eingeführt, welches unter 2.5.1 ausführlicher skizziert wird, da es in dem hier vorzustellenden Experiment zur Erfassung der motivationalen Reaktivitätsunterschiede eingesetzt wurde. Das Aktionssystem, dessen Funktion eher die Bezeichnung „Ausdruckskomponente“ gerecht wird, ist für die hier durchgeführte Studie nicht weiter relevant und wird daher nur kurz gestreift. Diese Emotionskomponente beschreibt die motorisch-expressiven Korrelate von emotionalen Episoden, also Mimik, Gestik, Stimme und Körperhaltung. Ekman (1991), der in diesem Bereich maßgebende Forscher, argumentiert für evolutionär angelegte, kulturübergreifende genetisch vermittlelte, neuronale Schaltkreise, die den emotionalen Ausdruck zu kommunikativen Zwecken bahnen. Im Zuge der so genannten kategorialen Emotionstheorien wird dies unter 2.3.3 noch einmal aufgegriffen. Dem Monitorsystem, wie die Gefühlskomponente von Scherer (1984) genannt wird, kommt die Funktion zu, alle anderen Vorgänge quasi zu integrieren und zu einer Gesamtschau zusammen zu führen. Das subjektive Gewahrsein, von den Philosophen „Qualia“ genannt (Beckermann, 2000), dient des Weiteren zur Reflektion der gegenwärtigen Zustände und, wie weiter unten (2.3.4) bei den neurowissenschaftlichen Emotionstheorien zu sehen sein wird, über bestimmte Gehirnregionen, die bewusster Kontrolle unterliegen, auch der Analyse und Steuerung von Regulationsstrategien. Bradley und Lang (2000) weisen auf den funktionalen und informellen Gehalt der Emotionen hin, zu denen nur ein bewusster Zugang möglich ist. Nach Shapiro et al. (2006) wird diese Fähigkeit der Gefühlskomponente durch Achtsamkeitspraxis verbessert, da im Laufe der Praxis bewusster Zugang zu zunehmend mehr Informationen ermöglicht wird, die vormals unterhalb der Wahrnehmungsschwelle verblieben (siehe 2.2.6). Zur Abgrenzung der Emotionen geht Scherer (2000) zusätzlich kurz auf die Stimmungen ein, die sich von Emotionen durch geringere Intensität und längere Zeitdauer unterscheiden. Auch müssen deren auslösende Faktoren nicht immer bewusst werden. Stimmungen lösen gewöhnlich kein objektgerichtetes, spezifisches Verhalten aus, und werden als eher diffus erlebt. Sie gehen meist mit nur wenigen oder 72 Theoretische Grundlagen gar keinen kognitiven Inhalten einher (Larsen, 2000; Morris & Reilly, 1987). Scherer (2000) fügt diesen beiden affektiven Zuständen zur besseren Differenzierung noch die Haltung oder Tönung in zwischenmenschlichen Interaktionen / Beziehungen (distanziert, warm, herzlich, unterstützend, misstrauisch) die Einstellungen (relativ andauernde, affektiv getönte Haltung einer Person oder einer Sache gegenüber, z.B. mögen, lieben, hassen, wertschätzen, ersehnen etc.) sowie die Persönlichkeitseigenschaften (affektiv getönte, stabile Persönlichkeitsdispositionen und Verhaltenstendenzen, die für eine Person typisch sind, z.B. nervös, ängstlich, eifersüchtig, waghalsig, feindselig etc.) hinzu. In Tabelle 1 sind die Eigenschaften dieser affektiven Zustände zusammengefasst, um deren Unterscheidung zu erleichtern: Tabelle 1: Abgrenzung verschiedener affektiver Zustände [nach Scherer, 2000]. Affektiver Zustand Intensität ++ ĺ Emotion +++ Stimmung Haltung in zwischenmenschlichen Interaktionen Einstellungen Persönlichkeitseigenschaften +ĺ ++ Objektbezug Auslösung von kognitiven Bewertungsprozessen Veränderungsgeschwindigkeit Auswirkung auf Verhalten +++ +++ +++ +++ +++ + + + ++ + + ++ + +++ ++ 0 0 + 0ĺ+ + 0 0 0 0 + Dauer Synchronisation aller reagierenden Subsysteme + ++ +ĺ +ĺ ++ ++ 0ĺ ++ ĺ ++ +++ 0ĺ+ +++ Mit dieser Arbeitsdefinition von „Emotion“ und der Differenzierung gegenüber anderen affektiven Prozessen und Zuständen soll der Gegenstand nun unter verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. Um zu einem breiten Verständnis der in diesem Experiment eingesetzten Methodik der Emotionsmessung zu gelangen und die Anknüpfung an die Achtsamkeitsforschung zu leisten, wird zunächst einleitend ein kurzer Überblick über die generelle buddhistische Sichtweise auf Emotionen gegeben. Dann wird auf die relevanten philosophischen Vorüberlegungen und deren Geschichte eingegangen, um sodann auf wesentliche aktuelle psychologische und neurowissenschaftliche Emotionstheorien überzuleiten. Es folgt eine Analyse der Befunde der Emotionsregulationsforschung sowie der erwarteten Effekte von Achtsamkeit auf diese Prozesse. Zum Abschluss werden die eingesetzten Emotionsmaße vorgestellt. 73 Theoretische Grundlagen 2.3.1 Buddhistische Sicht der Emotionen „Zuneigung oder Abneigung sind an sich keine geistigen Hemmnisse. Wenn man Rosenkohl nicht mag, ist das so lange kein geistiges Hemmnis, wie es nicht mit Aversion oder Anhaften verbunden ist. Die bloße Tatsache, dass ein heftiges Gefühl entsteht, ein kraftvoller Geisteszustand oder eine kraftvolle Emotion, bedeutet nicht zwangsläufig, dass daraus ein geistiges Hemmnis entsteht.” Dalai Lama XIV in Goleman (2005, S. 494) Vieles zu diesem Themenkomplex ist bereits in Kapitel 2.1 zur Sprache gekommen. Zur Abgrenzung von den abendländischen Perspektiven wird daher hier lediglich eine kurze Zusammenfassung und Verdichtung geleistet. Im Buddhismus wird auf eine gänzlich andere Art zwischen Geisteszuständen differenziert, als dies bei uns in der westlichen Welt der Fall ist (Goleman, 2005). Die traditionellen Sprachen Pali, Sanskrit oder Tibetisch haben kein eigenes Wort für „Emotion“ (siehe Ekman, Davidson, Ricard & Wallace, 2005). Hier wird Fühlen und Denken als integrale Einheit aufgefasst (Goleman, 2005) und generell von „geistigen Zuständen“ gesprochen. „Die Buddhisten unterscheiden zwischen heilsamen und unheilsamen Bewusstseinszuständen insofern, als heilsame Zustände uns der spirituellen Erweckung näher bringen, während unheilsame diese Erweckung behindern. Der Westen unterscheidet dagegen zwischen angenehmen – positiven – und unangenehmen – negativen – Emotionen. Im Westen geht es letztlich darum, ob eine Emotion als angenehm empfunden wird, während Buddhisten eine Emotion (…) danach beurteilen, ob sie den spirituellen Fortschritt fördert oder behindert“ (Goleman, 2005, S. 177). Dieser Fortschritt wird daran gemessen, inwieweit man in der Lage ist, die wahre Natur der Realität zu erkennen, und im Einklang mit ihr zu Einsicht und Illusionsfreiheit gelangt (siehe Kapitel 2.1). Die heilsamen („wholesome“) Geisteszustände Gelassenheit, Mitgefühl, Freude, liebende Güte (welche Buddhisten als die natürlichen Zustände unseres Geistes betrachten) führen zu „Sukha“, (etwa „Glück”, „Erfüllung”) „a state of flourishing that arises from mental balance and insight into the nature of reality. Rather than a fleeting emotion or mood aroused by sensory and conceptual stimuli, sukha is an enduring trait that arises from a mind in a state of equilibrium and entails a conceptually unstructured and unfiltered awareness of the true nature of reality” (Ekman, Davidson, Ricard & Wallace, 2005, S. 60, Hervorhebung im Original). Hier ist festzuhalten, dass 74 Theoretische Grundlagen es dabei keine Rolle spielt, welche kurzfristigen Emotionen oder Empfindungen erlebt werden (diese können durchaus „negativ“ sein), solange sie auf den Boden einer heilsamen Geisteshaltung fallen, wo sie keine weiteren (unheilsamen) Effekte zeitigen. Dementsprechend führen die destruktiven, betrübenden („afflictive“) Geisteszustände Gier (Anhaftung), Aversion und Unwissenheit bei Kontakt mit kurzfristigen emotionalen Empfindungen zu „Duhka“ (Kapitel 2.1). „(…) often translated as ‚suffering’ is not simply an unpleasant feeling. Rather, it refers most deeply to a basic vulnerability to suffering and pain due to misapprehending the nature of reality” (Ekman, Davidson, Ricard & Wallace, 2005, S. 60). Das Ziel der buddhistischen Praxis ist nicht, die kurzfristigen affektiven Zustände zu manipulieren, sondern die grundlegende heilsame Haltung des Sukha zu erlangen, „(…) which arises from the attentional, emotional and cognitive balance of the mind” (Ekman, Davidson, Ricard & Wallace, 2005, S. 60), um die Wirklichkeit zu sehen, wie sie ist, „so that one can learn to distinguish between the way things are as they appear to the senses and the conceptual superimpositions one projects upon them“ (ebd.). Für den Buddhisten ist somit vor allem bedeutsam, zu verstehen, welche Art von Geisteszuständen auf lange Sicht förderlich für das Wohlergehen sind – für das eigene als auch für das aller anderen (siehe dazu auch Leifer, 1999). Zum buddhistischen Verständnis der Emotionen ist besonders zu empfehlen „Dialog mit dem Dalai Lama – wie wir destruktive Emotionen überwinden können“ von Daniel Goleman (2005). 2.3.2 Philosophische Emotionstheorien „Wisdom is the harmony of reason and passion” Robert C. Solomon Die wissenschaftliche Emotionsforschung steht in einer langen Tradition philosophischer Erklärungssysteme, die zur besseren Einbettung der danach vorgestellten psychologischen und neurowissenschaftlichen Emotionstheorien in Anlehnung an Solomon (1993) kurz skizziert werden. Solomon betont in seinem Artikel „The Philosophy of Emotions“ ausdrücklich den Wert der Kenntnis von philosophiegeschichtlichen Hintergründen für die aktuelle Emotionsforschung (Solomon, 1993, S. 4). Da die Philosophie sich im Verlauf ihrer Geschichte meist als Entwicklung immer tieferer, vernunft-vermittelter Einsicht verstand (z.B. nach G.W.F. Hegel, siehe dazu Störig, 1999) führten die Affekte seit jeher eher ein Schattendasein (Solomon, 1993). Nach Fonagy et al. (2004) und Nussbaum (1994) bestimmten im Denken des Menschen über Affekte von Anfang an zwei Positionen die Theoriebildung: a) Affekte 75 Theoretische Grundlagen sind im Idealfall mit der Vernunft, der Kognition integrierbar und integriert, sie haben ihren Nutzen, ihren Wert. b) Affekte sind unabhängig vom rationalen Denken, entziehen sich seinem Einfluss und laufen ihm zuwider; sie müssen daher möglichst auf irgendeine Weise dominiert oder ausgeschaltet werden. Diese beiden Perspektiven werden bis in die heutige Zeit von vielen Theoretikern als unvereinbar betrachtet und führten unter der Bezeichnung „Kognition - Emotion Debatte“, die vor allem zwischen Zajonc und Lazarus ausgetragen wurde (Lazarus, 1999; Zajonc, 2000), zu einer regelrechten Lagerbildung (Fonagy et al., 2004). Grundlegend hierfür war Platon´s (427 – 347 v. Chr.) Vorschlag, die menschliche Seele als dreigeteilt zu verstehen: Er postulierte getrennte Bereiche für Kognition, Emotion und Motivation (Hirschberger, 1991; Störig, 1999). Dennoch gab es in der Philosophiegeschichte immer wieder auch Versuche, sich aus der Umklammerung von einer der Positionen a) oder b) zu lösen und eine Integration zu wagen. Mit Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) lässt sich nach Hirschberger (1991) der erste Vertreter der Position a) benennen. Er vertrat eine ausgewogene Haltung den Affekten gegenüber und wies Platon´s Idee der getrennten Systeme zurück. Affekte haben seiner Ansicht nach ihren Wert als Urteile über die Welt, die sowohl berechtigt als auch unberechtigt sein können. Damit sind sie nicht ihrer Natur nach dem rationalen Denken gegenübergestellt, sondern nur in dem Maße, wie der Mensch aufgrund von Charakterschwäche nicht genügend in der Lage ist, sie adäquat zu modulieren und auszudrücken. Für ihn haben Affekte einen grundsätzlichen Wert für ein glückliches Leben, er vermutet ausdrücklich, dass es möglich ist, den Umgang mit ihnen zu erlernen und zu beeinflussen. Aristoteles erkennt jedoch durchaus an, dass Affekte aus dem Ruder laufen können, dass sie in ihren Extremformen schwierig zu handhaben sind, sieht sich aber dennoch auf eine Vereinigung von Vernunft und Gefühl verpflichtet, und weist so als erster den Weg zu einer möglichen Theorie der Affektregulierung (Fonagy et al., 2004). Sein Vorschlag dazu war, den Umgang mit ihnen als einen Mittelweg zwischen den Extremen des Bekämpfens und des übermäßigen Auslebens zu gestalten. Als Gegenposition zum aristotelischen Affektverständnis und Vertreter der Position b) ist die Ansicht der Stoa zu verstehen (Störig, 1999). Zenon von Kition (ca. 333 – 264 v. Chr.) war der Begründer dieser wirkmächtigen philosophischen Tradition abendländischer Philosophie, die der Theorie, man könne Affekte integrieren oder regulieren widersprach. Affekte seien autonome Erscheinungen, stünden meist mit den rationalen Werten im Konflikt, und entzögen sich der Einflussnahme des Menschen. Die Stoiker verstanden Affekte als im Grunde falsche Urteile über die Welt, die den Menschen lediglich vom richtigen Weg abbrächten, und daher nicht mit einem 76 Theoretische Grundlagen glücklichen und vernunftgemäßen Leben in Einklang zu bringen seien. Ihre Folgerung daraus schlug sich nieder in dem Term „Apatheia“ (Apathie): Angeraten wurde, eine Haltung der psychischen Apathie und Indifferenz einzunehmen und so die Affekte zu versklaven und zu kontrollieren (Solomon, 1993). Diese Einstellung ist im Laufe der Zeit in nicht zu unterschätzendem Maße in der westlichen Welt in das kulturelle Selbstverständnis eingegangen (Fonagy et al., 2004). Die römische Kirche, die das Welt- und Menschenbild des westlichen Abendlandes entscheidend geprägt hat, stand den Affekten und dem Körper feindlich gegenüber (de Sousa, 1991), die sie größtenteils als unethisch, selbstsüchtig, dämonisch und sündhaft kategorisierte. Die höchsten Tugenden, wie Liebe, Hoffnung, Glaube wurden im Zuge dessen gar nicht als Affekte verstanden sondern als Teil des Verstandes eingeordnet (Solomon, 1993). Im weiteren Zeitverlauf nach dem Mittelalter erwies sich René Descartes (1596 – 1650) mit seinem Werk „Die Leidenschaften der Seele“ (1984), der auch als „Vater“ der modernen Philosophie angesehen wird (Störig, 1999), als maßgeblicher Theoretiker auch für das Affektverständnis und einer Vermittlung beider Positionen a) und b). Mit seinen Ausführungen begann aus heutiger Sicht die „Körper – Geist Debatte“, die weiterhin in der Philosophie und den Neurowissenschaften für kontroverse Diskussionen sorgt, da das Verhältnis oder die Natur beider Begriffe sich bis heute einer Durchdringung entzogen hat, wobei eine Vielzahl von Theorien dazu generiert wurde (Metzinger, 1995). Descartes´ bekannter Ausspruch „cogito, ergo sum“ (ich denke, also bin ich) legt seine Position nahe: Als begeisterter Mathematiker war er „vom klaren Licht der Vernunft“ angetan, und installierte die strikte Trennung von Körper (das tierische) und Geist (das dem Menschen besondere), die er als zwei fundamental verschiedene Entitäten ansah (und seiner Meinung zufolge Tiere somit keinen Geist haben konnten). Diese Position ist noch heute als cartesianischer Dualismus bekannt. (Z.B. mathematische) Gedanken sah er als klar dem Geist zugehörig, Magenkontraktionen z.B. als klar dem Körper. Bei der Definition der Affekte tat er sich nun aber besonders schwer, da sie unleugbar eine Interaktion beider Substanzen erfordern (Solomon, 1993). Er versuchte eine Lösung, indem er annahm, Affekte seien Wahrnehmungen von im Köper lokalisierter Empfindungen als auch Wahrnehmungen von Regungen der Seele, wobei er die Interaktion beider Substanzen in der Zirbeldrüse im Gehirn vermutete (Störig, 1999). Die Regungen im Körper würden durch eine im Blut und durch die Zirbeldrüse fließende Substanz („esprits animaux") durch die Seele verursacht. Diese versuchte Integration von körperlichen und seelischen Einflüssen bei der Affektentstehung ist nach Fonagy et al. (2004) dabei durchaus als wichtiger Beitrag für die sich später entwickelnde moderne Psychologie 77 Theoretische Grundlagen zu sehen, vor allem für die Theorien zur Interaktion von kognitiven und körperlichen Ereignissen, wie z.B. das „Facial-Feedback“ (die willentliche Evozierung eines lachenden Gesichtsausdrucks beeinflusst demnach die Stimmung, siehe Scherer, 2000). Descartes führte damit einerseits über Aristoteles Bild von den Affekten als „Überzeugungen“ hinaus. Des Weiteren wies er den von ihm benannten „sechs primitiven Leidenschaften“ – Staunen, Liebe, Hass, Verlangen, Lust, Trauer – einen Stellenwert im sinnvollen menschlichen Leben zu (Solomon, 1993). Baruch von Spinoza´s (1632 – 1677) Auffassungen zu den Affekten vereinen ebenfalls Überlegungen aus den Positionen a) und b), wie Fonagy et al. (2004) ausführen. Zum einen empfahl er, den Emotionen nicht einfach nachzugeben, da sie durchaus „falsche Urteile“ darstellen können, andererseits legte er nahe, dass ein Ablehnen der Affekte auch keine Lösung sei. Er sympathisierte damit, auf die Affekte mit der Vernunft einzuwirken und so zu einer harmonischen Verbindung zu gelangen. David Hume (1711 – 1776) ist ebenfall zu erwähnen, da er Solomon (1993) zufolge als Erster die Affekte in den Vordergrund der philosophischen Diskussion zu rücken versuchte. Seiner Ansicht nach verdienen Affekte höchsten Respekt, da sie und nicht der kalte, bloße Verstand es sind, die uns motivieren, richtiges von falschem Verhalten zu unterscheiden und zu wählen. Er wies mit Nachdruck auf die kognitive Komponente in Emotionen hin, die er als Ideen bezeichnete, und durch welche seines Erachtens die Emotionen einen wichtigen Bestandteil von ethischer Motivation darstellen. Immanuel Kant (1724 - 1804), obwohl er als strikter Verfechter der Vernunft bezeichnet werden darf, hat sich dennoch auch anerkennend den Emotionen gegenüber geäußert. Solomon (1993) weist ihm den Ausspruch zu „Nichts Großes in der Welt ist ohne Leidenschaft vollbracht worden“, den er ¼ Jahrhundert verwendet haben soll, bevor er Hegel zugeschrieben wurde. Durch Nietzsche (1844 – 1900) und Sigmund Freud (1856 – 1939) wurde die Aufmerksamkeit der Denker erneut ein Stück weiter auf die emotionalen, (von beiden auch als dunkel und instinkthaft bezeichneten) Motive des Menschen gelenkt und ihr Gewicht anerkannt (Solomon, 1993). Nach Scherer (2000) war der Einfluss von Charles Darwin´s Werk „The Expression of Emotion in Man and the Animals“ (Darwin, 1890) einer der stärksten, der bis zum heutigen Tag auf die modernen Emotionswissenschaften einwirkt. Mit seinem Namen schwingt eine weitere Debatte in der Emotionsforschung mit, die sogenannte „Biologie – Kultur Debatte“. Darwin leistete bahnbrechende Arbeit im Bereich des Ausdrucks von Emotionen in Mimik, Gestik und Stimme. Seine Befunde überprüfte er durch Feldforschung in verschiedenen Kulturen und folgerte aus seinen Ergebnissen 78 Theoretische Grundlagen eine interkulturelle Universalität bei vielen affektiven Phänomenen (Davidson, 2003b). Diese Theoriebildung war für moderne Wissenschaftler wie z.B. Paul Ekman grundlegend, und hat dessen bekannte empirische Forschung zur Gesichterwahrnehmung und zum emotionalen Ausdruck inspiriert (Ekman, 1973; Ekman, Davidson & Friesen, 1990). Die Diskussion, ob Emotionen aufgrund von biologischen Anlagen in den verschiedenen Kulturen auf gleiche Weise ausgedrückt, verstanden und erlebt werden, oder ob die Prägung durch kulturelle und soziale Umwelt maßgebend sei, scheint sich in Richtung eines Mittelweges aus beiden Einflussfaktoren zu bewegen (siehe dazu Frijda, 1986) Mit den revolutionären Theorien und Überlegungen des „Vaters“ der USamerikanischen Psychologie, William James (1842 – 1910) zur Natur der Emotion, die er als Wahrnehmung körperlicher Veränderungen verstand (James, 1894, 1890), wurde der Diskurs über Affekte anschließend in das Reich der damals auch von der Philosophie abgetrennten Psychologie überwiesen (Solomon, 1993). James´ Theorie wird heute missverständliche Begriffverwendung unterstellt (Scherer, 2000). Seine Behauptung, Emotionen seien nichts als das Erleben physiologischer Veränderungen, wurde interpretiert als: die Gefühlskomponente der Emotionen sei nichts weiter als das, womit sich einige Forscher nach Meinung Scherer´s (2000) durchaus eher anfreunden könnten. Später sah James diesen Mangel selbst ein, und fügte hinzu, dass ebenfalls eine Idee von der Bedeutung der Situation für das Individuum Anteil an der Emotion hätte (Scherer, 2000). Auf diesen Überlegungen fußten dann die Argumente von Schachter und Singer (1962), deren Befunde über 30 Jahre die Lehrbuchmeinung zur Emotionstheorie darstellte. Ein genereller Anstieg von Erregung bewirkt nach deren Ansicht das Erleben einer Emotion, was sodann zum Anspringen kognitiver Interpretationsversuche führt, um die Umstände zu verstehen, die dazu geführt haben, und der Emotion eine Namen zu geben (Scherer, 2000). Dieses Verständnis ist mittlerweile als unzureichend zurückgewiesen, obgleich es nach Scherer (2000) lange Zeit sehr populär und weit verbreitet unter den Emotionsforschern war. Die auf diese Größen der Ideengebung folgende moderne Emotionspsychologie erlebt nun nach der oben (2.2.1) beschriebenen „kognitiven Wende“ einen neuen Aufschwung an Forschungstätigkeit, der eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle und Sichtweisen auf die menschliche und tierische Emotionsverarbeitung mit sich brachte. Es entwickelte sich zusammen mit den Nachbardisziplinen die sogenannte „affektive Neurowissenschaft“ (Davidson, 2003a), die im Zuge des Aufkommens von modernen Methoden der Bildgebung (MEG, EEG, fMRT, siehe Phan, Wager, Taylor & Liberzon, 79 Theoretische Grundlagen 2002, 2004) die psychologischen und neurowissenschaftlichen Forschungsbemühungen zu vereinen trachtet. Die ehemalige Kluft zwischen den oben benannten Positionen a) und b) scheint sich nun im Lichte der wissenschaftlichen, vor allem neurowissenschaftlichen Modelle der Emotionsverarbeitung und Emotionsregulation immer mehr zu schließen (Ochsner & Gross, 2004), wie sich im weiteren Verlauf dieser Arbeit (2.3.4 und 2.4) zeigen wird. 2.3.3 Psychologische Emotionstheorien Nach Scherer (2000) bietet es sich an, die aktuelle Vielfalt an Emotionstheorien und Modellen in vier Kategorien einzuteilen: dimensionale, kategoriale, bedeutungsorientierte und Komponenten-Modelle. Hier werden jeweils nur die prominentesten bzw. für diese Untersuchung relevantesten Vertreter aufgeführt. Für Details und Orginalliteratur wird auf Scherer (2000) verwiesen, der die Modelle ausführlich diskutiert. Generell lässt sich vorweg festhalten, dass Emotionen in den wissenschaftlichen Modellen als evolutionär entwickelte Anpassungsleistungen zu sehen sind, denen ein Wert für das Überleben des Organismus eingeräumt wird – sie also in dieser Hinsicht zu begrüßen sind: „In order to survive, an organism cannot simply understand the situation; it has to be motivated to do something about it“ (Ellsworth & Scherer, 2003, S. 572). Diese Wertschätzung aller Emotionsdimensionen ist, wie oben (2.3.2) ausgeführt wurde, in diesem Sinne von früheren Emotionstheoretikern und Philosophen eher selten geteilt worden. Dimensionale Modelle: Hier finden sich Unidimensionale Modelle und Multidimensionale Modelle. Die Unidimensionalen Modelle unterscheiden die emotionalen Zustände schlicht auf einer Dimension, welche entweder Aktiviertheit / Erregung oder Valenz (angenehm / unangenehm) sein kann. Frühe Modelle sahen die Aktiviertheitsdimension als ausreichend für die Emotionsdifferenzierung an, haben aber an Einfluss verloren. Unidimensionale Modelle, welche die Valenzdimension als Kriterium verwenden, argumentieren mit der Relevanz dieser Dimension sowohl für die Beurteilung subjektiver Gefühle, als auch als Abbild der beiden fundamentalen Verhaltenstendenzen Annäherung und Vermeidung. Diese Konzeptualisierung von Emotionen mit zwei voneinander unabhängigen Valenzdimensionen positiv – negativ ist mit dem sogenannten „PANAS“ Fragebogen (PANAS = positive and negative affect scale) von Watson et al. (1988) immer populärer und akzeptierter geworden (Scherer, 2000). Dieser Fragbogen wurde auch bei der hier zu besprechenden Untersuchung eingesetzt. Die Multidimensionalen Modelle haben in der Emotionspsychologie eine lange Tradition. Wilhelm Wundt (1874), der berühmte deutsche Psychologe, führte ein 80 Theoretische Grundlagen Modell mit drei unabhängigen Dimensionen (Valenz, Aktiviertheit, Aufmerksamkeit), dass nach Scherer (2000) starken Einfluss auf die frühe Emotionsforschung hatte. Russel und Pratt (1980) arbeiteten in den USA ein daran angelehntes Multidimensionales Emotionsmodell aus, das einen zweidimensionalen Raum, ähnlich einem Koordinatensystems (von ihnen „Circumplex-Modell genannt) eröffnet, in dem auf beiden Dimensionen ein Kontinuum zum Abtragen aller Emotionen verfügbar ist. Abbildung 4: Darstellung des Circumplex-Modells mit den Dimensionen Erregung und Valenz [Abb. nach Russel & Pratt, 1980]. Diese gebräuchliche Variante eines mehrdimensionalen Modells ist eine der Grundlagen des experimentellen Designs der hier zu besprechenden Studie, und wurde über die Operationalisierung mittels einer Selbsteinschätzungsskala, genannt „SAM“-Skala (SAM = Self Assessment Manikin) daneben in sehr vielen experimentellen Untersuchungen der letzten Jahre zur Erhebung der subjektiven Emotionskomponente verwendet (Bradley & Lang, 1994). Nach Scherer (2000) sind die dimensionalen Modelle außerdem überaus bedeutsam im Bereich der neuro- wissenschaftlichen Erforschung der Emotionsverarbeitung. Davidson (2003), Lang (1995) und Bradley et al. (2001) sind Beispiele für Forscher auf diesem Gebiet (das unter 2.3.4 und 2.4 vorgestellt wird), welche die Valenz-Dimension (angenehm / unangenehm) mit einem phylogenetisch verstandenen „approach – avoidance“ Mechanismus in Zusammenhang bringen, wobei sie für diese Motivationen spezifische Gehirnareale bzw. Schaltkreise postulieren. Auf deren Modelle baut die in dieser Studie durchgeführte Emotionsmessung zur Erfassung der durch Achtsamkeitspraxis vermuteten Veränderungen auf. Die subjektive Valenz wird über das unter 3.3.1 vorgestellte SAM-Rating erfasst, die motivationalen Mechanismen über den Einsatz des „Startle-Paradigmas“, eines peripher-physiologischen Emotionsindikators, der 81 Theoretische Grundlagen unter 2.5.1 vorgestellt wird. Hierin liegt der Anknüpfungspunkt an die Achtsamkeitsforschung, die eine explizite Wirkung der Achtsamkeitspraxis auf eine Verringerung von Gier- und Aversionsreaktionen auf die subjektive Erfahrung hin vorhersagt (siehe 2.2.6 und 2.4.1). Kategoriale Modelle: In dieser Kategorie von Emotionstheorien unterscheidet Scherer (2000) weiterhin „Schaltkreismodelle“ und „Basis-Emotionen-Modelle“. Die Schaltkreismodelle, Panksepp (1998) ist hier einer der prominentesten Vertreter, nehmen an, dass die Anzahl fundamental unterschiedlicher und unterscheidbarer Emotionen von umschriebenen, evolutionär entstandenen neuronalen Schaltkreisen determiniert wird. Panksepp benennt vier grundlegende Schaltkreise oder auch „emotive command systems“: Wut, Angst, Erwartung, Panik. Dabei ist seine Hypothese zentral, dass jedes dieser vier neuronaler Systeme ein distinktes und eindeutiges Muster an reaktivem Verhalten produziert, das für den Organismus unter den entsprechenden auslösenden Umständen für das Überleben von entscheidender Bedeutung ist. Als Erklärung für die weitaus höhere Anzahl subjektiv unterscheidbarer Emotionen führt Panksepp eine Interaktion dieser Emotionsschaltkreise an, die ein „Überblenden“ der vier Systeme hin zu „second order emotive states“ zur Folge hat. Bei den Basis-Emotionen-Modellen sind ebenfalls evolutionäre Überlegungen theorieleitend. Es wird angenommen, dass sich im Laufe der tierischen und menschlichen Evolution einige fundamentale Emotionsmechanismen, die sogenannten BasisEmotionen herausgebildet haben, da diese die jeweils optimalsten adaptiven Überlebensstrategien darstellten. Es werden, je nach Theorie, zwischen 7 und 14 solcher Basis-Emotionen postuliert, denen eigene Auslösebedingungen, spezielle physiologische, expressive, und Verhaltens-Reaktionsmuster zugeordnet werden (Scherer, 2000). Dieses auf Darwin´s Arbeiten (1890) zurückgehende Emotionsmodell wird in neuerer Zeit durch die bekannten Forschungsarbeiten von Paul Ekman (1992) vertreten, der vielfältige Arbeiten zu den spezifischen Gesichtsausdrücken bei jeder der unterschiedlichen Basis-Emotionen angestoßen hat. Da diese diskreten BasisEmotionen als in unterschiedlichen vererbten neuronalen Programmen realisiert verstanden werden, wurden viele Argumente und Studien zur Universalität dieser Basis-Emotionen über alle Kulturen und Ethnien hinweg vorgebracht (Ekman, 1973, 1990). Da nach Scherer (2000) die Nachkriegspsychologie aufgrund dieser Forschungstradition ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Thema Emotionen lenkte, sind deren Einflüsse auf viele zeitgenössische Arbeiten erkennbar. Bedeutungsorientierte Modelle: Auf diese Modelle soll hier nur flüchtig eingegangen werden, da sie für die hier zu besprechende Studie nicht von Relevanz sind 82 Theoretische Grundlagen und auch insgesamt in der Emotionsforschung eine Nischenstellung einnehmen (Scherer, 2000). Es werden unterschieden Lexikalische Modelle und Sozial-Konstruktivistische Modelle. Erstere lenken das Augenmerk auf die in der Alltagssprache verwendeten emotionalen Begrifflichkeiten, und vermuten, dass eine Analyse der zugrunde liegenden linguistischen Strukturen Aufschluss über die Natur der affektiven Phänomene gewährt. Sozial-Konstruktivistische Modelle interessieren sich ebenfalls für den emotionalen Wortschatz einer Gesellschaft, da ihres Erachtens die in einer Sprache zur Verfügung stehenden emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten (= Wortschatz) die emotionalen Bedeutungsstrukturen dieser Kultur widerspiegelt. Komponenten-Modelle: „The general rule suggested by appraisal theorists is that emotions consist of patterns of perception, or rather interpretation, and their correlates in the central and peripheral nervous systems (Ellsworth & Scherer, 2003, S. 572). Auf diese Modelle soll schwerpunktmäßig eingegangen werden, da sie einen Anknüpfungspunkt für die Wirkmechanismen der Achtsamkeitspraxis bieten. Bei Betrachtung der zentralen Definition der Komponenten-Modelle von Frijda (1986, S. 193) „emotional experience (…) is experience of the situation as interpreted by the organism“ werden leicht die Parallelen dieser Sicht auf Emotionen zu der buddhistischen Betrachtung (2.1) deutlich. Die Kernannahme dieser Art von Emotionsmodellen ist, dass Emotionen durch die kognitive (nicht notwendigerweise bewusste oder kontrollierte) Bewertung („appraisal“) der vorausgehenden Situationen oder Ereignisse (intern oder extern) ausgelöst werden. Die auf das Ergebnis dieser Evaluation folgenden, synchronisierten Reaktionsmuster in den verschiedenen Komponenten (Physiologie, Gefühl, Ausdruck, Verhaltenstendenzen / Motivationen) sind bedingt durch die Bedeutung der Situation für den Organismus (Ellsworth & Scherer, 2003; Scherer, 2000): „(…) many psychologists have proposed appraisal models of emotion, postulating that organisms evaluate events and situations in a number of given dimensions with the result of the appraisal process determining the nature of the ensuing emotion“ (Scherer, 2000, S.153). Unterschieden werden dabei bewusste (kontrollierte) und unbewusste (automatische) Appraisal-Prozesse. Die Vorstellung, dass die Evaluationsprozesse auf verschiedenen Ebenen der Informationsverarbeitung und damit des Nervensystems ablaufen können (z.B. sensomotorisch, schematisch, konzeptuell), schafft eine starke Verbindung zwischen den Komponenten-Modelle und den weiter unten (2.3.4) besprochenen neurowissenschaftlichen Theorien. Dort hat vor allen anderen LeDoux´s „dual path model of emotion elicitation“ (1996) große Bedeutung und Rezeption gefunden, in dem er zwei unterschiedliche neuronale Bahnen der Emotionsverarbeitung proklamiert: eine automatische Bahn („quick and 83 Theoretische Grundlagen dirty“) via Amygdala, die von einigen Autoren im Hinblick auf unbewusste emotionale Prozesse diskutiert wird (Öhman, Flykt & Ludqvist, 2000; Winkielman & Berridge, 2004). Des Weiteren eine Bahn, die den präfrontalen Kortex miteinbezieht, und deren Einfluss eine (bewusste) Modulation der Amygdalaaktivierung erlaubt. Innerhalb der Komponenten-Modelle findet sich ein Kontinuum in Bezug auf die angenommene Feinkörnigkeit der kognitiven Evaluationsprozesse. Lazarus (1991) repräsentiert hier das restriktive Ende. Seine grundlegende Theorie zu den subjektiven AppraisalProzessen, die einerseits die Signifikanz oder Bedeutung, andererseits die Fähigkeit der Person, mit dem Ereignis erfolgreich umgehen zu können umfasst, entwirft die Appraisal-Prozesse als themen-zentriert. Damit wird eine begrenzte und umschriebene Anzahl zentraler und fundamentaler Bewertungsdimensionen in den appraisals mitgedacht, die dadurch die Basis- oder Haupt-Emotionen generieren. So findet seine Theorie Anknüpfungen an die Kategorialen Modelle, wobei er jedoch den Auslöseprozess detaillierter herzuleiten vermag. Klaus Scherer legt mit seinem Komponenten-Modell (Ellsworth & Scherer, 2003; Scherer, Schorr & Johnstone, 2001; Scherer, 1984, 2003) eine Theorie vor, die am entgegengesetzten Ende der Skala angesiedelt ist: Er argumentiert, dass es so viele Emotionen wie Appraisal-Prozesse geben kann, deren Anzahl und Unterschiede nicht auf distinkte Themen beschränkt seien. Gleichwohl vermutet er, um den Anschluss an die Kategorialen Theorien zu gewährleisten, sogenannte „modale appraisals“, die durch häufiges und universelles Vorkommen emotionale Prozesse anstoßen, die den Basis-Emotionen entsprechen. Nach Scherer (2000) ist ein Vorzug der Komponenten-Modelle, dass sie sich darum bemühen, die Verbindung zwischen den Auslösebedingungen und den Reaktionsmustern genauer zu beleuchten: „Theorists in the componential model category have started to work out detailed predictions of specific physiological, expressive, and motivational changes of specific appraisal results (Scherer, 2000, S. 150). Entscheidend für die Untersuchung dieses Zusammenhangs ist nach Scherer (2000) die Analyse der Appraisal-Prozesse: Nach Ellsworth und Scherer (2003) finden AppraisalProzesse auf sechs verschiedenen Dimensionen statt, über die bei den meisten Appraisal-Theoretikern Konsens herrscht: Neuheit, Valenz, Bedeutung für die eigenen Ziele, Verursacher und dessen Motive, gefühlte Bewältigungsfähigkeit, Normkompatibilität. Wie die unter 2.1 referierte Kette des bedingten Entstehens rekonstruiert auch die Appraisal-Theorie das Entstehen der Emotion, die Verwandtschaft der beiden Ansätze ist offensichtlich: „An orienting response may occur, and (...) very often the next step is a sense of intrinsic pleasantness or unpleasantness (Zajonc, 1980), often occurring so quickly that it is subjectively indistinguishable from the experience of 84 Theoretische Grundlagen attention. Especially when the valence is negative, further appraisals ensue, and the emotional experience changes from ‘feeling good’ or ‘feeling bad’ to some differentiated state” (Ellsworth & Scherer, 2003, S. 574). Genau hier lässt sich der Einfluss der Achtsamkeitspraxis theoretisch verankern. Da in diesen modernen Emotionstheorien dem Ergebnis des Appraisal-Prozesses ein grundlegender Stellenwert für die Art und Intensität der daraufhin ausgelösten Prozesse in den restlichen Emotions-Komponenten zugebilligt wird, lässt sich leicht argumentieren, dass sich diese Prozesse durch das Eingreifen der Achtsamkeit verändern müssten, da eine achtsame Haltung zu anderen appraisals führen sollte, als die gewöhnliche, „untrainierte“ Haltung. Scherer (2000, S. 152) formuliert die Basis für diese Annahme, indem er schreibt: „(…) component theorists share the (…) insistence on the powerful role of sociocultural determinants of emotional experience by assuming, for example, that cultural values can strongly affect appraisal, that the regulation of the emotion depends on norms and social context (...).” Der kulturelle Kontext vermag also die Haltung den Ereignissen gegenüber zu verändern, ebenso wie es die Praxis der Achtsamkeit vermag. Durch die erörterte Desidentifikation, die Gewissheit des Wandels sowie durch die Akzeptanz sollten also die (automatisch) ablaufenden Appraisal-Prozesse im Laufe der Praxis immer mehr moduliert und modifiziert werden, so dass gemäß Scherer´s Modell auch zunehmend andere Reaktionsmuster auf die auslösende Situation hin entstehen sollten. Der Einfluss der durch Achtsamkeit bewirkten neuroplastischen Veränderungen (siehe 2.2.6) auf die Appraisal-Prozesse wird von Scherer (2000, S. 154) als interessantes Gebiet impliziert, wenn er schreibt: „Another factor of interest, largely unexplored (…) concernes the mediating effects of individual differences. For example, it is probable that the specific features of an individual´s central nervous system (…) can affect the cognitve evaluation of situations or events.” Nun lässt sich mit den Ausführungen über die Achtsamkeitspraxis argumentieren, dass vor allem auf drei der Appraisal-Dimensionen Einfluss durch die Praxis genommen wird: Auf die Valenz-Appraisals, auf appraisals über die Bedeutung für die eigenen Ziele, sowie die appraisals zur gefühlten Bewältigungsfähigkeit. Nach Ellsworth und Scherer (2003) sind die Mechanismen, die sowohl in Tieren als auch Menschen die generelle Valenz-Evaluation generieren dem Gehirn mittels neuronaler Schaltkreise fest eingearbeitet, da sie das Überleben der Art sichern. Die initiale Valenz-Evaluation sollte also auf einem sensumotorischen, automatischen und nicht kontrollierbaren Level ablaufen, was sich mit der buddhistischen Sicht deckt, die ein Entstehen von Valenzurteilen als ebenso unvermeidlich betrachtet (2.1.1 und 2.1.2). Wie mit der unweigerlichen Valenzbewertung weiter verfahren wird, ist jedoch 85 Theoretische Grundlagen beeinflussbar: Wie in einem obigen Zitat von Scherer beschrieben, folgen (vor allem bei negativer Valenz) daraufhin gewöhnlich zusätzliche appraisals, welche die Emotion weiter beeinflussen (oft eskalierend). Die Appraisal-Dimension „Valenz“ sollte daher von Achtsamkeitspraxis dahingehend moduliert werden, dass durch die Akzeptanz und Beobachterhaltung negative Valenz zu weniger weiteren (negativen) appraisals führt, da sie nicht als bedrohlich erlebt wird. Die Appraisal-Dimension „Bedeutung für die eigenen Ziele“ sollte ebenfalls aufgrund des erlernten Abbaus von Gier und Aversion auf die Ereignisse zu weniger weiterführenden, eskalierenden appraisals führen. Die Appraisal-Dimension „gefühlte Bewältigungsfähigkeit“ schließlich wird durch die erlebte Selbstregulationsfähigkeit (2.2.6) ebenfalls zu immer weniger bedrohlichen appraisals führen. Achtsamkeitspraxis führt also in der Perspektive der Appraisal-Theorien aufgrund von weniger, aber adaptiveren Appraisal-Prozessen zu anderen Reaktionsmustern in den emotionalen Komponenten, u.a. zu dem in den Hypothesen 2a / 2b postulierten schnelleren Abfall der emotionalen Reaktion. Da die bisherige Emotionsforschung nach Scherer (2000) vor allem deswegen unterschiedliche Modelle und Theorien generierte, weil sie jeweils eine andere Komponente der emotionalen Reaktion im Visier hatte, wäre ein großer Vorzug der Komponenten-Modelle eine mögliche Integration vieler bisher scheinbar widersprüchlicher Befunde aus den einzelnen Modellen: Dimensionale Modelle haben sich fast exklusiv mit der Gefühlskomponente befasst, Kategoriale Modelle fast ausschließlich mit den Handlungs-, Motivations- oder Ausdruckskomponenten. Da somit im Grunde kein Modell eine Theorie über die Emotion als ganzes, sondern eher eine Subtheorie einzelner Komponenten liefert, ist es durchaus denkbar, vieles aus ihnen unter dem Mantel der Komponenten-Modelle zu integrieren. 2.3.4 Neurowissenschaftliche Emotionstheorien Die folgende Übersicht über die neurowissenschaftlichen Theorien zur Emotionsverarbeitung will einerseits der angedeuteten Dominanz dimensionaler und kategorialer Ansätze in diesem Bereich Rechnung tragen, andererseits auch die von Scherer (2000) skizzierte Bedeutung für die Komponenten-Modelle und für eine mögliche Integration der Forschungsansätze bestätigen. Ochsner und Feldman-Barrett (2001) haben hierzu eine vorrausschauende Überblicksarbeit vorgelegt, in der sie sich ebenso wie Scherer (2000) einer integrativen Sichtweise verschreiben. Jene Arbeit wird hauptsächlich für die Darstellungen dieses Kapitels herangezogen. Ochsner und Feldman-Barrett stellen die kognitiven Appraisal-Theorien der Psychologen (in der Tradition von Aristoteles) den Herangehensweisen der Neurowissenschaftler 86 Theoretische Grundlagen gegenüber, die Emotionen als Ausdruck ins Gehirn gebannter, evolutionär bedingter Handlungs- und Motivationsschaltkreise für spezielle Situationen sehen, welche dem Überleben dienen (eher in der Tradition der Stoa). „Which view is correct? Are emotions the product of complex cognitive appraisal, or are they embedded in our genes and brains? (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S.39). Die oben erwähnten Ergebnisse von LeDoux´s Forschungsarbeit (1996) weisen bereits auf eine duale Verarbeitungweise affektiver Prozesse im Gehirn hin. Ochsner und Feldman-Barrett (2001) bieten darauf aufbauend eine Unterteilung der Emotionsverarbeitung in automatische und kontrollierte Prozesse an und argumentieren: „In this theory, emotion is the product of an interaction between simple, nonconscious, automatic processes and deliberative, conscious, and controlled processes“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S.39). Diese Prozessebenen sind aus neurowissenschaftlicher Sicht auch in unterschiedlichen Gehirnstrukturen realisiert (siehe weiter unten), und eine umfassende Betrachtung und Annerkennung beider Bestandteile der Emotionsverarbeitung vermag nun endlich den aristotelischen (Emotionen können kultiviert werden) und den stoischen Blick (Emotionen widerfahren einem) zu versöhnen (Meyer, Schützwohl & Reisenzein, 2003). Als automatische Prozesse verstehen sie die rapide, unbewusste und automatische Klassifizierung von Stimuli als positiv oder negativ, also die sofort einsetzende Valenzbewertung. Durch die Brille der Appraisal-Theorien betrachtet, sind diese Prozesse gleichzusetzen mit den sensumotorischen bzw. schematischen appraisals (oder „primäre“ appraisals nach Lazarus, 1991), die unbewusst ablaufen (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001; Scherer, 2000). Dieser Bereich der Emotionsverarbeitung ist nach Ochsner und Feldman-Barrett (2001) nun auch der von den dimensionalen und kategorialen Emotionsforschern untersuchte, so z.B. LeDoux´s „quick and dirty“ pathway. Wichtigster Zweck dieser Prozesse ist die unmittelbare Entdeckung von potenziellen Gefahren und möglichen Belohnungen, sowie der Zugriff auf Informationen, welche Verhaltensprogramme daraufhin angemessen sind (meist Kampf / Flucht bei Gefahr, bzw. Annäherung bei z.B. einem Sexualpartner). Die kontrollierten Prozesse rücken Ochsner und Feldman-Barrett (2001) in die Nähe der bewussten, kognitiven Vorgänge, die oben unter den Appraisal-Theorien beschrieben wurden: „But emotions are only partly the result of processes that interpret the significance of events in an automatic, or bottom up, fashion. We also consciously direct attention to internal sensations and thoughts or external people and objects, search for and retrieve information from memory, conctruct representations of our experience, and select or inhibit our actions” (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 87 Theoretische Grundlagen 40). Somit lassen sich die kontrollierten Prozesse charakterisieren als „directed, effortdemanding processes in the generation and regulation of emotion“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 40). Diese Prozesse sind, wie bei den Appraisal-Theorien herausgearbeitet wurde, Ziel der Achtsamkeitspraxis. Die aktive und bewusste Gestaltung dieser Verarbeitungsebene hat nach Ochsner und Feldman-Barrett (2001) einen profunden Einfluss auf den Gesamtverlauf der emotionalen Episode: „Studies of pain perception demonstrated, that deliberately attending to and describing painful physical sensations can lessen the psychological experience of them as painful (Cioffi, 1993)“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 40). Hier lassen sich leicht Analogien zur Praxis der Achtsamkeit herauslesen, die genau auf diese Weise (attending and labeling) arbeitet (siehe 2.1.2 und 2.1.6). Die beiden Autoren resümieren: „By deliberately monitoring, activating, and processing emotions, one may consciously reconstrue the meaning of an experience and respond differently“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 41). Die neurowissenschaftliche Forschung hat nun einiges an Belegen zusammengetragen, die die Vermutung stützen, dass vor allem fünf distinkte neuronale Systeme an den verschiedenen Abschnitten und Ebenen der Emotionsverarbeitung beteiligt sind. Tabelle 2 gibt hierzu eine erste Orientierung: Tabelle 2: Wichtige neuronale Strukturen der Emotionsverarbeitung [nach Ochsner & Feldman-Barrett, 2001]. Gehirn- (1) Amygdala (2) Basalganglien (3) Lateraler präfrontaler Kortex (4) Anteriorer cingulärer Kortex (ACC) (5) Orbitaler & ventromedialer Frontalkortex Funktion: Detektion und Erlernen von potentiellen Gefahren Registrierung von Belohnung & Erwerb von Gewohnheiten Abruf und Speicherung von semantischem Emotionswissen KonfliktÜberwachung Kontextabhängige Handlungsplanung Anwendung: Erkennt erregende, potentiell bedrohliche Stimuli & assoziiert sie mit entsprechenden physiologischenund Handlungsreaktionen Automatische Sequenz von Handlungen / Gedanken, die sich als konsistent verstärkend erwiesen haben Identifizierung und Differenzierung von Stimuli und Gefühlen; Attribuierung emotionaler Qualitäten auf Stimuli; Anwendung von Regulationsstrategien und Emotionswissen Überwachung des ablaufenden Verhaltens und Entscheidung, ob Veränderung nötig ist Kontextabhängige Regulierung & Inhibierung von Emotionsreaktionen basierend auf Bedeutungsanalysen automatisch automatisch, benötigt aber Aufmerksamkeit Konfliktdetektion automatisch, Veränderungsinitiierung kontrolliert Kontrolliert struktur Prozesstyp: Abruf kann automatisch oder kontrolliert erfolgen 88 Theoretische Grundlagen Die fünf Gehirnstrukturen werden mit fünf essentiellen Funktionen in Verbindung gebracht, die in der Emotionsverarbeitung erfüllt werden müssen, wobei die ersten drei unbewusst und automatisch arbeiten können (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001 folgend): (1) Detektion von Gefahr und Belohnung (2) und die Auslösung der dazu gehörenden Handlungsweisen. (3) Abruf von semantischem Emotionswissen, um den Stimulus genauer zu evaluieren und ihm eine differenzierte emotionale Qualität zu verleihen. Dies kann auch bewusst geschehen, indem man kontrolliert Wissen über die Natur und die Regulationsmöglichkeiten der jeweiligen Emotion im semantischen Gedächtnis abruft. Wie nun mit dieser initialen Reaktion weiter verfahren wird, liegt in der Hand der (4.) und (5.) Hirnstruktur und deren Funktionen, auf die ein bewusster, kontrollierter Zugriff möglich ist: (4) evaluiert und determiniert, inwiefern der Emotionsprozess tiefer verstanden oder besser kontrolliert werden muss, im Falle eines detektierten Werte- oder Zielkonflikts, oder bei Diskrepanzen zwischen bewussten Plänen und gebahnten Verhaltenstendenzen. (5) schließlich analysiert die Bedeutung eines Stimulus, des Verhaltens und des Kontextes, um daraus die Entscheidung für eine Handlungsplanung oder Verhaltensauswahl zu treffen, die wiederum auf (3) bis (5) zurückwirkt. Abbildung 5: Anatomische Verortung der Amygdala und des Hippocampus [Abb. von http://www.humanillnesses.com]. Zu (1) Amygdala (Abbildung 5): Erfassung, Verarbeitung und Reaktionsplanung bei potentiell bedrohlichen Reizen. Die Amygdala ist die Gehirnstruktur, deren Bedeutung für die Emotionsverarbeitung bisher am detailliertesten erforscht ist (Lane & Nadel, 1999). Ihre Aufgabe ist vor allem die Enkodierung von Stimulus – Affekt Assoziationen, vor allem für Stimuli, die eine potentielle Gefahr darstellen. Nach 89 Theoretische Grundlagen LeDoux (1996) kann die Information über die Identität des Stimulus über zwei verschiedene Leitungsbahnen gelangen: Zum einen über die kortex-basierte Verbindung, die in der Lage ist, in komplexen Analysen perzeptuelle Eigenschaften des Stimulus aufzulösen und ihn zu erkennen. Der zweite Weg führt direkt von den sensorischen Organen über den Thalamus in die Amygdala und reicht aus für ein grobes aber schnelles („quick and dirty“) Bestimmen der affektiven Signifikanz, für das Lernen von Stimulus – Response Konditionierungen und für die dementsprechenden Reaktionen bei bedrohlichen Reizen. Experimente unter zu Hilfenahme des „backwardmasking" Paradigmas konnte Amygdala Aktivität messen, ohne dass die (unterhalb der Reizschwelle) gezeigten negativen Bilder bewusst erfasst wurden (siehe dazu Öhman, Flykt & Ludqvist, 2000). Eine weitere Funktion ist nach Davidson und Irwin (1999) der Einfluss auf die Konsolidierung von episodischen Erinnerungen an emotionale Ereignisse, wobei die Amygdala für den Erinnerungsvorteil von negativen vor positiven Ereignissen verantwortlich ist (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001). Einige Experimente erwecken den Anschein, als spiele die Amygdala ebenfalls beim Kontakt mit unbekannten, neutralen Stimuli eine Rolle, indem sie feuert, bis sichergestellt ist, dass die ambivalenten (da unbekannten) Reize keine Gefahr darstellen. Insgesamt scheint die Aktivität in dem Maße nachzulassen, wie sie die Umgebung als sicher und unbedrohlich einstuft (Whalen, 1998). In dem Zusammenhang verwundern auch die von Anders et al. (2004) errechneten Korrelationen von Amygdalaaktivität und Höhe der Schreckreaktion (Startle, siehe 2.5.1) auf einen akustischen Schreckreiz nicht. Abbildung 6: Lage und Bestandteile der Basalganglien [Abb. von http://www.cjdgoettingen.de/bilder/basal]. Zu (2) Basalganglien (Abbildung 6): Das effiziente Erlangen von Belohnungen. Die Basalganglien bestehen aus zwei Hauptabschnitten, dem Putamen und dem 90 Theoretische Grundlagen Nucleus Caudatus. Sie sind dafür zuständig, Verhalten oder Gedanken, die sich als zuverlässig zur Erreichung von Belohnungen, zur Erlangung eines erwünschten Ergebnisses, erwiesen haben, zu enkodieren, zu konditionieren und auszulösen, wenn es ertragreich erscheint (Berridge, 2003; Panksepp, 1998). Sie erhalten Input von den parietalen und temporalen Kortices und schicken ihre Befehle an diverse motorische Zentren. Nach Davidson (2003) und Berridge (2003) sind die Basalganglien vor allem für das mit positiven Emotionen assoziierte Annäherungsverhalten wichtig. „This implicit skills are essential because they allow us to make automatic the sequences of thought and action that lead to attainment of goals and receipt of rewards of various kinds“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 50). Abbildung 7: Ausdehnung des lateralen präfrontalen Kortex (blau) [Abb. aus Davidson, Putnam & Larson, 2000]. Zu (3) lateraler präfrontaler Kortex (Abbildung 7): Verarbeitung und Nutzung komplexen emotionalen Wissens. Komplexere emotionale Informationen, die in Form von organisierten Strukturen bezüglich bedeutsamer Beziehungen zwischen Reizen angeordnet sind, werden „emotionale Konzepte“ oder „Schemata“ genannt (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001). Dieses semantische Wissen kann folgende Bereiche umfassen: • Abstraktes Wissen über die Verursachung einer Erfahrung • Die individuelle Bedeutung einer Situation, auch im Hinblick auf Ziele und Werte • Körperwahrnehmungen • Regeln für die Expression der Emotionen • Interpersonellen Funktionen und Auswirkungen von Emotionen • Wissen über die Regulation, also die Intensivierung oder Abschwächung emotionaler Reaktionen 91 Theoretische Grundlagen Der laterale präfrontale Kortex (PFC) hat die Fähigkeit, dieses durch Erfahrung erworbene, im semantischen Gedächtnis abgelegte Wissen abzufragen (Davidson, 2004a). Wird dieses semantische Wissen nach einer initialen Amygdala- oder Basalganglienerregung automatisch oder kontrolliert aktiviert, so wird es Teil der emotionalen Reaktion: „That is, a discrete emotional episode can emerge in the context of complex emotional knowledge that allows us to differentiate, label, and even draw inferences about our emotional states“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 51). Diese Art der Evaluation emotionaler Stimuli durch Zugriff auf komplexere semantische Wissensstrukturen funktioniert somit unabhängig von den schnellen, automatischen und einfachen Assoziationen und Bewertungen der Amygdala bezüglich potentieller Bedrohung (Davidson, 2004a). Obwohl beide Arten von Emotionswissen unterschiedlich organisiert und abgefragt werden, interagieren die Systeme jedoch miteinander, wie das Kapitel zur Emotionsregulation (2.4) genauer herausstellen wird. Abbildung 8: Lage des anterioren cingulären Kortex (gelb) [Abb. aus Davidson, Putnam & Larson, 2000]. Zu (4) anteriorer cingulärer Kortex (Abbildung 8): Prüfung der Notwendigkeit von kontrollierter Verarbeitung. „Evaluating the need for regulation is the function of the anterior cingulate cortex (ACC), and this evaluative function is an essential part of many types of controlled processes. At a broad level, the ACC can be seen as part of an executive system used to regulate behavior in many domains. (…) Studies have implicated the ACC in various kinds of behavior that involve monitoring and evaluating of one’s behavioral performance, one’s internal state, or the presence of external rewards" (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 54). Der ACC ist letztlich also eine Art Überwachungssystem, welches meldet, sobald sich der aktuelle Zustand des Organismus (oder der Umwelt) zu weit von erwünschten Zielen und Bedürfnissen entfernt hat. Diese Funktion scheint der ACC mit wachsender Größe besser 92 Theoretische Grundlagen auszuführen (Bush, Luu & Posner, 2000). Die in Abschnitt 2.2.5 und 2.2.6 berichteten neuroplastischen Effekte der Achtsamkeitspraxis mögen somit die bei Meditierenden beobachtbaren Fähigkeiten der Emotionsregulation (Erisman, Salters-Pedneault & Roemer, 2005) auch über eine verbesserte Funktion und Vergrößerung des ACC erklären. Die Signale des ACC sind in diesem Sinne das erste Glied in der Kette einer Kaskade weiterer evtl. einzuleitender Prozesse der Emotionsregulation, um das Verhalten und Erleben wieder mit den Erwartungen in Einklang zu bringen (Davidson & Irwin, 1999). Hinweise, auf die der ACC dementsprechend reagiert beinhalten: Unsicherheit, Konflikte, Schmerz, Verletzung von Erwartungen. Der ACC bewertet ebenfalls kontinuierlich die zukünftig von einem Stimulus zu erwartenden Auswirkungen (Bestrafung / Belohnung). Nach Ochsner und Feldman-Barrett (2001) repräsentiert der ACC damit „the conscious correlate of pain, uncertainty, conflict, emotional experience, and expectancy violation, signaling that behavioral change and reorientation of attention may be necessary” (S. 56). Auch in der Emotionstheorie von Damasio (2000) wird der ACC als bedeutsam für das bewusste Emotionserleben herausgestellt, des Weiteren fanden Beauregard et al. (2001) und Lane et al. (1998) in fMRI-Studien Belege für die Rolle des ACC als Schnittstelle zur bewussten Wahrnehmung und Regulation von Emotionen (siehe auch Barrett, Mesquita, Ochsner & Gross, 2007; Lane, 2000). Corrigan (2004) diskutiert aktuelle fMRI-Befunde, und unterstreicht mit ihnen die Rolle des ACC bei psychotherapeutischen Veränderungsprozessen. Abbildung 9: Der orbitale und ventromediale Frontalkortex [Abb. aus Davidson & Irwin, 1999]. 93 Theoretische Grundlagen Zu (5) orbitaler (OFC) und ventromedialer (VMFC) Frontalkortex (Abbildung 9): Auswahl und Implementierung von Regulationsstrategien. Unsere bottom-up gesteuerten emotionalen Reaktionen sind nicht in jeder Situation angemessen oder folgerichtig (Thayer & Lane, 2000). Die effektive und genaue Analyse der Relevanz und affektiven Bedeutung eines gegebenen emotionalen Kontextes und die Implementierung der daraufhin ausgewählten Regulationsmechanismen ist Aufgabe und Fähigkeit des OFC und VMFC (Davidson & Irwin, 1999; Phan et al., 2002). Dabei erlaubt es die Verarbeitung der beiden Strukturen, eine fortwährend aktualisierte Einschätzung der affektiven Qualität zu repräsentieren: „(…) whereas subcortical areas continue to represent information about the past reinforcement properties of a stimulus, the OFC / VMFC tracks the current affective value of the stimuli. And when necessary, the OFC / VMFC changes their value when a stimulus – reward pairing changes“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 58). Eine weitere wichtige Stufe in diesem Prozess ist den beiden Autoren zufolge die Feststellung der motivationalen Relevanz eines Objektes. Nachdem diese beiden Aspekte festgelegt wurden, richten die OFC und VMFC sowohl Handlungstendenzen als auch nachfolgende kognitive Prozesse danach aus. Damit ermöglichen es uns diese neuronalen Strukturen, basierend auf ihren Analysen, sowohl bereits in Gang gesetzte emotionale Reaktionen top-down zu modulieren, als auch neue emotionale Prozesse anzustoßen. „These two functions form the foundation for the active regulation of emotion and emotion-guided behavior“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 60). Critchley, Elliott, Mathias & Dolan (2000) berichten demgemäß von einer Modulierung von EDA-Aktivität durch frontale Kortexbereiche, vor allem durch den OFC. Neben dem von Ochsner und Feldman-Barrett aufgegriffenen Gehirnregionen spielen noch weitere Areale in der Emotionsverarbeitung eine Rolle: Der Hippocampus für kontextbezogene emotionale Gedächtnisinhalte (Davidson, 2004a; Davidson, Jackson & Kalin, 2000; Phelps, 2004), der Nucleus Accumbens und das mesolimbische Belohnungssystem für die die Verarbeitung von Lust und positiven Emotionen (Berridge, 2003; Davidson & Irwin, 1999), die Insula und der somatosensorische Kortex, mittelbar über interozeptive Prozesse, für die Intensität der subjektiven Gefühlswahrnehmung (siehe Phan et al., 2002, 2004; Pollatos, Kirsch & Schandry, 2005; Vaitl, 1996) und die Regulation autonomer emotionaler Reaktionen (Davidson & Irwin, 1999). Für die Diskussion der Bedeutung des Hirnstamms wird auf Damasio (2000) und Berridge (2003) verwiesen. Hippocampus (Abbildung 5): Davidson, Jackson und Kalin (2000) demonstrieren in ihrem Artikel ausführlich den Einfluss des Hippocampus, der seit langem mit 94 Theoretische Grundlagen Gedächtnisleistungen in Verbindung gebracht wurde (Schandry, 2006), auf das Erlernen und Anwenden von kontextbezogenem Emotionswissen. Dabei vermuten Sie, dass der Hippocampus vor allem bei der Bereitstellung von Wissen über kontextangemessenen emotionalen Ausdruck und die Auswahl entsprechenden emotionalen Verhaltens eine Schlüsselrolle zukommt. Sie referieren Befunde über HippocampusDysfunktionen bzw. -läsionen, die in der Folge zu emotionalem Verhalten führten, das zwar durchaus normal, jedoch der jeweiligen Situation absolut unangemessen war (Davidson, 2004a). Der Hippocampus steht somit in seiner Funktion den Strukturen (5) (OFC und VMFC) der Tabelle 2 nahe, die ebenfalls für die kontextbezogene Analyse zuständig sind. Phelps (2004) fügt diesen Befunden Erkenntnisse über bidirektionale Beeinflussung von Hippocampus und Amygdala beim Lernen emotionaler Gedächtnisinhalte hinzu. Abbildung 10: Projektionen des mesolimbischen Dopaminsystems [Abb. von http://pubs.niaaa.nih.gov]. Nucleus Accumbens und mesolimbisches Dopaminsystem (Abbildung 10): Das mesolimbische Belohnungssystem ist seit langem an Tieren (Davidson & Irwin, 1999) erforscht. Auch beim Menschen zeigen einige neuere Bildgebungsstudien (Berridge, 2003) die Bedeutsamkeit für positive Affekte, Lust, aber auch Substanzabhängigkeit. Es ist im Wesentlichen ein dopaminerges System, das seinen Ausgang im Mittelhirn im ventralen Tegmentum nimmt, und sich zum Nucleus Accumbens erstreckt. So wie die Amygdala den Angelpunkt der Verarbeitung von negativen Emotionen darstellt, lässt sich das mesolimbische Dopaminsystem durchaus als Lustzentrum bezeichnen (Berridge, 2003). So berichtet Berridge (2003) von erhöhter Aktivität der dopaminergen 95 Theoretische Grundlagen Neurone bei zahlreichen als positiv erlebten Tätigkeiten und Stimulationen (Sex, Drogen, genussvolle Mahlzeiten etc.) Abbildung 11: Lage des insulären Kortex in einem Transversalschnitt des Gehirns [Abb. von http://www.sinnesphysiologie.de]. Insulärer und somatosensorischer Kortex (Abbildung 11 und Abbildung 13): Die Insula und der somatosensorische Kortex spielen bei der emotionalen Verarbeitung ebenfalls eine Rolle, speziell bei der Wahrnehmung von Körperempfindungen und Signalen des inneren Milieus, der so genannten Interozeption (Berntson, Sarter & Cacioppo, 2003; Cameron, 2001, 2002; Craig, 2002, 2003; Critchley, 2005; Critchley, Wiens, Rotshtien, Ohman & Dolan, 2004; Herbert, 2005; Pollatos, Kirsch & Schandry, 2005; siehe auch Abbildung 12). Vor allem der bekannte Neurologe Antonio Damasio hat sich mit seiner umfassenden Theorie der „somatischen Marker“ (siehe Damasio, 2000, 2001; Damasio, A.R., Tranel & Damasio, H., 1991) und deren Bedeutung für Gefühle, Bewusstsein und Entscheidungsprozesse auf diesem Gebiet einen Namen gemacht. Besonders bemerkenswert scheint seine These, die somatischen Marker trägen zu rationalen Entscheidungen in komplexen Situationen bei, die affektiven Prozesse seien folglich für die rationalen kognitiven Vorgänge von eminenter Wichtigkeit. Diese Theorie wäre damit der deutlichste Versuch einer Integration der in 2.3.2 beschriebenen gespaltenen Sichtweisen über das Verhältnis von Emotion und Rationalität. Für eine ausführliche Darstellung der Theorie wird aufgrund ihrer Komplexität auf Damasio (2000) sowie auf Dunn, Dalgleish und Lawrence (2006) verwiesen. Die für die Interozeption verantwortlichen Areale Insula und sensomotorischer Kortex sind, wie in Abschnitt 2.2.5 und 2.2.6 herausgestellt wurde, neuronale Areale, die mit zunehmender Achtsamkeitspraxis (explizites Training des Gewahrseins 96 Theoretische Grundlagen von kognitiven und körperlichen Prozessen) unter den Einfluss neuroplastischer Prozesse geraten, und durch Ausdifferenzierung und Vergrößerung einen Funktionszuwachs erlangen (Lazar et al., 2005). Nun zeigen neuere experimentelle Untersuchungen, dass zunehmendes interozeptives Gewahrsein (gemessen über die Fähigkeit, den eigenen Herzschlag wahrzunehmen, siehe Knapp-Kline & Kline, 2005) positiv korreliert mit der erlebten Gefühlsintensität (u.a. Barrett, Quigley, Bliss-Moreau & Aronson, 2004; Bechara & Naqvi, 2004; Craig, 2004; Pollatos, Kirsch & Schandry, 2005; Wiens, 2005). „Some evidence exists for the right insula to play an important role in connecting emotional experience with interoceptive awareness. (…) Following this assumption, one may conclude that the extent of a person’s sensitivity to bodily signals (‘interoceptive awareness’, ‘visceral perception’) should be related to the experienced intensity of emotions” (Pollatos, Kirsch & Schandry, 2005, S. 949). Damit sind die Hypothesen 1a / 1b (siehe 2.6) auch von emotionswissenschaftlicher Seite gestützt. Abbildung 12: Verschränkung emotionaler und interozeptiver Prozesse [Abb. aus Bechara & Naqvi, 2004]. 97 Theoretische Grundlagen Diese Verschränkung von Interozeptionsfähigkeit und intensiverer Gefühls- wahrnehmung korreliert wiederum mit dem Konstrukt der “Emotionalen Intelligenz“ (Goleman, 1997a), wie es von Schneider, Lyons und Williams (2005) über Fragebogenmaße erfasst wurde (siehe dazu auch Mayne, 2001). Im nächsten Schritt lässt sich dieser Zusammenhang also auch auf einen parallelen Anstieg von Achtsamkeit und emotionaler Intelligenz ausdehnen. Der insuläre Kortex ist weiterhin von Bedeutung für die Regulation der autonomen emotionalen Reaktionen wie z.B. die peripherphysiologische elektrodermale Aktivität: „The insular cortex receives afferents from several major autonomic regions and sends efferents to a number of brain regions that play a critical role in regulating autonomic responses that accompany emotion including the central nucleus of the amygdala and the lateral hypothalamus” (Davidson & Irwin, 1999, S. 19). Hier liegt also auch eine Möglichkeit der Modulation der elektrodermalen Aktivität, die in der hier vorzustellenden Studie als Indikator für die physiologische Komponente der emotionalen Reaktion eingesetzt wurde (siehe dazu auch Critchley et al., 2000). Interessanterweise berichten Wiens, Mezzacappa und Katkin (2000), dass bei Probanden mit im Vergleich erhöhtem interozeptiven Gewahrsein und intensiver erlebten Emotionen die peripherphysiologischen Reaktionen wie EDA und Herzrate nicht signifikant von der Kontrollgruppe abwichen. Damit wird die durch die Hypothesen 1 und 3 im Anschnitt 2.6 angenommene, mit fortschreitender Achtsamkeitspraxis einsetzende Dissoziation der Emotionskomponenten Gefühl Ĺ und physiologische Komponenten Ļ gestützt. Für die Hypothesen bedeutet dies die zugrunde liegende Annahme, dass die mit fortschreitender Achtsamkeitspraxis erlebte intensivere Gefühlswahrnehmung vermittelt wird durch sensitivere Interozeptionsprozesse, und nicht durch einen Anstieg der physiologischen Erregung. Abbildung 13: Lage des somatosensorischen Kortex und der „Homunculus“ [Abb. aus Schandry, 2006]. 98 Theoretische Grundlagen Zusammenfassend lässt sich der Ablauf emotionaler Episoden aus Sicht der Neurowissenschaften also wie folgt skizzieren: Gewöhnlich springen die automatischen Prozesse auf emotional relevante Stimuli hin unbewusst an, Amygdala und Basalganglien evaluieren externalen und internalen Input auf zu erwartende Bedrohung oder Belohnung. Wird Gefährdung detektiert, assoziiert die Amygdala unmittelbar den Reiz mit einer einzuleitenden Reaktion (Vermeidung, Flucht), sie stellt also den Kern des von Bradley et al. (2001) so bezeichneten emotionalen „Withdrawal“- oder „Avoidance“Motivationssystem dar. Falls der Stimulus jedoch eine Belohnung verspricht, generieren die Basalganglien die Sequenz aus Gedanken und Handlungen, die in der Vergangenheit erfolgreich zur Erlangung der durch das mesolimbische Dopaminsystem vermittelten Belohnung oder Verstärkung geführt haben, und stellen mit diesem somit die Basis des von Bradley et al. (2001) postulierten emotionalen „Approach“Motivationssystem dar. Mithilfe des präfrontalen Kortex wird nun weiter automatisch semantisches Wissen über das identifizierte Objekt, auf das die Emotion nun gerichtet wird, abgerufen. Meldet der ACC im weiteren Verlauf sodann die Notwendigkeit, einzugreifen, beginnen die kontrollierten oder bewussten emotionalen Verarbeitungsprozesse, für deren erlebte Intensität und Bewusstheit das ACC und die Insula von Bedeutung sind. Diese kontrollierten Prozesse verwenden die von OFC und VMFC durchgeführten Bewertungen und Analysen, um zusammen mit dem emotionalen Wissen des präfrontalen Kortex die automatisch in Gang gesetzten emotionalen Reaktionen zu modulieren, neu zu bewerten und zu regulieren: „The effortful application of emotion knowledge may thus serve a regulatory function because the way in which we interpret and draw inference about the meaning of our current affective responses may change them“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 62). Dieses Zitat der beiden Autoren bietet abschließend einen guten Anknüpfungspunkt über die Appraisal-Theorien zur Achtsamkeitspraxis, deren Ziel es ist, die Inferenzen, Bedeutung und Interpretation unserer emotionalen Reaktionen zu transformieren (Davidson, Jackson & Kalin, 2000; Goleman, 1998). Erinnert sei auch an die weiter oben (2.2.6 und 2.2.7) berichteten Befunde des kausalen Einflusses von Achtsamkeitspraxis auf neuroplastische Veränderungen in den eben dargestellten Arealen der kontrollierten Emotionsverarbeitung, wie PFC, ACC, OFC, VMFC, Insula und somatosensorischem Kortex. Damit sind auf neurowissenschaftlicher Ebene die unterschiedlichen Perspektiven der Emotionsforschung letztlich zu vereinen. Der Einfluss der Achtsamkeitspraxis auf die kontrollierten Prozesse der Emotionsverarbeitung, z.B. während der formellen Meditationspraxis, ist aus den bisherigen Ausführungen ersichtlich. Darüber hinaus 99 Theoretische Grundlagen stellt sich nun die grundsätzliche Frage, inwiefern (z.B. durch kontinuierliches Üben bzw. Anwenden) diese kontrollierten Prozesse daneben auch transformierende Einflüsse auf automatische Vorgänge haben könnten. Dies soll im folgenden Kapitel über Emotionsregulation weiter untersucht werden. 2.4 Theorien und Befunde zur Emotionsregulierung „Wir streben mehr danach, Schmerz zu vermeiden als Freude zu gewinnen.“ Sigmund Freud Die relativ neue Forschungsrichtung zur Emotionsregulierung (ER), die sich über die letzten 20 Jahre entwickelte (Gross, 1999), hatte vor allem die psychoanalytische Tradition (Abwehrmechanismen) und die Coping- (Bewältigungs-) Literatur als Vorläufer, und kann des Weiteren abgegrenzt werden von der Stimmungsregulierung (Gross, 1999, siehe Abbildung 14). Abbildung 14: Hierarchisches Modell der Affektregulierung [Abb. nach Gross, 1998a]. Die Psychoanalyse hatte sich nach Gross (1999) als erstes Theoriegebäude mit der Regulation von Emotionen befasst, und dabei vor allem die Ängste ins Blickfeld gerückt. Die potentielle Konflikthaftigkeit der Diskrepanz zwischen biologisch vermittelten Wünschen, Impulsen und Trieben einerseits, und den internen und externen Sanktionen solcher Wunscherfüllungen andererseits standen dabei im Fokus 100 Theoretische Grundlagen der Aufmerksamkeit (Fenichel, 2005; Freud, 1992, 2000). Dabei war Freud´s hypothetisches Strukturmodell der menschlichen Psyche der entscheidende Referenzpunkt (siehe Abbildung 15): Abbildung 15: Modell der freudschen Strukturtheorie der Psyche [Abb. aus Freud, 2000]. Freud (2000) unterschied das Ich, mit dem sich der bewusste Mensch gewöhnlich identisch erlebt, das Überich als Sitz der moralischen und Wertvorstellungen und der (teils von den Eltern übernommenen) internalisierten Ge- und Verbote, sowie das Es, als Sitz der Triebe, Wünsche, Bedürfnisse und (sexueller) Fantasien. Wie Abb. 15 zeigt, ist das Es immer unbewusst, und sowohl Teile des Ich als auch des Überich können ebenfalls unbewusst sein. Angst kann in diesem Modell nur vom Ich generiert werden. Freud unterschied nun realistische Angst, die durch eine Konfrontation des Ich mit der Realität entsteht, wobei sich das Ich den Anforderungen nicht gewachsen sieht und überwältigt zu werden droht. Diese Form der Angst wird innerhalb des Modells gewöhnlich mit Vermeidungsverhalten reguliert, d.h. die angsteinflößende Situation wird einfach nicht mehr aufgesucht. Es und Überich basierte Angst hingegen, die potentiell neurotisch werden kann (siehe weiter unten), unterschied er von der realistischen Angst: Aufsteigende Handlungsimpulse, Wünsche oder Fantasien (aus dem Es kommend, dem Sitz der Triebe) können je nach individueller Konstitution und Zusammensetzung des Überich in mehr oder weniger starken Konflikt mit den im Überich repräsentierten Moralvorstellungen geraten (was nicht bewusst werden muss). Die antizipierte reelle externe oder interne moralische Bestrafung eines Auslebens von Impulsen führt nun dazu, dass diejenigen, deren vorgestellte Bestrafung zu viel moralische Angst oder Unlust einflößen, vom Ich verdrängt und damit ins Unbewusste abgeschoben werden (kann ebenfalls alles unbewusst geschehen). Dabei werden eine 101 Theoretische Grundlagen Vielzahl von so genannten „Abwehrmechanismen“ (siehe Freud, A., 1936) angewandt. Sind nun die dergestalt ablaufenden und miteinander ringenden Konfliktkräfte zu stark, um vom Ich erfolgreich (also unbemerkt) abgewehrt zu werden, präsentiert das psychische System als Ausweg ein neurotisches Symptom in psychischer oder somatisierter Form (Hoffmann & Hochapfel, 2004). Damit beschäftigte sich die psychoanalytische Theorie Gross (1999) zufolge hauptsächlich mit der Angstregulation unter Zuhilfenahme unbewusster Abwehrmechanismen. Dabei führt oben skizzierter Bewältigungsmechanismus, der auch mehr oder weniger stark bei jedem gesunden Menschen abläuft, zu unterschiedlich starken Realitätsverzerrungen, Energieverlust (da die Abwehr psychische Energie kostet), Verhaltenseinschränkungen und teils unnötigen Abwertungen von psychischen Bedürfnissen (Fenichel, 2005). Neurotische Abwehrformen assoziieren in diesem Sinne also Situationen oder Impulse mit unangemessenen Angstaffekten und können im Zuge deren Abwehr einen lebenslangen maladaptiven Einfluss auf die emotionale Entwicklung der Person und deren emotionaler Offenheit und Erlebensfähigkeit bedingen (Fonagy & Target, 2006). In der analytischen Therapie wird dies durch ein Aufdecken der unbewussten Konflikte und Strukturstörungen (Fiedler, 2001) und die Vermittlung „korrigierender emotionaler Erfahrungen“ versucht zu behandeln, um die Person grundlegend umzustrukturieren und ihr neue Einsichten und gesunde Bewältigungsmechanismen zu ermöglichen (Hoffmann & Hochapfel, 2004). In der Tradition der Psychoanalyse befasst sich die ER-Theorie ebenfalls größtenteils mit der Regulation aversiver, destruktiver Emotionen, wobei nun eher der Fokus auf die bewussten ER-Prozesse gelegt wird. Wenngleich die ER weiterhin als wichtiger Einfluss-Faktor für psychopathologische Phänomene verstanden wird, befasst man sich heute eher mit den normalen ERVorgängen bei gesunden Personen (Gross, 1999). Die Coping-Tradition wird hier nur kurz erwähnt, da die ER-Forschung zu großen Teilen Anleihen aus dieser Richtung genommen hat, und daher viele Gemeinsamkeiten bestehen (Gross, 1998a, 1999). Coping-Forschung untersucht den Einfluss von möglichen kognitiven und verhaltensbasierten Bewältigungsmechanismen in Stress-Situationen, die der Betroffene als seine Ressourcen übersteigend erlebt (Gross, 1999). Damit bezieht sich die Coping-Forschung im Vergleich zur ER eher auf situationale Problemlösungsmöglichkeiten, während ER sich in einer feiner differenzierten Weise mit emotionalen Prozessen befasst. Für Details zur CopingForschung wird auf Gross (1999) verwiesen. Stimmungsregulierung (Morris & Reilly, 1987; Larson, 2000) befasst sich mit den eher diffusen, weniger intensiven und länger bestehenden Stimmungen, wobei 102 Theoretische Grundlagen deren Regulation vor allem auf das Erleben abgezielt, nicht wie bei der ER auch auf die anderen Komponenten der affektiven Reaktionen (Ausdruck, Physiologie etc.). Die Emotionsregulierung: Die Gründe, Emotionen zu regulieren, liegen neben der vom Lustprinzip (Freud, 2000) abgeleiteten menschlichen Tendenz, destruktive, aversive und ängstigende Affekte herunterregulieren zu wollen (siehe auch Gross, 1998a), wohl größtenteils in deren oft mangelnden Akkuratheit bzw. Angemessenheit an die Situationen des heutigen, modernen Lebens: „An evolutionary perspective holds that emotions encode situation-response dependencies that have proven valuable over the sweep of millennia (…). This in no way implies, however, that emotion response tendencies are always or even usually appropriate to the situations we now face. Physical and social environments have changed out of all recognition from those that shaped our emotions” (Gross, 1999, S. 558). Somit werden die in Abschnitt 2.3.4 beschriebenen kontrollierten Emotionsverarbeitungsprozesse zum Ziel der Anpassung der emotionalen Reaktionen: „Emotion regulation involves the initiation of new or the alteration of ongoing emotional responses through the action of regulatory processes” (Ochsner & Gross, 2005, S. 242). ER wird von James Gross, neben Kevin Ochsner (Ochsner & Gross, 2004) einem der führenden Forscher auf diesem Gebiet, weiterhin definiert als die Prozesse, durch die wir darauf Einfluss nehmen, welche Emotionen wir haben, wann wir sie haben, und wie wir sie erleben und ausdrücken (Gross, 1998a, 2006; zur Definition siehe auch Goldsmith & Davidson, 2004; Thompson, 1994). In der ER-Forschung wird dabei nur die Regulation von eigenen Emotionen untersucht, nicht die der Interaktionspartner (Gross, 1999). Bonanno (2001) zeigt die Grundlagen auf, auf denen individuelle Regulationsstrategien beruhen mögen: abstrakte Werte oder Prinzipien (Ehrlichkeit, Integrität, usw.), interne Strukturen wie Ideale über das emotionale Selbstbild (ruhig, sanft, expressiv, usw.), internalisierte Schemata, wie in interpersonellen Situationen emotional zu agieren ist, kulturelle Normen des Ausdrucks, Art der Kultur (individualistisch, kollektivistisch). Ziel der ER kann sowohl ein Hoch- als auch Herunterregulieren von positiv- als auch negativ-valenten Emotionen sein. Gross (1999) nennt dafür einige mögliche Beweggründe: Herunterregulierung: a) die sich anbahnende emotionale Reaktion ist nicht länger nützlich, wie z.B. körperliches Angreifen; b) die entstehende Emotion resultiert aus einem unzutreffenden Beurteilungsmuster, z.B. wenn ein Stock für eine Schlange gehalten wurde; c) die emotionale Reaktion widerspricht anderen, der Person wichtigeren Werten oder Zielen, wie z.B. Wut im Falle eines Partnerschaftskonfliktes, mit dem Wunsch nach Harmonie und Liebe. Initiierung von Emotionen / Hochregulierung: a) z.B. wenn emotionale Reaktionen fehlen, da man im Geiste 103 Theoretische Grundlagen abwesend war, den Interaktionspartner aber nicht vor den Kopf stoßen will, also im Sinne der Bedienung sozialer Normen; b) eine unerwünschte aversive Emotion oder Stimmung soll durch eine Positive ersetzt werden. All diese Ziele und Bedingungen sind gewöhnlich unbewusster Natur und in hohem Maße kontextabhängig (Gross, 1999). Gross (1998a) nimmt dabei an, dass die in diesen individuellen Bedingungen gründenden Regulationsvorgänge sowohl automatisch (unbewusst) als auch kontrolliert (bewusst) erfolgen kann: „I prefer to think of a continuum from conscious, effortful and controlled regulation to unconscious, effortless and automatic regulation (Gross, 1998a, S. 275). Die Effekte von ER können ihm zufolge an einem singulären, oder an mehreren Zeitpunkten der emotionalen Episode zum Tragen kommen. Gross (1998a) folgert daraus Einflussmöglichkeiten von ER auf die zeitlichen Aspekte der Emotionsverarbeitung, von Thompson (1994) auch „emotion dynamics“ genannt. Diese Aspekte wurden von Davidson (z.B. 2000) mit der mittlerweile gebräuchlichen Bezeichnung „affective chronometry“ (auch „time course of affective responding“) versehen. Richard Davidson interessierte sich dabei vor allem für die existierenden individuellen Unterschiede in der Art der emotionalen Reaktivität auf aversive Reize (Davidson, 2004). Experimentelle Beobachtungen sowie die Alltagserfahrung legen nahe, dass die emotionale Antwort auf ein und dasselbe Geschehen bei verschiedenen Menschen teils enorm unterschiedlich ausfallen kann (Davidson, 2004). Er prägte dafür den Ausdruck „affective style“, der breit rezipiert wurde, und den er so definiert: „Affective style refers to consistent individual differences in emotional reactivity and regulation (…). It is a phrase that is meant to capture a broad array of processes that, either singly or in combination, modulate an individual’s response to emotional challenges, dispositional mood and affect-relevant cognitive processes. Affective style can refer to valence-specific features of emotional reactivity or mood, or it can refer to discrete emotion-specific features” (Davidson, 2004, S. 1395). Das Augenmerk wird dabei insbesondere gerichtet auf a) „the tonic level”, b) „the threshold to respond”, c) „the magnitude of the response”, d) „the rise time to the peak of the response”, e) „the recovery function“, f) „the duration of the response” (Davidson, 2000, 2003). Die letzten drei Facetten sind dabei die Kriterien der „affective chronometry”, die nach Davidson (2003) von spezieller Bedeutung für das Wohlbefinden und die Widerstandsfähigkeit gegen Psychopathologien sind. Viele psychische Krankheiten werden begleitet von der Unfähigkeit, emotionale Verläufe zu regulieren (siehe Dilling, Mombour & Schmidt, 2004; Gross, 1998a, 1999). Gross (1998a) und John und Gross (2004) führen dazu eine Vielzahl von Pathologien an, die durch dysfunktionales Emotionsmanagement bzw. falsche ER ausgelöst werden können: z.B. kann die chronische Unterdrückung 104 Theoretische Grundlagen von Feindseligkeit und Wut zu kardiovaskulären Erkrankungen oder auch zu einem rapideren Verlauf von Krebserkrankungen führen; Gross (1998a) führt die destruktiven Effekte der Unterdrückung gemeinsam auf die durch sie ausgelösten höheren Level tonischer sympathischer Aktivation zurück, die aufgrund der fehlenden metabolischen Nutzung dann einen pathologischen Effekt zeitigen. Auch die Immunfunktion lässt unter der chronischen Sympathikus-Aktivierung nach (Gross, 1999). Ebenso kann auch eine übermäßig lange aufrechterhaltene aversive emotionale Reaktion wie z.B. Ärger, Wut, Angst psychopathologische Konsequenzen haben (Davidson, 2000; Goleman, 2005), wie sich z.B. bei der Depression (Ma & Teasdale, 2004) und bei der BorderlinePersönlichkeitsstörung zeigt. Hier erleben die Patienten Emotionen einer Intensität, der sie gewöhnlich ausgeliefert sind, und die sie körperlich und psychisch überwältigt (Fiedler, 2001; Jennings, 2003; Linehan, 1993). Davidson (2000) sieht daher in der Fähigkeit einer schnellen Erholung von aversiven emotionalen Reaktionen einen Garant für eine gute Resilienz (Widerstandsfähigkeit) der betreffenden Person: „It is not that resilient individuals never experience negative affect, but rather that the negative affect does not persist. Such individuals are able to profit from the information provided by the negative affect, and their capacity for meaning making in response to such events may be part and parcel of their ability to show rapid decrements in various biological systems after exposure to a negative or stressful event“ (Davidson, 2000, S. 1198). Diese Charakteristik resilienter Personen korreliert exakt mit dem Ziel der Achtsamkeitspraxis und ging mit ein in die Hypothesen 2 und 3 (siehe Abschnitt 2.6). Weiterhin argumentiert Gross (1998a) dafür, dass ER Einfluss nimmt auf die Assoziation der einzelnen Emotionskomponenten: „Emotion regulation also involves changes in how response components are interrelated as the emotion unfolds“ (Gross, 1998a, S. 275). Ein weiterer Hinweis, der die aufgrund der Hypothesen 1 und 3 mit steigender Achtsamkeitspraxis erwartete Komponenten-Dissoziation unterstützt. Bereits in den oben referierten Theorien zur Emotionsverarbeitung ist deutlich geworden, dass es schwierig ist, Emotionsgeneration und Emotionsregulation zu trennen (Davidson, Jackson & Kalin, 2000; Gross, 1999). Auch dort wurden bereits Gehirnregionen vorgestellt, deren Aufgabe die Evaluation und Regulation darstellt. In dem Sinne lässt sich mit Gross (1999) fragen. „Is emotion ever not regulated?“ (S. 565). Er rät zur Annahme eines Kontinuums der Regulationsintensität, hält es jedoch ebenfalls für schwierig, zu beurteilen, ob es völlig unregulierte Emotionen (da dies auch unbewusst geschehen kann) gibt (Gross, 1999). Die nachfolgende Grafik (Abbildung 16) bietet einen Rahmen um die möglichen Regulierungsprozesse zu klassifizieren: 105 Theoretische Grundlagen Abbildung 16: Differenzierung möglicher Emotionsregulierungs-Strategien [Abb. aus Gross, 2002]. Die grobe Einteilung verläuft über die Kategorien „antecedent-focused“ und „responsefocused“ ER-Strategien, wobei die „antecedent-focused“ Strategien bereits einsetzen, bevor, bzw. während sich eine emotionaler Prozess entwickelt (Gross, 1998b), die „response-focused“ ER-Strategien dementsprechend versuchen, die schon bestehende Emotion zu regulieren. Die frühen (antecedent) Regulationsprozesse – hier werden nach Gross unterschieden: • situation selection • situation modification • attentional deployment • cognitive change Zu situation selection: Diese Regulationsstrategie wird als frühe Einflussnahme im zeitlichen Kontinuum der Emotionsverarbeitung verstanden, da durch systematisches Vermeiden oder Aufsuchen von Situationen oder Personen Emotionen generiert, reguliert oder verhindert werden können. Die Beurteilung dieser Strategie ist nicht einfach, da sie immer im jeweiligen Kontext betrachtet werden muss. Wird z.B. von fettsüchtigen Patienten gezielt die Begegnung mit Süßigkeiten vermieden, um nicht in Versuchung zu kommen, so mag dies durchaus sinnvoll sein. Generell wird ein Vermeidungsverhalten von angsteinflößenden Situationen, das kurzfristig Erleichterung verspricht, jedoch skeptisch beurteilt, da es überaus unerwünschte langfristige Konsequenzen haben kann, wie in diesem Fall z.B. Isolation oder gesteigerte Angst vor der Situation (Gross, 2002). Wichtig ist somit immer die Abwägung der Effekte. 106 Theoretische Grundlagen Zu situation modification: Im nächsten zeitlichen Schritt ist es nun schon nicht mehr möglich, die Situation zu selektieren, man befindet sich bereits in ihr. In diesem Fall wäre die nächste Strategie die Modifikation: in der Coping-Literatur auch als „problem-focused coping“ bezeichnet, meint diese Strategie eine unternommene Anstrengung, die direkt auf die (potentiell) emotionsauslösende Situation einwirkt, um deren emotionalen Gehalt zu beeinflussen bzw. zu verändern. Ein einfaches Beispiel ist das Schließen des Fensters, wenn man bemerkt, dass sich in Folge des zunehmenden Straßenlärms Ärger einstellt. Gross (2002) weist auf die wichtige Tatsache hin, dass diese Situationsmodifikation auch im willentlichen Darbieten von emotionalem Ausdruck bestehen kann. Stellt im Streit einer der beiden Partner einen traurigen Gesichtsausdruck beim anderen fest, dann ändert sich gewöhnlich sein konfrontatives Verhalten rapide. Zu attentional deployment: Darunter fällt vor allem die Ablenkung der Aufmerksamkeit auf entweder einen nicht-emotionalen Aspekt des Reizes, oder auf etwas ganz anderes. Ist man dem emotionalen Reiz ausgeliefert oder unterliegt dieser nicht der eigenen Einflussnahme, bietet sich immer noch jene Art der Regulation an. Auch innere Bilder, Gedanken, Erinnerungen, auf die die Aufmerksamkeit gelenkt wird, und die inkompatibel mit dem anwesenden, unerwünschten emotionalen Zustand sind, können diese Funktion erfüllen (Gross, 2002; siehe auch Pessoa, Kastner & Ungerleider, 2002). Zu cognitive change: Diese Strategie ist nun der Anknüpfungspunkt für die möglichen Einflüsse der Achtsamkeitspraxis. Unter „cognitive change“ als ERMechanismus versteht man nach Gross (2002) die Modifizierung der Bedeutung der nun erlebten Aspekte des emotionalen Stimulus. Hier gilt es, sich die Komponententheorie der Emotionsverarbeitung in Erinnerung zu rufen, die mit den darin angenommenen „appraisals“ (Bewertungen), die automatisch oder bewusst ablaufen können, einen entscheidenden Einfluss der kognitiven Bedeutungszuschreibung auf den Verlauf der emotionalen Reaktion postuliert (Scherer, 2000). Hier verbindet sich damit die kognitive Komponententheorie mit den Modellannahmen der ER: Die Zuschreibung von gewissen Eigenschaften und Bedeutungen, von Bewältigungsmöglichkeiten und ähnliche Evaluationen ändert den emotionalen Verlauf (Gross, 1998a). Die Achtsamkeitspraxis sollte an dieser Stelle während der formellen Praxis ihre Effekte zeigen. Der Einstellungswandel, die Akzeptanz, die Erfahrung des Wandels und die Desidentifiktation, sowie die dadurch als erhöht erlebte Bewältigungsfähigkeit (siehe 2.2.6 und 2.3.3) sind Haltungen, die im Hinblick auf das mentale Erleben in diesem Sinne als „cognitive change“ zu verstehen sind, der sich mit 107 Theoretische Grundlagen fortwährender formeller Praxis immer tiefer verankert (Brown & Ryan, 2003). Zur Abgrenzung zum gleich folgenden Mechanismus des „reappraisals“ ist es wichtig, sich bewusst zu machen, was bei der Achtsamkeit nun exakt Ziel bzw. Objekt des „cognitive change“ ist: Umbewertet wird nämlich nicht der Stimulus, so dass er danach möglichst nicht mehr als aversiv erlebt werde. Sondern umbewertet oder uminterpretiert wird im Falle der Achtsamkeitspraxis (nicht im Einzelfall, sondern als generelle Haltung, die allen mentalen Ereignissen entgegengebracht wird) die Bedeutung und Konsequenz der Tatsache des Erlebens von aversiven Emotionen überhaupt: Dies wird nicht mehr länger als bedrohlich verstanden, und daher mit weniger Be- und Entwertung, Aversion und Reaktivität quittiert (siehe 2.1 und 2.2). Eine der am besten untersuchtesten Formen des „cognitive change“ ist nun das so genannte „reappraisal“, das „Neu- oder Wiederbewerten“ der Bedeutung des emotionalen Stimulus (Gross, 2002, 2003). „This involves cognitively transforming the situation so as to alter its emotional impact” (Gross, 1998, S. 284). Dabei werden zwei Varianten des „reappraisals” unterschieden (Kalisch et al., 2005; Ochsner, Ray, Cooper et al., 2004): In der ersten Form, genannt „situation-focused“ (Ochsner et al. 2004), wird die Bedeutung eines Stimulus uminterpretiert, so dass er nicht mehr länger negativ getönt ist. Z.B. die Träne auf dem Bild einer jungen Frau (eigentlich unangenehm, traurig) wird durch einen bewussten Akt als Ausdruck ihrer Freude ob einer von ihr beobachteten hypothetischen Hochzeit verstanden. Die zweite Klasse von „reappraisals“ nennen Ochsner et al. (2004) „self-focused“: damit kommt zum Ausdruck, dass die emotionale Situation, der Stimulus in seiner Natur akzeptiert, seine Relevanz für die eigene Person jedoch geleugnet wird (Kalisch et al., 2005; Beauregard, Levesque & Bourgouin, 2001). Diese Variante wird auch bezeichnet als „detachment“, „disengagement“, „dissociation“ oder „isolation“. Beide Varianten des „reappraisals“ haben also zum Ziel, den Stimulus als nicht mehr emotional bedeutsam zu klassifizieren und damit die emotionale Reaktion zu beenden bzw. zu verhindern (Ochsner et al., 2004). Aus den Ausführungen zur Achtsamkeitspraxis in Abschnitt 2.1 und 2.2 sollte ersichtlich werden, dass sie mit diesen beiden Herangehensweisen nichts gemeinsam hat. Es wird die Meinung vertreten, dass die Haltung der Achtsamkeitspraxis also nicht in der ER-Strategie des „reappraisals“ aufgeht, für das alle möglichen dämpfenden Einflüsse auf die emotionale Reaktion nachgewiesen sind, wie später referiert wird. Eine achtsame Haltung besteht eben gerade darin (Kabat-Zinn, 2005), die im Bewusstsein entstehenden Inhalte nicht zu bewerten, nicht zu interpretieren, auch nicht um-zuinterpretieren, und schon gar nicht in der Form, wie dies beim „reappraisal“ geschieht, bzw. in Experimenten instruiert wird, nämlich: „Participants were asked to interpret photos so that they no 108 Theoretische Grundlagen longer felt negative in response to them“ (Ochsner, Bunge, Gross & Gabrieli, 2002, S. 1216). Oder bei Gross (1998b): „please try to think about what you are seeing in such a way that you don't feel anything at all“ (S. 227). Auch hier sind die kurzfristig durchaus zu erreichenden Erleichterungen durch Minimierung subjektiver aversiver Gefühle immer in Bezug zu setzen zu den langfristigen Effekten dieser Strategie (Gross, 1998b): „(…) inflexible or unrealistic reappraisals might lead one to deny important features of one’s environment, such as hazards at work or abusive tendencies in a partner. In such cases, the short-term benefits of relief from negative emotion would almost certainly be outweighed by the long-term costs of stifling the adaptive behavioral tendencies (…) associated with negative emotions” (Gross, 1998b, S. 232). Die späten (response) Regulationsprozesse: diese Prozesse greifen zu einem Zeitpunkt in die emotionale Reaktion ein, zu dem die Reaktionen auf allen Komponenten-Ebenen bereits initiiert sind (Gross, 1998a, 1998b). In einem weiteren Sinne ist das traditionell der Anwendungsbereich der Psychopharmaka, die dazu eingesetzt werden, um z.B. die physiologische Erregung wie z.B. die sympathische Hyperreaktivität (Beta-Blocker) oder die Muskelspannung (Anti-Anxiolytika) zu regulieren. Aber auch Entspannungstechniken (z.B. Progressive-Muskel-Entspannung nach Jacobson; siehe Vaitl & Petermann, 2004) oder Biofeedback werden dazu benutzt, die physiologischen- und subjektiven Komponenten der emotionalen Reaktionen zu regulieren. In der Realität wird dazu oft auch auf Alkohol und Drogen zurückgegriffen, ebenso auf Tabak und sogar Essen (Gross, 1998a). Die gebräuchlichste Methode der „response-focused“ ER im engeren Sinne ist jedoch das Unterdrücken (suppression) des emotionalen Ausdrucks, so dass es für andere nicht ersichtlich ist, dass bzw. welche emotionale Reaktion durchlebt wird (Gross & John, 2003). Nach Einschätzung der Autoren, die diese ER-Strategie näher beleuchtet haben, ist davon eher abzuraten (Gross & John, 2003; John & Gross, 2004; Richards, 2004): „(…) as noted above, one important function of emotions is to signal to others one's wishes and needs. If these signals are systematically concealed, others may not know one's wishes. This would make it less likely that one's interactions would be accommodating and more likely that one would have intense and frequent negativeemotion-laden interactions” (Gross, 1998b, S. 233). Außerdem nimmt Richards (2004) an, dass der Vorgang des Unterdrückens ein energieaufwendiger Prozess des permanenten Selbst-Überwachens und Selbst-Regulierens ist, der einen Grossteil der verfügbaren Ressourcen von allen anderen zur selben Zeit ausgeführten Handlungen abzieht, welche daher schlechter vonstattengehen. 109 Theoretische Grundlagen Die experimentelle Forschung war bisher vornehmlich an den Mechanismen und Effekten von „reappraisals“ und „suppression“ interessiert (Gross, 2003, 2006). Eine ganze Reihe von Ergebnissen bestätigt dabei folgendes Bild: Suppression: Die Unterdrückung von emotionalem Ausdruck ist energieraubend (Gross, 2003; Richards, 2004) und vermindert die Intensität der aversiven emotionalen Gefühlswahrnehmung nicht (Gross, 1998b, 1999, 2002; Richards, 2004), diese kann bei chronischer Anwendung eines unterdrückenden ER-Stiles sogar zunehmen (Gross & John, 2003). Dabei treten unerwünschte Nebenwirkungen auf: „suppression“ scheint zu Gedächtnisdefiziten für emotionale und soziale, sowie selbstbezogene Inhalte zu führen (Gross, 2002; Richards & Gross, 2000) und in zwischenmenschlichen Situation den Stress zu erhöhen (Gross & John, 2003), da der Unterdrücker nicht in Fühlung mit dem Fluss der Interaktion ist. Als sekundäre Belastung für den Unterdrücker kommt das schlechte Gefühl hinzu, sich unauthentisch darstellen zu müssen (Gross & John, 2003). Des Weiteren führt eine ausgeprägte Anwendung von suppressiven ERMechanismen zu den verschiedensten Problemen im sozialen Zusammenspiel und Funktionieren: Angst vor Nähe nimmt zu, es werden weniger Emotionen geteilt, und sie erhalten weniger soziale Unterstützung. Sie berichten außerdem von geringerem Wohlbefinden, mehr depressiven Symptomen, geringerem Selbstbewusstsein und weniger Optimismus (Gross & John, 2003). Die Auswirkungen der Ausdrucksunterdrückung auf die Physiologie ist ebenso bemerkenswert: Scheinbar aufgrund der zusätzlich aufgewendeten Anstrengungen steigt das sympathische Erregungslevel bei Unterdrückung im Vergleich zur Kontrollbedingung an – die Unterdrückung hat also aversive, verstärkende Auswirkungen auf die physiologischen Komponenten der emotionalen Reaktion (Gross, 2002; Ohira, Nomura, Ichikawa et al., 2006). Dies zeigt sich z.B. im Anstieg der kardiovaskulären und elektrodermalen Aktivität. Trotz all dieser kritischen Auswirkungen von „expressive suppression“ kann es in Einzelfällen das einzige Werkzeug sein, auf das man zurückgreifen kann, wenn es angezeigt ist, eine negative Emotion zu regulieren. Manchmal ist es vielleicht sogar angebrachter, die evaluierte Bedeutung der Situation nicht durch Reappraisal zu verändern, da sie angemessen erscheint. Ein Einsatz von vorübergehender Unterdrückung des emotionalen Ausdrucks ist hier dann u.U. das einzige verbleibende und auch probate Mittel (Gross, 2002). Reappraisal: Die Anwendung von Neubewertungsstrategien zeigt empirisch ein ganz anderes Bild, wobei sich im Bereich der erlebten Gefühle und des emotionalen Ausdrucks deutliche Einflüsse zeigen ließen (Gross & John, 2003; John & Gross, 2004). Beide Komponenten ließen sich effektiv von reappraisal reduzieren im Falle von 110 Theoretische Grundlagen negativen Emotionen, aber auch erhöhen im Falle von Positiven (Beauregard, Levesque & Bourgouin, 2001). Es konnte ein dämpfender Einfluss auf bei negativen Emotionen ausgelöste elektrokortikale Potentiale nachgewiesen werden (Hajcak, Moser & Simons, 2006), ebenso zeigte sich, dass reappraisal dazu in der Lage ist, das sympathische Erregungsniveau abzusenken (Gross, 1998b, 2006; Ochsner & Gross, 2004, 2005). Die oben im Falle von suppression berichteten ungünstigen Einwirkungen auf soziale Interaktionen treten bei der Anwendung von reappraisal nicht auf (Gross, 2002; Gross & John, 2003; Mauss, Evers, Wilhelm & Gross, 2006). Gross und John (2003) berichten von überzeugenden Ergebnissen: die Bevorzugung von appraisal Strategien gegenüber der Ausdrucks-Unterdrückung scheint sich auf das Wohlbefinden der Probanden insgesamt positiv auszuwirken: „Moreover, reappraisal was correlated positively with every indicator of positive functioning. Thus, reappraisers were more satisfied with their lives, more optimistic, and had better self-esteem” (Gross & John, 2003, S. 359). Diese beachtlichen Vorzüge des kognitiven Neubewertens gegenüber der Ausrucksunterdrückung liegen wohl vor allem in der Möglichkeit der Nutzung von top-down Prozessen begründet: über die top-down Regulationsmechanismen der höheren, kortikalen Gehirnstrukturen, vor allem des präfrontalen Kortex, vermag das reappraisal die durch subkortikale automatische Prozesse, vor allem der Amygdala, angestoßenen emotionalen Bewertungen der Stimuli bzw. der Situationen zu modulieren (Ochsner, Bunge, Gross & Gabrieli, 2002): „By down-regulating multiple types of evaluation prozesses, reappraisal may shift from an emotional to an unemotional mode of stimulus analysis“ (S. 1223). „This result would support the hypothesis that the amygdala is sensitive to conscious emotion regulation“ (Schaefer, Jackson, Davidson, Aguirre, Kimberg & Thompson-Schill, 2002, S. 914). Dabei zeigt sich ein über die meisten bisherigen fMRI-Studien relativ homogenes Bild (Phan et al., 2002, 2004, 2005): In dem Maße, in dem infolge des appraisals die Aktivierung in präfrontalen Kortexbereichen steigt, sinkt sie in der Amygdala (Keightley, Winocur, Graham, Mayberg, Hevenor & Grady, 2003; Phan et al., 2005; Urry, van Reekum, Johnstone et al., 2006). Die beobachtbare Aktivierung des dorsalen ACC und des präfrontalen Kortex wird mit der dort durchgeführten Auswahl und Anwendung von geeigneten reappraisal-Strategien (siehe 2.3.4) erklärt, die Absenkung der Aktivierung in den Bewertungssystemen wie Amygdala oder Insula mit der erfolgten Re-Evaluation des Stimulus als weniger bis nicht mehr emotional relevant (Ochsner & Gross, 2005). „In general, studies of cognitive change have shown consistently that emotional appraisal systems can be modulated by PFC, OFC and cingulate control systems activated either (i) by high-level expectations for beliefs about, and interpretations of, 111 Theoretische Grundlagen stimuli, or (ii) by learning to associate new emotional responses with stimuli” (Ochsner & Gross, 2005, S. 245). Bei einer genaueren Analyse lassen sich zwei Arten von Kontroll-Prozessen differenzieren. Der erste Typ funktioniert über direkte, reziproke Bahnen und erreicht eine unmittelbare Beeinflussung der Amygdala-Aktivierung: Areale des ventralen PFC und OFC evaluieren die Kontext-Angemessenheit der emotionalen Bewertung und wählen auf der Basis dieses Vorgangs Strategien aus (Ochsner und Gross, 2005; siehe auch Abschnitt 2.3.4). Ein zweiter Typ beinhaltet dorsale PFC Areale, welche wenig bis gar keine direkten Verbindungen zur Amygdala aufweisen. Diese Gebiete werden benutzt, „to explicitly reason about, and describe, how associations between stimuli and emotional responses can be changed. Maintaining representations of these descriptions might provide a task context that indirectly affects emotional associations by biasing processing either in the ventral control system or in perceptual and associative memory systems that represent alternative interpretations of events, which in turn send inputs to appraisal systems (= Amygdala, Anm. d. Verfassers)” (Ochsner & Gross, 2005, S. 246). Für weitere Details zu den neuronalen Aktivierungsmustern bei reappraisal wird auf Ochsner et al. (2004) und Ochsner und Gross (2004, 2005) verwiesen. Nach der Vorstellung der Befunde zu bisher erforschten ER-Strategien wird nun eine Einordnung der Achtsamkeitspraxis in diese Matrix versucht. Vorab soll in einem längeren Zitat das Bild verdeutlicht werden, welches die wissenschaftliche ERForschung über einen optimalen Umgang mit Emotionen entworfen hat: „This perspective suggests that wellbeing may be most likely when we (a) regulate emotion antecedents so that we are emotionally engaged by those pursuits that have enduring value, (b) attend to and experience our emotions in a richly differentiated fashion so that we notice subtle changes in response tendencies, and (c) cultivate the capacity to modulate emotional response components in a variety of ways with a full appreciation of the immediate and longer term consequences (Frijda, 1988). This opens a middle course between silencing the emotions and listening to them and to them alone. Cooperation between reason and emotion brings our actions into line with our enduring concerns, motivating and sustaining action directed toward longerterm projects in the face of temporary setbacks, helping us decide which battles are worth taking up and which to avoid” (Gross, 1998, S. 287). Dieses in seiner Prägnanz beeindruckende Zitat, in dem wesentliche Konzepte der Achtsamkeitspraxis anklingen, darf als passende Brücke zum nächsten Kapitel gelten, und mit diesem auch das Gewicht von Gross´ abschließendem Resümee nehmen: „(…) the detail of how such 112 Theoretische Grundlagen an integration of reason and emotion might be achieved remain obscure“ (Gross, 1998, S. 288). 2.4.1 Achtsamkeit und Emotionsregulierung „It is likely that when traitlike regulatory strategies occur over a long duration of time, plastic changes in the central circuitry of emotion are produced” (Davidson, Jackson & Kalin, 2000, S. 904). Zusammenfassend sollen nun die möglichen emotionsregulierenden Effekte der Achtsamkeitspraxis im Kontext des Modells von Gross (1998a, 2002; siehe Abbildung 16) betrachtet werden. Achtsamkeit a priori als ER-Strategie zu bezeichnen, hat seine Nachteile: eine achtsame Haltung beinhaltet die Verpflichtung, nichts regulieren und ändern zu wollen, sondern die geistigen Inhalte so zu sehen, wie sie sind (Kabat Zinn, 2005). Dass nun solch eine Haltung paradoxerweise emotionsregulierende „Nebenwirkungen“ aufweist, wäre in dieser Betrachtung eher ein Kollateraleffekt der Praxis. Ochsner und Gross (2005) weisen auf eine hilfreiche Einteilungsmöglichkeit von ERStrategien hin, mithilfe derer eine Charakteristik der achtsamen Emotionsverarbeitung deutlich wird: „(…) strategies might differ in (…) whether emotion change is their implicit goal (‚I want to feel better!’), or occurs as a by-product of pursuing some other learning or judgment-related goal (e.g. ‚I want to learn which judgment is correct’)” (S. 243). In diesem Sinne wären die regulierenden Effekte also eher ein „by-product“ der Praxis, ein Resultat der Einsicht, die an erster Stelle steht. Dem Modell in Abbildung 16 folgend, greift Achtsamkeit während der formellen Praxis vermutlich an folgenden („antecedent focused“) Punkten an: • Situation selection: Eine bewusste oder unbewusste Auswahl von Situationen, um die erlebten Emotionen zu beeinflussen, erfolgt naturgemäß nicht. Der Meditierende ist allen aufsteigenden Emotionen zugewandt. In einem gewissen Sinne könnte man jedoch sagen, der Praktizierende wählt gezielt die Situation des meditativen Sitzens, um aufsteigende Emotionen zu bearbeiten. • Situation modification: Die aufsteigenden Emotionen werden nicht durch einen Eingriff in die Situation verändert. Der einzige „Eingriff“ des Praktizierenen wäre das Verharren in der meditativen Sitzhaltung und der Nichtbeurteilung ungeachtet des aufkommenden, evtl. aversiven Materials. • Attention deployment: Hier ist der erste Angriffspunkt während der Praxis, wobei die Aufmerksamkeit den Wandel aller bewussten mentalen und körperlichen Ereignisse umfasst, und besonders die Körperempfindungen mitein- 113 Theoretische Grundlagen schließt. Dies allein kann bereits einen regulierenden Effekt auf die automatischen appraisals der Amygdala ausüben: „some studies have shown that amygdala activation decreases when participants attend to (…) emotional features” (Ochsner & Gross, 2005, S. 244). Auch die Technik des Benennens (Hart, 1996), vermag neueren experimentellen Befunden zufolge bereits einen Einfluss auf weitere Vorgänge zu nehmen: „These results provide evidence for a network in which higher regions attenuate emotional responses at the most fundamental levels in the brain and suggest a neural basis for modulating emotional experience through labeling“ (Hariri, Bookheimer & Mazziotta, 2000, S. 43). • Cognitive change: Die veränderte Einstellung und Haltung aversiven und attraktiven Gefühlen gegenüber setzt hier als Hauptmerkmal der Praxis an. Wie oben ausgeführt, besteht die „Strategie“ nicht darin, den Reizen, wenn sie als aversiv erlebt werden, schnell eine andere Bedeutung zuzuschreiben, damit sich ein neutraleres Gefühl einstellt. Es geht im Gegenteil darum, den erlebten aversiven Gefühlen weniger Ablehnung und Vermeidung, den attraktiven Gefühlen weniger Gier und Anhaftung entgegen zu bringen. Der cognitive change besteht also darin, das Erleben aversiver Gefühle weniger schlimm zu finden, und am Erleben angenehmer Gefühle weniger zu klammern. Ein weiterer, emotional regulierend wirkender Mechanismus während der Achtsamkeitspraxis wird in dem weiter oben (2.2.6) beschriebenem Ziel, die konditionierten Reaktionen auf entstehende Emotionen hin zu verlernen bzw. zu löschen, gesehen. Durch die beschriebene Einstellungsänderung ist es dem Praktizierenden immer mehr möglich, auf entstehende negative oder positive Emotionen hin nicht sofort zu handeln, sondern sie nur zu beobachten, wodurch die konditionierten Reaktionsmuster nach und nach aufgelöst werden. „The orbitofrontal sector of the PFC implements rapid stimulus-reinforcer associations learning and the corrections of these associations when the contingencies of reinforcement change” (Davidson, Jackson & Kalin, 2000, S. 895). Ochsner und Gross (2005) (siehe auch Critchley, Mathias & Dolan, 2002) beschreiben diese Vorgänge als analog zu den neuronalen Aktivationsmustern während der reappraisal-Prozesse: „(…) extinction of classically conditioned fear responses and reversal of stimulus-reward associations have been shown to depend upon interactions between similar cognitive control and emotional appraisal systems (S. 245). Die anspringenden emotionalen Motivationsysteme „approach“ und „withdrawal“ (siehe 2.3) laufen also immer öfter „ins Leere” und 114 Theoretische Grundlagen werden durch Nicht-Handeln nicht weiter verstärkt: „The findings are consistent with models that posit that prefrontal cortical activity modulates subcortical motivation circuits (Ruiz-Padial, Sollers, & Thayer, 2003, S. 206). • „Response focused“: Ein Effekt oder eine Verwendung von Strategien im Bereich der späten Emotionsregulation wird nicht angenommen. Eine Unterdrückung oder sonstige Verfremdung der Ergebnisse der Emotionsverarbeitung liefe einer achtsamen Haltung gänzlich zuwider. Eine regelmäßige formelle Praxis, in der sich diese Vorgänge immer und immer wieder abspielen und sich dadurch immer tiefer verankern, sollte auf die Emotionsverarbeitung im Alltag nun ebenfalls Auswirkungen haben: „Automatic and voluntary emotion regulation may share a similar relationship, with voluntary emotion regulation strategies becoming automatic over time (…), and with automatic regulatory processes taking precedence over voluntary regulatory processes when the individual experiences an extremely intense emotional response“ (Jackson, Mueller, Dolski et al., 2003, S. 614). Ob in einer automatisierten, zeitlich nachgeordneten top-down Beeinflussung der (womöglich unbeeinflussbar) ablaufenden bottom-up Prozesse der unkontrollierten Emotionsverarbeitung (Amygdala etc.), oder in einer langsamen Modulation sogar der initialen bottom-up Prozesse, ist fraglich. Vermutungen bekannter Emotionsforscher gehen in Richtung eines möglichen transformatorischen Einflusses regelmäßig auftretender ER-Vorgänge auf die automatischen Prozesse, allerdings eher auf diejenigen der höheren Kortexgebiete: „(…) greater left PFC electrical activity at rest predicted dampened physiological reactivity to aversive stimuli, which might reflect automatic regulatory processes” (Ochsner & Gross, 2005, S. 243). Auch die weiter oben angeführten Befunde (Lazar et al., 2005) zu den neuroplastischen Einflüssen der Achtsamkeitspraxis auf die Areale der Emotionsverarbeitung (siehe 2.2.6 und 2.3.4) sprechen für solche Annahmen. Andere Autoren befürworten ebenso die Annahme einer top-down Regulation der Amygdala durch den linken PFC bei kontrollierten und automatischen ER-Prozessen: „Inhibition of the amygdala by left PFC may be one of the neural mechanisms underlying both automatic and voluntary emotion regulation. Such inhibition likely occurs both tonically and phasically“ (Jackson et al., 2003, S. 616). Somit scheinen die initialen automatischen Appraisal-Prozesse vor allem der Amygdala wenig beeinflussbar, die weiteren Zentren auch der automatischen Emotionsverarbeitung (vor allem der PFC) jedoch durchaus. Grundlegend zur Untersuchung dieser Fragen waren die Arbeiten von Richard Davidson, der sich ausführlich mit der Rolle des präfrontalen Kortex befasst hat (Davidson, 2004b; siehe auch Coan & Allen, 2003). Davidson konnte zeigen, dass der 115 Theoretische Grundlagen für die Emotionsverarbeitung so wichtige präfrontale Kortex eine Lateralisierung seiner funktionellen Eigenschaften aufweist. Läsionsstudien z.B. stellten erstmalig die Bedeutung der linken Seite des PFC für Generierung positiver Affekte heraus. Neurologische Patienten mit Verletzungen in diesem Bereich präsentierten daraufhin einen übernormalen Zuwachs an depressiven Symptomen (Davidson, Jackson & Kalin, 2000). Weitere Studien (z.B. Urry, Nitschke, Dolski et al., 2004) erbrachten den Nachweis, dass die Baseline-EEG-Aktivität der linken Seite des PFC mit dem allgemeinen, selbstberichteten Wohlbefinden der Probanden zusammenhing. In experimentell induzierten affektiven Zuständen maß Davidson (2004a, 2004b) eine relativ größere Zunahme der linksseitigen PFC-Aktivierung bei positiven Affekten sowie der rechtsseitigen bei negativen Affekten. Er schloss daraus, „that individual differences in baseline levels of asymmetric activation in these brain regions predict differences in dispositional affective style” (Davidson, Jackson & Kalin, 2000, S. 894). Weitere gefundene Korrelate größerer linksseitiger Aktivierung waren den Autoren zufolge: positivere dispositionale Stimmung, geringere selbstberichtete Verhaltenshemmung und gesteigerte Verhaltensaktivierung, weniger Abwehrmechanismen (siehe 2.4), geringere physiologische Reaktivität auf negative Stimuli hin, stabileres Immunsystem und dessen geringere Reaktivität auf emotionale Herausforderungen hin, schnellere affektive Erholung nach einem aversiven Erlebnis. „These findings imply that individual differences in prefrontal activation asymmetry may play a role in regulating the time course of emotional responding and that those individuals with more left-sided prefrontal activation may recover more quickly from negative affect or stress than their right-activated counterparts” (Davidson, Jackson & Kalin, 2000, S. 898). Dies wurde weiter fundiert durch Untersuchungen, in denen der Einfluss der Aktivierungsasymmetrie auf den Zeitverlauf der emotionalen Reaktion experimentell mit dem in dieser Diplomarbeit verwendeten Design über den Einsatz des Schreckreflexparadigmas („Startle“, siehe 2.5.1) untersucht wurde. Nachdem bereits klar geworden war, dass die Art der Emotionsverarbeitung, insbesondere der Einsatz einer willentlichen ER-Strategie, den Startle-Reflex verändert (Dillon & LaBar, 2005; Jackson, Malmstadt, Larson & Davidson, 2000), bestätigte sich, dass bei Personen mit größerer linksseitiger Aktivierung die physiologische Reaktivität nach dem Ende der Stimulusdarbietung (emotionale Bilder) schneller wieder absank und geringer war, als bei Personen mit größerer rechtsseitiger Aktivierung (Jackson, Burghy, Hanna, Larson & Davidson, 2000; Jackson et al., 2003; Larson, 2000; Larson & Davidson, 2001; Larson, Sutton & Davidson, 1998; siehe dazu auch Fullana, Caseras, Riba, Barbanoj & Torrubia, 2006). Dabei ist der Tatsache besondere Beachtung zu schenken, dass die 116 Theoretische Grundlagen Probanden in diesen Studien keine expliziten Instruktionen betreffs Emotionsregulation erhielten, man somit also ihre normalen (automatischen) Emotionsverarbeitungsvorgänge wie sie im Alltag ablaufen, erfassen konnte: „This relation between resting frontal activation and recovery following an aversive event supports the idea of a frontally mediated mechanism involved in one form of automatic emotion regulation“ (Jackson et al., 2003, S. 612). Gemeinsam mit den neuroplastischen Befunden (Lazar et al., 2005), die von einer durch Achtsamkeitspraxis vermittelten Steigerung der PFC-Dicke berichten, und dem bereits erwähnten Experiment von Richard Davidson und Kabat-Zinn (Davidson et al., 2003), das nach einer 8-wöchigen MBSR-Intervention eine Erhöhung der linksseitigen PFC-Aktivität belegte, lässt sich nunmehr die Wirkungsweise der Achtsamkeitspraxis auf die Emotionsverarbeitung ableiten: Anzunehmen ist ein funktioneller und struktureller Wandel in vor allem den linksseitigen Arealen des PFC, wobei diese Transformation eine Modifizierung der automatischen Emotions-verarbeitung vermittelt. Die damit einhergehenden Effekte sollten die physiologische und motivationale Reaktivität verringern sowie deren schnelleres Absinken nach der emotionalen Herausforderung ermöglichen (siehe Hypothesen 2 und 3). Aufgrund dieser ermutigenden Befunde und dem Ergebnis der Arbeitsgruppe um Ruiz-Padial (Ruiz-Padial, Sollers, Vila & Thayer, 2003), die den regulierenden Einfluss des PFC auf die emotionalen Motivationssysteme belegen konnte, war die Wahl der Methode dieser Diplomarbeit auf das Startle-Paradigma gefallen, das zur Erfassung all dieser von Achtsamkeit gebahnter Veränderungen geeignet erscheint: „The findings are consistent with models that posit that prefrontal cortical activity modulates subcortical motivation circuits. These results have important implications for the use of startle probe methodology (…) in the study of emotional regulation and dysregulation” (Ruiz-Padial, Sollers, Vila & Thayer, 2003, S. 306). 2.5 Eingesetzte Emotionsmaße Ziel dieser Diplomarbeit war es, theoretisch postulierte Effekte der Achtsamkeitspraxis auf die normale Emotionsverarbeitung zu untersuchen, und dies in einem experimentellen Rahmen, wie er in der Emotionsforschung den neuesten Standards entspricht. Das hierfür gewählte Design einer Emotionsinduktion via emotionalen Bildmaterials (ausführlicher im Methodenteil in Kapitel 3) hat sich in dieser Form bereits an einer Vielzahl unterschiedlicher Probandenstichproben bewährt (Bradley & Lang, 2000; Bradley, Codispoti, Cuthbert & Lang, 2001; Lang, 1995; Lang, Bradley & Cuthbert, 117 Theoretische Grundlagen 1990, 1998b; Lang, Reenwald, Bradley & Hamm, 1996; Sutton, Davidson, Donzella, Irwin & Dottl, 1997), und wurde ausgiebig diskutiert (Bradley, Codispoti & Lang, 2006). Die Wahl der eingesetzten Methoden zur Emotionsmessung fiel im Lichte der oben berichteten Forschung nicht schwer, da das in der ER-Forschung immer häufiger eingesetzte Startle-Paradigma eine elegante Möglichkeit bietet, die Aktivität der „emotionalen Motivationssysteme” (siehe 2.3: auch „Steuerungssystem“, „motivationale Komponente“) „approach” (Annäherung, Greifen) und „avoidance” (Vermeidung, Aversion) auszulesen, wie nachfolgend dargelegt werden wird (2.5.1). In diesem Bereich der empirischen Emotionsforschung lässt sich nun eine interessante Brücke zur Achtsamkeitspraxis schlagen – ist doch deren erklärtes Ziel, der Abbau der konditionierten Anhaftung und Aversion auf die emotionalen Empfindungen hin (siehe 2.1 und 2.2). Des Weiteren schien es relevant, durch ein Selbsteinschätzungsverfahren die durch das experimentelle Paradigma ausgelösten subjektiven Gefühle zu erfassen, da von der Achtsamkeitspraxis deren zunehmende Klarheit und Intensität postuliert wurde (siehe 2.1, 2.2 und 2.2.6). Das zur Erfassung der Gefühlskomponente eingesetzte so genannte computerisierte „SAM”-Verfahren (SAM = „Self Assessment Manikin”) und das dem Versuch folgende Interview werden in Abschnitt 3.3.1 besprochen. Zusätzlich zur motivationalen Komponente war es aufgrund der in Kapitel 2.2.6 zusammengestellten vermuteten Wirkmechanismen der Achtsamkeitspraxis von Interesse, die Einflüsse der Praxis auf die peripherphysiologische Komponente mit zu erfassen, da hier eine verringerte Reaktivität zu erwarten ist. Die in der Emotionsforschung häufig eingesetzte (Boucsein, 1995; Schandry, 1998, 2006) Messung der elektrodermalen Aktivität (EDA) wurde hierfür als Indikator gewählt (siehe 2.5.2). Das Defense- und Appetitive-Motivationssystem: Wie in Abschnitt 2.3.3 erwähnt, findet die Emotionsmessung mit den oben eingeführten Methoden basierend auf dem mehrdimensionalen Emotionsmodell nach Bradley und Lang (1998) oder auch Davidson und Irwin (1999) statt. Emotion wird darin als evolutionär nützliche Handlungsdisposition verstanden, die sich auf den Dimensionen Valenz und Intensität (Erregung) abbildet und eines der beiden konträren emotionalen Motivationssysteme „approach” (= appetitive Motivation) oder „avoidance” (= defensive Motivation) aktiviert. 118 Theoretische Grundlagen Abbildung 17: Das emotionale „Defense”-Motivationssystem [Abb, aus Lang, Bradley & Cuthbert, 1998]. Defense-Motivation: In Abbildung 17 sind für beide in dieser Diplomarbeit erfassten, physiologisch messbaren Emotionskomponenten die Wege der automatischen, amygdala-basierten Emotionsverarbeitung aufgeführt. Entscheidend an dieser detaillierten Darstellung ist, dass bei Aufnahme aversiver, bedrohlicher Reize über die Sinnesorgane zum sensorischen Thalamus hin, eine direkte Verbindung zur Amygdala besteht, die den Grad der Bedrohung der Reize fortwährend autonom evaluiert (2.3.4). Über ihren lateralen Nucleus sendet die Amygdala nun Befehle an den Nucleus Reticularis Pontis Caudalis, dessen Feuern u.a. zur Modulation, im Falle von aversiven Stimuli zur Potenzierung, des Startle-Reflexes führt (siehe auch Davis, 1997). Über die laterale Region des Hypothalamus wiederum steuert die Amygdala nach entsprechender Bewertung die Aktivierung des autonomen Nervensystems, dem die EDA-Reaktion untersteht. Wie in Abbildung 18 weiterhin zu sehen ist, erfahren EDA und Startle-Reflex nach der Begegnung mit dem Stimulus, den die Amygdala als hinreichend bedrohlich zur Aktivierung des Defensiv-Motivationssystem eingestuft hat, einen mit dessen steigender Aktivierung zunehmenden Anstieg im weiteren Zeitverlauf. Festzuhalten ist also hier die positive Korrelation des Grades der DefensivMotivationssystem-Aktiviertheit und des Anstiegs der beiden Maße (Bradley et al., 2001). 119 Theoretische Grundlagen Abbildung 18: Zeitlicher Verlauf einzelner Komponenten während der „Defensiv Kaskade“ [Abb. aus Bradley & Lang, 2001]. Für die Startle-Reaktion lässt sich reliabel eine initiale Inhibition auf die Reizdarbietung feststellen, die durch die anfängliche Hinwendung, sensorische Erfassung und Verarbeitung sowie die erhöhte Aufmerksamkeitszuwendung erklärt wurde (Bradley et al., 2001). Damit ist das defensive Motivationssystem charakterisiert durch zwei mögliche Stufen: Bei einer geringen bis moderaten Aktivierung, fließen die verfügbaren Ressourcen des Organismus aufgrund der Aufmerksamkeitszuwendung zum emotional valenten Reiz in die Stimulusverarbeitung, die motorischen Reaktionen sind gehemmt (daher auch der inhibierte Startle, die so genannte „prepuls-inhibition”; siehe Bradley, Codispoti & Lang, 2006). Das Geschehen wird zu gleichen Anteilen von Parasympathikus und Sympathikus bestimmt (Bradley et al., 2001). In diesem Stadium der emotionalen Reaktion findet sich auch eine eher moderate EDA, die den Autoren zufolge ebenfalls Indikator für eine Orientierungsreaktion und Aufmerksamkeitszuwendung darstellt (Bradley et al., 2001). Die zweite Stufe des defensiven Motivationssystems, die gewöhnlich dann angestoßen wird, wenn die weitere Stimulusevaluation sehr aversiv und bedrohlich ausfällt (Lang, Bradley & Cuthbert, 1998b), führt nun zu dem Knick in der Startle-Reaktion, und der Zunahme der EDA. Bradley et al. (2001) erläutern dazu: „With more pronounced defense system acitivation, however, oriented attention starts to give way to metabolic mobilization for active defense and sympathetic reflex innervation dominates. This is signaled initially by greater electromdermal activity and a change in the startle response. Significantly, 120 Theoretische Grundlagen the startle response is now potentiated. This change from inhibition to potentation mirrors the switch from orientation to defense (…)” (S. 279). Der nächste logische Schritt wäre dann das dergestalt angebahnte, tatsächliche Verhalten, das in der so genannten Fight-Flight Reaktion gipfelt, der Organismus also je nach Einschätzung entweder versucht, die aversive Reizquelle zu zerstören, oder flieht (Bradley, Cuthbert & Lang, 1999). Im Normalfall ist das subjektive Erleben von aversiven Emotionen stark mit einer Aktivation des defensiven Motivationssystems korreliert (Bradley et al., 2001). Zum einen, weil im Falle des Wahrnehmens bedrohlicher Reize das Anstoßen dieses Systems durch automatische Verarbeitungsvorgänge initiiert wird (siehe 2.3.4), zum anderen, da auf das Erleben aversiver Emotionen gewöhnlich zusätzlich mit starker Vermeidung oder Ablehnung reagiert wird (siehe 2.1 und 2.2.6). Appetitive-Motivation: Die neuronalen Grundlagen des appetitiven Motivationssystems wurden bereits in Abschnitt 2.3.4 erörtert. Es handelt sich vor allem um den Nucleus Accumbens und das mesolimbische Dopaminsystem, welches auch als Belohnungssystem bezeichnet wurde (Schandry, 2006). Das appetitive Motivationssystem hat im Anschluss an ähnliche Orientierungsreaktionen wie beim DefenseSystem die Aufgabe, den Organismus zur als begehrenswert klassifizierten Reizquelle hinzuführen, ihn danach greifen zu lassen, und die Aneignung zu motivieren (Bradley et al., 2001). Dieses Verhaltensmuster tritt wohl am stärksten bei sexuellen Reizen auf, die aufgrund der Zuverlässigkeit, mit der sie selbst im Labor das appetetive Motivationsystem auslösen, oft bei Emotionsexperimenten eingesetzt wurden (Bradley & Lang, 2000; Bradley et al., 2001; Lang, Bradley & Cuthbert, 1998b). Die Auswirkungen der Aktivierung des appetitiven Motivationssystems werden von Bradley et al. (2001) geschildert: „When pleasant pictures engage the appetitive system, it is presumed that this state inhibits noncongruent defensive reflexes (e.g. the startle reflex). Thus, the greatest startle inhibition (…) is expected during the viewing of erotic stimuli. Because an increase in the intensity of appetitive motivation, like increased defensive motivation, is associated with greater sympathetic activity, we expect that the largest skin conductance changes should occur for the most arousing pleasent contents, that is, erotica“ (Bradley et al., 2001, S. 280). Wiederum hat die Forschung eine generelle Korrelation der Aktivitiätshöhe des Motivationssystems und der subjektiven Einschätzung positiv valenter Emotionen als begehrenswert erbracht (Bradley et al., 2001). Auch hier findet sich als Erklärung die initial automatisch angestoßenen Bewertungsmechanismen der unkontrollierten Emotionsverarbeitung. Darüber hinaus jedoch ebenso die gewöhnliche Reaktion auf das Erleben von 121 Theoretische Grundlagen angenehmen, lustvollen Emotionen: es erfolgt ein Anhaften, ein Greifen, oder ein Festhalten der Situation, der Emotion, da sie als so lustvoll erlebt wird. Im Hinblick auf die in 2.2.6 beschriebene generelle Zunahme der Parasympathikus- auf Kosten der Sympathikusaktivität im Laufe der Meditationspraxis ist das Zwei-Phasenmodell der Motivationssystem-Aktivierung besonders interessant: in der ersten Phase ereignet sich die oben dargestellte Orientierungsreaktion, deren moderater EDA-Anstieg nach Bradley et al. (2001) teils vom Parasysmpathikus vermittelt wird. Falls daraufhin Phase zwei des Motivationssystems angestoßen wird, verschiebt sich die Balance des autonomen Nervensystems, und der Sympathikus gewinnt die Oberhand, der auch die starken EDA-Anstiege und den Wechsel hin zur Startle-Potenzierung moderiert. Die mit zunehmender Achtsamkeitspraxis erwartete Abschwächung der Motivationssystemaktivierung in Hypothese 3.2 (siehe Abschnitt 2.6) ist also zum Teil über Einflüsse dieser Sympathikus-Parasympathikus Verschiebung denkbar. Als weiterer Mechanismus kommt der durch die neuroplastischen Effekte der Meditationspraxis veränderte Einfluss des PFC auf die Amygdala in Frage, die im Kapitel 2.4.1 aufgeführt wurden: „The defense circuitry ist plastic; it learns“ (Bradley & Lang, 2000). Wie in 2.4.1 beschrieben, nimmt der linke PFC über diesen Weg Einfluss auf das defensive Motivationssystem. „Startle reflex measurement ist not a direct measure of emotion´s psychophysiology“ (Bradley, Cuthbert & Lang, 1999, S. 158). Eine bedeutende Schlussfolgerung aus den Befunden über die emotionalen Motivationssysteme besteht darin, dass man präzise trennen muss zwischen dem subjektiv erlebten Gefühl einerseits, und der EDA und dem Schreckreflex andererseits. Letztere sind also keine Maße, die etwa der Intensität oder Valenz des erlebten Gefühls gleichzusetzen wären oder sie direkt abbilden, sondern die Höhe von EDA und Startle ist „determined by the level of engagement of the emotional motivation system, that is, the extent to which passive attention or defensive / appetitive action (tendencies) dominates“ (Bradley et al., 2001, S. 293). „The startle reflex can be used to index the mobilization of these appetetive and aversive systems, and to mark the threshold at which orienting to a stimulus shifts to approach or defense“ (Bradley, Cuthbert & Lang, 1999, 176). Dies wird für die nachfolgende Interpretation der Startle- und EDA-Ergebnisse entscheidend sein. 2.5.1 Startle-Reflex „A powerful tool for studying the time course of affective responding (Davidson, 1998) is electromyographic (EMG) measurement of emotion-modulated startle (…). Using 122 Theoretische Grundlagen such measures, it is possible to probe both during and after an affective challenge to determine both initial emotional reactivity and duration of emotional response. By inserting startle probes at different points during and after an emotional stimulus, we hoped to capture a feature of affective style that may be characteristic of relatively automatic emotion regulation” (Jackson et al., 2003, S. 613). Der Startle-Reflex ist wie oben (2.5) ausgeführt speziell für die Erfassung der motivationalen Komponente ideal: „The picture/probe paradigm, because it induces a posture of motivated attention, is excellent for assessing activation of the appetitive and aversive motivational system in humans by measuring affective modulation of the startle reflex“ (Bradley, Cuthbert & Lang, 1999, S. 183). Besonders reizvoll ist das Startle-Paradigma im Kontext der Meditationsforschung spätestens, seit Paul Ekman und Robert Levenson (aufgezeichnet in Goleman, 2005) in einer (unpublizierten) Einzellfalluntersuchung bei einem erfahrenen buddhistischen Mönch keine Lidschlussreaktion nach Darbietung eines Schreckreizes fanden (die gewöhnlich nicht willentlich verhinderbar ist). „Ekman berichtete, Ösers (= der Mönch, Anm. d. Verfassers) Physiologie habe zwar geringfügige Veränderungen gezeigt, doch in seinem Gesicht habe sich kein Muskel geregt, was Öser damit erklärte, dass sein Geist von dem Knall nicht erschüttert wurde“ (S. 46). Der Lidschlagreflex als Teil der Schreckreflex-Kaskade ist ein primitiver (bei den meisten Wirbeltieren vorkommender) Abwehr-Reflex (Anthony, 1985), der durch abrupt auf den Organismus einwirkende sensorische Ereignisse ausgelöst wird (Davis, 1997). Die Kaskade beinhaltet eine Reihe von Flexorbewegungen, die entlang der neuronalen Achse von oben nach unten ausgelöst werden. Größtenteils dienen diese Reflexe dem Schutz des Körpers, indem sie z.B. wie beim Lidschlag Organschäden vorbeugen (Lang, Bradley & Cuthbert, 1999), gleichzeitig aber auch als eine Verhaltensunterbrechung fungieren, um die eventuelle, herannahende Bedrohung optimal erfassen zu können (Lang, 1995). Der Lidschlag ist in dieser Reflex-Sequenz die schnellste und stabilste Komponente, er reagiert bereits 25-40 ms nach Einsetzen des Schreckreizes (Lang, 1995). Er ist es auch, der gewöhnlich in Studien, die sich des Startle-Paradigmas bedienen, gemessen wird. Zu seiner Evozierung bedient man sich meist eines akustischen Schreckreizes. Am besten gelingt dies mit abrupt einsetzendem, so genanntem „weißen Rauschen” in einer Lautstärke zwischen 80 und 110 dB (Bradley, Codispoti & Lang, 2006). Die Stärke der so ausgelösten Lidschlagreaktion wird über elektromyographische Messung der Aktivität des musculus orbicularis oculi mit Elektroden abgeleitet (Blumenthal, Cuthbert, Filion, Hackley, Lipp & Van Boxtel, 2005; siehe auch weiter unten Abschnitt 3.4). 123 Theoretische Grundlagen Als erste regten Anthony (1985) und vor allem Vrana (1995) und Vrana, Spence und Lang (1988) Überlegungen an, inwiefern der Schreckreflex in der Emotionsforschung von Nutzen sein könnte. Vor allem die Arbeitsgruppe um Lang und Bradley legten daraufhin eine ganze Reihe von Arbeiten zum Startle-Reflex vor (z.B. Lang, Bradley & Cuthbert, 1990), in denen sie eine mögliche Startle-Reflex Modulation durch emotionales Priming („to prime“ = anbahnen, vorbereiten) postulierten, und so das Startle-Paradigma als Maß für die motivationale Komponente der Emotionsverarbeitung einführten (Bradley et al., 2001). Das Startle-Paradigma hat daraufhin in den verschiedensten Bereichen der Emotionsforschung immer mehr an Beliebtheit gewonnen (Details bei Filion, Dawson & Schell, 1998; und Gaussmann, 2003). Emotionales Priming: Eine früher von der Arbeitsgruppe um Graham (Anthony & Graham, 1985) vertretene Erklärung der Befunde der ersten Starte-Studien, die einen verstärkten Lidschlag beim Betrachten aversiver, sowie einen abgeschwächten beim Betrachten angenehmer Bilder fanden, sah so aus: Sie argumentierten mit einer Umverteilung der Aufmerksamkeit bzw. des Interesses aufgrund des visuellen Stimulus Materials, was wegen der unterschiedlichen sensorischen Modalitäten (Bild – visuell; Startle – auditiv) zu einer Modulierung der Reaktion führe. Bei angenehmen Bildern wird mehr Aufmerksamkeit auf die Verarbeitung des visuellen Materials verwendet, was die insgesamt zur Verfügung stehenden Ressourcen mindert, und somit den Startle abschwäche. Entsprechend führe eine Abneigung den Bildern gegenüber zu einer Blockierung des visuellen Kanals, womit dann für die akustische Verarbeitung mehr Ressourcen zur Verfügung stünden, der Startle damit also besser prozessiert werden, und dadurch potenziere. Lang, Bradley und Cuthbert (1990) konnten diese Theorie falsifizieren, indem sie den Probanden sowohl akustische, als auch optische Schreckreize (Lichtblitze) darboten, die Potenzierung bei aversivem und die Inhibierung bei appetitivem Material jedoch bestehen blieb. Bradley, Lang und Cuthbert (1993), Cuthbert, Bradley und Lang (1996) sowie Lang (1995) entwickelten die konkurrierende Theorie der Startle-Modulation via emotionalem Priming, die sich mittlerweile allgemein durchgesetzt hat und in vielen Versuchen bestätigt wurde (Bradley, Codispoti & Lang, 2006; Larson, Ruffalo, Nietert & Davidson, 2005). Die Theorie des emotionalen Primings besagt nach Bradley, Codispoti und Lang (2006), dass während des Zeitraumes, in dem einer der beiden emotionalen Motivationssysteme (siehe 2.5) aktiviert ist, dieses einen modulierenden Einfluss auf die Informationsverarbeitung des gesamten Gehirns ausübt. Insbesondere die Assoziationen, Repräsentationen und Handlungsabläufe, die mit dem aktiven Motivationssystem verbunden oder vereinbar sind, werden dabei gebahnt. Dies bedeutet für diese eine 124 Theoretische Grundlagen größere Zugriffswahrscheinlichkeit und Ausführungsstärke als für andere Informationen. Entsprechend resultiert daraus für mentale Vorgänge, die mit dem nichtaktivierten emotionalen Motivationssystem verbunden sind, eine geringere Zugriffswahrscheinlichkeit und Ausführungsstärke. „According to the motivational priming hypthesis, the defensive startle reflex should be of significantly greater amplitude (and faster) when the aversive motivational system is active“ (Bradley & Lang, 2000). „Conversly, when appetitive motivation is dominant, as when people view pleasant, arousing pictures, the defensive startle reflex is inhibited“ (Bradley, Codispoti & Lang, 2006). Diese Startle-Modulation ist dabei nicht von der Neuheit des Stimulus abhängig: „That is, while there is an overall diminuation of the startle reflex over blocks of trials, affective potentation and inhibition remain even when the same pictures are repeatedly presented (Bradley & Lang, 2000; siehe auch Bradley, Cuthbert & Lang, 1996; Bradley, Gianaros & Lang, 1995; und Larson, Ruffalo, Nietert & Davidson, 2005). Weiterhin bleibt nach Codispoti, Bradley und Lang (2001) dieser modulierende Effekt auch bestehen, wenn die Bilder nur für eine kurze Zeit gezeigt werden: „These results are intriguing and suggest that reflex modulation by affective valence does not require the actual presence of a perceptual stimulus, but instead is an index of the mental processes associated with perception“ (Bradley, Cuthbert & Lang, 1999. S. 173). Hier zeigt sich eine Möglichkeit, die weiter oben (2.5) referierten Einflüsse der Achtsamkeitspraxis via PFC einzuordnen: Wird die durch den Stimulus ausgelöste Emotion nicht weiter als bedrohlich und schlimm bewertet, so sollte sich durch geringere Aktivation des defensiven Motivationssystems auch weniger StartlePotenzierung zeigen. „It explains, for example, why differences might be found between threatening events and those that are nonthreatening (…), even when they are described as equally unpleasent“ (Bradley, Cuthbert & Lang, 1999, S. 183). Dieses Zitat fasst die erwarteten Ergebnisse der Meditierenden treffend zusammen: Sie sollten die erlebten Emotionen zwar als genauso unangenehm einstufen, dieses Unangenehm-Sein aber als weniger schlimm und bedrohlich erleben, und daher weniger Aversion zeigen. Vielmehr sollte bei ihnen aufgrund der trainierten Achtsamkeit und Aufmerksamkeit, durch die ihnen ein bewussterer und hilfreicherer Umgang mit emotionalen Ereignissen ermöglicht wird, lediglich die erste Phase der motivationalen Systeme anspringen: „At lower levels of defensive or appetitive activation, however, the primary adjustment is an increase in attentional resource allocation and sensory intake, which presumably increases the probability that an appropriate, life-saving (or sustaining) action will be selected“ (Bradley, Codispoti & Lang, 2006, S. 487). Der unter dem Einfluss der Meditation veränderte PFC ist Cook, 125 Theoretische Grundlagen Hawk, Davis und Stevenson (1991) zufolge dazu in der Lage, auf den Teil des StartleSchaltkreises Einfluss zu nehmen, der die Stärke des Reflexes determiniert: „(…) startle magnitude appears to be sensitive to processes mediated at higher levels of the nervous system, such as attention“ (S. 12). Um optimale Bedingungen für eine motivationale Modulation des Lidschlagreflexes zu gewährleisten, wurden nur diejenigen Versuchsdurchgänge in die Auswertung miteinbezogen, die Bilder mit IPAS-Arousal-Normratings von 6 aufwiesen: „The importance of emotional intensity in the affective modulation of the startle reflex is now clear, with a number of studies reporting that the most arousing picture contents (e.g., erotica, threat) prompt the greatest modulation of the blink reflex (…)” (Bradley, Cuthbert & Lang, 2006, S. 487; siehe dazu auch Bernat, Patrick, Benning & Tellegen, 2006). Diese von der IAPS-Normstichprobe als hoch-erregend eingestuften Bilder führen also gewöhnlich dazu, dass die jeweiligen emotionalen Motivationssysteme maximal angestoßen werden (soweit das bei statischen Bilddarstellungen der Reize möglich ist). Abbildung 19 zeigt einen mithilfe dieses Paradigmas gewonnenen, typischen Verlauf der Schreckreaktion über mehrere Startle-Zeitpunkte, wobei jeweils emotionale Bilder als Hintergrundstimuli präsentiert wurden, was die deutlich ablesbare Modulation verursacht hat. Abbildung 20 löst das Zeitfenster unmittelbar nach Bilddarbietung noch etwas feiner auf, wodurch u.a. die oben beschriebenen Effekte der „Prepulse-Inhibiton“ sichtbar werden. Vom ersten bis zum letzten der hier jeweils verwendeten StartleZeitpunkte zeigen sich unterschiedliche Kräfte, die teilweise integriert auf die letztendlich sichtbare Startle-Stärke Einfluss nehmen, deren Einflüsse also verwoben sind, und die aus diesem Grund kurz differenziert werden sollen. Nach Bradley, Codispoti und Lang (2006) findet sich (a) ein sehr früher (bei einem Startle-Zeitpunkt 50 ms nach Bildbeginn), steigernder Effekt, auch „intersensory integration” genannt; (b) ein früher (100 - 250 ms) inhibierender Effekt, auch als „sensory prepulse inhibition” bezeichnet; (c) ein inhibierender Effekt („attentional prepulse inhibiton“) der um 300 ms seine maximale Inhibition erreicht, und der vom affektiven Gehalt der Stimuli moduliert wird; (d) die Modulation durch emotional-motivationales Priming, die um 500 ms beginnt, und gewöhnlich mindestens 6 Sekunden aufrechterhalten bleibt, nach 6 Sekunden zumindest deutlich schwächer wird. Die Effekte (a) und (b) wurden mit dem in dieser Diplomarbeit verwendeten Design nicht erfasst, und daher nur skizziert: 126 Theoretische Grundlagen Abbildung 19: Normaler Modulationsverlauf des Lidschlagreflexes [Abb. aus Lang, Bradley & Cuthbert, 1998]. Abbildung 20: Feinere Auflösung der Prepulse-Inhibition des Startle-Reflexes [Abb. aus Bradley, Codispoti & Lang, 2006]. 127 Theoretische Grundlagen (a) Nach Bradley, Codispoti und Lang (2006) kann man diesen, eher selten untersuchten Effekt wohl auf die Summation zweier gleichzeitig auf den sensorischen Apparat treffenden Reize zurückführen: „(...) reflex facilitation reflects summation that occurs when activation from different sensory sources reaches a common neural location“ (S. 492). (b) Die darauf folgenden inhibierenden Effekte führen die Autoren zurück auf „an obligatory inhibition of reflex magnitude that occurs whenever another stimulus precedes the startle probe by a brief delay and which is often interpreted as due to sensory gating (…), suggesting that a change in the sensory array is a primary variable underlying these starle effects“ (S. 492). (c) „Attentinal prepulse inhibition“ Effekte beginnen um 300 ms nach Bildbeginn, und verglichen mit Schreckreflexen, die ohne Hintergrundstimulation mit Bildern erzeugt wurden, bleibt diese vergleichbare, generelle Inhibition bis nach Ausblenden des Bildes erhalten (Bradley, Codispoti & Lang, 2006): „These general inhibitory effects – long-lasting and affected by stimulus content – are hypothesized here to reflect reflex inhibition by attention, in which resource allocation to affectively engaging foregrounds decreases the number of resources available for processing the acoustic startle probe” (S. 495). Wenn aber nun, wie in diesem Zitat gezeigt, Aufmerksamkeitszuwendung hemmende Effekte bewirkt, stellt sich die Frage, wie lange diese Effekte einen relevanten Anteil zur Netto-Höhe des Startle-Reflexes beisteuern. Die früher vertretene Auffassung, lediglich die durch die Aktivität des motivationalen Systems vermittelten Priming-Effekte würden im weiteren Verlauf die Startle-Höhe modulieren, stellte sich nun diesbezüglich als unzureichend heraus. Bradley, Codispoti und Lang (2006) konnten mithilfe der P3 Komponente der ERPs (event-related-potential) im EEG (für Details siehe Schandry, 2006) der Probanden belegen, dass die Aufmerksamkeitszuwendung bei affektiven Bildern längerfristig erhöht bleibt: „On the other hand, the pronounced attenuation of the P3 response for affectively engaging pictures, compared to neutral or blank pictures throughout the viewing interval, suggests a sustained difference in attention allocation that presumably contributes an inhibitory component to the startle blink response at all probe delays“ (S. 495). Im Hinblick auf die antrainierte achtsame Aufmerksamkeitszuwendung der Meditierenden, die möglichst ohne Bewertung die mentalen und emotionalen Ereignisse wahrzunehmen versuchen (weniger erwartete Aktivität emotionaler Motivationssysteme), ist 128 Theoretische Grundlagen dies eine wichtiger Befund für die anschließende Diskussion der gefundenen Startle-Verläufe der Probanden. „Taken together, the data are consistent with theory suggesting that heightened attention can reduce the magnitude of blink potentation to highly arousing, unpleasent contexts” (Bradley et al., 2001, S. 294). „It appears that attentional processing has sustained inhibitory effects on the startle blink reflex (…)“ (Bradley, Codispoti & Lang, 2006, S. 294). (d) „The strength of defensive or appetetive activation is important for hedonic modulation of the startle reflex“ (Bradley, Codispoti & Lang, 2006, S. 295). Abbildung 19 zeigt in der dort so bezeichneten “affect region” gut den glockenförmigen Verlauf der Startle-Modualtion, der nun den Netto-Effekt der beiden einwirkenden Faktoren attention allocation (Inhibition) und defensive activation (Potenzierung) bzw. appetitive motivation (Inhibition) darstellt. Zu Beginn der affektiven Modulation des Startle ist das defensive Motivationssystem noch in Phase eins (Orientierung), somit dominiert Aufmerksamkeitszuwendung, also weiterhin relative Hemmung. Diese jedoch wird mit zunehmender Motivationssystemaktivität überlagert (sie bleibt jedoch bestehen, siehe c) von den zusätzlichen potenzierenden bzw. Inhibierenden Effekten des emotional motivationalen Primings der Phase zwei. Wiederum konnten Bradley, Codispoti und Lang (2006) unter Zuhilfenahme der dabei erhobenen P3 Amplitude der ERPs belegen, dass die Spitze im Startle-Verlauf nicht auf mangelnde Aufmerksamkeitszuwendung zurückführbar ist, sondern nur durch defensives Priming erklärt werden kann. Die wieder abfallende Höhe des Reflexes im weiteren Verlauf mag sich aus der sinkenden Motivationssystemaktiviertheit erklären, zu der abschließend auch noch die Effekte der nachlassenden Aufmerksamkeitszuwendung hinzustoßen, die im Anstieg zum letzten Startle-Zeitpunkt hin ihren Niederschlag findet. Ebenso denkbar wäre innerhalb eines derartigen experimentellen Settings jedoch eine Erwartungsangst in der Art „der Startle steht nun unmittelbar bevor, da er solange ausblieb”. Ochsner und Gross (2005) beschreiben, wie die Antizipierung von aversiven Ereignissen (Schreck, Schock) die Aktivität in Cingulum, Insula und Amygdala erhöhen. Wie man in Abbildung 21 sehen kann, verliert sich der durch emotionales Priming bedingte, klare Modulationseffekt nach Ende der Bilddarbietungszeit zunehmend. 129 Theoretische Grundlagen Abbildung 21: Startle Modulation vor, während und nach der Bilddarbietung [Abb. aus Dichter, Tomarken & Baucom, 2002) Zusammenfassend kann man somit Bradley, Codispoti und Lang (2006) zitieren: „Whether attentional inhibition or defensive priming will dominate in modulating the startle reflex during the stages of unpleasant picture viewing will depend upon the threat intensity of the aversive material“ (S. 295) – oder aber der Meditationserfahrung, die eben die „threat intensity of the aversive material“ transformiert, wie die Hypothese 3.2 in Abschnitt 2.6 behauptet. „Research suggests that emotional responses often persist beyond the offset of the eliciting stimulus, and individuals may differ in the duration of this persistence. Importantly, research has also suggested that this individual variability may be meaningfully related to motivational system sensitivity“ (German Gard, 2004, S. 13). Aufgrund der Vielschichtigkeit der einflussnehmenden Effekte ist es ratsam, bei der Interpretation der gefunden Startle-Daten behutsam vorzugehen. „Taken together, the data suggest that the startle reflex is a complex index of defensive and appetitive motivation, reflecting initial sensory engagement, sustained attentional processing, and the organism’s disposition to action when confronted by an emotionally arousing cue“ (Bradley, Codispoti & Lang, 2006, S. 296). 2.5.2 Elektrodermale Aktivität „Die elektrodermale Aktivität ist in besonderer Weise geeignet, negativ erlebte Zustände zu indizieren, die nicht aktiv bewältigt werden können“ (Boucsein, 1995, S. 152). Die EDA gilt seit langem als sensibler Indikator der Erregung des Organismus, speziell der durch emotionale Ereignisse provozierten Erregung (Schandry, 1998). Aufgrund ihrer Bekanntheit und der ausführlichen Diskussion, die sie bereits erfahren hat (z.B. Boucsein, 1995; Schandry, 1998, 2006; Tranel, 2000; Walschburger, 1975), sollen hier nur die für diese Untersuchung wichtigen Aspekte der EDA skizziert werden. 130 Theoretische Grundlagen Gewöhnlich ist es nicht möglich, die Valenz der erlebten Emotion anhand des EDA-Verlaufes zu differenzieren, da die EDA unabhängig von ihr mit zunehmender Intensität steigt, wobei sehr erregende, positive Bilder (z.B. Erotika) gewöhnlich eine etwas höhere EDA bedingen, als entsprechend erregende negative Bilder (Lang, Reenwald, Bradley & Hamm, 1996; Sabatinelli, Bradley & Lang, 2001). Ausgelöst wird die EDA, die in engem Zusammenhang mit der Aktivität der Schweißdrüsen steht, durch sympathisch beeinflusste Steuerungszentren des autonomen Nervensystems (ANS). Wie in 2.3 bereits dargestellt, wird die EDA als Teil des Versorgungssystems des Organismus gesehen, das im Zuge der Aktivierung angesichts emotional bedrohlicher oder handlungsfordernder Stimuli den Organismus auf eine Kampf-/Fluchtreaktion vorbereitet. Das emotionale Schwitzen unterscheidet sich damit vom normalen thermoregulatorischen Schwitzen, welches unter der Kontrolle des Hypothalamus steht. Beim emotional ausgelösten Schwitzen finden sich überwiegend kortikale Kontrollmechanismen, wie Boucsein (1995) ausführt. Vor allem über die Basalganglien sowie den so genannten Papez-Kreis des limbischen Systems werden die emotionalen Einflüsse auf die EDA vermittelt (Schandry, 1998, 2006). Diese Vorgänge wiederum stehen nun bemerkenswerterweise unter dem exzitatorischen Einfluss der Amygdala sowie den inhibitorischen Effekten des Hippocampus sowie großer Gebiete des frontalen Kortex (Boucsein, 1995; für Details siehe Critchley et al., 2000, 2002; Anders et al., 2004; Tranel, 2000). Speziell der mediale orbitofrontale Kortex scheint an der Regulation der EDA beteiligt zu sein (Ohira et al., 2006). Hier lassen sich mit den in Abschnitt 2.2.5 und 2.4.1 aufgeführten Befunden zu von Achtsamkeitspraxis bedingten neuroplastischen und funktionellen Veränderungen in diesen Bereichen die Einflussmöglichkeiten der Meditationspraxis auf die neurophysiologischen Komponenten, speziell die EDA vermuten. Entscheidend für das in dieser Diplomarbeit durchgeführte Experiment und die erwarteten EDABefunde (siehe Hypothese 3.1 in Abschnitt 2.6) ist, die klassische Interpretation ansteigender EDA zu relativieren: Im Normalfall spiegelt eine steigende EDA eine zunehmende subjektive Gefühlsintensität wider (Lang et al., 1996). Diese Korrelation ist nun aber gerade aus dem Grunde beobachtbar, da die EDA als eine Komponente der emotionalen Motivationssysteme genau dann rapide ansteigt, wenn der Organismus durch Bewertungsprozesse die Stimuli bzw. Emotionen als bedrohlich und zu vermeiden, bzw. als nicht mehr bewältigbar evaluiert hat (siehe 2.5 und 2.5.1). Da dies im Normalfall beim Anstieg der subjektiven Gefühlsintensität automatisch passiert, entsteht diese hohe Korrelation zwischen den beiden Emotionskomponenten. Für Meditationserfahrene wird vermutet, dass deren abnehmende Aversion bzw. Anhaftung 131 Theoretische Grundlagen auf (auch intensive) Erfahrungen hin, zu einer geringeren Aktivierung der defensiven bzw. appetitiven Motivationssysteme führt, und daher die steigende Intensität der Gefühlskomponente von der Intensität der peripherphysiologischen Komponente dissoziiert, da keine Kampf-/Flucht Reaktion vorbereitet werden muss. (Auf die SAM-Skala, die zur Erfassung des subjektiven Gefühlserlebens eingesetzt wurde, geht Abschnitt 3.3.1 näher ein.) 2.6 Fragestellungen und Hypothesen An dieser Stelle werden die Fragestellungen sowie die Hypothesen im Einzelnen aufgeführt. Die zugrunde liegende Theorie ist eingehend in den Teilen 2.1 bis 2.5 erarbeitet worden, auf die diesbezüglich verwiesen wird. Fragestellung 1: Welchen Einfluss hat Achtsamkeitspraxis auf die subjektiv erlebte Gefühlskomponente der emotionalen Reaktion? Hypothese 1: Mit zunehmender Achtsamkeitspraxis steigt die Intensität der subjektiv erlebten Gefühle, sie werden zunehmend intensiver erlebt und deutlicher wahrgenommen. Es wird daher erwartet, dass… • 1a) …die Mittelwerte der SAM-Intensitätsratings auf emotional valente Bilder hin von Gruppe 0 (Nichtmeditierende) über Gruppe 1 (Kurzzeitmeditierende) zu Gruppe 2 (Langzeitmeditierende) hin signifikant zunehmen. Da der Grund für den Anstieg in der Achtsamkeitspraxis vermutet wird, wird angenommen, dass die SAM-Intensitätsratings signifikant positiv mit der Achtsamkeitspraxis in Stunden korrelieren. • 1b) …über die Gruppen 1 nach 2 der prozentuale Anteil an meditierenden Probanden zunimmt, der im Nachinterview Angaben macht, die auf eine Erhöhung der Gefühlsintensität im Laufe der Meditationspraxis hindeuten, im Vergleich zum prozentualen Anteil derjenigen, die Angaben machen, die auf eine Verringerung hindeuten. 132 Theoretische Grundlagen Fragestellung 2: Welchen Einfluss hat Achtsamkeitspraxis auf den zeitlichen Verlauf der emotionalen Reaktion? Hypothese 2: Mit zunehmender Achtsamkeitspraxis setzt bei emotional valenten Stimuli die emotionale Reaktion schneller ein, erreicht schneller ihren Höhepunkt und fällt anschließend auch schneller wieder auf Baseline-Niveau ab. Es wird daher erwartet, dass… • 2a) …bei emotional valenten Bildern die Mittelwerte der EDA-Latenz, der EDAAnstiegszeit und der EDA-Halbwertszeit von Gruppe 0 nach 2 hin signifikant abnehmen. Da der Grund der Abnahme in der Achtsamkeitspraxis vermutet wird, sollten diese drei EDA-Indices mit der Achtsamkeitspraxis in Stunden signifikant negativ korreliert sein. • 2b) … bei emotional valenten Bildern sowohl die Potenzierung als auch die Inhibition der Startle-Response von Gruppe 0 zu 2 hin zunehmend schneller einsetzt, ihren jeweiligen Höhepunkt erreicht und auch wieder abnimmt. Da der Grund dieser Beschleunigung in der Achtsamkeitspraxis vermutet wird, sollte für beide Modulationsindices die Differenz „Index während minus Index nach Bilddarbietung“ mit der Achtsamkeitspraxis in Stunden signifikant positiv korreliert sein. Fragestellung 3: Welchen Einfluss hat Achtsamkeitspraxis auf die Intensität der neurophysiologischen und motivationalen Komponente der emotionalen Reaktion? Hypothese 3.1: Mit zunehmender Achtsamkeitspraxis nimmt die Intensität der neuro- physiologischen Komponente der emotionalen Reaktion auf emotional valente Stimuli hin ab, hier erfasst über das Maximum der ersten EDA-Reaktion pro Trial und die aufsummierte Stärke aller EDA-Reaktionen pro Trial. Es wird daher erwartet, dass… 133 Theoretische Grundlagen • …die Mittelwerte dieser beiden EDA-Indices von Gruppe 0 zu 2 signifikant absinken. Da der Grund der Abnahme in der Achtsamkeitspraxis vermutet wird, sollten beide EDA-Indices mit der Achtsamkeitspraxis in Stunden signifikant negativ korreliert sein. Hypothese 3.2: Mit zunehmender Achtsamkeitskompetenz nimmt die Intensität der Aktivierung des „approach“ Motivationssystems beim Erleben positiv valenter Emotionen und die Intensität der Aktivierung des „avoidance“ Motivationssystems beim Erleben negativ valenter Emotionen ab. Es wird daher erwartet, dass… • 3.2a) …das Mittel der Startle-Höhe von Gruppe 0 zu 2 hin signifikant abnimmt. Da der Grund hierfür in der Achtsamkeitspraxis gesehen wird, sollte die StartleHöhe signifikant negativ mit der Achtsamkeitspraxis korrelieren. • 3.2b) …die Höhe des Potenzierungs- und Inhibitions-Index zu den StartleZeitpunkten, die eine Modulation vermitteln, von Gruppe 0 nach 2 signifikant abnimmt. Da der Grund der Abnahme in der Achtsamkeitspraxis gesehen wird, sollten die beiden Modulationsindices mit ihr signifikant negativ korreliert sein. Fragestellung 4: Welchen Einfluss hat die Achtsamkeitspraxis auf die Affekttoleranz? Hypothese 4: Mit zunehmender Achtsamkeitskompetenz nimmt die Affekttoleranz zu, es werden also weniger Vermeidungsstrategien angewendet und unter emotional herausfordernden Erlebnissen leidet das subjektive Wohlbefinden zunehmend weniger. Es wird daher erwartet, dass… • 4a) …von Gruppe 0 nach 2 der Anteil der Probanden signifikant steigt, die im Nachinterview die Angabe machen, im Versuch keine Vermeidungsstrategien benötigt und angewendet zu haben. • 4b) …der Versuch von Gruppe 0 nach 2 zunehmend weniger negativen Einfluss auf das allgemeine Wohlbefinden der Probanden nimmt, die Differenz der nach und vor dem Versuch abgegebenen Befindlichkeitsratings von Gruppe 0 zu 2 signifikant abnimmt und negativ mit der Achtsamkeitspraxis korreliert. 134 Methodisches Vorgehen 3. Methodisches Vorgehen 3.1 Versuchsplan und unabhängige Variable (UV) Ziel der Untersuchung war, Einfluss und Auswirkungen der Achtsamkeitspraxis auf die Emotionsverarbeitung und Emotionsregulation zu erkunden, wobei sowohl die subjektive Gefühlskomponente als auch peripherphysiologische Komponenten der emotionalen Reaktivität erfasst werden sollten. Dieses Anliegen wäre am idealsten innerhalb einer Prae-Post-Test Kontrollgruppen Studie zu realisieren gewesen. Diese wäre das Design der Wahl, um gefundene Effekte eindeutig kausal interpretieren zu können. Aus zeitlichen und logistischen Gründen war es jedoch nicht möglich, im Rahmen dieser Diplomarbeit ein derartiges Design zu verwirklichen. Somit fiel die Wahl zu Beginn auf einen quasiexperimentellen Mehr-Gruppen-Plan mit gerichteten, unspezifischen Unterschiedshypothesen. Verglichen werden sollten nach Davidson et al. (1976) vier Gruppen: Nichtmeditierende, Anfänger (bis 1 Monat Praxis), Kurzzeitmeditierende (bis 24 Monate Praxis) und Langzeitmeditierende (ab 24 Monate Praxis). Bei dieser Art von Untersuchung stellt sich jedoch wegen fehlender Randomisierung immer das Problem der internen Validität (Bortz & Döring, 2002). Dies betrifft vor allem die Kontrolle personenbezogener Störvariablen. Alle untersuchten Gruppen sollten sich bestenfalls nur auf der Dimension Meditationserfahrung unterscheiden (Bortz, 1999), auf allen sonstigen relevanten Dimensionen hingegen wie Geschlecht, Alter, Bildung, Neurotizismus, Drogen- und Medikamenteneinnahme, etc. sollten die Gruppen im Mittel vergleichbar gehalten werden. Auch sind Selbst-Selektionseffekte unter den Meditierenden denkbar, und fordern damit zusätzlich den quasiexperimentellen Ansatz heraus. Möglich wäre durchaus, dass eher Menschen mit einer bestimmten Persönlichkeitskonfiguration oder Emotionsverarbeitung länger bei der Meditationspraxis bleiben, und damit die Gruppe der Langzeitmeditierenden bilden würden (Davidson, Goleman & Schwartz, 1976; Shapiro, Walsh & Britton, 2003). Die Untersuchungsergebnisse würden also gegebenenfalls nicht die Effekte der Meditation abbilden, sondern bereits vorher bestehende Personenvariablen, die eher der Grund für die Aufnahme der Praxis waren. Zusätzlich zeigt sich, dass die Meditationserfahrung nicht komplett durch die Meditationszeit in Jahren abgebildet wird (Walach et al., 2003). Meditationserfahrung (und deren Auswirkungen) ist infolgedessen keine diskontinuierliche Variable, die zwischen Gruppen mithilfe der Meditationszeit in Jahren aufgeteilt werden kann, ohne statistische Power zu verlieren. Aus diesem Grund wurde versucht, die Unterschiede zwischen den Probanden feiner aufzulösen, indem aus Praxisdauer in Jahren, Frequenz der Meditation pro Woche und Tag, Dauer einer Sitzung, sowie Anzahl 135 Methodisches Vorgehen absolvierter Retreats die tatsächlichen Praxisstunden errechnet wurden. Dies gewährleistet auch die Vergleichbarkeit mit dem Gros der aktuellen Publikationen in diesem Bereich (z.B. Lazar et al., 2005; Lutz et al., 2004). Besagte Argumente, und die Erfahrung, dass es sich bereits im Vorfeld des Experimentes als schwierig herausstellte, ein gutes Matching (Bortz, 2002) zwischen den vier Gruppen zu gewährleisten, führten dazu, die Studie letztlich korrelativregressionsanalytisch zu konzipieren. Der Mehr-Gruppenplan wurde zur varianzanalytischen Hypothesentestung beibehalten, strukturell jedoch leicht modifiziert, da sich nicht genügend Meditationsanfänger zum Zeitpunkt der Untersuchung finden ließen. Es verblieben drei Gruppen: Nichtmeditierende, Kurzzeitmeditierende (bis 15 Jahre Praxis) und Langzeitmeditierende (ab 15 Jahre Praxis). Zusätzlich wurden die oben beschriebene Variable „Achtsamkeitspraxis in Stunden“ sowie weitere relevante Variablen wie Alter, Geschlecht etc. in die korrelative Auswertung miteingebracht. Da die Variable „Achtsamkeitspraxis in Stunden“ nicht normalverteilt war, wurden für die Regressionsrechnungen die Prozentränge der Achtsamkeitspraxis ermittelt. Um hier eine kontinuierliche Abstufung über alle Probanden zu erreichen, wurde als Basis die Metavariable „Achtsamkeitspraxis in Stunden + Score im Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit (FFA, siehe weiter unten)“ zugrunde gelegt. Somit ließen sich auch die Nichtmeditierenden (die den Fragebogen ebenfalls ausgefüllt hatten) in ihrer Achtsamkeit differenzieren, und es konnte ein insgesamt kontinuierlicher Verlauf der Prozentränge über alle Probanden erreicht werden. Ziel dieser zusätzlichen Auswertungen war es, herauszurechnen, in wie weit ein mögliches Zutreffen der Hypothesen auf die Achtsamkeitspraxis zurückführbar ist bzw. welche weiteren Personenvariablen zum Ergebnis beitrugen. Für den korrelativen Ansatz war günstig, dass bei den gefundenen meditationserfahrenen Probanden die Meditationszeit letztendlich vielfältig abgestuft war. Die eigentliche UV ist somit das Ausmaß der Achtsamkeitspraxis. Für die Hypothesentestung wurde sie auf die Gruppenzugehörigkeit heruntergebrochen (Nichtmeditierende, Gruppe 0; Kurzzeitmeditierende, Gruppe 1; Langzeitmeditierende, Gruppe 2). 3.2. Stimulus Materialien und experimentelles Design 3.2.1 Visuelles Stimulusmaterial In der aktuellen Emotionsforschung wird überwiegend mit Emotionsinduktion mittels visuellen Materials gearbeitet (Bradley & Lang, 2000). Dabei kommen sowohl emotional aufgeladene Filmclips (z.B. Ochsner & Gross, 2005; oder Gross & 136 Methodisches Vorgehen Levenson, 1995) als auch emotionale Bilder in Form von Fotomaterial erfolgreich zur Anwendung (Lang, Reenwald, Bradley & Hamm, 1996). „Research has demonstrated that these photographic images evoke a broad range of emotional reactions, varying in intensity and involving both pleasant and unpleasent affect“ (Lang, Bradley & Cuthbert, 1998b, S. 394). Auf Bilder als Stimuli wurde auch in der hier berichteten Studie zurückgegriffen, da sie mittlerweile das gängigste Paradigma darstellen und zudem mit einigen für die experimentelle Forschung wichtigen Vorteilen verbunden sind: Zum einen ist der Proband bei der Bilderbetrachtung passiv, d.h. er produziert nur sehr wenig motorische Interferenz. Man kann daher die Aktivierungen, die man in elektrophysiologischen Messungen beobachtet, sicherer auf das Stimulusmaterial zurückführen. Ferner können Eigenschaften der Stimuli wie Darbietungszeit, Intensität4, Valenz etc. leicht kontrolliert werden. Ein Grund für die Fruchtbarkeit dieses Paradigmas und der darauf basierenden, zahlreichen Veröffentlichungen ist sicherlich auch die einfache Replizierbarkeit der experimentellen Designs und der gewonnenen Daten (Lang, Bradley & Cuthbert, 1997). 1988 begannen Lang und Greenwald mit der Entwicklung eines umfassenden Sets von Bildern, die als geeichte emotionale Reize für Experimente international einsetzbar sein sollten. So entstand die erste Version des „International Affective Picture System“ („IAPS“; Lang, Bradley & Cuthbert, 1998a; Lang, Öhman & Vaitl, 1988). Die Standardisierung dieser IAPS-Bilder wurde damals von einer großen Gruppe von Versuchspersonen vorgenommen. Sie bewerteten ihre emotionale Erfahrung auf jedes der vorgelegten Bilder. Diese Bewertungen wurde mit Hilfe des Self-Assessment-Manikin („SAM“, Bradley & Lang, 1994), einer Selbsteinschätzungsskala, für die Valenz- und Erregungsdimension durchgeführt. Abbildung 22 zeigt die Verteilung der emotionalen Ratings der IAPS-Bilder im zweidimensionalen Raum „Valenz“ (hier „Pleasure“) x „Intensität“. Die sich abzeichnenden „Bumerang-Arme“ reflektieren die beiden in Kapitel 2.5 beschriebenen hypothetischen Systeme der Motivation „approach“ und „avoidance“, die auf der Intensitätsdimension variieren und der affektiven Beurteilung zugrunde liegen. Die Bumerangform hat sich bisher als sehr stabil erwiesen – es wurden bislang keine hoch erregenden und gleichzeitig neutralen Reize gefunden. Leider traf die beim Vertreiber des IAPS georderte, neueste Version der Datenbank (Lang, Bradley & Cuthbert, 2005) erst einen Monat nach Untersuchungsbeginn ein, sodass die ältere Version mit der Nr. 14 für das hier referierte Experiment 4 „Intensität“ und „Erregung“ wird im Text synonym verwendet. Im Englischen wird im IAPS-Paradigma das Wort „arousal“ eingesetzt. Da im Deutschen dessen direkte Übersetzung „Erregung“ zumindest leicht negativ konnotiert ist, wurde im Probandenkontakt immer von „Intensität“ gesprochen. 137 Methodisches Vorgehen zum Einsatz kommen musste. Aus dieser IAPS-Batterie wurden 120 Bilder anhand ihrer Valenz- und Intensitäts-Normratings ausgewählt. Abbildung 22: Mittlere Valenz- und Erregungswerte der IAPS-Bilder [Abb. aus Bradley & Lang, 2000]. Es wurden je 1/3 positive, negative und neutrale Bilder verwendet. Da die positiven Bilder auch Erotika enthielten, wurde je ein Set von 40 positiven Bildern für Männer und für Frauen erstellt, sodass die mittleren Normratings von beiden Sets vergleichbar waren. Auch bei den negativen Bildern weichen die normativen Ratings der Frauen von denen der Männer teilweise ab. Daher wurden auch hier zwei Bildersets zusammengestellt (die sich dennoch in großen Teilen ähneln, 8 Bilder wurden ausgetauscht), in denen sich die durchschnittlichen normativen Ratings von Männern und Frauen anglichen. Die Auswahl der neutralen Bilder war für beide Geschlechter identisch. Für die Zusammenstellung der Kategorien der positiven und negativen Bilder flossen Überlegungen und Ergebnisse von Bradley, Cuthbert und Lang (1999) in die Auswahl mit ein: Sie berichten, dass eine Startle-Potenzierung und -Inhibition erst bei Bildern ab Arousal-Normratings von 6 ausgeprägt sichtbar würde, da der Bildinhalt erregend und signifikant genug sein müsse, um eines der beiden emotionalen Motivationssysteme (approach / avoidance) anzustoßen. Andererseits rät Jennings (2003) jedoch davon ab, ausschließlich hoch-erregende Bilder als Stimuli zu verwenden, da sich so die Erregung über die Versuchsdurchgänge hinweg aufschaukeln könnte, und die erfassten emotionalen Reaktionen somit immer schwieriger auf einen bestimmten Stimulus zurückführbar wären. Auch sei die Compliance (Kooperationswilligkeit) der Probanden, das komplette Experiment durchzuhalten, mit zunehmend 138 Methodisches Vorgehen intensiven und ekelerregenden Stimuli immer weniger gegeben. Unter diesen Bedingungen wurde für die vorliegende Arbeit folgende Strategie gewählt: In den beiden emotionalen Bildkategorien wurden 3/5 der Bilder aus dem Segment „hocherregend“ (Arousal-Normrating über 6) gewählt und entsprechend 2/5 der Bilder mit Arousal-Normratings darunter (hier: „mäßig-erregend“). In der Kategorie der hocherregenden positiven Bilder fanden sich vor allem erotische Szenen, aber auch Abenteuer-Szenen wie Fallschirmsprünge, Motorradfahrer, Achterbahnfahrten etc. Die mäßig erregenden positiven Bilder beinhalteten z.B. lachende Babies und Kinder, niedliche Tiere, glücklich wirkende Menschen und Familienszenen sowie malerische Naturaufnahmen. Die neutrale Bedingung umfasste z.B. Bilder von Mustern, Gegenständen und neutralen sozialen Situationen. Die Gruppe der hoch-erregenden negativen Bilder enthielt unter anderem Fotos von Attacken auf Personen, direkte Bedrohungen, wie z.B. auf den Betrachter gerichtete Waffen, kranke und verstümmelte Menschen, Leichen(teile), sowie ekelerregende Szenen. Ausgewählt wurden diese Bilder aus der IAPS-Datenbank anhand folgender Kriterien für die Normratings („1“ bildet hierbei das Minimum und „9“ das Maximum): Tabelle 3: Kennzeichen der eingesetzten IAPS-Bilder 1/3 positive Bilder (n=40), 7/8 (n=35) davon mit Startle (jeder Zeitpunkt je 5x). 1/3 negative Bilder (n=40), 7/8 (n=35) davon mit Startle (jeder Zeitpunkt je 5x). 1/3 neutrale Bilder (n=40), 7/8 (n=35) davon mit Startle (jeder Zeitpunkt je 5x). davon 2/5 mäßig erregend (n=16), wiederum 7/8 davon mit Startle (n=14) davon 3/5 stark erregend (n=24), wiederum 7/8 davon mit Startle (n=21) davon 2/5 mäßig erregend (n=16), wiederum 7/8 davon mit Startle (n=14) davon 3/5 stark erregend (n=24), wiederum 7/8 davon mit Startle (n=21) ValenzNormrating: größer 6 größer 6 kleiner 4 kleiner 4 kleiner 6 & größer 3 ArousalNormrating: kleiner 6 & größer 4 größer 6 kleiner 6 & größer 4 größer 6 kleiner 3 N = 120 Bilder Die Grundlage für diese Strategie bei der Auswahl des Stimulusmaterials war dabei die Dissertation von Jennings (2003), die ein ähnliches Design anhand einer eingehenden Sichtung der bis dahin publizierten Startle- / IAPS-Literatur einsetzte, um die Emotionsregulation bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung zu untersuchen. 139 Methodisches Vorgehen 3.2.2 Akustischer Schreckreiz Zur Auslösung der Lidschluss-Schreckreaktion wurde ein akustischer Schreckreiz zu unterschiedlichen Zeitpunkten an je verschiedenen Versuchsdurchgängen nach Bildbeginn über Kopfhörer dargeboten. Der Schreckreiz wurde entsprechend den StartleGuidelines nach Blumenthal et al. (2005) erstellt. Zum Einsatz kam dazu die Software CoolEdit®. Der akustische Schreckreiz (Soundformat: 22050 Hz, 16bit, Stereo) bestand aus einem weißen Rauschen, das für die Dauer von 50 ms mit der Stärke 98 dB (A) und unmittelbarem Anstieg binaural über Kopfhörer präsentiert wurde. 3.2.3 Experimentelles Design Das Experiment beginnt mit einer zweiminütigen Baselinemessung (siehe Anhang B2.1), während der die Probanden mit offenen Augen, den Blick auf ein Fixationskreuz gerichtet, stillsitzen, um sich an die Apparaturen zu gewöhnen, und um evtl. relevante Baseline-Parameter zu erheben. Im Anschluss erscheint die Versuchsinstruktion (siehe Anhang B2.2), die alle wichtigen Anweisungen für die Probanden noch einmal zusammenfasst. Ihr folgen zwei Probedurchgänge, um die Teilnehmer mit dem Startle-Geräusch vertraut zu machen (German Gard, 2004), und ihnen die Benutzung der selbsterstellten, computerisierten 9-stufigen Version der SAMRatingskala für Gefühlsintensität und -valenz (siehe Anhang B2.3 und B2.4) zu erklären. Diese wird in zeitlichem Abstand nach der Bilddarbietung auf dem Bildschirm präsentiert und ist mit der Maus leicht zu bedienen (siehe Abbildung 23). Sind danach keine Fragen mehr offen, beginnt die erste Hälfte der insgesamt 120 Versuchs-Trials. Nach 60 Trials wird für drei Minuten pausiert. Anschließend folgen die zweiten 60 Trials. Jeder der Trials startet mit Einblendung eines weißen Fixationskreuzes auf schwarzem Grund für je eine Sekunde. Darauf folgt ein IAPS-Bild für die Dauer von sechs Sekunden (diese Darbietungszeit hat sich als Standard in der Literatur niedergeschlagen, siehe z.B. Lang, Bradley und Cuthbert, 2005). Nach dessen Ausblenden erscheint erneut das Fixationskreuz für eine Dauer von 10, 12, oder 14 Sekunden, welche sich nach dem Startle-Zeitpunkt des Trials richtet (nähere Erläuterungen dazu weiter unten). Nach diesem Erholungszeitraum wird die SAMRatingskala für die Gefühlsintensität dargeboten. Sobald der Proband durch einen Mausklick gewählt hat, folgt die Skala für die Valenzeinschätzung. Unmittelbar danach beginnt der nächste Trial wie oben beschrieben mit Darbietung des Fixationskreuzes für eine Sekunde (siehe auch Abbildung 24). 140 Methodisches Vorgehen PräsentationsPräsentations-Vorlauf bis zum Versuchsbeginn: Instruktion Baseline Baseline (2 min) Instruktion Versuch Fixationskreuz (1s) Erstes Probebild (6s) Startle Zweites Probebild (6s) Fixationskreuz (1s) SAMSAM-Rating Valenz Fixationskreuz (10s) SAMSAM-Rating Intensität SAMSAM-Rating Valenz SAMSAM-Rating Intensität Fixationskreuz (10s) Versuchsbeginn Startle Abbildung 23: Ablauf der Präsentation bis zum Versuchsbeginn Ablauf ab Versuchsbeginn: ein Trial Fixationskreuz (1s) IAPSIAPS-Bild (6s) Bild für 6 s Zeit (Sek.) Æ0 mögliche StartleZeitpunkte: 1 2 1,5 59 weitere Trials 3 4 Fixationskreuz (10,12, od. SAMSAM-Rating Intensität 14s) SAMSAM-Rating Valenz Fixationskreuz für 10, 12 od. 14 s, je nach Startle-Zeit 5 4,5 6 7 8 9 10 11 12 6,5 7,5 8,5 Pause (3min) 13 13 Beginn 2. Hälfte 14 15 16 17 18 19 20 15 60 weitere Trials Ende des Versuchs Abbildung 24: Ablauf der Präsentation ab Versuchsbeginn 141 Methodisches Vorgehen Um den zeitlichen Verlauf der affektiven Reaktion mit dem Startle-Paradigma optimal erfassen zu können, wurden 7 unterschiedliche Zeitpunkte nach Bildbeginn für die Darbietung des Schreckreizes festgesetzt. Die ersten beiden Zeitpunkte liegen 1,5 Sek. bzw. 4,5 Sek. nach Bildbeginn, also noch während der 6 Sekunden dauernden Bilddarbietung. Jennings (2003) führt diese, Bradley, Lang und Cuthbert (1993) folgend, als robusteste Zeitpunkte an, zu denen eine emotionsmodulierte Schreckreaktion erfassbar ist. Die restlichen fünf Startle-Zeitpunkte (6,5 Sek., 7,5 Sek., 8,5 Sek., 13 Sek., 15 Sek.), die jeweils nach der Bilddarbietung angesiedelt sind, dienen zur Erfassung der „affective chronometry“ (Davidson, 1998), also des zeitlichen Verlaufs der emotionalen Reaktion. Diese Zeitpunkte sind nach Davidson (2000) nützlich, um zu messen, wie schnell sich eine Person von einer emotionalen Reaktion erholt (siehe auch Larson et al., 1998 sowie Larson & Davidson, 2001). Jennings (2003) rät in der Diskussion ihrer Ergebnisse, ein ausreichend langes Zeitfenster zu betrachten, um auch den Abfall der emotionalen Reaktion beobachten zu können. Sie gibt zu bedenken, dass die vier von ihr zusätzlich eingesetzten Startle-Zeitpunkte nach Bilddarbietung (6,5 Sek., 7,5 Sek., 8,5 Sek. und 13 Sek.) unter Umständen nicht ausreichten, um den gesamten emotionalen Verlauf abzubilden. Unterstützung für die Wahl eines solch ausgedehnten Zeitfensters kommt von einer IAPS-fMRI-Studie, die von einem durchschnittlich 80-prozentigen Abbau der ausgelösten emotionalen Reaktion nach 16 s berichtet (Garrett & Maddock, 2000). Der letzte Zeitpunkt 15 Sek. nach Bildbeginn wurde aus diesen Gründen zusätzlich mit in das experimentelle Design der hier vorgestellten Studie aufgenommen. Für Trials mit einem der beiden spätesten Startle-Zeitpunkte (13 bzw. 15 Sek. nach Bildbeginn) wird die Darbietungsdauer des Fixationskreuzes auf 12 bzw. 14 Sek. ausgedehnt, um auch für diese Trials eine angemessene Erholungszeit vor dem SAM-Rating zu gewährleisten. Auch für eine evtl. spätere Auswertung der EDA-Reaktion auf den Startle war hier ein längeres Zeitfenster nötig. Pro Trial wird immer nur an einem der möglichen Startle-Zeitpunkte ein Schreckreiz dargeboten. Innerhalb jeder Valenzkategorie sind 35 der gezeigten Bilder mit einem Schreckreiz assoziiert, 5 davon frei von akustischer Stimulation. Das entspricht einem Verhältnis von 7/8 Trials mit Startle Darbietung zu 1/8 ohne. Jeder Startle-Zeitpunkt wird so 5 x in jeder Valenzkategorie dargeboten. Innerhalb der positiven und negativen Valenzkategorien befinden sich, wie weiter oben (Tabelle 3) beschrieben, n = 16 „mäßig-erregende“ und n = 24 „hoch-erregende“ Bilder. Auch innerhalb dieser Untergruppen findet sich wieder ein Verhältnis von 7/8 „Trials mit Startle“ / „Trials ohne Startle“. Also enthalten von den 24 „hoch-erregenden“ Trials 21 142 Methodisches Vorgehen Trials einen Schreckreiz (jeder Zeitpunkt je 3 x) und von den 16 „mäßig-erregenden“ Trials 14 einen Schreckreiz (jeder Zeitpunkt je 2 x). Nach Implementierung dieser Strategie auf die Bild / Startle Konfiguration wurden die erzeugten Trials randomisiert, und anschließend wurde auf die Einhaltung der folgenden, bei German Gard (2004) erwähnten Kriterien hin kontrolliert: Nicht mehr als zwei Bilder derselben Valenz hintereinander und nicht mehr als drei Bilder mit demselben Startle-Zeitpunkt (incl. dem Startle-Zeitpunkt „kein Startle“) nacheinander. 3.3. Messinstrumente und abhängige Variablen (AV) Im Folgenden werden die abhängigen Variablen als Indikatoren für die Emotionsverarbeitung sowie deren Messinstrumente eingeführt. 3.3.1 AV „subjektives Gefühlserleben“ Das im Versuch induzierte subjektive Gefühlserleben der Probanden wurde über das „Self-Assessment-Manikin“ (SAM; Bradley & Lang, 1994) mit den beiden Dimensionen Intensität und Valenz erhoben. Im Anschluss an die Darbietung eines jeden IAPSBildes inclusive des darauf folgenden Fixationskreuzes wurde eine computerisierte Version der SAM-Skala präsentiert. Abbildung 25: Teile der verwendeten SAM-Version (links Valenz, rechts Intensität) Diese Form der Erhebung des emotionalen Erlebens ermöglicht die Zuordnung subjektiver Ratings zu den physiologischen Aktivitätsmustern einzelner Versuchstrials. Mit dem SAM erhält man eine nonverbale Bewertung des Emotionserlebens in Anlehnung an das Circumplex-Modell von Russell und Pratt (1980) auf zwei jeweils neunstufigen Skalen, die über menschliche Piktogramme (Manikin = Männlein) vermittelt werden (vgl. auch Anhang B2.3 / B2.4). Zur weiteren Exploration wurde die subjektive Gefühlskomponente darüber hinaus in einem halb-strukturierten Interview im Anschluss an den Versuch thematisiert (Leitfaden siehe Anhang A1.8). Die Frage, wie sich das Emotionserleben im Laufe der Praxis verändert, konnte dort ausgiebig und differenziert besprochen werden. Insbesondere etwaige Modulationen von Intensität und Qualität des Gefühlserlebens 143 Methodisches Vorgehen mit zunehmender Praxisdauer wurde mit den Probanden thematisiert. Die Antworten wurden notiert und anschließend qualitativ ausgewertet (Lamnek, 2005). Es wurden inhaltlich gleiche Antworten in Cluster überführt und bei jeder Versuchsperson codiert, ob sie im Laufe des Interviews diesen Cluster ansprach. Somit konnte für jeden Aussagencluster errechnet werden, wie viel Prozent aller Gruppenmitglieder diese Aussage (von sich aus) erwähnten. 3.3.2 AV „Affekttoleranz“ Das Ausmaß der Bereitschaft, alle Affekte anzunehmen und diese zu tolerieren, wurde über das Nachinterview (siehe Anhang A1.8) erhoben. Hier wurden die Probanden nach ihrem Umgang mit während des Versuchs entstehenden Emotionen gefragt, um eventuelles Vermeidungsverhalten zu erfassen. Das Ausmaß der subjektiven Belastung durch den Versuch wurde ebenso thematisiert. Zusätzlich wurde den Probanden vor und nach dem Versuch eine Ratingskala vorgelegt, auf der sie ihr allgemeines subjektives Wohlbefinden einstufen sollten (in Schulnoten mit 1 = sehr gut, 6 = sehr schlecht), wobei auch halbe Schritte möglich waren. 3.3.3 AV „Intensität & Verlauf der emotionalen Reaktionen“ Der zeitliche Verlauf der Emotionsverarbeitung und die Intensität der Reaktion wurden über peripher-physiologische Maße operationalisiert. Das wichtigste Instrument war hier das Startle-Paradigma (zu dessen Bedeutung siehe 2.5.1). Mit Hilfe von EMGMessungen wurde die Lidschlagkomponente des Schreckreflexes während des Versuchs erfasst. Die Startle-Zeitpunkte während der Bilddarbietung dienten der Erfassung der initialen Reaktion, die Zeitpunkte nach Bilddarbietung der Erfassung des Verlaufs und der Erholung. Zusätzlich wurde die elektrodermale Aktivität (EDA) gemessen (zu deren Bedeutung siehe 2.5.2), die mit ihren Aspekten Latenz, Anstiegszeit, Maximum, Summe und Halbwertszeit ebenso zur Aufklärung des Zeitverlaufs und der Intensität der Reaktion beiträgt (Boucsein, 1995; Schandry, 1998, 2006). 3.3.4 Explorativ erhobene Daten Neben den Messinstrumenten zur Erfassung der abhängigen Variablen wurden einige Fragebögen gegeben, ohne spezifische Hypothesen zu formulieren. Auch ging es darum, zu entscheiden, ob möglicherweise gefundene Gruppenunterschiede in den AVs von evtl. signifikant unterschiedlichen Ladungen auf den Fragebogen-Scores mit beeinflusst sein könnten: 144 Methodisches Vorgehen - die deutsche Version des Fragebogen „PANAS“ („Positive and Negative Affect Scale“) nach Krohne et al. (1996), Orginalversion von Watson et al. (1988), zur Erfassung der „Trait“ Affekte, d.h. der allgemeinen, überdauernden emotionalen Verfassung der Versuchsteilnehmer. Er ordnet seine Items den Dimensionen „positive Affect“ (PA) und „negative Affect“ (NA) zu. - die deutsche Version des Persönlichkeits-Fragebogens „NEO-FFI“ nach Borkenau und Ostendorf (1994), Orginalversion von Costa und McCrae (1992), zur Erfassung der sogenannten „big five“ Persönlichkeitsfaktoren (Allport, 1937): Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus sowie Offenheit für Erfahrungen. - die „Skalen zum Erleben von Emotionen“ (SEE) von Behr und Becker (2004). Gemessen werden hier Aspekte des Emotionserlebens: 1. Akzeptanz eigener Emotionen, 2. Erleben von Emotionsüberflutung, 3. Erleben von Emotionsmangel, 4. Körperbezogene Symbolisierung von Emotionen, 5. Imaginative Symbolisierung von Emotionen, 6. Erleben von Emotionsregulation, 7. Erleben von Selbstkontrolle. Die Skalen messen, wie Personen eigene Gefühle wahrnehmen, bewerten und damit umgehen. 3.4 Untersuchungsablauf 3.4.1 Gewinnung geeigneter Probanden Am Anfang des Versuchs stand die Kontaktaufnahme zur „Buddhistischen Akademie Berlin“ und zum „Buddhismus in Berlin und Brandenburg e.V.“, den beiden regionalen Dachorganisationen für Buddhistische Zentren und Gruppen in Berlin. Beide gelten als traditionsübergreifende, wissenschaftlich orientierte Netzwerke für alle, die Buddhismus im europäisch-westlichen Kulturraum üben und weitergeben. In Kooperation mit Frau Renate Seifarth, Kuratoriumsmitglied der Akademie und Vipassana-Lehrerin, über diverse Email-Verteiler, Newsletter und Web-Anzeigen bei verschiedenen online-Netzwerken, über Aushänge in relevanten Buchläden, sowie durch Besuche aller bekannter Theravada- und Vipassana-Zentren in Berlin (gefunden u.a. über Grübel & Rademacher, 2003) wurde um Versuchsteilnehmer mit formeller Meditationserfahrung geworben. Es wurde ein Flyer erstellt, der über die Zusammenarbeit der Uni Gießen, der TU Berlin, der „Society for Meditation and Meditation Research“ und der „Buddhistischen Akademie Berlin“ das Interesse der Praktizierenden wecken sollte (siehe Anhang A1.1). Als Motiv wurde dort angegeben, die heilsamen Auswirkungen der Vipassana-Meditation untersuchen zu wollen. Als 145 Methodisches Vorgehen Einschlusskriterium wurde eine regelmäßige Meditationspraxis („mindestens 3 - 5 x Praxis / Woche“) angegeben. Die Gewinnung geeigneter, vor allem vom Altersdurchschnitt her ähnlicher Kontrollprobanden gestaltete sich schwieriger, da im universitären Umfeld größtenteils 20 - 30 Jährige auf den Aushang ansprachen. Daher wurden Aushänge, die sich explizit auf die Altersklasse der 35 - 65 Jährigen bezogen, im öffentlichen Raum um die Universität verteilt, sowie im Bekannten- und Verwandtenkreis, und unter den Angestellten der Universität Personen angesprochen. Der Aushang warb für die Teilnahme an einem als „Experiment zur visuellen Wahrnehmung“ bezeichneten Versuch. Die Teilnahme mit einer Dauer von ca. zwei Stunden wurde den Kontrollprobanden mit einer Aufwandsentschädigung von 20 € vergütet. Die Finanzierung dieser Entschädigungszahlungen wurde komplett von der „Society for Meditation and Meditation Research“ (www.smmr.de) übernommen. Um den eigentlichen Versuch zeitlich zu begrenzen, wurden allen interessierten Praktizierenden per E-Mail bzw. Post vorab folgende Fragebögen zugesandt: „Meditationstiefefragebogen“ (MTF; Piron, 2000) und „Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit“ Kurzversion mit 14 Items (FFA; Walach et al., 2003) zur Erfassung des Ausmaßes von selbsterlebter Achtsamkeit im Alltag; Fragebogen „Meditationserfahrung“, erstellt in Anlehnung an Ott (2000) zur detaillierten Erfassung der Meditationspraxis (siehe Anhang A1.2). Fragebogen „Angaben zur Person“ (selbsterstellt, siehe Anhang A1.3) zur Erfassung demographischer Daten; Kontrollprobanden erhielten entsprechend die Fragebögen „MTF“ und „Meditationserfahrung“ nicht. Nach Terminabsprache und Rücklauf der Fragebögen erhielten die Teilnehmer eine weitere E-Mail bzw. ein Anschreiben mit Einladung und Wegbeschreibung (Anhang A1.4). 3.4.2 Versuchsdurchführung Die Probanden wurden am Eingang empfangen und in den Versuchsraum geleitet. Dort wurde Ihnen ein bequemer Stuhl, Tee und Gebäck angeboten, Dank für Ihre Teilnahme ausgesprochen und anschließend die Einverständniserklärung (Anhang A1.5) vorgelegt. Während der Versuchsleiter das Anlegen der physiologischen Messaufnehmer vorbereitete, wurden die Probanden gebeten, folgende Fragebögen in eben dieser Reihenfolge auszufüllen: „Fragebogen zur Erfassung der Ausgangslage“ (selbsterstellt, siehe Anhang A1.7) zur Erfassung von evtl. für die physiologische Messung relevanten Bedingungen. Anschließend die deutsche Version des Fragebogen „PANAS“ („Positive and Negative Affect Scale“) nach Krohne, Egloff, Kohlmann und Tausch (1996), Orginalversion von Watson, Clark und Tellegen (1988), zur Erfassung 146 Methodisches Vorgehen der „trait“ Affekte, d.h. der allgemeinen, überdauernden emotionalen Verfassung der Versuchsteilnehmer. Die deutsche Version des gebräuchlichen PersönlichkeitsFragebogens „NEO-FFI“ nach Borkenau und Ostendorf (1994), Orginalversion von Costa und McCrae (1992), bildete den Abschluss des Fragebogenteils vor der physiologischen Messung. Die Probanden wurden sodann gebeten, falls nötig, die Toilette aufzusuchen, um Unterbrechungen zu vermeiden. Um ein Aufquellen der Haut zu vermeiden, sollten sie davon absehen, die linke Hand mit Seife zu waschen, da dort die EDA-Elektroden angebracht werden sollten. Zur Datenerfassung wurde ein portabler Biosignal Recorder der Firma Becker Meditec mit der Bezeichnung „Varioport-B“ verwendet. Abbildung 26: Biosignal Recorder „Varioport-B“ Als erstes wurden die EKG-Messaufnehmer angelegt, es handelte sich dabei um handelsübliche Einmal-Klebeelektroden. Die Position der drei Elektroden entsprach der „Brustwandableitung“ nach F. Wilson (siehe Schandry, 1998). Vor dem Anbringen wurde die Haut mit Äthylalkohol gereinigt. Weibliche Versuchsteilnehmer brachten die Elektroden nach Anweisung alleine an. Die Aufzeichnung erfolgte mit einer Abtastrate von 512 Hz und einer Speicherrate von 256 Hz. Mit Hilfe einer Routine des Varioport wurde auch die Herzrate aus dem EKG online herausgerechnet und mit einer Abtastrate von 256 Hz und einer Speicherrate von 2 Hz gesichert. Die beiden EDA-Elektroden wurden anschließend auf die nicht-dominante Handinnenfläche geklebt. Verwendet wurden zwei Ag/AgCl-beschichtete Napfelektroden mit einem Innendurchmesser von 6 mm, mit isotonischer NaCl-Paste gefüllt und Walschburger (1975) folgend, auf Thanar und Hypothenar angebracht, nachdem diese mit Alkoholpads gereinigt worden waren. Über den EDA-Koppler wurde das KonstantSpannungsverfahren mit 0,5 Volt implementiert (Schandry, 1998). Hier betrug die 147 Methodisches Vorgehen Abtastrate 256 Hz und die Speicherrate 16 Hz. Zur EDA-Artefaktkontrolle wurde zusätzlich ein Atemgurt angelegt. Die Abtastrate lag für die Atemfrequenz bei 256 Hz und wurde mit 8 Hz gespeichert. Abschließend wurden noch die Elektroden zur Erfassung des LidschlagReflexes mit Hilfe des Elektromyogramms (EMG) des Musculus Orbicularis Oculi geklebt. Hierbei wurde in Anlehnung an die „Startle-Guidelines“ von Blumenthal et al. (2005) verfahren. Die Elektrodenpositionen wurden zuerst mit einer Sandfeile leicht aufgeraut, um alte Hautschüppchen zu entfernen. Danach wurde die Haut mit Äthylalkohol von evtl. Schminke und Hautfett befreit. Zwei EMG-Miniaturelektroden, Innendurchmesser 4 mm, Ag/AgCl-beschichtet und mit hochleitender Elektrodenpaste gefüllt, wurden sodann wie in Abbildung 27 zu sehen ist angebracht: Abbildung 27: Ableitungsort des Lidschlag-Reflexes [Abb. nach Blumenthal et al., 2005]. Aus Gründen der Bewegungsfreiheit unter den örtlichen Gegebenheiten wurden die Elektroden bei allen Probanden am linken Auge angebracht. Dies entspricht laut Blumenthal et al. (2005) zudem dem Verfahren der Mehrzahl aller publizierten Versuche. Auch sind bei binauraler Präsentation der Startle Reize wie in diesem Versuch keine signifikanten Lateralisierungseffekte zu erwarten. Nach Platzierung der Elektroden wurde bei EKG und EMG ein Impedanzcheck durchgeführt. Impedanzen über 5000 führten zu einer erneuten Hautreinigung und dem Neukleben der betroffenen Elektrode. Die Elektrodenkabel wurden mit Hansaplast zugentlastet und die Probanden gebeten, Schmuck und Ketten abzulegen, sowie ihr Handy auszuschalten. Nun bekamen die Teilnehmer eine Einweisung in die computergestützte 9stufige Version des „SAM“ Rating-Systems (Bradley & Lang, 1994), das sie später 148 Methodisches Vorgehen benutzen sollten, um Ihre Gefühle einzustufen. Dazu erhielten sie ein selbsterstelltes Manual (Anhang A1.6) zu lesen. Durch den Versuchsleiter wurden die Probanden wie folgt mündlich instruiert: „Sie werden jetzt eine Reihe Bilder sehen, wobei einige sehr erotisch, andere wiederum sehr schrecklich sein können. Bitte sehen Sie sich jedes Bild die ganze Darbietungsdauer hindurch an. Nach jedem Bild werden Sie nach einer Pause gebeten, auf der eben erläuterten SAM Skala anzugeben, wie intensiv, und danach, wie angenehm Ihre durch das Bild ausgelösten Gefühle waren. Bitte bewerten Sie Ihr eigenes Gefühl, und nicht, was Sie denken, wie man sich fühlen sollte, oder wie andere sich fühlen würden. Es ist ganz normal, wenn Sie auch einmal nichts empfinden. Bitte geben Sie einfach an, wie Sie persönlich sich gefühlt haben. Nach der Hälfte der Bilder (ca. 20 Min.) wird es eine kurze Pause für 3 Min. geben. Ich öffne dann die Türe, sie können dann auch etwas trinken.“ Zusätzlich wurde noch einmal mündlich erwähnt, dass die Teilnehmer das Experiment jederzeit abbrechen könnten. Daraufhin nahmen sie in einer im Labor befindlichen Schallschutzkammer auf einem bequemen Drehstuhl Platz. Abbildung 28: Schallschutzkammer, in der der Versuch stattfand Die Schallschutzkammer wurde für das Experiment gewählt, um die Abschirmung der Probanden von allen Umgebungsreizen sicher zu stellen. Die Kammer wurde permanent belüftet, und von zwei gegen die Decke gerichteten Lampen schwach erleuchtet. Um das Wohlbefinden der Probanden während des Versuchs zu gewährleisten, wurde die Schallkammer kontinuierlich audio- und videoüberwacht. Vor Beginn des Experiments wurde online der Datenfluss geprüft, um sicherzustellen, dass alle Elektroden richtig arbeiteten. Die Probanden wurden gebeten, tief aus und ein zu atmen, um die EDA- und Atemgurt-Response zu prüfen. Zur EMG Kontrolle blinzelten die Probanden willkürlich. Nachdem sichergestellt war, dass alle Messwerte korrekt erfasst wurden, wurden die Probanden instruiert, sich in 149 Methodisches Vorgehen eine bequeme und gerade Sitzposition vor den Monitor zu bringen, die sie 20 Minuten ohne große Bewegungen aufrecht erhalten könnten. Abbildung 29: Audio- und Videoüberwachung der Versuchspersonen Ihre linke Hand mit den EDA-Elektroden legten die Probanden auf eine weiche Wollmütze. Im Falle sich anbahnender Verspannungen od. eines evtl. Bedürfnis sich zu kratzen od. umzusetzen, sollten sie jedoch dafür sorgen, dass sie eine angenehme und entspannte Position fänden, sich also besser kurz bewegen, als kontinuierlich Verspannung aufzubauen. Abbildung 30: Versuchsrechner Vor dem eigentlichen Versuch folgte nun eine Baselinemessung (Anhang B2.1) für zwei Minuten, in der die Probanden einfach ruhig sitzen sollten, die Augen auf ein Fixationskreuz gerichtet. Anschließend wurden die Probanden angewiesen, die Kopfhörer der Marke Philipps ABC HP 800 anzulegen, und erhielten erneut eine Instruktion vom Versuchsrechner (siehe Anhang B2.2). Nun folgten die beiden Probedurchgänge. Wenn es keine abschließenden Fragen mehr gab, verließ und verschloss der Versuchsleiter nun die Kammer und der eigentliche Versuch startete. 150 Methodisches Vorgehen Das Versuchssteuerprogramm „Presentation“ arbeitete auf einem unter Windows 2000 Professional laufenden Pentium IV Computer. Dargestellt wurden die Bilder auf einem 19´´ ViewSonic VX922 Monitor in der Auflösung 800x600, da somit eine Anpassung der IAPS-Bilder an die gesamte Bildschirmgröße erreicht wurde. Miniaturversionen der verwendeten Bilder sowie deren IAPS-Nr. finden sich in Anhang B1.1 bis B1.3. Für Männer und Frauen wurden aufgrund der erotischen Inhalte unterschiedliche Bildfolgen verwendet (für Details siehe 3.2.3). Nachdem die Hälfte der Bilder gezeigt wurde, stoppte das Experiment automatisch für drei Minuten, die Versuchsteilnehmer machten sich akustisch bemerkbar, und der Versuchsleiter öffnete die Tür der Schallschutzkammer. Die Probanden durften etwas trinken und sich strecken. Gesprochen wurde nicht. Als das Ende der Pause vom Versuchssteuerprogramm angezeigt wurde, wurde die Tür wieder verschlossen und die Probanden setzten sich wieder vor den Rechner. Als die Bilderfolge komplett durchlaufen war, wurden die Teilnehmer vom Varioport getrennt, aus der Kammer geleitet und von den Elektroden befreit. Unmittelbar danach wurde ihnen der Fragebogen SEE („Skalen zum Erleben von Emotionen“) von Behr und Becker (2004) vorgelegt. Nach dessen Bearbeitung folgte ein halbstrukturiertes Nachinterview (Anhang A1.8), in dem den Probanden Fragen zum Versuch (siehe dazu Tsai, Chentsova-Dutton, Freire-Bebeau & Przymus, 2002) und zu Ihrer evtl. Meditationspraxis gestellt wurden. Der Fokus lag darauf, zu erkunden, wie und ob die Meditationspraxis in den Augen der Probanden ihr Emotionserleben über die Zeit hinweg verändert hatte. Diese Exploration sollte die quantitativen Daten ergänzen und erhellen. Die Probanden wurden abschließend mit dem Hinweis auf die Zusendung der Untersuchungsergebnisse (falls gewünscht) und erneutem Dank für Ihre Teilnahme verabschiedet. 3.5 Datenaufbereitung und Auswertung 3.5.1 Aufbereitung der physiologische Daten Die physiologischen Daten wurden mit der Software „Variograf“ des Varioport Messaufnehmers erfasst und gespeichert. Anschließend wurden sie per Augenschein auf grobe Artefakte hin kontrolliert. Die Datenaufbereitung und Reduktion erfolgte offline. Die Daten wurden zuerst mit der Software „Labview“ in das ASCII-Format umgewandelt. 151 Methodisches Vorgehen • EDA-Daten Die EDA-Daten wurden nach der ASCII-Transfomierung mit dem Programm “EDR_PARA.EXE” (© 1997 by Florian Schaefer) parametrisiert. Nachdem die Onsets der Bilder mithilfe eines AWK-Programms aus den Marker-Daten errechnet waren, wurden nach Prokasy und Kumpfer (1973) die „First-Intervall-Responses“, das heißt Reaktionen, die 0,9 s bis 4 s nach Stimulusonset auftraten, in MikroSiemens (ȝS) erfasst. Dies bedeutet, dass der Fuß- und Gipfelpunkt in dieses Zeitfenster fallen musste, um nicht als Spontanfluktuation betrachtet zu werden. Des Weiteren wurden mit dem Programm die Latenz der ersten Response, die Anstiegszeit der ersten Response, die Halbwertszeit der ersten Response sowie die aggregierte Summe aller Haulteitwertsreaktionen je Trial berechnet. Diese Daten standen somit pro Proband und Versuchstrial zur Verfügung und wurden in eine SPSS-Maske überführt. Eine Logarithmierung oder z-Transformation erfolgte wegen des expliziten Interesses an den individuellen Unterschieden nicht. Es ließen sich unter den eingeschlossenen Probanden keine EDA-Nonresponder identifizieren. Alle Probanden zeigten zu Beginn des Versuchs bei der Datenflusskontrolle ausgeprägte EDA-Responses auf entweder instruierte tiefe Atemzüge oder unerwartetes Fingerschnipsen des Versuchsleiters. • Startle-Daten Die Aufbereitung der Startle-Daten erfolgte mit dem Programm Labview bzw. VPDANA. Zuerst wurde ein 60 Hz Netzfilter angelegt, sowie ein Tiefpass von 500 Hz und ein Hochpass von 30 Hz (Jennings, 2003). Reaktionen, deren Fußpunkt zwischen 20 ms und 100 ms nach Darbietung des Schreckreizes lag, und deren Maximum sich innerhalb des Zeitfensters bis zu 150 ms nach Schreckreizdarbietung befand, gingen in die Analyse ein (Gausmann, 2003). Mit Hilfe einer Routine des Programms VPDANA wurde die Größe aller so eingeschlossenen Reaktionen aus der Höhe der Differenz Fuß-/ Gipfelpunkt in Mikro-Volt (ȝV) berechnet. Die sonst übliche Erstellung von z- und T-Werten erfolgte auch hier aufgrund des Interesses an den individuellen Differenzen der Reaktivität nicht (siehe Jennings, 2003). Es stand somit pro Proband und Trial ein Wert mit der Höhe der Startle-Reaktion in ȝV zur Verfügung, der ebenfalls in die SPSS-Maske überführt wurde. Dort stellte sich nach Einsicht der Histogramme der Schreckreaktionen das Problem der Reduktion des spontanen, unwillkürlichen Augenzwinkerns. In den Histogrammen zeigte sich ein Sprung am oberen Ende der Reaktionsintensitäten, die sonst kontinuierlich zunehmend verlaufen. Diese mit deutlichem Abstand zu den vorherigen Werten und daher in teils deutlich höherer 152 Methodisches Vorgehen Intensität vorliegenden Werte wurden als unwillkürliches, spontanes Blinzeln klassifiziert und aus der SPSS-Maske entfernt (< 10 % aller Werte). 3.5.2 Auswertung Alle Auswertungen wurden mit der Statistiksoftware “SPSS“ in der Version 12 durchgeführt. Als generelles Signifikanzniveau wurde p ,05 festgelegt, und generell zunächst untersucht, ob jeweils die statistischen Vorraussetzungen zur Durchführung der Tests gegeben waren (z.B. Normalverteilung oder Varianzhomogenität). • SAM-Ratings Zur Auswertung der während des Versuchs abgegebenen SAM-Ratings, die das Programm „Presentation“ aufgezeichnet und in eine Textdatei ausgegeben hatte, gingen die erfassten Rohwerte in eine MANOVA ein. Bei der Valenzdimension bedeutete „1“ -> „sehr unangenehm“ und „9“ -> „sehr angenehm“. Die Skala war, wie auch die Intensitätsskala, 9-fach abgestuft. Die Intensitätsskala vergab für „wenig intensiv“ die „1“ und für „sehr intensiv“ die „9“. Bei der Auswertung wurden zunächst die beiden Bildkategorien „mäßig erregend negativ“ und „stark erregend negativ“ in der Domäne „negative Bilder“ zu einer Kategorie „negativ“ zusammengefasst, ebenso wurde mit den beiden Kategorien „mäßig erregend positiv“ und „stark erregend positiv“ in der Domäne der positiven Bilder verfahren, sie wurden in die Kategorie „positiv“ überführt. Es gingen somit alle verwendeten Bilder in die Auswertung der SAM-Ratings mit ein. Nun wurden für jede Versuchsperson die Werte der SAM-Ratings je Valenzkategorie über alle 120 Trials aggregiert. Pro Proband wurden somit je drei Intensitäts- und Valenzmittelwerte in die MANOVA überführt. Nach dem Allgemeinen Linearen Modell wurde dann eine MANOVA mit „aggregierte SAM-Valenzratings“ und „aggregierte SAM-Intensitätsratings“ als abhängige Variablen, „Gruppe“ (3; Nichtmeditierende, Kurzzeitmeditierende, Langzeitmeditierende) und Bildvalenz (3; negativ, neutral, positiv) als festen Faktoren gerechnet. „Alter“ und „Geschlecht“ wurden als Kovariaten mit aufgenommen. Von SPSS wurden automatisch univariate ANOVAs und, falls sich signifikante Effekte zeigten, Post-Hoc-Tests (mit Bonferroni-Korrektur) mitgerechnet. Zusätzlich wurden nonparametrische Spearman-Roh Korrelationen (die Variable „Achtsamkeitspraxis in Stunden“ war nicht normalverteilt) berechnet, um den Zusammenhang zwischen den SAM-Ratings und der Achtsamkeitspraxis zu erhellen. Abschließend wurde mittels der Prozentränge der Achtsamkeitspraxis versucht, eine signifikante Regression auf die SAM-Ratings zu erstellen. 153 Methodisches Vorgehen • EDA-Daten Bei der Auswertung der EDA-Daten wurden wie bei den SAM-Daten die beiden Bildkategorien „mäßig erregend negativ“ und „stark erregend negativ“ in der Domäne „negative Bilder“ zu einer Kategorie „negativ“ zusammengefasst, ebenso wurde mit den beiden Kategorien „mäßig erregend positiv“ und „stark erregend positiv“ in der Domäne der positiven Bilder verfahren, sie wurden in die Kategorie „positiv“ überführt. Es gingen somit auch hier alle gezeigten Bilder in die Auswertung mit ein, lediglich diejenigen Trials, bei denen der Schreckreiz bereits 1,5 s nach Bildbeginn erklang, wurden aus der Auswertung ausgeschlossen. Es lagen folgende EDA-Variablen zur Auswertung als separate SPSS-Variablen vor: „EDA-Latenz bis zum ersten Anstieg“, „EDA-Anstiegszeit bis zum Erreichen des ersten Reaktionsmaximums“, „Höhe des ersten EDA-Reaktionsmaximums“, „EDAHalbwertszeit“, also die Dauer, bis die Hälfte des ersten Reaktionsmaximums wieder abgefallen war. Zur Vorbereitung wurden pro Proband die Werte der jeweiligen EDA-Variablen über alle Trials getrennt für jede Valenzkategorie aggregiert. Die EDA-Latenz, -Anstiegszeit und -Halbwertszeit wurden gemeinsam ausgewertet, um den Zeitverlauf der Reaktion zu untersuchen. EDA-Maximum und -Summe, um die Intensität zu bestimmen. Zur Auswertung des Zeitverlaufs wurde eine MANOVA mit den drei aggregierten Variablen „EDA-Latenz“, „-Anstiegszeit“ und „-Halbwertszeit“ als abhängige Variablen, „Gruppe“ (3; Nichtmeditierende, Kurzzeitmeditierende, Langzeitmeditierende) und Bildvalenz (3; negativ, neutral, positiv) als festen Faktoren, und „Alter“ und „Geschlecht“ als Kovariaten gerechnet. Weiterhin wurden univariate ANOVAs und, falls sich signifikante Effekte zeigten, Post-Hoc-Tests (mit Bonferroni-Korrektur) gerechnet. Zusätzlich wurden nonparametrische Spearman-Roh Korrelationen berechnet, um den Zusammenhang zwischen den EDA-Variablen und der Achtsamkeitspraxis zu erhellen. Abschließend wurde mittels der Prozentränge der Achtsamkeitspraxis versucht, eine signifikante Regression auf die EDAVariablen zu erstellen. Gleichermaßen wurde zur Auswertung der Reaktionsintensität mit den EDA-Variablen „EDA-Maximum“ und „-Summe“ verfahren. • Startle-Daten Bei den Startle-Daten wurden nur die Bilder aus der Kategorie „stark erregend“ für die Auswertung herangezogen, da nur diese, Bradley, Cuthbert und Lang (1999) folgend, in der Lage sind, eine ausreichend starke Startle-Potenzierung und -Inhibition hervorzurufen. Somit wurden alle Bilder der Kategorie „mäßig erregend“ aus der Analyse ausgeschlossen, dies waren 32 Bilder (siehe Tabelle 3). Es 154 Methodisches Vorgehen verblieben demnach 88 Bilder in der Auswertung. Zunächst wurde eine ANOVA zum Vergleich der overall Startle-Response gerechnet. Dazu wurde für jeden Probanden über alle Startle-Responses ein Mittelwert gebildet und als abhängige Variable behandelt, unabhängige Variable war „Gruppe“ (3; Nichtmeditierende, Kurzzeitmeditierende, Langzeitmeditierende), „Alter“ und „Geschlecht“ wurde als Kovariaten behandelt. Die Post-Hoc-Tests wurden mit Tamhane-Korrektur gerechnet, da die Startle-Responses inhomogene Varianzen zwischen den Gruppen aufwiesen. Aus diesem Grund wurde auch jeweils zur Absicherung der nichtparametrische Kruskal-Wallis-Test durchgeführt. Spearman-Roh Korrelationen mit der Achtsamkeitspraxis in Stunden und eine Regressionsanalyse mit den Prozenträngen der Achtsamkeitspraxis schlossen die overall Startle-Auswertung ab. Zur Vorbereitung der Auswertung der Startle-Modulation wurden pro Proband die Startle-Werte über alle 88 Trials je Valenzkategorie und StartleZeitpunkt getrennt aggregiert. Es wurde ein Index errechnet für Startle-Inhibition und -Potenzierung (Details siehe 4.3.2). Anschließend wurde eine MANOVA mit „Startle-Inhibition“ und „-Potenzierung“ als abhängigen Variablen und „Gruppe“ (3; Nichtmeditierende, Kurzzeitmeditierende, Langzeitmeditierende) als festem Faktor gerechnet, „Geschlecht“ und „Alter“ gingen auch hier als Kovariaten ein. Zusätzlich zu oben beschriebenem Prozedere wurden anschließend univariate ANOVAs gerechnet. Ansonsten kamen ebenfalls Post-Hoc-Tests mit Tamhane-Korrektur, der Kruskal-Wallis-Test, die Spearman-Roh Korrelationen und die Regressionsanalyse zum Einsatz, um die gefundenen Unterschiede näher zu beleuchten. Für den Startle-Zeitverlauf (siehe 4.2.2) wurden zunächst für alle Startle Zeitpunkte einzeln jeweils Potenzierungs- und Inhibitionsindices erzeugt. Alle Zeitpunkte während sowie alle nach Bilddarbietung wurden jeweils gemittelt, und anschließend wurden für Nicht-, Kurz-, und Langzeitmeditierende die währendnachher Differenzen gebildet. Diese Werte gingen in eine MANOVA ein. • Fragebogen-Daten Für die Fragebogenscores des „FFA”, „PANAS”, „NEO-FFI” und „SEE” wurden ANOVAS mit „Fragebogenscore“ als abhängige Variable und „Gruppe“ (3; Nichtmeditierende, Kurzzeitmeditierende, Langzeitmeditierende) als festem Faktor, sowie „Alter“ und „Geschlecht“ als Kovariaten gerechnet (Der „MTF“ wurde aus theoretischen Erwägungen aus der Auswertung ausgeschlossen, da er für die untersuchte Meditationstechnik wenig Differenzierungsvermögen besaß. Die Mehrzahl der meditierenden Probanden gab an, sich in den Fragebogenitems nicht wieder zu finden). 155 Methodisches Vorgehen • Nachinterview Das Nachinterview wurde als halb-strukturiertes Interview geführt (Lamnek, 2005). Die Antworten der Probanden wurden wörtlich mitgeschrieben und im Anschluss an die Erhebung in Cluster überführt. Immer wenn eine inhaltlich neue Antwort auf eine Frage in der sukzessiven Auswertung der Interviewbögen auftauchte, wurde ein neuer Antwortcluster eröffnet, der durch die Antwort des Probanden damit einen Punktwert von +1 erhielt. Auf alle Fragen des Interviews hin wurden aufgrund der gegebenen, thematisch unterschiedlichen Antworten 83 Cluster eröffnet. Die Auswertung erfolgte mithilfe der erfassten Punktwerte, die durch die Anzahl der Gruppengröße dividiert den Anteil der Probanden je Gruppe ergab, der diese Antwort auf die Frage hin gegeben hatte. Dieser Wert wurde dann abschließend in einen Prozentwert überführt. 3.6 • Stichprobenbeschreibung N und Ausschlüsse Getestet wurden insgesamt 53 Versuchsteilnehmer: 17 Kontrollprobanden und 36 Probanden mit Achtsamkeitspraxis. Von den Kontrollprobanden wurden vier nach dem Versuch von der Auswertung ausgeschlossen: Ein Proband wies darauf hin, dass er aufgrund seiner Homosexualität die Bilder wohl anders erlebt hätte, als beabsichtigt. Ein weiterer gab im Nachinterview an, bezüglich der Bilder völlig abgestumpft zu sein, da er als Chirurg in der Notaufnahme arbeite. Einer besaß Meditationspraxis und der letzte konsumierte Drogen. Bei den Meditierenden mussten sechs Teilnehmer ausgeschlossen werden: Drei Probanden praktizierten keine Achtsamkeitsmeditation, sondern eine andere Technik, was sich erst im Nachinterview herausstellte. Ein Proband nahm Drogen, und zwei weitere waren ebenfalls homosexuell. Somit blieben 43 Versuchsteilnehmer für die Auswertung: 13 Probanden in der Kontrollgruppe, 30 mit Meditationspraxis. Von diesen 30 wurden 22 der Gruppe der Kurzzeit-, und 8 der Gruppe der Langzeitmeditierenden, da sie seit über 15 Jahren praktizierten. Bei einem weiteren Probanden aus der Gruppe der Kurzzeitmeditierenden gingen durch einen Speicherfehler die Daten der SAM-Ratings verloren, und ebenfalls in der selben Gruppe war ein Verlust bei den Daten des Ratings zum Wohlbefinden zu beklagen, so dass bei diesen beiden Maßen insgesamt 42 Probanden in die Auswertung eingingen. 156 Methodisches Vorgehen Tabelle 4: Häufigkeiten für Versuchsteilnehmer pro Gruppe HÄUFIGKEITEN für Teilnehmer pro Gruppe Häufigkeit Gültig Kumulierte Prozente Nichtmeditierende 13 30,2 30,2 Kurzzeitmeditierende 22 51,2 51,2 81,4 Langzeitmeditierende 8 18,6 18,6 100,0 43 100,0 100,0 Gesamt • Gültige Prozente Prozent 30,2 Geschlecht Über alle Gruppen betrachtet nahmen etwas weniger Frauen als Männer teil (siehe Tabelle 5). Tabelle 5: Häufigkeiten für Geschlecht über alle Gruppen HÄUFIGKEITEN für Geschlecht Gültig Häufigkeit 20 fem Prozent 46,5 Gültige Prozente 46,5 Kumulierte Prozente 46,5 100,0 mask 23 53,5 53,5 Gesamt 43 100,0 100,0 Tabelle 6: Häufigkeiten für Geschlecht pro Gruppe HÄUFIGKEITEN für Geschlecht pro Gruppe Gruppe Nichtmeditierende Kurzzeitmeditierende Langzeitmeditierende fem Häufigkeit 7 Prozent 53,8 Gültige Prozente 53,8 Kumulative Prozente 53,8 100,0 mask 6 46,2 46,2 Total 13 100,0 100,0 fem 10 45,5 45,5 45,5 mask 12 54,5 54,5 100,0 Total 22 100,0 100,0 fem 3 37,5 37,5 37,5 mask 5 62,5 62,5 100,0 Total 8 100,0 100,0 Dieser Trend ist in der Gruppe der Langzeitmeditierenden am stärksten (Tabelle 6). • Alter Da das Lebensalter naturgemäß mit zunehmender Praxis ansteigen muss, war in der Hinsicht keine andere Zusammensetzung der Gruppe der Langzeitmeditierenden möglich, so dass sich hier ein signifikanter Unterschied der Gruppenmittelwerte ergab (F(2)= 1675,818; p < ,001; siehe dazu Tabelle 7 und Tabelle 8). 157 Methodisches Vorgehen Tabelle 7: Deskriptive Statistik für Alter DESKRIPTIVE Statistik für Alter Alter N Mittelwert Standardab weichung Minimum Maximum Nichtmeditierende 13 37,15 9,133 23 63 Kurzzeitmeditierende 22 42,73 9,301 25 59 Langzeitmeditierende 8 58,00 7,232 44 65 43 43,88 11,430 23 65 Gesamt Tabelle 8: ANOVA für Alter ONEWAY ANOVA für Alter Alter Quadrats umme • df Mittel der Quadrate F 1675,818 Zwischen den Gruppen 265483,5 2 132741,76 Innerhalb der Gruppen 408486,7 5157 79,210 Gesamt 673970,2 5159 Signifikanz ,000 Praxisdauer Die Praxisdauer ist heterogen abgestuft. Bis zu einer Praxisdauer von 12 Jahren ist nahezu jedes Jahr in der Stichprobe enthalten. Bei 12 Jahren ereignet sich der erste große Sprung von 5 Jahren Differenz auf 17 Jahre Praxiserfahrung. Daher wurde an dieser Stelle der Cutoff für die beiden Gruppen „Kurzzeitmeditierende“ und „Langzeitmeditierende“ gesetzt (Tabelle 9). Das Mittel der Praxisdauer differenziert somit beide Gruppen deutlich, wie Tabelle 10 zeigt. Abbildung 31 zeigt die Praxisdauer in Jahren und Stunden in Form von Boxplots: Deutlich zu erkennen ist der Ausreißer bei 58240 Stunden, wobei es sich um den teilnehmenden Theravada-Mönch handelt. Abbildung 31: Boxplots für Praxisdauer in Jahren und Stunden je Gruppe 158 Methodisches Vorgehen Tabelle 9: Häufigkeiten für Praxisdauer in Jahren HÄUFIGKEITEN für Praxisdauer Praxisdauer in Jahren Häufigkeit Kurzzeitmeditierende 1 4,5 2,0 1 4,5 3,0 2 9,1 3,5 1 4,5 4,0 4 18,2 5,0 4 18,2 7,0 1 4,5 8,0 3 13,6 9,0 1 4,5 10,0 2 9,1 11,0 1 4,5 12,0 1 4,5 22 100,0 17,0 2 25,0 21,0 1 12,5 25,0 2 25,0 30,0 1 12,5 31,0 1 12,5 40,0 1 12,5 Gesamt 8 100,0 Gesamt Langzeitmeditierende In Tabelle 10 finden sich weitere Prozent ,5 deskriptive Statistiken für die Indices „Achtsamkeitspraxis in Stunden“, „Achtsamkeitspraxis in Stunden + FFA-Score“, „Prozentrang Achtsamkeitspraxis“ und FFA-Score getrennt für jede Gruppe. Tabelle 10: Deskriptive Statistik für Indices der Achtsamkeitspraxis Deskriptive Statistik für Indices der Achtsamkeitspraxis Gruppe Nichtmeditierende Kurzzeitmeditierende Langzeitmeditierende N Spannweite Minimum Maximum Mittelwert Standardab weichung Prozentrang Achtsamkeitspraxis 13 24,0 2,0 26,0 15,4 8,5 FFAScore 13 13,0 32,0 45,0 39,8 4,3 Praxisdauer in Jahren 22 11,5 ,5 12,0 6,0 3,1 Achtsamkeitspraxis in Stunden 22 6563,0 133,0 6696,0 2646,7 1759,1 Achtsamkeitspraxis in Stunden + FFAScore 22 6563,0 171,0 6734,0 2687,1 1757,6 Prozentrang Achtsamkeitspraxis 22 51,0 33,0 84,0 57,1 15,2 FFAScore 22 35,0 21,0 56,0 40,5 6,5 Praxisdauer in Jahren 8 23,0 17,0 40,0 25,8 7,8 Achtsamkeitspraxis in Stunden 8 52090,0 6150,0 58240,0 19435,0 16991,2 Achtsamkeitspraxis in Stunden + FFAScore 8 52094,0 6198,0 58292,0 19481,3 16993,2 Prozentrang Achtsamkeitspraxis 8 19,0 81,0 100,0 91,5 6,3 FFAScore 8 14,0 38,0 52,0 46,3 5,4 159 Methodisches Vorgehen Diese Indices korrelieren bis auf den FFA-Score, der nur sehr wenig Trennschärfe für die Gruppen zeigt (siehe Abbildung 32), untereinander hoch signifikant (Tabelle 11): Tabelle 11: Korrelationen für Indices der Achtsamkeitspraxis Korrelationen für Indices der Achtsamkeitspraxis Gruppe Spearman-Rho Gruppe Korrelationskoeffizient Sig. (1-seitig) N Praxisdauer in Jahren ,926** Sig. (1-seitig) ,000 ,923** Sig. (1-seitig) ,000 ,910** Sig. (1-seitig) ,000 43 Korrelationskoeffizient ,910** Sig. (1-seitig) ,000 N FFAScore 43 Korrelationskoeffizient N Prozentrang Achtsamkeitspraxis 43 Korrelationskoeffizient N Achtsamkeitspraxis in Stunden + FFAScore . 43 Korrelationskoeffizient N Achtsamkeitspraxis in Stunden 1,000 43 Korrelationskoeffizient ,312* Sig. (1-seitig) ,021 N 43 **. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (einseitig). *. Die Korrelation ist auf dem 0,05 Niveau signifikant (einseitig). Abbildung 32: Boxplots für Prozentrang Achtsamkeitspraxis und FFA-Score je Gruppe Ebenso ersichtlich in Abbildung 32 sind die Gruppenboxplots der den Probanden zugewiesenen Prozentränge der Achtsamkeitspraxis (deren Basis wird in Abschnitt 3.1 beschrieben). 160 Methodisches Vorgehen • Dauer einer Meditationssitzung Die Meditierenden investierten durchschnittlich 47 Minuten für jede Meditationssitzung. Der Gruppenunterschied ist hier marginal (siehe Tabelle 12, Abbildung 33). Tabelle 12: Deskriptive Statistik für Dauer einer Sitzung DESKRIPTIVE Statistik für Dauer einer Sitzung Dauer einer Meditationssitzung N Mittelwert Standardab weichung Minimum Maximum Kurzzeitmeditierende 22 46,40 18,252 20 90 Langzeitmeditierende 8 48,50 25,511 30 120 30 47,00 20,608 20 120 Gesamt Abbildung 33: Dauer einer Sitzung bei Kurz- und Langzeitmeditierenden • Frequenz der Meditationssitzungen Deutlich zu sehen ist die mit zunehmender Praxisdauer steigende Frequenz der Meditationssitzungen (Abbildung 34) bei allen Meditierenden war die letzte Sitzung vor dem Versuch höchstens einen Tag her): 161 Methodisches Vorgehen Abbildung 34: Frequenz der Sitzungen bei Kurz- und Langzeitmeditierenden • Retreaterfahrung Je länger die Praxisdauer bei den Meditierenden wird, desto öfter haben sie auch an so genannten „Retreats“ teilgenommen (siehe Abbildung 35). Retreats sind Meditationsseminare, die sich oft in Abgeschiedenheit und Schweigen über mehrere Tage intensiv, meist ganztags der Ausübung der Meditation widmen: Abbildung 35: Anzahl der Retreats bei Kurz- und Langzeitmeditierenden • Meditationsobjekt Die hier gefundenen Unterschiede (Abbildung 36) könnten mit dem Stufenweg der Vipassana-Lehre erklärbar sein: Mit zunehmender Erfahrung ist der Rückgriff auf die Körper- oder Atemachtsamkeit immer seltener nötig und ein völliges Gewahrsein aller mentalen Ereignisse möglich, wie es das letztendliche Ziel der Vipassana-Praxis (siehe dazu Brown & Englier, 1980; Gruber, 1999; Nyanaponika, 1969) vorsieht. 162 Methodisches Vorgehen Abbildung 36: Meditationsobjekt bei Kurz- und Langzeitmeditierenden • Bedeutung der philosophischen Hintergründe der Praxis Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied, indem sich die Langzeitmeditierenden mit zunehmender Meditationserfahrung näher an die buddhistische Philosophie angebunden fühlen, sie ihnen zunehmend wichtiger wird (Abbildung 37): Abbildung 37: Bedeutung buddhistischer Philosophie bei Kurz- und Langzeitmeditierenden • Motive für die Praxis Im „Fragebogen zur Meditationserfahrung“ (Anhang A1.2) wurden verschiedene Beweggründe für die Praxis angeboten, mit der Bitte, jeden einzelnen zu gewichten: 163 Methodisches Vorgehen - Körperliche Gesundheit: hierauf legen die Kurzzeitmeditierenden mehr Wert (Abbildung 38): Abbildung 38: Körperliche Gesundheit als Motiv für die Praxis - Stressbewältigung und Erholung: auch dies ist Kurzzeitmeditierenden wichtiger (Abbildung 39): Abbildung 39: Stressbewältigung und Erholung als Motiv für die Praxis - Innere Ruhe und Gelassenheit: dies hat in beiden Gruppen eine ähnliche Bedeutung (Abbildung 40): 164 Methodisches Vorgehen Abbildung 40: Innere Ruhe und Gelassenheit als Motiv für die Praxis - Zusammensein mit Gleichgesinnten: dies ist für Langzeitmeditierende von größerer Wichtigkeit (Abbildung 41): Abbildung 41: Zusammensein mit Gleichgesinnten als Motiv für die Praxis - Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung: dies bekommt in beiden Gruppen einen annähernd gleichen Wert zugewiesen (Abbildung 42): 165 Methodisches Vorgehen Abbildung 42: Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung als Motiv für die Praxis - Religiöse oder spirituelle Motive: die Langzeitmeditierenden legen hierauf ein weitaus höheres Gewicht als Motivation für ihre Praxis (Abbildung 43), eine Replikation der Ergebnisse von Shapiro (1992) und Shapiro et al. (2006). Abbildung 43: Religiöse oder spirituelle Motive für die Praxis - Therapeutische Motive: Diese sind etwas weniger bedeutend bei den Langzeitmeditierenden (Abbildung 44): 166 Methodisches Vorgehen Abbildung 44: Therapeutische Motive für die Praxis • Bildung Das Bildungsniveau unterscheidet sich nicht wesentlich zwischen den drei Gruppen (Tabelle 13 und Tabelle 14): Tabelle 13: Häufigkeiten für Berufsausbildung HÄUFIGKEITEN für Berufsausbildung 0=Lehre 1=Fachschule 2=Fachoberschule 3=Hochschule 4=keine Berufsausbildung 5=noch in Berufsausbildung Häufigkeit Nichtmeditierende 1 7,7 1 2 15,4 3 7 53,8 4 1 7,7 5 2 15,4 Gesamt Kurzzeitmeditierende 13 100,0 0 2 10,0 1 1 5,0 3 15 75,0 4 1 5,0 2 1 5,0 Gesamt Langzeitmeditierende Prozent 0 20 100,0 0 2 25,0 3 5 62,5 2 1 12,5 Gesamt 8 100,0 167 Methodisches Vorgehen Tabelle 14: Häufigkeiten für Schulabschluss HÄUFIGKEITEN für Schulabschluss 0=kein Hauptschulabschluss 1=Hauptschulabschluss 2=mittlere Reife 3=Abitur Nichtmeditierende Kurzzeitmeditierende 2 Häufigkeit 1 3 12 92,3 Gesamt 13 100,0 3 18 90,0 0 2 10,0 20 100,0 3 6 75,0 1 2 25,0 Gesamt 8 100,0 Gesamt Langzeitmeditierende • Prozent 7,7 Familienstand Auch beim Familienstand finden sich keine nennenswerten Gruppenunterschiede (siehe Tabelle 15): Tabelle 15: Häufigkeiten für Familienstand HÄUFIGKEITEN für Familienstand: Gruppe Nichtmeditierende Kurzzeitmeditierende Häufigkeit 8 Prozent 61,5 verheiratet 4 30,8 getrennt lebend 1 7,7 Gesamt 13 100,0 ledig 12 54,5 verheiratet 5 22,7 getrennt lebend 3 13,6 geschieden 2 9,1 22 100,0 ledig 5 62,5 verheiratet 2 25,0 geschieden 1 12,5 Gesamt 8 100,0 ledig Gesamt Langzeitmeditierende 168 Methodisches Vorgehen • Konfession Bei den Langzeitmeditierenden ist der Anteil bekennender Buddhisten sichtlich erhöht (Tabelle 16): Tabelle 16: Häufigkeiten für Konfession HÄUFIGKEITEN für Konfession: 0=katholisch 1=evangelisch 2=buddhistisch 3=hinduistisch 4=islamisch 5=sonstige 6=keine Häufigkeit Nichtmeditierende 3 23,1 1 4 30,8 6 6 46,2 13 100,0 Gesamt Kurzzeitmeditierende 0 1 5,0 1 3 15,0 6 10 50,0 2 5 25,0 5 1 5,0 20 100,0 1 2 25,0 6 1 12,5 2 5 62,5 Gesamt 8 100,0 Gesamt Langzeitmeditierende • Prozent 0 Sonstiges Es wurde sichergestellt, dass keiner der Probanden von nicht korrigierter Seh- oder Hörschwäche beeinträchtigt war. Alle eingeschlossenen Probanden waren Rechtshänder. Alle Probanden waren frei von den Versuch beeinflussenden Erkrankungen und nahmen keine relevanten Medikamente ein. Probanden, die Tabak konsumierten, taten dies mindestens 60 Minuten vor dem Start der physiologischen Messungen das letzte Mal. Keiner der Probanden hatte am Vorabend mehr als ein Glas Alkohol zu sich genommen. Der vor dem Versuch gegebene „Fragebogen zur Erfassung der Ausgangslage“ (Anhang A1.7) förderte keine für den Versuch relevanten Informationen zu Tage. Fast alle Probanden (99 %) antworteten auf die im Nachinterview (Anhang A1.8) gestellte Frage, welche Hypothesen sie über die vermutete Fragestellung des Versuchs generiert hätten, damit, dass sie eine Überprüfung der Kohärenz von Physiologie und SAM-Rating als Versuchsziel annahmen. Das richtige Verhalten, um ein „guter Proband“ zu sein, sahen ebenso viele in ehrlichem Antwortverhalten. Durch diese gewissermaßen vermutete „Lügendetektorfunktion“ des experimentellen Designs ist davon auszugehen, dass soziale Erwünschtheit oder sonstige Manipulationen im Sinne der Fragestellung eine zu vernachlässigende Rolle spielten. 169 Ergebnisse 4. Ergebnisse Die Abfolge der Ergebnispräsentation entspricht der Reihenfolge der Hypothesen. 4.1 Subjektives Gefühlserleben Als erstes werden hierzu die SAM-Ratings berichtet, anschließend folgen die Ergebnisse des Nachinterviews. Im Vorfeld der Auswertung wurde bei den SAM-Ratings eine Überprüfung auf Normalverteilung und Varianzhomogenität durchgeführt, beides statistische Vorraussetzungen zur Anwendung der ANOVA mittels des „Allgemeinen Linearen Modells“. Wie in Anhang C1 (Tabelle 29) einsehbar, wurde keiner der dazu gerechneten Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstests signifikant, was auf annähernd normalverteilte SAM-Werte schließen lässt. Auch eine ausreichende Varianzhomogenität zwischen den untersuchten drei Gruppen konnte mit den durchgeführten Levene-Tests gezeigt werden, die für alle SAM-Ratings ein p > ,20 erbrachten (Anhang C1, Tabelle 30). 4.1.1 SAM-Ratings • Intensität des während der Bilddarbietung erlebten Gefühls: Zunächst werden die SAM-Intensitätsratings präsentiert, da sie die Grundlage für die Überprüfung der Hypothese (1a) bilden: Abbildung 45: SAM-Intensitätsratings nach Gruppen und Bildvalenzen 170 Ergebnisse Tabelle 17: Deskriptive Statistiken für SAM-Intensitätsratings DESKRIPTIVE Statistiken für SAM - Intensitätsratings N bei negativen Bildern bei neutralen Bildern bei positiven Bildern Standardabweichung 1,01 Nichtmeditierende 13 Mittelwert 6,64 Kurzzeitmeditierende 21 5,81 1,56 Langzeitmeditierende 8 5,75 1,80 Gesamt 42 6,05 1,48 Nichtmeditierende 13 2,99 1,28 Kurzzeitmeditierende 21 3,37 1,54 Langzeitmeditierende 8 3,60 1,62 Gesamt 42 3,30 1,46 Nichtmeditierende 13 5,70 1,23 Kurzzeitmeditierende 21 5,27 1,51 Langzeitmeditierende 8 5,26 1,54 42 5,40 1,41 Gesamt Durchgeführte uni- und multivariate ANOVAs (siehe Anhang C1.1, Tabelle 32 bzw. Tabelle 33) ergaben keine signifikanten Gruppenunterschiede für die SAMIntensitätsratings bei den negativen (F(2) = 2,496; p = ,096), neutralen (F(2) = ,166; p = ,848) oder positiven Bildvalenzen (F(2) = 1,384; p = ,263). Alter und Geschlecht der Probanden hatten ebenfalls keinen signifikanten Effekt. Korrelationsberechnungen mittels Spearman-Rho (einige der korrelierten Variablen wie z.B. die Achtsamkeitspraxis in Stunden waren nicht normalverteilt) führten sogar zu einer signifikant negativen Korrelation (r = -,296; p = ,029) zwischen den SAM-Intensitätsratings bei negativ valenten Bildern und der Achtsamkeitspraxis in Stunden (Anhang C1.1, Tabelle 34). Die übrigen Bildvalenzen wurden hier nicht signifikant. Berechnungen linearer Regression mittels der Prozentränge der Achtsamkeitspraxis (die hier eingesetzt wurden, da die Achtsamkeitspraxis in Stunden nicht normalverteilt war, siehe Anhang C1.1, Tabelle 31) wurden bei keiner der Bildvalenzen signifikant und werden daher hier nicht weiter berichtet. Dem Augenschein nach (siehe Abbildung 45) sinken die Intensitätsratings bei emotionalen Bildern, konträr der Hypothese 1a, mit zunehmender Achtsamkeitspraxis etwas ab, und steigen bei neutralen Bildern etwas an. Zur genaueren Exploration eignen sich in diesem Zusammenhang die dazu erstellten Boxplots in Abbildung 46. Sie zeigen jeweils den Median (schwarzer Querbalken), die Ausreißer (Werte, die zwischen 1,5 und 3 Boxenlängen von einem der beiden Enden der Box entfernt sind, hier dargstellt als Kreise) und Extremwerte (Werte, die mehr als 3 Boxenlängen von einem der beiden Enden der Box entfernt sind, hier dargestellt als Sterne), sowie mittels der Längsbalken das obere und untere Quartil. 171 Ergebnisse Abbildung 46: Boxplots für SAM-Intensitätsratings nach Gruppen und Bildvalenzen Für die Langzeitmeditierenden findet sich ein Ausreißer in Richtung extrem geringe SAM-Ratings bei den negativen Bildern und ein Extremwert in dieselbe Richtung bei den positiven Bildern. Dies könnte die Mittelwerte zwar ungünstig verzerrt haben, in Anbetracht der Mediane, die einen den Mittelwerten ähnlichen Verlauf von Gruppe 0 zu 2 darstellen, scheint dies aber nicht übermäßig ins Gewicht zu fallen. Auf dieser Datenbasis muss die Hypothese 1a zurückgewiesen werden. Länger meditierende Probanden stuften nicht wie erwartet ihre während des Experiments erlebten Gefühle auf emotionale Stimuli als intensiver ein. 172 Ergebnisse • Valenz des während der Bilddarbietung erlebten Gefühls: Obwohl hierzu keine expliziten Hypothesen formuliert wurden, werden die erhobenen Valenzratings ebenso berichtet. Abbildung 47: SAM-Valenzratings nach Gruppen und Bildvalenzen Tabelle 18: Deskriptive Statistiken für SAM-Valenzratings DESKRIPTIVE Statistiken für SAM - Valenzratings N bei negativen Bildern Nichtmeditierende 13 Kurzzeitmeditierende 21 3,26 ,76 Langzeitmeditierende bei neutralen Bildern bei positiven Bildern Standardab weichung ,50 Mittelwert 2,66 8 3,49 ,81 Gesamt 42 3,12 ,75 Nichtmeditierende 13 5,13 ,38 Kurzzeitmeditierende 21 5,34 ,42 Langzeitmeditierende 8 5,41 ,24 Gesamt 42 5,29 ,38 Nichtmeditierende 13 6,60 ,52 Kurzzeitmeditierende 21 6,44 ,71 Langzeitmeditierende 8 6,19 ,78 42 6,44 ,67 Gesamt Die hier gerechnete multivariate ANOVA (siehe Anhang C1.2, Tabelle 35) zeigte einen signifikanten Alterseffekt (F(3) = 4,076; p = ,014) in allen vier Prüfmaßen. Das Geschlecht wurde nicht signifikant. Für Gruppe ergab sich lediglich mit dem Test 173 Ergebnisse „Größte charakteristische Wurzel nach Roy“ ein signifikanter Effekt (F(3) = 3,141; p = ,037). Da dieser Test die geringste Teststärke aller von SPSS gerechneten multivariaten Prüfmaße aufweist, wurde zur Kontrolle eine univariate ANOVA durchgeführt (siehe Anhang C1.2, Tabelle 36). Hier konkretisierte sich der Alterseffekt auf die neutralen Bilder (F(1) = 12,482; p = ,001). Das Geschlecht war auch hier nicht signifikant. Für Gruppe fand sich ein signifikanter Effekt bei den negativen Bildern (F(2) = 3,936; p = ,028). Dieser konnte durch anschließend durchgeführte Post-Hoc-Tests mit Bonferroni-Korrektur (siehe Anhang C1.2, Tabelle 37) auf einen signifikanten Unterschied zwischen Nicht- und Langzeitmeditierenden heruntergebrochen werden (p = ,035). Korrelationen nach Spearman-Rho (siehe Anhang C1.2, Tabelle 38) fanden für Alter eine signifikante Korrelation mit der Höhe der SAM-Valenzratings bei neutralen Bildern (r = ,507; p < ,001). Die Achtsamkeitspraxis in Stunden korrelierte signifikant positiv mit den SAM-Valenzbewertungen für negative Bilder (r = ,400; p = ,004) und signifikant negativ mit den SAM-Valenzbewertungen für positive Bilder (r = -,277; p = ,038). Berechnungen linearer Regression mittels der Prozentränge der Achtsamkeitspraxis wurden bei keiner der Bildvalenzen signifikant und werden daher nicht berichtet. Abbildung 48: Boxplots für SAM-Valenzratings nach Gruppen und Bildvalenzen An den Boxplots der SAM-Valenzratings in Abbildung 48 lassen sich die gefundenen Ergebnisse gut erkennen: bei negativen Bildern bewerten die Probanden mit zunehmender Meditationspraxis ihre ausgelösten Gefühle als immer weniger unangenehm, hier wurde sowohl ANOVA als auch Korrelationsrechnung signifikant. Bei den 174 Ergebnisse neutralen Bildern findet sich interessanterweise ein Alterseffekt in dem Sinne, dass mit zunehmendem Alter die Gefühle auf neutrale Bilder hin als immer angenehmer bewertet werden. Bei positiven Bildern wurde nur die Korrelationsrechnung signifikant, und deutet auf eine mit zunehmender Meditationspraxis abnehmende SAM-Valenzbewertung hin. Insgesamt erscheint das Bewertungsverhalten bei den SAM-Valenzratings homogener als bei den SAM-Intensitätsratings, wie die jeweiligen Boxplots deutlich machen. 4.1.2 Nachinterview Der Wortlaut des Interviews ist in Anhang A1.8 einzusehen. Ein Ziel des Interviews war es, zu explorieren, ob die Meditierenden selbst im Laufe der Praxis eine Veränderung ihres Gefühlserlebens feststellten, und falls ja, von welcher Art. Die Antworten auf die Frage „Hat sich Ihr Emotionserleben im Laufe Ihrer Meditationspraxis verändert?“ wurden im Anschluss an das Interview einer der folgenden Kategorien zugeordnet: „-2 = Intensität hat stark abgenommen“; „-1 = Intensität hat etwas abgenommen“; „0 = Intensität hat sich nicht verändert“; „1 = Intensität hat zugenommen“; „2 = Intensität hat stark zugenommen“. Keiner der Interviewten fiel in die Kategorien „-2“ bzw. „-1“. Es ergab sich folgendes Bild: Abbildung 49: Wandel der erlebten Gefühlsintensität durch die Meditationspraxis 175 Ergebnisse Die durchgeführten Testverfahren Chi-Quadrat (Chi = 1,023; p = ,282) und Mann-Whitney (Z = -,994; p = ,420) zur Überprüfung der gefundenen Gruppenverteilungen wurden beide nicht signifikant. Vermutlich ist der Grund hierfür in der geringen Gruppengröße (n = 8) bei den Langzeitmeditierenden zu suchen. (Siehe Anhang C1.3, Tabelle 39 und Tabelle 40). Hypothese 1b prognostiziert, dass von Gruppe 1 (Kurzzeitmeditierende) zu Gruppe 2 (Langzeitmeditierende) prozentual mehr Probanden Aussagen machen, die auf eine Intensivierung des Gefühlserlebens schließen lassen, als Aussagen, die auf eine Verringerung des Gefühlslebens schließen lassen. Da sich in keiner Gruppe Probanden fanden, die eine Verringerung der Intensität angaben, wie in Abbildung 49 und Tabelle 19 zu sehen ist, und der Anteil der von einer starken Zunahme berichtete, von Gruppe 1 nach 2 anstieg, konnte die Hypothese tendenziell bestätigt werden. Tabelle 19: Durch die Meditationspraxis bedingter Wandel der Gefühlsintensität Die Gefühlsintensität hat sich durch die Praxis... Gruppe Kurzzeitmeditierende Langzeitmeditierende 4.2 Gültig Gültig etwas erhöht Häufigkeit 10 Prozent 45,5 stark erhöht 12 54,5 Gesamt 22 100,0 etwas erhöht 2 25,0 stark erhöht 6 75,0 Gesamt 8 100,0 Zeitverlauf der emotionalen Reaktion Erhoben wurde der Zeitverlauf der peripherphysiologischen Emotionskomponente, hier mittels der EDA, sowie der motivationalen Komponente durch die Erfassung der Startle-Response an mehreren Zeitpunkten nach Bilddarbietung. 4.2.1 EDA-Zeitverläufe Bei der EDA wurden die allgemein gebräuchlichen Indices „Latenz“, „Anstiegszeit“ und „Halbwertszeit“ zur Beschreibung des Zeitverlaufes herangezogen. Tabelle 20 zeigt die entsprechenden Mittelwerte je Gruppe und Bildvalenz. Gut sichtbar sind die jeweils von Gruppe 0 nach Gruppe 2 hin abfallenden Mittelwerte (siehe Abbildung 50, Abbildung 51 und Abbildung 52). Auch hier wurde die Normalverteilung der Daten und Varianzhomogenität zwischen den Gruppen sichergestellt (siehe Anhang C2, Tabelle 41 und Tabelle 42). Multivariate ANOVAs förderten einen signifikanten Effekt für Gruppe, Geschlecht und Bildvalenz zu Tage (siehe Anhang C2, Tabelle 43). Berichtet 176 Ergebnisse werden hier die ebenfalls durchgeführten univariaten ANOVAs, da diese genauer zwischen den Bedingungen unterschieden (siehe Anhang C2, Tabelle 44): Für Gruppe ergaben sich signifikante Effekte bei der EDA-Latenz (F = 7,195; df = 2; p = ,001), der EDA-Anstiegszeit (F = 8,316; df = 2; p < ,000) und bei der EDA-Halbwertszeit (F = 5,918; df = 2; p = ,004). Bei den anschließend gerechneten Post-Hoc-Test mit Bonferroni-Korrektur (siehe Anhang C2, Tabelle 45) fand sich über alle Bildvalenzen betrachtet bei der EDA-Latenz nur ein signifikanter Gruppenunterschied zwischen den Nichtmeditierenden und den Langzeitmeditierenden (p = ,004), der Unterschied zwischen Nicht- und Kurzzeitmeditierenden wurde knapp nicht mehr signifikant (p = ,058), zwischen Kurz- und Langzeitmeditierenden ebenfalls nicht (p = ,372). Bei der EDA-Anstiegszeit wurde der Gruppenvergleich zwischen Nicht- und Kurz- sowie Langzeitmeditierenden signifikant (p = ,020) bzw. (p = 0,01). Kurz- und Langzeitmeditierende wurden wiederum nicht signifikant (p = ,336). Die EDA-Halbwertszeit zeigt ein ähnliches Bild, wobei hier die Unterschiede zwischen den Nicht- und Kurzzeitsowie Langzeitmeditierenden signifikant wurden (p = ,025) bzw. (p = 0,04). Zwischen den Kurzzeit- und Langzeitmeditierenden reichten die gefundenen Gruppenunterschiede wiederum nicht für ein signifikantes Ergebnis aus (p = ,617). Dies mag vor allem an der großen Streuung der Werte und an der geringen Gruppengröße der Langzeitmeditierenden (n = 8) liegen. Den in Tabelle 20 ersichtlichen Trend der von Gruppe 0 zu Gruppe 2 hin abnehmenden Mittelwerte bestätigten die durchgeführten Spearman-Roh Korrelationen: Die Achtsamkeitspraxis in Stunden korrelierte auch ohne künstliche Gruppenaufteilung signifikant negativ mit der Latenz (r = -,244; p = ,003), mit der Anstiegszeit (r = -,235; p = ,004) und mit der Halbwertszeit (r = -,231; p = ,004). Bemerkenswert ist hier noch die signifikant positive Korrelation des Geschlechts mit allen EDA-Zeitparametern (Latenz: r = -,270; p = ,001; Anstiegszeit: r = -,220; p = ,006; Halbwertszeit: r = -,279; p = ,001). Männer zeigten hier also eine höhere Latenz, Anstiegszeit und Halbwertszeit in der EDA als Frauen. Da der prozentuale Anteil an Männern von Gruppe 0 zu Gruppe 2 hin ansteigt (siehe Abschnitt 3.6.2), die Werte der EDA-Zeitverläufe jedoch in die selbe Richtung hin abnehmen, stärkt dieser Befund zusätzlich das Argument für den Einfluss der Meditationspraxis auf die gefundenen Gruppenunterschiede. Abschließend gerechnete Regressionsanalysen bestätigten dieses Bild: Der Prozentrang der Achtsamkeitspraxis bot jeweils für die Latenz (ȕ = -,297; t = -3,502; R2 = 0,88; p = ,001; siehe Tabelle 47), die Anstiegszeit (ȕ = -,306; t = -3,628; R2 = ,094; p < ,001; siehe Tabelle 48) und die Halbwertszeit (ȕ = -,296; t = -3,486; R2 = ,087; p = ,001; siehe Tabelle 49) ein signifikantes Modell zur Vorhersage der jeweiligen EDA-Werte. 177 Ergebnisse Hypothese 2a konnte somit bestätigt werden. Mit zunehmender Achtsamkeitspraxis verringert sich fortschreitend sowohl die EDA-Latenz, die EDA-Anstiegszeit als auch die EDA-Halbwertszeit. Tabelle 20: Deskriptive Statistiken für EDA-Zeitverlauf DESKRIPTIVE Statistiken für EDA - Zeitverlauf Latenz Nichtmeditierende ,7736 ,53907 13 Kurzzeitmeditierende ,6830 ,48254 22 Langzeitmeditierende ,4023 ,30759 8 Nichtmeditierende ,6397 ,50651 13 Kurzzeitmeditierende ,3854 ,32224 22 Langzeitmeditierende ,2506 ,32839 8 Nichtmeditierende ,9209 ,50244 13 Kurzzeitmeditierende ,6259 ,43023 22 Langzeitmeditierende ,5472 ,40461 8 Nichtmeditierende ,7387 ,62345 13 Kurzzeitmeditierende ,5811 ,44708 22 Langzeitmeditierende ,3287 ,26235 8 Nichtmeditierende ,5507 ,46875 13 Kurzzeitmeditierende ,3065 ,26592 22 Langzeitmeditierende ,1715 ,21662 8 Nichtmeditierende ,8672 ,50047 13 Kurzzeitmeditierende ,5572 ,38774 22 Langzeitmeditierende ,4586 ,32477 8 Nichtmeditierende ,4028 ,36004 13 Kurzzeitmeditierende ,2979 ,34659 22 Langzeitmeditierende ,1682 ,18400 8 Nichtmeditierende ,2893 ,25992 13 Kurzzeitmeditierende ,1535 ,17627 22 Langzeitmeditierende ,0867 ,13671 8 Nichtmeditierende ,4258 ,33384 13 Kurzzeitmeditierende ,2208 ,27517 22 Langzeitmeditierende ,1675 ,19008 8 negativ positiv negativ neutral positiv Halbwertszeit Standardab weichung Gruppe neutral Anstiegszeit Mittelwert Bildvalenz negativ neutral positiv N 178 Ergebnisse • Latenz bis zum Einsetzen der ersten EDRs („electrodermal response“) nach Bildbeginn: Abbildung 50: Latenz der initialen EDRs nach Bildbeginn je Bildvalenz und Gruppe • Anstiegszeit der ersten EDRs bis zum Maximum: Abbildung 51: Anstiegszeit der initialen EDRs bis zum Maximum je Bildvalenz und Gruppe 179 Ergebnisse • Halbwertszeit der ersten EDRs: Abbildung 52: Halbwertszeit der initialen EDRs je Bildvalenz und Gruppe 4.2.2 Zeitverlauf der Startle-Response Um durch die Betrachtung der einzelnen Startle-Zeitpunkte ein Verlaufskriterium zu erhalten, wurden in den meisten derartigen Studien die gemittelten Potenzierungs- und Inhibitionswerte bei den Startle-Zeitpunkten während der Bilddarbietung mit denjenigen bei den Startle-Zeitpunkten nach Bilddarbietung in Beziehung gesetzt und die untersuchten Gruppen darüber verglichen (z.B. Jackson et al., 2003; Larson & Davidson, 2001). Hier wird ebenso verfahren, wobei die Ergebnisse zusätzlich auch noch über die einzelnen Startle-Zeitpunkte deskriptiv aufgeschlüsselt werden. Aufgrund der Vielzahl der Startle-Zeitpunkte und der in 2.5.1 dargestellten multiplen Einflüsse auf die jeweiligen Netto-Startle-Responses, war es problematisch, eine einzige, umfassende Auswertestrategie zu entwerfen. Das von Gruppe 0 zu Gruppe 2 hin abnehmende Baseline-Startle-Niveau (siehe dazu 4.3.2) verkomplizierte die Auswertung zusätzlich, ebenso wie die fehlende Startle-Modulation bei der Gruppe der Langzeitmeditierenden (ebenfalls besprochen in Abschnitt 4.3.2), die einen statistischen Vergleich des Zeitverlaufes der Startle-Modulation über alle drei Gruppen erschwerte. Der Zeitverlauf der Startle-Response ist in Abbildung 53, aufgeteilt nach Bildvalenz und Gruppe, gut zu erkennen. Über alle Valenzen gemittelt zeigt sich deutlich ein Maximum der Response zum Startle-Zeitpunkt 6,5 s, welches durch die dort gipfelnde Startle-Potenzierung bei negativen Bildern bedingt ist (nicht bei den 180 Ergebnisse Langzeitmeditierenden). Die Nicht- und Kurzzeitmeditierenden haben zum Zeitpunkt 8,5 s dieses Niveau jeweils wieder abgebaut, bei den Langzeitmeditierenden lässt sich aufgrund der unerkennbaren Potenzierung schwer von einem Zeitverlauf sprechen. Zum letzten Startle-Zeitpunkt hin steigt (vor allem nach dem Betrachten negativer Bilder) die Startle-Response bei den Nicht- und Kurzzeitmeditierenden abermals leicht an (evtl. aufgrund von Erwartungsangst oder abnehmender Aufmerksamkeit; siehe Kapitel 2.5.1 und 5.2). Die Nicht- und Kurzzeitmeditierenden zeigen bei den positiven Bildern eine Startle-Inhibition bei den Zeitpunkten 1,5 s und 4,5 s, die sich bei beiden Gruppen bis zum Zeitpunkt 6,5 s wieder zurückgebildet hat. Bei den Langzeitmeditierenden ist hier wiederum keine Differenzierung möglich (zur Darstellung der Startle-Modulation siehe auch Abbildung 62 in Kapitel 4.3.2). Abbildung 53: Zeitverlauf der Startle-Response je Valenz und Gruppe 181 Ergebnisse In Abbildung 54 wurde zusätzlich die Response zu Zeitpunkten während der Bilddarbietung getrennt von derjenigen zu Zeitpunkten nach Bilddarbietung abgetragen (siehe auch Tabelle 21): Hier ist festzustellen, dass die vorher-nachher Differenzen von Gruppe 0 zu 2 hin abnehmen. Dies kann jedoch keinesfalls als Indiz für Erholungsfähigkeit oder Emotionsregulation betrachtet werden, da, wie in Abbildung 53 ersichtlich, diese größere Differenz auf einen je größeren Ausgangswert zu beziehen ist. Es ist also eher das Gegenteil der Fall: Die Nichtmeditierenden bauen quantitativ mehr ab, da sie wesentlich mehr aufgebaut hatten. Dieses Maß soll also hier nicht als Zeitverlaufs-Index herangezogen werden (die Gruppenunterschiede erreichen hier keine Signifikanz, siehe Anhang C2.2, Tabelle 50, Tabelle 51 und Tabelle 52). Tabelle 21: Deskriptive Statistiken für Differenz der Startle-Response während - nach Bilddarbietung Deskriptive Statistiken für Differenz der Startle-Response während - nach Bilddarbietung bei negativen Bildern Mittelwert 5,5230 Standardab weichung 9,42355 Kurzzeitmeditierende 2,2919 9,37831 Langzeitmeditierende -1,0551 9,04648 8 2,6460 9,39283 43 10,2105 19,04924 13 Kurzzeitmeditierende 6,0396 12,65056 22 Langzeitmeditierende -1,5903 7,41783 8 5,8811 14,46771 43 Gruppe Nichtmeditierende Gesamt bei positiven Bildern Nichtmeditierende Gesamt N 13 22 Abbildung 54: Differenz Startle-Response während - nach Bilddarbietung bei negativen und positiven Bildern je Gruppe 182 Ergebnisse Wie oben einführend erwähnt, findet in der einschlägigen Literatur eine Untersuchung der Zeitverläufe meist über einen während-nachher Vergleich bei den Startle-Modulations-Indices statt, die über alle Zeitpunkte während bzw. nach Bilddarbietung gemittelt werden. Der Index für die Potenzierung wird erstellt mittels der Differenz der Response bei negativen Bildern minus der Response bei neutralen Bildern. Analog wird der Inhibitions-Index errechnet über die Differenz der Response bei neutralen Bildern minus der Response bei positiven. Tabelle 22 ermöglicht den Vergleich der Gruppen bezüglich der Differenz dieser Modulationsindices: Tabelle 22: Deskriptive Statistiken für Differenz während - nach Bilddarbietung bei der Startle-Potenzierung und -Inhibition je Gruppe Deskriptive Statistiken für Differenz während - nachher bei Startle-Potenzierung und -Inhibition Mittelwert Standardab weichung Nichtmeditierende ,1895 11,84679 13 Kurzzeitmeditierende ,9004 10,94720 22 Langzeitmeditierende -2,5924 9,16679 8 ,0357 10,75821 43 Gruppe Differenz Potenzierung Gesamt Differenz Inhibition Nichtmeditierende N 15,5440 17,85766 13 Kurzzeitmeditierende 7,4311 12,24720 22 Langzeitmeditierende -,0530 6,56630 8 Gesamt 8,4914 14,25435 43 Für die Potenzierung werden diese Unterschiede in Abbildung 55 (für die deskriptiven Statistiken je Zeitpunkt siehe Anhang C2.2, Tabelle 54) graphisch dargestellt, und zusätzlich über alle Startle-Zeitpunkte aufgelöst, wobei deutlich wird, dass die Potenzierung vor allem an den Zeitpunkten 6,5 s und 7,5 s zum Tragen kommt: Abbildung 55: Potenzierung zu einzelnen Zeitpunkten und Differenz während - nach Bilddarbietung je Gruppe 183 Ergebnisse Die Langzeitmeditierenden bieten auch hier aufgrund ihrer mangelnden Modulation (Abbildung 62) und des geringen Baseline-Startle-Niveaus (Abbildung 53) uninterpretierbare Daten, da bei ihnen geringste Veränderungen der Startle-Response (bei welchen es sich aller Voraussicht nach um Messartefakte handelt) in Bezug auf den Ausgangswert bereits eine scheinbar prozentual hohe Variabilität erzeugen. Tabelle 23 zeigt demgemäß auch die wesentlich geringere Varianz der Messwerte über alle Startle-Zeitpunkte in der Gruppe der Langzeitmeditierenden. Tabelle 23: Deskriptive Statistiken für Startle-Response über alle Zeitpunkte je Valenz und Gruppe Deskriptive Statistik für Startle-Response über alle Zeitpunkte je Valenz und Gruppe Nx7 Zeitpunkte Spannweite Minimum Maximum Summe Mittelwert Standardabw. Varianz negative Bilder 91 107,47 15,41 122,87 5175,68 56,8756 28,59222 817,515 neutrale Bilder 91 130,44 15,70 146,14 4953,16 54,4303 29,11044 847,418 positive Bilder 91 141,06 12,32 153,38 4917,39 54,0373 32,63303 1064,9 negative Bilder 154 89,23 10,32 99,55 5228,81 33,9533 17,13739 293,690 neutrale Bilder 154 75,05 10,22 85,27 5090,02 33,0521 16,52093 272,941 positive Bilder 154 105,48 9,04 114,52 5305,77 34,4531 18,17234 330,234 negative Bilder 56 45,32 4,64 49,96 1190,30 21,2553 11,12367 123,736 neutrale Bilder 56 37,68 4,93 42,60 1110,18 19,8246 9,00233 81,042 positive Bilder 56 51,71 4,74 56,45 1205,09 21,5195 11,60769 134,738 Gruppe Nichtmeditierende Kurzzeitmeditierende Langzeitmeditierende Die Gruppenunterschiede zur Inhibition sind in Abbildung 56 zu finden, ebenfalls gerechnet als vorher-nachher Differenzen und aufgelöst über alle Startle-Zeitpunkte: bei den Langzeitmeditierenden fehlt die Inhibition gänzlich, bei den restlichen Gruppen tritt sie nur während der Bilddarbietung auf (für die deskriptiven Statistiken je Zeitpunkt siehe Anhang C2.2, Tabelle 54): Abbildung 56: Inhibierung zu einzelnen Zeitpunkten und Differenz während - nach Bilddarbietung je Gruppe 184 Ergebnisse Es zeigt sich beim Potenzierungsmaß ein deutlicher Unterschied zwischen den Nichtund Kurzzeitmeditierenden: letztere bauen trotz initial geringerem Response-Niveau einen größeren Teil (11,51 %) davon bis zum letzten Startle-Zeitpunkt hin ab, als die Nichtmeditierenden (2,42 %; siehe Abbildung 55). Abbildung 56 belegt die Abwesenheit von Startle-Inhibition nach Bilddarbietung, was eine Zeitverlaufsrechnung wenig interpretierbar erscheinen lässt. Es lässt sich hier lediglich die im Vergleich zu den Nichtmeditierenden (42,96 %) wesentlich geringere Inhibition während der Bilddarbietung bei den Kurzzeitmeditierenden (15,3 %) ablesen. Nachdem ausreichende Homogenität der Fehlervarianzen und Normalverteilung abgeklärt worden war (siehe Anhang C2.2, Tabelle 53) wurde eine MANOVA gerechnet, die ergab, dass sowohl die Unterschiede in der Potenzierungsdifferenz als auch in der Inhibitionsdifferenz zwischen den Gruppen statistisch nicht signifikant waren (Anhang C2.2, Tabelle 55 und Tabelle 56). Eine Ursache hierfür ist sicher, dass die uninterpretierbaren Daten der Langzeitmeditierenden in die Rechnung jeweils mit eingingen. Bei der Inhibition kommt noch der Umstand dazu, dass diese bei allen Gruppen nach Bildende nicht mehr auftritt, die Gruppen also diesbezüglich nicht zu vergleichen sind, und die errechneten Differenzen aufgrund dieser „negativ“-Inhibition nach Bildende künstlich verzerrt wurden (siehe Abbildung 56). Zu bedenken ist auch, dass das Ausmaß der Differenz hierbei nicht ins Verhältnis gesetzt werden konnte zur Höhe des Ausgangswertes (des Wertes, von dem aus die Reaktion absinkt). Da jedoch, wenn das Ausgangsniveau bereits sehr niedrig ist, ein Abfall gezwungenermaßen nicht mehr so üppig ausfallen wird (siehe Jennings, 2003, S. 45), ist aufgrund der hier vorgefundenen unterschiedlichen initialen Reaktionen die Aussagekraft des Vergleichs der Differenzen ebenfalls nicht überzustrapazieren. Unter diesen Umständen wurden hierzu auch keine weiteren Korrelationen oder Regressionsrechnungen durchgeführt, da davon auszugehen ist, dass aufgrund der fehlenden Modulation bei den Langezeitmeditierenden der abnehmende Trend von Gruppe 0 zu 1 nicht über alle drei Gruppen statistisch erfassbar ist, da die Langzeitmeditierenden, aufgrund des geringen Response-Niveaus und der Artefakte, auf deskriptiver Ebene teilweise Daten zeigen, die dem Trend von Gruppe 0 nach 1 gegenläufig sind. Bei der Exploration der einzelnen Startle-Zeitpunkte ist erwähnenswert, dass die Kurzzeitmeditierenden sowohl bei der Potenzierung als auch bei der Inhibition jeweils einen Startle-Zeitpunkt später als die Nichtmeditierenden ihren (wesentlich geringeren) Reaktionspeak erreichen. Dieses Reaktionsmaximum haben beide Gruppen jedoch im darauf folgenden Zeitpunkt bereits wieder komplett abgebaut (siehe Abbildung 55 und Abbildung 56). 185 Ergebnisse Damit kann Hypothese 2b nicht bestätigt werden: Mit zunehmender Achtsamkeitspraxis setzt weder Potenzierung noch Inhibition schneller ein, erreicht nicht schneller den Höhepunkt und fällt auch nicht schneller wieder ab. 4.3 Reaktionsintensität Berichtet wird hier die Intensität der emotionalen Reaktion in der neurophysiologischen Komponente, abgebildet über die EDA, sowie die Reaktionsintensität der motivationalen Komponente, die mittels Startle-Paradigma erhoben wurde. 4.3.1 Reaktionsintensität der neurophysiologischen Komponente Die Stärke der EDA als Index zur Bestimmung der Intensität der neurophysiologischen Komponente wurde hier in „Summe aller EDRs (jeweils pro Trial)“ und „Maximum aller EDRs (jeweils pro Trial)“ differenziert. Wie Tabelle 57 und Tabelle 58 (jeweils Anhang C3.1) zeigen, finden sich auch bei diesen beiden Maßen ausreichend normalverteilte Werte, sowie Varianzhomogenität zwischen den drei Gruppen. Lediglich beim „Maximum der EDRs“ bei negativen und normalen Bildvalenzen weichen die erhaltenen Werte signifikant von einer Normalverteilung ab. In Tabelle 24 erkennt man auch hier wieder die von Gruppe 0 zu Gruppe 2 hin abfallende Mittelwerte bei EDA-Summe und EDA-Maximum. Abbildung 57 und Abbildung 58 zeigen allerdings deutlich, dass im Fall des EDA-Maximums bei negativen Bildern eine Ausnahme anzutreffen ist: Hier gab es also auch bei den Kurzzeitmeditierenden Probanden, die mit einer großen Reaktion auf die Bilddarbietung antworteten, jedoch anschließend im weiteren Verlauf der entsprechenden Trials weniger (oder weniger starke) EDRs zeigten, wie Abbildung 57 nahe legt. Außer dem Faktor Gruppe (F(4) = 3,452; p = ,009) wurde in den multivariaten ANOVAs (berichtet wird hier das stärkste Prüfmaß „Pillai-Spur“) keine Kovariate signifikant (siehe Anhang C3.1, Tabelle 60). Lediglich mit dem schwächsten Prüfmaß „größte charakteristische Wurzel nach Roy“ konnte ein signifikanter Einfluss der Bildvalenz erhalten werden (F(2) = 3,607; p = ,030). Die univariaten ANOVAs (siehe Anhang C3.1, Tabelle 59) zeigten, dass der Faktor Gruppe sowohl im Hinblick auf EDA-Summe (F(2) = 5,258; p = ,006) als auch EDA-Maximum (F(2) = 3,996; p = ,021) signifikant wurde. Durchgeführte Post-Hoc-Tests mit Bonferroni-Korrektur (siehe Anhang C3.1, Tabelle 61) ergaben, dass dort jeweils nur die Unterschiede zwischen den Nicht- und Langzeitmeditierenden signifikant wurden (EDA-Summe: p = ,030; EDA-Maximum: p = ,024), was wohl auch hier an der geringen Gruppenstärke (n = 8) der Langzeitmeditierenden liegt. Unabhängig von der künstlichen Gruppenaufteilung 186 Ergebnisse bestätigten auch hier die Spearman-Rho Korrelationen den von Gruppe 0 zu Gruppe 2 abnehmenden Trend (siehe Anhang C3.1, Tabelle 62): die Achtsamkeitspraxis in Stunden korrelierte signifikant negativ mit der EDA-Summe (r = -,206; p = ,010) und dem EDA-Maximum (r = -,203; p = ,011). Wie bei den EDA-Zeitverläufen zeigte sich auch hier in den Korrelationen ein Einfluss des Geschlechts (r = ,244; p = ,003), wobei Männer mit höheren Werten bei EDA-Maximum und EDA-Summe assoziiert waren. Da der prozentuale Anteil an Männern von Gruppe 0 zu Gruppe 2 hin ansteigt (siehe Abschnitt 3.6.2), die Werte der EDA-Intensität jedoch in die gleiche Richtung hin abnehmen, stärkt auch hier dieser Befund das Argument für den Einfluss der Meditationspraxis auf die gefundenen Gruppenunterschiede. Die gerechneten Regressionsanalysen rundeten dieses Bild ab: Der Prozentrang der Achtsamkeitspraxis bot jeweils für EDA-Summe (ȕ = -,266; t = -3,104; R2 = ,071; p = ,002; siehe Anhang C3.1, Tabelle 63) und EDA-Maximum (ȕ = -,249; t = -2,892; R2 = ,062; p = ,005; siehe Anhang C3.1,) ein signifikantes Modell zur Vorhersage der jeweiligen EDA-Werte. Hypothese 3.1 konnte infolgedessen bestätigt werden. Mit zunehmender Achtsamkeitspraxis verringert sich fortschreitend sowohl die Summe aller auf eine Bilddarbietung hin generierten EDRs, als auch das jeweils daraufhin entstehende EDRMaximum. Tabelle 24: Deskriptive Statistiken für EDA-Intensität DESKRIPTIVE Statistiken für EDA - Intensität Summe Standardab weichung Nichtmeditierende ,3047 ,27426 13 Kurzzeitmeditierende ,2070 ,25136 22 Langzeitmeditierende ,1184 ,11068 8 Nichtmeditierende ,2318 ,20240 13 Kurzzeitmeditierende ,1499 ,16402 22 Langzeitmeditierende ,1062 ,12743 8 Nichtmeditierende ,3130 ,23108 13 Kurzzeitmeditierende ,2222 ,20750 22 Langzeitmeditierende ,1957 ,20116 8 Nichtmeditierende ,1401 ,12140 13 Kurzzeitmeditierende ,1344 ,18071 22 Langzeitmeditierende ,0592 ,04707 8 Nichtmeditierende ,1044 ,09565 13 Kurzzeitmeditierende ,0611 ,07036 22 Langzeitmeditierende ,0332 ,03408 8 Nichtmeditierende ,1738 ,13130 13 Kurzzeitmeditierende ,1198 ,11519 22 Langzeitmeditierende ,0821 ,07465 8 Gruppe negativ neutral positiv Maximum Mittelwert Bildvalenz negativ neutral positiv N 187 Ergebnisse • Summe der EDRs: Abbildung 57: Summe der EDRs je Bildvalenz und Gruppe • Maximum der EDRs: Abbildung 58: Maximum der EDRs je Bildvalenz und Gruppe 188 Ergebnisse 4.3.2 Reaktionsintensität der motivationalen Komponente Die motivationale Komponente wurde erfasst über das Startle-Paradigma. Wie im Theorieteil ausführlich erläutert, kann die Aktivität der beiden emotionalen Motivationssysteme „approach“ und „avoidance“ über die Stärke der Startle-Inhibition bei positiven bzw. -Potenzierung bei negativen Bildern (immer im Hinblick auf das Startle-Reaktionsmuster bei neutralen Hintergrundstimuli) gemessen werden. Die zuerst berichtete Aktivitätsstärke des „approach“ Motivationssystems wurde berechnet, indem die Differenz „Startle-Response bei neutralen Bilddarbietungen minus Startle-Response bei positiven Bilddarbietungen“ an den Startle-Zeitpunkten gerechnet wurde, welche Inhibition vermitteln, nämlich die Zeitpunkte 1,5 s und 4,5 s nach Bildbeginn (siehe Abbildung 62). Zur Berechnung der Aktivitätsstärke des „avoidance“ Motivationssystems wurde entsprechend die Differenz „Startle-Response bei negativen Bildern minus Startle-Response bei neutralen Bildern“ ermittelt. Hier boten sich die StartleZeitpunkte 6,5 s und 7,5 s an, da an diesen eine Potenzierung vermittelt wurde (siehe Abbildung 62). Dort ist auch die in Hypothese 3.2 vorhergesagte Abnahme der Motivationssystemaktivierung gut zu erkennen, ersichtlich an der mit steigender Achtsamkeitspraxis sinkenden Differenzierung der Kurven für die drei Bildvalenzen. Für die Startle-Responses und die errechneten Modulationsparameter für Inhibition und Potenzierung konnte innerhalb der drei Gruppen eine ausreichende Normalverteilung der Werte belegt werden (siehe Anhang C3.2, Tabelle 65). Die Varianzen jedoch stellten sich in den Levene-Tests nicht als homogen dar (siehe Anhang C3.2, Tabelle 68). Dies ist zwar laut Bortz (1999) bei quasi-experimentellen Designs oft anzutreffen; da die Stichprobengröße der Gruppen jedoch ebenfalls unterschiedlich war, wurde jeweils zusätzlich zu den ANOVAs auch das nicht-parametrische Verfahren „Kruskal-Wallis“ angewandt, um die in den ANOVAs gefundenen Ergebnisse abzusichern. Das Niveau der Startle-Reaktivität (siehe Tabelle 25 und Abbildung 59), auf dem sich die jeweilige Modulation abspielte, war zwischen den Gruppen signifikant unterschiedlich, und nahm von Gruppe 0 zu 2 hin ab: Eine ANOVA über die 43 Mittelwerte aller Probanden erbrachte einen signifikanten Effekt für Gruppe: F(2) = 11,713; p < ,001 (siehe Anhang C3.2, Tabelle 66). Die Post-Hoc-Tests, durchgeführt mit Tamhane-Korrektur bei inhomogenen Varianzen (siehe Anhang C3.2, Tabelle 69) bestätigten einen signifikanten Unterschied zwischen allen Gruppen (Nicht- meditierende – Kurzzeitmeditierende: p = ,036; Kurzzeitmeditierende – Langzeitmeditierende: p = ,015). Auch der Kruskal-Wallis-Test (siehe Anhang C3.2, Tabelle 67) wurde für den Faktor Gruppe signifikant: Chi(2) = 16,948; p < ,001. Korrelationsrechnungen (siehe Anhang C3.2, Tabelle 70) zeigten einen signifikant negativen 189 Ergebnisse Zusammenhang zwischen der overall Startle-Response und der Achtsamkeitspraxis in Stunden (r = -,614; p < ,001). Alter (r = -,505; p < ,001) und Geschlecht (r = -,372; p = ,007) wurden ebenfalls signifikant. Für Nichtmeditierende und Meditierende getrennt gerechnete Korrelationen (siehe Anhang C3.2, Tabelle 71) erbrachten, dass dieser signifikante Effekt nur bei Probanden mit Achtsamkeitspraxis auftrat (Nichtmeditierende: r = -,061; p = ,422; Meditierende: r = -,540; p < ,001). Da unvermeidbar bei den Meditierenden das Lebensalter und die Achtsamkeitspraxis stark korrelieren (r = ,458; p = ,005; siehe Anhang C3.2, Tabelle 78), ist davon auszugehen, dass die gefunden Alterseffekte jeweils nicht Einflüsse des Alters an sich darstellen, sondern durch fortschreitende Achtsamkeitspraxis vermittelte Effekte. In der Gruppe der Meditierenden sind Achtsamkeitspraxis und Alter somit statistisch eng verwoben, und auch mit z.B. Partialkorrelationen schlecht zu entkoppeln. Die Regressionsrechnung (siehe Anhang C3.2, Tabelle 72) mittels der Prozentränge der Achtsamkeitspraxis wurde ebenfalls signifikant (ȕ = -,554; t = -4,260; R2 = ,307; p < ,001). Abbildung 59: Startle-Response je Gruppe und Bildvalenz über alle Zeitpunkte 190 Ergebnisse Tabelle 25: Statistiken für Startle-Response je Gruppe über alle Valenzen und Zeitpunkte Statistiken für Startle-Response je Gruppe über alle Valenzen und Zeitpunkte StartleResponse Nichtmeditierende Startle Means (n x 3 Valenzen x 7 Zeitpunkte) Gültig Fehlend Mittelwert 30,08057 Varianz 904,841 Minimum 12,32 Maximum 153,38 Startle Means (n x 3 Valenzen x 7 Zeitpunkte) Gültig Fehlend Mittelwert 462 0 33,9389 Standardabweichung 17,26358 Varianz Langzeitmeditierende 0 55,1144 Standardabweichung Kurzzeitmeditierende 273 298,031 Minimum 9,04 Maximum 114,52 Startle Means (n x 3 Valenzen x 7 Zeitpunkte) Gültig Fehlend Mittelwert Standardabweichung Varianz 168 0 20,8665 10,60068 112,374 Minimum 4,64 Maximum 56,45 Hypothese 3.2a konnte somit bestätigt werden. Das mittlere Startle-Response-Niveau sinkt mit zunehmender Achtsamkeitspraxis fortlaufend ab. • Startle-Inhibition: Abbildung 60: Startle-Response zu Zeitpunkten, die Inhibition vermitteln 191 Ergebnisse Tabelle 26: Deskriptive Statistiken für Startle-Inhibition Deskriptive Statistiken für Inhibition Abhängige Variable: Inhibition Mittelwert 16,1490 Standardab weichung 15,75095 Kurzzeitmeditierende 4,5159 11,85226 44 Langzeitmeditierende -,9936 6,30296 16 Gesamt 7,0079 13,85168 86 Gruppe Nichtmeditierende N 26 Abbildung 61: Startle-Inhibition nach Gruppen Aufgeteilt nach Gruppen und Bildvalenzen vermittelt Abbildung 60 einen Eindruck der jeweiligen Startle-Response an den Zeitpunkten, zu denen Inhibition im Mittel feststellbar war. In Tabelle 26 und Abbildung 61 wird die in Hypothese 3.2b postulierte Abnahme der Inhibitionsstärke an Hand der Gruppenmittelwerte deutlich. Hier erbrachte eine ANOVA einen signifikanten Effekte für Gruppe (F(2) = 5,800; p = ,004), ansonsten wurde kein Faktor signifikant (siehe Anhang C3.2, Tabelle 73). Post-Hoc-Tests mit Tamhane-Korrektur bei inhomogenen Varianzen (siehe Anhang C3.2, Tabelle 74) konnten einen signifikanten Effekt zwischen den Nichtmeditierenden und Kurz- bzw. Langzeitmeditierenden finden (p = ,007; bzw. p < ,001). Der Mittelwertsunterschied zwischen den Kurz- und Langzeitmeditierenden wurde nicht signifikant (p = ,073). Diese Befunde stützte auch der Kruskal-Wallis-Test (siehe Anhang C3.2, Tabelle 76), bei dem die Gruppenunterschiede ebenfalls signifikant wurden (Chi (2) = 17,253; p < ,001). Die Korrelationsberechnungen (siehe Anhang C3.2, Tabelle 77) ergaben 192 Ergebnisse folgendes Bild: die Achtsamkeitspraxis in Stunden korrelierte mit der Startle-Inhibition signifikant negativ (r = -,415; p < ,001). Ebenso wurde hier jedoch auch hier das Alter signifikant (r = -,367; p < ,001). Für Nichtmeditierende und Meditierende getrennt gerechnete Alter-Inhibition Korrelationen (siehe Anhang C3.2, Tabelle 75) erbrachten, dass dieser signifikante Effekt nur bei Probanden mit Achtsamkeitspraxis auftrat (Nichtmeditierende: r = -,106; p = ,303; Meditierende: r = -,289; p = ,013). Die bereits oben geführte Argumentation bezüglich dieser Befunde gilt also auch hier. Eine abschließend gerechnete Regressionsanalyse (siehe Anhang C3.2, Tabelle 79) bestätigte den Zusammenhang zwischen abnehmender Startle-Inhibition und zunehmender Achtsamkeitspraxis: Es konnte ein signifikantes Modell zur Vorhersage der Inhibitionswerte mittels der Achtsamkeitsprozentränge gebildet werden (ȕ = -,422; t = -4,262; R2 = ,178; p < ,001). Abbildung 62: Startle-Modulation je Gruppe und Bildvalenz 193 Ergebnisse • Startle-Potenzierung: Tabelle 27: Deskriptive Statistiken für Startle-Potenzierung Deskriptive Statistiken Abhängige Variable: Potenzierung Mittelwert 13,6226 Standardab weichung 19,69196 Kurzzeitmeditierende 2,1959 13,47301 44 Langzeitmeditierende ,1646 4,95621 16 5,2726 15,53553 86 Gruppe Nichtmeditierende Gesamt N 26 Abbildung 63: Startle-Response zu Zeitpunkten, die Potenzierung vermitteln Auch die Stärke der Startle-Potenzierung nimmt, der Hypothese 3.2b entsprechend, im Mittel von Gruppe 0 nach Gruppe 2 hin ab, wie Tabelle 27 und Abbildung 63 bzw. Abbildung 64 ersichtlich machen. Auch bei der Potenzierung erbrachte die ANOVA nur für den Faktor Gruppe einen signifikanten Effekt (F(2) = 3,830; p = ,026; siehe Anhang C3.2, Tabelle 81). Post-Hoc-Tests (siehe Anhang C3.2, Tabelle 82) konnten diesen signifikanten Effekt zwischen den Nichtmeditierenden und Kurz- bzw. Langzeitmeditierenden verorten (p = ,037; bzw. p = ,007). Der Mittelwertsunterschied zwischen den Kurz- und Langzeitmeditierenden wurde nicht signifikant (p = ,780). Der KruskalWallis-Test (siehe Anhang C3.2, Tabelle 80) bestätigte die mit der ANOVA gefundenen Gruppenunterschiede (Chi (2) = 9,432; p = ,009). Ebenso wie mit der Inhibition 194 Ergebnisse korrelierte die Achtsamkeitspraxis in Stunden auch mit der Potenzierung signifikant negativ (r = -,335; p < ,001; siehe Anhang C3.2, Tabelle 85). Abbildung 64: Startle-Potenzierung nach Gruppen Aufgrund der oben erläuterten Verwobenheit von Alter und Achtsamkeitspraxis fand sich auch hier eine signifikante, im Vergleich zur Achtsamkeitspraxis jedoch wiederum geringere Alterskorrelation (r = -,282; p = ,004). Ihre Signifikanz behielt sie nach Aufteilung in Nichtmeditierende und Meditierende jedoch wieder nur in der Gruppe der Meditierenden, bei den Nichtmeditierenden drehte sich sogar die Richtung der Korrelation (Nichtmeditierende: r = ,101; p = ,312; Meditierende: r = -,308; p = ,008; siehe Anhang C3.2, Tabelle 84). Diese Ergebnisse befanden sich in einer Linie mit der Regressionsrechnung (siehe Anhang C3.2, Tabelle 83) mittels der Prozentränge der Achtsamkeitspraxis (ȕ = -,350; t = -3,426; R2 = ,123; p = ,001). Die Befunde zur Inhibition der Startle-Response bei positiven Bildern und Potenzierung bei negativen Bildern zeigen das in Hypothese 3.2 erwartete Muster der abfallenden Motivationssystemaktivierung mit zunehmender Achtsamkeitspraxis. Die Hypothese 3.2 konnte damit bestätigt werden. 195 Ergebnisse 4.4 Affekttoleranz Hierzu wurde die Anwendung von Vermeidungsstrategien während des Versuchs erfasst, sowie der durch den Versuch bedingte Abfall des allgemeinen Wohlbefindens. 4.4.1 Verwendung von Vermeidungsstrategien Im Nachinterview (siehe Anhang A1.8) gaben die Probanden an, ob sie während des Experiments irgendwelche Versuche unternommen hatten, die durch die Bilder ausgelösten Emotionen zu beeinflussen („Welche Haltung haben Sie den Bildern bzw. Ihren Gefühlen daraufhin entgegengebracht? Haben Sie irgendeine Strategien angewendet?“). Wie in Abbildung 65 und Abbildung 66 gut zu erkennen, verringert sich mit zunehmender Achtsamkeitspraxis der Einsatz von Strategien zur Emotionsvermeidung: nur 15 % der Nichtmeditierenden gaben an, keine derartigen Strategien eingesetzt zu haben. Bei den Kurzzeitmeditierenden waren es 57 %, und bei den Langzeitmeditierenden 88 %, die keine Vermeidungsstrategien benötigten. Abbildung 65: Einsatz von Vermeidungsstrategien Diese Gruppenunterschiede wurden mit einem Chi-Quadrat-Test überprüft (siehe Anhang C4.1, Tabelle 86) und als signifikant bestätigt (Chi(2) = 10,895; p = ,004) Abbildung 66 zeigt zusätzlich, welche Strategien zur Emotionsvermeidung eingesetzt wurden: 196 Ergebnisse Abbildung 66: Art der Vermeidungsstrategien (Mehrfachnennung möglich) Diese Befunde bestätigen damit Hypothese 4a, die davon ausgeht, dass mit steigender Meditationspraxis das Vermeidungsverhalten abnimmt. 4.4.2 Wohlbefinden vor und nach dem Versuch Ein weiterer Bestandteil der Untersuchung war eine vor und nach dem Experiment abgegebene Bewertung des aktuellen Befindens. Dies geschah durch das Vergeben einer Schulnote zwischen „1 = sehr gut“ und „6 = sehr schlecht“, wobei auch halbe Schritte (z.B. „1,5“) erlaubt waren. Hier in Tabelle 28 bzw. Abbildung 67 sind die Werte „vorher“ und „nachher“ bzw. die Differenzen „Befinden nach dem Versuch minus Befinden vor dem Versuch“ für die drei Gruppen getrennt dargestellt. Je größer die Differenz, desto stärker beeinträchtigte der Versuch also die Probanden jeweils in ihrem Wohlbefinden: 197 Ergebnisse Tabelle 28: Deskriptive Statistiken für Wohlbefinden Selbsteinschätzung des subjektiven Wohlbefindens in Schulnoten Gruppe Nichtmeditierende vorher 2,25 nachher 3,33 Differenz 1,08 12,00 12,00 12,00 ,75 ,75 ,97 2,05 2,36 ,32 22,00 22,00 22,00 ,79 ,73 1,09 Mean 2,00 2,19 ,19 N 8,00 8,00 8,00 ,53 Mean N Std. Deviation Kurzzeitmeditierende Mean N Std. Deviation Langzeitmeditierende Std. Deviation Total Mean N Std. Deviation ,93 ,65 2,10 2,61 ,51 42,00 42,00 42,00 ,79 ,84 1,02 Dabei ergab sich folgendes Bild: Die Nichtmeditierenden bewerteten ihr Wohlbefinden vor dem Experiment mit der Note 2,30; die Kurzzeitmeditierenden mit 2,05; die Langzeitmeditierenden mit 2,00; diese Unterschiede wurden in einer ANOVA nicht signifikant (siehe Anhang C4.2, Tabelle 87). Die Bewertungen nach dem Experiment lauten bei den Nichtmeditierenden: 3,33; bei den Kurzzeitmeditierenden: 2,40; bei den Langzeitmeditierenden: 2,19; Diese Unterschiede wurden signifikant (F(2) = 8,717; p < ,001), die drei Gruppen unterschieden sich also signifikant in ihrem Wohlbefinden nach dem Experiment. Abbildung 67: Differenz Wohlbefinden nachher – vorher 198 Ergebnisse Die Differenzwerte, die, weil bezugnehmend auf den Ausgangswert, die größte Aussagekraft besitzen, wurden in der ANOVA zwischen den Gruppen nicht signifikant. Aus diesem Grund gerechnete t-Tests erbrachten einen signifikanten Mittelwertsunterschied (t(32) = 2,033; p = ,050) zwischen den Nicht- und Kurzzeitmeditierenden (Anhang C4.2, Tabelle 88). Dieser Unterschied nahm in Richtung zu den Langzeitmeditierenden zwar noch einmal zu, wurde aber nicht mehr signifikant. Diese Abnahme des Wohlbefindens korreliert signifikant negativ mit der Länge der Achtsamkeitspraxis (r = -,378; p = ,007; siehe Anhang C4.2, Tabelle 89). Auch Hypothese 4b kann somit als belegt gelten. 4.5 Fragebögen Levene-Tests (Anhang C4.3, Tabelle 90) belegten die ausreichende Homogenität der Fehlervarianzen zwischen den Gruppen. Die Gruppenmittelwerte sind in Anhang C4.3 (Tabelle 93) einzusehen. Bei keinem der Fragebögen fanden sich mit der gerechneten MANOVA statistisch signifikante Mittelwertsunterschiede zwischen den Gruppen, auch die univariate ANOVA bestätigte diesen Befund (siehe Anhang C4.3, Tabelle 91 bzw. Tabelle 92). 199 Diskussion und Ausblick 5. Diskussion und Ausblick Die vorliegende Diplomarbeit strebte an, ein besseres Verständnis der Einflüsse von regelmäßiger Achtsamkeitspraxis auf die Emotionsverarbeitung zu erlangen. Ausgehend von den Implikationen buddhistischer und wissenschaftlicher Arbeiten zur Achtsamkeit wurden vor allem in der Gefühls-, der neurophysiologischen und der motivationalen Komponente mit zunehmender Praxis Veränderungen erwartet. Obgleich das hierfür zur Anwendung gekommene IAPS-Paradigma der Emotionsinduktion nur statische Bildreize darbietet, legt die dazu reichlich vorhandene Forschung durchaus die Schlussfolgerung nahe, einen Transfer der Ergebnisse auf die Emotionsverarbeitung im Alltag vornehmen zu können (Bradley, Codispoti, Cuthbert & Lang, 2001). Erfasst wurden die Emotionskomponenten mittels SAM-Rating (Gefühlskomponente), EDA (neurophysiologische Komponente) und dem Startle-Paradigma (motivationale Komponente). In Abschnitt 2.6 wurden die vier Fragestellungen und die daraufhin entwickelten Hypothesen vorgestellt, die nun die abschließende Diskussion der Ergebnisse strukturieren sollen. Ein Ausblick auf mögliche Nachfolgestudien schließt die Arbeit ab. 5.1 Gefühlskomponente Fragestellung 1: Welchen Einfluss hat Achtsamkeitspraxis auf die subjektiv erlebte Gefühlskomponente der emotionalen Reaktion? Hypothese 1a sagte eine mit steigender Achtsamkeitspraxis zunehmende Gefühlsintensität auf emotionale Stimuli hin voraus, die sich in signifikant ansteigenden SAMIntensitätsratings äußern sollte. Tatsächlich zeigten die Analysen der abgegebenen SAM-Ratings einen gegensätzlichen Trend: Die Meditierenden bewerteten sowohl bei positiven als auch bei negativen Stimuli ihre durch die Bilder ausgelösten Gefühle als weniger intensiv als die Nichtmeditierenden, wobei diese deskriptiv ersichtliche Abnahme zwischen den Gruppen nicht statistisch signifikant wurde. Zwischen den Kurz- und Langzeitmeditierenden fand sich kein nennenswerter Unterschied. Über alle Probanden betrachtet stellte sich dagegen ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen der Länge der Achtsamkeitspraxis in Stunden und der Höhe der SAMIntensitätsratings bei negativen Bildern heraus, so dass die Ergebnisse eher eine 200 Diskussion und Ausblick gegenteilige Hypothese stützen: Mit zunehmender Achtsamkeitspraxis nimmt die selbstberichtete Intensität der erlebten Gefühle auf emotionale, vor allem auf aversive Stimuli hin ab. Lediglich bei den neutralen Bildern erlebten die meditierenden Probanden den SAM-Ratings nach zu urteilen zunehmend intensivere Gefühle, wobei hier weder die Gruppenunterschiede noch die Korrelationsrechnungen signifikant wurden. Obwohl der Einfluss des Alters in der ANOVA statistisch nicht erkennbar war, sind aufgrund der Altersunterschiede (das Alter nimmt von Gruppe 0 nach 2 signifikant zu) der Gruppen Überlegungen zu möglichen Alterseffekten hinsichtlich dieser Ergebnisse durchaus sinnvoll: Ein Blick in die Literatur zeigt jedoch, dass dieser wiederum entgegengesetzt hätte ausfallen müssen. Smith, Hillman und Duley (2005) berichten von ebenfalls mit IAPS-Bildern erzeugten Ergebnissen, die eindeutig für eine generelle Erhöhung der Intensitätsratings mit zunehmendem Alter sprechen: „Age also modulated SAM arousal ratings (…) such that older adults reported greater overall ratings of arousal than younger adults“ (S. 52). Damit ist davon auszugehen, dass der ersichtliche Abwärtstrend der SAM-Ratings bei den Meditierenden kein altersbedingtes „Überschreiben“ eines evtl. achtsamkeitsmodulierten Aufwärtstrends darstellen sollte. Die signifikant negative Korrelation bei den negativen Bildern legt indes einen dämpfenden Effekt der Meditationspraxis nahe. Lane, Fink, Chau und Dolan (1997) sowie Lange, Williams, Young et al. (2003) argumentieren zwar, dass Selbstbeurteilungsskalen wie das SAM-Rating durch die instruierte künstliche Aufmerksamkeitszuwendung grundsätzlich einen verfälschenden Effekt auf die Gefühle an sich haben, Hutcherson, Goldin, Ochsner et al. (2005) relativierten diese Befunde jedoch in jüngster Zeit. Solche Argumente sind, da sie alle Probanden gleichermaßen betreffen, für diesen Fall ohnehin von geringer Relevanz. Die Betrachtung des hier verwendeten experimentellen Designs wirft jedoch die Frage auf, ob der lange Zeitraum zwischen Bilddarbietung und SAM-Rating am Zustandekommen der Ergebnisse beteiligt gewesen sein könnte: Die Probanden könnten intuitiv im Moment des SAM-Ratings eher die dann noch vorhandenen Gefühle bewerten, anstatt sich aktiv und ressourcenfordernd 10 - 14 Sekunden zurück zu erinnern, bzw. nicht im Stande sein, diese Erinnerung zu leisten, und daher einen auf dem gegenwärtigen Restgefühl basierenden Schätzwert abgeben. Sollte dies zutreffen, würde im Falle eines schnelleren Gefühlsabfalls bei den Meditierenden das gefundene Ergebnis erklärbar sein: „However, because subtle shifts in feeling may be very brief and memory for them short-lived, retrospective reports may be misleading“ (Nielsen & Kaszniak, 2006). Diese Aussage treffen die Autoren vor dem Hintergrund eines 201 Diskussion und Ausblick 4-sekündigen Abstandes zwischen Bild und SAM-Rating. Des Weiteren trug die graphische Ausgestaltung der SAM-Intensitäts-Piktogramme möglicherweise in einer verzerrenden Weise zum Zustandekommen der Ergebnisse bei: Wie in Abbildung 25 zu erkennen ist, erscheinen die Piktogramme mit zunehmender Intensität immer mehr einen Tobsüchtigen zu symbolisieren. Die Meditierenden, deren Praxis solche Reaktionsweisen auf Gefühle hin durchweg negativ bewertet, mögen davon unterschwellig in dem Sinne beeinflusst worden sein, dass sie, um interne (Selbstbild-) Dissonanzen zu minimieren, die hohen Ausprägungen eher mieden, obgleich sie intensive innere Empfindungen erlebten – das SAM-Rating aber eher als Abbild der Reaktion auf die Empfindungen verstanden. Die Probanden wurden zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Piktogramme unglücklich gewählt seien, um die „Intensität“ eines Gefühls darzustellen, und dass sie damit nichts Negatives konnotieren sollten. Gänzlich auszuschließen ist ein derartiger Einfluss jedoch wahrscheinlich nicht. Im Zuge der Diskussion der Ergebnisse zu Hypothese 1b wird für die gefundenen SAM-Intensitätsratings jedoch eine alternative Erklärung angeboten, die nach Meinung des Verfassers alle Befunde zur Gefühlskomponente am besten integriert. Hypothese 1b sagte für das Nachinterview voraus, dass sich hier von Gruppe 1 zu 2 mehr Probanden finden sollten, die angeben, dass sich im Laufe der Meditationspraxis die Gefühle intensiviert hätten, als Probanden, die von einer Abschwächung der Intensität berichten. Hier bestätigte sich die Vermutung insofern, als dass zum einen kein Proband von einer Abschwächung berichtete, und zum anderen der Anteil an Gruppenteilnehmern, die von einer „starken Erhöhung“ (vs. „hat sich etwas erhöht“) sprachen, von Gruppe 1 nach 2 zunahm. Das Ergebnis des Nachinterviews steht nun aber damit in völligem Gegensatz zu den Daten der SAM-Intensitätsratings. Es besteht, nach der Sichtung der kürzlich publizierten Arbeit von Nielsen und Kaszniak (2006), der Verdacht, dass die Ergebnisse vor allem durch einen widersprüchlichen und fehlerhaften Gebrauch der Begrifflichkeiten von Seiten des Verfassers bedingt wurden: Nielsen und Kaszniak (2006) stellen heraus, dass es strikt zu trennen gilt zwischen den Konstrukten „Intensität des Gefühls“, „Absorption durch das Gefühl“ und „emotionales Gewahrsein (awareness) bzw. Klarheit (clarity) des Gefühlserlebens“. Die Fragestellung ist also explizit auf eines dieser Konstrukte auszurichten, da ansonsten eine Verwirrung und Vermengung von Aussagen entsteht, die widersprüchlichen Inhalts sein werden: Die Form, in der die Frage den Meditierenden konkret gestellt wurde, mag ihnen jedoch zuviel Interpretationsspielraum offen gelassen haben, so dass sie sich selbst (intuitiv) für eines der oben genannten Konstrukte entscheiden mussten: Aussagen wie „die Intensität meines Gefühlserlebens 202 Diskussion und Ausblick hat sich stark gesteigert, ich nehme meine Gefühle viel deutlicher wahr, sie sind facettenreicher, klarer und lebendiger geworden (…)“, wie sie größtenteils von den Probanden getroffen wurden, gingen in die Auswertung der Ergebnisse ein als „Gefühlsintensität hat sich stark erhöht“. Damit liegt nahe, dass der Befragende ein anderes Konstrukt operationalisieren wollte, als die Befragten dekodierten: Abgefragt werden sollte „die Intensität der Gefühle“, geantwortet wurde jedoch mit Aussagen über das „emotionale Gewahrsein und die Klarheit der Gefühle“ (siehe Nielsen & Kaszniak, 2006). Bei der nachträglichen Betrachtung der Hypothese 1a fiel dem Verfasser auf, dass ihm bei deren Erstellung diese Differenzierungen selbst nicht gänzlich präsent waren. Es ist somit wahrscheinlich, dass die gefundenen SAM-Intensitätsratings darauf zurück zu führen sind, dass die Achtsamkeitspraxis die Intensität der Gefühlsreaktionen bei emotional valenten Stimuli eher leicht absinken lässt, dass durch zunehmende Klarheit der Gefühlswahrnehmung und steigendes Gewahrsein diese Gefühle jedoch intensiver, bewusster, klarer und facettenreicher erlebt werden. Ob es bei diesem vermuteten Ineinandergreifen von Einflüssen sinnvoll oder möglich ist, die erlebte „Netto-Gefühlsintensität“ zwischen den Gruppen zu hinterfragen, sei dahingestellt. Nielsen und Kaszniak (2006) untermauern diesen Erklärungsversuch, indem sie schreiben: „Meditators rated themselves higher than controls in emotional clarity – the ability to accurately discriminate among and label one’s feeling states – and length of meditation practice was positively correlated with clarity score” (S. 402). Diese steigende emotionale Klarheit schien auch in deren Studie entkoppelt zu sein von der Stärke der über SAM-Skalen selbstberichteten emotionalen Intensität („arousal”): „In summary, lower physiological and experienced arousal was associated with higher clarity in meditators in both the masked and nonmasked conditions” (S. 403). Eine längere Interview-Passage von Rolf Fischer, einem Versuchsteilnehmer und erfahrenen Vipassana-Lehrer, liefert dazu einige hilfreiche Überlegungen: „Der Grund für unangemessene, also relativ überzogene Reaktionen auf Ereignisse in unserem Leben ist, dass Altes, Vergessenes aber in jedem Fall Unverarbeitetes in das aktuelle Erleben miteinbezogen wird. Vipassana bringt nun mit sich, dass altes Erleben während der Meditation ins Bewusstsein steigt, und, weil der Meditierende geübt ist, Beobachter zu bleiben, verarbeitet wird. All die verarbeiteten Gefühle werden nun, bei neuen Erlebnissen, nicht mehr mitaktiviert. Das Erleben ist intensiv – die emotionale Reaktion aber nur noch eine dem aktuellen Ereignis angemessene“ (siehe dazu auch Hart, 1996). Die Ergebnisse scheinen im übertragenen Sinn darauf hin zu deuten, dass 203 Diskussion und Ausblick die Meditierenden mit zunehmender Praxisdauer sozusagen „die Musik immer leiser stellen, da ihr Gehör immer schärfer wird“. Auffallend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die SAM-Intensitätsratings bei neutralen Bildern von Gruppe 0 zu 2 hin tendenziell (jedoch nicht signifikant) zunehmen. Dazu wurden im Vorfeld der Studie keine Vorhersagen getroffen – Aussagen der Probanden deuten jedoch darauf hin, dass sie mit zunehmender Meditationspraxis in ehemals neutralen Reizen etwas Ästhetisches, Schönes, Besonderes bzw. Bemerkenswertes wahrnehmen, was u.U. auch mit der steigenden Gefühlsklarheit erklärt werden könnte, die selbst kleinste Nuancen erfasst. Die ebenfalls miterhobenen SAM-Valenzratings erbrachten drei Befunde: Zum einen werden mit zunehmender Achtsamkeitspraxis die auf negative Stimuli hin erlebten Gefühle als zunehmend weniger unangenehm beurteilt. Dies mag zum einen daran liegen, dass sie „objektiv“ weniger unangenehm sind (da, wie oben im Zitat ausgeführt, jeweils zunehmend weniger unverarbeitete Gefühle das aktuelle Geschehen „mit anheizen“). Zum anderen spielt hier evtl. auch der in 2.1 beschriebene Effekt mit hinein, dass (selbst unangenehme) erlebte Gefühle aufgrund der Einsicht in deren wahre Natur als weniger bedrohlich erlebt und eingestuft werden (Shapiro et al., 2006). Auch hier spielt also möglicherweise eine multikausale Verursachung eine Rolle. Die Alterskorrelation bei der Bewertung neutraler Bilder, die mit steigendem Alter zunehmend angenehmer eingestuft werden, mag wohl vor allem darin begründet sein, dass die Belastung durch den Versuch die Probanden mit zunehmendem Alter stärker beeinträchtigte, und sie daher die neutralen Versuchstrials als Erholung erlebten, während jüngere Probanden teilweise berichteten, von den langen Wartezeiten und neutralen Bildern „genervt zu sein“ (siehe dazu auch Smith, Hillman und Duley, 2005). Der dritte Befund betrifft die erhaltene negative Korrelation von zunehmender Achtsamkeitspraxis und abnehmender Valenz-Bewertung der Gefühle bei positiven Bildern, die darauf schließen lässt, dass mit fortschreitender Meditationspraxis die während des Versuchs erlebten Gefühle auf positive Bilder als zunehmend weniger angenehm beurteilt werden. Es lassen sich hierfür mindestens zwei mögliche Gründe vermuten: Entweder die Achtsamkeitspraxis führt im Zuge der abnehmenden Anhaftung und Gier tatsächlich zu als weniger angenehm erlebten Gefühlen bei positiven Reizen, oder die Meditierenden nehmen die in diese Kategorie eingeordneten Reize (größtenteils provozierende erotische Aufnahmen des anderen Geschlechts) nicht mehr so sehr als positiv wahr, was zu entsprechend weniger angenehmen Gefühlen führen würde. Dafür gäbe es wiederum die Erklärung, dass die Meditierenden ihr aufgrund der unvermuteten Häufung von erotischen Darstellungen erwecktes sexuelles 204 Diskussion und Ausblick Verlangen (aus deren Sicht evtl. als unheilsame Begierde bzw. Anhaftung klassifiziert) als unangenehm beurteilten, da sie solche Geisteszustände als geistige Hemmnisse (siehe 3.2.1) einstuften. Da es sich hierbei jedoch um Spekulationen handelt, muss diese Frage im Moment leider unbeantwortet bleiben. Diese Ausführungen überblickend, bleibt als Fazit die Einsicht in die ungenaue Fundierung und Formulierung der Hypothese 1, für die es auch in der unter 2.1 und 2.2 analysierten Literatur in ihrer ursprünglichen Form keinen Anhaltspunkt gibt: Achtsamkeitspraxis erhöht wohl nicht die Intensität der Gefühlsreaktion, sondern senkt sie im Laufe der Praxis eher etwas ab, was möglicherweise zu einem großen Teil an der oben beschriebenen Dekonditionierung liegt, die dazu führt, dass immer weniger alte und unverarbeitete Anteile in der aktuellen emotionalen Episode mitschwingen. Erhöht wird vielmehr die Sensibilität, die Wahrnehmungsschärfe und -intensität, so dass die generierten Gefühle zunehmend deutlicher, bewusster, klarer, differenzierter und unmittelbarer erlebt werden. Somit mag im Laufe der Praxis das Gefühlsleben als zunehmend intensiver, reichhaltiger und facettenreicher beschrieben werden, obwohl die Intensität der Gefühlsreaktion aufgrund der Gelassenheit eher leicht abnimmt – was vermutlich bedeutet, dass sie sich auf ihre ursprünglich angemessene Intensität einpendelt. 5.2 Zeitverlauf der emotionalen Reaktion Fragestellung 2: Welchen Einfluss hat Achtsamkeitspraxis auf den zeitlichen Verlauf der emotionalen Reaktion? Hypothese 2a bezog sich auf die neurophysiologische Komponente der Emotionsverarbeitung und postulierte ein mit zunehmender Achtsamkeitspraxis beschleunigtes Einsetzen, Ansteigen und Abfallen der Reaktion auf emotional valente Reize hin. Das schnellere Einsetzen und Ansteigen wird begründet mit der zunehmenden Offenheit, Wachheit und Verarbeitungsintensität und -tiefe, die durch das Üben von Achtsamkeit kultiviert wird (Bishop et al., 2004; siehe 2.2.6). Da die Meditierenden die aufgenommenen Informationen schneller, tiefer, umfassender und realitätskonformer verarbeiten (Bishop et al., 2004), und durch ihre geschärfte Wahrnehmungsfähigkeit vor allem auch die subtilen Veränderungen der interozeptiven Prozesse besser und schneller erfassen sollten (Cayoun, 2005; Nielsen & Kaszniak, 2006; siehe 2.2.6 und 2.4.3) wird 205 Diskussion und Ausblick eine darauf basierende emotionale Reaktion schneller einsetzen, als bei Menschen, die weniger bewusst bzw. aufmerksam sind, und mehr Aspekte der Realität vermeiden bzw. abwehren müssen. Die Begründungen für den erwarteten schnelleren Abfall der ausgelösten Reaktion (siehe z.B. Hayes & Feldman, 2004) wurde unter 2.1 und 2.2.6 ausführlich diskutiert. Goleman (2005) berichtet über eine der „Mind and Life“ Konferenzen dem gemäß: „Das heißt aber nicht, meinte Paul (Ekman, Anm. d. Verfassers), dass der Dalai Lama nicht auch Trauer und damit verwandte Gefühle empfindet. Er scheint sogar ausgesprochen empfänglich für das Leid anderer zu sein, und die Qual, die ihr Schmerz ihm bereitet, zeigt sich, jedenfalls einen Moment lang, unverhüllt in seinem Gesicht. Paul fiel aber auch auf, wie rasch er sich von bedrückenden Emotionen erholte (...)“ (S. 200). Die Messergebnisse der EDA als Teil der neurophysiologischen Reaktionskomponente, die im Zuge sympathischer Aktivierung vor allem als Vorbereitung auf eine Kampf- oder Fluchtreaktion aufgebaut wird, bestätigen durchgehend die aufgestellten Vermutungen. Sowohl über die Gruppenaufteilung als auch korrelativregressionsanalytisch gerechnet zeigt sich mit zunehmender Achtsamkeitspraxis eine Beschleunigung in allen drei Aspekten (geringere Latenz, Anstiegszeit und Halbwertszeit) des Reaktionsverlaufes. Die Achtsamkeitspraxis nimmt folglich mit fortschreitender Übungsdauer Einfluss auf autonome Anteile der emotionalen Reaktion, wie in 2.2.6 und 2.4.3 expliziert wurde. Hypothese 2b sagte für die motivationale Komponente, gemessen über das Startle-Paradigma, ebenfalls einen beschleunigenden Einfluss der Achtsamkeitspraxis voraus. Es wird mit oben (zu Hypothese 2a) geführter Argumentation angenommen, dass mit fortschreitender Achtsamkeitspraxis die jeweilige MotivationssystemAktivierung schneller eintritt (d.h. zu einem früheren Startle-Zeitpunkt eine Potenzierung bzw. Inhibition erkennbar wird), schneller das Modulationsmaximum erreicht wird, und diese motivationsbedingte Startle-Modulation auch schneller (also an einem früheren Startle-Zeitpunkt) wieder abgeklungen ist. Die Befunde von Jackson et al. (2003) und Larson und Davidson (2001) sowie von Davidson et al. (2003) legen, wie in 2.2.6 und 2.2.7 gezeigt wurde, nahe, dass Achtsamkeitspraxis über die Verschiebung der frontal-kortikalen Aktivierungsasymmetrie, insbesondere bei aversiven Reizen, bezogen auf Kontrollpersonen einen größeren und schnelleren Abfall der StartlePotenzierung nach Ende der Reizdarbietung vermittelt. Aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren, welche die jeweilige StartleResponse zu den einzelnen Zeitpunkten moderieren (siehe Bradley, Codispoti & Lang, 2006; und 2.5.1) wird zunächst versucht, das Zustandekommen der Ergebnisse mithilfe 206 Diskussion und Ausblick der neuesten Veröffentlichung der oben genannten Autoren zu deuten, worauf anschließend die Diskussion der statistischen Auswertung folgt: Eine Betrachtung der Zeitverläufe der Startle-Response bei den unterschiedlichen Bildvalenzen (Abbildung 53 in Kapitel 4.2.2 und Abbildung 62 in Kapitel 4.3.2) bestätigt für die Kontrollprobanden viele Befunde der bisherigen Startle-Forschung (Bradley, Codispoti & Lang, 2006): Zum Zeitpunkt 1,5 s zeigt sich bei den emotional valenten im Vergleich zu den neutralen Bildern die unter 2.5.1 beschriebene Inhibition der Response (Startle-Effekt vom „Typ c“) aufgrund der durch den emotionalen Gehalt motivierten erhöhten Aufmerksamkeitszuwendung. Bereits diese Effekte fallen bei den Meditierenden unerkennbar aus, was dahingehend interpretiert werden kann, dass sie initial sowohl neutralen als auch emotionalen Reizen ein ähnliches Maß an Aufmerksamkeit entgegenbringen (ein Ziel der Achtsamkeitspraxis, siehe 2.1 und 2.2.6). Bei den Nichtmeditierenden ist jedoch anzunehmen, dass bei den positiven Bildern aufgrund der abnehmenden Inhibition zum nächsten Zeitpunkt (4,5 s) bereits beim ersten Zeitpunkt Effekte der Motivationssystemaktivierung mit in den Netto-Wert der StartleResponse eingegangen waren (Startle-Effekte vom „Typ d“, die bereits ab 500 ms zum Tragen kommen können, siehe 2.5.1). Würden sie, wie das bei den Kurzzeitmeditierenden der Fall ist, erst zum Zeitpunkt 4,5 s zu der anfänglichen aufmerksamkeitsvermittelten Inhibition dazu stoßen, müsste sich bei 4,5 s die Netto-StartleResponse vermindern, was bei den Nichtmeditierenden aber nicht der Fall ist. Der erste Befund ist also ein schnelleres Einsetzen der Inhibition bei der Kontrollgruppe, was den Vorhersagen der Hypothese 2b widerspricht. Bei den Kurzzeitmeditierenden sieht man dagegen deutlich, dass zum Zeitpunkt 4,5 s die Netto-Startle-Höhe abnimmt, was durch eben diesen zusätzlichen Motivations-Effekt erklärbar wird, der damit bei ihnen später einsetzt. Ein Blick auf Abbildung 56 in Abschnitt 4.2.2 zeigt zwar, dass auch bei den Kurzzeitmeditierenden die Inhibition bereits bei 1,5 s einsetzt; da in Abbildung 62 jedoch einsehbar wird, dass diese Inhibition dort (nicht wie bei den Kontrollprobanden) für alle Valenzen nahezu gleichermaßen eintritt und bei 4,5 s zunimmt, ist sie nach Ansicht des Verfassers eher nicht als motivationsbedingt einzustufen. Abbildung 56 spiegelt gut wider, dass die Nichtmeditierenden schneller ihr Maximum erreichen (1,5 s), die Kurzzeitmeditierenden erst bei 4,5 s, dass aber beide Gruppen die Inhibition bis zum nächsten Zeitpunkt (6,5 s) wieder abgebaut haben, wobei die Nichtmeditierenden hier einen größeren Abbau leisteten als die Kurzzeitmeditierenden, da sie bei 6,5 s bereits im negativen Bereich des Inhibitionsmaßes angelangt sind, während sich bei den Kurzzeitmeditierenden noch eine geringe 207 Diskussion und Ausblick (vernachlässigbare) Rest-Inhibition zeigt. Die Langzeitmeditierenden zeigten keine messbare Inhibition. Zum Zeitpunkt 4,5 s bewirkt nun bei negativen Bildern die zunehmende Motivationssystemaktivierung erstmalig eine ersichtliche Potenzierung der Startle-Response, indem sie die weiter bestehende aufmerksamkeitsbedingte Inhibition an Stärke übertrifft (siehe Abbildung 55 in Kapitel 4.2.2). Diese Potenzierung sollte bei den Nichtmeditierenden indes bereits bei 1,5 s angesprungen sein, da dort die aufmerksamkeitsbedingte Inhibition bei negativen Bildern geringer ausfiel als bei den positiven, und nicht davon auszugehen ist, dass negative Bilder weniger Aufmerksamkeitszuwendung evozieren, dies also an der dazukommenden Motivationsmodulation liegen wird. Die Potenzierung erreicht bei den Nichtmeditierenden bereits zum Zeitpunkt 6,5 s ihren Höhepunkt, während dies bei den Kurzzeitmeditierenden erst bei 7,5 s der Fall ist. Zum Zeitpunkt 8,5 s haben beide Gruppen die Potenzierung komplett abgebaut. Es zeigt sich nur noch zu den späten Zeitpunkten (13 s bzw. 15 s) marginale Potenzierung, welche entweder die absinkende Aufmerksamkeitszuwendung zum visuellen Sinneskanal und / oder die steigende Aufmerksamkeitszuwendung zum auditiven Sinneskanal, da der Schreckreiz immer noch erwartet wird, und / oder die Erwartungsangst, dass der Schreckreiz unmittelbar bevorstehe, und die dadurch erneut angehobene Aktivierung des Defensiv-Motivationssystems, widerspiegelt. Nach Ochsner und Gross (2005) kann die Antizipation von aversiven (Schreck, Schock) Ereignissen die Aktivität in Cingulum, Insula und Amygdala erhöhen, Areale, die einen potenzierenden Einfluss auf die Startle-Response vermitteln. Bei den Langzeitmeditierenden sind aufgrund der minimalen Höhe der Startle-Response die metrischen Unterschiede zwischen den Valenzbedingungen nicht im Sinne eine Modulation interpretierbar. Deskriptiv setzt also entgegen der Hypothese 2b die Modulation bei den Nichtmeditierenden am schnellsten ein, erreicht am schnellsten ihren Höhepunkt, und wird mindestens ebenso schnell wie bei den Kurzzeitmeditierenden abgebaut. Die statistische Auswertung verglich, dem in der Literatur üblichen Vorgehen (siehe 4.2.2) folgend, die gemittelten Inhibitions- und Potenzierungswerte aller Responses während der Bilddarbietung mit denen aller Responses nach Bilddarbietung. Bei der Potenzierung wurde der Gruppenunterschied (die Kurzzeitmeditierenden wiesen eine Differenz während-nachher von 11,51 %, die Nichtmeditierenden von 2,42 % auf) dieser Differenzwerte nicht signifikant. Der Gruppenunterschied der Inhibition war gänzlich uninterpretierbar, da sich bei keiner Gruppe nach Bilddarbietung noch Inhibition zeigte. Die Differenz bei der Potenzierung ist bei genauer Betrachtung ebenfalls ein schlechter Indikator für den Abbau über die Zeit, da 208 Diskussion und Ausblick bei den Nichtmeditierenden die massiv negative Potenzierung zum Zeitpunkt 1,5 s in den Wert des Potenzierungsindex „während Bilddarbietung“ dämpfend miteingeht, und dadurch den während-nachher Unterschied verwischt. Auch zeigt, wie bereits erwähnt, eine Betrachtung des Potenzierungsverlaufes, dass bei Nicht- und Kurzzeitmeditierenden die Potenzierung bereits bei 8,5 s komplett abgebaut ist, sich über einen naturgemäß grob auflösenden während-nachher Index diese Tatsache nicht erfassen lässt – und dass evtl. gefundene Gruppenunterschiede daher im Grunde nicht belastbar als Indiz für einen verzögerten oder beschleunigten Abbau der Motivationssystemaktivität angeführt werden können. Diese Vielzahl von Befunden und Überlegungen lassen sich zusammenfassend nur so interpretieren, dass sowohl varianzanalytisch als auch deskriptiv die Hypothese 2b zurückgewiesen werden muss. Tatsächlich legen die Daten eher nahe, dass bei den Nichtmeditierenden die Aktivierung der jeweiligen emotionalen Motivationssysteme (tendenziell) schneller einsetzt, (tendenziell) schneller ihren Höhepunkt erreicht, und mindestens ebenso schnell wieder abfällt, wie bei den Kurzzeitmeditierenden, wobei die Langzeitmeditierenden aufgrund ihrer fehlenden Modulation dem Vergleich entzogen waren. Es ist zu vermuten, dass aufgrund der bereits in der Forschungsliteratur berichteten, im Vergleich zu während der Bilddarbietung fehlenden bzw. abnehmenden Startle-Modulation nach Bildende (Dichter, Tomarken, Baucom, 2002), die Intensität der visuellen Stimuli nicht ausreicht, um (vor allem bei den Meditierenden) eine Modulation zu erzeugen, die für eine Analyse des Zeitverlaufs über mehr als 6-7 Sekunden notwendig ist. Die Startle-Modulation scheint sich für eine Analyse des Zeitverlaufes der emotionalen Reaktion aufgrund dessen weniger gut zu eignen. Zumindest bietet ein Vorgehen mit dergestalt vielen Startle-Zeitpunkten, wie es in dieser Diplomarbeit gewählt wurde, keinen entscheidenden Vorteil bei der Auswertung der Modulation gegenüber den Studien, die lediglich zu je einem Zeitpunkt während und nach Bilddarbietung maßen (Jackson et al., 2003). Eher interpretierbar erscheint daher das Baseline-Startle-Niveau, sowie diejenigen Prozesse, die durch Aufmerksamkeitszuwendung moduliert werden, als auch ein Gruppenvergleich der motivationssystembasierten Modulation während bzw. unmittelbar nach der Bilddarbietung, wo die Modulation eindeutig nachweisbar ist (siehe 4.3.2). Ebenfalls nachteilig ist die grobe zeitliche Auflösung des Paradigmas, weswegen hier keine endgültige Aussage über den genauen Verlauf der Motivationssystemaktivierung möglich erscheint. 209 Diskussion und Ausblick Erklärungsbedürftig bleibt die gefundene, hypothesenkonträre Verlangsamung des Zeitverlaufs des motivationalen Reflex-Primings durch Achtsamkeit, zumal sie den Ergebnissen der elektrodermalen Aktivität zu widersprechen scheint. 5.3 Reaktionsintensität Fragestellung 3: Welchen Einfluss hat Achtsamkeitspraxis auf die Intensität der neurophysiologischen und motivationalen Komponente der emotionalen Reaktion? Hypothese 3.1 geht davon aus, dass mit zunehmender Achtsamkeitspraxis die gemessene Reaktionsintensität der (neurophysiologischen) Versorgungskomponente der emotionalen Reaktion abnimmt. Die Stärke dieser Komponente ist (wie die StartleResponse ebenfalls) mit der Höhe der jeweiligen Motivationssystemsaktivität verwoben (siehe 2.5 und 2.5.2), und die durch Achtsamkeitspraxis geförderte Umwandlung von sympathisch vermittelter Kampf- / oder Fluchtreaktivität bzw. Defensiv- / AppetitivMotivation in eher parasympathisch bedingte Orientierungsreaktionen sollte die Intensität der elektrodermalen Aktivität als neurophysiologischen Indikator zunehmend auf ein moderates Niveau absenken (siehe 2.2.6 , 2.3.4 und 2.4.1 ). Dabei bietet die EDA mit dem Maximum der ersten Reaktion und der Summe aller Reaktionen pro Trial zwei Intensitätsindices, die es ermöglichen, sowohl die initiale Reaktionsintensität als auch das gesamte Ausmaß elektrodermaler Aktivität, das sich an die initiale Reaktion anschließt, und die Reaktivität im Sinne eines (evtl. durch negative appraisals vermittelten) Aufschaukelungsprozesses anschwellen lassen kann, zu erfassen. Die Ergebnisse in Abschnitt 4.3.1 bestätigten die Annahmen der Hypothese 3.1, zeigen dabei aber, dass bei Kurzzeitmeditierenden die initiale Reaktion der neurophysiologischen Komponente auf negative Reize im Mittel nahezu ebenso intensiv ausfällt, wie bei den Nichtmeditierenden, wohingegen sie bei den Langzeitmeditierenden im Vergleich deutlich abgefallen ist. Bei der Summe der EDA-Aktivität findet sich diese Nähe zwischen Nicht- und Kurzzeitmeditierenden nicht mehr, was im Zusammenhang mit aversiven Stimuli darauf hindeutet, dass die Effekte der Meditationspraxis hier zunächst über einen Abbau von nachgeschalteter Reaktivität wirken. Eine solche, der initialen Response folgende Reaktivität, wird z.B. bewirkt durch Vermeidungsverhalten, Aversion, Katastrophisieren oder eskalierende appraisals (siehe 2.3.3), Prozesse die sämtlich durch Achtsamkeitspraxis reduziert werden sollten 210 Diskussion und Ausblick (2.2.6). Offensichtlich greifen Im Laufe der Praxis die Effekte dann auch auf die Intensität der initialen Reaktion über. Dies geschieht vermutlich unter dem Einfluss von Dekonditionierungsprozessen, wie sie in Kapitel 5.1 im Hinblick auf den Abbau der MitAktivierung früherer, unverarbeiteter Affekte, erläutert wurden, und führt hier zu einem Abfall der initialen EDA-Intensität. Diese Befunde replizieren damit die Ergebnisse von Nielsen und Kaszniak (2006), die ebenfalls unter Verwendung eines IAPS-Designs einen signifikanten Zusammenhang zwischen Praxisdauer, selbstberichteter Klarheit des Gefühlserlebens und Abfall der elektrodermalen Aktivität auf maskierte und nicht-maskierte Bilddarbietungen hin fanden. Im Hinblick auf die nicht signifikant gewordenen Gruppenunterschiede bei der Intensität der Gefühlskomponente liegt hier also tatsächlich ein Fall von KomponentenDissoziation vor. Hypothese 3.2 behandelte die neben dem Zeitverlauf der Startle-Response verbleibenden Aspekte der generellen Höhe des Startle-Niveaus und der Intensität der der Modulation. Zur Erfassung dieser Intensität wurden hier nur die Zeitpunkte betrachtet (und deren Modulationswerte aggregiert), die auch wirklich ersichtliche Modulation vermittelten, um die Effekte nicht durch gegenläufige Werte an den übrigen Zeitpunkten herauszumitteln. Das Baseline-Niveau der Startle-Response wurde von einigen Forschern in Zusammenhang gebracht mit dem Niveau der generellen Schreckhaftigkeit bzw. Reaktivität auf aversive Stimuli, so dass zunehmende StartleAmplituden hier für eine Hyper-Reaktivität sprechen (Cook et al., 1991; Jennings, 2003). Die Befunde zeigen, dass das Ausmaß verschiedener negativer Grundzustände (sowohl im Sinne von eher überdauernden Persönlichkeitseigenschaften als auch zeitweiser Zustände), vor allem Ängstlichkeit aber auch Gereiztheit bzw. Wut, positiv mit der Höhe der Response auf den Schreckreiz an sich (also bereits ohne parallele Darbietung emotionaler Stimuli) korreliert. Jennings (2003) dazu: „Highly fearful or apprehensive individuals as well those diagnosed with various anxiety disorders may be particularly vigilant and reactive when presented with novel or unusual situations that trigger fear or anxiety” (S. 17). Diese Personen zeigen also bereits auf den aversiven Schreckreiz selbst erhöhte Reaktivität im Vergleich zu eher gesunden bzw. weniger ängstlichen und ausgeglichenen Menschen. Bradley, Codispoti und Lang (2006) stellten daneben die über alle Startle-Zeitpunkte durchgängig dämpfende Eigenschaft von erhöhter Aufmerksamkeitszuwendung heraus, die das Startle-Niveau ebenfalls absenken kann. Hypothese 3.2a erwartete daher ein mit zunehmender Achtsamkeitspraxis sinkendes Startle-Niveau. 211 Diskussion und Ausblick Die Bedeutung der Intensität der Startle-Modulation während emotional valenter Stimuli wurde in Kapitel 2.5.1 ausführlich besprochen. Es wurde in Hypothese 3.2b eine mit zunehmender Achtsamkeitspraxis sinkende Intensität der Startle-Modulation vorhergesagt, da angenommen wurde, dass die Meditierenden im Laufe ihrer Praxis immer mehr erlernen, auf ihr emotionales Erleben nicht mit Anhaftung oder Aversion zu reagieren. Die durch die Modulationshöhe abgebildete Aktivierung der emotionalen Motivationssysteme „approach“ und „avoidance“ sollte daher abnehmen. Die Ergebnisse (4.3.2) bestätigten durchgängig die Vermutungen der Hypothese 3.2. Mit zunehmender Praxis sinkt sowohl das generelle Startle-Niveau, als auch die Intensität der Modulationsparameter ab, die Langzeitmeditierenden präsentieren hier eine beeindruckende Abwesenheit von jeglicher Modulation und ein auffallend niedriges Reaktionsniveau. Die bei diesen Auswertungen gefundenen Alterseffekte wurden bereits in Kapitel 4.3.2 bewertet: Da bei den untersuchten (meditationserfahrenen) Probanden das Alter und die Praxisdauer stark korrelieren, ist eine Vermengung der Effekte dieser beiden Parameter in diesem Fall nicht zu vermeiden. Die gefundene signifikante Alterskorrelation wurde jedoch, wie berichtet, für die Gruppe der Nichtmeditierenden alleine gerechnet nicht mehr signifikant, bzw. drehte sich um. Es kann daher angenommen werden, dass dieser Effekt durch die Anbindung des Alters an die Meditationspraxis zustande gekommen ist. Der erwartete Alterseffekt auf die Intensität der Startle-Response ist der Forschungsliteratur zufolge ohnehin ein der Meditationspraxis gegenläufiger, so dass das von Gruppe 0 nach 2 zunehmende Alter die achtsamkeitsvermittelten Effekte eher hätte abschwächen müssen: Smith, Hillman und Duley (2005) berichten von einer Zunahme der Intensität der Startle-Response mit ansteigendem Alter. „The startle-blink reflex revealed that older adults exhibited increased startle-blink magnitude compared with younger adults“ (S. 49). Abbildung 68: Gruppenunterschiede der Startle-Response nach Alter Abbildung 68, die alle drei Gruppen jeweils über den Median in junge und alte Teilnehmer aufsplittet, bildet eben diesen Effekt in der untersuchten Stichprobe von 212 Diskussion und Ausblick Nichtmeditierenden ab (links im Bild). Bei den Kurz- und Langzeitmeditierenden zeigen sich entgegengesetzte Platzierungen der beiden Altergruppen, die über die Effekte der Achtsamkeitspraxis erklärt werden. Zusammenfassend zeigten sich somit deutlich die erwarteten Effekte der Achtsamkeitspraxis auf die Aktivierung der „approach“ und „avoidance“ Motivationssysteme. Achtsamkeitspraxis ist damit in der Lage, die Funktionsweise der evolutionär entstandenen emotionalen Motivationssysteme systematisch zu verändern. Die Richtung dieser Veränderung entspricht dem Ziel der Abnahme von Anhaftung bzw. Aversion auf die erlebten Erfahrungen hin, wie es von buddhistischer Seite in Kapitel 2.1 und von wissenschaftlicher Seite in Kapitel 2.2.6 postuliert wird. Bei der Betrachtung der Gruppenunterschiede der Modulationsintensitäten ist es interessant, zu sehen, dass das Ausmaß der Potenzierung schneller durch die Meditationspraxis abgesenkt wird, als das der Inhibition (siehe Abbildung 60 bzw. Abbildung 61 und Abbildung 63 bzw. Abbildung 64 in Kapitel 4.3.2). Die Motivationssystemaktivierung ist also im Hinblick auf die evolutionär entstandene massive Relevanz erotischer Reize durch Achtsamkeitspraxis anscheinend schwerer zu beeinflussen, als dies bei aversiven Stimuli möglich ist. Dies stellt nach Meinung des Verfassers eine Unterstützung der Argumentation in Kapitel 5.1 dar, die vermutete, dass die Kurzzeitmeditierenden auf die positiven (größtenteils erotischen) Stimuli hin ihre Gefühle unter Umständen deswegen als etwas weniger angenehm einstuften, weil sie die damit einhergehende (wenn auch geringere) Aktivierung des ApproachMotivationssystems als weniger angenehm erlebten als die Nichtmeditierenden. Wenn darin der einzige Effekt gesehen werden würde, müsste allerdings bei den Langzeitmeditierenden, da diese laut Startle-Daten keine Motivationssystemaktivierung mehr erleben, das SAM-Valenzrating wieder zunehmen. Da dies jedoch nicht der Fall ist, und sie ähnlich niedrige Ratings abgaben, muss es noch einen weiteren Einflussfaktor für das leichte Absinken der Valenzratings bei den Meditierenden geben. 5.4 Affekttoleranz Fragestellung 4: Welchen Einfluss hat die Achtsamkeitspraxis auf die Affekttoleranz? Hypothese 4a operationalisierte die Bereitschaft, die ganze Bandbreite an Affekten zu tolerieren, also anzunehmen und damit umgehen zu können, über das Ausmaß der 213 Diskussion und Ausblick Anwendung von Vermeidungsstrategien. Auch eine versuchsbedingte Abnahme des allgemeinen Wohlbefindens sollte bei besserer Affekttoleranz geringer ausfallen, wie es Hypothese 4b formulierte. Es wurde vermutet, dass mit zunehmender Achtsamkeitspraxis die Affekttoleranz steigen sollte, was sich anhand der Ergebnisse zeigen ließ. Die in 5.1 bis 5.3 besprochenen Einflüsse der Achtsamkeitspraxis bewirken damit einen messbar besseren Umgang mit emotional belastenden Ereignissen. Dabei ist ein wichtiger Aspekt der, dass die Meditierenden durch die verringerte Notwendigkeit, Vermeidungsstrategien zum Schutz vor aversiven Stimuli und den dadurch ausgelösten Emotionen einzusetzen, Zugriff auf mehr Informationen gewinnen. Das Ausblenden einer Vielzahl aversiv valenter Reizkonstellationen entfällt, und die dadurch gewonnenen, evtl. für die Person frühzeitig relevanten Informationen können in die Verhaltensplanung mit einbezogen werden. 5.5 Fragebögen Da sich bei den explorativ gegebenen Fragebögen kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen zeigte, ist davon auszugehen, dass sich die in 5.1 bis 5.4 diskutierten Befunde nicht auf Unterschiede der Probanden bezüglich dieser Persönlichkeitsdimensionen zurückführen lassen können. Das Selbstselektionsproblem ist damit entschärft, lässt sich jedoch nur mit einer randomisierten Kontrollgruppenstudie ausschalten. 5.6 Zusammenfassung und Ausblick „Bevor man mit einer buddhistischen Übung beginnt, wird man im Allgemeinen den Zweck und die Vorteile betrachten. Das ist ein ganz praktischer Schritt, den man nicht überspringen sollte.” Dalai Lama XIV in Goleman (2005, S. 405) Die Achtsamkeitspraxis nimmt den gefundenen Ergebnissen folgend im Laufe ihrer Vertiefung vielfältige Einflüsse auf die Emotionsverarbeitung des Übenden. Die Befunde decken sich mit den in den theoretischen Werken vorhergesagten Effekten: Die Probanden berichteten von einer subjektiven Zunahme der Klarheit, des Facettenreichtums und der Intensität ihrer Emotionswahrnehmung. Die SAM-Ratings ergaben darüber hinaus einen Trend hin zu etwas geringeren Gefühls-Intensität auf aversive Stimuli hin. Auf der neurophysiologischen Seite der Emotionsverarbeitung führt die 214 Diskussion und Ausblick Praxis zu einer sinkenden Intensität und einem verkürzten Zeitverlauf der elektrodermalen Aktivität, was auf eine geringere Kampf- / Fluchtbereitschaft schließen lässt. Damit einhergehend zeigt sich ein zunehmender Abbau von emotionaler Motivationssystemaktivierung, die für gewöhnlich auf emotionale Reize hin im Sinne eines „approach“ / „avoidance“ Antagonismus den Organismus aktiviert. Die Auswirkungen dieses Wandels lassen sich an einer erhöhten Affekttoleranz ablesen: Meditierende sind besser in der Lage mit Emotionen umzugehen und erleben diese nicht mehr so bedrohlich und belastend wie die Nichtmeditierenden. Diese Resultate fügen der bisherigen Achtsamkeitsforschung die Aufklärung weiterer nützlicher Mechanismen der Meditationspraxis hinzu. Die Ergebnisse der Untersuchung sind aufgrund der methodischen Einschränkungen, die eine quasiexperimentelle bzw. korrelativ-regressionsanalytische Vorgehensweise mit sich bringt, jedoch nicht durch eindeutig-kausale Interpretationen belastbar. Sie zeigen dessen ungeachtet Zusammenhänge auf, die aufgrund der fehlenden bzw. nicht signifikanten Korrelation aller übrigen erhobenen Variablen als gewichtiger Hinweis auf eine Verursachung durch die Meditationspraxis verstanden werden können. Da eine fehlende Startle-Modulation bei gesunden Normalprobanden noch nicht in der Literatur berichtet wurde, ist es unwahrscheinlich, dass die Ergebnisse durch Selbstselektionseffekte erklärbar sind – also dass sich Menschen ohne Startle-Modulation eher zur Meditationspraxis hingezogen fühlen bzw. länger bei ihr bleiben. Zum einen ist bisher keine Population von gesunden Personen bekannt, bei denen keine Modulation beobachtet wurde (Filion, Michael, Dawson & Schell, 1998). Zum anderen würde das vorkommen einer Subgruppe gesunder Personen ohne Startle-Modulation bedeuten, dass diese ihre Emotionen mit einer extrem geringen Motivationssystem-Aktivierung (wenig Anhaftung bzw. Aversion) erleben, da eine starke Modulation mit einer hohen Aktivierung (mehr Anhaftung bzw. Aversion) verbunden ist, wie die Arbeit gezeigt hat. In diesem Fall wiederum wäre es unverständlich, warum ausgerechnet diese Gruppe sich zu Praktiken hingezogen fühlen sollte, die eine Reduktion von Anhaftung und Aversion zum Ziel haben. Dieser Logik folgend antwortete auch ein Großteil der meditierenden Probanden im Nachinterview auf die Frage, wie sie sich in Punkto Emotionalität vor Beginn der Meditationspraxis beschreiben würden, sie seien „reaktiv, ängstlich vor Aversivem, vermeidend und eher verschlossen“ gewesen, Einschätzungen, die Cook et al. (1991) und Jennings (2003) zufolge eher mit hohen Schreckreflex-Amplituden und erhöhter Startle-Modulation assoziiert sind (siehe zu diesem Argumentationsstrang auch Lazar et al., 2005). 215 Diskussion und Ausblick Ebenso zeigen die SAM-Intensitätsratings, deren Gruppenunterschiede nicht signifikant wurden, und die Aussagen im Nachinterview, dass sich die Intensität der Gefühlswahrnehmung im Laufe der Praxis erhöhe, dass es unwahrscheinlich ist, dass die Abnahme der EDA- und Startle-Werte durch ein mangelndes Gefühlserleben bedingt ist, dass sich also nur Personen, die wenig empfinden, in die Gruppe der Meditierenden selektieren, und damit die Ergebnisse verursachen. Auch die Kohärenz der Befunde mit den theoretischen Vorhersagen und fehlende alternative Erklärungen (vor allem für die Startle-Daten) sprechen für spezifische Meditationseffekte. Die wahrscheinlichste Erklärung der Befunde ist demzufolge eine kausale Rolle der Achtsamkeitspraxis, da sie derartige Effekte und Veränderungen prognostiziert. Um die Frage der kausalen Wirkung abschließend zu klären, wäre eine Längsschnittstudie das Mittel der Wahl. Die bereits vielfach durchgeführten Evaluationen im Bereich der MBSR-Forschung legen hier eine Prae-Post-Test Kontrollgruppen Studie nahe, welche die über den Zeitraum des 8-wöchigen MBSR-Programms entstandenen Veränderungen auf den erhobenen Variablen erfassen könnte. Alternativ wäre auch möglich, die Effekte über Imaging-Verfahren zu verifizieren: Eine direkte Erfassung der veränderten Aktivierung in den entsprechenden Gehirnarealen (siehe 2.4.1 und 2.3.4) mittels fMRI wäre der neurophysiologischen Herangehensweise in Punkto zeitlicher (verglichen mit dem Startle-Paradigma) und räumlicher Auflösung der Messergebnisse sicherlich überlegen. Die Achtsamkeitspraxis kann somit bei sinngemäßer Ausübung als probates Mittel zur heilsamen Veränderung der Emotionsverabeitung und Emotionsregulation begriffen werden, das nachweisbar die theoretisch vorhergesagten Effekte in den untersuchten Komponenten der Emotionsverarbeitung bewirkt. 216 Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Aftanas, L. & Golosheykin, S. (2005). Impact of regular meditation practice on EEG activity at rest and during evoked negative emotions. International Journal of Neuroscience, 115, 893-909. Allmen, v. F. (1990). Die Freiheit entdecken. Vipassana Meditation im Westen. Zürich: Theseus-Verlag. Allmen, v. F. (1997). Mit Buddhas Augen sehen. Zürich: Theseus-Verlag. Allport, G.W. (1937). Personality: A psychological interpretation. New York: Holt. Anders, S., Lotze, M., Erb, M., Grodd, W. & Birbaumer, N. (2004). Brain activity underlying emotional valence and arousal: a response-related fMRI study. Human Brain Mapping, 23, 200-209. Anthony, B.J. (1985). 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