Diplom-Arbeit

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Diplom-Arbeit
Technische Universität Berlin
Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft
der Fakultät V für Verkehrs- und Maschinensysteme
Fachbereich Kognitions- und Neuropsychologie
Diplomstudiengang Psychologie
Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades eines Diplom-Psychologen (Dipl.-Psych.)
Unterschiede in der Emotionsverarbeitung bei
Achtsamkeitsmeditierenden und
Nichtmeditierenden – eine Startle-Studie
Willi Zeidler
Erstgutachter: Prof. Dr. Manfred Thüring (Technische Universität Berlin)
Zweitgutachter: Dr. Ulrich Ott (Bender Institute of Neuroimaging, Universität
Gießen)
Berlin, den 02. Januar 2007
Erklärung
Ich erkläre an Eides Statt, dass ich diese Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den
benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe. Mir ist bekannt: Bei der Verwendung von Inhalten aus dem Internet
habe ich diese zu kennzeichnen und mit Datum sowie der Internet-Adresse (URL) ins
Literaturverzeichnis aufzunehmen.
Diese Arbeit hat keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen.
Ich bin mit der Einsichtnahme in der Bibliothek und auszugsweiser Kopie
einverstanden. Alle übrigen Rechte behalte ich mir vor. Zitate sind nur mit vollständigen
bibliographischen Angaben und dem Vermerk „unveröffentlichtes Manuskript einer
Diplomarbeit“ zulässig.
Berlin, den 02. Januar 2007
......................................................
Willi Zeidler
II
1
„Ich schließe meine Augen,
um zu sehen.“
Paul Gauguin
2
1
Das achtspeichige Rad der buddhistischen Lehre: die Nabe des Rades steht für die ethische Disziplin,
durch die der Geist gestützt und gefestigt wird. Die acht Speichen stehen für den achtfachen Pfad und die
Weisheit, mit der die Unwissenheit überwunden wird. Die Felge versinnbildlicht die Konzentration, durch
deren Kultivierung die Ausübung der Lehre gefördert wird.
2
Lächelnder Buddha im Tempel Bayon in Angkor Wat, Kambodscha.
III
Widmung und Danksagung
Widmung
Diese Arbeit ist meiner Mutter und meinem Vater gewidmet, die mir die unschätzbar wertvolle
Zeit meines Studiums ermöglichten.
Danksagung
„Jeder Weg ist nur ein Weg, alle führen nirgendwohin. Es ist kein Verstoß
gegen sich selbst oder andere, ihn aufzugeben, wenn dein Herz es dir
befiehlt. Sieh dir jeden Weg scharf und genau an. Versuche ihn so oft wie
nötig. Dann frage dich, und nur dich allein: Ist es ein Weg mit Herz? Wenn
ja, dann ist es ein guter Weg, wenn nicht, ist er nutzlos.“
Carlos Castaneda: „Die Lehren des Don Juan“
Zutiefst dankbar bin ich an erster Stelle Herrn Dr. Ulrich Ott vom „Bender Institute of Neuroimaging“
(BION) der Universität Gießen, der diese Arbeit in einer herzlichen, inspirierenden, und fundierten
und umfassenden Weise betreut und begleitet hat, wie man es sich als Student nicht anders
wünschen könnte – er hat nicht nur präzise und strukturierte fachlich und wissenschaftlich wichtige
Samen in mich gelegt, sondern auch auf einer menschlichen Ebene. Ich danke ihm für alle Zeit,
Energie und Unterstützung, die er für mich aufgebracht hat, sowie für seine nicht abreißende
Motivierung und seinen Zuspruch. Die Chance, ein für mich intellektuell und menschlich derart
bereicherndes Thema bearbeiten zu dürfen, gewährte mir glücklicherweise Herr Prof. Manfred
Thüring, ohne dessen umfangreiche, freundliche Unterstützung im logistischen Bereich die Arbeit
nicht hätte umgesetzt werden können. Ich bedanke mich vielmals für die Möglichkeit, Ressourcen
wie das Varioport und die Versuchsräume des Zentrum-Mensch-Maschine-Systeme (ZMMS) nutzen
zu dürfen. Ohne das Wohlwollen von Herrn Prof. Thüring wäre das Projekt bereits im Keim erstickt
worden. Die „Society for Meditation and Meditation Research“ (SMMR) gewährte großzügig die für
die Durchführung der Studie notwendige finanzielle Unterstützung für die Entlohnung der
Kontrollprobanden – hierfür bin ich Frau Anke Beumann und Herrn Dr. Harald Piron sehr zu Dank
verpflichtet. Die Idee zu dieser Diplomarbeit hatte ihren Ursprung in einem Forschungsaufenthalt an
der University of Arizona, USA. Dort durfte ich unter der Leitung von Willoughby Britton einen
Einblick in die wissenschaftliche Achtsamkeitsforschung nehmen, wofür ich ihr vielmals danke, wie
auch für alle Anregungen und Hinweise zu dieser Arbeit, mit denen sie mich nach meiner dortigen
Zeit unterstützte. In Arizona begann ich gedanklich damit, Fragestellungen, die ich früher an den
Buddhismus gerichtet hatte, im Kontext eines wissenschaftlichen Experiments auszuformulieren.
Hier war das Zusammentreffen mit Herrn Prof. Al Kaszniak, der sich intensiv mit Meditation, Emotion
und Bewusstsein auseinandergesetzt hatte, von großem Wert. Er führte mich in seiner umsichtigen
und geduldigen Art aus einigen theoretischen Verwirrungen, den Buddhismus betreffend, wofür ich
ihm sehr dankbar bin. Ihm verdanke ich auch den Hinweis auf „The Feeling Buddha“ von David
Brazier, ein Buch, das diese Arbeit sehr befruchtet hat. Dass ich diesen Aufenthalt, währenddessen
ich auch die atemberaubende Natur des Südwestens der USA erleben durfte, durchführen konnte,
verdanke ich der Förderung der TU-Berlin, der Fulbright-Organisation und letztlich Herrn Prof.
Thüring, der mich dafür empfahl. Ihnen allen sei dafür herzlichst gedankt. Die Gewinnung von
I
Danksagung
meditationserfahrenen Versuchsteilnehmern wäre ohne die überwältigend freundliche Hilfe der
Deutschen Buddhistischen Union (DBU), der Buddhistischen Akademie Berlin, des Theravadanetzwerks, des buddhistischen Haus in Berlin Frohnau und aller anderen buddhistischen Zentren, die
mich zu Besuchen einluden und mir Aushänge erlaubten, unmöglich gewesen. Besonders danke ich
Frau Renate Seifarth, die mich als erfahrene Vipassana-Lehrerin an relevante Kreise empfahl, in
theoretischen Fragen beriet, und praktisch unterwies. Ebenso empfinde ich tiefe Dankbarkeit dafür,
den in Berlin lebenden österreichischen Theravâda-Mönch Bhikkhu Paññasâra kennen gelernt zu
haben, der mich immer wieder unermüdlich und herzlich in die Tiefen des buddhistischen Dharma
einführte. Im Vorfeld der Untersuchung erhielt ich von Herrn Prof. Wilfried Belschner und Herrn Prof.
Harald Walach wertvolle Hinweise zur Gestaltung der Arbeit, für die ich Ihnen sehr danken möchte.
Während der Versuchsdurchführung standen mir Herr Nikolaus Rötting, Systemadministrator des
ZMMS, und Herr Becker von Becker-Meditec, Hersteller des Varioport-Messaufnehmers, freundlich
und hilfsbereit zur Seite – ein großes Dankeschön für diese Unterstützung. Auch Alex Chirkoch, dem
SPSS-Tutor, der mich auch noch „in letzter Sekunde“ freundlich unterstützte, gilt mein Dank. Herrn
Albert Widman danke ich vielmals für die Energie, die er mir in den letzten kritischen Wochen
vermittelt hat. Auch danke ich Herrn Steve Ayan von Gehirn & Geist -. Meinen Freunden Alex
Mißelbeck, Andreas Schulz (für die gemeinsame Zeit im ZMMS und technische Unterstützung),
Bastian Zimmermann (für stetige Sopranos Versorgung), Claudius Römhild, Dr. Holger Kunz (für
hilfreiche Word-Geheimnisse und fürs Korrekturlesen), Kinga Kujat, Kristof Beghin, Martin Tischler
(für wertvolle methodische Sprünge, auf die er mir geholfen hat, und fürs Korrekturlesen), Susanne
Emmer und Philipp Rothkopf (für sein Wissen über Zen und für seinen Mut, sich dem Leben in seiner
Gänze hinzugeben) danke ich für Ihre Freundschaft, die ich über alles schätze, dafür dass sie mich
während diverser Durststrecken damit am Leben und bei Verstand erhalten haben (und dass sie
einem während der Erstellung dieser Diplomarbeit über weite Strecken autistischen Freund dafür
Nachsicht gewährten – wofür ich ebenso meinen Mitbewohnern Alisa Feist und Christian Griebenow
danke). Bei der Wiegmann-Klinik für Psychosomatische Medizin, meinem Brötchengeber, will ich
mich bedanken für ruhige Nachtschichten, in denen ein Großteil dieser Arbeit entstanden ist -. Ich
möchte mich außerdem bedanken bei der Gesellschaft, die mir noch gestattete, kostenlos zu
studieren, mit der Möglichkeit und Zeit, über den Tellerrand zu blicken (Philosophie-Kurse), oder
längere Zeit in Asien zu reisen (Vipassana-Retreats), und meinen Horizont zu erweitern. In dieser
Zeit hatte ich die (von mir als solche empfundene) Gnade, vier der gewaltigsten Wege, das
Universum und den Menschen zu verstehen, kennen zu lernen: die Philosophie, die Wissenschaft,
die Tiefenpsychologie und den Buddhismus. Ich danke schließlich meinen Eltern, die an mich
geglaubt haben, die unendlich viel für mich getan haben, und durch die und mit denen ich sehr viel
gelernt habe. Und am meisten danke ich meiner geliebten Freundin Sabrina Trapp, mit der
zusammen ich den Weg durch die Psychologie, das Menschsein und zu ihr und mir gefunden habe.
Danke, noch nie hat mich soviel mit einem Menschen verbunden.
Ein besonderer Dank geht an die Versuchsteilnehmer, ohne die die Studie nie
hätte existieren können: ich durfte in vielen Gesprächen Bewegendes und Bereicherndes von
den Teilnehmern lernen, wodurch sich mein Verständnis der Achtsamkeitsmeditation und des
Buddhismus enorm vergrößert hat – auch bin ich dankbar für die vielen freundlichen,
menschlichen Begegnungen, die mir durch diesen Versuch geschenkt wurden.
II
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Danksagung....................................................................................................... I
Inhaltsverzeichnis ........................................................................................... III
Abbildungsverzeichnis ...................................................................................VI
Tabellenverzeichnis ........................................................................................IX
Zusammenfassung.........................................................................................XII
1.
2.
Einleitung................................................................................................ 14
1.1
Ausgangslage und Zielsetzung ................................................... 14
1.2
Aufbau der Arbeit ........................................................................ 16
Theoretische Grundlagen...................................................................... 18
2.1
Achtsamkeit – Hintergrund und Herkunft .................................... 18
2.1.1 Buddhismus.......................................................................................... 19
2.1.2 Leben und Lehre des historischen Buddha........................................... 23
2.2
Achtsamkeit im universitären und klinischen Kontext ................. 31
2.2.1
Östliche Weisheitslehren und westliche Wissenschaft ......................... 32
2.2.2
Kritische Überlegungen zur Meditationspraxis ..................................... 36
2.2.3
Wissenschaftliche Meditationsforschung ............................................. 38
2.2.4
Das MBSR-Programm von John Kabat-Zinn........................................ 42
2.2.5
Weiterentwicklungen, Anwendungsbereiche und Ergebnisse klinischer
Studien ................................................................................................ 48
2.2.6
Konstruktdefinition und Forschung zu den vermuteten
Wirkmechanismen ............................................................................... 50
2.2.7
Einordnung dieser Arbeit in aktuelle Forschungsperspektiven und
-befunde .............................................................................................. 62
2.3
Überblick über die Emotionsforschung ....................................... 68
2.3.1
Buddhistische Sicht der Emotionen...................................................... 74
2.3.2
Philosophische Emotionstheorien ........................................................ 75
2.3.3
Psychologische Emotionstheorien ....................................................... 80
2.3.4
Neurowissenschaftliche Emotionstheorien........................................... 86
2.4
Theorien und Befunde zur Emotionsregulierung....................... 100
2.4.1
2.5
2.6
Achtsamkeit und Emotionsregulierung............................................... 113
Eingesetzte Emotionsmaße ...................................................... 117
2.5.1
Startle-Reflex..................................................................................... 122
2.5.2
Elektrodermale Aktivität ..................................................................... 130
Fragestellungen und Hypothesen ............................................. 132
III
Inhaltsverzeichnis
3.
Methodisches Vorgehen...................................................................... 135
3.1
Versuchsplan und unabhängige Variable (UV) ......................... 135
3.2.
Stimulus Materialien und experimentelles Design..................... 136
3.2.1
Visuelles Stimulusmaterial ................................................................. 136
3.2.2
Akustischer Schreckreiz..................................................................... 140
3.2.3
Experimentelles Design ..................................................................... 140
3.3.
Messinstrumente und abhängige Variablen (AV)...................... 143
3.3.1
AV „subjektives Gefühlserleben“........................................................ 143
3.3.2
AV „Affekttoleranz“............................................................................. 144
3.3.3
AV „Intensität & Verlauf der emotionalen Reaktionen“ ....................... 144
3.3.4
Explorativ erhobene Daten ................................................................ 144
3.4
Untersuchungsablauf ................................................................ 145
3.4.1
Gewinnung geeigneter Probanden .................................................... 145
3.4.2
Versuchsdurchführung....................................................................... 146
3.5
Datenaufbereitung und Auswertung.......................................... 151
3.5.1
Aufbereitung der physiologische Daten.............................................. 151
3.5.2
Auswertung........................................................................................ 153
3.6
4.
Stichprobenbeschreibung ......................................................... 156
Ergebnisse ............................................................................................ 170
4.1
Subjektives Gefühlserleben ...................................................... 170
4.1.1
SAM-Ratings ..................................................................................... 170
4.1.2
Nachinterview .................................................................................... 175
4.2
Zeitverlauf der emotionalen Reaktion ....................................... 176
4.2.1
EDA-Zeitverläufe ............................................................................... 176
4.2.2
Zeitverlauf der Startle-Response ....................................................... 180
4.3
Reaktionsintensität.................................................................... 186
4.3.1
Reaktionsintensität der neurophysiologischen Komponente .............. 186
4.3.2
Reaktionsintensität der motivationalen Komponente.......................... 189
4.4
4.5
5.
Affekttoleranz ............................................................................ 196
4.4.1
Verwendung von Vermeidungsstrategien .......................................... 196
4.4.2
Wohlbefinden vor und nach dem Versuch.......................................... 197
Fragebögen............................................................................... 199
Diskussion und Ausblick..................................................................... 200
5.1
Gefühlskomponente.................................................................. 200
5.2
Zeitverlauf der emotionalen Reaktion ....................................... 205
5.3
Reaktionsintensität.................................................................... 210
IV
Inhaltsverzeichnis
5.4
Affekttoleranz ............................................................................ 213
5.5
Fragebögen............................................................................... 214
5.6
Zusammenfassung und Ausblick .............................................. 214
Literaturverzeichnis ..................................................................................... 217
Anhang .......................................................................................................... 246
Anhang A: Fragebögen und sonstige Unterlagen...................................... 246
A1.1: Flyer zur Probandenrekrutierung......................................................... 246
A1.2: Fragebogen zur Meditationserfahrung................................................. 247
A1.3: Fragebogen „Angaben zur Person“ ..................................................... 249
A1.4: Termin- und Einladungsschreiben....................................................... 252
A1.5: Einverständniserklärung...................................................................... 253
A1.6: SAM-Einführung.................................................................................. 254
A1.7: Fragebogen zur Ausgangslage ........................................................... 256
A1.8: Nachbefragung ................................................................................... 258
Anhang B: Stimulus Material ..................................................................... 260
B1.1: IAPS-Bilder bei den Frauen................................................................. 260
B1.2: IAPS-Bilder bei den Männern.............................................................. 260
B1.3: Miniaturansicht aller verwendeten Bilder ............................................. 261
B2.1: Baseline Instruktion............................................................................. 264
B2.2: Versuchsinstruktion............................................................................. 264
B2.3: SAM-Ratingskala für die Intensität des Gefühls .................................. 265
B2.4: SAM-Ratingskala für die Valenz des Gefühl........................................ 265
Anhang C: SPSS-Tabellen ........................................................................ 266
C1.1: SAM-Intensitätsratings........................................................................ 267
C1.2: SAM-Valenzratings ............................................................................. 268
C1.3: Nachinterview ..................................................................................... 270
C2.1: EDA-Zeitverlauf .................................................................................. 271
C2.2: Startle-Zeitverlauf ............................................................................... 274
C3.1: Intensität der neurophysiologische Komponente................................. 277
C3.2: Intensität der motivationalen Komponente .......................................... 281
C4.1: Affekttoleranz: Vermeidungsstrategien................................................ 287
C4.2: Affekttoleranz: Wohlbefinden .............................................................. 287
C5.1: Fragebögen ........................................................................................ 288
V
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zunahme des Körpergewahrseins (schraffierte Bereiche) während eines MBCTKurses [Abb. aus Cayoun, 2005]....................................................................... 46
Abbildung 2: Funktionale Komponenten des „Co-Emergence Model of Reinforcement“ von
Cayoun [Abb. aus Cayoun, 2005]...................................................................... 59
Abbildung 3: Ungleichgewicht innerhalb des informationsverabeitenden Systems in Cayoun´s
„Co-Emergence Model of Reinforcement“ [Abb. aus Cayoun, 2005]. ............... 59
Abbildung 4: Darstellung des Circumplex-Modells mit den Dimensionen Erregung und Valenz
[Abb. nach Russel & Pratt, 1980]. ..................................................................... 81
Abbildung 5: Anatomische Verortung der Amygdala und des Hippocampus [Abb. von
http://www.humanillnesses.com]. ...................................................................... 89
Abbildung 6: Lage und Bestandteile der Basalganglien [Abb. von http://www.cjdgoettingen.de/bilder/basal]. ............................................................................... 90
Abbildung 7: Ausdehnung des lateralen präfrontalen Kortex (blau) [Abb. aus Davidson, Putnam
& Larson, 2000]. ................................................................................................ 91
Abbildung 8: Lage des anterioren cingulären Kortex (gelb) [Abb. aus Davidson, Putnam &
Larson, 2000]..................................................................................................... 92
Abbildung 9: Der orbitale und ventromediale Frontalkortex [Abb. aus Davidson & Irwin, 1999]. 93
Abbildung 10: Projektionen des mesolimbischen Dopaminsystems [Abb. von
http://pubs.niaaa.nih.gov]................................................................................... 95
Abbildung 11: Lage des insulären Kortex in einem Transversalschnitt des Gehirns [Abb. von
http://www.sinnesphysiologie.de]. ..................................................................... 96
Abbildung 12: Verschränkung emotionaler und interozeptiver Prozesse [Abb. aus Bechara &
Naqvi, 2004]....................................................................................................... 97
Abbildung 13: Lage des somatosensorischen Kortex und der „Homunculus“ [Abb. aus
Schandry, 2006]................................................................................................. 98
Abbildung 14: Hierarchisches Modell der Affektregulierung [Abb. nach Gross, 1998a]. .......... 100
Abbildung 15: Modell der freudschen Strukturtheorie der Psyche [Abb. aus Freud, 2000]. ..... 101
Abbildung 16: Differenzierung möglicher Emotionsregulierungs-Strategien [Abb. aus Gross,
2002]. ............................................................................................................... 106
Abbildung 17: Das emotionale „Defense”-Motivationssystem [Abb, aus Lang, Bradley &
Cuthbert, 1998]. ............................................................................................... 119
Abbildung 18: Zeitlicher Verlauf einzelner Komponenten während der „Defensiv -Kaskade“
[Abb. aus Bradley & Lang, 2001]..................................................................... 120
Abbildung 19: Normaler Modulationsverlauf des Lidschlagreflexes [Abb. aus Lang, Bradley &
Cuthbert, 1998]. ............................................................................................... 127
Abbildung 20: Feinere Auflösung der Prepulse-Inhibition des Startle-Reflexes [Abb. aus
Bradley, Codispoti & Lang, 2006]. ................................................................... 127
VI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 21: Startle Modulation vor, während und nach der Bilddarbietung [Abb. aus Dichter,
Tomarken & Baucom, 2002)............................................................................ 130
Abbildung 22: Mittlere Valenz- und Erregungswerte der IAPS-Bilder [Abb. aus Bradley & Lang,
2000]. ............................................................................................................... 138
Abbildung 23: Ablauf der Präsentation bis zum Versuchsbeginn ............................................. 141
Abbildung 24: Ablauf der Präsentation ab Versuchsbeginn...................................................... 141
Abbildung 25: Teile der verwendeten SAM-Version (links Valenz, rechts Intensität) ............... 143
Abbildung 26: Biosignal Recorder „Varioport-B“ ....................................................................... 147
Abbildung 27: Ableitungsort des Lidschlag-Reflexes [Abb. nach Blumenthal et al., 2005]. ..... 148
Abbildung 28: Schallschutzkammer, in der der Versuch stattfand............................................ 149
Abbildung 29: Audio- und Videoüberwachung der Versuchspersonen .................................... 150
Abbildung 30: Versuchsrechner ................................................................................................ 150
Abbildung 31: Boxplots für Praxisdauer in Jahren und Stunden je Gruppe.............................. 158
Abbildung 32: Boxplots für Prozentrang Achtsamkeitspraxis und FFA-Score je Gruppe ......... 160
Abbildung 33: Dauer einer Sitzung bei Kurz- und Langzeitmeditierenden ............................... 161
Abbildung 34: Frequenz der Sitzungen bei Kurz- und Langzeitmeditierenden......................... 162
Abbildung 35: Anzahl der Retreats bei Kurz- und Langzeitmeditierenden ............................... 162
Abbildung 36: Meditationsobjekt bei Kurz- und Langzeitmeditierenden ................................... 163
Abbildung 37: Bedeutung buddhistischer Philosophie bei Kurz- und Langzeit-meditierenden 163
Abbildung 38: Körperliche Gesundheit als Motiv für die Praxis ................................................ 164
Abbildung 39: Stressbewältigung und Erholung als Motiv für die Praxis .................................. 164
Abbildung 40: Innere Ruhe und Gelassenheit als Motiv für die Praxis ..................................... 165
Abbildung 41: Zusammensein mit Gleichgesinnten als Motiv für die Praxis ............................ 165
Abbildung 42: Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung als Motiv für die Praxis ......... 166
Abbildung 43: Religiöse oder spirituelle Motive für die Praxis .................................................. 166
Abbildung 44: Therapeutische Motive für die Praxis................................................................. 167
Abbildung 45: SAM-Intensitätsratings nach Gruppen und Bildvalenzen................................... 170
Abbildung 46: Boxplots für SAM-Intensitätsratings nach Gruppen und Bildvalenzen .............. 172
Abbildung 47: SAM-Valenzratings nach Gruppen und Bildvalenzen ........................................ 173
Abbildung 48: Boxplots für SAM-Valenzratings nach Gruppen und Bildvalenzen.................... 174
Abbildung 49: Wandel der erlebten Gefühlsintensität durch die Meditationspraxis.................. 175
Abbildung 50: Latenz der initialen EDRs nach Bildbeginn je Bildvalenz und Gruppe .............. 179
Abbildung 51: Anstiegszeit der initialen EDRs bis zum Maximum je Bildvalenz und Gruppe .. 179
Abbildung 52: Halbwertszeit der initialen EDRs je Bildvalenz und Gruppe .............................. 180
Abbildung 53: Zeitverlauf der Startle-Response je Valenz und Gruppe ................................... 181
Abbildung 54: Differenz Startle-Response während - nach Bilddarbietung bei negativen und
positiven Bildern je Gruppe ............................................................................. 182
Abbildung 55: Potenzierung zu einzelnen Zeitpunkten und Differenz während - nach
Bilddarbietung je Gruppe ................................................................................. 183
VII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 56: Inhibierung zu einzelnen Zeitpunkten und Differenz während - nach
Bilddarbietung je Gruppe ................................................................................. 184
Abbildung 57: Summe der EDRs je Bildvalenz und Gruppe..................................................... 188
Abbildung 58: Maximum der EDRs je Bildvalenz und Gruppe.................................................. 188
Abbildung 59: Startle-Response je Gruppe und Bildvalenz über alle Zeitpunkte ..................... 190
Abbildung 60: Startle-Response zu Zeitpunkten, die Inhibition vermitteln................................ 191
Abbildung 61: Startle-Inhibition nach Gruppen ......................................................................... 192
Abbildung 62: Startle-Modulation je Gruppe und Bildvalenz..................................................... 193
Abbildung 63: Startle-Response zu Zeitpunkten, die Potenzierung vermitteln......................... 194
Abbildung 64: Startle-Potenzierung nach Gruppen................................................................... 195
Abbildung 65: Einsatz von Vermeidungsstrategien................................................................... 196
Abbildung 66: Art der Vermeidungsstrategien (Mehrfachnennung möglich) ............................ 197
Abbildung 67: Differenz Wohlbefinden nachher – vorher ........................................................ 198
Abbildung 68: Gruppenunterschiede der Startle-Response nach Alter .................................... 212
VIII
Tabellenverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Abgrenzung verschiedener affektiver Zustände [nach Scherer, 2000]. ..................... 73
Tabelle 2: Wichtige neuronale Strukturen der Emotionsverarbeitung [nach Ochsner & FeldmanBarrett, 2001]. .................................................................................................... 88
Tabelle 3: Kennzeichen der eingesetzten IAPS-Bilder ............................................................. 139
Tabelle 4: Häufigkeiten für Versuchsteilnehmer pro Gruppe .................................................... 157
Tabelle 5: Häufigkeiten für Geschlecht über alle Gruppen ....................................................... 157
Tabelle 6: Häufigkeiten für Geschlecht pro Gruppe .................................................................. 157
Tabelle 7: Deskriptive Statistik für Alter .................................................................................... 158
Tabelle 8: ANOVA für Alter ....................................................................................................... 158
Tabelle 9: Häufigkeiten für Praxisdauer in Jahren .................................................................... 159
Tabelle 10: Deskriptive Statistik für Indices der Achtsamkeitspraxis ........................................ 159
Tabelle 11: Korrelationen für Indices der Achtsamkeitspraxis .................................................. 160
Tabelle 12: Deskriptive Statistik für Dauer einer Sitzung .......................................................... 161
Tabelle 13: Häufigkeiten für Berufsausbildung ......................................................................... 167
Tabelle 14: Häufigkeiten für Schulabschluss ............................................................................ 168
Tabelle 15: Häufigkeiten für Familienstand............................................................................... 168
Tabelle 16: Häufigkeiten für Konfession ................................................................................... 169
Tabelle 17: Deskriptive Statistiken für SAM-Intensitätsratings ................................................. 171
Tabelle 18: Deskriptive Statistiken für SAM-Valenzratings ....................................................... 173
Tabelle 19: Durch die Meditationspraxis bedingter Wandel der Gefühlsintensität ................... 176
Tabelle 20: Deskriptive Statistiken für EDA-Zeitverlauf ............................................................ 178
Tabelle 21: Deskriptive Statistiken für Differenz der Startle-Response während - nach
Bilddarbietung.................................................................................................. 182
Tabelle 22: Deskriptive Statistiken für Differenz während - nach Bilddarbietung bei der StartlePotenzierung und -Inhibition je Gruppe ........................................................... 183
Tabelle 23: Deskriptive Statistiken für Startle-Response über alle Zeitpunkte je Valenz und
Gruppe ............................................................................................................. 184
Tabelle 24: Deskriptive Statistiken für EDA-Intensität............................................................... 187
Tabelle 25: Statistiken für Startle-Response je Gruppe über alle Valenzen und Zeitpunkte.... 191
Tabelle 26: Deskriptive Statistiken für Startle-Inhibition............................................................ 192
Tabelle 27: Deskriptive Statistiken für Startle-Potenzierung ..................................................... 194
Tabelle 28: Deskriptive Statistiken für Wohlbefinden................................................................ 198
Tabelle 29: Kolmogorov-Smirnov-Tests für alle SAM-Ratings.................................................. 266
Tabelle 30: Levene-Test zur Varianzhomogenität für alle SAM-Ratings .................................. 266
Tabelle 31: Kolmogorov-Smirnov-Tests für Achtsamkeitsindices............................................. 266
Tabelle 32: Multivariate Tests für SAM-Intensitätsratings......................................................... 267
Tabelle 33: Tests der Zwischensubjekteffekte für SAM-Intensitätsratings ............................... 267
Tabelle 34: Korrelationen für SAM-Intensitätsratings ............................................................... 268
IX
Tabellenverzeichnis
Tabelle 35: Multivariate Tests für SAM-Valenzratings .............................................................. 268
Tabelle 36: Tests der Zwischensubjekteffekte für SAM-Valenzratings..................................... 269
Tabelle 37: Post-Hoc-Tests für SAM-Valenzratings.................................................................. 269
Tabelle 38: Korrelationen für SAM-Valenzratings ..................................................................... 270
Tabelle 39: Mann-Whitney-Test für Wandel der Gefühlsintensität ........................................... 270
Tabelle 40: Chi-Quadrat-Test für Wandel der Gefühlsintensität ............................................... 270
Tabelle 41: Kolmogorov-Smirnov-Tests für EDA-Zeitverlauf .................................................... 271
Tabelle 42: Levene-Test zur Varianzhomogenität für EDA-Zeitverlauf..................................... 271
Tabelle 43: Multivariate Tests für EDA-Zeitverlauf.................................................................... 272
Tabelle 44: Tests der Zwischensubjekteffekte für EDA-Zeitverlauf .......................................... 272
Tabelle 45: Post-Hoc-Tests für EDA-Zeitverlauf ....................................................................... 273
Tabelle 46: Korrelationen für EDA-Zeitverlauf .......................................................................... 273
Tabelle 47: Regressionsrechnung für EDA-Latenz................................................................... 274
Tabelle 48: Regressionsrechnung für EDA-Anstiegszeit .......................................................... 274
Tabelle 49: Regressionsrechnung für EDA-Halbwertszeit ........................................................ 274
Tabelle 50: Levene und Kolmogorov-Smirnov-Tests für Differenz während - nachher bei StartlePotenzierung und -Inhibition ............................................................................ 274
Tabelle 51: Multivariate Tests für Differenz der Startle-Response während - nach Bilddarbietung
......................................................................................................................... 275
Tabelle 52: Tests der Zwischensubjekteffekte für Differenz der Startle-Response während nach Bilddarbietung ......................................................................................... 275
Tabelle 53: Levene und Kolmogorov-Smirnov-Tests für Differenz während - nachher bei StartlePotenzierung und -Inhibition ............................................................................ 275
Tabelle 54: Deskriptive Statistiken für Potenzierungs und Inhibitions-Zeitverlauf .................... 276
Tabelle 55: Multivariate Tests für Differenz während - nachher bei Startle-Potenzierung und Inhibition .......................................................................................................... 276
Tabelle 56: Tests der Zwischensubjekteffekte für Differenz während - nachher bei Startle Potenzierung und -Inhibition ............................................................................ 277
Tabelle 57: Kolmogorov-Smirnov-Tests für EDA-Intensität ...................................................... 277
Tabelle 58: Levene-Test zur Varianzhomogenität für EDA-Intensität....................................... 278
Tabelle 59: Tests der Zwischensubjekteffekte für EDA-Intensität ............................................ 278
Tabelle 60: Multivariate Tests für für EDA-Intensität................................................................. 279
Tabelle 61: Post-Hoc-Tests für EDA-Intensität ......................................................................... 279
Tabelle 62: Korrelationen für EDA-Intensität............................................................................. 280
Tabelle 63: Regressionsrechnung für EDA-Summe ................................................................. 280
Tabelle 64: Regressionsrechnung für EDA-Maximum .............................................................. 280
Tabelle 65: Kolmogorov-Smirnov-Tests für Startle-Response.................................................. 281
Tabelle 66: ANOVA für overall Startle-Response ..................................................................... 281
Tabelle 67: Kruskal-Wallis-Test für overall Startle-Response................................................... 281
X
Tabellenverzeichnis
Tabelle 68: Levene-Test zur Varianzhomogenität für Startle-Response, Inhibition und
Potenzierung.................................................................................................... 282
Tabelle 69: Post-Hoc-Tests für overall Startle-Response......................................................... 282
Tabelle 70: Korrelationen für overall Startle-Response ............................................................ 283
Tabelle 71: Alterskorrelationen für overall Startle-Response bei Nichtmeditierenden und
Meditierenden .................................................................................................. 283
Tabelle 72: Regressionsrechnung für overall Startle-Response............................................... 283
Tabelle 73: Tests der Zwischensubjekteffekte für Startle-Inhibition.......................................... 284
Tabelle 74: Post-Hoc-Tests für Startle-Inhibition ...................................................................... 284
Tabelle 75: Alterskorrelationen für Startle-Inhibition bei Nichtmeditierenden und Meditierenden
......................................................................................................................... 284
Tabelle 76: Kruskal-Wallis-Test für Startle-Inhibition ................................................................ 284
Tabelle 77: Korrelationen für Startle-Inhibition.......................................................................... 285
Tabelle 78: Korrelationen für Alter und Achtsamkeitspraxis ..................................................... 285
Tabelle 79: Regressionsrechnung für Startle-Inhibition ............................................................ 285
Tabelle 80: Kruskal-Wallis-Test für Startle-Potenzierung ......................................................... 285
Tabelle 81: Tests der Zwischensubjekteffekte für Startle-Potenzierung................................... 286
Tabelle 82: Post-Hoc-Tests für Startle-Potenzierung................................................................ 286
Tabelle 83: Regressionsrechnung für Startle-Potenzierung ..................................................... 286
Tabelle 84: Alterskorrelationen für Startle-Potenzierung bei Nichtmeditierenden und
Meditierenden .................................................................................................. 286
Tabelle 85: Korrelationen für Startle-Potenzierung ................................................................... 287
Tabelle 86: Chi-Quadrat-Test für Vermeidungsstrategien ........................................................ 287
Tabelle 87: ANOVA für Wohlbefinden....................................................................................... 287
Tabelle 88: t-Test für Wohlbefinden bei Nicht- vs. bei Kurzzeitmeditierenden ......................... 288
Tabelle 89: Spearman-Roh für „Abnahme Wohlbefinden – Achtsamkeitspraxis“..................... 288
Tabelle 90: Levene-Tests für Fragebögen ................................................................................ 288
Tabelle 91: Multivariate Tests für Fragebögen.......................................................................... 289
Tabelle 92: Tests der Zwischensubjekteffekte für Fragebögen (aus Platzgründen nur die
Ergebnisse für „Gruppe“) ................................................................................. 289
Tabelle 93: Deskriptive Statistiken für Fragebögen .................................................................. 290
XI
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Die Achtsamkeitsmeditation ist eine aus der buddhistischen Lehre stammende Technik, die durch eine bewusste, genaue und nichtwertende Beobachtung der subjektiven
mentalen und emotionalen Vorgänge zu Einsicht in die Zusammenhänge der Entstehung von leidvollen Reaktionsweisen und zu deren Aufhebung führen soll. Diese Technik erlangte in den letzten Jahren zunehmend Beachtung durch wissenschaftliche und
klinische Forscher aus den westlichen akademischen Kreisen und fand Eingang in die
Therapie zahlreicher psychischer und somatischer Störungen (Kabat-Zinn, 2003).
Achtsamkeitsbasierte Therapieverfahren spielen in neuerer Zeit auch in Deutschland
eine immer größer werdende Rolle (Heidenreich & Michalak, 2006). Ein zentraler
Angriffspunkt solcher Interventionen ist ein veränderter Umgang mit emotional herausfordernden Erfahrungen – die genauen Wirkmechanismen dieses Aspekts der Achtsamkeitsmeditation wurden bisher jedoch noch wenig erforscht.
Die vorliegende Studie untersuchte mit einem quasi-experimentellen Design
und zusätzlicher korrelativ-regressionsanalytischer Auswertung die Unterschiede in der
Emotionsverarbeitung bei insgesamt 43 Probanden, 30 davon mit abgestufter Achtsamkeitspraxis und 13 ohne Meditationserfahrung. Zur Emotionsinduktion kamen
Bilder aus dem IAPS („international affective picture system“) zum Einsatz, gemessen
wurde das Gefühlserleben der Probanden mittels der SAM („self assessment manikin“)
Selbsteinschätzungsskala, die neurophysiologische Komponente der Emotionsreaktion
mittels EDA („elektrodermale Aktivität“) sowie die motivationale Komponente über das
so genannte Schreckreflex-Paradigma („Startle-Paradigma“). Das Startle-Paradigma
ermöglicht es, zu erfassen, mit wie viel Defensiv-Motivation der Proband auf durch
aversive Stimuli ausgelöste Emotionen antwortet, bzw. mit wie viel appetitiver Motivation auf durch positive Stimuli ausgelöste Emotionen. Des Weiteren wurden behaviorale Maße der Affekttoleranz erhoben.
Die Ergebnisse zeigten einen mit zunehmender Achtsamkeitspraxis hypothesenkonformen Abfall der Intensität der neurophysiologischen Komponente sowie deren
beschleunigten Zeitverlauf; je länger die Probanden meditierten, desto rascher klang
ihre Reaktion ab. Auf Seiten der Startle-Response zeigte sich der vermutete Abfall der
Motivationssystemaktivierung, ersichtlich an einer mit zunehmender Meditationspraxis
abfallenden Intensität der Startle-Modulation. Die meditierenden Probanden reagierten
also mit zunehmend geringerer Aversion bzw. Anhaftung auf ihre emotionalen
Reaktionen. Beim Zeitverlauf der Startle-Reaktion boten die Ergebnisse keinen Anhaltspunkt für einen den Hypothesen entsprechenden, durch Achtsamkeitspraxis vermittelten, schnelleren Abfall der Reaktion. Auch die erwartete Zunahme der Gefühls-
XII
Zusammenfassung
intensität ließ sich nicht belegen: die abgegebenen Ratings bei emotionalen Stimuli
zeigten keinen signifikant positiven Zusammenhang mit der Achtsamkeitspraxis. In den
durchgeführten Nachinterviews gaben die Probanden jedoch an, mit zunehmender
Praxis hätte sich die Intensität der Gefühlswahrnehmung und der Gefühlsklarheit
erhöht. Bestätigt werden konnte auch die vermutete Zunahme der Affekttoleranz im
Verlauf der Achtsamkeitspraxis: Je länger die Probanden meditierten, desto weniger
Vermeidungsstrategien wendeten sie an, und desto weniger erschöpfte sie, eigenen
Angaben zufolge, das emotional herausfordernde Experiment.
Zusammenfassend ließen sich vielfältige Einflüsse von andauernder Achtsamkeitspraxis auf die Emotionsverarbeitung zeigen, die darauf hindeuten, dass die
Technik ein hilfreiches Mittel zur Emotionsregulation darstellt.
Schlagworte: Emotion,
Affekt,
Emotionsregulation,
Meditation,
Achtsamkeit,
Interozeption, Schreckreflex, EDA, Gefühl, Intensität, Erregung.
XIII
Theoretische Grundlagen
1.
Einleitung
1.1
Ausgangslage und Zielsetzung
„How should we manage our emotions? Should we attend to them
or disregard them? Esteem them or revile them? Encourage them
or suppress them?”
James J. Gross
Emotionen sind für uns Menschen ein essentielles und zentrales Phänomen (BennettGoleman, 2004; Damasio, 2000, 2001; Darwin, 1890; Goleman, 1997a; LeDoux, 1996;
Solomon, 1993). Die Frage, wie wir mit unseren Emotionen und Leidenschaften am
besten umgehen, beschäftigte schon die Denker im Hellenismus (Hirschberger, 1991;
Störig, 1999). Vom exzessiven Ausleben (Hedonismus) bis zur völligen Gleichgültigkeit
der Welt gegenüber (Stoa) wurden verschiedene Strategien propagiert. Der römische
Kaiser Marc Aurel z.B. plädierte für eine Befreiung von den Leidenschaften und ihre
Kontrolle bzw. Beschneidung. Darin sah er die Stärke des Menschen (Marc Aurel,
1857). Sigmund Freud (2000) wiederum wies auf die Gefahr der vom „Lustprinzip“
getragenen „Verdrängung“ aversiver Impulse, Gedanken und Emotionen hin (Freud,
1992, 1994). Diese würden zwar angstgeleitet aus dem Bewusstsein verbannt,
behielten jedoch ihre Energie und machten sich in Form von körperlichen und
neurotischen Symptomen wieder bemerkbar. Nach Freud (2000) ist die Unfähigkeit
bzw. der Unwille, unangenehme Gefühle3 zu erleben bzw. zu ertragen, eine der
Hauptursachen für das Entstehen von Neurosen und psychischem Leid (siehe auch
Epstein, 1996; Mentzos, 2000; Michal, 2006; und Riemann, 1975). Dies wurde in
neuerer Zeit von kognitiv-behavioralen Theoretikern bestätigt: „(…) most forms of
psychopathology involve, in some way or another, the intolerance of aspects of private
experience, as well as patterns of experiential avoidance in an attempt to escape
private experience” (Bishop, Lau, Shapiro et al., 2004, S. 237; für empirische Belege
siehe Hayes et al., 1996).
Im Bereich der (Verhaltens-) Medizin, der Psychiatrie und Psychotherapie ist
das Thema der Emotionsregulation, also die Frage, wie am besten mit intensiv aversiven oder auch dysfunktionalen Emotionen umgegangen wird, ein immer bedeutsamer
werdender Gegenstand (Lazarus, 1991). Daniel Goleman hat 1995 mit seinem Bestseller „Emotionale Intelligenz“ das Thema in den Fokus des wissenschaftlichen und
3
Gefühl und Empfindung werden hier synonym verwendet für die subjektive, phänomenale
Erlebensqualität der Emotionen (die daneben auch noch aus anderen Komponenten bestehen, siehe 2.3)
14
Theoretische Grundlagen
öffentlichen Interesses rücken können. In neuerer Zeit zeichnet sich die Entwicklung
eines neuen Zweiges von kognitiven Verhaltenstherapien ab, die sich speziell in dieser
Frage profilieren (Hayes, Masuda, Bissett, Luoma & Guerrero, 2004; Hayes, Follette &
Linehan, 2004; Heidenreich & Michalak, 2006; Kabat-Zinn, 2003; Krasner, 2004;
Santorelli, 1999).
Auch eine Ausgabe der populärwissenschaftlichen Zeitschrift „Gehirn und
Geist“ widmet ihren Titel der Frage „Gefühle im Griff?“, was die Aktualität dieses
Themenkomplexes unterstreicht. In einem Artikel geht dort Mauss (2005) auf
Ergebnisse der modernen Psychologie und Hirnforschung ein: Studien zeigen, dass
bloßes Unterdrücken der bereits erlebten Emotion in Ausdruck und Verhalten
tendenziell krank macht, während ein „Reappraisal“ (kognitives Neubewerten) der
emotionalen Reize auch das Gefühlserleben und die physiologischen Reaktionen
positiv zu regulieren vermag. Damit scheint sich ein Ausweg aus dem scheinbaren
Widerstreit zwischen Verdrängen bzw. Unterdrücken und dem Ausagieren bzw. überflutet werden bereits anzubahnen (Gross, 2006).
In östlichen Kulturen wird seit mehreren Jahrtausenden ein heilsamer Umgang
mit Emotionen gesucht und praktiziert (Goleman, 1997b). Somit ist eine Untersuchung
dieser traditionsreichen Methoden von besonderem Interesse (Barinaga, 2003; Hayes
& Feldman, 2004; Newberg & Iversen, 2003; Roemer & Orsillo, 2003; Sternberg,
2000). Die Lehren des Buddhismus könnten hier Wertvolles beitragen und werden
zunehmend von Wissenschaftlern ernst genommen (Davidson & Harrington, 2002;
Ekman, Davidson, Ricard & Wallace, 2005; Flanagan, 2006; Goleman, 1998, 2005;
Harrington & Zajonc, 2006; Wallace, 2003; Wallace & Shapiro, 2006; Walsh & Shapiro,
2006).
Der Buddhismus, der heute im Westen immer mehr als eine Psychologie und
eine „Kunst des Lebens“ (Hart, 1996) denn als Religion aufgefasst wird (Gruber, 1999),
geht auf den historischen Gautama Buddha zurück, der in Indien vor mehr als 2500
Jahren lebte und lehrte. Ursprung und Ziel seiner Lehren sind das Bedürfnis, einen
sinnvollen Umgang mit der Unsicherheit und Vergänglichkeit der menschlichen
Existenz und dem mannigfaltigen Leiden im menschlichen Leben zu finden. Buddha
lehrte eine auf seiner Selbsterfahrung basierende Weisheit, die zu Glück und Befreiung
innerhalb dieser unsicheren und sich wandelnden Welt führen soll (Schumann, 1976;
Uhlig, 2005).
Eine grundlegende Technik der buddhistischen Lehre ist die sogenannte
Achtsamkeitsmeditation. Sie wurde auch als „Herz der buddhistischen Meditation“
(Nyanaponika, 1973; Wallace, Bays, Kabat-Zinn & Goldstein, 2006) bezeichnet. Diese
15
Theoretische Grundlagen
Meditationspraktik hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr die Aufmerksamkeit und
Beachtung westlicher Wissenschaftler auf sich gezogen (Borkovec, 2002; Shapiro &
Schwartz, 2000; Shapiro, Carlson, Astin & Freedman, 2006; Sternberg, 2000). Ihrem
Selbstverständnis nach ist sie ein expliziter Weg, heilsam mit aversiven Gedanken und
Gefühlen umzugehen, um letztendlich dadurch im Kontext der buddhistischen Lehre in
die Befreiung und Erleuchtung, d.h. Einsicht in die Natur der Dinge und deren
Akzeptanz zu führen (Goldstein & Kornfield, 1991; Gunaratana, 1993).
Die
Erforschung
und
die
klinische
bzw.
praktische
Anwendung
der
Achtsamkeitsmeditation bei ansonsten schlecht therapierbaren psychischen und
körperlichen Erkrankungen hat, vor allem aus den USA kommend, weltweit immer
mehr Eingang in die wissenschaftlichen Institutionen gefunden (Lau & McMain, 2005).
Auch in Deutschland steigt mittlerweile das Interesse an diesen neuartigen
Interventionsmethoden rasant an (z.B. Broda, Fliegel, Schauenburg, Schweitzer, Senf
& Wittmund, 2006; Heidenreich & Michalak, 2006) – die neue Ausgabe der Zeitschrift
„Gehirn und Geist“ vom 21.11.2006 wählt „Achtsamkeit“ als Titelthema, um diesem
Potential Rechnung zu tragen.
Trotz einer Vielzahl von Arbeiten zu dieser Thematik in den letzten Jahren steht
die Untersuchung der Mechanismen der Achtsamkeitspraxis noch immer an Ihren
Anfängen und bietet damit ein spannendes Gebiet, auf dem noch viel zu entdecken ist.
Einige Übersichtsartikel und theoretische Arbeiten (Baer, 2003; Bishop, 2002; Bishop
et al., 2004; Brown & Ryan, 2003; Grossman, Niemann, Schmidt & Walach, 2004)
haben in den letzten zwei bis vier Jahren nun den Boden für einen Konsens im Hinblick
auf Konstruktdefinition und mögliche Wirkfaktoren bereitet. Das ermöglichte es dieser
Arbeit, darauf basierende, konkrete Fragestellungen und Hypothesen zu entwickeln
und empirisch die Bedeutung der buddhistischen Achtsamkeitsmeditation für die
Emotionsverarbeitung und Emotionsregulation zu untersuchen.
1.2
Aufbau der Arbeit
Der im Anschluss folgende Theorieteil enthält zwei Hauptabschnitte, die jeweils die
relevanten Hintergründe der Achtsamkeits- und der Emotionsforschung vorstellen.
Im ersten Teil führt er zunächst in das Konstrukt „Achtsamkeit“ aus Sicht der
buddhistischen Lehre ein, der es entstammt. Zur Orientierung werden dabei Hintergründe gestreift, die sowohl das Leben des historischen Buddha als auch seine Lehre
betreffen. Mit einem kurzen Überblick über die Rezeption östlicher Lehren im
westlichen akademischen Rahmen sowie einigen kritischen Überlegungen zur
Meditationspraxis, wird danach der Bogen gespannt zur genauen Betrachtung der
16
Theoretische Grundlagen
Achtsamkeit aus wissenschaftlicher Perspektive. Dabei wird ausführlich auf das in
diesem Zusammenhang zentrale Programm der „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“ (MBSR = „Mindfulness Based Stress Reduction“) von Prof. John Kabat-Zinn von
der University of Massachusetts Medical School eingegangen. Kabat-Zinn war
derjenige, der die nun florierende wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema in
den 80er Jahren angestoßen hatte. Es werden dazu die Ergebnisse der verfügbaren
klinischen Studien diskutiert, die das Programm in verschiedenen Kontexten evaluiert
haben, und anschließend mögliche Wirkmechanismen achtsamkeitsbasierter Verfahren erörtert, wobei die vorliegende Diplomarbeit in den Kontext der aktuellen
Forschungsfragen eingeordnet wird.
Der zweite Teil, der sich der Emotionsforschung widmet, arbeitet über eine
Diskussion buddhistischer, philosophischer, psychologischer und neurowissenschaftlicher Betrachtungsweisen zu dem Thema heraus, welchen Beitrag eine Betrachtung
der Achtsamkeitspraxis zu zentralen, dort aufgeworfenen Fragen leisten kann. Mithilfe
der gesammelten Befunde und Theorien wird versucht, Wirkprinzipien und Effekte der
Achtsamkeitspraxis auf die Emotionsverarbeitung und die Emotionsregulation zu
kondensieren bzw. abzuleiten.
Die im Experiment zur Anwendung gekommenen peripher-physiologischen
Emotionsmaße EDA und das Startle-Paradigma werden eingeführt, und zum Abschluss des Theorieteils die aus den Überlegungen abgeleiteten Hypothesen
formuliert.
Im Methodenteil werden sodann der Versuchsplan und das experimentelle
Design geschildert, die Messinstrumente und der Untersuchungsablauf referiert, sowie
das Vorgehen bei Datenaufbereitung und -auswertung aufgeführt. Eine Beschreibung
der untersuchten Stichprobe schließt diesen Teil der Arbeit ab.
Der darauf folgende Ergebnisteil entspricht in seiner Abfolge den Hypothesen
und stellt der Reihe nach die Resultate für „subjektives Gefühlserleben“, „Zeitverlauf
der emotionalen Reaktion“, „Reaktionsintensität“ und „Affekttoleranz“ dar. Explorativ
erhobene Fragebogendaten werden hier ebenfalls besprochen.
Wie sich die gefundenen Ergebnisse zu den Hypothesen und der aktuellen
Literatur in Bezug setzen lassen, wird im letzten Abschnitt der Arbeit beschrieben, der
eine Diskussion und Integration der Befunde, sowie einen Ausblick auf mögliche
zukünftige Forschung zu diesem Thema unternimmt.
17
Theoretische Grundlagen
2.
Theoretische Grundlagen
2.1
Achtsamkeit – Hintergrund und Herkunft
„Hass mit uns herumzutragen ist wie das Greifen nach einem
glühenden Stück Kohle in der Absicht, es nach jemandem zu
werfen. Ob man ihn trifft, ist ungewiss. Mit Sicherheit verbrennt
man sich jedoch dabei selbst.“
Buddha
Im allgemeinen Sprachgebrauch ist die wohl geläufigste Konnotation von Achtsamkeit
die der Sorgfalt, der Vorsicht oder Wachsamkeit (Duden, 1999). Achtsamkeit (engl.
„mindfulness“) im hier untersuchten Sinn hat eine darüber hinaus weisende Bedeutung,
die in ihrer Verwurzelung in der buddhistischen Psychologie begründet ist (Goldstein,
2003; Levine, 1994). Obgleich sich grundlegende Elemente einer Achtsamkeitspraxis
in den mystischen und kontemplativen Traditionen aller Weltreligionen finden lassen
(z.B. Meister Eckehart, 1955; siehe dazu auch: Tolle, 1999), hat doch der Buddhismus
das Konzept am frühesten betont und am detailliertesten ausgearbeitet (Buchheld &
Walach, 2004). Der Buddhismus meint mit Achtsamkeit eine spezielle, genau
begründete, hergeleitete und definierte Art, die Aufmerksamkeit auf die gegenwärtigen
Erfahrungen und Erlebnisse des Bewusstseins zu richten, ohne sie zu bewerten und
ohne sich mit ihnen zu identifizieren (Gunaratana, 1993; Young, 1994). Achtsamkeit
bedeutet also Aufmerksamkeitslenkung und Erfassung alles dem Bewusstsein im
Moment phänomenologisch Zugänglichen, geprägt von einer Haltung der Akzeptanz
und der Bereitschaft, es so zuzulassen, zu sehen und wahrzunehmen, wie es wirklich
entsteht, ist, und vergeht (Allmen, 1990; Gruber, 1999). Ein weiteres Reagieren auf die
Erfahrung, wie es im gewöhnlichen Alltagsbewusstsein permanent in Urteilen,
Bewertungen, Interpretationen, Auswahl oder Vermeidung bzw. Zensur erfolgt, soll
durch bloßes Wahrnehmen und Annehmen abgebaut werden (Goldstein, 2003;
Kornfield & Breiter, 1985; Salzberg, 2002).
Da die Achtsamkeitsmeditation, also das formale Üben dieser Haltung
zunehmend aus ihrem ursprünglichen Kontext extrahiert und in den Dienst klinischer
und therapeutischer Ziele gestellt wird – Dimidjian und Linehan (2003) machen sich
Gedanken zu möglichen Konsequenzen dieses Vorgehens – ist es von Bedeutung, ein
Wissen um ihren eigentlichen Bezugsrahmen zu bewahren (Kabat-Zinn, 1982, 1996,
2003). Von Buddha wurde sie letztendlich zur Entwicklung von Einsicht in die Natur der
Dinge, von Weisheit und von Mitgefühl gelehrt. Am Ende seiner Praxis, und der Praxis
18
Theoretische Grundlagen
aller, die sich im spirituellen bzw. buddhistischen Sinne auf den Weg der
Achtsamkeitsübung begeben, steht die Erleuchtung (Buddha = „der Erleuchtete“): Das
Leben in einem vergänglichen Universum mit all seinen Aspekten, all seinen Gesetzen,
seinen Zyklen und Inhalten nicht mehr verzweifelt bekämpfen, vermeiden, verleugnen
und missverstehen zu müssen, sondern in der Erfahrung seiner wahren Natur im
Einverständnis mit Allem einen tiefen Frieden, eine tiefe Befreiung zu erfahren. Alle
Schmerzen, alle Freude, alle Begegnungen, alle Verluste, alle Vorgänge des Lebens
zu akzeptieren, willkommen zu heißen, und innerhalb der dergestalt gearteten Welt
Glück zu erfahren (Brazier, 1997).
Im Folgenden soll ein Überblick über den Buddhismus sowie über Leben und
Lehre Buddhas dieses Wissen um die ursprünglichen Wurzeln im Kontext dieser
empirischen Forschungsarbeit ermöglichen. Da die Praxis der teilnehmenden Probanden in dieser Tradition steht, sie also aktiv in buddhistischen Vipassana-Zentren
meditieren, ist der Einblick in die buddhistischen Hintergründe wichtig, um die untersuchte Meditationsmethode und deren Ziele zu kennen. Zwei Probanden übten das
von Kabat-Zinn entwickelte MBSR-Programm aus (siehe 2.2.4), dessen Basis
ebenfalls die Vipassana-Meditation darstellt.
2.1.1 Buddhismus
„(…) und der Sinn rechter Meditation ist es keineswegs, zeitweilige Schlupflöcher der
Weltvergessenheit zu bieten. Realistische Meditation hat vielmehr die Aufgabe,
innerhalb dieser gegebenen Welt den Geist des Menschen zu festigen, zu läutern und
in seinen Möglichkeiten zu entfalten, damit er fähig werde, mit eben dieser Welt
konfrontiert zu werden, sie zu verstehen, sie innerlich zu meistern und sie schließlich
zu transzendieren“ (Nyanaponika, 1969, S. 124).
Diese Worte stammen vom deutschen Mönch Nyanaponika, einem der ersten
westlichen Menschen, der als Mönch in der Theravada-Tradition in Sri Lanka ordiniert
wurde. Er ist der Autor des bedeutenden und klassischen Werkes „Geistestraining
durch Achtsamkeit“, dessen Veröffentlichung die Achtsamkeitsmeditation im Westen
überhaupt erst zugänglich und bekannt machte. In seinem Geiste wird der Buddhismus
auch in dieser Arbeit betrachtet und interpretiert.
Der heutige Buddhismus ist eine heterogene Lehre, die sich in verschiedenen
Regionen Asiens in unterschiedliche Strömungen und Schulen entwickelt hat, seit nach
dem Tod Buddhas das von der Urgemeinde einberufene, zweite „buddhistische Konzil“
383 v. Chr. in Vesali in Indien (Gruber, 1999) das Vorgehen bei der Weitergabe seiner
Lehre beriet, und sich aufgrund von Meinungsverschiedenheiten in zwei Schulen
19
Theoretische Grundlagen
(„Theravada“ und „Mahasanghika“) teilte. Die ursprüngliche Tradition, die nahtlos auf
die Lehren des historischen Buddha zurückgeht, wird „Theravada“ (Pali für „Lehre der
Ältesten“) genannt, und hat sich in Südostasien und Sri Lanka ausgebreitet (Bechert &
Gombrich, 1989). Hier hat auch die explizite Praxis der Achtsamkeitsmeditation das
stärkste Gewicht. Diese ursprünglichen Lehren werden „Abidhamma“ genannt (Bhikkhu
Bodhi, 2000) und wurden im 5. Jahrhundert im Werk „Visuddhimagga“ („der Weg zur
Reinheit“) zusammengefasst (Nyanatiloka, 1952).
Daneben entwickelte sich der „Zen“ (japanisch) od. auch „Chan“ (chinesisch)
Buddhismus in Japan und China (Herrigel, 1951; Kapleau, 1987; Suzuki, S., 1975;
Suzuki, D.T., 1976). Zen bzw. Chan sind Übersetzungen des indischen SanskritBegriffes „Dhyana“, der eine allumfassende Geisteshaltung beschreibt, die durch die
Eigenschaften Achtsamkeit, Klarheit, Gegenwärtigkeit und Wachheit gekennzeichnet
ist. Auch in diesen Schulen ist also das reine Gewahrsein, das Entwickeln von
Achtsamkeit in Verbindung mit „Zazen“ der streng formalisierten Sitzmeditation neben
der Verwendung von sogenannte „Koans“, paradoxen Rätseln, die den logischen
Verstand außer Kraft setzen sollen, um die spontane Erleuchtung zu erzielen, ein
wichtiger Pfeiler des Erleuchtungsweges.
Die
letzte
große
Strömung
bildet
der
Mahayana
Buddhismus.
Die
„Mahasanghika“ (Sanskrit für „große Gemeinde“) entschied sich nach dem Konzil zu
einigen Modifikationen, wie die Auflockerung der Ordensregeln, die stärkere Betonung
der meditativ gewonnen Weisheit gegenüber dem erlernten Wissen, die Entwicklung
des „Bodhisattwa-Ideals“, das die Aufschiebung der eigenen Erlösung zugunsten der
Hilfe und Sorge um das Heil der Mitmenschen beinhaltet, sowie eine Öffnung und
Verbreitung der Lehre für die Laien-Bevölkerung, da sie vorher aufgrund ihrer
intellektuellen Komplexität und strengen Riten eher ordinierten Mönchen zugänglich
war. Hieraus ging der so genannte „Mahayana“ (Sanskrit für „das große Fahrzeug“)
Buddhismus hervor, der heute vor allem in China, Tibet, Nepal, Bhutan, Korea, Japan
und Vietnam verbreitet ist (Rinpoche, 1993). Hier entstanden aufgrund regionaler
Einflüsse über die Zeit hinweg weitere Unterformen, wie z.B. das tibetische
„Vayrayana“ (Sanskrit für „Diamantfahrzeug“). Ausführlicheres zu Geschichte und
Systemen des Buddhismus findet sich z.B. in Bechert und Gombrich (1989) oder
Schumann (1976). Im Mahayana hat die systematische Achtsamkeitsmeditation je
nach Unter-Schule nicht ganz so viel Gewicht wie im Theravada (Schumann, 1976). Im
Mahayana wird eine Vielzahl unterschiedlicher Meditationstechniken angewandt,
bedeutend sind hier auch imaginative Meditationen und Versenkungspraktiken.
20
Theoretische Grundlagen
Mittlerweile hat sich auch eine eigene Form eines „westlichen Buddhismus“
herauszubilden begonnen. Der globale Zugriff auf Informationen, die Möglichkeit der
Menschen aus der westlichen Welt, Reisen zu unternehmen, und die Emigration
bedeutender buddhistischer Lehrer in den Westen hat zur Rezeption einer Vielzahl
buddhistischer Konzepte geführt, deren Integration sich immer deutlicher als spezifisch
westlicher Buddhismus präsentiert (Batchelor, 1994, 1998; Baumann, 1995; Brazier,
1997, 2001; Fields, 1992; Fronsdal & Van House, 2002; Goldstein, 2002; Kornfield,
2004;
Messing,
1997),
der
die
Essenz
der
buddhistischen
Lehre
an
die
Lebensumstände der westlichen Welt angepasst hat. Goldstein (2002, S. 27)
charakterisiert diese neue Form des Buddhismus durch „Achtsamkeit als seine
Methode, Mitgefühl als seinen Ausdruck und Weisheit als seine Essenz“. Einige
westliche Lehrer (siehe dazu vor allem Brazier, 1997) legen die buddhistischen
Urtexte, beginnend mit den „Vier Edlen Wahrheiten“ immer mehr in einem modernen
Sinn aus, der durch überarbeitete Neuübersetzungen und Re-Interpretation der
Quellen
gespeist
wird.
Zwei
sehr
bedeutende
buddhistische
Lehrer
der
Achtsamkeitspraxis, Ajahn Buddhadasa und Ajahn Chah (siehe Gruber, 1999 und
Kornfield & Breiter, 1985) waren mit ihren Modernisierungsbestrebungen und
Neuauslegungen des Kanons dafür wegweisend. Auf zentrale Punkte der Lehre, die
auf den westlichen Menschen befremdlich wirken mögen, wird so ein neues Licht
geworfen: Der zu Buddhas Zeiten als unumstößlich angesehene Glaube an
Reinkarnation und an das sogenannte Karma, das über eine Vielzahl von Leben
hinweg das Dasein der Wesen beeinflussen soll, wird in diesen Neuauslegungen
(Brazier, 1997, 2001) mehr als Symbol betrachtet, das auch auf die Mechanismen und
Gesetze des aktuellen Lebens übertragen werden kann und sollte. David Brazier, ein
Zen-Praktizierender und Psychotherapeut argumentiert leidenschaftlich für eine
Korrektur
alter
Übersetzungsfehler
und
kulturgeschichtlich
bedingt
verzerrter
Auslegungen von Zusammenhängen, die zu einer „orthodoxen“ Interpretation von
Buddhas Lehren geführt hätten (Brazier, 1997), die es neu zu betrachten gelte („The
new Buddhism“, Brazier, 2001). Auch die von einigen buddhistischen Lehrern und
Autoren vertretene Interpretation der Lehren, es gelte, sich durch Nirwana, also
„Erlöschen“ den Leidenschaften und Gefühlsreaktionen, letztlich der menschlichen
Existenz bzw. dem Dasein überhaupt zu entziehen, da es an sich leidhaft und elend
sei, wird scharf als Missverständnis zurückgewiesen (Brazier, 1997). Es gibt durchaus
orthodoxe Auslegungen, z.B. das „Visuddhi-Magga“, (siehe Nyanatiloka, 1952) und
einige buddhistische Autoren (beschrieben z.B. in Goleman, 1997b, S. 50-70), die
Vipassana als ein Auslöschen der Empfindungen und der Ansprechbarkeit auf
21
Theoretische Grundlagen
weltliche Vorgänge verstehen. Auch in dem für diese Arbeit sehr fruchtbaren Werk von
Daniel Goleman „Dialog mit dem Dalai Lama – Wie wir destruktive Emotionen
überwinden können“ (Goleman, 2005) zeigt sich in den Dialogen zwischen tibetischen
Gelehrten und den teilnehmenden westlichen Wissenschaftlern, dass innerhalb des
Buddhismus keine Einigkeit bezüglich einer Einschätzung der Emotionen besteht.
Manche Schulen sehen jede Regung, die unseren Geist in Bewegung oder Unruhe
versetzt, auch z.B. Liebe oder Trauer um den Tod eines Verstorbenen als destruktiv
an, und streben daher nach seiner Beseitigung (Goleman, 2005, S. 246 u. 383; siehe
auch Flanagan, 2000). Diese Sicht steht in scharfem Kontrast zu der hier vertretenen
Sicht auf die Achtsamkeitsmeditation, auf deren Ziel und auf die Interpretation der
Lehren Buddhas. Sie wird auch von den meisten westlichen buddhistischen Lehrern
zurückgewiesen, ebenso von John Kabat-Zinn und seinem MBSR-Programm (Brazier,
1997; Kabat-Zinn, 1994; Kornfield, 1993). Dem modernen Verständnis der Achtsamkeit
und des Buddhismus zufolge ist nicht die komplette Realität, die Welt an sich inhärent
zurückzuweisen, oder schnellstmöglich zu überwinden. Ganz im Gegenteil sei es ein
großes Geschenk zu leben – nur eine gewisse Art der Beziehung zur Existenz mit all
ihren vielfältigen Aspekten fügt der unweigerlichen und notwendigen Komposition des
Lebens unnützes und tieferes Leid hinzu (Brazier, 1997; Hart, 1996; Kabat-Zinn, 1994,
1996). Buddha versuchte zu Beginn seiner Suche, dem Problem sowohl mittels der
damals von den hinduistischen Yogis praktizierten Weltflucht zu begegnen, als auch
durch Stimulierung seiner Sinne mit allen möglichen materiellen Reizen. Das Zentrale
seiner Botschaft ist, dass keiner dieser Wege, dem Leid zu entfliehen, funktionieren
kann. Nach David Brazier´s Ansicht lehrte Buddha daher, dass Ereignisse, die
Schmerz und Leid mit sich brächten, untrennbar zum Existieren eines jeden Wesens
gehörten, dass eine edle Haltung der Akzeptanz, welche die „Wurzelgifte“
(Unwissenheit um die Natur der Dinge und des Geistes, Gier als Reaktion auf Gefühle,
Aversion als Reaktion auf Gefühle) überwunden hat, jedoch ein sinnerfülltes,
erleuchtetes, glückliches und menschlichenwürdiges Leben ermöglichen würde, trotz
Schmerz, Krankheit, Tod und Vergänglichkeit.
Die nachfolgenden inhaltlichen Ausführungen über den Buddhismus und die
Achtsamkeit folgen diesem modernen Verständnis der buddhistischen Lehren.
Gegebenenfalls werden mit Brazier (1997) Entwicklungslinien vom „orthodoxen“
Verständnis der Lehren zu diesen modernen Auslegungen hin aufgezeigt.
22
Theoretische Grundlagen
2.1.2 Leben und Lehre des historischen Buddha
Vor allem Hermann Hesse hat einer breiteren Öffentlichkeit in der westlichen Welt mit
seinen Romanen „Siddhartha“ (2002) und „Morgenlandfahrt“ (2001) die Lebensgeschichte und Lehre des Buddha nahe gebracht. Die folgende kurze Zusammenfassung orientiert sich an Schumann (1976) und Bechert und Gombrich (1989):
Vor ca. 2500 Jahren wurde Siddharta Gautama in der Nähe der heutigen
Grenze zwischen Indien und Nepal als Sohn eines mächtigen und wohlhabenden
Fürsten geboren, seine Mutter starb kurz danach. Da von religiösen Oberhäuptern zu
seiner Geburt prophezeit wurde, aus ihm werde entweder ein mächtiger Herrscher
oder ein spiritueller Führer, sorgte sein Vater dafür, dass es ihm an nichts mangelte.
Sein Anliegen war, einen starken Herrscher als seinen Nachfolger aufzuziehen. Er
nahm an, dass der Schutz vor jeglicher Begegnung und Berührung mit den
unangenehmen Seiten des Lebens seinen Sohn davon abhalten würde, sich für
spirituelle Dinge zu interessieren. So wuchs Siddharta Gautama bis in seine späte
Jugend hinein in der geschützten, prächtigen Scheinwelt des Palastumfeldes auf,
wurde früh mit einer schönen Frau verheiratet, bekam einen Sohn und lebte im Genuss
aller Freuden des Lebens. Die Geschichte von den vier Ausfahrten beschreibt, wie er
beim Verlassen des Palastes auf einer Sänfte zum ersten Mal in Kontakt mit dem
menschlichen Leiden kommt. Ein alter Mann am Stock, ein schwer kranker Mann, und
der Anblick einer Leiche können von den Palastbediensteten nicht schnell genug aus
Siddhartas Gesichtsfeld entfernt werden, so dass er erkennt, dass Alter, Krankheit und
Tod Bestandteil jedes menschlichen Lebens sind. Diese Erfahrung bringt tiefes
Mitgefühl in sein Leben, und er beginnt, über das Leiden, seinen Sinn, seine Ursachen
und einen heilsamen Umgang damit nachzusinnen. Bei der vierten Ausfahrt trifft er auf
einen Mönch und beschließt, dessen Weg zu beschreiten. Mit 29 Jahren verließ er also
trotz starken Widerstands und tiefer Trauer seiner Familie den Palast und schloss sich
einer Gruppe von Mönchen an, um nach Antworten auf seine brennenden Fragen zu
suchen. Er unterzog sich der Legende nach sechs Jahre den strengsten asketischen
Riten, den härtesten konzentrativen Techniken, den extremsten bis dahin bekannten
hinduistischen yogischen Praktiken, um dem Leid zu entfliehen, bis er nahezu
körperlich verendete. Als dies alles keine Antworten auf seine drängenden Fragen
nach Sinn und Natur des Daseins und des Leidens erbrachte und er kurz vor dem Tod
stand, begab er sich auf den anderen Pfad, den Pfad der Ausschweifungen, der
Exzesse, der wahllosen Sinnesfreuden. Auch hier fand er nach anfänglichen
Hoffnungen keine letztendliche Erfüllung, keine Leidbeseitigung und kein Glück. Dies
führte ihn zur Beschreitung des „mittleren Weges“ zwischen diesen beiden Extremen.
23
Theoretische Grundlagen
Er beschloss, beide Extreme zu meiden, sein Ziel nicht aufzugeben und in meditativer
Betrachtung seines Geistes die Einsicht aus sich selbst heraus zu realisieren. Der
Legende nach geschah dies, als er unter dem nach diesem Ereignis benannten
Bodhibaum im Lotus-Sitz saß und meditierte. Während der langen Zeit, die er
regungslos in Betrachtung seines Geistes und allen Inhalten verweilte, attackierten ihn
der Legende nach alle denkbaren bösen Geister, Dämonen, Götter und versprachen
ihm alles erdenklich Schöne oder bedrohten ihn mit allen erdenklichen, schrecklichen
Visionen, um ihn herauszufordern. Er verharrte jedoch trotz allen Schreckens und
erlangte in der Überwindung dieser Hindernisse die Erleuchtung (Pali „Nibbana“ od.
Sanskrit „Nirwana“), die vollkommene Einsicht in das Wesen der Dinge und des
Geistes. Er erkannte, dass alle Erscheinungen, also auch der menschliche Geist, den
Bedingungen des Wandels, der Veränderung und der Vergänglichkeit unterworfen sind
und dass es daher kein isoliertes, substanzhaftes „Selbst“ oder eine unveränderliche
„Seele“ gibt. Das Unwissen dieser Tatsachen, erkannte er, erzeugt in der Reaktion auf
die Realität gewaltiges Leid, denn „die Menschen klammern sich mit ganzer Kraft an
ihre Identität – ihr geistiges und körperliches Sein – während es doch tatsächlich nur
sich entwickelnde Prozesse gibt. Dieses Anhaften an eine nichtreale Vorstellung, die
man von sich selbst hat, an etwas, das sich in Wirklichkeit fortwährend verändert, ist
Leiden.“ (Hart, 1996, S. 59).
Im Anschluss machte er sich auf, die erfahrene Weisheit zu lehren. Mit seiner
ersten Lehrrede von den „Vier Edlen Wahrheiten“ setzte er das Rad des „Dharma“
(„der buddhistischen Lehre“) in Gang. Die „Vier Edlen Wahrheiten“ sind zentral für die
buddhistische Lehre, und sollen daher hier angeführt werden (Brazier, 1997; Kornfield,
1993; Panikkar, 1989):
Die „Erste Edle Wahrheit” ist die Wahrheit vom Leiden oder der unbefriedigenden Natur der Welt („dukkha“), also die Erkenntnis, dass jede sich wandelnde
Existenz untrennbar mit unangenehmen Erlebnissen und Widrigkeiten einhergeht und
in diesem Sinne imperfekt ist (siehe dazu auch Eliade, 1986). Da Existenz nur
aufgrund von Wandel, Veränderung, Vergänglichkeit möglich ist, stellt Leiden einen
inhärenten Bestandteil des Lebens dar. Darin eingeschlossen sind existentielle Dinge
wie Geburt, Alter, Krankheit, Tod, Schmerz, aber auch die Trennung von Angenehmem, das In-Kontakt-Kommen mit Unangenehmem – also der Verlust geliebter
Zustände, Objekte, oder Wesen, bzw. die Begegnung mit verhassten Zuständen,
Objekten, oder Wesen. Niemand kann diesen Vorgängen entfliehen. All diese
Vorgänge sind „wahr“, also real und unvermeidlich. Vermeidung, Flucht, Leugnung, als
auch Wut und Scham darüber, führen unweigerlich zu einem zusätzlichen, immens
24
Theoretische Grundlagen
vergrößerten Ausmaß an Schmerz und Demütigung, das jenes durch die
ursprünglichen Unwägbarkeiten bedingte Leid bei weitem übersteigt (Brazier, 1997).
Die „Zweite Edle Wahrheit” ergründet unseren Umgang mit „dukkha“. Auf
unsere Begegnungen mit „dukkha“ hin entstehen immer Gefühle. Nach Brazier (1997)
lehrte Buddha, es sei völlig menschlich und in Ordnung, auch unvermeidlich, und
außerhalb unserer Kontrolle, auf „dukkha“ hin mit Gefühlen zu antworten. Probleme
entstehen aufgrund einer bestimmten Art des Umgangs mit ihnen, oder wenn wir sie
vermeiden wollen. Wenn wir „dukkha“ erfahren, wollen wir, dass die Welt, die Realität
eine andere sei, die sie jedoch nicht ist. Dieses Bestreben, unser vermeintliches
„Selbst“ vor „dukkha“ zu schützen, oder „dukkha“ auszurotten, und die daraus
entstehende Handlungen und Reaktionen laden jedoch ein Ausmaß an Angst, Leiden
und Schmerzen auf uns, das noch weitaus größer ist, als das, dem wir zu entfliehen
wünschen, da wir unbewusst wissen und spüren, dass „dukkha“ unausweichlich ist
(Hart, 1996). Die drei sogenannten „Wurzelgifte“ Gier (Anhaftung), Hass (Aversion) und
Verblendung (Unwissenheit) werden als Kern und Grund aller Probleme betrachtet
(Hanh, 2002), wenn sie als Antwort auf die Gefühle entstehen. Die Gier zu haben (das,
was angenehm ist), die Gier nicht zu haben (das, was unangenehm ist) und die Illusion
über oder die Weigerung zur Einsicht in die Natur des Geistes („Nicht-Selbstheit“) und
der Dinge (Wandel, Vergänglichkeit) und deren Nicht-Akzeptanz bzw. das NichtWissen liegen allen Problemen zugrunde. An dieser Stelle wird auf die ebenfalls
grundlegende „Zwölfgliedrige Kette des Bedingten Entstehens“ (Schumann, 1976)
rekurriert: „Unwissenheit, Gestaltungskräfte, Wahrnehmung, Körper-Geist, Sechs
Sinne, Sinneskontakt, Gefühl, Durst, Ergreifen, Werden, Wiedergeburt, Alter und Tod“
führen in der orthodoxen Auslegung zu immer neuen Wiedergeburten – viele heutige
buddhistische Lehrer interpretieren die Kette jedoch psychologisch als Bedingungen
der Leidaufrechterhaltung oder -intensivierung und Entstehung von (Todes-) Angst im
aktuellen Leben. Der Ansatzpunkt, an dem Achtsamkeit diese Kette, die das bedingte
Entstehen des Leidens quasi automatisch perpetuiert (für Details und Bedeutung der
einzelnen Phasen siehe Schumann, 1976) durchbrechen kann, ist der Erstkontakt der
sechs Sinne mit ihren jeweiligen Objekten (auch der Geist wird hier als Sinn betrachtet,
daher sechs). Von hier an entwickelt sich bei Anwesenheit der „Wurzelgifte“ die Kette
des bedingten Entstehens des Leidens. Besonders relevant sind also hier die
verbleibenden Glieder: „Gefühl, Durst, Ergreifen, Werden“ (Gruber, 1999). Wenn es
aufgrund der Einsicht in die Illusion eines getrennten Selbst nichts als den achtsam
erfassten Sinneskontakt und die darauf einsetzenden Empfindungen gibt, endet dort
bereits die Entstehung von Bedingungen, die Leid aufrechterhalten bzw. vergrößern.
25
Theoretische Grundlagen
Mit
Achtsamkeitspraxis
ist
es
möglich,
das
sich
entwickelnde
Gefühl
(die
Valenzbewertung) als Gefühl zu erkennen, und es einfach kommen und gehen zu
lassen, so „dass Gefühle einfach kommen und gehen, ohne dass sie noch mit
irgendeiner Form von Durst ‚eingekleidet’ werden, auch nicht mit dem Durst oder dem
Verlangen, die Gefühle mögen aufhören“ (Gruber, 1999, S. 100). An dieser Stelle ist
somit durch Achtsamkeit die Möglichkeit gegeben, in dem Moment, in dem sich
gewöhnlich aus den Gefühlen automatisch der Durst, die Gier, oder die Aversion
„zusammenbraut“, die Kette durch Nicht-Reagieren, durch bloßes, nicht-bewertendes
achtsames Wahrnehmen zu unterbrechen. Indem man die „Drei Wurzelgifte“ als
Reaktion auf die Empfindungen ausschaltet, werden wohlgemerkt nicht die
Empfindungen selbst ausgeschaltet oder den Erfahrungen keine Bedeutung mehr
beigemessen (Brazier, 1997), wie ein teilweise anzutreffendes Missverständnis über
den Buddhismus suggeriert. Dies wäre fatal und töricht, da es für das Bestehen der
menschlichen Spezies unbedingt notwendig ist, durch Gefühle über einzuleitende
Reaktionen, die dem Überleben dienlich sind, informiert zu sein (Goleman, 1998). Eine
voll-funktionierende, psychisch gesunde Person erlebt das gesamte Spektrum an
Gefühlen (Roger, 1973). Es ist nach Brazier (1997) und Kornfield (1993) ein häufiges,
aber schweres Missverständnis, dass Erleuchtung bedeute, keine oder nurmehr
positive Gefühle zu erleben, oder keine Probleme mehr zu haben. Auch Mitleid,
Mitgefühl, Lebendigkeit und Empfindsamkeit, also Eigenschaften (Gefühle), die man an
großen spirituellen Führern (z.B. Dalai Lama) beobachten kann, wären dadurch
unmöglich. Mit steigender Einsicht und Verwirklichung sieht man, beiden Autoren
zufolge, die dunklen Seiten des Lebens und des eigenen Geistes eher noch deutlicher.
Man lebt nicht plötzlich ohne sie, sondern besser als früher mit ihnen. Dieser
grundlegende Ansatzpunkt in der Vipassana-Praxis ist fundamental für die Entwicklung
der Hypothesen dieser Arbeit (siehe Abschnitt 2.6, Hypothese 1 und 4): Zum einen
steigert Achtsamkeitspraxis die Bewusstheit, Klarheit, die Lebendigkeit, den Facettenreichtum und die Intensität der vom Bewusstsein erfassten Phänomene (Meibert,
Michalak & Heidenreich, 2006). „Um es nochmals kurz zusammenzufassen, können
wir sagen, dass das beobachtende Innehalten die Qualität des menschlichen
Bewusstseins in vierfacher Weise beeinflussen und erhöhen kann: 1. seine Intensität,
2. seine Klarheit, 3. seinen Beziehungsreichtum, 4. seine Wahlfreiheit.“ (Nyanaponika,
1969, S. 141). Zum anderen (siehe Hypothese 3.2) ergibt sich aus den buddhistischen
Schriften klar die Folgerung, dass mit steigender Achtsamkeitspraxis das automatische
Reagieren
mit
den
„Drei
Wurzelgiften“
(Unwissenheit,
Gier,
Aversion)
auf
Empfindungen hin abnimmt, auf Gefühle dementsprechend immer weniger mit
26
Theoretische Grundlagen
Vermeidung oder Anhaftung geantwortet wird (Goenka, 2005; Hart, 1996). Dies
wiederum führt aus der Sicht buddhistischer Texte dazu, dass die Reaktion auf
stresshafte emotionale Reize zunehmend schneller wieder abfällt (siehe Hypothese 2),
da auf die Empfindung nicht zusätzlich mit Aversion oder Anhaftung reagiert wird:
„Nach und nach werden die Momente des Beobachtens häufiger, und die des
Reagierens seltener. Und selbst wenn wir negativ reagieren, so wird doch die Dauer
und die Intensität der Reaktion abnehmen.“ (Hart, 1996, S. 166).
Die „Dritte Edle Wahrheit” legt dar, dass es einen Weg zur Beendigung des
Kampfes gegen das Leben, und dem aus dieser Abwehr resultierenden Leiden gibt,
dass ein Loslassen und Überwinden der „Drei Wurzelgifte“ möglich ist.
Die „Vierte Edle Wahrheit” expliziert den Weg, auf dem diese Befreiung zu
erlangen ist, und weist auf den sogenannten „Edlen Achtfachen Pfad“ (Allmen, 1997):
Dieser besteht aus drei Bereichen und acht Gliedern:
I.) Weisheit („panna“): rechte Einsicht, rechte Entschlossenheit.
II.) Ethische Integrität („sila“): rechte Rede, rechtes Handeln, rechter Lebensunterhalt.
III.) Meditation („samadhi“): rechtes Bemühen, rechte Achtsamkeit, rechte Versenkung.
Die Anweisung, auf welche Weise genau Achtsamkeit zu üben sei, wurde in
einer zentralen Lehrrede Buddhas, dem sogenannten „Satipatthana Sutta“ aufgezeichnet. Buddha selbst legte nichts schriftlich nieder. Seine Anhänger verfassten
lange nach seinem Tod, als eine mündliche Überlieferung nicht mehr auszureichen
schien, die ersten schriftlichen Sammlungen seiner Lehren. Buddhas Lehrreden
wurden in „Drei Körben“ („Tipitaka“) geordnet: „Korb der Ordensdisziplin“ („Vinaya
Pitaka“), „Korb der Lehrreden“ („Sutta Pitaka“), „Korb der höheren Lehre“ („Abidhamma
Pitaka“). Der Korb der Lehrreden wiederum ist in mehrere Sammlungen („Nikaya“)
unterteilt, wobei sich die „Rede von den Grundlagen der Achtsamkeit“ („Satipatthana
Sutta“) in der „Mittleren Sammlung“ („Majjhima Nikaya“) befindet. Diese Rede wird von
vielen buddhistischen Schulen als besonders heilig und grundlegend verehrt, auch weil
Buddha ihn als (einzigen) Pfad bezeichnet haben soll, der „ausschließlich“ zur
Läuterung führt (Gruber, 1999).
Die „Satipatthana Sutta“ lehrt vier Bereiche, die zum Training der Achtsamkeit
herangezogen werden sollen (Nyanaponika, 1969; Sayadaw, 1990), und auf die als
„Meditationsobjekt“ immer wieder zurückzukehren ist, sobald bemerkt wird, dass die
Aufmerksamkeit abgeschweift ist: den Körper („kaya“), die Empfindungen („vedana“),
den Geist („citta“) und Geistesobjekte („dhamma“). Die Grundlage zur Entfaltung der
Praxis bildet hierbei der Körper („kaya“). Das Gewahrsein der Körperhaltung, der
Körperfunktionen und -bewegungen sowie die Atemachtsamkeit („anapanna sati“, das
27
Theoretische Grundlagen
bewusste Wahrnehmen der Empfindungen beim Aus- und Einatmen), die auch diesem
Bereich zugeordnet wird, bilden die Basis und den Ausgangspunkt der Weiterentwicklung der Achtsamkeit auf die übrigen Bereiche. Sie dienen zudem als
Möglichkeit, das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit immer wieder im Hier und Jetzt
zu verankern. „Anapanna sati“ wird als besonders wichtig angesehen. Die Bewusstwerdung des Atems, der vom Moment der Geburt bis zum Tod ohne Unterbrechung
kommt und geht, wird als ausnehmend nützliches Meditationsobjekt betrachtet, auch in
späteren Phasen der Praxis. Die Reihenfolge der Objekte der Achtsamkeitsschulung
legt auch einen ansteigenden Schwierigkeitsgrad nahe (Goldstein, 2003). Es wird für
Anfänger zunehmend schwieriger, bei der reinen Betrachtung der Empfindungen, des
Geistes und der Geistesobjekte zu verweilen, ohne sich in ihnen zu verlieren oder sich
mit ihnen zu identifizieren.
Die Empfindungen („vedana“), besser als subjektive Gefühlsvalenz (angenehm,
unangenehm, neutral) oder -qualität übersetzt (Buchheld & Walach, 2004), stellen die
zweite Grundlage der Achtsamkeit dar, und sind für diese Arbeit von besonderem
Interesse. Im buddhistischen Verständnis folgt auf jede gefühlsmäßige Valenzbewertung der Wahrnehmungsinhalte gewöhnlich eine konditionierte, automatisch
ablaufende Kette von leidvollen Reaktionen, gezeichnet von Aversion gegenüber den
unangenehmem Empfindungen, Gier nach und Anhaftung an die angenehmen
Empfindungen, sowie Gleichgültigkeit bei Neutralem (Goenka, 2005; Hart, 1996;
Nyanaponika, 1969; Thera, 1972). „Und was verursacht diese Reaktionen? Seine
Beobachtungen auf der tiefsten Ebene der Realität ließen den Siddhattha Gotama
erkennen, dass Reaktionen aufgrund von Unwissenheit erfolgen. Wir sind uns der
Tatsache nicht bewusst, dass wir reagieren, und ebenso wenig sind wir uns der
wirklichen Natur dessen bewusst, worauf wir reagieren. Wir wissen nichts von der
unbeständigen, unpersönlichen Natur unserer Existenz und wissen ebenso wenig,
dass das Hängen an ihr nur Leiden bringt. Da wir unsere wirkliche Natur nicht kennen,
reagieren wir wie mit Blindheit geschlagen, (…) und lassen es dadurch zu, dass sich
die Reaktionen intensivieren.“ (Hart, 1996, S. 63). Nicht-urteilendes, achtsames
Wahrnehmen dieser Vorgänge ermöglicht es, durch einfaches Nicht-Reagieren diese
konditionierten Abläufe abzubauen, sich nicht mit den Empfindungen zu identifizieren,
und ihre eigentliche Natur als vorübergehende Erscheinungen zu erkennen (Goldstein,
2003; Hanh, 1976). „Dies ist die Aufgabe von Meditierenden: Sie müssen ihre eigene
vergängliche Natur verstehen, und zwar durch die Beobachtung der sich ewig
wandelnden Empfindungen in ihrem Innern. Wann immer eine Empfindung auftaucht,
reagieren sie nicht, sondern erlauben ihr, zu entstehen und zu vergehen. So werden
28
Theoretische Grundlagen
die alten Konditionierungen des Geistes an die Oberfläche kommen und sich auflösen.“
(Hart, 1996, S. 145).
Die dritte Grundlage der Achtsamkeit arbeitet mit dem Geist selbst („citta“).
Achtsam sollen alle Geisteszustände, Gedanken etc. wahrgenommen und als solche
erkannt werden.
Die vierte Grundlage der Achtsamkeit bezieht sich auf die sogenannten
Geistesobjekte („dhamma“), also die Wahrnehmungsinhalte des Geistes, die Formen,
die in ihm Auftauchen. Auch hier soll durch absichtsloses, achtsames Schauen deren
wahre Natur erfasst werden. Genauere Details und Einzelheiten stellen Gruber (1999)
und Nyanaponika (1969) dar.
Ziel dieser sukzessiven Beschäftigung mit den vier Grundlagen der Achtsamkeit
ist Einsicht („Vipassana“) in die Natur aller Daseinserscheinungen und des Geistes, die
Achtsamkeitsmeditation wird daher auch als „Vipassana-Meditation“ bezeichnet. Auch
innerhalb der Theravada-Tradition gibt es eine Vielzahl von Schulen, ebenso etliche
Vipassana-Strömungen. Deren Differenzierung nimmt Hans Gruber auf eine äußerst
exakte und umfassende Weise vor, daher wird an dieser Stelle aus Platzgründen auf
sein Überblickswerk „Kursbuch Vipassana“ (1999) verwiesen.
Die buddhistische Psychologie bezeichnet dieses letztendliche Ziel als die
befreiende Erkenntnis, besser Erfahrung der „Drei Daseinsmerkmale“ (Gunaratana,
1993): Vergänglichkeit („annica“), nicht-hinreichende Natur für dauerhafte Befriedigung
oder Leidhaftigkeit („dukkha“) und Nicht-Selbstheit, also Substanzlosigkeit aller
Erscheinungen („anatta“). Vor allem dieses Konzept, das die Abwesenheit eines
konstanten Selbst beinhaltet, ist für westliche Menschen zu Beginn oft mit Schrecken
und Verwirrung verbunden, und führt häufig zu Vermeidungsverhalten im Verlauf der
Meditationspraxis (Kornfield, 1993; Nyanaponika, 1969). Diese drei Qualitäten, die
nach Buddha alle Erscheinungen auszeichnen, werden von uns Menschen im
Alltagsbewusstsein gerne verdrängt, was zum Entstehen der „Wurzelgifte“ Anhaften,
Gier, Aversion führt, und dadurch letztendlich zum Kampf gegen das Leben. Daher soll
durch kontinuierliche Praxis die Natur der Erscheinungen immer umfassender
persönlich erfahren werden, so dass das Leben in Annerkennung dieser Tatsachen
und im Einklang mit ihnen stattfindet. Daraus resultierend erfährt der Praktizierende die
höchste Befreiung und unbedingte Freiheit, die Erleuchtung im Leben (Brazier, 1997).
Diese Methode wird prinzipiell in allen Strömungen des Buddhismus gelehrt (Gruber,
1999), besonderes Gewicht hat ihre umfassende Einübung wie erwähnt in den
Theravada-Schulen, im Zen Buddhismus und in der tibetischen „Shambhala“ Tradition
(Trungpa, 1984, 1987).
29
Theoretische Grundlagen
Diese Lehren stellen sich somit weder als metaphysisch noch als spekulativ
dar, sondern sind eine konkrete Aufforderung zur eigenen, persönlichen Überprüfung
von Überprüfbarem in der eigenen Erfahrung, da rein begriffliches Untersuchen oder
Nachvollziehen dieser Einsichten ungenügend wäre (Allmen, 1997). „Sie offenbaren
sich in dem Maße, wie man sich auf sie ‚einlässt’, indem man sie immer wieder
kontemplativ-meditativ ‚wägt’ und praktisch umsetzt.“ (Gruber, 1999, S. 187).
Zusätzliches Leiden entsteht in dieser Sicht also durch eine Haltung, die im
Gegensatz zur Wirklichkeit steht (Goldstein & Kornfield, 1991). Laut Buddha ist im
gesamten menschlichen Dasein nichts substanziell Konstantes oder Wesenshaftes zu
finden, auch der Geist / das Selbst / die Persönlichkeit / die Seele ist ständig in
Wandlung begriffen, was in den modernen Neuro- und Kognitionswissenschaften
zunehmend bestätigt wird (z.B. Beckermann, 2000; Chalmers, 1996; Hofstadter &
Dennett, 1986; Kaszniak, 1998; Metzinger, 1995, 2003; Roth, 2000). Hier ist jedoch
wichtig, zu sehen, dass Buddha sich stets spekulativen Aussagen oder Diskussionen
verwehrte, die eine endgültige, metaphysische Feststellung zur Seele oder zum Selbst
machen: Seine Aussage von „anatta“ (Nicht-Selbst) bedeutet keine Leugnung der
subjektiven Erfahrung eines Selbst, noch bedeutet es, dass es absolut kein Selbst gibt.
Er wies beide Sichtweisen, nämlich die nihilistische („das Selbst existiert nicht“) als
auch die positivistische („das Selbst existiert“) zurück, und verwies auf die
erfahrungsmäßige Tatsache des konstanten Wandels und der Bedingtheit aller
Phänomene (Gruber, 1999). Laut buddhistischer Lehre (Nyanaponika, 1969) umfassen
folgende sogenannten „Fünf Daseinsgruppen“ („khanda“) unsere gesamte Existenz:
Form; angenehme, unangenehme, neutrale Gefühlsqualitäten oder -valenzen;
Wahrnehmung; mentale und emotionale Aktivitäten; Bewusstsein. All diese Daseinsgruppen sind immerwährendem Wandel, Veränderung und Vergänglichkeit unterworfen und bedingen sich gegenseitig („Was entstanden ist, muss vergehen.“ Buddha
zitiert nach Gruber, 1999, S. 197). Nun ist einem Detail Beachtung zu schenken:
Buddha selbst hat nie gelehrt, dass diese „Fünf Daseinsgruppen“ an sich leidvoll oder
identifiziert mit Leiden sind, sondern dass „in dem Maße, wie sich Durst und Ergreifen
auf die ‚Fünf Aggregate’ (Daseinsgruppen, Anm. d. Verfassers) richten (im unwissenden Wahr-Nehmen derselben als das ‚Ich’, das ‚Mein’ oder ein getrenntes ‚Selbst’),
werden sie zur Quelle all unserer Leiden. So ist auch bloß ein Schluss möglich: Das
Ergreifen des Lebens ist Leiden, nicht das Leben“ (Gruber, 1999, S. 192). Abschließend soll ein längerer Absatz aus dem Buch „Achtsamkeit und Akzeptanz in der
Psychotherapie“ zitiert werden, da er nach Meinung des Verfassers treffend den Kern
der Aussagen integriert: „Die Wurzelursachen des Leidens werden auch als die Drei
30
Theoretische Grundlagen
Inneren Zwänge (kleshas) bezeichnet: die Ignoranz, d.h. die unbewusste oder
bewusste Leugnung der Drei Daseinsmerkmale, das daraus entstehende Anhaften an
Vergänglichem und die Aversion gegen Dinge, die außerhalb unserer direkten
Kontrolle liegen (Allmen, 1997). Unser einziges wahres Leiden besteht demnach in
dem Widerspruch zwischen der Vorstellung eines ‚getrennten, verlässlich-konstanten,
konkret-stabilen und dinghaften Selbst’ (Gruber, 1999, S. 21) und dem ‚Dasein, das auf
allen sechs Sinnesebenen (von Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Herz/Geist) aus
ständig vergehenden, von Moment zu Moment sich wandelnden oder substanzlosen
Eindrücken besteht.’ (ebd.)“ (Buchheld & Walach, 2004, S. 35). Ergriffen durch diese
Einsicht und Befreiung, und der Erfahrung, dass alle fühlenden Wesen danach streben,
Schmerz zu vermindern und Glück zu erlangen, entwickelt man Buddhas Lehre zufolge
unweigerlich bedingungsloses Mitgefühl mit sich selbst und allen anderen fühlenden
Wesen (Kornfield, 1993), was unethisches Verhalten in der Folge zunehmend
unwahrscheinlich macht (Hanh, 2002).
Die Lehre des Buddha ist somit eine überprüfbare, selbst erlebbare Einsicht in
die Existenz, und ein Weg, ihre Bedingungen und Gesetze zu erkennen, zu
akzeptieren, und dadurch (scheinbar) paradoxerweise tiefes Glück, Freude und
Befreiung zu erlangen. Die zu Beginn der Praxis von westlichen Menschen gewöhnlich
noch vehement verteidigte Vorstellung eines festen und abgetrennten Selbst, die im
Abendland eine besonders starke Ausprägung bekommen hat, wird mit zunehmender
Bewusstheit und Einsicht als Illusion und Grund aller Angst erkannt, und mündet
schließlich in die Zerstörung der Einbildung eines dualistischen Getrenntseins vom
Rest des Universums (Gruber, 1999). Das, wovor man die größte Angst hatte, wird in
der Folge zum Grund für das Aufgeben aller Angst. Das Werkzeug auf diesem Weg ist
kultivierte Achtsamkeit.
2.2
Achtsamkeit im universitären und klinischen Kontext
Um das aktuelle Interesse an Achtsamkeit im wissenschaftlichen und angewandten
Kontext zu beleuchten, soll zunächst auf die Rezeptionsgeschichte östlicher
Weisheitslehren und Praktiken im Westen und speziell in der universitären Wissenschaft und im klinischen Bereich eingegangen werden. Ein Überblick über die empirische Meditationsforschung leitet dann hin zu dem zentralen Konzept, das alle
weiteren Entwicklungen und die Achtsamkeitsforschung inspiriert hat: John KabatZinn´s MBSR-Programm (Kabat-Zinn, 1982). Im Anschluss werden die Weiterentwicklungen und Anwendungsbereiche aufgeführt sowie Ergebnisse klinischer Studien
berichtet. Die für diese Arbeit besonders interessante bisherige Erforschung der
31
Theoretische Grundlagen
angenommenen Mechanismen von Achtsamkeit wird dargestellt, und im Zuge dessen
wird ein Ansatz, das Konstrukt Achtsamkeit im wissenschaftlichen Kontext zu
definieren, eingeführt. Diese Hinführung ermöglicht die Einordnung dieser Arbeit in
aktuelle Forschungsperspektiven.
2.2.1 Östliche Weisheitslehren und westliche Wissenschaft
Bereits lange vor der jüngsten Welle des Interesses für östliches Gedankengut war das
westliche Abendland in Kontakt mit östlichen Philosophien gekommen. Durch
Alexander den Großen (365 – 323 v. Chr.), der sein Reich bis nach Nordindien
vergrößert hatte, gelangten über die Seidenstraßen, mit denen Europa mit Indien und
China verbunden wurde, östliche Lehren nach Europa. Plotin (205 – 270 n. Chr.) war
wohl der erste europäische Philosoph, der nach Indien reiste, um die Lehren dort zu
studieren. Seine dadurch stimulierten Überlegungen, die sehr vom hinduistischen Yoga
Sutra beeinflusst wurden, und sich mit Extase, Versenkung und der Erfahrung der
Realität hinter unserem Alltagsbewusstsein beschäftigte, regten später die christlichen
Mystiker wie Johannes vom Kreuz (1995) oder Meister Eckehart (1955) an (Goleman,
1997b; Jäger, 2000; James, 1997).
In der weiteren Philosophiegeschichte wurde buddhistisches Gedankengut von
Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) formuliert (Schopenhauer, 1998). Nach seinen
eigenen Aussagen waren ihm die Parallelen seines Werkes „Die Welt als Wille und
Vorstellung“ und der Lehre Buddhas nicht bewusst, als er es verfasste. Die
frappierenden Ähnlichkeiten führten jedoch ihn und viele Intellektuelle zu der Zeit
erstmalig an den Buddhismus heran, so auch Friedrich Nietzsche (1844 – 1890), der
durch Schopenhauers Lektüre seine Begeisterung für den Buddhismus entdeckte
(Nietzsche, 1980).
Auch der berühmteste amerikanische Psychologe William James (1842 – 1910)
forschte mit großem Interesse über östliche Religionen. Sein Werk „Die Vielfalt
religiöser Erfahrung“ (1997) ist ein Klassiker der Religionspsychologie. Als dann im 20.
Jahrhundert mit dem Aufkommen der positivistischen Naturwissenschaft auch die
Philosophie und vor allem die Psychologie unter deren Einfluss geriet, wurden
Gegenstände wie religiöse Erfahrungen oder Bewusstsein gänzlich von der
Forschungsagenda gestrichen (Feyerabend, 1976; 1980; Kuhn, 1973; Newberg et al.,
2004; Pietschmann, 2005). Das östliche Denken übte in dieser Zeit eher auf Dichter
seine Anziehungskraft aus (Emerson, 2003; Hesse, 2001, 2002; Kerouac, 1971; Pirsig,
1999; Thoreau, 2004; Whitman, 1985). Hermann Hesse löste mit seinen beiden
Büchern in den Sechzigern und Siebzigern einen regelrechten Buddhismus-Boom in
32
Theoretische Grundlagen
den USA und Europa aus. Alan Watts, selbst kein Psychologe sondern ehemals
christlicher Pfarrer aus England, war für eine große Zahl von westlichen interessierten
Psychologen das Sprachrohr des Buddhismus im Westen zu der Zeit. Er emigrierte in
die USA und schrieb dort eine Vielzahl Bücher über die Integration westlicher und
östlicher Weisheit und hielt zahlreiche Vorträge (z.B. Watts, 1963). Ein weiterer
prominenter Vermittler östlicher Inhalte im Westen ist Dr. Richard Alpert, ehemals
Psychologie Professor in Harvard. Er war mit Dr. Timothy Leary befreundet und
erforschte mit ihm die Effekte von LSD. Der nach längeren Aufenthalten in Indien als
„Baba Ram Dass“ („Diener Gottes“) zum Hinduismus Konvertierte publizierte das in
den USA bekannte Werk „Be Here Now, Remember“ (Dass, 1971), in dem er von
seinen spirituellen Praktiken und Erfahrungen berichtet, und wieso er deswegen seine
Universitätskarriere aufgab.
Im Gegensatz zum versiegenden Interesse der Wissenschaft nahm die
Beachtung von östlichen Weisheiten durch klinisch und therapeutisch tätige
Psychologen zu. Allen voran C.G. Jung war exzellent mit dem Bereich der östlichen
Psychologie vertraut (Jung, 1947). Er studierte intensiv sämtliche östlichen Ansätze
und setzte sie stets zur Situation des westlichen Menschen in Beziehung. Von ihm
stammen Vorworte und Kommentare zu wichtigen Übersetzungen von Werken des
Ostens, so z.B. dem chinesischen „I Ging“ („das Buch der Wandlungen“, Wilhelm,
1923) und zum „Tibetanischen Totenbuch“ (Evans-Wentz, 2003), sowie zu Werken von
D. T. Suzuki. Er ist mit seinen Schriften sicher einer der wichtigsten Mittler zwischen
westlicher und östlicher Psychologie. Dabei blieb es nicht aus, dass er bei aller
Faszination und allem Lob der tiefen Weisheit des Ostens den westlichen Suchenden
vor allzu viel Euphorie warnte. Seiner Ansicht nach ist das Denken und die
kulturgeschichtliche Einbettung vieler östlicher Theorien und Praktiken für den hastigen
westlichen Menschen fast unmöglich zu erschließen und richtig nachzuvollziehen. „Ich
sage, wem ich kann: ‚Studieren Sie den Yoga. Sie werden unendlich viel daraus
lernen, aber wenden Sie ihn nicht an, denn wir Europäer sind nicht so beschaffen, dass
wir diese Methoden ohne weiteres richtig anwenden könnten’“ (Jung, 1963, S. 576).
Den Grund dafür sah er in einer höheren Entwicklungsstufe und Reife der uralten
Kulturen und Glaubenssysteme Asiens. Europa war im Vergleich jünger, und weniger
differenziert. Auch gab er zu bedenken, dass die Beschäftigung damit zu einer Flucht
werden könne: „Ihm schien es allzu einfach, in einer Faszination für die exotischen
Formen des Ostens den eigenen Problemen zu entfliehen“ (Goleman, 1997b). Auch
Medard Boss, ein einflussreicher Existentialist und Psychoanalytiker war von der
Geisteswelt Asiens angetan (Boss, 1987). Seine Erfahrungen in Indien lehrten ihn zum
33
Theoretische Grundlagen
einen großen Respekt vor den indischen Weisen, deren Eindruck auf ihn so stark war,
dass er angesichts ihrer Verwirklichung und Erkenntnis die westliche Psychotherapie
und Psychoanalyse als unterlegen betrachtete. Andererseits beeindruckten ihn
Europäer, die sich dort zur Meditation als Nonne oder Mönch ordinieren ließen, wenig.
Er attestierte ihnen eine mit asiatischen Weisheitsformeln aufgeblähte „Ichhaftigkeit“,
sowie dass sie ausnahmslos vor der weiteren Beschäftigung mit Verwirklichungslehren
von einer Psychoanalyse profitieren würden (Boss, 1987).
Die im Westen sich weiter ausdifferenzierenden Psychotherapien nahmen im
Verlauf dieser ersten Begegnungen immer öfter Anleihen aus dem asiatischen
Gedankengut. Vor allem die neben dem Behaviorismus und der Psychoanalyse
entstehende „dritte Kraft“ der ganzheitlichen und humanistischen Psychotherapien fand
im Osten Inspiration für ein neues Welt- und Menschenbild (Kriz, 2001). Allen voran
Erich Fromm (Fromm, 1976; Fromm, Suzuki & de Martino, 1974), Abraham Maslow
(1969, 1985) und Carl Rogers (1973) räumten spirituellen Erfahrungen, von ihnen
„Gipfel-, Grenz- oder Plateauerfahrungen“ genannt, einen wichtigen Raum in ihren
Persönlichkeitstheorien und Therapiesystemen ein. In der in den USA sich ausbreitenden Gestalttherapie von Fritz Perls finden sich Anleihen aus den asiatischen Lehren,
es wird sehr viel Wert auf das Hier und Jetzt gelegt, dazu kommen auch meditative
Techniken zum Einsatz (Perls, 1973). Dasselbe gilt für die Entwicklungen von Victor
Frankl, der in seiner Logotherapie die Notwendigkeit eines spirituellen Sinns betont
(Frankl, 1987), sowie für Irvin D. Yalom, der in seinem Klassiker „Existentielle
Psychotherapie“ (1989) beschreibt, dass auch dort östliche Lehren aufgegriffen
werden. Ebenfalls die in Italien entstehende Psychosynthese nach Roberto Assagioli
(1993) weist spirituellen Erlebnissen und Praktiken im Verlauf der Heilung psychosomatischer Erkrankungen einen festen Platz zu. Stanislav Grof, der die Verwendung
von LSD in der Psychotherapie in den USA eingeführt hatte, bespricht in seiner
sogenannten „Holotropen Therapie“ die Relevanz von östlichen Bewusstseinstechniken für die persönliche Entwicklung (Grof, 2004). In Deutschland wurde in dieser
Hinsicht vor allem die so genannte „Initiatische Therapie“ nach Karlfried Graf von
Dürckheim bekannt (Dürckheim, 1973). Auch Hugo M. Enomiya-Lasalle, ein Jesuit und
Zen-Lehrer, machte sich in Deutschland um den Buddhismus verdient durch seine
Verbindung von Zen und Christentum, die viele Menschen anspricht (Baatz, 2004).
Die in den sechziger Jahren in der akademischen Psychologie stattfindende
„Kognitive Wende“ (siehe dazu Gardner, 1992, 1999a, 1999b), die das Dogma des
Behaviorismus brach, führte zu einer ersten vorsichtigen Öffnung gegenüber Themen
wie Gefühle, Gedanken, subjektive Erfahrung, die zuvor nicht als Gegenstand der
34
Theoretische Grundlagen
Psychologie erachtet wurden. Diese zunehmende Hinwendung zur subjektiven
Erfahrung (Hayward, 1990; Varela, Thompson, & Rosch, 1991), als auch das immer
größer werdende Interesse an östlichem Gedankengut in den Psychotherapien,
bewirkte im weiteren Verlauf einen Umschwung der Haltung auch im wissenschaftlichen und universitären Bereich. Das Interesse an Meditation, an Spirituellem
und Religiösem, an veränderten Bewusstseinszuständen und mystischen Erfahrungen
sollte nunmehr wieder offiziell zum Gegenstandsbereich der wissenschaftlichen
Psychologie gehören, da diese Phänomene zu allen Zeiten und in allen Kulturen einen
zentralen Platz eingenommen hatten (Huxley, 1987). So forderten immer mehr
Wissenschaftler, die selbst in dem Bereich Erfahrung hatten (Capra, 1975, 1988;
Welwood, 2000), einen Paradigmenwechsel heraus, der schließlich in der Begründung
der „Transpersonalen Psychologie“ als „vierter Kraft“ neben Behaviorismus, Psychoanalyse und Humanistischer Psychologie gipfelte (Murphy, 1994; Quekelberghe, 2005;
Walsh & Vaughan, 1985; Wilber, 2000; Wilber, Engler & Brown, 1988). Charles T. Tart
hat diese Entwicklung maßgeblich mit seinen Werken forciert und angeführt (z.B. Tart,
1972, 1975, 1988). Daneben ist auch der bekannte Amerikaner Ken Wilber zu nennen,
der mit vielen wegweisenden Publikationen für die Integration aller Ebenen und
Strömungen der Psychologie eintritt (Wilber, 1991, 1995, 2000a, 2000b). Auch in
Deutschland hat die transpersonale Psychologie fußgefasst, und konkrete Forschung
angeregt (z.B. Belschner, 2000; Buchheld, 2000; Heidenreich, Ströhle & Michalak,
2006; Majumdar, 2000; Piron, 2003; Vaitl, Birbaumer, Gruzelier et al., 2005; Walach,
Buchheld, Buttenmüller, Kleinknecht & Schmidt, 2003).
Ebenfalls aus den USA kommend, hat sich eine weitere Strömung innerhalb der
akademischen Psychologie gebildet, „Positive Psychologie“ genannt (Kahneman,
Diener & Schwarz, 1999; Seligman & Csikszentmihalyi, 2000). Deren Hauptaugenmerk
liegt auf der Erforschung von positiven Gefühlszuständen wie Glück, Zufriedenheit,
Erfüllung sowie deren Entstehung, Mechanismen und aufrechterhaltende Bedingungen. Es war damit ein Programm gestartet, das den Ausgleich schaffen sollte zu den
bis dahin eher auf die dysfunktionalen, neurotischen oder pathologischen Aspekte der
menschlichen Psyche fixierten Schulen innerhalb der Psychologie. Diese Öffnung des
„offiziell erlaubten“ Interesses in der akademischen Psychologie hin zu Forschungsgegenständen wie Extase, Glück, innerem Frieden, Mitgefühl kam auch der Meditationsforschung zugute, die zuletzt durch die Renaissance der Achtsamkeitsmeditation
und daraus entwickelter westlicher Therapieprogramme einen starken Zuwachs an
Aktivität und Publikationen verbucht (Hamilton, Kitzman, & Guyotte, 2006).
35
Theoretische Grundlagen
2.2.2 Kritische Überlegungen zur Meditationspraxis
„The way through the world is more difficult to find than the way beyond it.“
Wallace Stevens
„Much of what is called ‚meditation’ is actually an unconscious removal from the
complexity and messiness of life. The way medtiation is usually practiced anesthetizes
our pain. But when meditation removes us from the actuality of our experience (…)
then it is a sedative, not a midwife to our transformation. (…) The hidden agenda of
getting rid of what one experiences undermines the attempt to examine whatever one
experiences with nonjudgemental awareness. (…) Detaching from experience also
results renouncing vital aspets of ourselves such as passion and intense emotions
which is devitalizing and self-impoverishing. A ‘good’ meditation is not when the mind is
devoid of thoughts and serene, but when one is attentative to whatever thoughts (or
feelings or fantasies) one is experiencing, whether they lead to suffering or serenity”
(Rubin, 2001, S. 122-127).
Die weite Verbreitung und Anwendung der Meditation im Westen sowie das
steigende Interesse an östlichen Weisheitslehren bewirkten neben den oben (2.2.1)
geschilderten ersten mahnenden Stimmen von C.G. Jung und Medard Boss auch das
Einsetzen einer kritisch-sachlichen Reflektion, einerseits der forschenden Wissenschaftler selbst (Scharfetter, 1997; Rubin, 2001; Walach, 2000; Wilber, Ecker &
Anthony, 1995), als auch öffentlicher Kreise (Niebel & Hanewinkel, 1997; Schraut,
2002). Es wurde zunehmend thematisiert, dass die Hinwendung zu transpersonalen
Thematiken als auch die Praxis meditativer Techniken durchaus auch missbräuchlichen Charakter annehmen kann, je nach zugrunde liegender Motivation.
Ein herausgearbeiteter Schwerpunkt ist der missbräuchliche Einsatz von
Meditation zur Abstumpfung der Empfindungen und Erzeugung einer gleichsam
weltentrückten Immunität und Gleichgültigkeit unter dem Etikett des Nicht-Anhaftens
(Rubin, 2001). Ein falsch verstandenes Bild von Meditation als dazu dienlich, mag vor
allem auf Menschen mit emotionalen Problemen und Vermeidungsverhalten anziehend
wirken, die mit Nicht-Anhaften betiteln, was man eigentlich als psychodynamische
Abwehrmechanismen (Dissoziation oder Repression, Mentzos, 2000) gegen unliebsame Anteile der eigenen Person bzw. unerträgliche Gedanken oder Erfahrungen
bezeichnen muss (sehr gut dargestellt in Wilber, Ecker und Anthony, 1995, S. 217). Da
Meditation technisch gesehen durchaus in der Lage ist, dazu umgeformt und
angewendet zu werden (Rubin, 2001; Scharfetter, 1997), ist es von großer Relevanz,
auf die Gefahren, die aus einem derartigen Missbrauch resultieren, hinzuweisen
36
Theoretische Grundlagen
(Epstein, 1990, Fiedler, 2001; Riemann, 1975). Ein bewusstes Abstumpfen der
emotionalen Empfindsamkeit, um leidfrei zu leben, führt langfristig zu allen möglichen
psychopathologischen Entwicklungen (Rubin, 2001), wie an den psychodiagnostischen
Kriterien nachzuvollziehen ist (z.B. die „Alexithymie“; siehe Dilling, Mombour, &
Schmidt, 2004; Saß et al., 2003).
Ein weiteres Thema ist das Problem der Autoritätsgläubigkeit und Abhängigkeit,
sowie infolgedessen der Aufgabe der eigenen kritischen Verstandestätigkeit, die sich in
vielen dokumentierten Fällen in Guru-Schüler Verhältnissen abspielte. Das fundierte
Werk „Meister, Gurus, Menschenfänger. Über die Integrität spiritueller Wege.“ setzt
sich erstmalig, vom wissenschaftlichen Standpunkt kommend, ausführlich damit
auseinander (Wilber, Ecker & Anthony, 1995).
Ähnlich der erwähnten Kritik von Medard Boss (2.1.1) stellt sich bei westlichen
Menschen, die sich euphorisch östlichen Praktiken und Ideen hingeben, das große
Problem eines pathologischen Narzissmus (Röhr, 2005) als möglicher dahinter
liegender Triebkraft (Wilber, Ecker & Anthony, 1995). Harald Walach hat sich dieser
unangenehmen, lange tabuisierten Thematik in einem Artikel angenommen, in dem er
den Narzissmus auch als „Schatten der Transpersonalen Psychologie“ bezeichnet
(Walach, 2000). Pathologischer Narzissmus, also die übermäßige Erhöhung des
eigenen Selbst, die Betonung der eigenen Besonderheit sowie die Abwertung der
Anderen, lässt sich, als Kompensationsmechanismus verstanden, beobachten bei
Menschen mit stark schwankendem und geringem Selbstwertgefühl (Lowen, 1984).
Die beiden herausragenden Kliniker und Theoretiker auf diesem Gebiet, die
Psychoanalytiker Kernberg und Kohut beschreiben dieses in den westlichen Industrienationen immer stärker verbreitete Persönlichkeitsmuster, das auch zum klinisch
relevanten Bild einer Persönlichkeitsstörung werden kann, ausführlich in ihren Werken
(Kernberg, 1996; Kohut, 1981, 2000; siehe dazu auch aus buddhistischer Sicht
Falkenström, 2003). Zugrunde liegend ist die Annahme eines fragmentierten, also
schwachen und verletzlichen Selbst, das aufgrund entwicklungsbedingter Versagungen
in der Kindheit bestimmte Arten der Zuwendung (Bewunderung, Lob, Empathie, Liebe,
aber auch Kritik, Grenzen und Realitätsbezug) entbehren musste, und so die
Ausreifung zu einem stabilen und sicheren Selbst nicht abschließen konnte (siehe
auch Fonagy, Gergely, Jurist & Target, 2004; Fonagy & Target, 2006). Menschen mit
derartigen intrapsychischen Strukturen könnten sich verstärkt von östlichen Lehren und
Praktiken angezogen fühlen, um damit ihren Selbstwert zu erhöhen und sich von
anderen, „Normalen“, abzugrenzen (Walach, 2000). Da diese Motivation jeglichen
östlichen Weisheitslehren jedoch gänzlich zuwider läuft, deren Intention in einer
37
Theoretische Grundlagen
Auflösung der Selbstillusion und des Egoismus gipfelt, besteht hier eine starke,
sozusagen unsichtbare Kluft zwischen der Intention der Schüler und der Intention der
Lehre (die sich dem Bewusstsein der so Praktizierenden durchaus entziehen kann).
Nach Walach (2000) und Wilber, Ecker und Anthony (1995) ist die nunmehr
allgemein vertretene Ansicht im Bereich der Transpersonalen Psychologie und
Therapie, dass nur der Mensch sich der Aufgabe der Transzendierung des Selbst
widmen sollte, der bereits ein festes und starkes Selbst entwickelt hat. Diese auf den
ersten Blick paradoxe Aussage beinhaltet jedoch die Sorge um das Wohl derjenigen
Praktizierenden, deren Selbst den in der Meditation erlebten Erfahrungen überhaupt
nicht gewachsen wäre (Epstein, 1990), bzw. deren Praxis sich aus irriger Motivation
und falschem Verständnis heraus auf Jahre in eine unheilsame Richtung entwickeln
würde. Zur vertiefenden Lektüre wird auf Wilber, Ecker und Anthony (1995) verwiesen,
die alle oben umrissenen Aspekte umfassend behandeln. Die „Melbourne Academic
Mindfulness Interest Group“ (2006) und Hayes und Feldmann (2004) verweisen in
ihren Artikel ausführlich auf mögliche aversive Konsequenzen von fortschreitender
Achtsamkeitsmeditationspraxis und auf möglicherweise auftauchende unangenehme
Erfahrungen, auf die es als Lehrer kompetent und psychologisch geschult zu reagieren
gilt. Diese möglichen Erlebnisse gründen nach Ansicht der Autoren, und der von ihnen
gesichteten buddhistischen Literatur zur Achtsamkeit, größtenteils in der notwendigen
Bewusstwerdung tiefsitzender verdrängter Gefühle, deren Konfrontation äußerst
schmerzhaft sein kann. Diese bekannte Phase der Meditationspraxis, in der
buddhistischen Literatur als „heightened neurosis“ bezeichnet (Hayes & Feldman
(2004), ist jedoch als notwendiger Übergang in einen neuen Zustand der höheren
Ordnung und Stabilität anzusehen, auf den jedoch mit Umsicht und Kompetenz zu
reagieren ist, und der nur entsprechend stabilen Praktizierenden zugemutet werden
sollte (Hayes & Feldman, 2004).
2.2.3 Wissenschaftliche Meditationsforschung
Die empirische Erforschung der Meditation (in ihren vielfältigen Formen, siehe
Carrington, 1998; Engel, 1999; Fontana, 1994) ist auf dem Hintergrund der berichteten
Entwicklung der akademischen Atmosphäre zu betrachten. Trotz dieser vielen
Hindernisse weisen umfassende internationale Bibliographien, deren bekannteste wohl
von Murphy und Donovan (1997) erstellt wurde, mittlerweile über tausend
wissenschaftliche Veröffentlichungen auf. Die beiden Autoren zeichnen präzise die
Geschichte der wissenschaftlichen Erforschung der psychologischen und physiologischen Auswirkungen und Prozesse der Meditation nach, daher wird für eine
38
Theoretische Grundlagen
detaillierte Schilderung auf deren Arbeit verwiesen. Da hier vor allem die Untersuchung
der Achtsamkeitspraktiken von Relevanz ist, wird auf die übrigen Inhalte nur kurz
eingegangen.
Wie man an der großen Zahl der Untersuchungen sieht, hat mangelnde
Beachtung oder Anerkennung im akademischen Rahmen die Interessierten nicht daran
gehindert, ausgiebig zu forschen. Nach Murphy und Donovan (1997) führte jedoch die
fehlende Reflektion der Ergebnisse in einer breiteren akademischen Öffentlichkeit zu
einer Vielzahl von methodisch unzureichenden Studien und Einzelfalluntersuchungen,
die eher explorativen Charakter aufweisen. Die Meditationsforschung lässt sich mit Ott
(2000) und Murphy und Donovan (1997) zeitlich betrachtet in mehrere Phasen
gliedern:
Die Frühphase (30er Jahre bis in die 60er Jahre): Begeisterte Forscher suchen
vor allem vor Ort in Indien erfahrene Gurus und Yogis, deren Praktiken im Hinduismus
wurzeln, sowie Zen-Mönche in Japan auf, und fertigen über deren Fähigkeiten
Einzelstudien sowie erste physiologische Untersuchungen an. Hier werden teils
sagenhafte Fähigkeiten an den Praktizierenden beschrieben, die Studien sind jedoch
oftmals methodisch kritisierbar und die Ergebnisse widersprüchlich.
Die zweite Phase oder Blütezeit der Meditationsforschung (70er Jahre): Im
Gefolge der Anhängerschaft der Beatles wird eine für den Westen aufbereitete Form
der Mantra-Meditation, die in der hinduistischen Yoga-Tradition wurzelt, die
„Transzendentale Meditation™“ (TM™) unter den Jugendlichen und Studenten in den
USA populär. Vom Inder Maharishi Mahesh Yogi speziell auf den Westen
zugeschnitten, wird diese Form der Meditation, bei der man ein Mantra, also eine Silbe
fortlaufend im Geiste wiederholt, richtiggehend über eine Organisation vermarktet, mit
speziellen Kursen, Einführungsritualen und zertifizierten Einweisern. Die starke
Verbreitung, auch „TM-Welle“, und die dadurch in großer Anzahl zur Verfügung
stehenden Praktizierenden begünstigten die rege Forschungsaktivität.
Die Konsolidierungsphase (80er Jahre): Aufgrund der kritisierten methodischen
Mängel (für Details siehe Ott, 2000) wurden neuere Studien mit verbesserten Designs
durchgeführt, es setzte eine Sichtung der bisherigen Ergebnisse in Sammelbänden ein
(z.B. Carrington, 1998; Naranjo & Ornstein, 1976; West, 1987) sowie eine kritische
Reflektion der Befunde, die jedoch trotz allem beachtlich sind: In nahezu allen
psychologischen
und
physiologischen
Domänen
finden
sich
Unterschiede,
Verbesserungen oder ungewöhnliche Effekte, deren Auflistung zu lange wäre: Murphy
und Donovan (1997) stellen die unüberschaubaren Forschungsergebnisse in einen
übersichtlichen systematischen Zusammenhang. Von den 80er Jahren an bis heute
39
Theoretische Grundlagen
beginnt auch eine Verlagerung des Interesses von der TM hin zu buddhistischen
Meditationstechniken: Die TM-Organisation gerät teilweise gesellschaftlich unter Druck,
da ihre Verbreitungsmethoden manchen fragwürdig erscheinen. Insgesamt hinterlässt
die TM-Forschung einen eher gemischten Eindruck in der Forschungsgemeinschaft
und Öffentlichkeit. Viele TM-Studien wurden nach und nach auch von der von
Maharishi gegründeten „Universität“, genannt „Maharishi International School of
Management“, finanziert (Murphy und Donovan, 1997), und können demgemäß wohl
eine Kritik ihres Vorgehens als interessengeleitet nicht gänzlich widerlegen.
Die von vielen westlichen Schülern (Gruber, 1999) in Südostasien studierte und
in die USA gebrachte Achtsamkeitsmeditation rückt in einer letzten Welle seit den
1980er Jahren zunehmend ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. Wieder war
das Interesse der Psychotherapie zu Beginn Schrittmacher der Forschung. Es wurde
zunächst
die
erstaunliche
Ähnlichkeit
des
Achtsamkeitskonzeptes
mit
den
Ausführungen Sigmund Freud´s zur idealen Haltung des Therapeuten und der
gewünschten Aufmerksamkeitslenkung des Patienten herausgestellt (siehe Brown und
Ryan, 2004), einige der ersten wissenschaftlichen Arbeiten hatten somit einen
psychoanalytischen Hintergrund (Carrington & Ephron, 1975; Emavardhana & Tori,
1997; Fromm, Suzuki & Martino, 1974; Kahn, 1985; Kutz, Borysenko & Benson, 1985;
Kutz et al., 1985; siehe auch Epstein, 1990, 1996; Michal, 2006; Molino, 1999). Michael
S. Christopher (2003) wiederum betont in seinem Artikel „Albert Ellis and the Buddha:
Rational Soul Mates? (…)“ die Parallelen der Rational-Emotiven Therapie nach Albert
Ellis und der Achtsamkeitstradition des Zen-Buddhismus. Martin (1997) plädierte sogar
für eine Sicht auf Achtsamkeit als das verbindende Konzept aller psychotherapeutischen Richtungen.
Da die westlichen Schüler, die in Asien Einweisungen in die buddhistische
Achtsamkeitsmeditation bekamen, teilweise bereits etablierte Wissenschaftler oder
Therapeuten waren, nahm die Achtsamkeit sozusagen eine Abkürzung in die
wissenschaftliche Welt (beispielsweise Austin, 2001, 2006; Ekman et al., 2005;
Davidson, 2002; Goleman, 1997b; Kornfield, 1993; Varela, 1998; Wallace, 1999, 2003;
Wallace & Hode, 2007). Methode und Ziel der Achtsamkeit scheinen einer Adaption in
ein westliches Umfeld, evtl. sogar ohne Rückgriff auf spirituelle Konzepte, eher gemäß
(Hayes, 2002). Die Pionierarbeit von John Kabat-Zinn vom Medical Center der
Universität von Massachusetts ist hierfür ohne Bespiel (Kabat-Zinn, 1982, 1998, 2003).
Er verbrachte selbst längere Zeit in Asien, um Vipassana, Zen und Hatha-Yoga zu
studieren, und entwickelte auf der Basis seiner eigenen Erfahrungen das „MindfulnessBased-Stress-Reduction“ Programm („MBSR“), das im Zentrum des Booms bei der
40
Theoretische Grundlagen
Erforschung der Achtsamkeitsmeditation steht (Heidenreich & Michalak, 2003). Das
Programm selbst, sowie Forschungsergebnisse dazu, bzw. zu seinen Weiterentwicklungen, werden im Folgenden unter 2.2.4 und 2.2.5 genauer besprochen.
Gleichzeitig entsteht seit den 1980er Jahren ein beispielloses Projekt, das eine
Ära des Austausches und der Zusammenarbeit, der Ideenfindung, der gegenseitigen
Befruchtung und konkreten Forschungspraxis zwischen Buddhismus und westlicher
Philosophie, Psychologie und den Neurowissenschaften einläutet. Das „Mind-And-Life“
Institut (www.mindandlife.org) organisiert regelmäßige Zusammenkünfte des Dalai
Lama und ausgewählter buddhistischer Gelehrter mit den Koryphäen der internationalen Neuro-, Kognitions- und Emotionsforschung in Indien und den USA. Daniel
Goleman, der das Projekt von Anfang an begleitet, hat die Geschichte der Treffen in
dem Werk „Dialog mit dem Dalai Lama – Wie wir destruktive Emotionen überwinden
können“ (2005) skizziert. Zu jedem der Treffen ist ein Buch erschienen, das die
Diskussionen und Ergebnisse zusammenfasst, bzw. die Gespräche protokolliert
(Goleman, 2005). Auch von Seiten der buddhistischen Gesprächspartner gibt es dazu
Veröffentlichungen (z.B. Dalai Lama XIV., 2005; Revel, & Ricard, 2000). Daniel
Goleman und Richard Davidson (siehe Davidson, 2004), beide Experten auf dem
Gebiet der Emotionsforschung und international renommierte Wissenschaftler, haben,
teilweise gemeinsam mit John Kabat-Zinn, aus der Zusammenarbeit Forschungsprojekte entwickelt, welche die Achtsamkeitsmeditation in einem neurowissenschaftlichen Sinn als kognitives und emotionales Training verstehen, und in diesem Rahmen
mit den neuesten wissenschaftlichen Instrumenten und auf höchstem methodischen
Niveau erforschen (z.B. das Projekt „Cultivating Emotional Balance“ an der University
of San Francisco, siehe www.mindandlife.org, oder Davidson, Kabat-Zinn, Schumacher
et al., 2003; Lutz, Greischar, Rawlings, Ricard & Davidson, 2004). Vor allem die Frage
nach dem Umgang mit destruktiven Emotionen und der Entwicklung von Mitgefühl,
Themen, derer sich die buddhistische Lehre und die Achtsamkeitsmeditation ganz
besonders angenommen haben, wird als viel versprechendes und relevantes
Forschungsfeld der Zukunft begriffen (Goleman, 2005). Eine kürzlich erschienene
Arbeit fasst die bisherigen Ergebnisse der neueren (und methodisch hochwertigen)
Meditationsforschung zusammen: „Meditation states and traits: EEG, ERP, and
neuroimaging studies“ (Cahn & Polich, 2006; siehe auch Baerentsen, Hartvig,
StokildeJorgensen & Mammen, 2001). Zusammen mit den Überlegungen und
Befunden von Newberg und Iversen (2003) zu den Vorgängen im Bereich der
Neurotransmitter und der Neurochemie liegt damit ein ausdifferenziertes Bild der
empirischen Ergebnisse der neueren Meditationsforschung vor.
41
Theoretische Grundlagen
2.2.4 Das MBSR-Programm von John Kabat-Zinn
Der wichtigste stimulierende Einfluss auf die wissenschaftliche Untersuchung der
Achtsamkeitsmeditation ging von John Kabat-Zinn´s MBSR-Programm aus. KabatZinn, Professor am Medical Center der Universität von Massachusetts, war in Gesprächen mit Kollegen immer wieder mit der Sorge um chronische und untherapierbare
Krankheitsverläufe bei Schmerzpatienten konfrontiert. Da er aufgrund seiner AsienErfahrung hier einen möglichen Angriffspunkt der Achtsamkeit vermutete, initiierte er
ein
Programm,
das
Achtsamkeitspraktiken
und
auf
Hatha-Yoga
beruhende
Körperübungen beinhaltete, und als Zusatz zur üblichen medizinischen Behandlung
gedacht war (Kabat-Zinn, 1982). Achtsamkeitspraxis im Rahmen von MBSR wird
(ähnlich wie in 2.1.1 und 2.1.2 über Vipassana ausgeführt) ausdrücklich nicht
verstanden als Entspannungsverfahren (siehe dazu Vaitl & Petermann, 2004), oder
Verfahren um Stress zu vermeiden, was auch durch EEG-Studien, die unterschiedliche
Aktivierungsmuster bei Entspannung, Konzentration und Achtsamkeit zeigen, gestützt
wird (Dunn, Hartigan & Mikulas, 1999). Wie oben für die buddhistische VipassanaMeditation ausgeführt (2.1.1), ist auch MBSR keine „(…) Technik, die man anwendet,
um damit etwas Unangenehmes zu vermeiden oder nicht gewollte Zustände, Gefühle
oder Schmerzen zu reduzieren oder gar ganz auszuschalten, sondern ein Lebensstil,
bei dem es darum geht, den gegenwärtigen Augenblick mit all seinen Facetten,
unangenehmen sowie angenehmen, so zu erleben, wie er gerade ist. Paradoxerweise
reduzieren sich durch das nicht wertende Wahrnehmen dessen, was im Moment
geschieht und erlebt wird häufig Schmerzen, schwierige Gefühle oder andere
Probleme“ (Meibert, Michalak & Heidenreich, 2006, S. 178). Dies führt auch hin zum
bedeutendsten Unterschied zwischen achtsamkeitsbasierten Interventionen und
herkömmlichen Psychotherapien, vor allem kognitiven Verhaltenstherapien: Achtsamkeit zielt darauf ab, kognitive Prozesse an sich zu ändern, so z.B. die Haltung und den
Umgang mit dem Inhalt der subjektiven Erfahrung. Psychotherapie hingegen versucht
meist, dysfunktionale Inhalte zu ändern (Roemer & Orsillo, 2003). Die Integration
dieser beiden Ansätze ist nach Baer (2003), Hayes, Follette & Linehan (2004) sowie
Lau und McMain (2005) einer der Brennpunkte in den momentanen Diskussionen über
Psychotherapie.
Der Kurs erstreckt sich über 8 Wochen, jede Woche trifft sich die MBSRGruppe einmal für 2½ h, am Ende des Kurses wird zur Vertiefung der Praxis einmal
ganztägig in Stille meditiert. Zentrale Elemente im MBSR-Programm sind achtsame
Körperwahrnehmung („Body-Scan“), ein Element, das Kabat-Zinn direkt aus der
Vipassana-Schule nach S.N. Goenka (Hart, 1996) entliehen hat und die klassische
42
Theoretische Grundlagen
Sitzmeditation (siehe Nyanaponika, 1969). Immer wieder wird betont, wie wichtig es ist,
diese formellen Methoden und die daraus erlernte Achtsamkeit im Alltag zu
praktizieren und so viele Routinehandlungen wie möglich in dieser Haltung durchzuführen. Es werden dementsprechend vielfältige Hausaufgaben aufgegeben, die Teilnehmer sind zudem angehalten, jeden Tag selbstständig bis zu eine Stunde lang zu
meditieren. Im gesamten Kurs wird nicht explizit auf religiöse Inhalte eingegangen,
wenngleich der buddhistische Hintergrund zu Beginn des Kurses durchaus betont wird
(Kabat-Zinn, 2003). Den Teilnehmern wird nahe gelegt, die erlernte Achtsamkeit in
ihren gesamten Lebensstil einfließen zu lassen.
In den USA und Europa wird MBSR an mehr als 240 Kliniken angeboten
(Bishop, 2002). 64 Studien wurden zur Untersuchung der erzielten klinischen
Verbesserungen durch die MBSR-Intervention bereits in den USA durchgeführt (Stand
2003, siehe Grossmann et al., 2003). Die erwähnten Übersichtsartikel (Baer, 2003;
Bishop, 2002; Grossmann et al., 2003) ziehen davon die 20 methodisch besten zur
Analyse der Effekte heran und kommen zu optimistischen Bewertungen der
Forschungsergebnisse (siehe 2.2.5). In Deutschland dauert dieser Prozess noch an –
nach einem ersten theoretischen Überblicksartikel (Heidenreich & Michalak, 2003) und
einer ersten Evaluation von MBSR bei deutschen Patienten (Majumdar, Grossman,
Dietz-Waschkowski, Kersig & Walach, 2002) in Freiburg, konnte sich bisher nur das
Klinikum Essen-Mitte dazu entscheiden, MBSR in die teilstationäre Behandlung zu
integrieren. Seit 2002 wird in Deutschland auch eine von Kabat-Zinn autorisierte
Ausbildung zum MBSR-Trainer angeboten. Es ist nach Kabat-Zinn´s Ansicht von
entscheidender Bedeutung, dass der Kursleiter selbst über mehrjährige Meditationsund Achtsamkeitspraxis verfügt, um das Konzept richtig vermitteln zu können.
Das Lehren wie auch das Lernen der Achtsamkeitsmeditation erfordert also
einiges an Bemühen und Ausdauer. Er warten Hindernisse, die den Praktizierenden,
der sie nicht reflektiert, leicht und hartnäckig von der Praxis abbringen können
(Meibert, Michalak & Heidenreich, 2006). Die innere Haltung des Meditierenden im
MBSR-Programm ist daher nach Meibert, Michalak und Heidenreich (2006) von
entscheidender Bedeutung. Folgende Eigenschaften sollen im Laufe des Kurses
während der Übungen entwickelt werden: Nicht-Beurteilung, Geduld, „den Geist des
Anfängers bewahren“, Vertrauen, Nicht-Greifen, Akzeptanz, Loslassen.
Nicht-Beurteilung: Das automatische, reflexhafte klassifizieren von Erlebnissen,
auf das wir dann dementsprechend reagieren, soll bewusst gemacht werden. Zunächst
ist das Beurteilen ein normaler Prozess, der jedoch, läuft er unablässig und unbewusst
ab, zu Problemen und Leid führen kann (Shapiro & Schwartz, 1999). Ziel ist also
43
Theoretische Grundlagen
zunächst die Bewusstwerdung der unablässig stattfindenden Be- und Verurteilungen
im Geist. Im weiteren Verlauf wird versucht, die Erlebnisse nicht wertend
wahrzunehmen, um ein weiteres Reagieren zu vermindern.
Geduld: Vor allem bei der Meditation ist diese nach Kabat-Zinn (1996) sehr
hilfreich. Anfängliche Schwierigkeiten können nur überwunden werden, wenn dem
Praktizierenden klar wird, dass alles seinen eigenen Rhythmus besitzt und seine
eigene Zeit braucht, um sich zu entwickeln. Vor allem in der Meditation kann nichts
erzwungen werden.
„Den Geist des Anfängers bewahren“: Mit dem Buch „Zen Geist – Anfänger
Geist“ von Suzuki (1975) meint „Anfänger Geist“ die Fähigkeit, eine offene geistige
Einstellung beizubehalten. Die Menschen und Ereignisse um sich herum nicht durch
Klischees und vorgefertigte Meinungen hindurch wahrzunehmen. „Anfänger Geist“
bedeutet letztendlich den Versuch, alles um sich herum so zu sehen, als wäre es das
erste Mal. Dies gelingt durch die Schulung der Achtsamkeit, in der man erkennt, dass
es tatsächlich kein zweites Mal gibt, in dem man dasselbe Ding oder denselben
Menschen erblickt, da sich alles kontinuierlich wandelt.
Vertrauen: In Momenten, die sicher auf jeden Praktizierenden zukommen, in
denen es kein Vorankommen zu geben scheint, ist es nach Kabat-Zinn (1996) wichtig,
durchzuhalten und Vertrauen in die Praxis zu haben. Auch wenn der Erfolg scheinbar
ausbleibt, oder jede Anstrengung plötzlich sinnlos scheint, gilt es durch vorher bewusst
gesammeltes Vertrauen, dabei zu bleiben, evtl. über solche Gedanken zu meditieren
und sie als notwendige Phase zu akzeptieren.
Nicht-Greifen: Jeder, der mit der Meditation beginnt, hat seine eigenen Ziele
und Motive, bestimmte Erwartungen und Bestrebungen. Nun ist dies zwar verständlich,
da MBSR gerade ja zur Unterstützung von chronischen und schweren Krankheiten
angeboten wurde, dennoch ist es wichtig zu dieser Jagd nach einem bestimmten Ziel
eine gänzlich andere Haltung einzuüben. Paradoxerweise bewirkt Meditation nur dann
etwas, wenn man es schafft, sie absichtslos auszuüben (Kabat-Zinn, 2003). Diese
Tendenz, die sich im Alltag immer wieder manifestiert, nach Dingen oder Erfahrungen
zu greifen, sie an sich binden zu wollen, zu kontrollieren, ist für die Meditation äußerst
hinderlich. Um eine Haltung des Nicht-Greifens zu entwickeln, auch im Hinblick auf ein
angestrebtes Meditationsergebnis, gilt es in der Meditation solche Regungen einfach
zu erkennen und vorüberziehen zu lassen. Es gilt, die Erfahrungen so zu sehen, wie
sie wirklich sind, nicht wie man sie sich vorstellt.
Akzeptanz: Akzeptanz bedeutet, alle Aspekte seiner Selbst und des Erlebens
zunächst anzunehmen, wie sie sind. Gewöhnlich ist es für Menschen schwer, gewisse
44
Theoretische Grundlagen
Seiten an der Welt und an sich selbst anzunehmen, insbesondere die unangenehmen
an der Welt, bzw. die schwachen an sich selbst. Erst wenn die Welt anders und
perfekter ist, erst wenn man selbst gewisse Eigenschaften abgelegt hat, dann kann
man sich akzeptieren, so die gängige Herangehensweise (Kabat-Zinn, 1996). Dabei
liegt nach Kabat-Zinn eine Bedingung für Veränderung in der vorherigen Akzeptanz
des betreffenden Zustandes. Verstanden wird Akzeptanz also als Annehmen dessen,
was ohnehin bereits Realität ist, um es ganz und vollkommen wahrzunehmen und
daraus die richtige und hilfreiche Entscheidung oder Reaktion abzuleiten. Akzeptanz
bedeutet also keinesfalls Resignation, sondern ist die notwendige Ausgangsbasis für
fruchtbaren Wandel. So geübt im fortwährenden Betrachten der Geisteszustände
während der Meditation, hilft sie uns auch, mit Umständen umgehen zu können, die
sich nicht ändern lassen (Kabat-Zinn, 1998).
Loslassen: Im Alltag passiert es oft (auch unbemerkt), dass man Erlebnisse,
noch lange nachdem sie vergangen sind, mit sich herumträgt, über sie nachgrübelt, sie
fest hält, obwohl man sie nicht mehr ändern oder zurückholen kann. Diese Beziehung
zu Vergangenem wird Anhaften genannt, und es ist in der Achtsamkeitsmeditation
eines der wichtigsten Ziele, sich dieser automatischen Haltung bewusst zu werden und
sie loszulassen (Kabat-Zinn, 1996). Mit diesen inneren Einstellungen zu den
Erlebnissen werden im Kurs folgende Praktiken und Techniken gelehrt:
„Body-Scan“: Die Teilnehmer legen sich auf eine Matte, der „Body-Scan“ dauert
gewöhnlich 45 Minuten. Das von S.N. Goenka entwickelte „Body-Sweeping“ („Körperdurchkehren“, siehe Hart, 1996) war hier das Vorbild. Die von Band oder vom MBSRKursleiter gesprochenen Instruktionen führen die Teilnehmer bei den Zehen
beginnend, systematisch durch den gesamten Körper. Die Anweisung besteht darin,
bewusst und gezielt in jeden Abschnitt des Köpers zu hineinzuspüren. Es geht also
nicht darum, an die Körperteile zu denken, sondern die dort entstehenden
Empfindungen zu erfühlen. Kann man keine lokalisieren, so gilt es dieses Nicht-Spüren
wahrzunehmen. Wie oben ausgeführt (2.1.2) ist nach Buddha die Körperbetrachtung
eine der Grundlagen der Achtsamkeit. Für die Kursteilnehmer ist die hier erworbene
Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu lenken, grundlegend für die später gelehrte
Sitzmeditation. Im Body-Scan wird mit fortschreitender Übung ein immer kompletteres
und intensiveres Gewahrsein des eigenen Körpers und seiner mannigfachen
Empfindungen erreicht. Viele Teilnehmer erleben auf diese Weise nebenbei eine
Befreiung von ihrer völligen Entfremdung dem eigenen Körper gegenüber bzw. weiter
Teile von ihm (Hart, 1996; Kabat-Zinn, 1996). Abbildung 1 zeigt die beeindruckende
Steigerung der Selbsteinschätzung des Körpergewahrseins einer Teilnehmerin im
45
Theoretische Grundlagen
Zuge eines „Mindfulness-Based-Cognitive-Therapy“-Kurses (MBCT, siehe auch 2.2.5)
über die ersten vier Wochen hinweg.
Abbildung 1: Zunahme des Körpergewahrseins (schraffierte Bereiche) während eines
MBCT-Kurses [Abb. aus Cayoun, 2005].
Hatha-Yoga Übungen: Basierend auf dem erlangten Körperbewusstsein werden
vom Kursleiter Köperübungen aus dem Hatha-Yoga eingeführt. In den Bewegungen ist
das Ziel, bewusst die eigenen Grenzen zu spüren, und genau auf die Reaktionen
darauf zu achten („das schaffe ich nie“, „die anderen sind besser“ etc.). Die
Weiterführung des Köpergewahrseins in die Bewegung und die Achtsamkeit auf die
gedanklichen Bewertungsprozesse bilden also den nächsten Schritt.
Sitzmeditation: Die wohl dem westlichen Menschen unvertrauteste Beschäftigung, nämlich die des Nur-Sitzens und Nichts-Erreichen-Wollens macht auch den
Kursteilnehmern zu Beginn die meisten Schwierigkeiten (Meibert, Michalak &
Heidenreich, 2006), ist jedoch Kern der Achtsamkeitsschulung. Die Sitzmeditation wird
daher in ihrer Dauer von 10 Minuten zu Beginn bis auf 40-60 Minuten ausgedehnt. Ziel
ist, die vorher gewählte und festgesetzte Zeitspanne durchzuhalten, egal welche
Gedanken oder Gefühle entstehen und vermeintlich zum Abbruch der Meditation
zwingen. Sie kann entweder auf einem Stuhl oder am Boden auf einem
Meditationskissen erfolgen. Die Körperhaltung ist aufrecht, Kopf, Nacken, Rücken
gerade, die Beine überkreuz (halber oder ganzer sogenannter „Lotussitz“). Dann
beginnt man, sich auf den Atem zu konzentrieren, entweder auf die Bewegungen im
Bauchbereich, die der Atem erzeugt, oder auf die Empfindungen an der Nasenspitze.
Zu Beginn ist es womöglich hilfreich, die Atemzüge zu zählen, um nicht zu schnell
abzudriften. Beim Einatmen „eins“, beim Ausatmen „zwei“. Ist man bei zehn angelangt,
kehrt man zu eins zurück. Früher oder später wird man feststellen, dass der Geist
abschweift, entweder indem man feststellt, dass man über zehn hinausgezählt hat,
oder indem man bei einem Gedanken, Bild, Gefühl, Tagtraum „aufwacht“, d.h. ihn
46
Theoretische Grundlagen
bewusst wahrnimmt. Dies ist nun wieder ein Moment der Achtsamkeit, in dem man
bewusst wahrgenommen hat, eben dass man abgedriftet ist, und wo der Geist war. In
diesem Moment beschreibt man kurz den Inhalt des Geistes („Planen“) und kehrt zur
Atembetrachtung zurück. Dies alles soll in der Haltung der Akzeptanz, Geduld und
Nicht-Bewertung der Inhalte geschehen. Ist man nach einiger Zeit geübter, so wird die
Ausdehnung der Aufmerksamkeit von den Atemempfindungen zu den Gefühlen, den
Geräuschen, den Körperempfindungen, zum Kommen und Gehen der Gedanken und
den Gedankeninhalten ausgedehnt. Jeder dieser Schritte ist verbunden mit steigender
Schwierigkeit, sich nicht von den beobachteten Geistesinhalten davontragen zu lassen
und sich nicht mit ihnen zu identifizieren (Kabat-Zinn, 1996). Die Auswirkungen wurden
unter 2.1.2 ausführlich besprochen, und treffen auch hier zu: Je regelmäßiger und
länger praktiziert wird, desto tiefer wird die Auswirkung der Sitzmeditation sein. Nach
Meibert, Michalak und Heidenreich (2006, S. 174) erkennt der „(…) Übende, dass alle
Empfindungen, Gedanken, Gefühle oder inneren Bilder, ebenso wie äußere Objekte
wie z.B. Geräusche oder Gerüche dem gleichen Prozess der Vergänglichkeit unterliegen. Auch erkennt man, dass dieser Wandlungsprozess sowohl bei angenehmen als
auch bei unangenehmen Erfahrungen stattfindet, also dass sich z.B. auch Schmerzen,
unangenehme Gefühle wie Wut oder Trauer oder negative Gedanken verändern und
dass nichts so bleibt, wie es ist. Durch die Haltung des Nicht-Greifens können wir mit
der Zeit neue Sichtweisen über unsere automatisch ablaufenden Reaktionen und
Verhaltensmuster entwickeln und erkennen, dass sowohl angenehme als auch
unangenehme Erfahrungen gleichbedeutend sind und zum Leben gehören. Diese
Erkenntnis, in der Tiefe erfasst, kann uns zu mehr Gleichmut, Klarheit und kreativen
Handlungsmöglichkeiten führen.“
Gehmeditation: Die hier erworbene Fähigkeit, bei den Bewegungen unseres
Körpers mit Achtsamkeit anwesend zu sein, lässt sich gut in den Alltag integrieren. Da
der Körper immer da ist, ist er ein gutes Vehikel, um sich durch seine Betrachtung im
Hier und Jetzt zu verankern. Bei der Gehmeditation werden die Muskelbewegungen
sehr langsam und bewusst ausgeführt, und achtsam auf den Wandel der Körperempfindungen in den Füßen und Beinen geachtet. Das Gehen wird ohne Ziel
ausgeführt, lediglich der gegenwärtige Moment wird wahrgenommen.
Informelle Übungen: Damit der Transfer in den Alltag gelingt, werden
Anleitungen gegeben, wie bei den verschiedensten kleinen Alltagshandlungen Achtsamkeit praktiziert werden kann: Beim Warten an der roten Ampel, beim Abwaschen,
beim Zähneputzen, beim Kochen und beim Essen. So wird die Achtsamkeit immer
mehr Haltung und Unterstützung im Leben und hilft, die schönen Dinge klarer
47
Theoretische Grundlagen
wahrzunehmen und sie mehr genießen zu können, und mit den unangenehmen
Dingen weniger kämpfen zu müssen (Kabat-Zinn, 1994).
Alle gelehrten Techniken sind Bestandteil buddhistischer Achtsamkeitspraxis
(Hanh, 1976), bzw. von ihr entlehnt (mit Ausnahme der Yoga-Körperübungen). Die
Probanden dieser Studie haben also mit allen Praktiken Erfahrungen gemacht.
2.2.5 Weiterentwicklungen, Anwendungsbereiche und Ergebnisse
klinischer Studien
Das oben vorgestellte MBSR-Programm, dessen Erfolge bei Patienten mit chronischen
Schmerzen, Stress, und unheilbaren Krankheiten (z.B. Krebs), und erste empirische
Wirkungsnachweise (Kabat-Zinn, 1982; siehe auch weiter unten) führten im weiteren
Verlauf in den USA zu einem anschwellenden Interesse vor allem der kognitivbehavioral orientierten Verhaltensmedizin und Psychotherapie (Baer & Krietemeyer,
2006; Campos, 2002; Hayes, Follette & Linehan, 2004; Hayes et al., 2004; Lau &
McMain, 2005). Aus dem Gerüst des MBSR-Programms wurde eine Intervention zur
Behandlung von klinischen Depressionen (die oben erwähnte MBCT) und zur
Rückfallprophylaxe entwickelt (Ma & Teasdale, 2004; Ramel, Goldin, Carmona &
McQuaid, 2004; Teasdale, 1999). Auch in der so genannten DBT („DialektischBehaviorale-Therapie“) zur Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung ist
Achtsamkeit als tragendes Konzept mit eingegangen (Koerner & Linehan, 2000;
Linehan, 1993, 1994; Robins, 2002). Die ACT („Acceptance and Commitment
Therapy“), die zur Anwendung kommt bei einer breiten Palette von psychopathologischen Störungsbildern bis hin zu verringerter Lebenslust, hat Achtsamkeit als
Behandlungskomponente ebenso integriert (Hayes, Luoma, Bond, Masuda & Lillis,
2006). Auch in der Behandlung der generalisierten Angststörung („GAD“) werden neue
Programme entwickelt, die Achtsamkeit unterstützend einsetzen (Roemer & Orsillo,
2002; Wells, 2002). Schwartz, Gulliford, Stier & Thienemann (in press) beschreiben in
einem
Beitrag
im
„Psychospiritual
Clinician´s
Handbook“
die
Möglichkeiten,
Achtsamkeit bei Zwangsstörungen erfolgreich einzusetzen. Des Weiteren werden
Einsatzmöglichkeiten von Achtsamkeit im Rahmen der rational-emotiven Behandlung
(Christopher, 2003) von posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen
Traumatisierungen diskutiert (Follette, Palm & Pearson, 2006). Luise Reddemann, eine
Psychoanalytikerin, wendet Achtsamkeitstechniken bereits in der von ihr begründeten
„Psychodynamisch Imaginativen Trauma Therapie“ an (Reddemann, 2006; Reddemann, Engl & Lücke, 2006).
48
Theoretische Grundlagen
In den erwähnten drei Überblicksartikeln zur Wirksamkeit achtsamkeitsbasierter
Interventionen (Baer, 2003; Bishop, 2002; Grossman et al., 2004) sind die Ergebnisse
aller bis dahin publizierten und methodisch verwertbaren Studien zusammengefasst
und analysiert. Für eine ausführliche Diskussion der nachfolgend berichteten Resultate
wird auf diese Meta-Analysen verwiesen. Dort werden trotz methodenkritischer
Anmerkungen zu einigen Studien (z.B. fehlende Kontrollgruppen) insgesamt viel
versprechende Befunde referiert, welche die Wirksamkeit achtsamkeitsbasierter
Ansätze hinsichtlich der Reduktion physiologischer und psychologischer Symptome bei
allen untersuchten Störungsbildern stützen (siehe auch Germer, Siegel & Fulton, 2005;
Lazar, 2005):
Einer der ersten Bereiche, in dem MBSR eingesetzt wurde, war die Behandlung
von chronischen Schmerzen. Die erzielten Verbesserungen in der Schmerzreduktion
und im psychischen Wohlbefinden konnten auch noch in Follow-Up Untersuchungen
nachgewiesen werden. Eingesetzt und evaluiert wurde MBSR auch zur Behandlung
der psychischen Belastungen bei medizinischen Erkrankungen wie z.B. Diabetes,
Krebs, Multiple Sklerose, Schuppenflechte, Erkrankung der Herzkranzgefäße,
Prostatakrebs, Fibromyalgie (chronische Erkrankung, geht einher mit u.a. Schmerzen
des Bewegungsapparates). Hier konnten der erlebte Stress und die mit der Krankheit
einhergehenden Stimmungseinbußen signifikant reduziert werden bzw. der Umgang
mit der Erkrankung verbessert werden. Im Bereich der psychischen Störungen wurden
signifikante Erfolge berichtet beim Einsatz von MBSR bei Angststörungen, Panik, bei
Zwängen und auch Persönlichkeitsstörungen. Die erzielten Verbesserungen konnten in
3-Monats- bzw. 3-Jahres-Follow-Up Untersuchungen bestätigt werden. Bei Essstörungen wurde durch den Einsatz des MBSR-Programms die Frequenz der
Essattacken reduziert, auch Körperschema-Störungen sind Ziel achtsamkeitsbasierter
Verfahren (Stewart, 2004). Die Untersuchungen der MBCT ergaben, dass die
Wahrscheinlichkeit, innerhalb von einem Jahr nach Abklingen der Depression einen
Rückfall zu erleiden (also eine erneute Episode einer Major Depression), im Vergleich
zur gewöhnlichen Behandlung um mehr als die Hälfte sank. Auch in einer Reihe von
Studien mit nicht erkrankten Probanden zeigte sich eine signifikante Verbesserung des
Wohlbefindens, des Stressniveaus und der Lebensqualität (z.B. Oman, Shapiro,
Thoresen, Plante & Flinder, 2006). Bei vielen Studien wurde bei Nachbefragungen
gefunden, dass die Probanden aus eigenem Antrieb noch lange nach der Intervention
weiter praktizierten. Bei der Entwöhnung von Substanz-, Alkohol- oder Nikotinabhängigkeit werden mittlerweile auch Ansätze zur Integration von Achtsamkeit vorgelegt
(Breslin, Zack & McMain, 2002; Leigh, Bowen & Marlatt, 2005). Ein kommendes
49
Theoretische Grundlagen
Einsatzgebiet von MBSR-Interventionen scheint das Stressmanagement von Klinikund Pflegepersonal sowie der Therapeuten selbst zu sein. Hier finden sich einige erste
Studien, die Verbesserungen des Umgangs mit durch die Arbeit erzeugten Belastungen belegen (z.B. Epstein-Lubow, Miller & McBee, 2006). Der Einsatz achtsamkeitsbasierter Interventionen bei Psychosen scheint bisher eher kontraindiziert (siehe dazu
Chadwick, 2005; „Melbourne Academic Mindfulness Interest Group“, 2006).
2.2.6 Konstruktdefinition und Forschung zu den vermuteten
Wirkmechanismen
Dem
oben
(2.2.5)
skizzierten
Bereich
der
Achtsamkeitsforschung,
der
Therapieevaluation, ist die überwiegende Mehrzahl aller publizierten Arbeiten
zuzuordnen. Die Analyse und Erforschung der Wirkmechanismen hat im Vergleich
dazu bislang wesentlich weniger Ergebnisse produziert (Shapiro et al., 2006), da sie
nach Meinung der „Melbourne Academic Mindfulness Interest Group“ (2006) vor
größeren konzeptionellen Herausforderungen steht. Explizite kognitionspsychologische
oder neurowissenschaftliche Prozessmodelle wurden bisher noch nicht formuliert. Auf
der Konstruktdefinition fußend, die von einer Gruppe von Achtsamkeitsforschern
proklamiert wurde, sollen einige theoretische Ansätze zu möglichen Wirkmechanismen
vorgestellt werden, aus denen sich die in dieser Arbeit formulierten Hypothesen
ableiten lassen. Sodann werden erste Forschungsergebnisse in diesem Bereich
diskutiert.
John Kabat-Zinn prägte die oft zitierte Beschreibung von Achtsamkeit als
„paying attention in a particular way: on purpose, in the present moment, and
nonjudgementally“ (Kabat-Zinn, 1994, S. 4). Da dieses Zitat alleine lange die Basis für
die Diskussion über das Konstrukt Achtsamkeit war, machte sich im Jahr 2004 eine
Gruppe Achtsamkeitsforscher in dem Artikel „Mindfulness: A Proposed Operational
Definition“ daran, das Konstrukt operational zu definieren, um der sich entwickelnden,
vielfältigen Forschungstätigkeit einen wissenschaftlicheren Rahmen zu geben (Bishop
et al., 2004). Dieser erste Definitionsversuch schlägt ein Zwei-Komponenten-Modell
der Achtsamkeit vor, die explizit als mentales Training und nicht als Entspannungsverfahren oder Technik zur Stimmungsmanipulation verstanden wird (Bishop et al.,
2004, S. 231). Die Autoren stufen Achtsamkeit als psychologischen Prozess, nämlich
als „metakognitive Fähigkeit“ ein: Als Kognition über die eigenen Kognitionen (siehe
auch Sugiura, 2004). Bestandteile von Metakognition sind laut Bishop et al. (2004)
sowohl Überwachung als auch gegebenenfalls Kontrolle von Vorgängen. Diese Sicht
der Autorengruppe auf Achtsamkeit als metakognitive Fähigkeit wird von den Autoren
50
Theoretische Grundlagen
Brown und Ryan (2004) nicht geteilt. Deren Gegenargument lautet: Achtsamkeit, als
Eigenschaft bewussten Erlebens, kann nicht auf Inhalte des Bewusstseins (wie
Kognitionen, Emotionen, Sinneswahrnehmungen, als auch Metakognitionen, die
letztlich ebenfalls Kognitionen sind) reduziert werden, da sie all diese Vorgänge
erfassen und darauf angewendet werden kann, und daher nicht mit ihnen gleichsetzbar
sein kann. Brown und Ryan, (2004, S. 243) dazu: „Simply put, if mindfulness involves
observing thought, including thoughts about thoughts, it cannot be thought.” Diese
Unstimmigkeit mag sich evtl. durch die uneindeutige Begriffsverwendung beider
Autorengruppen erklären: Die von Bishop et al. (2004) intendierte Sicht auf Achtsamkeit als metakognitive Fähigkeit des Bewusstseins wird in dem Begriff Meta-Kognition
nicht adäquat erfasst, da eine Kognition distinkt ist von einer Fähigkeit, Bewusstseinsinhalte wie z.B. Gedanken zu erfassen und wahrzunehmen.
Die Komponenten der Definition von Bishop et al. (2004) lauten nun:
(1.) Aufrechterhaltung, bewusste Lenkung bzw. Regulierung von Aufmerksamkeit, so
dass das gegenwärtige Erleben in deren Fokus bleibt bzw. wieder gelangt, nachdem
ein Abdriften bemerkt worden ist. (2.) Eine auf das Erleben gerichtete Haltung, die
gekennzeichnet ist durch Akzeptanz, Neugier, Offenheit und Nicht-Bewertung. Diese
beiden Komponenten sollen, Bishop et al. (2004) folgend, genauer beleuchtet und
deren Effekte, auch im Hinblick auf die in dieser Arbeit aufgestellten Hypothesen,
herausgestellt werden:
Zu (1.) Aufmerksamkeit: Die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit auf das
gegenwärtige Erleben, meist mithilfe der Verankerung am Atem, erfordert alsdann die
Entwicklung der Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit auf diesem Fokus
über einen längeren Zeitraum („sustained attention“, Bishop et al., 2004, S. 232).
Aufrechterhaltung von Aufmerksamkeit meint die Fähigkeit, über einen längeren
Zeitraum bewusst, wach und aufnahmebereit zu bleiben, und nicht unwillentlich auf
andere Objekte (auch mentale) hin abgelenkt zu werden (Bishop et al., 2004; Posner,
1980). Wird dieses Abdriften der Aufmerksamkeit bemerkt (dies wäre dann wiederum
ein Moment der Achtsamkeit, siehe Kabat-Zinn, 1994), so erfordert dies die erneute
Aufmerksamkeitsregulierung oder -lenkung zurück auf die Gegenwart, meist verankert
in der Beobachtung der Empfindungen beim Atmen. Wenn die Praxiserfahrung
fortgeschrittener ist, wird nach bemerktem Abdriften die Aufmerksamkeit wieder
zurückgelenkt auf die bloße Wahrnehmung aller Inhalte des Bewusstseinsstroms,
insofern die Fähigkeit erworben wurde, sich (die Aufmerksamkeit) nicht mehr von
diesen Inhalten mitreißen oder davontragen zulassen (siehe zur Diskussion dieser
beiden Stufen der Achtsamkeitsmeditation Brown und Ryan, 2004). Diese Aufmerk-
51
Theoretische Grundlagen
samkeitslenkung („attention switching“, Bishop et al., 2004, S. 232) ist eine Fähigkeit,
die der Anstrengung und Übung bedarf (Posner, 1980; Posner & Rothbart, 1992).
Folglich sollte sich Achtsamkeitspraxis in wachsender Fähigkeit zur Aufmerksamkeitsaufrechterhaltung und -lenkung niederschlagen (Bishop et al., 2004). Die erwarteten
Effekte dieser Praxis werden beschrieben als „(…) a feeling of being very alert to what
is occurring in the here-and-now. (…), a feeling of being fully present and alive in the
moment” (Bishop et al., 2004, S. 232; siehe dazu auch die Ergebnisse von Brown,
Forte und Dysart, 1984a, 1994b; sowie von Easterlin und Cardena, 1999; und Forte,
Brown und Dysart, 1987). Diese steigende Wirksamkeit der Aufmerksamkeitsregulation
fördert nach Bishop et al. (2004) die Fähigkeit zur Hemmung oder besser Unterlassung
von nachfolgenden, elaborierenden kognitiven Prozessen über die vorher erfassten
Bewusstseinsinhalte („inhibition of elaborative processing“; Bishop et al., 2004, S. 233).
Die bloße, direkte und achtsame Wahrnehmung der sich wandelnden Bewusstseinsinhalte ermöglicht es also, sich immer seltener unmerklich in grübelnde, verwickelte,
weiterführende Assoziationen über Herkunft, Grund, Implikationen oder Inhalt der
Erfahrungen zu verstricken: „Note that mindfulness is not a practice in thought
suppression; all thoughts or events are considered an object of observation, not a
distraction. However, once acknowledged, attention is directed back to the breath,
thereby preventing further elaboration. This is thought to inhibit secondary elaborative
processing of the thoughts, feelings, and sensations that arise in the stream of
consciousness. Thus, mindfulness practices are though to be associated with
improvements in cognitive inhibition, particularly at the level of stimulus selection”
(Bishop et al., 2004, S. 233). Die Autoren argumentieren nun, dass die durch diese
Hemmung freiwerdende Aufmerksamkeit (deren insgesamte Größe begrenzt ist)
wiederum zur Verfügung steht, um in die Wahrnehmung des gegenwärtigen Erlebens
miteinzufließen und so etwaige ansonsten nicht bewusst verarbeitete Aspekte davon
zu erfassen. Achtsamkeitspraxis sollte also in einer größeren kognitiven Verarbeitungstiefe und -breite resultieren, subjektiv in einer weiteren, umfassenderen Perspektive auf
das gegenwärtige bewusste Erleben (Bishop et al., 2004). Eine weitere wichtige
Schlussfolgerung betrifft die Realitätsbezogenheit, also die Wirklichkeitsnähe der
Wahrnehmung, die nach Bishop et al. (2004) mit steigender Achtsamkeitspraxis zunehmen sollte, da immer weniger Vorannahmen, Erwartungen und Bewertungen die
gegenwärtige Wahrnehmung gleichsam „filtern“ würden (Bishop et al., 2004; S. 233).
Dies ist vor allem im Hinblick auf eine Forschungstradition interessant, die sich mit dem
Einfluss der Informationsverarbeitung und Wahrnehmung, bzw. deren Verzerrungen,
52
Theoretische Grundlagen
auf die individuellen und gesellschaftlichen Konstruktionen von Wirklichkeit befasst
(z.B. Berger & Luckmann, 1970; Watzlawick, 1996).
Zu (2.) Haltung dem Erleben gegenüber: Als zweite Komponente des
Konstruktes Achtsamkeit definieren Bishop et al. (2004) eine bestimmte Haltung und
Einstellung gegenüber den im Bewusstsein auftauchenden und erfassten Erfahrungen.
Auch hier sprechen die Autoren von aktiven und bewussten Willensentscheidungen
(Bishop et al., 2004; S. 233), diese Haltung einzunehmen und vor allem während der
formellen Meditationspraxis, aber auch während des Alltags aufrechtzuerhalten und
immer wieder herzustellen. Diese Haltung ist gekennzeichnet durch Offenheit,
Neugierde und Akzeptanz. „Acceptance is defined as being experientially open to the
reality of the present moment. (…) it involves a conscious decision to abandon one’s
agenda to have a different experience and an active process of ‘allowing’ current
thoughts, feelings and sensations. (…) thus mindfulness can be conceptualized as a
process of relating openly with experience” (Bishop et al., 2004, S. 233). Brown und
Ryan (2004) weisen diese zweite Komponente zurück, da es ihrer Auffassung nach
unmöglich ist, Erlebnissen die volle Aufmerksamkeit zuzuwenden (die erste
Komponente, die sie gelten lassen), die man nicht akzeptiert, da man in solch einem
Fall, immer und automatisch die Aufmerksamkeit ablenken würde: Sie zitieren Tolle
(1999, S. 56) mit „In giving fullest attention to whatever the present moment presents
(…), implies that you also completely accept what is, because you cannot give your full
attention to something, and at the same time resist it“. Sie verstehen die Zweite somit
als genuinen Bestandteil der ersten Komponente. Bishop et al. (2004) leiten einige
wichtige Vorhersagen aus dieser zweiten Komponente ab, die zur Fundierung der in
dieser Arbeit aufgestellten Hypothesen angeführt werden: Aufgrund der Akzeptanz und
Offenheit gegenüber Erfahrungen prognostizieren die Autoren mit zunehmender Praxis
eine Reduktion in kognitiven und behavioralen Strategien, die dazu dienen, gewisse
Aspekte der erlebten Erfahrungen zu vermeiden oder zu verdrängen. „First, adopting a
stance of curiosity and acceptance should lead to reductions in the use of cognitive and
behavioral strategies to avoid aspects of experience.” (Bishop et al., 2004, S. 233).
Diese Vorhersage stützt direkt die unter Gliederungspunkt 2.6 formulierte Hypothese
4a der Reduktion von Vermeidungsverhalten während des Experimentes. Der zweite
Teil der Hypothese, der eine mit der Praxis steigende Affekttoleranz vermutet (4b), wird
von Bishop und Kollegen einige Zeilen darunter wörtlich untermauert: „In essence,
emotional distress would be experienced as less unpleasent and threatening, since the
context of acceptance changes their subjective meaning. This would likely lead to
improved affect tolerance, which can be measured (…) (Bishop et al., 2004, S. 234).
53
Theoretische Grundlagen
Affekttoleranz ist nach Bonanno (2001) ein wichtiger Faktor mentaler Gesundheit, denn
„the shift of awareness away from distressing emotion has traditionally been viewed as
a form of maladaptive denial“ (S. 263). Die in der Achtsamkeitsmeditation angestrebte
Einsicht in die Natur der geistigen und emotionalen Vorgänge führt Bishop et al. (2004)
folgend im Verlaufe der Praxis zu einer steigenden kognitiven und emotionalen
Komplexität, d.h. auch Unterscheidungsfähigkeit zwischen den einzelnen mentalen
Vorgängen (Kognitionen, Körperwahrnehmungen, Gefühle), deren Bedeutung, wie sie
einander und unser Verhalten bedingen, und miteinander verknüpft sind. Ein weiteres
Ergebnis ist eine feiner auflösende Wahrnehmung sowie höheres emotionales
Gewahrsein. „Thus mindfulness would be correlated positively with measures of
emotional awareness (…)” (Bishop et al., 2004, S. 234). Brown und Ryan (2003, S.
823) formulieren: „Further, by adding clarity and vividness to experience, mindfulness
may also contribute to well-being and happiness in a direct way“. Nielsen und Kaszniak
(2006) schreiben dazu: „(…) years of training attention on the physiological and
affective properties of emotional consciousness during meditation may result in
heightened discrimination of emotional phenomenology in everyday life. Indeed, longterm Buddhist meditators have been described as possessing enhanced emotional
awareness and improved emotional regulatory abilities“ (S. 393). Dies wird als
Ausgangspunkt für die unter 2.6 aufgestellte Hypothesen 1a und 1b gesehen, in der
vermutet wird, dass mit zunehmender Achtsamkeitspraxis die Intensität der subjektiv
erlebten Emotionen steigt und diese zunehmend deutlicher erlebt werden: „(…)
emotions are encountered in all of their force (…)“ (Hayes & Feldman, 2004, S. 258).
Nielsen und Kaszniak (2006) formulieren dies ebenfalls in ihrer Arbeit: „We
hypothesized that meditation may influence self-reported emotional awareness“ (S.
393). Ihre Ergebnisse stützen dies: „Meditators rated themselves higher than controls
in emotional clarity – the ability to accurately discriminate among and label one’s
feeling states – and length of meditation practice was positively correlated with clarity
score” (S. 402). Achtsamkeit lehrt den Übenden, sich seiner Gefühle (auch der
unangenehmen) bewusster zu werden, sie intensiver wahrzunehmen, und sich ihnen
zu öffnen, anstatt sie zu vermeiden. Dies gelinge durch die Erfahrung derselben als
vorübergehend, sich wandelnd und vergänglich, wodurch die Unangenehmen nicht
mehr angsteinflößend sein müssten und die Positiven mehr genossen würden (Bishop
et al., 2004; Kabat-Zinn, 2005). Erste empirische Ergebnisse von Hayes und Feldman
(2004) unter Einsatz von Fragebögen bestätigten diese Vermutung: Das Ausmaß an
Achtsamkeit war korreliert mit einem klareren Erleben von Gefühlen. Bishop et al.
(2004) nehmen des Weiteren an, dass mit zunehmender Praxis die Wahrnehmung und
54
Theoretische Grundlagen
Beschreibung von Gedanken und Gefühlen eher als fließende und vorübergehende
Erscheinungen, denn als einem Selbst innewohnende Aspekte oder valide
Widerspiegelungen der Realität zunimmt. „Mindfulness would likely be associated with
more complex descriptions of one’s thoughts as contextual, relativistic, transient, and
subjective” (Bishop et al., 2004, S. 234). Die Autoren fassen zusammen, dass
Achtsamkeit darauf abzielt, mit den subjektiven Erfahrungen in Kontakt zu kommen, so
dass man damit effektiver umgehen und psychopathologie-fördernde Vermeidungsstrategien fallen lassen kann (siehe dazu auch Eifert und Heffner, 2003; Hayes &
Shenk, 2004; Hayes & Wilson, 2003). „The approach thus focuses on altering the
impact of, and the response to, thoughts, feelings, and sensations” (Bishop et al., 2004,
S. 237, Hervorhebungen im Original). „This would be expected to improve affect
tolerance and decreased reactivity in the presence of emotional states“ (Bishop, 2002,
S. 75). Dazu Baer (2003, S. 129): „This experience eventually leads to the extinction of
fear responses and avoidance behaviors previously elicited by these stimuli“. Und
weiter: „Thus the experience of mindfulness could lead to experience of pain
sensations without excessive reactivity“ (Baer, 2003, S. 128). Dies wiederum ist ein
zentraler Punkt für die in 2.6 aufgestellt Hypothese 3.2, in welcher eine Abnahme von
motivationaler Reaktivität (Aversion oder Gier) auf das Erleben von Gefühlen hin
postuliert wird. Entscheidend ist, dass mit steigender Praxis die Gefühle bewusster
erlebt werden, die Reaktivität darauf hin aber abnehmen sollte: „With repeated
practice, mindfulness allows the participant to develop the ability to calmly step back
from thoughts and feelings during stressful situations, rather than engaging in anxious
worry or other negative-thinking patterns that might otherwise escalate a cycle of stress
reactivity and contribute to heightened distress” (Bishop, 2002, S. 72). Diese
Verhinderung einer auf negative Gefühle hin eskalierenden Stress-Reaktivität sollte
den in 2.6 aufgestellten Hypothesen 2 und 4b entsprechende empirische Ergebnisse
zeitigen. Dort wird ein schnellerer Abfall der emotionalen Reaktionen postuliert, sowie
eine geringere Erschöpfung nach der Teilnahme an dem im Rahmen dieser Arbeit
durchgeführten, stress-induzierenden Experiment, das eine Vielzahl emotional negativ
valenter Stimuli darbietet. Hayes und Feldman (2004, S. 256) legen diese Hypothesen
explizit nahe, indem sie vermuten: „(mindfulness, Anm. d. Verfassers) decreases
emotional reactivity and facilitates a return to baseline after reactivity“.
Von anderen Autoren wurden weitere Wirkmechanismen und Effekte in
Betracht gezogen: U.a. Baer (2003), Hayes und Feldman (2004), Roemer und Orsillo
(2003) sowie auch Shapiro et al. (2006) vermuten in den beiden Komponenten der
Definition das Wirkprinzip von Expositionstherapien (siehe Reinecker, 1999) quasi
55
Theoretische Grundlagen
miteingebaut. Indem man sich dem aversiven Erleben stellt und keine Vermeidungsstrategien anwendet, werden im Laufe der Zeit aufgrund von Desensibilisierung die
Stressreaktionen auf das Erleben hin abnehmen. Shapiro et al. (2006) legen ein Modell
vor, dass auf den beschriebenen Komponenten aufbauend einen Meta-Mechanismus,
genannt „Reperceiving“ postuliert, der vier Mechanismen umfasst: Selbst-Regulation,
Werte-Kongruenz, kognitive, emotionale und Verhaltens-Flexibiliät, und die eben
angesprochene Exposition. Die Autoren betonen als zentralen Mechanismus das
reperceiving, das sie als fundamentalen Perspektivwechsel und Desidentifiktation des
Wahrnehmungsvorgangs von seinen Inhalten beschreiben. Die Natur des Perspektivwechsels beschreiben sie als: „(…) a rotation in consciousness in which what was
previously „subject“ becomes „object“” (Shapiro et al., 2006, S. 378). Mit der wissenschaftlichen Entwicklungspsychologie (Kegan, 1986) argumentieren sie, dass dies ein
Prozess sei, der sich von der Geburt des Säuglings an durch verschiedene Stadien
ziehe und in der Achtsamkeit seine logische Weiterführung finde. Eine ähnliche Sicht
wird übrigens von der Arbeitsgruppe um Peter Fonagy und Mary Target vertreten
(Fonagy & Target, 2006; Fonagy et al., 2004): In deren neuestem Buch, das in einer
einzigartigen
Weise
Kognitionspsychologie,
interdisziplinäre
Befunde
Entwicklungspsycholgie,
aus
Neurowissenschaften,
Bindungsforschung,
Säuglings-
forschung und Psychoanalyse integriert, bezeichnen sie diesen Vorgang als
„Mentalisierung“. Aufgrund der Komplexität und Fülle ihrer Theorie wird dazu auf das
Buch „Psychoanalyse und die Psychopathologie der Entwicklung“ verwiesen. Dieses
Objektivieren von Bewusstseinsinhalten ermöglicht die Desidentifikation von ihnen, die
zu einer abnehmenden Determiniertheit von diesen Inhalten führt. „We also begin to
stand back from (witness) our “story” about who and what we ultimately are. Through
this change in perspective, identity begins to shift from the contents of awareness to
awareness itself“ (Shapiro et al., 2006, S. 379). „Reperceiving” wird von den Autoren
streng von einem falschen Verständnis von Distanziertheit oder Gleichgültigkeit
differenziert: „Through this process we are actually able to connect more intimately with
our moment-to-moment experience, allowing it to rise and fall naturally with a sense of
non-attachment. We experience what is instead of a commentary or story about what
is. Therefore, reperceiving, in this hypothesized model, does not create apathy or
indifference, but instead allows one to experience greater richness, texture, and depth
(…)” (Shapiro et al., 2006, S. 379). Auch hier findet sich also Unterstützung für die in
dieser Arbeit aufgestellte Hypothese der steigenden Intensität subjektiver Gefühlswahrnehmung (siehe 2.6, Hypothesen 1a und 1b). Achtsamkeitspraxis lässt sich damit
von psychologischen Konstrukten wie „experiential avoidance“ (Sloan, 2003) und
56
Theoretische Grundlagen
„emotional avoidance“ (Feldner, Zvolensky, Eifert & Spira, 2002) abgrenzen, welche
ein Vermeidungsverhalten in Bezug auf das Erleben von vor allem aversiven
Emotionen charakterisiert: „This construct has been operationalized as an indiviual´s
unwillingness to experience feelings, physiologial sensations, and thoughts, especially
those that are negatively evaluated (e.g. fear), as well as attempts to alter the form or
frequency of these events and the contexts that occasion them“ (Sloan, 2003, S. 1257).
„Experiential avoidance“ wird von Hayes et al. (2006) und Sloan (2003) als ein
entscheidendes Kriterium bei der Entstehung und Aufrechterhaltung psychopathologischer Erkrankungen eingestuft. Eine zentrale Erfahrung ist hierbei: „(…) psychological problems are not the results of the thoughts or feelings themselves, but rather
these problems are the results of the attempts to suppress, and control such unwanted
private events (Sloan, 2003, S. 1258). Abermals schließt sich an dieser Stelle der Kreis
zur
psychodynamischen
Erklärung
neurotischer
Störungen
(Mentzos,
2000).
Interessant sind die Befunde von Feldner et al. (2002), die experimentell herausstellen
konnten, dass Personen, welche hoch auf dem Konstrukt „experiental avoidance“
laden, mehr selbstberichteten negativen Affekt auf aversive Stimuli präsentieren, wobei
sich deren psychophysiologische Emotions-korrelate jedoch nicht von den KontrollProbanden unterscheiden. Die „high-experiential-avoiders“ scheinen also mehr Angst
vor der selben physiologischen Erregung zu entwickeln, sie als stresshafter und
weniger bewältigbar zu erleben, was eine mögliche Erklärungen für die Entstehung von
Panik- und Angststörungen darstellen könnte (Feldner et al., 2002; Hayes, Wilson,
Gifford, Follette & Strosahl, 1996). Feldner et al. (2002) grenzen Achtsamkeit davon
ab, indem sie bei Achtsamkeit aufgrund der gesunkenen Angst und Reaktivität sowie
der gesteigerten Selbstwirksamkeitserfahrung geringere physiologische Reaktivität bei
mindestens gleichstarken Gefühlen erwarten. Eine weitere wichtige Abgrenzung des
Konstruktes Achtsamkeit wird in Kapitel 2.4 vorgenommen; dort wird herausgestellt,
dass ebenfalls der viel diskutierte Emotionsregulationsmechanismus der „Neubewertung“ (engl. „reappraisal“) nicht mit der Achtsamkeitspraxis gleichzusetzen ist: Er
beeinhaltet eine Uminterpretation von emotionalen Stimuli, mit dem Ziel, sie auf die
Neubewertung hin nicht mehr als aversiv zu erleben (Kalisch et al., 2005). Im Prinzip
also eine Form der Beseitigung des negativen Affektes (auch „detachment“,
„disengagement“, „dissociation“ oder „isolation“ genannt, siehe Kalisch et al., 2005).
Nach Shapiro et al. (2006) beinhalten die vier von „Reperceiving“ umfassten
Mechanismen: a) Exposition, b) Werte-Kongruenz, c) kognitive, emotionale und
Verhaltens-Flexibilität, d) besseres Selbstmanagement und effizientere SelbstRegulation, womit eine steigende Fähigkeit zur Anpassung und Funktionsstabilität
57
Theoretische Grundlagen
gemeint ist. Dies wird laut Shapiro et al. (2006) erreicht durch einen besseren Zugang
zu den funktionalen Aspekten und Informationen der erfassten Emotionen, da aufgrund
der Affekttoleranz weniger vermieden und irgnoriert wird. Die funktionalen Aspekte
werden von Bradley und Lang (2000) als die in den emotionalen Zuständen transportierten Informationen bezeichnet, die für eine adaptive Anpassung des Organismus
an die sich wechselnde Umgebung hilfreich und notwendig sind. Werte-Kongruenz
meint, dass durch das steigende Gewahrsein immer leichter die eigentlichen
persönlichen Werte in die Handlungen einfließen können, da immer seltener automatisch, reflexhaft, und dadurch evtl. nicht hilfreich oder wertekongruent reagiert wird
(Shapiro et al., 2006). Kognitive, emotionale und Verhaltens-Flexibilität bezieht sich auf
den eben erwähnten Abbau reflexhafter, konditionierter Reaktionen auf inneres
Erleben. Durch diesen Zuwachs an Freiheitsgraden ist es immer mehr möglich,
bewusst und flexibel zu handeln. Exposition, der letzte der vier Mechanismen wurde
bereits weiter oben besprochen. Dieser Zuwachs an Freiheit führt laut Shapiro et al.
(2006) zu dem Phänomen, dass selbst sehr starke Gefühle ohne übermäßige
Reaktivität daraufhin erlebt werden können: „(Mindfulness, Anm. des Verfassers) (…)
enables a person to experience even very strong emotions with greater objectivity and
less reactivity“ (Shapiro et al., 2006, S. 381). Daraus lässt sich eine Dissoziation der
Komponenten der emotionalen Reaktion ableiten: Auf ein starkes Gefühl wird aufgrund
der sicheren Verwurzelung in der Achtsamkeit immer weniger mit ausgedehnter
emotionaler (physiologischer / motivationaler) Reaktivität geantwortet. Genau dies wird
in den in dieser Arbeit aufgestellten Hypothesen 3.1 und 3.2 postuliert (siehe Abschnitt
2.6). Diese fortschreitende Entwicklung durch die Achtsamkeitspraxis lässt sich in
Verbindung setzen mit dem psychosomatischen Konzept der „Desomatisierung“ von M.
Schur (in Hoffmann & Hochapfel, 2004): Er vertritt in seinem psychoanalytisch
orientierten Modell der Entstehung psychosomatischer Erkrankungen die Ansicht, dass
es der fortlaufende Reifungsprozess der ausdifferenzierenden Ich-Entwicklung von
Geburt an immer mehr ermöglicht, dass Emotionen zunehmend psychisch repräsentiert werden und immer weniger unkoordiniert, unbewusst und somatisch (siehe
dazu auch Holodynski & Friedlmeier, 2005).
Von Cayoun (2005) wurde ein Modell vorgestellt, das die Veränderungen nach
Achtsamkeitsinterventionen mithilfe der Begriffe „embodied cognition“ und „coemergence model of reinforcement“ beschreibt. „Embodied cognition“ ist eine
Sichtweise auf die Bedeutung der Interaktion von Gedanken und Körperempfindungen
für die emotionale Reaktivität: „(…) whereby the continuous interaction of thoughts and
body sensations play a central role in emotional reactivity and the reinforcement of
58
Theoretische Grundlagen
psychopathology“ (Cayoun, 2005, S. 1). Diese Rolle wird im „co-emergence model of
reinforcement“ veranschaulicht (Abbildung 2):
Abbildung 2: Funktionale Komponenten des „Co-Emergence Model of Reinforcement“
von Cayoun [Abb. aus Cayoun, 2005].
Cayoun beschreibt das Modell folgendermaßen: „Within a few hundred milliseconds,
the stimulus is perceived, evaluated according to past experiences, needs, personality,
expectation, values, etc, leading to the manifestation of body sensations to which one
may react with a learned response when these reach a sufficient level of intensity.
Reactions tend to occur even though body sensations may remain below awareness
level, i.e., in absence of arousal” (Cayoun, 2005, S. 2). Dies stellt die normale
Funktionsweise des gesunden Organismus dar. Die Aufrechterhaltung von psychopathologischen Funktionsweisen und das Aufschaukeln der emotionalen Reaktivität
erklärt Cayoun innerhalb seines Modells mit einer Überbetonung der beiden Komponenten „Evaluation“ und „Reaction“ zu Lasten der Komponenten „Sensory Perception“
und „Interoception“ (Abbildung 3):
Abbildung 3: Ungleichgewicht innerhalb des informationsverabeitenden Systems in
Cayoun´s „Co-Emergence Model of Reinforcement“ [Abb. aus Cayoun, 2005].
59
Theoretische Grundlagen
Nach Cayoun (2005) führt emotionaler Stress bei den meisten Menschen, und umso
ausgeprägter bei Patienten mit psychischen Störungen, zu einer wesentlich stärkeren
Gewichtung der subjektiven Evaluationskomponente, und darauf folgender, konditionierter Reaktivität, zu Ungunsten der (mehr realistischen) perzeptuellen Informationen
und der Körperempfindungen. Dies ist das Muster, welches die meisten Meditierenden
zu Beginn ihrer Achtsamkeitspraxis erleben: Unangenehmes Material taucht im
Bewusstsein auf, dessen mentale Evaluation verursacht starken psychischen Stress,
worauf automatisch mit gelernten Verhaltensmustern reagiert wird. Die weitere
Emotions- und Informationsverarbeitung der Person wird im Sinne eines dysfunktionalen Kreislaufes immer mehr die Komponenten „Evaluation“ und daraufhin die
„Reaction“ verstärken. Cayoun (2005) erklärt diese Gewichtungsveränderung mit
Verschiebung von Aufmerksamkeit. Evolutionspsychologisch betrachtet, konnte es
seiner Ansicht nach in früheren Zeiten über Leben und Tod entscheiden, schnelle
Evaluationen (automatische Schemaaktivierung) und Reaktionen (schnelle reflexhafte
Konditionierungen) auf Ereignisse hin durchzuführen. Die tiefere Verarbeitung von
perzeptuellen Aspekten sowie den ausgelösten Körperempfindungen hingegen würde
in solch einem Fall zu viel Zeit kosten, und sei daher für das Überleben nicht notwendig
gewesen. In extremen Fällen geht in diesem Modell der Kreislauf unter Moderation des
sympathischen Nervensystems über in die aus der biologischen Psychologie bekannte
Kampf- oder Flucht-Reaktion (Cayoun, 2005). Um hier wieder ein größeres Gleichgewicht herzustellen, ist es, und dies ist der für diese Arbeit relevante Punkt, mittels
Achtsamkeit möglich, bewusst diejenigen Komponenten des Modells in den Fokus der
Aufmerksamkeit zu bringen, die abnehmende Beachtung fanden. Achtsames Gewahrsein der Sinnesempfindungen, Körperempfindungen und aller entstehenden Gedanken
und Gefühle, ohne sie weiter zu evaluieren und ohne auf sie zu reagieren, stellt in
diesem Modell also die Balance wieder her. Dies führt zu verringerter emotionaler
Reaktivität auf die Gedanken und Gefühle. Cayoun (2005) sieht daher in seinem
Modell ein Argument für den Einsatz von Achtsamkeit bei einer breiten Palette von
Psychopathologien. Er argumentiert nun mit einem in Zusammenhang mit Achtsamkeit
immer öfter fallendem Schlagwort: Neuroplastizität, also die Fähigkeit des Gehirns, bis
hinunter auf die neuronale Ebene, sich an wandelnde Umgebungsbedingungen
anzupassen, sich neu anzuordnen und zu verknüpfen (Cooper, Intrator, Blais &
Shouval, 2004). Die Gehirnregionen, welche für die Achtsamkeitspraxis besonders
relevant sind, beinhalten präfrontale Teile des Frontallappens für die Aufmerksamkeitssteuerung sowie die Überwachung und Steuerung exekutiver Funktionen, einschließlich der Hemmung von reaktivem Verhalten bzw. nachgeschalteter, sekundärer
60
Theoretische Grundlagen
Evaluation von Stimuli. Ebenso die Parietallappen und die Insula für die Fähigkeit,
Körperempfindungen wahrzunehmen und zu überwachen („Interozeption“), speziell der
gut
untersuchte somatosensorische Kortex, der
die Körperteile repräsentiert
(„Homunculus“). Neuere Forschung konnte nun zeigen, dass anhaltende Achtsamkeitspraxis auf eben diese Areale einen neuroplastischen Einfluss auszuüben vermag
(Cayoun, 2005; Davidson, 2004a; Davidson, Jackson & Kalin, 2000; Lazar, Kerr,
Wasserman et al., 2005; auf die einzelnen Studien wird in 2.2.7 eingegangen), sodass
deren Funktionalität und Effizienz im Laufe der Praxis zunimmt: „The maintenance of
this change highlights the role of mindfulness training in inducing neuroplasticity in
pathways necessary for the self-regulation of emotions” (Cayoun, 2005, S. 4). Diese
verbesserte Fähigkeit zur Interozeption betrifft Empfindungen, die vormals unterhalb
der Wahrnehmungsschwelle verblieben und nun erfasst werden können, sowie
außerdem ein generell gestiegenes Körperempfinden, dass sich von Mund, Händen,
Füßen auf den gesamten Körper ausdehnt (Cayoun, 2005; siehe auch Abbildung 1).
Der Effekt dieser erworbenen Fähigkeiten liegt in einer schnelleren und klareren
Erfassung von subtilen Körperempfindungen, die im Sinne von Cayoun mit den
Gedanken und Gefühlen „co-ermergieren“ und gleichsam frühe Hinweise auf den
Zustand und die mentalen Prozesse des Organismus darstellen. Dadurch wiederum ist
es eher im Zeitverlauf möglich, negative Evaluationen zu relativieren und sich mehr
Zeit und Wahlmöglichkeit für eine bewusste Reaktion zu gewähren (Cayoun, 2005).
Diese Argumentation bildet die Grundlage der in dieser Arbeit im Absatz 2.6
formulierten Hypothese 2a, die ein mit zunehmender Achtsamkeitspraxis schnelleres
Einsetzen der emotionalen Reaktion sowie ein schnelleres Erreichen des Reaktionsmaximums vermutet.
Die Erforschung der Neuroplastizität scheint sich als ein stimulierendes Gebiet
für die Achtsamkeitsforschung zu erweisen: Unter Einsatz von Achtsamkeit und mit
bewusster, willentlicher Aufmerksamkeitslenkung erzielte neuronale Strukturveränderungen werden von vielen Autoren als faszinierendes Gebiet betrachtet, in dem es
möglich ist, den quasi subjektiv-willentlichen Eingriff des bewussten Gehirns in seine
eigene biologische Struktur zu beobachten (siehe Cayoun, 2005; Schwartz, 1999;
Schwartz, Gulliford, Stier & Thienemann, in press; Schwartz, & Begley, 2002;
Schwartz, Stapp & Beauregard, 2004). „(…) we may uncover an opportunity to gain
fresh insights into what promises to be one of the major new fields of investigation in
the coming century – the role of volition in brain function” (Schwartz, 1999, S. 121).
Schwartz fasst den kausalen Einfluss der Achtsamkeitspraxis auf die Emotions- und
Informationsverarbeitung des Praktizierenden so zusammen: „In the early stages of
61
Theoretische Grundlagen
treatment he basically feels the same – but he has begun to change in a critical way
how he understands those feelings. With that change he has set the stage for making
different choices about how to act on those feelings and sensations – choices, which
(…) actually change the nature of the physics of the brain” (Schwartz, 1999, S. 127).
Ein letzter zu erwähnender Mechanismus wird von einigen Autoren (siehe Cahn
& Polich, 2006; Lazar, Bush, Gollub, Fricchione, Khalsa & Benson, 2000; Newberg &
Iversen, 2003; Takahashi, Murata, Hamada et al., 2005) in der erwiesenermaßen durch
formelle Sitzmeditation induzierten Erhöhung der parasympathischen Aktivität des
peripheren Nervensystems zu Lasten sympathischer Aktiviertheit gesehen. Wie oben
berichtet, ist ein Ansteigen sympathischer Erregung auf die Auslösung von Kampfoder Fluchtreaktionen hin ausgerichtet, um den Organismus vor Bedrohungen zu
schützen. Sympathische Innervation bedeutet also eine Steigerung von Erregung
(schnellerer Herzschlag, flachere Atmung), Anspannung (höhere Muskelspannung),
Aktiviertheit (stärkeres Schwitzen) und schnellauslösbarer Reaktivität (Reflexe). Eine
Zunahme der parasympathischen Aktivität, die meist im Sinne eines Antagonismus zur
sympathischen gesehen wird, vermag somit diese für die Informations- und Emotionsverarbeitung wenig hilfreichen Einflüsse zu drosseln: „For instance, deep breathing
may increase parasympathetic activity and vagal tone, thus facilitating attention and
affect regulation” (Roemer & Orsillo, 2003, S. 174). (Hierzu ist anzumerken, dass es in
der Achtsamkeitsmeditation keine Aufgabe ist, den Atem bewusst zu steuern oder zu
vertiefen – dass diese Vertiefung, im Gegensatz zur meist flachen und hektischen
Atmung im Alltag, jedoch im Verlauf des Sitzens von alleine auftritt, bedingt durch die
Ruhe und das Innehalten).
2.2.7 Einordnung dieser Arbeit in aktuelle Forschungsperspektiven und
-befunde
„In terms of establishing an understanding of mindfulness, it is important to see if
psychological changes also correlate with physiological and biochemical ones.”
(„Melbourne Academic Mindfulness Interest Group“, 2006, S. 289). Auch Brown und
Ryan (2004) erhoffen sich zukünftig mehr Forschung, die konkret auf die proklamierten
Mechanismen von Achtsamkeit abzielt. Diesem Geist folgend, ist in den letzten Jahren
eine kleine Anzahl empirischer Artikel erschienen, welche die oben postulierten
Mechanismen und deren Auswirkungen untersucht haben. Diese Ergebnisse werden
kurz vorgestellt, um dann auf die Fragestellung dieser Diplomarbeit hinzulenken und
deren Einordnung in die momentane Forschungstätigkeit im Bereich Achtsamkeit vorzunehmen.
62
Theoretische Grundlagen
Ein gutes Raster, um die Befunde zu den Wirkmechanismen der Achtsamkeit
einzuordnen, ist die Klassifikation von Davidson (2004c), in der er drei mögliche
Untersuchungsansätze benennt: 1. „Meditation-state-effects“, 2. „State-after-effects“,
und schließlich 3. „Changes in baseline over time“. (1.) Betrachtet die psychischen und
physiologischen Veränderungen während der Praxis. (2.) Untersucht ein mögliches
Anhalten dieser Veränderungen unmittelbar nach der formellen Übung. (3.) Befasst
sich mit den nach Davidson (2004c) relevantesten Effekten der Praxis: Die
Veränderung des Baseline-Wertes der untersuchten Variablen. Untersucht wird also
der Meditierende in seinem Normalzustand im Alltag, um überdauernde Einflüsse der
Praxis auf psychologische und physiologische Domänen erfassen zu können.
Davidson et al. (2003) weisen auf den Grund für das von ihnen betonte Gewicht dieser
Forschungsrichtung hin: „Moreover, virtually all forms of meditation profess to alter
everyday behavior, effects that are by definition not restricted to the times during which
formal meditation itself is practised“ (Davidson et al., 2003, S. 564).
Eine spektakuläre Untersuchung zu den Effekten erster, zweiter und auch
dritter Ordnung wurde vor kurzem von Lutz et al. (2004) veröffentlicht. Gemessen
wurde die EEG-Aktivität von erfahrenen Langzeitmeditierenden der tibetischbuddhistischen Tradition im Vergleich mit einer Kontrollgruppe, ein Design wie es auch
in dem hier zu berichtenden Experiment verwendet wurde. Lutz und Kollegen konnten
zeigen, dass die Praktizierenden in der Lage waren, während formeller Sitzmeditation
(Effekt der 1. Art) die höchste jemals an (gesunden) Menschen gemessene hochamplitudige Synchronizität im Gammaband des EEG hervorzurufen, ein Indiz für eine
höchst präzise zeitliche Synchronisation in der Feuerrate weit verzweigter neuronaler
Netzwerke und damit ein Korrelat von hoher, fokussierter Aufmerksamkeit (für Details
zu weiteren funktionellen Bedeutungen der Gamma-Band Aktivität siehe Ott, 2000):
„The endogenous gamma-band synchrony found here could reflect a change in the
quality of moment-to-moment awareness, as claimed by the Buddhist practitioners and
as postulated by many models of consciousness“ (Lutz et al., 2004, S. 16373). Dieser
Anstieg blieb in der Baseline-Messung nach der Meditationsperiode im Vergleich zur
Baseline vor der Meditation sichtbar erhalten (Effekt der 2. Art). Darüber hinaus fand
sich in der Baseline-Messung vor der Meditation (Effekt der 3. Art) eine signifikante
Erhöhung dieses EEG-Profils im Vergleich mit der Kontrollgruppe, welche keine der bei
den Meditierenden erfassten Effekte aufwies: „The differences in baseline activity
reported here suggest that the resting state of the brain may be altered by long-term
meditative practice and imply that such alterations may affect task-related changes”
(Lutz et al., 2004, S. 16373). „These data suggest that mental training involves
63
Theoretische Grundlagen
temporal integrative mechanisms and may induce shortterm and long-term neural
changes” (Lutz et al., 2004, S. 16369). Diese Befunde stützen die Überlegungen dieser
Arbeit zu den neuroplastischen Einflüssen der Achtsamkeitspraxis auf die neuronalen
Schaltkreise die für die motivationale Reaktivität auf emotionale Stimuli verantwortlich
sind (Hypothesen 3.1 und 3.2, siehe Abschnitt 2.6).
Lazar et al. (2005) publizierten ebenfalls bahnbrechende Befunde zu Effekten
der 3. Art: Ergänzend zu den oben erwähnten Belegen für eine andauernde
Wandelung der EEG-Aktivität konnten die Autoren zeigen, dass extensive Achtsamkeitsmeditation die physische Struktur des Gehirns dergestalt verändert, dass die mit
Aufmerksamkeit, Interozeption und sensorischer Verarbeitung assoziierten Regionen
deutlich stärker ausgeprägt waren als bei den Kontroll-Probanden. Auch ließ sich
errechnen, dass der altersbedingte, normale Abbau der kortikalen Substanz durch die
Praxis verlangsamt wird. „This data provide the first structural evidence for experiencedependent cortical plasticity associated with meditation practice“ (Lazar et al., 2005, S.
1893). Wiederum stärkt auch diese Studie die Hypothesen 3.1 und 3.2 dieser Arbeit:
„Our findings suggest that cortical plasticity can occur, in adults, in areas important for
cognitive and emotional processing” (Lazar et al., 2005, S. 1896).
Die wohl einschlägigste Veröffentlichung über Effekte (der 3. Art) und
Mechanismen der Achtsamkeitspraxis wurde 2003 von Richard Davidson und Kollegen
publiziert: “Alterations in Brain und Immune Function Produced by Mindfulness
Meditation”. In der Studie wurde der Einfluss eines 8-wöchigen MBSR-Kurses auf
Asymmetriemaße der EEG-Aktivität und auf die Effizienz einer Grippe-Immunreaktion
erfasst. Die EEG-Asymmetrie im Ruhezustand ist ein mittlerweile gut erforschter
Indikator für dispositionale Affekte, ermöglicht also Vorhersagen, ob der Proband im
Alltag eher mit negativen oder positiven Emotionen auf die Herausforderungen des
Lebens reagiert (Davidson, 2004a, 2004b). Menschen mit stärkerer linksseitiger
Aktivierung im EEG-Spektrum zeigen dispositional eher positive Emotionen, erholen
sich schneller von stresshaften Ereignissen (Davidson, 2002; Davidson & Harrington,
2002) und zeigen verbesserte Funktionalität des Immunsystems (Davidson, 2004b;
Davidson et al., 2003). Davidson und Kollegen konnten zeigen, dass nach der MBSRIntervention bei gesunden Normalprobanden eine Verschiebung der Aktivierungsmaße
von rechts- zu linksseitiger Aktiviertheit stattfand, sowie eine größere Antikörperproduktion auf die Grippe-Immunisierung hin erfolgte. Diese beeindruckenden
Ergebnisse untermauern die in dieser Arbeit (Absatz 2.6) aufgestellte These 2a/b des
mit Achtsamkeitspraxis zunehmend schnelleren Abfalls der emotionalen Reaktion auf
negative Stimuli hin, für die Daniel Goleman bereits 1976 (Goleman & Schwartz, 1976)
64
Theoretische Grundlagen
Belege sammeln konnte: „Schnellerer Stressabbau ist eine typische Eigenschaft von
Meditierenden“ (Goleman, 1997b, S. 222). Mit den Worten von Davidson und Kollegen
lässt sich das Gewicht von deren Ergebnissen für die hier vorzustellende Untersuchung zusammenfassen: „We have suggested on the basis of a growing literature on
the neural bases of emotion regulation that left-sided anterior activation is associated
with more adaptive responding to negative and/or stressful events. Specifically,
individuals with greater left-sided anterior activation have been found to show faster
recovery after a negative provocation” (Davidson et al., 2003, S. 569). Damit wird der
Achtsamkeitspraxis, die bereits nach 8 Wochen in der Lage ist, die frontale EEGAsymmetrie im Ruhezustand in Richtung linksseitiger Aktiviertheit zu verändern, eine
kausale Rolle (Davidson & Harrington, 2002) für eine adaptivere Emotionsregulation,
speziell eine schnellere Erholung von stresshaften Reizen zugeschrieben. Diese
Befunde konnten vor kurzem durch eine Studie (Effekte der 3. Art) von Aftanas und
Golosheykin (2005) gestützt werden, wenngleich diese eine andere Meditationstechnik
untersuchten, hier die Sahaya Yoga Tradition. Ebenfalls mit EEG-Methodik
überwachten sie die Reaktionen von Meditierenden und Nichtmeditierenden auf
aversive Filmclips und kamen zu dem Ergebnis: „Experienced meditators manifest
EEG signs of overall lower tonic arousal and greater proneness to sustain internal
focus of attention. The EEG power findings are the first EEG-correlate of the theoretical
assumption that meditators have better capabilities to moderate their intensity of
emotional arousal” (Aftanas & Golosheykin, 2005, S. 906).
Die erste Studie, die gezielt den Einfluss von Achtsamkeit (Effekte der 2. Art)
auf die Emotionsverarbeitung operationalisiert, ist im Dezember 2006 erschienen:
„Mechanisms of Mindfulness: Emotion regulation following a focused breathing
induction“ (Arch & Craske, 2006). Die Autorinnen operationalisieren den Einfluss von
Achtsamkeit über die Durchführung einer 15-minütigen, geleiteten Atemachtsamkeit
aus Kabat-Zinn´s MBSR-Programm, bevor den Probanden emotional erregende und
negativ-valente Bilder aus dem „International-Affective-Picture-System“ („IAPS“)
gezeigt werden. Im Vergleich zu den Kontrollgruppen zeigen die Probanden in der
Atemachtsamkeitsgruppe weniger selbstberichteten negativen Affekt, größere affektive
Stabilität, und eine größere Bereitschaft, weitere negative Bilder zu betrachten. Diese,
zwar lediglich auf Selbsteinschätzung beruhenden Ergebnisse sind nach Wissen des
Verfassers die ersten, die einen systematischen Einfluss von experimentell manipulierter Achtsamkeit auf die Emotionsverarbeitung zeigen. Keiner der Probanden, auch
nicht diejenigen in der Achtsamkeitsbedingung, hatte vorher Erfahrungen mit irgendeiner Meditationstechnik gemacht. Dass eine derart kurze Intervention bereits mess-
65
Theoretische Grundlagen
bare Ergebnisse zeitigt, ist unter diesen Umständen durchaus als beeindruckend zu
bezeichnen. Arch und Craske resümieren, die gefundenen Ergebnisse „may be viewed
as a more adaptive responding to negative stimuli (by the focused breathing group,
Anm. des Verfassers). The results are discussed as being consistent with emotional
regulatory properties of mindfulness” (Arch & Craske, 2006, S. 1849). In einer
unveröffentlichten Studie von Erisman, Salters-Pedneault und Roemer (2005) wird der
Zusammenhang
von
zunehmender
Achtsamkeit
im
Alltag
und
steigender
Emotionsregulationsfähigkeiten (beides über Fragebögen erhoben) korrelativ bestätigt.
Diese ersten, ermutigenden, wenn auch zahlenmäßig geringen Befunde stützen
die Stoßrichtung der tragenden Fragestellung dieser Arbeit, die sich direkt in die
neuesten Entwicklungen und Forderungen der Achtsamkeitsforschung einreiht, wie
folgende Zitate zeigen mögen:
„In addition, it will be important to determine whether mindfulness training alters
one’s relationship to one’s thoughts, feelings and symptoms, the stated target of this
intervention. This is a challenging dependent measure to operationalize“ (Roemer &
Orsillo, 2003, S. 174).
„Linehan (1994) suggests that mindfulness improves distress tolerance, and
Kabat-Zinn (1990) suggests that a mindful response is distinct from a stress reaction in
that an individual may experience arousal but he or she is aware of the full context and
therefore is able to return to a state of equilibrium more rapidly. Thus, researchers
suggest that one outcome of mindfulness is improved emotion regulation” (Roemer &
Orsillo, 2003, S. 175).
„However, nonjudgemental acceptance and decentering are expected to help
one respond to the emotional content of a given context and recover from that
response more quickly than an individual who is unable to see the larger context. Thus,
studies that specifically explore the impact of mindfulness on emotional flexibility (i.e.,
experiencing emotions and recovering from those emotional responses) may be
beneficial” (Roemer & Orsillo, 2003, S. 175).
„Another outcome that may be particularly useful to explore is emotion
regulation or emotional flexibility“ (Roemer & Orsillo, 2003, S. 175).
Die oben (2.2.6) vorgestellte Definition und die beschriebenen Wirkmechanismen führen nach Hayes und Feldman (2004) und Berking und Znoj (2006) den Blick
der Forschung also auf ein Gebiet, das ebenso wie Achtsamkeit den Umgang mit
Emotionen
thematisiert:
Die
wissenschaftlichen
Theorien
und
Befunde
zur
Emotionsverarbeitung (Arnold, 1960; Demos, 1995; Ekman & Davidson, 1994; Frijda,
1986; Izard, 1977; Lane & Nadel, 1999; Lewis & Haviland-Jones, 2000; Mayne &
66
Theoretische Grundlagen
Bonanno, 2001; Panksepp, 1998; Scherer, 2000; Tomkins, 1984) und vor allem zur
Emotionsregulation (Gross, 2006). Nach Hayes und Feldman (2004), die in ihrem
Artikel „Claryfying the Construct of Mindfulness in the Context of Emotion Regulation
and the Process of Change in Therapy” diese Thematik erstmalig ausführlich thematisieren, stellt Achtsamkeit gleichsam den „missing link“ zwischen Vermeidung und
Anhaftung (Sucht, Gier, Überwältigtwerden, den Emotionen erliegen, sie sofort
ausleben) dar. Beide Wege, mit Emotionen umzugehen, wurden mittlerweile, auch
empirisch bestätigt, als destruktiv für die psychische Gesundheit eingestuft (Hayes &
Feldman, 2004). Was jedoch der ideale, ausbalancierte und gesunde Umgang mit
Emotionen genau sein könnte, und wie dieser erreichbar wird, ist den beiden Autoren
folgend weniger klar. Nach allen bisherigen Ausführungen leiten sich hier jedoch klare
Vorhersagen aus der Achtsamkeitspraxis ab, die einen heilsamen und sinnvollen
Umgang mit Emotionen und mentalen Vorgängen darzustellen scheint. Diese
Vorhersagen will die hier berichtete Studie untersuchen.
Die hier zugrunde liegende Fragestellung bezieht sich also auf Effekte der 3. Art
und sieht sich in der Gefolgschaft der Entwicklung der Forschungsperspektiven hin zur
Untersuchung der durch Achtsamkeit bewirkten Veränderungen der Emotionsverarbeitung: Welche Auswirkungen hat regelmäßige Achtsamkeitspraxis auf die
Emotionsverarbeitung in der normalen Alltagsverfassung? Führt Achtsamkeitsmeditation zu einer allmählichen Transformation der emotionalen Reaktionen und des
Gefühlserlebens der Praktizierenden? Eine neue Studie von Nielsen und Kaszniak
(2006), in der bei den Achtsamkeitsmeditierenden eine gegenüber der Kontrollgruppe
erhöhte selbstberichtete Klarheit der Gefühlswahrnehmung festgestellt wurde,
resümiert: „In summary, long-term meditation practice may entrain automatic emotional
regulatory mechanisms, fundamentally changing the way in which practitioners
respond to ambiguous emotional events and altering the quality of experiences through
changes in motivation and attention“ (S. 403).
Nach diesen Argumentationen für die in dieser Arbeit aufgestellten Hypothesen
aus Sicht der Meditationsforschung sollen nun im Anschluss die Emotionstheorie und
-forschung zu Wort kommen und aus deren Perspektive die durch die Achtsamkeitspraxis zu erwartenden Veränderungen beleuchtet werden.
67
Theoretische Grundlagen
2.3
Überblick über die Emotionsforschung
„Emotion is to be used and to help one grow: spiritually,
intellectually, in every way!”
Magda B. Arnold
Das Wort „Emotion“ stammt aus dem Lateinischen: „emotio“ = heftige Bewegung,
„emovere“ = herausbewegen, erschüttern. „Affekt“: Dieser Begriff ist aus dem griechischen Páthos (Leidenschaft) entstanden, aus welchem bei der Verbreitung ins Lateinische „afficere“ (einwirken, behandeln) und schließlich „affectus“ (Zustand, vor allem:
Leidenschaft, Begierde) wurde (Störig, 1999).
Wie in der Einleitung bereits angedeutet, ist das Verhältnis des Menschen zu
seinen Emotionen durchaus seit langem Gegenstand von Theorien der Philosophie
und Psychologie. In der Alltagssprache werden verwandte Begriffe wie Stimmung,
Gefühl, Affekt häufig synonym verwendet und sollen daher an dieser Stelle aus
wissenschaftlicher Sicht differenziert werden. Klaus Scherer, ein bedeutender Emotionsforscher, hat hierzu einen Überblicksartikel veröffentlicht (Scherer, 2000), der
versucht, durch akkurate Unterscheidung der verschiedenen affektiven Untersuchungsgegenstände einige der gängigsten Uneinigkeiten und Streitpunkte unter den Forschern einer Auflösung entgegen zu führen:
Das moderne Verständnis der wissenschaftlichen Psychologie und der Neurowissenschaften verwendet „Affekt“ als Oberbegriff für „Emotionen“ und „Stimmungen“,
also für Phänomene, die mit einem veränderten subjektiven Befinden einhergehen
(Meyer, Schützwohl & Reisenzein, 2003). Das Verständnis der Emotionen ist, wie viele
andere Gegenstände in der psychologischen Forschung auch, kein von allen Schulen
und Forschern geteilter Konsens. Die verschiedenen Blickwinkel werden weiter unten
erörtert (2.3.3); hier soll zu Definitionszwecken die nunmehr auf breite Zustimmung
stoßende Sicht auf Emotionen als synchronisierte, vorübergehende Prozesse, die aus
mehreren Komponenten bestehen (Scherer, 2000, 1984), eingeführt werden:
„Emotions are episodes of coordinated changes in several components (including at
least neurophysiological activation, motor expression and subjective feeling, but
possibly also action tendencies and cognitive processes) in response to external or
internal events of major significance to the organism“ (Scherer, 2000). Ausgehend von
der klassischen Dreikomponenten-Theorie von Izard (1977), die eine Emotions-„Trias“,
bestehend aus neurophysiologischer Komponente, motorisch-expressiven Veränderungen und subjektivem Erleben, postulierte, haben im Laufe der Zeit die beiden zusätzlichen Komponenten Kognitionen und motivationale Prozesse bzw. Handlungs-
68
Theoretische Grundlagen
tendenzen das Bild der emotionalen Vorgänge komplettiert (Scherer, 2000). Emotionen
sind also teils intensive Reaktionen von eher kürzerer Dauer, die sich auszeichnen
durch eindeutigen Objektbezug (z.B. wütend auf die rote Ampel), kognitive
Komponenten (Evaluationen von Situationen, z.B. „Gas geben oder bremsen?“),
phänomenologisch erlebte Gefühlskomponenten (Gefühl von Wut), spezifische
motivationale Verhaltenstendenzen oder bereits konkrete Verhaltensweisen (bei Wut:
z.B. hohe Aktiviertheit, bzw. tatsächliches Fluchen, Schlagen etc.; bei Freude: Lachen
etc.), sowie schnellen, kurzfristigen physiologischen (z.B. Erhöhung von Puls, Atmung,
Schweißdrüsenaktivität) und Ausdrucksveränderungen (Mimik, Gestik, z.B. Grimmasse
bei Wut) (Scherer, 2000). Wie bereits erwähnt, wird mit „Gefühl“ die subjektiv und
bewusst erlebte Komponente dieser Reaktionskaskade bezeichnet (Scherer, 2000).
Grundsätzlich wird von nahezu allen Autoren das Prinzip der „response system
- coherence“ mitgetragen, also die Annahme, dass aufgrund von Wechselwirkungen
die Synchronisation der einzelnen Komponenten mit zunehmender Emotionsintensität
immer mehr ansteigt – eine steigende Aktivität in einer der Komponenten würde
demzufolge mit ebenso höheren Werten in den übrigen Komponenten einhergehen,
wobei diese Assoziation mit steigender Emotionsintensität immer besser wird (Mauss
et al., 2005). Dieses Prinzip macht man sich vor allem bei der Emotionsmessung zu
Nutze (Bradley & Lang, 2000), wo vermittelt durch die Erfassung einer Komponente
(z.B. der physiologischen) auf die Intensität einer anderen (z.B. das subjektive Gefühl)
geschlossen wird. Schon Izard (1977) warnte jedoch davor, eine einzige Komponente
als einen vollständigen Hinweis für die Darstellung der anderen Komponenten oder der
Emotion als ganzes anzusehen. Nach Izard (1977) besitzt durchaus jede einzelne
Komponente ausreichende Autonomie, um von den übrigen gleichsam dissoziiert sein
zu können. Vor allem die Beziehung Gefühl – Physiologie wurde nach Mauss,
Levenson, McCarter, Wilhelm und Gross (2005) von einigen Autoren in vergangenen
Untersuchungen als teils schwach bezeichnet. Einige Experimente förderten gar keine
oder sogar eine negative Assoziation zwischen den einzelnen Komponenten zutage
(siehe Bonanno, 2001; Mauss et al., 2005). Vor allem individuellen Unterschieden in
der physiologischen Reaktivität, der Emotionsregulation und dem Gewahrsein der
emotionalen Reaktionen sind nach Mauss et al. (2005) diese Phänomene geschuldet:
„Likewise, there might be individual differences in physiological reactivity or awareness
of emotional responding, leading to varying degrees of experience – physiology or
experience – behavior association” (Mauss et al., 2005, S. 186). Auch Anders, Lotze,
Erb, Grodd und Birbaumer (2004) fanden in einer fMRI-Studie, dass die verbalen
Gefühlsberichte der Probanden und die Intensität der EDA- und Startle-Reaktionen
69
Theoretische Grundlagen
unterschiedlich stark korrelieren können: „(…) presumably depending on changing
levels of attention and cognitive processing during stimulus perception, the degree to
which periphal physiologic responses and verbal reports of valance and arousal are
correlated varies“ (Anders et al., 2004, S. 207). Bradley, Codispoti, Cuthbert und Lang
(2001) berichten von einer Untersuchung, die für gleichgeschlechtliche Erotika eine
Dissoziation von Startle-Reflex, EDA und Gefühl belegte: „In any event, these data
define same-sex erotic pictures as a dramatic instance of response system
discordance” (S. 295). Anders el al. (2004) zeigen, dass den verschiedenen Komponenten unterschiedliche Gehirnregionen zugrundegelegt sind (siehe dazu 2.3.4),
wodurch eine isolierte Modulation erklärbar wird: „The (…) important finding of this
study is the functional segregation of brain structures underlying periphal physiologic
responses and verbal reports. Startle reflex augmentation was associated with
amygdalar activity and SCRs with frontomedial activity, whereas verbal reports of
valence and arousal were associated with insular and thalamic activity, respectively”
(Anders et al., 2004, S. 205). Lang, Bradley und Cuthbert (1998b) folgern: „Relationships between specific measures can vary widely for individuals and to some extent
between particular groups” (S. 393). Diese Erkenntnisse sind von entscheidender
Relevanz für die Hypothesen 1a / 1b und 3.1 / 3.2 in Abschnitt 2.6, die eine durch
Achtsamkeitspraxis
vermittelte
Dissoziation
der
Gefühlskomponente
und
der
motivationalen / peripherphysiologischen Komponente prognostizieren.
Im Zuge der Funktionsbestimmung werden die Komponenten von Scherer
(1984, 2000) fünf unterschiedlichen Emotionssystemen bzw. -funktionen zugeordnet:
•
Das Informationsverarbeitungssystem (kognitive oder Appraisal-Komponente)
•
Das Versorgungssystem (neuro- und peripherphysiologische Komponente)
•
Das Steuerungssystem (motivationale Komponente)
•
Das Aktionssystem (Ausdruckskomponente)
•
Das Monitorsystem (Gefühlskomponente)
Das Informationssystem dient der Bewertung der Relevanz interner und
externer Reize. Die kognitive oder auch Appraisal (Bewertung) -Komponente der
emotionalen Reaktion wird ausführlich unter 2.3.3 auseinandergesetzt, da sie die
wichtigste Komponente eines Zweiges von psychologischen Emotionstheorien
darstellt.
Das Versorgungssystem umfasst einerseits die zentralnervösen Vorgänge im
Gehirn, welche bei den neurowissenschaftlichen Emotionstheorien unter Abschnitt
2.3.4 behandelt werden, wie auch peripherphysiologische Reaktionen. Diese dienen
der Aufrechterhaltung und Regulierung lebenserhaltender Funktionen und der
70
Theoretische Grundlagen
schnellen Energieversorgung und Anpassung des Organismus an signifikante
Situationen, die u.U. Kampf- oder Fluchtreaktionen nahe legen. Sie werden überwacht
und initiiert vom vegetativen Nervensystem (VNS, siehe auch Schandry, 1998, 2006),
welches die autonomen Körperfunktionen kontrolliert. Es ist in zwei Subsysteme
unterteilt, den sympathischen und den parasympathischen Anteil, wobei beide in
funktioneller Hinsicht Antagonisten darstellen: In der Regel wirkt der Sympathikus eher
auf erhöhte momentane Leistungsfähigkeit des Organismus, der Parasympathikus
dagegen dämpft das Erregungs- und Aktivitätsniveau des Organismus. Das VNS
innerviert neben den inneren Organen („glatte Muskulatur“) die Drüsen, die Blutgefäße
und die Haut. Damit vermag es die Steuerung von kardiovaskulärer Aktivität,
elektrodermaler Aktivität, Pupillenweite, Temperatur, Atmung, Schweißdrüsen zu
übernehmen und reguliert diese Parameter in Zeiten hoher Energieanforderung, so
genannter ergotroper Reaktionslagen (z.B. bei einer emotionalen Episode), nach oben
(Schandry, 1998). Das Versorgungssystem leistet also die schnelle und unwillkürliche
Auslösung physiologischer Prozesse, die zur Bereitstellung von Energie und Aktiviertheit führen. Es sollte in diesem Sinne im Zuge einer emotionalen Reaktion umso
stärker aktiviert werden, je bedrohlicher bzw. handlungsfordernder eine interne oder
externe Situation erscheint (Bradley & Lang, 2000; Bradley et al., 2001; Schandry,
2006). Zur Erfassung von Unterschieden in der Reaktivität des Versorgungssystems
wurde in der hier vorzustellenden Studie die elektrodermale Aktivität (EDA) erhoben
(siehe dazu auch Abschnitt 2.5.2). Da durch Achtsamkeitspraxis die Kampf- / FluchtReaktivität abgebaut werden soll (siehe 2.2.6), wird in Hypothese 3.1 in Abschnitt 2.6
eine analoge Absenkung der neurophysiologischen Reaktivität, operationalisiert über
die EDA, postuliert.
Das Steuerungssystem umfasst die für diese Arbeit zentralen emotionalen
Motivationsschaltkreise „approach“ (Annäherung) und „avoidance“ (Vermeidung), die
von den meisten Emotionswissenschaftlern in der einen oder anderen Form als
grundlegend für die gesamte Organisation tierischer und menschlicher Emotionsverarbeitung verstanden werden, da sie ein Produkt der evolutionären Sicherung des
Überlebens darstellen (Bradley & Lang, 2000; Davidson, 2003; Lang, 1995). Im Falle
möglicher Bedrohung des Organismus durch aversive Reize wird unmittelbar das
defensive „avoidance“ Motivationssystem aktiviert, ein neuronaler Schaltkreis, der
vermittelt durch somatische und autonome Bereitstellungsprozesse, Flucht, Rückzug,
Vermeidung oder Angriff vorbereitet. Entsprechend tritt nach Bradley et al. (2001) unter
positiv valenten Stimulusbedingungen, die Überleben, Versorgung und Wachstum des
Organismus dienlich sind, das appettitive „approach“ Motivationssystem in Kraft.
71
Theoretische Grundlagen
Hierbei wird der Organismus durch sinngemäße physiologische Veränderungen zur
lustvollen bzw. positiv valenten Reizquelle hingeführt, wobei der neuronale Schaltkreis
den Organismus grundlegend auf Nahrungsaufnahme, Hinwendung, Ergreifen,
Einverleiben und Kopulation vorbereitet (Bradley et al., 2001). Anthony, (1985), Davis
(1997), Lang (1995), Vrana, Spence und Lang (1988) haben zur Erfassung der Stärke
dieser emotionalen Motivationskomponente die Verwendung des so genannten
„Startle“ (Schreckreflex) -Paradigmas eingeführt, welches unter 2.5.1 ausführlicher
skizziert wird, da es in dem hier vorzustellenden Experiment zur Erfassung der
motivationalen Reaktivitätsunterschiede eingesetzt wurde.
Das Aktionssystem, dessen Funktion eher die Bezeichnung „Ausdruckskomponente“ gerecht wird, ist für die hier durchgeführte Studie nicht weiter relevant
und wird daher nur kurz gestreift. Diese Emotionskomponente beschreibt die
motorisch-expressiven Korrelate von emotionalen Episoden, also Mimik, Gestik,
Stimme und Körperhaltung. Ekman (1991), der in diesem Bereich maßgebende
Forscher, argumentiert für evolutionär angelegte, kulturübergreifende genetisch vermittlelte, neuronale Schaltkreise, die den emotionalen Ausdruck zu kommunikativen
Zwecken bahnen. Im Zuge der so genannten kategorialen Emotionstheorien wird dies
unter 2.3.3 noch einmal aufgegriffen.
Dem Monitorsystem, wie die Gefühlskomponente von Scherer (1984) genannt
wird, kommt die Funktion zu, alle anderen Vorgänge quasi zu integrieren und zu einer
Gesamtschau zusammen zu führen. Das subjektive Gewahrsein, von den Philosophen
„Qualia“ genannt (Beckermann, 2000), dient des Weiteren zur Reflektion der gegenwärtigen Zustände und, wie weiter unten (2.3.4) bei den neurowissenschaftlichen
Emotionstheorien zu sehen sein wird, über bestimmte Gehirnregionen, die bewusster
Kontrolle unterliegen, auch der Analyse und Steuerung von Regulationsstrategien.
Bradley und Lang (2000) weisen auf den funktionalen und informellen Gehalt der
Emotionen hin, zu denen nur ein bewusster Zugang möglich ist. Nach Shapiro et al.
(2006) wird diese Fähigkeit der Gefühlskomponente durch Achtsamkeitspraxis
verbessert, da im Laufe der Praxis bewusster Zugang zu zunehmend mehr Informationen ermöglicht wird, die vormals unterhalb der Wahrnehmungsschwelle verblieben
(siehe 2.2.6).
Zur Abgrenzung der Emotionen geht Scherer (2000) zusätzlich kurz auf die
Stimmungen ein, die sich von Emotionen durch geringere Intensität und längere
Zeitdauer unterscheiden. Auch müssen deren auslösende Faktoren nicht immer
bewusst werden. Stimmungen lösen gewöhnlich kein objektgerichtetes, spezifisches
Verhalten aus, und werden als eher diffus erlebt. Sie gehen meist mit nur wenigen oder
72
Theoretische Grundlagen
gar keinen kognitiven Inhalten einher (Larsen, 2000; Morris & Reilly, 1987). Scherer
(2000) fügt diesen beiden affektiven Zuständen zur besseren Differenzierung noch die
Haltung oder Tönung in zwischenmenschlichen Interaktionen / Beziehungen
(distanziert, warm, herzlich, unterstützend, misstrauisch) die Einstellungen (relativ
andauernde, affektiv getönte Haltung einer Person oder einer Sache gegenüber, z.B.
mögen, lieben, hassen, wertschätzen, ersehnen etc.) sowie die Persönlichkeitseigenschaften (affektiv getönte, stabile Persönlichkeitsdispositionen und Verhaltenstendenzen, die für eine Person typisch sind, z.B. nervös, ängstlich, eifersüchtig,
waghalsig, feindselig etc.) hinzu. In Tabelle 1 sind die Eigenschaften dieser affektiven
Zustände zusammengefasst, um deren Unterscheidung zu erleichtern:
Tabelle 1: Abgrenzung verschiedener affektiver Zustände [nach Scherer, 2000].
Affektiver Zustand
Intensität
++ ĺ
Emotion
+++
Stimmung
Haltung in
zwischenmenschlichen
Interaktionen
Einstellungen
Persönlichkeitseigenschaften
+ĺ
++
Objektbezug
Auslösung
von
kognitiven
Bewertungsprozessen
Veränderungsgeschwindigkeit
Auswirkung
auf
Verhalten
+++
+++
+++
+++
+++
+
+
+
++
+
+
++
+
+++
++
0
0
+
0ĺ+
+
0
0
0
0
+
Dauer
Synchronisation aller
reagierenden
Subsysteme
+
++
+ĺ
+ĺ
++
++
0ĺ
++ ĺ
++
+++
0ĺ+
+++
Mit dieser Arbeitsdefinition von „Emotion“ und der Differenzierung gegenüber
anderen affektiven Prozessen und Zuständen soll der Gegenstand nun unter verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. Um zu einem breiten Verständnis der in
diesem Experiment eingesetzten Methodik der Emotionsmessung zu gelangen und die
Anknüpfung an die Achtsamkeitsforschung zu leisten, wird zunächst einleitend ein
kurzer Überblick über die generelle buddhistische Sichtweise auf Emotionen gegeben.
Dann wird auf die relevanten philosophischen Vorüberlegungen und deren Geschichte
eingegangen, um sodann auf wesentliche aktuelle psychologische und neurowissenschaftliche Emotionstheorien überzuleiten. Es folgt eine Analyse der Befunde der
Emotionsregulationsforschung sowie der erwarteten Effekte von Achtsamkeit auf diese
Prozesse. Zum Abschluss werden die eingesetzten Emotionsmaße vorgestellt.
73
Theoretische Grundlagen
2.3.1 Buddhistische Sicht der Emotionen
„Zuneigung oder
Abneigung sind an sich keine geistigen
Hemmnisse. Wenn man Rosenkohl nicht mag, ist das so lange kein
geistiges Hemmnis, wie es nicht mit Aversion oder Anhaften
verbunden ist. Die bloße Tatsache, dass ein heftiges Gefühl
entsteht, ein kraftvoller Geisteszustand oder eine kraftvolle
Emotion, bedeutet nicht zwangsläufig, dass daraus ein geistiges
Hemmnis entsteht.”
Dalai Lama XIV in Goleman (2005, S. 494)
Vieles zu diesem Themenkomplex ist bereits in Kapitel 2.1 zur Sprache gekommen.
Zur Abgrenzung von den abendländischen Perspektiven wird daher hier lediglich eine
kurze Zusammenfassung und Verdichtung geleistet.
Im Buddhismus wird auf eine gänzlich andere Art zwischen Geisteszuständen
differenziert, als dies bei uns in der westlichen Welt der Fall ist (Goleman, 2005). Die
traditionellen Sprachen Pali, Sanskrit oder Tibetisch haben kein eigenes Wort für
„Emotion“ (siehe Ekman, Davidson, Ricard & Wallace, 2005). Hier wird Fühlen und
Denken als integrale Einheit aufgefasst (Goleman, 2005) und generell von „geistigen
Zuständen“ gesprochen. „Die Buddhisten unterscheiden zwischen heilsamen und unheilsamen Bewusstseinszuständen insofern, als heilsame Zustände uns der spirituellen
Erweckung näher bringen, während unheilsame diese Erweckung behindern. Der
Westen unterscheidet dagegen zwischen angenehmen – positiven – und unangenehmen – negativen – Emotionen. Im Westen geht es letztlich darum, ob eine Emotion
als angenehm empfunden wird, während Buddhisten eine Emotion (…) danach beurteilen, ob sie den spirituellen Fortschritt fördert oder behindert“ (Goleman, 2005, S.
177). Dieser Fortschritt wird daran gemessen, inwieweit man in der Lage ist, die wahre
Natur der Realität zu erkennen, und im Einklang mit ihr zu Einsicht und Illusionsfreiheit
gelangt (siehe Kapitel 2.1).
Die
heilsamen
(„wholesome“)
Geisteszustände
Gelassenheit,
Mitgefühl,
Freude, liebende Güte (welche Buddhisten als die natürlichen Zustände unseres
Geistes betrachten) führen zu „Sukha“, (etwa „Glück”, „Erfüllung”) „a state of flourishing
that arises from mental balance and insight into the nature of reality. Rather than a
fleeting emotion or mood aroused by sensory and conceptual stimuli, sukha is an
enduring trait that arises from a mind in a state of equilibrium and entails a conceptually
unstructured and unfiltered awareness of the true nature of reality” (Ekman, Davidson,
Ricard & Wallace, 2005, S. 60, Hervorhebung im Original). Hier ist festzuhalten, dass
74
Theoretische Grundlagen
es dabei keine Rolle spielt, welche kurzfristigen Emotionen oder Empfindungen erlebt
werden (diese können durchaus „negativ“ sein), solange sie auf den Boden einer
heilsamen Geisteshaltung fallen, wo sie keine weiteren (unheilsamen) Effekte zeitigen.
Dementsprechend führen die destruktiven, betrübenden („afflictive“) Geisteszustände Gier (Anhaftung), Aversion und Unwissenheit bei Kontakt mit kurzfristigen
emotionalen Empfindungen zu „Duhka“ (Kapitel 2.1). „(…) often translated as ‚suffering’
is not simply an unpleasant feeling. Rather, it refers most deeply to a basic vulnerability
to suffering and pain due to misapprehending the nature of reality” (Ekman, Davidson,
Ricard & Wallace, 2005, S. 60). Das Ziel der buddhistischen Praxis ist nicht, die kurzfristigen affektiven Zustände zu manipulieren, sondern die grundlegende heilsame
Haltung des Sukha zu erlangen, „(…) which arises from the attentional, emotional and
cognitive balance of the mind” (Ekman, Davidson, Ricard & Wallace, 2005, S. 60), um
die Wirklichkeit zu sehen, wie sie ist, „so that one can learn to distinguish between the
way things are as they appear to the senses and the conceptual superimpositions one
projects upon them“ (ebd.). Für den Buddhisten ist somit vor allem bedeutsam, zu
verstehen, welche Art von Geisteszuständen auf lange Sicht förderlich für das
Wohlergehen sind – für das eigene als auch für das aller anderen (siehe dazu auch
Leifer, 1999). Zum buddhistischen Verständnis der Emotionen ist besonders zu
empfehlen „Dialog mit dem Dalai Lama – wie wir destruktive Emotionen überwinden
können“ von Daniel Goleman (2005).
2.3.2 Philosophische Emotionstheorien
„Wisdom is the harmony of reason and passion”
Robert C. Solomon
Die wissenschaftliche Emotionsforschung steht in einer langen Tradition philosophischer Erklärungssysteme, die zur besseren Einbettung der danach vorgestellten
psychologischen und neurowissenschaftlichen Emotionstheorien in Anlehnung an
Solomon (1993) kurz skizziert werden. Solomon betont in seinem Artikel „The
Philosophy of Emotions“ ausdrücklich den Wert der Kenntnis von philosophiegeschichtlichen Hintergründen für die aktuelle Emotionsforschung (Solomon, 1993, S. 4).
Da die Philosophie sich im Verlauf ihrer Geschichte meist als Entwicklung
immer tieferer, vernunft-vermittelter Einsicht verstand (z.B. nach G.W.F. Hegel, siehe
dazu Störig, 1999) führten die Affekte seit jeher eher ein Schattendasein (Solomon,
1993). Nach Fonagy et al. (2004) und Nussbaum (1994) bestimmten im Denken des
Menschen über Affekte von Anfang an zwei Positionen die Theoriebildung: a) Affekte
75
Theoretische Grundlagen
sind im Idealfall mit der Vernunft, der Kognition integrierbar und integriert, sie haben
ihren Nutzen, ihren Wert. b) Affekte sind unabhängig vom rationalen Denken, entziehen sich seinem Einfluss und laufen ihm zuwider; sie müssen daher möglichst auf
irgendeine Weise dominiert oder ausgeschaltet werden. Diese beiden Perspektiven
werden bis in die heutige Zeit von vielen Theoretikern als unvereinbar betrachtet und
führten unter der Bezeichnung „Kognition - Emotion Debatte“, die vor allem zwischen
Zajonc und Lazarus ausgetragen wurde (Lazarus, 1999; Zajonc, 2000), zu einer regelrechten Lagerbildung (Fonagy et al., 2004). Grundlegend hierfür war Platon´s (427 –
347 v. Chr.) Vorschlag, die menschliche Seele als dreigeteilt zu verstehen: Er
postulierte getrennte Bereiche für Kognition, Emotion und Motivation (Hirschberger,
1991; Störig, 1999). Dennoch gab es in der Philosophiegeschichte immer wieder auch
Versuche, sich aus der Umklammerung von einer der Positionen a) oder b) zu lösen
und eine Integration zu wagen.
Mit Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) lässt sich nach Hirschberger (1991) der erste
Vertreter der Position a) benennen. Er vertrat eine ausgewogene Haltung den Affekten
gegenüber und wies Platon´s Idee der getrennten Systeme zurück. Affekte haben
seiner Ansicht nach ihren Wert als Urteile über die Welt, die sowohl berechtigt als auch
unberechtigt sein können. Damit sind sie nicht ihrer Natur nach dem rationalen Denken
gegenübergestellt, sondern nur in dem Maße, wie der Mensch aufgrund von Charakterschwäche nicht genügend in der Lage ist, sie adäquat zu modulieren und auszudrücken. Für ihn haben Affekte einen grundsätzlichen Wert für ein glückliches Leben,
er vermutet ausdrücklich, dass es möglich ist, den Umgang mit ihnen zu erlernen und
zu beeinflussen. Aristoteles erkennt jedoch durchaus an, dass Affekte aus dem Ruder
laufen können, dass sie in ihren Extremformen schwierig zu handhaben sind, sieht sich
aber dennoch auf eine Vereinigung von Vernunft und Gefühl verpflichtet, und weist so
als erster den Weg zu einer möglichen Theorie der Affektregulierung (Fonagy et al.,
2004). Sein Vorschlag dazu war, den Umgang mit ihnen als einen Mittelweg zwischen
den Extremen des Bekämpfens und des übermäßigen Auslebens zu gestalten.
Als Gegenposition zum aristotelischen Affektverständnis und Vertreter der
Position b) ist die Ansicht der Stoa zu verstehen (Störig, 1999). Zenon von Kition (ca.
333 – 264 v. Chr.) war der Begründer dieser wirkmächtigen philosophischen Tradition
abendländischer Philosophie, die der Theorie, man könne Affekte integrieren oder
regulieren widersprach. Affekte seien autonome Erscheinungen, stünden meist mit den
rationalen Werten im Konflikt, und entzögen sich der Einflussnahme des Menschen.
Die Stoiker verstanden Affekte als im Grunde falsche Urteile über die Welt, die den
Menschen lediglich vom richtigen Weg abbrächten, und daher nicht mit einem
76
Theoretische Grundlagen
glücklichen und vernunftgemäßen Leben in Einklang zu bringen seien. Ihre Folgerung
daraus schlug sich nieder in dem Term „Apatheia“ (Apathie): Angeraten wurde, eine
Haltung der psychischen Apathie und Indifferenz einzunehmen und so die Affekte zu
versklaven und zu kontrollieren (Solomon, 1993). Diese Einstellung ist im Laufe der
Zeit in nicht zu unterschätzendem Maße in der westlichen Welt in das kulturelle
Selbstverständnis eingegangen (Fonagy et al., 2004). Die römische Kirche, die das
Welt- und Menschenbild des westlichen Abendlandes entscheidend geprägt hat, stand
den Affekten und dem Körper feindlich gegenüber (de Sousa, 1991), die sie
größtenteils als unethisch, selbstsüchtig, dämonisch und sündhaft kategorisierte. Die
höchsten Tugenden, wie Liebe, Hoffnung, Glaube wurden im Zuge dessen gar nicht als
Affekte verstanden sondern als Teil des Verstandes eingeordnet (Solomon, 1993).
Im weiteren Zeitverlauf nach dem Mittelalter erwies sich René Descartes (1596
– 1650) mit seinem Werk „Die Leidenschaften der Seele“ (1984), der auch als „Vater“
der modernen Philosophie angesehen wird (Störig, 1999), als maßgeblicher Theoretiker auch für das Affektverständnis und einer Vermittlung beider Positionen a) und
b). Mit seinen Ausführungen begann aus heutiger Sicht die „Körper – Geist Debatte“,
die weiterhin in der Philosophie und den Neurowissenschaften für kontroverse
Diskussionen sorgt, da das Verhältnis oder die Natur beider Begriffe sich bis heute
einer Durchdringung entzogen hat, wobei eine Vielzahl von Theorien dazu
generiert wurde (Metzinger, 1995). Descartes´ bekannter Ausspruch „cogito, ergo sum“
(ich denke, also bin ich) legt seine Position nahe: Als begeisterter Mathematiker war er
„vom klaren Licht der Vernunft“ angetan, und installierte die strikte Trennung von
Körper (das tierische) und Geist (das dem Menschen besondere), die er als zwei
fundamental verschiedene Entitäten ansah (und seiner Meinung zufolge Tiere somit
keinen Geist haben konnten). Diese Position ist noch heute als cartesianischer
Dualismus bekannt. (Z.B. mathematische) Gedanken sah er als klar dem Geist
zugehörig, Magenkontraktionen z.B. als klar dem Körper. Bei der Definition der Affekte
tat er sich nun aber besonders schwer, da sie unleugbar eine Interaktion beider
Substanzen erfordern (Solomon, 1993). Er versuchte eine Lösung, indem er annahm,
Affekte seien Wahrnehmungen von im Köper lokalisierter Empfindungen als auch
Wahrnehmungen von Regungen der Seele, wobei er die Interaktion beider Substanzen
in der Zirbeldrüse im Gehirn vermutete (Störig, 1999). Die Regungen im Körper würden
durch eine im Blut und durch die Zirbeldrüse fließende Substanz („esprits animaux")
durch die Seele verursacht. Diese versuchte Integration von körperlichen und
seelischen Einflüssen bei der Affektentstehung ist nach Fonagy et al. (2004) dabei
durchaus als wichtiger Beitrag für die sich später entwickelnde moderne Psychologie
77
Theoretische Grundlagen
zu sehen, vor allem für die Theorien zur Interaktion von kognitiven und körperlichen
Ereignissen, wie z.B. das „Facial-Feedback“ (die willentliche Evozierung eines lachenden Gesichtsausdrucks beeinflusst demnach die Stimmung, siehe Scherer, 2000).
Descartes führte damit einerseits über Aristoteles Bild von den Affekten als
„Überzeugungen“ hinaus. Des Weiteren wies er den von ihm benannten „sechs
primitiven Leidenschaften“ – Staunen, Liebe, Hass, Verlangen, Lust, Trauer – einen
Stellenwert im sinnvollen menschlichen Leben zu (Solomon, 1993).
Baruch von Spinoza´s (1632 – 1677) Auffassungen zu den Affekten vereinen
ebenfalls Überlegungen aus den Positionen a) und b), wie Fonagy et al. (2004)
ausführen. Zum einen empfahl er, den Emotionen nicht einfach nachzugeben, da sie
durchaus „falsche Urteile“ darstellen können, andererseits legte er nahe, dass ein
Ablehnen der Affekte auch keine Lösung sei. Er sympathisierte damit, auf die Affekte
mit der Vernunft einzuwirken und so zu einer harmonischen Verbindung zu gelangen.
David Hume (1711 – 1776) ist ebenfall zu erwähnen, da er Solomon (1993)
zufolge als Erster die Affekte in den Vordergrund der philosophischen Diskussion zu
rücken versuchte. Seiner Ansicht nach verdienen Affekte höchsten Respekt, da sie und
nicht der kalte, bloße Verstand es sind, die uns motivieren, richtiges von falschem Verhalten zu unterscheiden und zu wählen. Er wies mit Nachdruck auf die kognitive Komponente in Emotionen hin, die er als Ideen bezeichnete, und durch welche seines Erachtens die Emotionen einen wichtigen Bestandteil von ethischer Motivation darstellen.
Immanuel Kant (1724 - 1804), obwohl er als strikter Verfechter der Vernunft
bezeichnet werden darf, hat sich dennoch auch anerkennend den Emotionen
gegenüber geäußert. Solomon (1993) weist ihm den Ausspruch zu „Nichts Großes in
der Welt ist ohne Leidenschaft vollbracht worden“, den er ¼ Jahrhundert verwendet
haben soll, bevor er Hegel zugeschrieben wurde.
Durch Nietzsche (1844 – 1900) und Sigmund Freud (1856 – 1939) wurde die
Aufmerksamkeit der Denker erneut ein Stück weiter auf die emotionalen, (von beiden
auch als dunkel und instinkthaft bezeichneten) Motive des Menschen gelenkt und ihr
Gewicht anerkannt (Solomon, 1993).
Nach Scherer (2000) war der Einfluss von Charles Darwin´s Werk „The
Expression of Emotion in Man and the Animals“ (Darwin, 1890) einer der stärksten, der
bis zum heutigen Tag auf die modernen Emotionswissenschaften einwirkt. Mit seinem
Namen schwingt eine weitere Debatte in der Emotionsforschung mit, die sogenannte
„Biologie – Kultur Debatte“. Darwin leistete bahnbrechende Arbeit im Bereich des
Ausdrucks von Emotionen in Mimik, Gestik und Stimme. Seine Befunde überprüfte er
durch Feldforschung in verschiedenen Kulturen und folgerte aus seinen Ergebnissen
78
Theoretische Grundlagen
eine interkulturelle Universalität bei vielen affektiven Phänomenen (Davidson, 2003b).
Diese Theoriebildung war für moderne Wissenschaftler wie z.B. Paul Ekman grundlegend, und hat dessen bekannte empirische Forschung zur Gesichterwahrnehmung
und zum emotionalen Ausdruck inspiriert (Ekman, 1973; Ekman, Davidson & Friesen,
1990). Die Diskussion, ob Emotionen aufgrund von biologischen Anlagen in den
verschiedenen Kulturen auf gleiche Weise ausgedrückt, verstanden und erlebt werden,
oder ob die Prägung durch kulturelle und soziale Umwelt maßgebend sei, scheint sich
in Richtung eines Mittelweges aus beiden Einflussfaktoren zu bewegen (siehe dazu
Frijda, 1986)
Mit den revolutionären Theorien und Überlegungen des „Vaters“ der USamerikanischen Psychologie, William James (1842 – 1910) zur Natur der Emotion, die
er als Wahrnehmung körperlicher Veränderungen verstand (James, 1894, 1890),
wurde der Diskurs über Affekte anschließend in das Reich der damals auch von der
Philosophie abgetrennten Psychologie überwiesen (Solomon, 1993). James´ Theorie
wird heute missverständliche Begriffverwendung unterstellt (Scherer, 2000). Seine
Behauptung, Emotionen seien nichts als das Erleben physiologischer Veränderungen,
wurde interpretiert als: die Gefühlskomponente der Emotionen sei nichts weiter als das,
womit sich einige Forscher nach Meinung Scherer´s (2000) durchaus eher anfreunden
könnten. Später sah James diesen Mangel selbst ein, und fügte hinzu, dass ebenfalls
eine Idee von der Bedeutung der Situation für das Individuum Anteil an der Emotion
hätte (Scherer, 2000).
Auf diesen Überlegungen fußten dann die Argumente von Schachter und
Singer (1962), deren Befunde über 30 Jahre die Lehrbuchmeinung zur Emotionstheorie darstellte. Ein genereller Anstieg von Erregung bewirkt nach deren Ansicht das
Erleben einer Emotion, was sodann zum Anspringen kognitiver Interpretationsversuche
führt, um die Umstände zu verstehen, die dazu geführt haben, und der Emotion eine
Namen zu geben (Scherer, 2000). Dieses Verständnis ist mittlerweile als unzureichend
zurückgewiesen, obgleich es nach Scherer (2000) lange Zeit sehr populär und weit
verbreitet unter den Emotionsforschern war.
Die auf diese Größen der Ideengebung folgende moderne Emotionspsychologie
erlebt nun nach der oben (2.2.1) beschriebenen „kognitiven Wende“ einen neuen Aufschwung an Forschungstätigkeit, der eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle und
Sichtweisen auf die menschliche und tierische Emotionsverarbeitung mit sich brachte.
Es entwickelte sich zusammen mit den Nachbardisziplinen die sogenannte „affektive
Neurowissenschaft“ (Davidson, 2003a), die im Zuge des Aufkommens von modernen
Methoden der Bildgebung (MEG, EEG, fMRT, siehe Phan, Wager, Taylor & Liberzon,
79
Theoretische Grundlagen
2002, 2004) die psychologischen und neurowissenschaftlichen Forschungsbemühungen zu vereinen trachtet.
Die ehemalige Kluft zwischen den oben benannten Positionen a) und b) scheint
sich nun im Lichte der wissenschaftlichen, vor allem neurowissenschaftlichen Modelle
der Emotionsverarbeitung und Emotionsregulation immer mehr zu schließen (Ochsner
& Gross, 2004), wie sich im weiteren Verlauf dieser Arbeit (2.3.4 und 2.4) zeigen wird.
2.3.3 Psychologische Emotionstheorien
Nach Scherer (2000) bietet es sich an, die aktuelle Vielfalt an Emotionstheorien und
Modellen in vier Kategorien einzuteilen: dimensionale, kategoriale, bedeutungsorientierte und Komponenten-Modelle. Hier werden jeweils nur die prominentesten
bzw. für diese Untersuchung relevantesten Vertreter aufgeführt. Für Details und
Orginalliteratur wird auf Scherer (2000) verwiesen, der die Modelle ausführlich
diskutiert. Generell lässt sich vorweg festhalten, dass Emotionen in den wissenschaftlichen Modellen als evolutionär entwickelte Anpassungsleistungen zu sehen sind,
denen ein Wert für das Überleben des Organismus eingeräumt wird – sie also in
dieser Hinsicht zu begrüßen sind: „In order to survive, an organism cannot simply
understand the situation; it has to be motivated to do something about it“ (Ellsworth &
Scherer, 2003, S. 572). Diese Wertschätzung aller Emotionsdimensionen ist, wie oben
(2.3.2) ausgeführt wurde, in diesem Sinne von früheren Emotionstheoretikern und
Philosophen eher selten geteilt worden.
Dimensionale Modelle: Hier finden sich Unidimensionale Modelle und
Multidimensionale
Modelle.
Die
Unidimensionalen
Modelle
unterscheiden
die
emotionalen Zustände schlicht auf einer Dimension, welche entweder Aktiviertheit /
Erregung oder Valenz (angenehm / unangenehm) sein kann. Frühe Modelle sahen die
Aktiviertheitsdimension als ausreichend für die Emotionsdifferenzierung an, haben aber
an Einfluss verloren. Unidimensionale Modelle, welche die Valenzdimension als
Kriterium verwenden, argumentieren mit der Relevanz dieser Dimension sowohl für die
Beurteilung subjektiver Gefühle, als auch als Abbild der beiden fundamentalen
Verhaltenstendenzen Annäherung und Vermeidung. Diese Konzeptualisierung von
Emotionen mit zwei voneinander unabhängigen Valenzdimensionen positiv – negativ
ist mit dem sogenannten „PANAS“ Fragebogen (PANAS = positive and negative affect
scale) von Watson et al. (1988) immer populärer und akzeptierter geworden (Scherer,
2000). Dieser Fragbogen wurde auch bei der hier zu besprechenden Untersuchung
eingesetzt. Die Multidimensionalen Modelle haben in der Emotionspsychologie eine
lange Tradition. Wilhelm Wundt (1874), der berühmte deutsche Psychologe, führte ein
80
Theoretische Grundlagen
Modell mit drei unabhängigen Dimensionen (Valenz, Aktiviertheit, Aufmerksamkeit),
dass nach Scherer (2000) starken Einfluss auf die frühe Emotionsforschung hatte.
Russel und Pratt (1980) arbeiteten in den USA ein daran angelehntes Multidimensionales Emotionsmodell aus, das einen zweidimensionalen Raum, ähnlich einem
Koordinatensystems (von ihnen „Circumplex-Modell genannt) eröffnet, in dem auf
beiden Dimensionen ein Kontinuum zum Abtragen aller Emotionen verfügbar ist.
Abbildung 4: Darstellung des Circumplex-Modells mit den Dimensionen Erregung und
Valenz [Abb. nach Russel & Pratt, 1980].
Diese gebräuchliche Variante eines mehrdimensionalen Modells ist eine der
Grundlagen des experimentellen Designs der hier zu besprechenden Studie, und
wurde über die Operationalisierung mittels einer Selbsteinschätzungsskala, genannt
„SAM“-Skala (SAM = Self Assessment Manikin) daneben in sehr vielen experimentellen Untersuchungen der letzten Jahre zur Erhebung der subjektiven Emotionskomponente verwendet (Bradley & Lang, 1994). Nach Scherer (2000) sind die dimensionalen
Modelle
außerdem
überaus
bedeutsam
im
Bereich
der
neuro-
wissenschaftlichen Erforschung der Emotionsverarbeitung. Davidson (2003), Lang
(1995) und Bradley et al. (2001) sind Beispiele für Forscher auf diesem Gebiet (das
unter 2.3.4 und 2.4 vorgestellt wird), welche die Valenz-Dimension (angenehm /
unangenehm) mit einem phylogenetisch verstandenen „approach – avoidance“
Mechanismus in Zusammenhang bringen, wobei sie für diese Motivationen spezifische
Gehirnareale bzw. Schaltkreise postulieren. Auf deren Modelle baut die in dieser
Studie durchgeführte Emotionsmessung zur Erfassung der durch Achtsamkeitspraxis
vermuteten Veränderungen auf. Die subjektive Valenz wird über das unter 3.3.1
vorgestellte SAM-Rating erfasst, die motivationalen Mechanismen über den Einsatz
des „Startle-Paradigmas“, eines peripher-physiologischen Emotionsindikators, der
81
Theoretische Grundlagen
unter 2.5.1 vorgestellt wird. Hierin liegt der Anknüpfungspunkt an die Achtsamkeitsforschung, die eine explizite Wirkung der Achtsamkeitspraxis auf eine Verringerung
von Gier- und Aversionsreaktionen auf die subjektive Erfahrung hin vorhersagt (siehe
2.2.6 und 2.4.1).
Kategoriale Modelle: In dieser Kategorie von Emotionstheorien unterscheidet
Scherer (2000) weiterhin „Schaltkreismodelle“ und „Basis-Emotionen-Modelle“. Die
Schaltkreismodelle, Panksepp (1998) ist hier einer der prominentesten Vertreter,
nehmen an, dass die Anzahl fundamental unterschiedlicher und unterscheidbarer
Emotionen von umschriebenen, evolutionär entstandenen neuronalen Schaltkreisen
determiniert wird. Panksepp benennt vier grundlegende Schaltkreise oder auch
„emotive command systems“: Wut, Angst, Erwartung, Panik. Dabei ist seine Hypothese
zentral, dass jedes dieser vier neuronaler Systeme ein distinktes und eindeutiges
Muster an reaktivem Verhalten produziert, das für den Organismus unter den
entsprechenden auslösenden Umständen für das Überleben von entscheidender
Bedeutung ist. Als Erklärung für die weitaus höhere Anzahl subjektiv unterscheidbarer
Emotionen führt Panksepp eine Interaktion dieser Emotionsschaltkreise an, die ein
„Überblenden“ der vier Systeme hin zu „second order emotive states“ zur Folge hat.
Bei den Basis-Emotionen-Modellen sind ebenfalls evolutionäre Überlegungen theorieleitend. Es wird angenommen, dass sich im Laufe der tierischen und menschlichen
Evolution einige fundamentale Emotionsmechanismen, die sogenannten BasisEmotionen herausgebildet haben, da diese die jeweils optimalsten adaptiven
Überlebensstrategien darstellten. Es werden, je nach Theorie, zwischen 7 und 14
solcher Basis-Emotionen postuliert, denen eigene Auslösebedingungen, spezielle
physiologische, expressive, und Verhaltens-Reaktionsmuster zugeordnet werden
(Scherer, 2000). Dieses auf Darwin´s Arbeiten (1890) zurückgehende Emotionsmodell
wird in neuerer Zeit durch die bekannten Forschungsarbeiten von Paul Ekman (1992)
vertreten, der vielfältige Arbeiten zu den spezifischen Gesichtsausdrücken bei jeder der
unterschiedlichen Basis-Emotionen angestoßen hat. Da diese diskreten BasisEmotionen als in unterschiedlichen vererbten neuronalen Programmen realisiert
verstanden werden, wurden viele Argumente und Studien zur Universalität dieser
Basis-Emotionen über alle Kulturen und Ethnien hinweg vorgebracht (Ekman, 1973,
1990). Da nach Scherer (2000) die Nachkriegspsychologie aufgrund dieser
Forschungstradition ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Thema Emotionen lenkte,
sind deren Einflüsse auf viele zeitgenössische Arbeiten erkennbar.
Bedeutungsorientierte Modelle: Auf diese Modelle soll hier nur flüchtig eingegangen werden, da sie für die hier zu besprechende Studie nicht von Relevanz sind
82
Theoretische Grundlagen
und auch insgesamt in der Emotionsforschung eine Nischenstellung einnehmen
(Scherer, 2000). Es werden unterschieden Lexikalische Modelle und Sozial-Konstruktivistische Modelle. Erstere lenken das Augenmerk auf die in der Alltagssprache
verwendeten emotionalen Begrifflichkeiten, und vermuten, dass eine Analyse der
zugrunde liegenden linguistischen Strukturen Aufschluss über die Natur der affektiven
Phänomene gewährt. Sozial-Konstruktivistische Modelle interessieren sich ebenfalls
für den emotionalen Wortschatz einer Gesellschaft, da ihres Erachtens die in einer
Sprache zur Verfügung stehenden emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten (= Wortschatz) die emotionalen Bedeutungsstrukturen dieser Kultur widerspiegelt.
Komponenten-Modelle: „The general rule suggested by appraisal theorists is
that emotions consist of patterns of perception, or rather interpretation, and their
correlates in the central and peripheral nervous systems (Ellsworth & Scherer, 2003, S.
572). Auf diese Modelle soll schwerpunktmäßig eingegangen werden, da sie einen
Anknüpfungspunkt für die Wirkmechanismen der Achtsamkeitspraxis bieten. Bei
Betrachtung der zentralen Definition der Komponenten-Modelle von Frijda (1986, S.
193) „emotional experience (…) is experience of the situation as interpreted by the
organism“ werden leicht die Parallelen dieser Sicht auf Emotionen zu der buddhistischen Betrachtung (2.1) deutlich. Die Kernannahme dieser Art von Emotionsmodellen
ist, dass Emotionen durch die kognitive (nicht notwendigerweise bewusste oder
kontrollierte) Bewertung („appraisal“) der vorausgehenden Situationen oder Ereignisse
(intern oder extern) ausgelöst werden. Die auf das Ergebnis dieser Evaluation
folgenden, synchronisierten Reaktionsmuster in den verschiedenen Komponenten
(Physiologie, Gefühl, Ausdruck, Verhaltenstendenzen / Motivationen) sind bedingt
durch die Bedeutung der Situation für den Organismus (Ellsworth & Scherer, 2003;
Scherer, 2000): „(…) many psychologists have proposed appraisal models of emotion,
postulating that organisms evaluate events and situations in a number of given
dimensions with the result of the appraisal process determining the nature of the
ensuing emotion“ (Scherer, 2000, S.153). Unterschieden werden dabei bewusste
(kontrollierte) und unbewusste (automatische) Appraisal-Prozesse. Die Vorstellung,
dass die Evaluationsprozesse auf verschiedenen Ebenen der Informationsverarbeitung
und damit des Nervensystems ablaufen können (z.B. sensomotorisch, schematisch,
konzeptuell), schafft eine starke Verbindung zwischen den Komponenten-Modelle und
den weiter unten (2.3.4) besprochenen neurowissenschaftlichen Theorien. Dort hat vor
allen anderen LeDoux´s „dual path model of emotion elicitation“ (1996) große
Bedeutung und Rezeption gefunden, in dem er zwei unterschiedliche neuronale
Bahnen der Emotionsverarbeitung proklamiert: eine automatische Bahn („quick and
83
Theoretische Grundlagen
dirty“) via Amygdala, die von einigen Autoren im Hinblick auf unbewusste emotionale
Prozesse diskutiert wird (Öhman, Flykt & Ludqvist, 2000; Winkielman & Berridge,
2004). Des Weiteren eine Bahn, die den präfrontalen Kortex miteinbezieht, und deren
Einfluss eine (bewusste) Modulation der Amygdalaaktivierung erlaubt. Innerhalb der
Komponenten-Modelle findet sich ein Kontinuum in Bezug auf die angenommene
Feinkörnigkeit der kognitiven Evaluationsprozesse. Lazarus (1991) repräsentiert hier
das restriktive Ende. Seine grundlegende Theorie zu den subjektiven AppraisalProzessen, die einerseits die Signifikanz oder Bedeutung, andererseits die Fähigkeit
der Person, mit dem Ereignis erfolgreich umgehen zu können umfasst, entwirft die
Appraisal-Prozesse als themen-zentriert. Damit wird eine begrenzte und umschriebene
Anzahl zentraler und fundamentaler Bewertungsdimensionen in den appraisals
mitgedacht, die dadurch die Basis- oder Haupt-Emotionen generieren. So findet seine
Theorie Anknüpfungen an die Kategorialen Modelle, wobei er jedoch den
Auslöseprozess detaillierter herzuleiten vermag. Klaus Scherer legt mit seinem
Komponenten-Modell (Ellsworth & Scherer, 2003; Scherer, Schorr & Johnstone, 2001;
Scherer, 1984, 2003) eine Theorie vor, die am entgegengesetzten Ende der Skala
angesiedelt ist: Er argumentiert, dass es so viele Emotionen wie Appraisal-Prozesse
geben kann, deren Anzahl und Unterschiede nicht auf distinkte Themen beschränkt
seien. Gleichwohl vermutet er, um den Anschluss an die Kategorialen Theorien zu
gewährleisten, sogenannte „modale appraisals“, die durch häufiges und universelles
Vorkommen emotionale Prozesse anstoßen, die den Basis-Emotionen entsprechen.
Nach Scherer (2000) ist ein Vorzug der Komponenten-Modelle, dass sie sich darum
bemühen, die Verbindung zwischen den Auslösebedingungen und den Reaktionsmustern genauer zu beleuchten: „Theorists in the componential model category have
started to work out detailed predictions of specific physiological, expressive, and
motivational changes of specific appraisal results (Scherer, 2000, S. 150). Entscheidend für die Untersuchung dieses Zusammenhangs ist nach Scherer (2000) die
Analyse der Appraisal-Prozesse: Nach Ellsworth und Scherer (2003) finden AppraisalProzesse auf sechs verschiedenen Dimensionen statt, über die bei den meisten
Appraisal-Theoretikern Konsens herrscht: Neuheit, Valenz, Bedeutung für die eigenen
Ziele, Verursacher und dessen Motive, gefühlte Bewältigungsfähigkeit, Normkompatibilität. Wie die unter 2.1 referierte Kette des bedingten Entstehens rekonstruiert
auch die Appraisal-Theorie das Entstehen der Emotion, die Verwandtschaft der beiden
Ansätze ist offensichtlich: „An orienting response may occur, and (...) very often the
next step is a sense of intrinsic pleasantness or unpleasantness (Zajonc, 1980), often
occurring so quickly that it is subjectively indistinguishable from the experience of
84
Theoretische Grundlagen
attention. Especially when the valence is negative, further appraisals ensue, and the
emotional experience changes from ‘feeling good’ or ‘feeling bad’ to some
differentiated state” (Ellsworth & Scherer, 2003, S. 574). Genau hier lässt sich der
Einfluss der Achtsamkeitspraxis theoretisch verankern. Da in diesen modernen
Emotionstheorien dem Ergebnis des Appraisal-Prozesses ein grundlegender Stellenwert für die Art und Intensität der daraufhin ausgelösten Prozesse in den restlichen
Emotions-Komponenten zugebilligt wird, lässt sich leicht argumentieren, dass sich
diese Prozesse durch das Eingreifen der Achtsamkeit verändern müssten, da eine
achtsame Haltung zu anderen appraisals führen sollte, als die gewöhnliche,
„untrainierte“ Haltung. Scherer (2000, S. 152) formuliert die Basis für diese Annahme,
indem er schreibt: „(…) component theorists share the (…) insistence on the powerful
role of sociocultural determinants of emotional experience by assuming, for example,
that cultural values can strongly affect appraisal, that the regulation of the emotion
depends on norms and social context (...).” Der kulturelle Kontext vermag also die
Haltung den Ereignissen gegenüber zu verändern, ebenso wie es die Praxis der
Achtsamkeit vermag. Durch die erörterte Desidentifikation, die Gewissheit des
Wandels sowie durch die Akzeptanz sollten also die (automatisch) ablaufenden
Appraisal-Prozesse im Laufe der Praxis immer mehr moduliert und modifiziert werden,
so dass gemäß Scherer´s Modell auch zunehmend andere Reaktionsmuster auf die
auslösende Situation hin entstehen sollten. Der Einfluss der durch Achtsamkeit
bewirkten neuroplastischen Veränderungen (siehe 2.2.6) auf die Appraisal-Prozesse
wird von Scherer (2000, S. 154) als interessantes Gebiet impliziert, wenn er schreibt:
„Another factor of interest, largely unexplored (…) concernes the mediating effects of
individual differences. For example, it is probable that the specific features of an
individual´s central nervous system (…) can affect the cognitve evaluation of situations
or events.” Nun lässt sich mit den Ausführungen über die Achtsamkeitspraxis
argumentieren, dass vor allem auf drei der Appraisal-Dimensionen Einfluss durch die
Praxis genommen wird: Auf die Valenz-Appraisals, auf appraisals über die Bedeutung
für die eigenen Ziele, sowie die appraisals zur gefühlten Bewältigungsfähigkeit. Nach
Ellsworth und Scherer (2003) sind die Mechanismen, die sowohl in Tieren als auch
Menschen die generelle Valenz-Evaluation generieren dem Gehirn mittels neuronaler
Schaltkreise fest eingearbeitet, da sie das Überleben der Art sichern. Die initiale
Valenz-Evaluation sollte also auf einem sensumotorischen, automatischen und nicht
kontrollierbaren Level ablaufen, was sich mit der buddhistischen Sicht deckt, die ein
Entstehen von Valenzurteilen als ebenso unvermeidlich betrachtet (2.1.1 und 2.1.2).
Wie mit der unweigerlichen Valenzbewertung weiter verfahren wird, ist jedoch
85
Theoretische Grundlagen
beeinflussbar: Wie in einem obigen Zitat von Scherer beschrieben, folgen (vor allem
bei negativer Valenz) daraufhin gewöhnlich zusätzliche appraisals, welche die Emotion
weiter beeinflussen (oft eskalierend). Die Appraisal-Dimension „Valenz“ sollte daher
von Achtsamkeitspraxis dahingehend moduliert werden, dass durch die Akzeptanz und
Beobachterhaltung negative Valenz zu weniger weiteren (negativen) appraisals führt,
da sie nicht als bedrohlich erlebt wird. Die Appraisal-Dimension „Bedeutung für die
eigenen Ziele“ sollte ebenfalls aufgrund des erlernten Abbaus von Gier und Aversion
auf die Ereignisse zu weniger weiterführenden, eskalierenden appraisals führen. Die
Appraisal-Dimension „gefühlte Bewältigungsfähigkeit“ schließlich wird durch die erlebte
Selbstregulationsfähigkeit (2.2.6) ebenfalls zu immer weniger bedrohlichen appraisals
führen. Achtsamkeitspraxis führt also in der Perspektive der Appraisal-Theorien
aufgrund von weniger, aber adaptiveren Appraisal-Prozessen zu anderen Reaktionsmustern in den emotionalen Komponenten, u.a. zu dem in den Hypothesen 2a / 2b
postulierten schnelleren Abfall der emotionalen Reaktion.
Da die bisherige Emotionsforschung nach Scherer (2000) vor allem deswegen
unterschiedliche Modelle und Theorien generierte, weil sie jeweils eine andere
Komponente der emotionalen Reaktion im Visier hatte, wäre ein großer Vorzug der
Komponenten-Modelle eine mögliche Integration vieler bisher scheinbar widersprüchlicher Befunde aus den einzelnen Modellen: Dimensionale Modelle haben sich
fast exklusiv mit der Gefühlskomponente befasst, Kategoriale Modelle fast ausschließlich mit den Handlungs-, Motivations- oder Ausdruckskomponenten. Da somit
im Grunde kein Modell eine Theorie über die Emotion als ganzes, sondern eher eine
Subtheorie einzelner Komponenten liefert, ist es durchaus denkbar, vieles aus ihnen
unter dem Mantel der Komponenten-Modelle zu integrieren.
2.3.4 Neurowissenschaftliche Emotionstheorien
Die folgende Übersicht über die neurowissenschaftlichen Theorien zur Emotionsverarbeitung will einerseits der angedeuteten Dominanz dimensionaler und kategorialer
Ansätze in diesem Bereich Rechnung tragen, andererseits auch die von Scherer
(2000) skizzierte Bedeutung für die Komponenten-Modelle und für eine mögliche
Integration der Forschungsansätze bestätigen. Ochsner und Feldman-Barrett (2001)
haben hierzu eine vorrausschauende Überblicksarbeit vorgelegt, in der sie sich ebenso
wie Scherer (2000) einer integrativen Sichtweise verschreiben. Jene Arbeit wird
hauptsächlich für die Darstellungen dieses Kapitels herangezogen. Ochsner und
Feldman-Barrett stellen die kognitiven Appraisal-Theorien der Psychologen (in der
Tradition
von
Aristoteles)
den
Herangehensweisen
der
Neurowissenschaftler
86
Theoretische Grundlagen
gegenüber, die Emotionen als Ausdruck ins Gehirn gebannter, evolutionär bedingter
Handlungs- und Motivationsschaltkreise für spezielle Situationen sehen, welche dem
Überleben dienen (eher in der Tradition der Stoa). „Which view is correct? Are
emotions the product of complex cognitive appraisal, or are they embedded in our
genes and brains? (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S.39). Die oben erwähnten
Ergebnisse von LeDoux´s Forschungsarbeit (1996) weisen bereits auf eine duale
Verarbeitungweise affektiver Prozesse im Gehirn hin. Ochsner und Feldman-Barrett
(2001) bieten darauf aufbauend eine Unterteilung der Emotionsverarbeitung in automatische und kontrollierte Prozesse an und argumentieren: „In this theory, emotion is
the product of an interaction between simple, nonconscious, automatic processes and
deliberative, conscious, and controlled processes“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001,
S.39). Diese Prozessebenen sind aus neurowissenschaftlicher Sicht auch in unterschiedlichen Gehirnstrukturen realisiert (siehe weiter unten), und eine umfassende
Betrachtung und Annerkennung beider Bestandteile der Emotionsverarbeitung vermag
nun endlich den aristotelischen (Emotionen können kultiviert werden) und den
stoischen Blick (Emotionen widerfahren einem) zu versöhnen (Meyer, Schützwohl &
Reisenzein, 2003).
Als automatische Prozesse verstehen sie die rapide, unbewusste und
automatische Klassifizierung von Stimuli als positiv oder negativ, also die sofort
einsetzende Valenzbewertung. Durch die Brille der Appraisal-Theorien betrachtet, sind
diese Prozesse gleichzusetzen mit den sensumotorischen bzw. schematischen
appraisals (oder „primäre“ appraisals nach Lazarus, 1991), die unbewusst ablaufen
(Ochsner & Feldman-Barrett, 2001; Scherer, 2000). Dieser Bereich der Emotionsverarbeitung ist nach Ochsner und Feldman-Barrett (2001) nun auch der von den
dimensionalen und kategorialen Emotionsforschern untersuchte, so z.B. LeDoux´s
„quick and dirty“ pathway. Wichtigster Zweck dieser Prozesse ist die unmittelbare
Entdeckung von potenziellen Gefahren und möglichen Belohnungen, sowie der Zugriff
auf Informationen, welche Verhaltensprogramme daraufhin angemessen sind (meist
Kampf / Flucht bei Gefahr, bzw. Annäherung bei z.B. einem Sexualpartner).
Die kontrollierten Prozesse rücken Ochsner und Feldman-Barrett (2001) in die
Nähe der bewussten, kognitiven Vorgänge, die oben unter den Appraisal-Theorien
beschrieben wurden: „But emotions are only partly the result of processes that interpret
the significance of events in an automatic, or bottom up, fashion. We also consciously
direct attention to internal sensations and thoughts or external people and objects,
search for and retrieve information from memory, conctruct representations of our
experience, and select or inhibit our actions” (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S.
87
Theoretische Grundlagen
40). Somit lassen sich die kontrollierten Prozesse charakterisieren als „directed, effortdemanding processes in the generation and regulation of emotion“ (Ochsner &
Feldman-Barrett, 2001, S. 40). Diese Prozesse sind, wie bei den Appraisal-Theorien
herausgearbeitet wurde, Ziel der Achtsamkeitspraxis. Die aktive und bewusste
Gestaltung dieser Verarbeitungsebene hat nach Ochsner und Feldman-Barrett (2001)
einen profunden Einfluss auf den Gesamtverlauf der emotionalen Episode: „Studies of
pain perception demonstrated, that deliberately attending to and describing painful
physical sensations can lessen the psychological experience of them as painful (Cioffi,
1993)“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 40). Hier lassen sich leicht Analogien zur
Praxis der Achtsamkeit herauslesen, die genau auf diese Weise (attending and
labeling) arbeitet (siehe 2.1.2 und 2.1.6). Die beiden Autoren resümieren: „By
deliberately monitoring, activating, and processing emotions, one may consciously
reconstrue the meaning of an experience and respond differently“ (Ochsner &
Feldman-Barrett, 2001, S. 41).
Die
neurowissenschaftliche
Forschung
hat
nun
einiges
an
Belegen
zusammengetragen, die die Vermutung stützen, dass vor allem fünf distinkte neuronale
Systeme an den verschiedenen Abschnitten und Ebenen der Emotionsverarbeitung
beteiligt sind. Tabelle 2 gibt hierzu eine erste Orientierung:
Tabelle 2: Wichtige neuronale Strukturen der Emotionsverarbeitung [nach Ochsner &
Feldman-Barrett, 2001].
Gehirn-
(1)
Amygdala
(2)
Basalganglien
(3)
Lateraler
präfrontaler
Kortex
(4)
Anteriorer
cingulärer
Kortex (ACC)
(5)
Orbitaler &
ventromedialer
Frontalkortex
Funktion:
Detektion und
Erlernen von
potentiellen
Gefahren
Registrierung
von Belohnung
&
Erwerb von
Gewohnheiten
Abruf und
Speicherung
von
semantischem
Emotionswissen
KonfliktÜberwachung
Kontextabhängige
Handlungsplanung
Anwendung:
Erkennt
erregende,
potentiell
bedrohliche
Stimuli &
assoziiert sie mit
entsprechenden
physiologischenund Handlungsreaktionen
Automatische
Sequenz von
Handlungen /
Gedanken, die
sich als
konsistent
verstärkend
erwiesen haben
Identifizierung
und
Differenzierung
von Stimuli und
Gefühlen;
Attribuierung
emotionaler
Qualitäten auf
Stimuli;
Anwendung von
Regulationsstrategien und
Emotionswissen
Überwachung
des ablaufenden
Verhaltens und
Entscheidung, ob
Veränderung
nötig ist
Kontextabhängige
Regulierung &
Inhibierung von
Emotionsreaktionen
basierend auf
Bedeutungsanalysen
automatisch
automatisch,
benötigt aber
Aufmerksamkeit
Konfliktdetektion
automatisch,
Veränderungsinitiierung
kontrolliert
Kontrolliert
struktur
Prozesstyp:
Abruf kann
automatisch
oder kontrolliert
erfolgen
88
Theoretische Grundlagen
Die fünf Gehirnstrukturen werden mit fünf essentiellen Funktionen in Verbindung
gebracht, die in der Emotionsverarbeitung erfüllt werden müssen, wobei die ersten drei
unbewusst und automatisch arbeiten können (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001
folgend): (1) Detektion von Gefahr und Belohnung (2) und die Auslösung der dazu
gehörenden Handlungsweisen. (3) Abruf von semantischem Emotionswissen, um den
Stimulus genauer zu evaluieren und ihm eine differenzierte emotionale Qualität zu
verleihen. Dies kann auch bewusst geschehen, indem man kontrolliert Wissen über die
Natur und die Regulationsmöglichkeiten der jeweiligen Emotion im semantischen
Gedächtnis abruft. Wie nun mit dieser initialen Reaktion weiter verfahren wird, liegt in
der Hand der (4.) und (5.) Hirnstruktur und deren Funktionen, auf die ein bewusster,
kontrollierter Zugriff möglich ist: (4) evaluiert und determiniert, inwiefern der Emotionsprozess tiefer verstanden oder besser kontrolliert werden muss, im Falle eines
detektierten Werte- oder Zielkonflikts, oder bei Diskrepanzen zwischen bewussten
Plänen und gebahnten Verhaltenstendenzen. (5) schließlich analysiert die Bedeutung
eines Stimulus, des Verhaltens und des Kontextes, um daraus die Entscheidung für
eine Handlungsplanung oder Verhaltensauswahl zu treffen, die wiederum auf (3) bis
(5) zurückwirkt.
Abbildung 5: Anatomische Verortung der Amygdala und des Hippocampus [Abb. von
http://www.humanillnesses.com].
Zu (1) Amygdala (Abbildung 5): Erfassung, Verarbeitung und Reaktionsplanung
bei potentiell bedrohlichen Reizen. Die Amygdala ist die Gehirnstruktur, deren
Bedeutung für die Emotionsverarbeitung bisher am detailliertesten erforscht ist (Lane &
Nadel, 1999). Ihre Aufgabe ist vor allem die Enkodierung von Stimulus – Affekt
Assoziationen, vor allem für Stimuli, die eine potentielle Gefahr darstellen. Nach
89
Theoretische Grundlagen
LeDoux (1996) kann die Information über die Identität des Stimulus über zwei
verschiedene Leitungsbahnen gelangen: Zum einen über die kortex-basierte Verbindung, die in der Lage ist, in komplexen Analysen perzeptuelle Eigenschaften des
Stimulus aufzulösen und ihn zu erkennen. Der zweite Weg führt direkt von den
sensorischen Organen über den Thalamus in die Amygdala und reicht aus für ein
grobes aber schnelles („quick and dirty“) Bestimmen der affektiven Signifikanz, für das
Lernen von Stimulus – Response Konditionierungen und für die dementsprechenden
Reaktionen bei bedrohlichen Reizen. Experimente unter zu Hilfenahme des „backwardmasking" Paradigmas konnte Amygdala Aktivität messen, ohne dass die (unterhalb der
Reizschwelle) gezeigten negativen Bilder bewusst erfasst wurden (siehe dazu Öhman,
Flykt & Ludqvist, 2000). Eine weitere Funktion ist nach Davidson und Irwin (1999) der
Einfluss auf die Konsolidierung von episodischen Erinnerungen an emotionale
Ereignisse, wobei die Amygdala für den Erinnerungsvorteil von negativen vor positiven
Ereignissen verantwortlich ist (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001). Einige Experimente
erwecken den Anschein, als spiele die Amygdala ebenfalls beim Kontakt mit
unbekannten, neutralen Stimuli eine Rolle, indem sie feuert, bis sichergestellt ist, dass
die ambivalenten (da unbekannten) Reize keine Gefahr darstellen. Insgesamt scheint
die Aktivität in dem Maße nachzulassen, wie sie die Umgebung als sicher und
unbedrohlich einstuft (Whalen, 1998). In dem Zusammenhang verwundern auch die
von Anders et al. (2004) errechneten Korrelationen von Amygdalaaktivität und Höhe
der Schreckreaktion (Startle, siehe 2.5.1) auf einen akustischen Schreckreiz nicht.
Abbildung 6: Lage und Bestandteile der Basalganglien [Abb. von http://www.cjdgoettingen.de/bilder/basal].
Zu (2) Basalganglien (Abbildung 6): Das effiziente Erlangen von Belohnungen.
Die Basalganglien bestehen aus zwei Hauptabschnitten, dem Putamen und dem
90
Theoretische Grundlagen
Nucleus Caudatus. Sie sind dafür zuständig, Verhalten oder Gedanken, die sich als
zuverlässig zur Erreichung von Belohnungen, zur Erlangung eines erwünschten
Ergebnisses, erwiesen haben, zu enkodieren, zu konditionieren und auszulösen, wenn
es ertragreich erscheint (Berridge, 2003; Panksepp, 1998). Sie erhalten Input von den
parietalen und temporalen Kortices und schicken ihre Befehle an diverse motorische
Zentren. Nach Davidson (2003) und Berridge (2003) sind die Basalganglien vor allem
für das mit positiven Emotionen assoziierte Annäherungsverhalten wichtig. „This
implicit skills are essential because they allow us to make automatic the sequences of
thought and action that lead to attainment of goals and receipt of rewards of various
kinds“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 50).
Abbildung 7: Ausdehnung des lateralen präfrontalen Kortex (blau) [Abb. aus Davidson,
Putnam & Larson, 2000].
Zu (3) lateraler präfrontaler Kortex (Abbildung 7): Verarbeitung und Nutzung
komplexen emotionalen Wissens. Komplexere emotionale Informationen, die in Form
von organisierten Strukturen bezüglich bedeutsamer Beziehungen zwischen Reizen
angeordnet sind, werden „emotionale Konzepte“ oder „Schemata“ genannt (Ochsner &
Feldman-Barrett, 2001). Dieses semantische Wissen kann folgende Bereiche
umfassen:
•
Abstraktes Wissen über die Verursachung einer Erfahrung
•
Die individuelle Bedeutung einer Situation, auch im Hinblick auf Ziele und Werte
•
Körperwahrnehmungen
•
Regeln für die Expression der Emotionen
•
Interpersonellen Funktionen und Auswirkungen von Emotionen
•
Wissen über die Regulation, also die Intensivierung oder Abschwächung
emotionaler Reaktionen
91
Theoretische Grundlagen
Der laterale präfrontale Kortex (PFC) hat die Fähigkeit, dieses durch Erfahrung
erworbene, im semantischen Gedächtnis abgelegte Wissen abzufragen (Davidson,
2004a). Wird dieses semantische Wissen nach einer initialen Amygdala- oder
Basalganglienerregung automatisch oder kontrolliert aktiviert, so wird es Teil der
emotionalen Reaktion: „That is, a discrete emotional episode can emerge in the context
of complex emotional knowledge that allows us to differentiate, label, and even draw
inferences about our emotional states“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 51).
Diese Art der Evaluation emotionaler Stimuli durch Zugriff auf komplexere semantische
Wissensstrukturen funktioniert somit unabhängig von den schnellen, automatischen
und einfachen Assoziationen und Bewertungen der Amygdala bezüglich potentieller
Bedrohung (Davidson, 2004a). Obwohl beide Arten von Emotionswissen unterschiedlich organisiert und abgefragt werden, interagieren die Systeme jedoch miteinander, wie das Kapitel zur Emotionsregulation (2.4) genauer herausstellen wird.
Abbildung 8: Lage des anterioren cingulären Kortex (gelb) [Abb. aus Davidson, Putnam &
Larson, 2000].
Zu (4) anteriorer cingulärer Kortex (Abbildung 8): Prüfung der Notwendigkeit
von kontrollierter Verarbeitung. „Evaluating the need for regulation is the function of the
anterior cingulate cortex (ACC), and this evaluative function is an essential part of
many types of controlled processes. At a broad level, the ACC can be seen as part of
an executive system used to regulate behavior in many domains. (…) Studies have
implicated the ACC in various kinds of behavior that involve monitoring and evaluating
of one’s behavioral performance, one’s internal state, or the presence of external
rewards" (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 54). Der ACC ist letztlich also eine Art
Überwachungssystem, welches meldet, sobald sich der aktuelle Zustand des
Organismus (oder der Umwelt) zu weit von erwünschten Zielen und Bedürfnissen
entfernt hat. Diese Funktion scheint der ACC mit wachsender Größe besser
92
Theoretische Grundlagen
auszuführen (Bush, Luu & Posner, 2000). Die in Abschnitt 2.2.5 und 2.2.6 berichteten
neuroplastischen Effekte der Achtsamkeitspraxis mögen somit die bei Meditierenden
beobachtbaren Fähigkeiten der Emotionsregulation (Erisman, Salters-Pedneault &
Roemer, 2005) auch über eine verbesserte Funktion und Vergrößerung des ACC
erklären. Die Signale des ACC sind in diesem Sinne das erste Glied in der Kette einer
Kaskade weiterer evtl. einzuleitender Prozesse der Emotionsregulation, um das
Verhalten und Erleben wieder mit den Erwartungen in Einklang zu bringen (Davidson &
Irwin, 1999). Hinweise, auf die der ACC dementsprechend reagiert beinhalten:
Unsicherheit, Konflikte, Schmerz, Verletzung von Erwartungen. Der ACC bewertet
ebenfalls
kontinuierlich
die
zukünftig
von
einem
Stimulus
zu
erwartenden
Auswirkungen (Bestrafung / Belohnung). Nach Ochsner und Feldman-Barrett (2001)
repräsentiert der ACC damit „the conscious correlate of pain, uncertainty, conflict,
emotional experience, and expectancy violation, signaling that behavioral change and
reorientation of attention may be necessary” (S. 56). Auch in der Emotionstheorie von
Damasio (2000) wird der ACC als bedeutsam für das bewusste Emotionserleben
herausgestellt, des Weiteren fanden Beauregard et al. (2001) und Lane et al. (1998) in
fMRI-Studien Belege für die Rolle des ACC als Schnittstelle zur bewussten
Wahrnehmung und Regulation von Emotionen (siehe auch Barrett, Mesquita, Ochsner
& Gross, 2007; Lane, 2000). Corrigan (2004) diskutiert aktuelle fMRI-Befunde, und
unterstreicht mit ihnen die Rolle des ACC bei psychotherapeutischen Veränderungsprozessen.
Abbildung 9: Der orbitale und ventromediale Frontalkortex [Abb. aus Davidson & Irwin,
1999].
93
Theoretische Grundlagen
Zu (5) orbitaler (OFC) und ventromedialer (VMFC) Frontalkortex (Abbildung 9):
Auswahl
und
Implementierung
von
Regulationsstrategien.
Unsere
bottom-up
gesteuerten emotionalen Reaktionen sind nicht in jeder Situation angemessen oder
folgerichtig (Thayer & Lane, 2000). Die effektive und genaue Analyse der Relevanz
und affektiven Bedeutung eines gegebenen emotionalen Kontextes und die
Implementierung der daraufhin ausgewählten Regulationsmechanismen ist Aufgabe
und Fähigkeit des OFC und VMFC (Davidson & Irwin, 1999; Phan et al., 2002). Dabei
erlaubt es die Verarbeitung der beiden Strukturen, eine fortwährend aktualisierte
Einschätzung der affektiven Qualität zu repräsentieren: „(…) whereas subcortical areas
continue to represent information about the past reinforcement properties of a stimulus,
the OFC / VMFC tracks the current affective value of the stimuli. And when necessary,
the OFC / VMFC changes their value when a stimulus – reward pairing changes“
(Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 58). Eine weitere wichtige Stufe in diesem
Prozess ist den beiden Autoren zufolge die Feststellung der motivationalen Relevanz
eines Objektes. Nachdem diese beiden Aspekte festgelegt wurden, richten die OFC
und VMFC sowohl Handlungstendenzen als auch nachfolgende kognitive Prozesse
danach aus. Damit ermöglichen es uns diese neuronalen Strukturen, basierend auf
ihren Analysen, sowohl bereits in Gang gesetzte emotionale Reaktionen top-down zu
modulieren, als auch neue emotionale Prozesse anzustoßen. „These two functions
form the foundation for the active regulation of emotion and emotion-guided behavior“
(Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 60). Critchley, Elliott, Mathias & Dolan (2000)
berichten demgemäß von einer Modulierung von EDA-Aktivität durch frontale
Kortexbereiche, vor allem durch den OFC.
Neben dem von Ochsner und Feldman-Barrett aufgegriffenen Gehirnregionen
spielen noch weitere Areale in der Emotionsverarbeitung eine Rolle: Der Hippocampus
für kontextbezogene emotionale Gedächtnisinhalte (Davidson, 2004a; Davidson,
Jackson & Kalin, 2000; Phelps, 2004), der Nucleus Accumbens und das
mesolimbische Belohnungssystem für die die Verarbeitung von Lust und positiven
Emotionen (Berridge, 2003; Davidson & Irwin, 1999), die Insula und der
somatosensorische Kortex, mittelbar über interozeptive Prozesse, für die Intensität der
subjektiven Gefühlswahrnehmung (siehe Phan et al., 2002, 2004; Pollatos, Kirsch &
Schandry, 2005; Vaitl, 1996) und die Regulation autonomer emotionaler Reaktionen
(Davidson & Irwin, 1999). Für die Diskussion der Bedeutung des Hirnstamms wird auf
Damasio (2000) und Berridge (2003) verwiesen.
Hippocampus (Abbildung 5): Davidson, Jackson und Kalin (2000) demonstrieren in ihrem Artikel ausführlich den Einfluss des Hippocampus, der seit langem mit
94
Theoretische Grundlagen
Gedächtnisleistungen in Verbindung gebracht wurde (Schandry, 2006), auf das
Erlernen und Anwenden von kontextbezogenem Emotionswissen. Dabei vermuten Sie,
dass der Hippocampus vor allem bei der Bereitstellung von Wissen über kontextangemessenen emotionalen Ausdruck und die Auswahl entsprechenden emotionalen
Verhaltens eine Schlüsselrolle zukommt. Sie referieren Befunde über HippocampusDysfunktionen bzw. -läsionen, die in der Folge zu emotionalem Verhalten führten, das
zwar durchaus normal, jedoch der jeweiligen Situation absolut unangemessen war
(Davidson, 2004a). Der Hippocampus steht somit in seiner Funktion den Strukturen (5)
(OFC und VMFC) der Tabelle 2 nahe, die ebenfalls für die kontextbezogene Analyse
zuständig sind. Phelps (2004) fügt diesen Befunden Erkenntnisse über bidirektionale
Beeinflussung von Hippocampus und Amygdala beim Lernen emotionaler Gedächtnisinhalte hinzu.
Abbildung 10: Projektionen des mesolimbischen Dopaminsystems [Abb. von
http://pubs.niaaa.nih.gov].
Nucleus Accumbens und mesolimbisches Dopaminsystem (Abbildung 10): Das
mesolimbische Belohnungssystem ist seit langem an Tieren (Davidson & Irwin, 1999)
erforscht. Auch beim Menschen zeigen einige neuere Bildgebungsstudien (Berridge,
2003) die Bedeutsamkeit für positive Affekte, Lust, aber auch Substanzabhängigkeit.
Es ist im Wesentlichen ein dopaminerges System, das seinen Ausgang im Mittelhirn im
ventralen Tegmentum nimmt, und sich zum Nucleus Accumbens erstreckt. So wie die
Amygdala den Angelpunkt der Verarbeitung von negativen Emotionen darstellt, lässt
sich das mesolimbische Dopaminsystem durchaus als Lustzentrum bezeichnen
(Berridge, 2003). So berichtet Berridge (2003) von erhöhter Aktivität der dopaminergen
95
Theoretische Grundlagen
Neurone bei zahlreichen als positiv erlebten Tätigkeiten und Stimulationen (Sex,
Drogen, genussvolle Mahlzeiten etc.)
Abbildung 11: Lage des insulären Kortex in einem Transversalschnitt des Gehirns [Abb.
von http://www.sinnesphysiologie.de].
Insulärer und somatosensorischer Kortex (Abbildung 11 und Abbildung 13): Die
Insula und der somatosensorische Kortex spielen bei der emotionalen Verarbeitung
ebenfalls eine Rolle, speziell bei der Wahrnehmung von Körperempfindungen und
Signalen des inneren Milieus, der so genannten Interozeption (Berntson, Sarter &
Cacioppo, 2003; Cameron, 2001, 2002; Craig, 2002, 2003; Critchley, 2005; Critchley,
Wiens, Rotshtien, Ohman & Dolan, 2004; Herbert, 2005; Pollatos, Kirsch & Schandry,
2005; siehe auch Abbildung 12). Vor allem der bekannte Neurologe Antonio Damasio
hat sich mit seiner umfassenden Theorie der „somatischen Marker“ (siehe Damasio,
2000, 2001; Damasio, A.R., Tranel & Damasio, H., 1991) und deren Bedeutung für
Gefühle, Bewusstsein und Entscheidungsprozesse auf diesem Gebiet einen Namen
gemacht. Besonders bemerkenswert scheint seine These, die somatischen Marker
trägen zu rationalen Entscheidungen in komplexen Situationen bei, die affektiven
Prozesse seien folglich für die rationalen kognitiven Vorgänge von eminenter
Wichtigkeit. Diese Theorie wäre damit der deutlichste Versuch einer Integration der in
2.3.2 beschriebenen gespaltenen Sichtweisen über das Verhältnis von Emotion und
Rationalität. Für eine ausführliche Darstellung der Theorie wird aufgrund ihrer
Komplexität auf Damasio (2000) sowie auf Dunn, Dalgleish und Lawrence (2006)
verwiesen. Die für die Interozeption verantwortlichen Areale Insula und sensomotorischer Kortex sind, wie in Abschnitt 2.2.5 und 2.2.6 herausgestellt wurde, neuronale
Areale, die mit zunehmender Achtsamkeitspraxis (explizites Training des Gewahrseins
96
Theoretische Grundlagen
von kognitiven und körperlichen Prozessen) unter den Einfluss neuroplastischer
Prozesse geraten, und durch Ausdifferenzierung und Vergrößerung einen Funktionszuwachs erlangen (Lazar et al., 2005). Nun zeigen neuere experimentelle Untersuchungen, dass zunehmendes interozeptives Gewahrsein (gemessen über die
Fähigkeit, den eigenen Herzschlag wahrzunehmen, siehe Knapp-Kline & Kline, 2005)
positiv korreliert mit der erlebten Gefühlsintensität (u.a. Barrett, Quigley, Bliss-Moreau
& Aronson, 2004; Bechara & Naqvi, 2004; Craig, 2004; Pollatos, Kirsch & Schandry,
2005; Wiens, 2005). „Some evidence exists for the right insula to play an important role
in connecting emotional experience with interoceptive awareness. (…) Following this
assumption, one may conclude that the extent of a person’s sensitivity to bodily signals
(‘interoceptive awareness’, ‘visceral perception’) should be related to the experienced
intensity of emotions” (Pollatos, Kirsch & Schandry, 2005, S. 949). Damit sind die
Hypothesen 1a / 1b (siehe 2.6) auch von emotionswissenschaftlicher Seite gestützt.
Abbildung 12: Verschränkung emotionaler und interozeptiver Prozesse [Abb. aus Bechara
& Naqvi, 2004].
97
Theoretische Grundlagen
Diese
Verschränkung
von
Interozeptionsfähigkeit
und
intensiverer
Gefühls-
wahrnehmung korreliert wiederum mit dem Konstrukt der “Emotionalen Intelligenz“
(Goleman, 1997a), wie es von Schneider, Lyons und Williams (2005) über
Fragebogenmaße erfasst wurde (siehe dazu auch Mayne, 2001). Im nächsten Schritt
lässt sich dieser Zusammenhang also auch auf einen parallelen Anstieg von
Achtsamkeit und emotionaler Intelligenz ausdehnen. Der insuläre Kortex ist weiterhin
von Bedeutung für die Regulation der autonomen emotionalen Reaktionen wie z.B. die
peripherphysiologische elektrodermale Aktivität: „The insular cortex receives afferents
from several major autonomic regions and sends efferents to a number of brain regions
that play a critical role in regulating autonomic responses that accompany emotion
including the central nucleus of the amygdala and the lateral hypothalamus” (Davidson
& Irwin, 1999, S. 19). Hier liegt also auch eine Möglichkeit der Modulation der
elektrodermalen Aktivität, die in der hier vorzustellenden Studie als Indikator für die
physiologische Komponente der emotionalen Reaktion eingesetzt wurde (siehe dazu
auch Critchley et al., 2000). Interessanterweise berichten Wiens, Mezzacappa und
Katkin (2000), dass bei Probanden mit im Vergleich erhöhtem interozeptiven
Gewahrsein und intensiver erlebten Emotionen die peripherphysiologischen Reaktionen wie EDA und Herzrate nicht signifikant von der Kontrollgruppe abwichen. Damit
wird die durch die Hypothesen 1 und 3 im Anschnitt 2.6 angenommene, mit fortschreitender Achtsamkeitspraxis einsetzende Dissoziation der Emotionskomponenten Gefühl
Ĺ und physiologische Komponenten Ļ gestützt. Für die Hypothesen bedeutet dies die
zugrunde liegende Annahme, dass die mit fortschreitender Achtsamkeitspraxis erlebte
intensivere Gefühlswahrnehmung vermittelt wird durch sensitivere Interozeptionsprozesse, und nicht durch einen Anstieg der physiologischen Erregung.
Abbildung 13: Lage des somatosensorischen Kortex und der „Homunculus“ [Abb. aus
Schandry, 2006].
98
Theoretische Grundlagen
Zusammenfassend lässt sich der Ablauf emotionaler Episoden aus Sicht der
Neurowissenschaften also wie folgt skizzieren: Gewöhnlich springen die automatischen
Prozesse auf emotional relevante Stimuli hin unbewusst an, Amygdala und Basalganglien evaluieren externalen und internalen Input auf zu erwartende Bedrohung oder
Belohnung. Wird Gefährdung detektiert, assoziiert die Amygdala unmittelbar den Reiz
mit einer einzuleitenden Reaktion (Vermeidung, Flucht), sie stellt also den Kern des
von Bradley et al. (2001) so bezeichneten emotionalen „Withdrawal“- oder „Avoidance“Motivationssystem dar. Falls der Stimulus jedoch eine Belohnung verspricht,
generieren die Basalganglien die Sequenz aus Gedanken und Handlungen, die in der
Vergangenheit erfolgreich zur Erlangung der durch das mesolimbische Dopaminsystem vermittelten Belohnung oder Verstärkung geführt haben, und stellen mit diesem
somit die Basis des von Bradley et al. (2001) postulierten emotionalen „Approach“Motivationssystem dar. Mithilfe des präfrontalen Kortex wird nun weiter automatisch
semantisches Wissen über das identifizierte Objekt, auf das die Emotion nun gerichtet
wird, abgerufen. Meldet der ACC im weiteren Verlauf sodann die Notwendigkeit,
einzugreifen, beginnen die kontrollierten oder bewussten emotionalen Verarbeitungsprozesse, für deren erlebte Intensität und Bewusstheit das ACC und die Insula von
Bedeutung sind. Diese kontrollierten Prozesse verwenden die von OFC und VMFC
durchgeführten Bewertungen und Analysen, um zusammen mit dem emotionalen
Wissen des präfrontalen Kortex die automatisch in Gang gesetzten emotionalen
Reaktionen zu modulieren, neu zu bewerten und zu regulieren: „The effortful
application of emotion knowledge may thus serve a regulatory function because the
way in which we interpret and draw inference about the meaning of our current
affective responses may change them“ (Ochsner & Feldman-Barrett, 2001, S. 62).
Dieses Zitat der beiden Autoren bietet abschließend einen guten Anknüpfungspunkt
über die Appraisal-Theorien zur Achtsamkeitspraxis, deren Ziel es ist, die Inferenzen,
Bedeutung und Interpretation unserer emotionalen Reaktionen zu transformieren
(Davidson, Jackson & Kalin, 2000; Goleman, 1998). Erinnert sei auch an die weiter
oben
(2.2.6
und
2.2.7)
berichteten
Befunde
des
kausalen
Einflusses
von
Achtsamkeitspraxis auf neuroplastische Veränderungen in den eben dargestellten
Arealen der kontrollierten Emotionsverarbeitung, wie PFC, ACC, OFC, VMFC, Insula
und somatosensorischem Kortex.
Damit sind auf neurowissenschaftlicher Ebene die unterschiedlichen Perspektiven der Emotionsforschung letztlich zu vereinen. Der Einfluss der Achtsamkeitspraxis
auf die kontrollierten Prozesse der Emotionsverarbeitung, z.B. während der formellen
Meditationspraxis, ist aus den bisherigen Ausführungen ersichtlich. Darüber hinaus
99
Theoretische Grundlagen
stellt sich nun die grundsätzliche Frage, inwiefern (z.B. durch kontinuierliches Üben
bzw. Anwenden) diese kontrollierten Prozesse daneben auch transformierende
Einflüsse auf automatische Vorgänge haben könnten. Dies soll im folgenden Kapitel
über Emotionsregulation weiter untersucht werden.
2.4
Theorien und Befunde zur Emotionsregulierung
„Wir streben mehr danach, Schmerz zu vermeiden als Freude zu
gewinnen.“
Sigmund Freud
Die relativ neue Forschungsrichtung zur Emotionsregulierung (ER), die sich über die
letzten 20 Jahre entwickelte (Gross, 1999), hatte vor allem die psychoanalytische
Tradition (Abwehrmechanismen) und die Coping- (Bewältigungs-) Literatur als
Vorläufer, und kann des Weiteren abgegrenzt werden von der Stimmungsregulierung
(Gross, 1999, siehe Abbildung 14).
Abbildung 14: Hierarchisches Modell der Affektregulierung [Abb. nach Gross, 1998a].
Die Psychoanalyse hatte sich nach Gross (1999) als erstes Theoriegebäude mit
der Regulation von Emotionen befasst, und dabei vor allem die Ängste ins Blickfeld
gerückt. Die potentielle Konflikthaftigkeit der Diskrepanz zwischen biologisch
vermittelten Wünschen, Impulsen und Trieben einerseits, und den internen und
externen Sanktionen solcher Wunscherfüllungen andererseits standen dabei im Fokus
100
Theoretische Grundlagen
der Aufmerksamkeit (Fenichel, 2005; Freud, 1992, 2000). Dabei war Freud´s hypothetisches Strukturmodell der menschlichen Psyche der entscheidende Referenzpunkt
(siehe Abbildung 15):
Abbildung 15: Modell der freudschen Strukturtheorie der Psyche [Abb. aus Freud, 2000].
Freud (2000) unterschied das Ich, mit dem sich der bewusste Mensch gewöhnlich
identisch erlebt, das Überich als Sitz der moralischen und Wertvorstellungen und der
(teils von den Eltern übernommenen) internalisierten Ge- und Verbote, sowie das Es,
als Sitz der Triebe, Wünsche, Bedürfnisse und (sexueller) Fantasien. Wie Abb. 15
zeigt, ist das Es immer unbewusst, und sowohl Teile des Ich als auch des Überich
können ebenfalls unbewusst sein. Angst kann in diesem Modell nur vom Ich generiert
werden. Freud unterschied nun realistische Angst, die durch eine Konfrontation des Ich
mit der Realität entsteht, wobei sich das Ich den Anforderungen nicht gewachsen sieht
und überwältigt zu werden droht. Diese Form der Angst wird innerhalb des Modells
gewöhnlich mit Vermeidungsverhalten reguliert, d.h. die angsteinflößende Situation
wird einfach nicht mehr aufgesucht. Es und Überich basierte Angst hingegen, die
potentiell neurotisch werden kann (siehe weiter unten), unterschied er von der
realistischen Angst: Aufsteigende Handlungsimpulse, Wünsche oder Fantasien (aus
dem Es kommend, dem Sitz der Triebe) können je nach individueller Konstitution und
Zusammensetzung des Überich in mehr oder weniger starken Konflikt mit den im
Überich repräsentierten Moralvorstellungen geraten (was nicht bewusst werden muss).
Die antizipierte reelle externe oder interne moralische Bestrafung eines Auslebens von
Impulsen führt nun dazu, dass diejenigen, deren vorgestellte Bestrafung zu viel
moralische Angst oder Unlust einflößen, vom Ich verdrängt und damit ins Unbewusste
abgeschoben werden (kann ebenfalls alles unbewusst geschehen). Dabei werden eine
101
Theoretische Grundlagen
Vielzahl von so genannten „Abwehrmechanismen“ (siehe Freud, A., 1936) angewandt.
Sind nun die dergestalt ablaufenden und miteinander ringenden Konfliktkräfte zu stark,
um vom Ich erfolgreich (also unbemerkt) abgewehrt zu werden, präsentiert das
psychische System als Ausweg ein neurotisches Symptom in psychischer oder
somatisierter Form (Hoffmann & Hochapfel, 2004). Damit beschäftigte sich die
psychoanalytische Theorie Gross (1999) zufolge hauptsächlich mit der Angstregulation
unter Zuhilfenahme unbewusster Abwehrmechanismen. Dabei führt oben skizzierter
Bewältigungsmechanismus, der auch mehr oder weniger stark bei jedem gesunden
Menschen abläuft, zu unterschiedlich starken Realitätsverzerrungen, Energieverlust
(da die Abwehr psychische Energie kostet), Verhaltenseinschränkungen und teils
unnötigen Abwertungen von psychischen Bedürfnissen (Fenichel, 2005). Neurotische
Abwehrformen assoziieren in diesem Sinne also Situationen oder Impulse mit
unangemessenen Angstaffekten und können im Zuge deren Abwehr einen lebenslangen maladaptiven Einfluss auf die emotionale Entwicklung der Person und deren
emotionaler Offenheit und Erlebensfähigkeit bedingen (Fonagy & Target, 2006). In der
analytischen Therapie wird dies durch ein Aufdecken der unbewussten Konflikte und
Strukturstörungen (Fiedler, 2001) und die Vermittlung „korrigierender emotionaler
Erfahrungen“ versucht zu behandeln, um die Person grundlegend umzustrukturieren
und ihr neue Einsichten und gesunde Bewältigungsmechanismen zu ermöglichen
(Hoffmann & Hochapfel, 2004). In der Tradition der Psychoanalyse befasst sich die
ER-Theorie ebenfalls größtenteils mit der Regulation aversiver, destruktiver Emotionen, wobei nun eher der Fokus auf die bewussten ER-Prozesse gelegt wird.
Wenngleich die ER weiterhin als wichtiger Einfluss-Faktor für psychopathologische
Phänomene verstanden wird, befasst man sich heute eher mit den normalen ERVorgängen bei gesunden Personen (Gross, 1999).
Die Coping-Tradition wird hier nur kurz erwähnt, da die ER-Forschung zu
großen Teilen Anleihen aus dieser Richtung genommen hat, und daher viele
Gemeinsamkeiten bestehen (Gross, 1998a, 1999). Coping-Forschung untersucht den
Einfluss von möglichen kognitiven und verhaltensbasierten Bewältigungsmechanismen
in Stress-Situationen, die der Betroffene als seine Ressourcen übersteigend erlebt
(Gross, 1999). Damit bezieht sich die Coping-Forschung im Vergleich zur ER eher auf
situationale
Problemlösungsmöglichkeiten,
während
ER
sich
in
einer
feiner
differenzierten Weise mit emotionalen Prozessen befasst. Für Details zur CopingForschung wird auf Gross (1999) verwiesen.
Stimmungsregulierung (Morris & Reilly, 1987; Larson, 2000) befasst sich mit
den eher diffusen, weniger intensiven und länger bestehenden Stimmungen, wobei
102
Theoretische Grundlagen
deren Regulation vor allem auf das Erleben abgezielt, nicht wie bei der ER auch auf
die anderen Komponenten der affektiven Reaktionen (Ausdruck, Physiologie etc.).
Die Emotionsregulierung: Die Gründe, Emotionen zu regulieren, liegen neben
der vom Lustprinzip (Freud, 2000) abgeleiteten menschlichen Tendenz, destruktive,
aversive und ängstigende Affekte herunterregulieren zu wollen (siehe auch Gross,
1998a), wohl größtenteils in deren oft mangelnden Akkuratheit bzw. Angemessenheit
an die Situationen des heutigen, modernen Lebens: „An evolutionary perspective holds
that emotions encode situation-response dependencies that have proven valuable over
the sweep of millennia (…). This in no way implies, however, that emotion response
tendencies are always or even usually appropriate to the situations we now face.
Physical and social environments have changed out of all recognition from those that
shaped our emotions” (Gross, 1999, S. 558). Somit werden die in Abschnitt 2.3.4
beschriebenen kontrollierten Emotionsverarbeitungsprozesse zum Ziel der Anpassung
der emotionalen Reaktionen: „Emotion regulation involves the initiation of new or the
alteration of ongoing emotional responses through the action of regulatory processes”
(Ochsner & Gross, 2005, S. 242). ER wird von James Gross, neben Kevin Ochsner
(Ochsner & Gross, 2004) einem der führenden Forscher auf diesem Gebiet, weiterhin
definiert als die Prozesse, durch die wir darauf Einfluss nehmen, welche Emotionen wir
haben, wann wir sie haben, und wie wir sie erleben und ausdrücken (Gross, 1998a,
2006; zur Definition siehe auch Goldsmith & Davidson, 2004; Thompson, 1994). In der
ER-Forschung wird dabei nur die Regulation von eigenen Emotionen untersucht, nicht
die der Interaktionspartner (Gross, 1999). Bonanno (2001) zeigt die Grundlagen auf,
auf denen individuelle Regulationsstrategien beruhen mögen: abstrakte Werte oder
Prinzipien (Ehrlichkeit, Integrität, usw.), interne Strukturen wie Ideale über das
emotionale Selbstbild (ruhig, sanft, expressiv, usw.), internalisierte Schemata, wie in
interpersonellen Situationen emotional zu agieren ist, kulturelle Normen des
Ausdrucks, Art der Kultur (individualistisch, kollektivistisch). Ziel der ER kann sowohl
ein Hoch- als auch Herunterregulieren von positiv- als auch negativ-valenten
Emotionen
sein.
Gross
(1999)
nennt
dafür
einige
mögliche
Beweggründe:
Herunterregulierung: a) die sich anbahnende emotionale Reaktion ist nicht länger
nützlich, wie z.B. körperliches Angreifen; b) die entstehende Emotion resultiert aus
einem unzutreffenden Beurteilungsmuster, z.B. wenn ein Stock für eine Schlange
gehalten wurde; c) die emotionale Reaktion widerspricht anderen, der Person
wichtigeren Werten oder Zielen, wie z.B. Wut im Falle eines Partnerschaftskonfliktes,
mit dem Wunsch nach Harmonie und Liebe. Initiierung von Emotionen /
Hochregulierung: a) z.B. wenn emotionale Reaktionen fehlen, da man im Geiste
103
Theoretische Grundlagen
abwesend war, den Interaktionspartner aber nicht vor den Kopf stoßen will, also im
Sinne der Bedienung sozialer Normen; b) eine unerwünschte aversive Emotion oder
Stimmung soll durch eine Positive ersetzt werden. All diese Ziele und Bedingungen
sind gewöhnlich unbewusster Natur und in hohem Maße kontextabhängig (Gross,
1999). Gross (1998a) nimmt dabei an, dass die in diesen individuellen Bedingungen
gründenden
Regulationsvorgänge
sowohl
automatisch
(unbewusst)
als
auch
kontrolliert (bewusst) erfolgen kann: „I prefer to think of a continuum from conscious,
effortful and controlled regulation to unconscious, effortless and automatic regulation
(Gross, 1998a, S. 275). Die Effekte von ER können ihm zufolge an einem singulären,
oder an mehreren Zeitpunkten der emotionalen Episode zum Tragen kommen. Gross
(1998a) folgert daraus Einflussmöglichkeiten von ER auf die zeitlichen Aspekte der
Emotionsverarbeitung, von Thompson (1994) auch „emotion dynamics“ genannt. Diese
Aspekte wurden von Davidson (z.B. 2000) mit der mittlerweile gebräuchlichen
Bezeichnung „affective chronometry“ (auch „time course of affective responding“)
versehen. Richard Davidson interessierte sich dabei vor allem für die existierenden
individuellen Unterschiede in der Art der emotionalen Reaktivität auf aversive Reize
(Davidson, 2004). Experimentelle Beobachtungen sowie die Alltagserfahrung legen
nahe, dass die emotionale Antwort auf ein und dasselbe Geschehen bei verschiedenen
Menschen teils enorm unterschiedlich ausfallen kann (Davidson, 2004). Er prägte dafür
den Ausdruck „affective style“, der breit rezipiert wurde, und den er so definiert:
„Affective style refers to consistent individual differences in emotional reactivity and
regulation (…). It is a phrase that is meant to capture a broad array of processes that,
either singly or in combination, modulate an individual’s response to emotional
challenges, dispositional mood and affect-relevant cognitive processes. Affective style
can refer to valence-specific features of emotional reactivity or mood, or it can refer to
discrete emotion-specific features” (Davidson, 2004, S. 1395). Das Augenmerk wird
dabei insbesondere gerichtet auf a) „the tonic level”, b) „the threshold to respond”, c)
„the magnitude of the response”, d) „the rise time to the peak of the response”, e) „the
recovery function“, f) „the duration of the response” (Davidson, 2000, 2003). Die letzten
drei Facetten sind dabei die Kriterien der „affective chronometry”, die nach Davidson
(2003) von spezieller Bedeutung für das Wohlbefinden und die Widerstandsfähigkeit
gegen Psychopathologien sind. Viele psychische Krankheiten werden begleitet von der
Unfähigkeit, emotionale Verläufe zu regulieren (siehe Dilling, Mombour & Schmidt,
2004; Gross, 1998a, 1999). Gross (1998a) und John und Gross (2004) führen dazu
eine Vielzahl von Pathologien an, die durch dysfunktionales Emotionsmanagement
bzw. falsche ER ausgelöst werden können: z.B. kann die chronische Unterdrückung
104
Theoretische Grundlagen
von Feindseligkeit und Wut zu kardiovaskulären Erkrankungen oder auch zu einem
rapideren Verlauf von Krebserkrankungen führen; Gross (1998a) führt die destruktiven
Effekte der Unterdrückung gemeinsam auf die durch sie ausgelösten höheren Level
tonischer sympathischer Aktivation zurück, die aufgrund der fehlenden metabolischen
Nutzung dann einen pathologischen Effekt zeitigen. Auch die Immunfunktion lässt
unter der chronischen Sympathikus-Aktivierung nach (Gross, 1999). Ebenso kann auch
eine übermäßig lange aufrechterhaltene aversive emotionale Reaktion wie z.B. Ärger,
Wut, Angst psychopathologische Konsequenzen haben (Davidson, 2000; Goleman,
2005), wie sich z.B. bei der Depression (Ma & Teasdale, 2004) und bei der BorderlinePersönlichkeitsstörung zeigt. Hier erleben die Patienten Emotionen einer Intensität, der
sie gewöhnlich ausgeliefert sind, und die sie körperlich und psychisch überwältigt
(Fiedler, 2001; Jennings, 2003; Linehan, 1993). Davidson (2000) sieht daher in der
Fähigkeit einer schnellen Erholung von aversiven emotionalen Reaktionen einen
Garant für eine gute Resilienz (Widerstandsfähigkeit) der betreffenden Person: „It is not
that resilient individuals never experience negative affect, but rather that the negative
affect does not persist. Such individuals are able to profit from the information provided
by the negative affect, and their capacity for meaning making in response to such
events may be part and parcel of their ability to show rapid decrements in various
biological systems after exposure to a negative or stressful event“ (Davidson, 2000, S.
1198). Diese Charakteristik resilienter Personen korreliert exakt mit dem Ziel der
Achtsamkeitspraxis und ging mit ein in die Hypothesen 2 und 3 (siehe Abschnitt 2.6).
Weiterhin argumentiert Gross (1998a) dafür, dass ER Einfluss nimmt auf die
Assoziation der einzelnen Emotionskomponenten: „Emotion regulation also involves
changes in how response components are interrelated as the emotion unfolds“ (Gross,
1998a, S. 275). Ein weiterer Hinweis, der die aufgrund der Hypothesen 1 und 3 mit
steigender Achtsamkeitspraxis erwartete Komponenten-Dissoziation unterstützt.
Bereits in den oben referierten Theorien zur Emotionsverarbeitung ist deutlich
geworden, dass es schwierig ist, Emotionsgeneration und Emotionsregulation zu
trennen (Davidson, Jackson & Kalin, 2000; Gross, 1999). Auch dort wurden bereits
Gehirnregionen vorgestellt, deren Aufgabe die Evaluation und Regulation darstellt. In
dem Sinne lässt sich mit Gross (1999) fragen. „Is emotion ever not regulated?“ (S.
565). Er rät zur Annahme eines Kontinuums der Regulationsintensität, hält es jedoch
ebenfalls für schwierig, zu beurteilen, ob es völlig unregulierte Emotionen (da dies auch
unbewusst geschehen kann) gibt (Gross, 1999). Die nachfolgende Grafik (Abbildung
16) bietet einen Rahmen um die möglichen Regulierungsprozesse zu klassifizieren:
105
Theoretische Grundlagen
Abbildung 16: Differenzierung möglicher Emotionsregulierungs-Strategien [Abb. aus
Gross, 2002].
Die grobe Einteilung verläuft über die Kategorien „antecedent-focused“ und „responsefocused“ ER-Strategien, wobei die „antecedent-focused“ Strategien bereits einsetzen,
bevor, bzw. während sich eine emotionaler Prozess entwickelt (Gross, 1998b), die
„response-focused“ ER-Strategien dementsprechend versuchen, die schon bestehende Emotion zu regulieren.
Die frühen (antecedent) Regulationsprozesse – hier werden nach Gross
unterschieden:
•
situation selection
•
situation modification
•
attentional deployment
•
cognitive change
Zu situation selection: Diese Regulationsstrategie wird als frühe Einflussnahme im
zeitlichen Kontinuum der Emotionsverarbeitung verstanden, da durch systematisches
Vermeiden oder Aufsuchen von Situationen oder Personen Emotionen generiert,
reguliert oder verhindert werden können. Die Beurteilung dieser Strategie ist nicht
einfach, da sie immer im jeweiligen Kontext betrachtet werden muss. Wird z.B. von
fettsüchtigen Patienten gezielt die Begegnung mit Süßigkeiten vermieden, um nicht in
Versuchung zu kommen, so mag dies durchaus sinnvoll sein. Generell wird ein
Vermeidungsverhalten von angsteinflößenden Situationen, das kurzfristig Erleichterung
verspricht, jedoch skeptisch beurteilt, da es überaus unerwünschte langfristige Konsequenzen haben kann, wie in diesem Fall z.B. Isolation oder gesteigerte Angst vor der
Situation (Gross, 2002). Wichtig ist somit immer die Abwägung der Effekte.
106
Theoretische Grundlagen
Zu situation modification: Im nächsten zeitlichen Schritt ist es nun schon nicht
mehr möglich, die Situation zu selektieren, man befindet sich bereits in ihr. In diesem
Fall wäre die nächste Strategie die Modifikation: in der Coping-Literatur auch als
„problem-focused coping“ bezeichnet, meint diese Strategie eine unternommene
Anstrengung, die direkt auf die (potentiell) emotionsauslösende Situation einwirkt, um
deren emotionalen Gehalt zu beeinflussen bzw. zu verändern. Ein einfaches Beispiel
ist das Schließen des Fensters, wenn man bemerkt, dass sich in Folge des
zunehmenden Straßenlärms Ärger einstellt. Gross (2002) weist auf die wichtige
Tatsache hin, dass diese Situationsmodifikation auch im willentlichen Darbieten von
emotionalem Ausdruck bestehen kann. Stellt im Streit einer der beiden Partner einen
traurigen Gesichtsausdruck beim anderen fest, dann ändert sich gewöhnlich sein konfrontatives Verhalten rapide.
Zu attentional deployment: Darunter fällt vor allem die Ablenkung der
Aufmerksamkeit auf entweder einen nicht-emotionalen Aspekt des Reizes, oder auf
etwas ganz anderes. Ist man dem emotionalen Reiz ausgeliefert oder unterliegt dieser
nicht der eigenen Einflussnahme, bietet sich immer noch jene Art der Regulation an.
Auch innere Bilder, Gedanken, Erinnerungen, auf die die Aufmerksamkeit gelenkt wird,
und die inkompatibel mit dem anwesenden, unerwünschten emotionalen Zustand sind,
können diese Funktion erfüllen (Gross, 2002; siehe auch Pessoa, Kastner &
Ungerleider, 2002).
Zu cognitive change: Diese Strategie ist nun der Anknüpfungspunkt für die
möglichen Einflüsse der Achtsamkeitspraxis. Unter „cognitive change“ als ERMechanismus versteht man nach Gross (2002) die Modifizierung der Bedeutung der
nun erlebten Aspekte des emotionalen Stimulus. Hier gilt es, sich die Komponententheorie der Emotionsverarbeitung in Erinnerung zu rufen, die mit den darin angenommenen „appraisals“ (Bewertungen), die automatisch oder bewusst ablaufen
können, einen entscheidenden Einfluss der kognitiven Bedeutungszuschreibung auf
den Verlauf der emotionalen Reaktion postuliert (Scherer, 2000). Hier verbindet sich
damit die kognitive Komponententheorie mit den Modellannahmen der ER: Die
Zuschreibung von gewissen Eigenschaften und Bedeutungen, von Bewältigungsmöglichkeiten und ähnliche Evaluationen ändert den emotionalen Verlauf (Gross,
1998a). Die Achtsamkeitspraxis sollte an dieser Stelle während der formellen Praxis
ihre Effekte zeigen. Der Einstellungswandel, die Akzeptanz, die Erfahrung des
Wandels und die Desidentifiktation, sowie die dadurch als erhöht erlebte Bewältigungsfähigkeit (siehe 2.2.6 und 2.3.3) sind Haltungen, die im Hinblick auf das mentale Erleben in diesem Sinne als „cognitive change“ zu verstehen sind, der sich mit
107
Theoretische Grundlagen
fortwährender formeller Praxis immer tiefer verankert (Brown & Ryan, 2003). Zur
Abgrenzung zum gleich folgenden Mechanismus des „reappraisals“ ist es wichtig, sich
bewusst zu machen, was bei der Achtsamkeit nun exakt Ziel bzw. Objekt des
„cognitive change“ ist: Umbewertet wird nämlich nicht der Stimulus, so dass er danach
möglichst nicht mehr als aversiv erlebt werde. Sondern umbewertet oder uminterpretiert wird im Falle der Achtsamkeitspraxis (nicht im Einzelfall, sondern als generelle
Haltung, die allen mentalen Ereignissen entgegengebracht wird) die Bedeutung und
Konsequenz der Tatsache des Erlebens von aversiven Emotionen überhaupt: Dies
wird nicht mehr länger als bedrohlich verstanden, und daher mit weniger Be- und
Entwertung, Aversion und Reaktivität quittiert (siehe 2.1 und 2.2). Eine der am besten
untersuchtesten Formen des „cognitive change“ ist nun das so genannte „reappraisal“,
das „Neu- oder Wiederbewerten“ der Bedeutung des emotionalen Stimulus (Gross,
2002, 2003). „This involves cognitively transforming the situation so as to alter its
emotional impact” (Gross, 1998, S. 284). Dabei werden zwei Varianten des
„reappraisals” unterschieden (Kalisch et al., 2005; Ochsner, Ray, Cooper et al., 2004):
In der ersten Form, genannt „situation-focused“ (Ochsner et al. 2004), wird die
Bedeutung eines Stimulus uminterpretiert, so dass er nicht mehr länger negativ getönt
ist. Z.B. die Träne auf dem Bild einer jungen Frau (eigentlich unangenehm, traurig) wird
durch einen bewussten Akt als Ausdruck ihrer Freude ob einer von ihr beobachteten
hypothetischen Hochzeit verstanden. Die zweite Klasse von „reappraisals“ nennen
Ochsner et al. (2004) „self-focused“: damit kommt zum Ausdruck, dass die emotionale
Situation, der Stimulus in seiner Natur akzeptiert, seine Relevanz für die eigene Person
jedoch geleugnet wird (Kalisch et al., 2005; Beauregard, Levesque & Bourgouin, 2001).
Diese Variante wird auch bezeichnet als „detachment“, „disengagement“, „dissociation“
oder „isolation“. Beide Varianten des „reappraisals“ haben also zum Ziel, den Stimulus
als nicht mehr emotional bedeutsam zu klassifizieren und damit die emotionale
Reaktion zu beenden bzw. zu verhindern (Ochsner et al., 2004). Aus den Ausführungen zur Achtsamkeitspraxis in Abschnitt 2.1 und 2.2 sollte ersichtlich werden, dass sie
mit diesen beiden Herangehensweisen nichts gemeinsam hat. Es wird die Meinung
vertreten, dass die Haltung der Achtsamkeitspraxis also nicht in der ER-Strategie des
„reappraisals“ aufgeht, für das alle möglichen dämpfenden Einflüsse auf die emotionale
Reaktion nachgewiesen sind, wie später referiert wird. Eine achtsame Haltung besteht
eben gerade darin (Kabat-Zinn, 2005), die im Bewusstsein entstehenden Inhalte nicht
zu bewerten, nicht zu interpretieren, auch nicht um-zuinterpretieren, und schon gar
nicht in der Form, wie dies beim „reappraisal“ geschieht, bzw. in Experimenten
instruiert wird, nämlich: „Participants were asked to interpret photos so that they no
108
Theoretische Grundlagen
longer felt negative in response to them“ (Ochsner, Bunge, Gross & Gabrieli, 2002, S.
1216). Oder bei Gross (1998b): „please try to think about what you are seeing in such a
way that you don't feel anything at all“ (S. 227). Auch hier sind die kurzfristig durchaus
zu erreichenden Erleichterungen durch Minimierung subjektiver aversiver Gefühle
immer in Bezug zu setzen zu den langfristigen Effekten dieser Strategie (Gross,
1998b): „(…) inflexible or unrealistic reappraisals might lead one to deny important
features of one’s environment, such as hazards at work or abusive tendencies in a
partner. In such cases, the short-term benefits of relief from negative emotion would
almost certainly be outweighed by the long-term costs of stifling the adaptive
behavioral tendencies (…) associated with negative emotions” (Gross, 1998b, S. 232).
Die späten (response) Regulationsprozesse: diese Prozesse greifen zu einem
Zeitpunkt in die emotionale Reaktion ein, zu dem die Reaktionen auf allen
Komponenten-Ebenen bereits initiiert sind (Gross, 1998a, 1998b). In einem weiteren
Sinne ist das traditionell der Anwendungsbereich der Psychopharmaka, die dazu
eingesetzt werden, um z.B. die physiologische Erregung wie z.B. die sympathische
Hyperreaktivität (Beta-Blocker) oder die Muskelspannung (Anti-Anxiolytika) zu
regulieren. Aber auch Entspannungstechniken (z.B. Progressive-Muskel-Entspannung
nach Jacobson; siehe Vaitl & Petermann, 2004) oder Biofeedback werden dazu
benutzt, die physiologischen- und subjektiven Komponenten der emotionalen Reaktionen zu regulieren. In der Realität wird dazu oft auch auf Alkohol und Drogen
zurückgegriffen, ebenso auf Tabak und sogar Essen (Gross, 1998a). Die gebräuchlichste Methode der „response-focused“ ER im engeren Sinne ist jedoch das
Unterdrücken (suppression) des emotionalen Ausdrucks, so dass es für andere nicht
ersichtlich ist, dass bzw. welche emotionale Reaktion durchlebt wird (Gross & John,
2003). Nach Einschätzung der Autoren, die diese ER-Strategie näher beleuchtet
haben, ist davon eher abzuraten (Gross & John, 2003; John & Gross, 2004; Richards,
2004): „(…) as noted above, one important function of emotions is to signal to others
one's wishes and needs. If these signals are systematically concealed, others may not
know one's wishes. This would make it less likely that one's interactions would be
accommodating and more likely that one would have intense and frequent negativeemotion-laden interactions” (Gross, 1998b, S. 233). Außerdem nimmt Richards (2004)
an, dass der Vorgang des Unterdrückens ein energieaufwendiger Prozess des
permanenten Selbst-Überwachens und Selbst-Regulierens ist, der einen Grossteil der
verfügbaren Ressourcen von allen anderen zur selben Zeit ausgeführten Handlungen
abzieht, welche daher schlechter vonstattengehen.
109
Theoretische Grundlagen
Die experimentelle Forschung war bisher vornehmlich an den Mechanismen
und Effekten von „reappraisals“ und „suppression“ interessiert (Gross, 2003, 2006).
Eine ganze Reihe von Ergebnissen bestätigt dabei folgendes Bild:
Suppression: Die Unterdrückung von emotionalem Ausdruck ist energieraubend
(Gross, 2003; Richards, 2004) und vermindert die Intensität der aversiven emotionalen
Gefühlswahrnehmung nicht (Gross, 1998b, 1999, 2002; Richards, 2004), diese kann
bei chronischer Anwendung eines unterdrückenden ER-Stiles sogar zunehmen (Gross
& John, 2003). Dabei treten unerwünschte Nebenwirkungen auf: „suppression“ scheint
zu Gedächtnisdefiziten für emotionale und soziale, sowie selbstbezogene Inhalte zu
führen (Gross, 2002; Richards & Gross, 2000) und in zwischenmenschlichen Situation
den Stress zu erhöhen (Gross & John, 2003), da der Unterdrücker nicht in Fühlung mit
dem Fluss der Interaktion ist. Als sekundäre Belastung für den Unterdrücker kommt
das schlechte Gefühl hinzu, sich unauthentisch darstellen zu müssen (Gross & John,
2003). Des Weiteren führt eine ausgeprägte Anwendung von suppressiven ERMechanismen zu den verschiedensten Problemen im sozialen Zusammenspiel und
Funktionieren: Angst vor Nähe nimmt zu, es werden weniger Emotionen geteilt, und sie
erhalten weniger soziale Unterstützung. Sie berichten außerdem von geringerem
Wohlbefinden, mehr depressiven Symptomen, geringerem Selbstbewusstsein und
weniger Optimismus (Gross & John, 2003). Die Auswirkungen der Ausdrucksunterdrückung auf die Physiologie ist ebenso bemerkenswert: Scheinbar aufgrund der
zusätzlich aufgewendeten Anstrengungen steigt das sympathische Erregungslevel bei
Unterdrückung im Vergleich zur Kontrollbedingung an – die Unterdrückung hat also
aversive, verstärkende Auswirkungen auf die physiologischen Komponenten der
emotionalen Reaktion (Gross, 2002; Ohira, Nomura, Ichikawa et al., 2006). Dies zeigt
sich z.B. im Anstieg der kardiovaskulären und elektrodermalen Aktivität. Trotz all dieser
kritischen Auswirkungen von „expressive suppression“ kann es in Einzelfällen das
einzige Werkzeug sein, auf das man zurückgreifen kann, wenn es angezeigt ist, eine
negative Emotion zu regulieren. Manchmal ist es vielleicht sogar angebrachter, die
evaluierte Bedeutung der Situation nicht durch Reappraisal zu verändern, da sie
angemessen erscheint. Ein Einsatz von vorübergehender Unterdrückung des emotionalen Ausdrucks ist hier dann u.U. das einzige verbleibende und auch probate Mittel
(Gross, 2002).
Reappraisal: Die Anwendung von Neubewertungsstrategien zeigt empirisch ein
ganz anderes Bild, wobei sich im Bereich der erlebten Gefühle und des emotionalen
Ausdrucks deutliche Einflüsse zeigen ließen (Gross & John, 2003; John & Gross,
2004). Beide Komponenten ließen sich effektiv von reappraisal reduzieren im Falle von
110
Theoretische Grundlagen
negativen Emotionen, aber auch erhöhen im Falle von Positiven (Beauregard,
Levesque & Bourgouin, 2001). Es konnte ein dämpfender Einfluss auf bei negativen
Emotionen ausgelöste elektrokortikale Potentiale nachgewiesen werden (Hajcak,
Moser & Simons, 2006), ebenso zeigte sich, dass reappraisal dazu in der Lage ist, das
sympathische Erregungsniveau abzusenken (Gross, 1998b, 2006; Ochsner & Gross,
2004, 2005). Die oben im Falle von suppression berichteten ungünstigen Einwirkungen
auf soziale Interaktionen treten bei der Anwendung von reappraisal nicht auf (Gross,
2002; Gross & John, 2003; Mauss, Evers, Wilhelm & Gross, 2006). Gross und John
(2003) berichten von überzeugenden Ergebnissen: die Bevorzugung von appraisal
Strategien gegenüber der Ausdrucks-Unterdrückung scheint sich auf das Wohlbefinden
der Probanden insgesamt positiv auszuwirken: „Moreover, reappraisal was correlated
positively with every indicator of positive functioning. Thus, reappraisers were more
satisfied with their lives, more optimistic, and had better self-esteem” (Gross & John,
2003, S. 359). Diese beachtlichen Vorzüge des kognitiven Neubewertens gegenüber
der Ausrucksunterdrückung liegen wohl vor allem in der Möglichkeit der Nutzung von
top-down Prozessen begründet: über die top-down Regulationsmechanismen der
höheren, kortikalen Gehirnstrukturen, vor allem des präfrontalen Kortex, vermag das
reappraisal die durch subkortikale automatische Prozesse, vor allem der Amygdala,
angestoßenen emotionalen Bewertungen der Stimuli bzw. der Situationen zu
modulieren (Ochsner, Bunge, Gross & Gabrieli, 2002): „By down-regulating multiple
types of evaluation prozesses, reappraisal may shift from an emotional to an
unemotional mode of stimulus analysis“ (S. 1223). „This result would support the
hypothesis that the amygdala is sensitive to conscious emotion regulation“ (Schaefer,
Jackson, Davidson, Aguirre, Kimberg & Thompson-Schill, 2002, S. 914). Dabei zeigt
sich ein über die meisten bisherigen fMRI-Studien relativ homogenes Bild (Phan et al.,
2002, 2004, 2005): In dem Maße, in dem infolge des appraisals die Aktivierung in
präfrontalen Kortexbereichen steigt, sinkt sie in der Amygdala (Keightley, Winocur,
Graham, Mayberg, Hevenor & Grady, 2003; Phan et al., 2005; Urry, van Reekum,
Johnstone et al., 2006). Die beobachtbare Aktivierung des dorsalen ACC und des
präfrontalen Kortex wird mit der dort durchgeführten Auswahl und Anwendung von
geeigneten reappraisal-Strategien (siehe 2.3.4) erklärt, die Absenkung der Aktivierung
in den Bewertungssystemen wie Amygdala oder Insula mit der erfolgten Re-Evaluation
des Stimulus als weniger bis nicht mehr emotional relevant (Ochsner & Gross, 2005).
„In general, studies of cognitive change have shown consistently that emotional
appraisal systems can be modulated by PFC, OFC and cingulate control systems
activated either (i) by high-level expectations for beliefs about, and interpretations of,
111
Theoretische Grundlagen
stimuli, or (ii) by learning to associate new emotional responses with stimuli” (Ochsner
& Gross, 2005, S. 245). Bei einer genaueren Analyse lassen sich zwei Arten von
Kontroll-Prozessen differenzieren. Der erste Typ funktioniert über direkte, reziproke
Bahnen und erreicht eine unmittelbare Beeinflussung der Amygdala-Aktivierung:
Areale des ventralen PFC und OFC evaluieren die Kontext-Angemessenheit der
emotionalen Bewertung und wählen auf der Basis dieses Vorgangs Strategien aus
(Ochsner und Gross, 2005; siehe auch Abschnitt 2.3.4). Ein zweiter Typ beinhaltet
dorsale PFC Areale, welche wenig bis gar keine direkten Verbindungen zur Amygdala
aufweisen. Diese Gebiete werden benutzt, „to explicitly reason about, and describe,
how associations between stimuli and emotional responses can be changed.
Maintaining representations of these descriptions might provide a task context that
indirectly affects emotional associations by biasing processing either in the ventral
control system or in perceptual and associative memory systems that represent
alternative interpretations of events, which in turn send inputs to appraisal systems (=
Amygdala, Anm. d. Verfassers)” (Ochsner & Gross, 2005, S. 246). Für weitere Details
zu den neuronalen Aktivierungsmustern bei reappraisal wird auf Ochsner et al. (2004)
und Ochsner und Gross (2004, 2005) verwiesen.
Nach der Vorstellung der Befunde zu bisher erforschten ER-Strategien wird nun
eine Einordnung der Achtsamkeitspraxis in diese Matrix versucht. Vorab soll in einem
längeren Zitat das Bild verdeutlicht werden, welches die wissenschaftliche ERForschung über einen optimalen Umgang mit Emotionen entworfen hat:
„This perspective suggests that wellbeing may be most likely when we (a)
regulate emotion antecedents so that we are emotionally engaged by those pursuits
that have enduring value, (b) attend to and experience our emotions in a richly
differentiated fashion so that we notice subtle changes in response tendencies, and (c)
cultivate the capacity to modulate emotional response components in a variety of ways
with a full appreciation of the immediate and longer term consequences (Frijda, 1988).
This opens a middle course between silencing the emotions and listening to them and
to them alone. Cooperation between reason and emotion brings our actions into line
with our enduring concerns, motivating and sustaining action directed toward longerterm projects in the face of temporary setbacks, helping us decide which battles are
worth taking up and which to avoid” (Gross, 1998, S. 287). Dieses in seiner Prägnanz
beeindruckende Zitat, in dem wesentliche Konzepte der Achtsamkeitspraxis anklingen,
darf als passende Brücke zum nächsten Kapitel gelten, und mit diesem auch das
Gewicht von Gross´ abschließendem Resümee nehmen: „(…) the detail of how such
112
Theoretische Grundlagen
an integration of reason and emotion might be achieved remain obscure“ (Gross, 1998,
S. 288).
2.4.1 Achtsamkeit und Emotionsregulierung
„It is likely that when traitlike regulatory strategies occur over a long duration of time,
plastic changes in the central circuitry of emotion are produced” (Davidson, Jackson &
Kalin, 2000, S. 904).
Zusammenfassend sollen nun die möglichen emotionsregulierenden Effekte der
Achtsamkeitspraxis im Kontext des Modells von Gross (1998a, 2002; siehe Abbildung
16) betrachtet werden. Achtsamkeit a priori als ER-Strategie zu bezeichnen, hat seine
Nachteile: eine achtsame Haltung beinhaltet die Verpflichtung, nichts regulieren und
ändern zu wollen, sondern die geistigen Inhalte so zu sehen, wie sie sind (Kabat Zinn,
2005). Dass nun solch eine Haltung paradoxerweise emotionsregulierende „Nebenwirkungen“ aufweist, wäre in dieser Betrachtung eher ein Kollateraleffekt der Praxis.
Ochsner und Gross (2005) weisen auf eine hilfreiche Einteilungsmöglichkeit von ERStrategien hin, mithilfe derer eine Charakteristik der achtsamen Emotionsverarbeitung
deutlich wird: „(…) strategies might differ in (…) whether emotion change is their
implicit goal (‚I want to feel better!’), or occurs as a by-product of pursuing some other
learning or judgment-related goal (e.g. ‚I want to learn which judgment is correct’)” (S.
243). In diesem Sinne wären die regulierenden Effekte also eher ein „by-product“ der
Praxis, ein Resultat der Einsicht, die an erster Stelle steht.
Dem Modell in Abbildung 16 folgend, greift Achtsamkeit während der formellen
Praxis vermutlich an folgenden („antecedent focused“) Punkten an:
•
Situation selection: Eine bewusste oder unbewusste Auswahl von Situationen,
um die erlebten Emotionen zu beeinflussen, erfolgt naturgemäß nicht. Der
Meditierende ist allen aufsteigenden Emotionen zugewandt. In einem gewissen
Sinne könnte man jedoch sagen, der Praktizierende wählt gezielt die Situation
des meditativen Sitzens, um aufsteigende Emotionen zu bearbeiten.
•
Situation modification: Die aufsteigenden Emotionen werden nicht durch einen
Eingriff in die Situation verändert. Der einzige „Eingriff“ des Praktizierenen wäre
das Verharren in der meditativen Sitzhaltung und der Nichtbeurteilung ungeachtet des aufkommenden, evtl. aversiven Materials.
•
Attention deployment: Hier ist der erste Angriffspunkt während der Praxis,
wobei die Aufmerksamkeit den Wandel aller bewussten mentalen und körperlichen Ereignisse umfasst, und besonders die Körperempfindungen mitein-
113
Theoretische Grundlagen
schließt. Dies allein kann bereits einen regulierenden Effekt auf die
automatischen appraisals der Amygdala ausüben: „some studies have shown
that amygdala activation decreases when participants attend to (…) emotional
features” (Ochsner & Gross, 2005, S. 244). Auch die Technik des Benennens
(Hart, 1996), vermag neueren experimentellen Befunden zufolge bereits einen
Einfluss auf weitere Vorgänge zu nehmen: „These results provide evidence for
a network in which higher regions attenuate emotional responses at the most
fundamental levels in the brain and suggest a neural basis for modulating
emotional experience through labeling“ (Hariri, Bookheimer & Mazziotta, 2000,
S. 43).
•
Cognitive change: Die veränderte Einstellung und Haltung aversiven und
attraktiven Gefühlen gegenüber setzt hier als Hauptmerkmal der Praxis an. Wie
oben ausgeführt, besteht die „Strategie“ nicht darin, den Reizen, wenn sie als
aversiv erlebt werden, schnell eine andere Bedeutung zuzuschreiben, damit
sich ein neutraleres Gefühl einstellt. Es geht im Gegenteil darum, den erlebten
aversiven Gefühlen weniger Ablehnung und Vermeidung, den attraktiven
Gefühlen weniger Gier und Anhaftung entgegen zu bringen. Der cognitive
change besteht also darin, das Erleben aversiver Gefühle weniger schlimm zu
finden, und am Erleben angenehmer Gefühle weniger zu klammern. Ein
weiterer,
emotional
regulierend
wirkender
Mechanismus
während
der
Achtsamkeitspraxis wird in dem weiter oben (2.2.6) beschriebenem Ziel, die
konditionierten Reaktionen auf entstehende Emotionen hin zu verlernen bzw.
zu löschen, gesehen. Durch die beschriebene Einstellungsänderung ist es dem
Praktizierenden immer mehr möglich, auf entstehende negative oder positive
Emotionen hin nicht sofort zu handeln, sondern sie nur zu beobachten, wodurch
die konditionierten Reaktionsmuster nach und nach aufgelöst werden. „The
orbitofrontal
sector
of
the
PFC
implements
rapid
stimulus-reinforcer
associations learning and the corrections of these associations when the
contingencies of reinforcement change” (Davidson, Jackson & Kalin, 2000, S.
895). Ochsner und Gross (2005) (siehe auch Critchley, Mathias & Dolan, 2002)
beschreiben diese Vorgänge als analog zu den neuronalen Aktivationsmustern
während der reappraisal-Prozesse: „(…) extinction of classically conditioned
fear responses and reversal of stimulus-reward associations have been shown
to depend upon interactions between similar cognitive control and emotional
appraisal systems (S. 245). Die anspringenden emotionalen Motivationsysteme
„approach“ und „withdrawal“ (siehe 2.3) laufen also immer öfter „ins Leere” und
114
Theoretische Grundlagen
werden durch Nicht-Handeln nicht weiter verstärkt: „The findings are consistent
with models that posit that prefrontal cortical activity modulates subcortical
motivation circuits (Ruiz-Padial, Sollers, & Thayer, 2003, S. 206).
•
„Response focused“: Ein Effekt oder eine Verwendung von Strategien im
Bereich der späten Emotionsregulation wird nicht angenommen. Eine
Unterdrückung oder sonstige Verfremdung der Ergebnisse der Emotionsverarbeitung liefe einer achtsamen Haltung gänzlich zuwider.
Eine regelmäßige formelle Praxis, in der sich diese Vorgänge immer und immer
wieder abspielen und sich dadurch immer tiefer verankern, sollte auf die Emotionsverarbeitung im Alltag nun ebenfalls Auswirkungen haben: „Automatic and voluntary
emotion regulation may share a similar relationship, with voluntary emotion regulation
strategies becoming automatic over time (…), and with automatic regulatory processes
taking precedence over voluntary regulatory processes when the individual
experiences an extremely intense emotional response“ (Jackson, Mueller, Dolski et al.,
2003, S. 614). Ob in einer automatisierten, zeitlich nachgeordneten top-down Beeinflussung der (womöglich unbeeinflussbar) ablaufenden bottom-up Prozesse der unkontrollierten Emotionsverarbeitung (Amygdala etc.), oder in einer langsamen Modulation sogar der initialen bottom-up Prozesse, ist fraglich. Vermutungen bekannter
Emotionsforscher gehen in Richtung eines möglichen transformatorischen Einflusses
regelmäßig auftretender ER-Vorgänge auf die automatischen Prozesse, allerdings eher
auf diejenigen der höheren Kortexgebiete: „(…) greater left PFC electrical activity at
rest predicted dampened physiological reactivity to aversive stimuli, which might reflect
automatic regulatory processes” (Ochsner & Gross, 2005, S. 243). Auch die weiter
oben angeführten Befunde (Lazar et al., 2005) zu den neuroplastischen Einflüssen der
Achtsamkeitspraxis auf die Areale der Emotionsverarbeitung (siehe 2.2.6 und 2.3.4)
sprechen für solche Annahmen. Andere Autoren befürworten ebenso die Annahme
einer top-down Regulation der Amygdala durch den linken PFC bei kontrollierten und
automatischen ER-Prozessen: „Inhibition of the amygdala by left PFC may be one of
the neural mechanisms underlying both automatic and voluntary emotion regulation.
Such inhibition likely occurs both tonically and phasically“ (Jackson et al., 2003, S.
616). Somit scheinen die initialen automatischen Appraisal-Prozesse vor allem der
Amygdala wenig beeinflussbar, die weiteren Zentren auch der automatischen
Emotionsverarbeitung (vor allem der PFC) jedoch durchaus.
Grundlegend zur Untersuchung dieser Fragen waren die Arbeiten von Richard
Davidson, der sich ausführlich mit der Rolle des präfrontalen Kortex befasst hat
(Davidson, 2004b; siehe auch Coan & Allen, 2003). Davidson konnte zeigen, dass der
115
Theoretische Grundlagen
für die Emotionsverarbeitung so wichtige präfrontale Kortex eine Lateralisierung seiner
funktionellen Eigenschaften aufweist. Läsionsstudien z.B. stellten erstmalig die
Bedeutung der linken Seite des PFC für Generierung positiver Affekte heraus.
Neurologische Patienten mit Verletzungen in diesem Bereich präsentierten daraufhin
einen übernormalen Zuwachs an depressiven Symptomen (Davidson, Jackson & Kalin,
2000). Weitere Studien (z.B. Urry, Nitschke, Dolski et al., 2004) erbrachten den
Nachweis, dass die Baseline-EEG-Aktivität der linken Seite des PFC mit dem
allgemeinen, selbstberichteten Wohlbefinden der Probanden zusammenhing. In
experimentell induzierten affektiven Zuständen maß Davidson (2004a, 2004b) eine
relativ größere Zunahme der linksseitigen PFC-Aktivierung bei positiven Affekten sowie
der rechtsseitigen bei negativen Affekten. Er schloss daraus, „that individual
differences in baseline levels of asymmetric activation in these brain regions predict
differences in dispositional affective style” (Davidson, Jackson & Kalin, 2000, S. 894).
Weitere gefundene Korrelate größerer linksseitiger Aktivierung waren den Autoren
zufolge: positivere dispositionale Stimmung, geringere selbstberichtete Verhaltenshemmung und gesteigerte Verhaltensaktivierung, weniger Abwehrmechanismen (siehe
2.4), geringere physiologische Reaktivität auf negative Stimuli hin, stabileres
Immunsystem und dessen geringere Reaktivität auf emotionale Herausforderungen
hin, schnellere affektive Erholung nach einem aversiven Erlebnis. „These findings imply
that individual differences in prefrontal activation asymmetry may play a role in
regulating the time course of emotional responding and that those individuals with more
left-sided prefrontal activation may recover more quickly from negative affect or stress
than their right-activated counterparts” (Davidson, Jackson & Kalin, 2000, S. 898). Dies
wurde weiter fundiert durch Untersuchungen, in denen der Einfluss der Aktivierungsasymmetrie auf den Zeitverlauf der emotionalen Reaktion experimentell mit dem in
dieser Diplomarbeit verwendeten Design über den Einsatz des Schreckreflexparadigmas („Startle“, siehe 2.5.1) untersucht wurde. Nachdem bereits klar geworden
war, dass die Art der Emotionsverarbeitung, insbesondere der Einsatz einer
willentlichen ER-Strategie, den Startle-Reflex verändert (Dillon & LaBar, 2005;
Jackson, Malmstadt, Larson & Davidson, 2000), bestätigte sich, dass bei Personen mit
größerer linksseitiger Aktivierung die physiologische Reaktivität nach dem Ende der
Stimulusdarbietung (emotionale Bilder) schneller wieder absank und geringer war, als
bei Personen mit größerer rechtsseitiger Aktivierung (Jackson, Burghy, Hanna, Larson
& Davidson, 2000; Jackson et al., 2003; Larson, 2000; Larson & Davidson, 2001;
Larson, Sutton & Davidson, 1998; siehe dazu auch Fullana, Caseras, Riba, Barbanoj &
Torrubia, 2006). Dabei ist der Tatsache besondere Beachtung zu schenken, dass die
116
Theoretische Grundlagen
Probanden in diesen Studien keine expliziten Instruktionen betreffs Emotionsregulation
erhielten, man somit also ihre normalen (automatischen) Emotionsverarbeitungsvorgänge wie sie im Alltag ablaufen, erfassen konnte: „This relation between resting
frontal activation and recovery following an aversive event supports the idea of a
frontally mediated mechanism involved in one form of automatic emotion regulation“
(Jackson et al., 2003, S. 612).
Gemeinsam mit den neuroplastischen Befunden (Lazar et al., 2005), die von
einer durch Achtsamkeitspraxis vermittelten Steigerung der PFC-Dicke berichten, und
dem bereits erwähnten Experiment von Richard Davidson und Kabat-Zinn (Davidson et
al., 2003), das nach einer 8-wöchigen MBSR-Intervention eine Erhöhung der linksseitigen PFC-Aktivität belegte, lässt sich nunmehr die Wirkungsweise der Achtsamkeitspraxis auf die Emotionsverarbeitung ableiten: Anzunehmen ist ein funktioneller
und struktureller Wandel in vor allem den linksseitigen Arealen des PFC, wobei diese
Transformation eine Modifizierung der automatischen Emotions-verarbeitung vermittelt.
Die damit einhergehenden Effekte sollten die physiologische und motivationale
Reaktivität verringern sowie deren schnelleres Absinken nach der emotionalen Herausforderung ermöglichen (siehe Hypothesen 2 und 3). Aufgrund dieser ermutigenden
Befunde und dem Ergebnis der Arbeitsgruppe um Ruiz-Padial (Ruiz-Padial, Sollers,
Vila & Thayer, 2003), die den regulierenden Einfluss des PFC auf die emotionalen
Motivationssysteme belegen konnte, war die Wahl der Methode dieser Diplomarbeit
auf das Startle-Paradigma gefallen, das zur Erfassung all dieser von Achtsamkeit
gebahnter Veränderungen geeignet erscheint: „The findings are consistent with models
that posit that prefrontal cortical activity modulates subcortical motivation circuits.
These results have important implications for the use of startle probe methodology (…)
in the study of emotional regulation and dysregulation” (Ruiz-Padial, Sollers, Vila &
Thayer, 2003, S. 306).
2.5
Eingesetzte Emotionsmaße
Ziel dieser Diplomarbeit war es, theoretisch postulierte Effekte der Achtsamkeitspraxis
auf die normale Emotionsverarbeitung zu untersuchen, und dies in einem experimentellen Rahmen, wie er in der Emotionsforschung den neuesten Standards
entspricht. Das hierfür gewählte Design einer Emotionsinduktion via emotionalen Bildmaterials (ausführlicher im Methodenteil in Kapitel 3) hat sich in dieser Form bereits an
einer Vielzahl unterschiedlicher Probandenstichproben bewährt (Bradley & Lang, 2000;
Bradley, Codispoti, Cuthbert & Lang, 2001; Lang, 1995; Lang, Bradley & Cuthbert,
117
Theoretische Grundlagen
1990, 1998b; Lang, Reenwald, Bradley & Hamm, 1996; Sutton, Davidson, Donzella,
Irwin & Dottl, 1997), und wurde ausgiebig diskutiert (Bradley, Codispoti & Lang, 2006).
Die Wahl der eingesetzten Methoden zur Emotionsmessung fiel im Lichte der
oben berichteten Forschung nicht schwer, da das in der ER-Forschung immer häufiger
eingesetzte Startle-Paradigma eine elegante Möglichkeit bietet, die Aktivität der
„emotionalen Motivationssysteme” (siehe 2.3: auch „Steuerungssystem“, „motivationale
Komponente“) „approach” (Annäherung, Greifen) und „avoidance” (Vermeidung,
Aversion) auszulesen, wie nachfolgend dargelegt werden wird (2.5.1). In diesem
Bereich der empirischen Emotionsforschung lässt sich nun eine interessante Brücke
zur Achtsamkeitspraxis schlagen – ist doch deren erklärtes Ziel, der Abbau der konditionierten Anhaftung und Aversion auf die emotionalen Empfindungen hin (siehe 2.1
und 2.2).
Des Weiteren schien es relevant, durch ein Selbsteinschätzungsverfahren die
durch das experimentelle Paradigma ausgelösten subjektiven Gefühle zu erfassen, da
von der Achtsamkeitspraxis deren zunehmende Klarheit und Intensität postuliert wurde
(siehe 2.1, 2.2 und 2.2.6). Das zur Erfassung der Gefühlskomponente eingesetzte so
genannte computerisierte „SAM”-Verfahren (SAM = „Self Assessment Manikin”) und
das dem Versuch folgende Interview werden in Abschnitt 3.3.1 besprochen.
Zusätzlich zur motivationalen Komponente war es aufgrund der in Kapitel 2.2.6
zusammengestellten vermuteten Wirkmechanismen der Achtsamkeitspraxis von Interesse, die Einflüsse der Praxis auf die peripherphysiologische Komponente mit zu erfassen, da hier eine verringerte Reaktivität zu erwarten ist. Die in der Emotionsforschung häufig eingesetzte (Boucsein, 1995; Schandry, 1998, 2006) Messung der
elektrodermalen Aktivität (EDA) wurde hierfür als Indikator gewählt (siehe 2.5.2).
Das Defense- und Appetitive-Motivationssystem:
Wie in Abschnitt 2.3.3 erwähnt, findet die Emotionsmessung mit den oben eingeführten
Methoden basierend auf dem mehrdimensionalen Emotionsmodell nach Bradley und
Lang (1998) oder auch Davidson und Irwin (1999) statt. Emotion wird darin als
evolutionär nützliche Handlungsdisposition verstanden, die sich auf den Dimensionen
Valenz und Intensität (Erregung) abbildet und eines der beiden konträren emotionalen
Motivationssysteme „approach” (= appetitive Motivation) oder „avoidance” (= defensive
Motivation) aktiviert.
118
Theoretische Grundlagen
Abbildung 17: Das emotionale „Defense”-Motivationssystem [Abb, aus Lang, Bradley &
Cuthbert, 1998].
Defense-Motivation: In Abbildung 17 sind für beide in dieser Diplomarbeit
erfassten, physiologisch messbaren Emotionskomponenten die Wege der automatischen, amygdala-basierten Emotionsverarbeitung aufgeführt. Entscheidend an
dieser detaillierten Darstellung ist, dass bei Aufnahme aversiver, bedrohlicher Reize
über die Sinnesorgane zum sensorischen Thalamus hin, eine direkte Verbindung zur
Amygdala besteht, die den Grad der Bedrohung der Reize fortwährend autonom
evaluiert (2.3.4). Über ihren lateralen Nucleus sendet die Amygdala nun Befehle an
den Nucleus Reticularis Pontis Caudalis, dessen Feuern u.a. zur Modulation, im Falle
von aversiven Stimuli zur Potenzierung, des Startle-Reflexes führt (siehe auch Davis,
1997). Über die laterale Region des Hypothalamus wiederum steuert die Amygdala
nach entsprechender Bewertung die Aktivierung des autonomen Nervensystems, dem
die EDA-Reaktion untersteht. Wie in Abbildung 18 weiterhin zu sehen ist, erfahren EDA
und Startle-Reflex nach der Begegnung mit dem Stimulus, den die Amygdala als
hinreichend bedrohlich zur Aktivierung des Defensiv-Motivationssystem eingestuft hat,
einen mit dessen steigender Aktivierung zunehmenden Anstieg im weiteren Zeitverlauf.
Festzuhalten ist also hier die positive Korrelation des Grades der DefensivMotivationssystem-Aktiviertheit und des Anstiegs der beiden Maße (Bradley et al.,
2001).
119
Theoretische Grundlagen
Abbildung 18: Zeitlicher Verlauf einzelner Komponenten während der „Defensiv Kaskade“ [Abb. aus Bradley & Lang, 2001].
Für die Startle-Reaktion lässt sich reliabel eine initiale Inhibition auf die Reizdarbietung
feststellen, die durch die anfängliche Hinwendung, sensorische Erfassung und
Verarbeitung sowie die erhöhte Aufmerksamkeitszuwendung erklärt wurde (Bradley et
al., 2001). Damit ist das defensive Motivationssystem charakterisiert durch zwei
mögliche Stufen: Bei einer geringen bis moderaten Aktivierung, fließen die verfügbaren
Ressourcen
des
Organismus
aufgrund
der
Aufmerksamkeitszuwendung
zum
emotional valenten Reiz in die Stimulusverarbeitung, die motorischen Reaktionen sind
gehemmt (daher auch der inhibierte Startle, die so genannte „prepuls-inhibition”; siehe
Bradley, Codispoti & Lang, 2006). Das Geschehen wird zu gleichen Anteilen von
Parasympathikus und Sympathikus bestimmt (Bradley et al., 2001). In diesem Stadium
der emotionalen Reaktion findet sich auch eine eher moderate EDA, die den Autoren
zufolge ebenfalls Indikator für eine Orientierungsreaktion und Aufmerksamkeitszuwendung darstellt (Bradley et al., 2001). Die zweite Stufe des defensiven
Motivationssystems, die gewöhnlich dann angestoßen wird, wenn die weitere
Stimulusevaluation sehr aversiv und bedrohlich ausfällt (Lang, Bradley & Cuthbert,
1998b), führt nun zu dem Knick in der Startle-Reaktion, und der Zunahme der EDA.
Bradley et al. (2001) erläutern dazu: „With more pronounced defense system
acitivation, however, oriented attention starts to give way to metabolic mobilization for
active defense and sympathetic reflex innervation dominates. This is signaled initially
by greater electromdermal activity and a change in the startle response. Significantly,
120
Theoretische Grundlagen
the startle response is now potentiated. This change from inhibition to potentation
mirrors the switch from orientation to defense (…)” (S. 279). Der nächste logische
Schritt wäre dann das dergestalt angebahnte, tatsächliche Verhalten, das in der so
genannten Fight-Flight Reaktion gipfelt, der Organismus also je nach Einschätzung
entweder versucht, die aversive Reizquelle zu zerstören, oder flieht (Bradley, Cuthbert
& Lang, 1999). Im Normalfall ist das subjektive Erleben von aversiven Emotionen stark
mit einer Aktivation des defensiven Motivationssystems korreliert (Bradley et al., 2001).
Zum einen, weil im Falle des Wahrnehmens bedrohlicher Reize das Anstoßen dieses
Systems durch automatische Verarbeitungsvorgänge initiiert wird (siehe 2.3.4), zum
anderen, da auf das Erleben aversiver Emotionen gewöhnlich zusätzlich mit starker
Vermeidung oder Ablehnung reagiert wird (siehe 2.1 und 2.2.6).
Appetitive-Motivation: Die neuronalen Grundlagen des appetitiven Motivationssystems wurden bereits in Abschnitt 2.3.4 erörtert. Es handelt sich vor allem um den
Nucleus Accumbens und das mesolimbische Dopaminsystem, welches auch als
Belohnungssystem bezeichnet wurde (Schandry, 2006). Das appetitive Motivationssystem hat im Anschluss an ähnliche Orientierungsreaktionen wie beim DefenseSystem die Aufgabe, den Organismus zur als begehrenswert klassifizierten Reizquelle
hinzuführen, ihn danach greifen zu lassen, und die Aneignung zu motivieren (Bradley
et al., 2001). Dieses Verhaltensmuster tritt wohl am stärksten bei sexuellen Reizen auf,
die aufgrund der Zuverlässigkeit, mit der sie selbst im Labor das appetetive
Motivationsystem auslösen, oft bei Emotionsexperimenten eingesetzt wurden (Bradley
& Lang, 2000; Bradley et al., 2001; Lang, Bradley & Cuthbert, 1998b). Die Auswirkungen der Aktivierung des appetitiven Motivationssystems werden von Bradley et
al. (2001) geschildert: „When pleasant pictures engage the appetitive system, it is
presumed that this state inhibits noncongruent defensive reflexes (e.g. the startle
reflex). Thus, the greatest startle inhibition (…) is expected during the viewing of erotic
stimuli. Because an increase in the intensity of appetitive motivation, like increased
defensive motivation, is associated with greater sympathetic activity, we expect that the
largest skin conductance changes should occur for the most arousing pleasent
contents, that is, erotica“ (Bradley et al., 2001, S. 280). Wiederum hat die Forschung
eine generelle Korrelation der Aktivitiätshöhe des Motivationssystems und der
subjektiven Einschätzung positiv valenter Emotionen als begehrenswert erbracht
(Bradley et al., 2001). Auch hier findet sich als Erklärung die initial automatisch
angestoßenen Bewertungsmechanismen der unkontrollierten Emotionsverarbeitung.
Darüber hinaus jedoch ebenso die gewöhnliche Reaktion auf das Erleben von
121
Theoretische Grundlagen
angenehmen, lustvollen Emotionen: es erfolgt ein Anhaften, ein Greifen, oder ein
Festhalten der Situation, der Emotion, da sie als so lustvoll erlebt wird.
Im
Hinblick
auf
die
in
2.2.6
beschriebene
generelle
Zunahme
der
Parasympathikus- auf Kosten der Sympathikusaktivität im Laufe der Meditationspraxis
ist das Zwei-Phasenmodell der Motivationssystem-Aktivierung besonders interessant:
in der ersten Phase ereignet sich die oben dargestellte Orientierungsreaktion, deren
moderater EDA-Anstieg nach Bradley et al. (2001) teils vom Parasysmpathikus
vermittelt wird. Falls daraufhin Phase zwei des Motivationssystems angestoßen wird,
verschiebt sich die Balance des autonomen Nervensystems, und der Sympathikus
gewinnt die Oberhand, der auch die starken EDA-Anstiege und den Wechsel hin zur
Startle-Potenzierung moderiert. Die mit zunehmender Achtsamkeitspraxis erwartete
Abschwächung der Motivationssystemaktivierung in Hypothese 3.2 (siehe Abschnitt
2.6) ist also zum Teil über Einflüsse dieser Sympathikus-Parasympathikus Verschiebung denkbar. Als weiterer Mechanismus kommt der durch die neuroplastischen
Effekte der Meditationspraxis veränderte Einfluss des PFC auf die Amygdala in Frage,
die im Kapitel 2.4.1 aufgeführt wurden: „The defense circuitry ist plastic; it learns“
(Bradley & Lang, 2000). Wie in 2.4.1 beschrieben, nimmt der linke PFC über diesen
Weg Einfluss auf das defensive Motivationssystem.
„Startle
reflex
measurement
ist
not
a
direct
measure
of
emotion´s
psychophysiology“ (Bradley, Cuthbert & Lang, 1999, S. 158). Eine bedeutende
Schlussfolgerung aus den Befunden über die emotionalen Motivationssysteme besteht
darin, dass man präzise trennen muss zwischen dem subjektiv erlebten Gefühl
einerseits, und der EDA und dem Schreckreflex andererseits. Letztere sind also keine
Maße, die etwa der Intensität oder Valenz des erlebten Gefühls gleichzusetzen wären
oder sie direkt abbilden, sondern die Höhe von EDA und Startle ist „determined by the
level of engagement of the emotional motivation system, that is, the extent to which
passive attention or defensive / appetitive action (tendencies) dominates“ (Bradley et
al., 2001, S. 293). „The startle reflex can be used to index the mobilization of these
appetetive and aversive systems, and to mark the threshold at which orienting to a
stimulus shifts to approach or defense“ (Bradley, Cuthbert & Lang, 1999, 176). Dies
wird für die nachfolgende Interpretation der Startle- und EDA-Ergebnisse entscheidend
sein.
2.5.1 Startle-Reflex
„A powerful tool for studying the time course of affective responding (Davidson, 1998)
is electromyographic (EMG) measurement of emotion-modulated startle (…). Using
122
Theoretische Grundlagen
such measures, it is possible to probe both during and after an affective challenge to
determine both initial emotional reactivity and duration of emotional response. By
inserting startle probes at different points during and after an emotional stimulus, we
hoped to capture a feature of affective style that may be characteristic of relatively
automatic emotion regulation” (Jackson et al., 2003, S. 613). Der Startle-Reflex ist wie
oben (2.5) ausgeführt speziell für die Erfassung der motivationalen Komponente ideal:
„The picture/probe paradigm, because it induces a posture of motivated attention, is
excellent for assessing activation of the appetitive and aversive motivational system in
humans by measuring affective modulation of the startle reflex“ (Bradley, Cuthbert &
Lang, 1999, S. 183).
Besonders reizvoll ist das Startle-Paradigma im Kontext der Meditationsforschung spätestens, seit Paul Ekman und Robert Levenson (aufgezeichnet in
Goleman, 2005) in einer (unpublizierten) Einzellfalluntersuchung bei einem erfahrenen
buddhistischen Mönch keine Lidschlussreaktion nach Darbietung eines Schreckreizes
fanden (die gewöhnlich nicht willentlich verhinderbar ist). „Ekman berichtete, Ösers (=
der Mönch, Anm. d. Verfassers) Physiologie habe zwar geringfügige Veränderungen
gezeigt, doch in seinem Gesicht habe sich kein Muskel geregt, was Öser damit
erklärte, dass sein Geist von dem Knall nicht erschüttert wurde“ (S. 46).
Der Lidschlagreflex als Teil der Schreckreflex-Kaskade ist ein primitiver (bei den
meisten Wirbeltieren vorkommender) Abwehr-Reflex (Anthony, 1985), der durch abrupt
auf den Organismus einwirkende sensorische Ereignisse ausgelöst wird (Davis, 1997).
Die Kaskade beinhaltet eine Reihe von Flexorbewegungen, die entlang der neuronalen
Achse von oben nach unten ausgelöst werden. Größtenteils dienen diese Reflexe dem
Schutz des Körpers, indem sie z.B. wie beim Lidschlag Organschäden vorbeugen
(Lang, Bradley & Cuthbert, 1999), gleichzeitig aber auch als eine Verhaltensunterbrechung fungieren, um die eventuelle, herannahende Bedrohung optimal
erfassen zu können (Lang, 1995). Der Lidschlag ist in dieser Reflex-Sequenz die
schnellste und stabilste Komponente, er reagiert bereits 25-40 ms nach Einsetzen des
Schreckreizes (Lang, 1995). Er ist es auch, der gewöhnlich in Studien, die sich des
Startle-Paradigmas bedienen, gemessen wird. Zu seiner Evozierung bedient man sich
meist eines akustischen Schreckreizes. Am besten gelingt dies mit abrupt einsetzendem, so genanntem „weißen Rauschen” in einer Lautstärke zwischen 80 und 110 dB
(Bradley, Codispoti & Lang, 2006). Die Stärke der so ausgelösten Lidschlagreaktion
wird über elektromyographische Messung der Aktivität des musculus orbicularis oculi
mit Elektroden abgeleitet (Blumenthal, Cuthbert, Filion, Hackley, Lipp & Van Boxtel,
2005; siehe auch weiter unten Abschnitt 3.4).
123
Theoretische Grundlagen
Als erste regten Anthony (1985) und vor allem Vrana (1995) und Vrana, Spence
und Lang (1988) Überlegungen an, inwiefern der Schreckreflex in der Emotionsforschung von Nutzen sein könnte. Vor allem die Arbeitsgruppe um Lang und Bradley
legten daraufhin eine ganze Reihe von Arbeiten zum Startle-Reflex vor (z.B. Lang,
Bradley & Cuthbert, 1990), in denen sie eine mögliche Startle-Reflex Modulation durch
emotionales Priming („to prime“ = anbahnen, vorbereiten) postulierten, und so das
Startle-Paradigma als Maß für die motivationale Komponente der Emotionsverarbeitung einführten (Bradley et al., 2001). Das Startle-Paradigma hat daraufhin in
den verschiedensten Bereichen der Emotionsforschung immer mehr an Beliebtheit
gewonnen (Details bei Filion, Dawson & Schell, 1998; und Gaussmann, 2003).
Emotionales Priming: Eine früher von der Arbeitsgruppe um Graham (Anthony
& Graham, 1985) vertretene Erklärung der Befunde der ersten Starte-Studien, die
einen verstärkten Lidschlag beim Betrachten aversiver, sowie einen abgeschwächten
beim Betrachten angenehmer Bilder fanden, sah so aus: Sie argumentierten mit einer
Umverteilung der Aufmerksamkeit bzw. des Interesses aufgrund des visuellen Stimulus
Materials, was wegen der unterschiedlichen sensorischen Modalitäten (Bild – visuell;
Startle – auditiv) zu einer Modulierung der Reaktion führe. Bei angenehmen Bildern
wird mehr Aufmerksamkeit auf die Verarbeitung des visuellen Materials verwendet,
was die insgesamt zur Verfügung stehenden Ressourcen mindert, und somit den
Startle abschwäche. Entsprechend führe eine Abneigung den Bildern gegenüber zu
einer Blockierung des visuellen Kanals, womit dann für die akustische Verarbeitung
mehr Ressourcen zur Verfügung stünden, der Startle damit also besser prozessiert
werden, und dadurch potenziere. Lang, Bradley und Cuthbert (1990) konnten diese
Theorie falsifizieren, indem sie den Probanden sowohl akustische, als auch optische
Schreckreize (Lichtblitze) darboten, die Potenzierung bei aversivem und die
Inhibierung bei appetitivem Material jedoch bestehen blieb. Bradley, Lang und Cuthbert
(1993), Cuthbert, Bradley und Lang (1996) sowie Lang (1995) entwickelten die
konkurrierende Theorie der Startle-Modulation via emotionalem Priming, die sich
mittlerweile allgemein durchgesetzt hat und in vielen Versuchen bestätigt wurde
(Bradley, Codispoti & Lang, 2006; Larson, Ruffalo, Nietert & Davidson, 2005). Die
Theorie des emotionalen Primings besagt nach Bradley, Codispoti und Lang (2006),
dass während des Zeitraumes, in dem einer der beiden emotionalen Motivationssysteme (siehe 2.5) aktiviert ist, dieses einen modulierenden Einfluss auf die Informationsverarbeitung des gesamten Gehirns ausübt. Insbesondere die Assoziationen,
Repräsentationen und Handlungsabläufe, die mit dem aktiven Motivationssystem
verbunden oder vereinbar sind, werden dabei gebahnt. Dies bedeutet für diese eine
124
Theoretische Grundlagen
größere Zugriffswahrscheinlichkeit und Ausführungsstärke als für andere Informationen. Entsprechend resultiert daraus für mentale Vorgänge, die mit dem nichtaktivierten emotionalen Motivationssystem verbunden sind, eine geringere Zugriffswahrscheinlichkeit und Ausführungsstärke. „According to the motivational priming
hypthesis, the defensive startle reflex should be of significantly greater amplitude (and
faster) when the aversive motivational system is active“ (Bradley & Lang, 2000).
„Conversly, when appetitive motivation is dominant, as when people view pleasant,
arousing pictures, the defensive startle reflex is inhibited“ (Bradley, Codispoti & Lang,
2006). Diese Startle-Modulation ist dabei nicht von der Neuheit des Stimulus abhängig:
„That is, while there is an overall diminuation of the startle reflex over blocks of trials,
affective potentation and inhibition remain even when the same pictures are repeatedly
presented (Bradley & Lang, 2000; siehe auch Bradley, Cuthbert & Lang, 1996; Bradley,
Gianaros & Lang, 1995; und Larson, Ruffalo, Nietert & Davidson, 2005). Weiterhin
bleibt nach Codispoti, Bradley und Lang (2001) dieser modulierende Effekt auch
bestehen, wenn die Bilder nur für eine kurze Zeit gezeigt werden: „These results are
intriguing and suggest that reflex modulation by affective valence does not require the
actual presence of a perceptual stimulus, but instead is an index of the mental
processes associated with perception“ (Bradley, Cuthbert & Lang, 1999. S. 173). Hier
zeigt sich eine Möglichkeit, die weiter oben (2.5) referierten Einflüsse der
Achtsamkeitspraxis via PFC einzuordnen: Wird die durch den Stimulus ausgelöste
Emotion nicht weiter als bedrohlich und schlimm bewertet, so sollte sich durch
geringere Aktivation des defensiven Motivationssystems auch weniger StartlePotenzierung zeigen. „It explains, for example, why differences might be found
between threatening events and those that are nonthreatening (…), even when they
are described as equally unpleasent“ (Bradley, Cuthbert & Lang, 1999, S. 183). Dieses
Zitat fasst die erwarteten Ergebnisse der Meditierenden treffend zusammen: Sie sollten
die
erlebten
Emotionen
zwar
als
genauso
unangenehm
einstufen,
dieses
Unangenehm-Sein aber als weniger schlimm und bedrohlich erleben, und daher
weniger Aversion zeigen. Vielmehr sollte bei ihnen aufgrund der trainierten
Achtsamkeit und Aufmerksamkeit, durch die ihnen ein bewussterer und hilfreicherer
Umgang mit emotionalen Ereignissen ermöglicht wird, lediglich die erste Phase der
motivationalen Systeme anspringen: „At lower levels of defensive or appetitive
activation, however, the primary adjustment is an increase in attentional resource
allocation and sensory intake, which presumably increases the probability that an
appropriate, life-saving (or sustaining) action will be selected“ (Bradley, Codispoti &
Lang, 2006, S. 487). Der unter dem Einfluss der Meditation veränderte PFC ist Cook,
125
Theoretische Grundlagen
Hawk, Davis und Stevenson (1991) zufolge dazu in der Lage, auf den Teil des StartleSchaltkreises Einfluss zu nehmen, der die Stärke des Reflexes determiniert: „(…)
startle magnitude appears to be sensitive to processes mediated at higher levels of the
nervous system, such as attention“ (S. 12).
Um optimale Bedingungen für eine motivationale Modulation des Lidschlagreflexes zu gewährleisten, wurden nur diejenigen Versuchsdurchgänge in die
Auswertung miteinbezogen, die Bilder mit IPAS-Arousal-Normratings von • 6
aufwiesen: „The importance of emotional intensity in the affective modulation of the
startle reflex is now clear, with a number of studies reporting that the most arousing
picture contents (e.g., erotica, threat) prompt the greatest modulation of the blink reflex
(…)” (Bradley, Cuthbert & Lang, 2006, S. 487; siehe dazu auch Bernat, Patrick,
Benning & Tellegen, 2006). Diese von der IAPS-Normstichprobe als hoch-erregend
eingestuften Bilder führen also gewöhnlich dazu, dass die jeweiligen emotionalen
Motivationssysteme maximal angestoßen werden (soweit das bei statischen
Bilddarstellungen der Reize möglich ist).
Abbildung 19 zeigt einen mithilfe dieses Paradigmas gewonnenen, typischen
Verlauf der Schreckreaktion über mehrere Startle-Zeitpunkte, wobei jeweils emotionale
Bilder als Hintergrundstimuli präsentiert wurden, was die deutlich ablesbare Modulation
verursacht hat. Abbildung 20 löst das Zeitfenster unmittelbar nach Bilddarbietung noch
etwas feiner auf, wodurch u.a. die oben beschriebenen Effekte der „Prepulse-Inhibiton“
sichtbar werden. Vom ersten bis zum letzten der hier jeweils verwendeten StartleZeitpunkte zeigen sich unterschiedliche Kräfte, die teilweise integriert auf die
letztendlich sichtbare Startle-Stärke Einfluss nehmen, deren Einflüsse also verwoben
sind, und die aus diesem Grund kurz differenziert werden sollen.
Nach Bradley, Codispoti und Lang (2006) findet sich (a) ein sehr früher (bei
einem Startle-Zeitpunkt ” 50 ms nach Bildbeginn), steigernder Effekt, auch
„intersensory integration” genannt; (b) ein früher (100 - 250 ms) inhibierender Effekt,
auch als „sensory prepulse inhibition” bezeichnet; (c) ein inhibierender Effekt
(„attentional prepulse inhibiton“) der um 300 ms seine maximale Inhibition erreicht, und
der vom affektiven Gehalt der Stimuli moduliert wird; (d) die Modulation durch
emotional-motivationales Priming, die um 500 ms beginnt, und gewöhnlich mindestens
6 Sekunden aufrechterhalten bleibt, nach 6 Sekunden zumindest deutlich schwächer
wird. Die Effekte (a) und (b) wurden mit dem in dieser Diplomarbeit verwendeten
Design nicht erfasst, und daher nur skizziert:
126
Theoretische Grundlagen
Abbildung 19: Normaler Modulationsverlauf des Lidschlagreflexes [Abb. aus Lang, Bradley
& Cuthbert, 1998].
Abbildung 20: Feinere Auflösung der Prepulse-Inhibition des Startle-Reflexes [Abb. aus
Bradley, Codispoti & Lang, 2006].
127
Theoretische Grundlagen
(a) Nach Bradley, Codispoti und Lang (2006) kann man diesen, eher selten
untersuchten Effekt wohl auf die Summation zweier gleichzeitig auf den
sensorischen Apparat treffenden Reize zurückführen: „(...) reflex facilitation
reflects summation that occurs when activation from different sensory
sources reaches a common neural location“ (S. 492).
(b) Die darauf folgenden inhibierenden Effekte führen die Autoren zurück auf
„an obligatory inhibition of reflex magnitude that occurs whenever another
stimulus precedes the startle probe by a brief delay and which is often
interpreted as due to sensory gating (…), suggesting that a change in the
sensory array is a primary variable underlying these starle effects“ (S. 492).
(c) „Attentinal prepulse inhibition“ Effekte beginnen um 300 ms nach
Bildbeginn, und verglichen mit Schreckreflexen, die ohne Hintergrundstimulation mit Bildern erzeugt wurden, bleibt diese vergleichbare, generelle
Inhibition bis nach Ausblenden des Bildes erhalten (Bradley, Codispoti &
Lang, 2006): „These general inhibitory effects – long-lasting and affected by
stimulus content – are hypothesized here to reflect reflex inhibition by
attention, in which resource allocation to affectively engaging foregrounds
decreases the number of resources available for processing the acoustic
startle probe” (S. 495). Wenn aber nun, wie in diesem Zitat gezeigt,
Aufmerksamkeitszuwendung hemmende Effekte bewirkt, stellt sich die
Frage, wie lange diese Effekte einen relevanten Anteil zur Netto-Höhe des
Startle-Reflexes beisteuern. Die früher vertretene Auffassung, lediglich die
durch die Aktivität des motivationalen Systems vermittelten Priming-Effekte
würden im weiteren Verlauf die Startle-Höhe modulieren, stellte sich nun
diesbezüglich als unzureichend heraus. Bradley, Codispoti und Lang (2006)
konnten mithilfe der P3 Komponente der ERPs (event-related-potential) im
EEG (für Details siehe Schandry, 2006) der Probanden belegen, dass die
Aufmerksamkeitszuwendung bei affektiven Bildern längerfristig erhöht
bleibt: „On the other hand, the pronounced attenuation of the P3 response
for affectively engaging pictures, compared to neutral or blank pictures
throughout the viewing interval, suggests a sustained difference in attention
allocation that presumably contributes an inhibitory component to the startle
blink response at all probe delays“ (S. 495). Im Hinblick auf die antrainierte
achtsame Aufmerksamkeitszuwendung der Meditierenden, die möglichst
ohne Bewertung die mentalen und emotionalen Ereignisse wahrzunehmen
versuchen (weniger erwartete Aktivität emotionaler Motivationssysteme), ist
128
Theoretische Grundlagen
dies eine wichtiger Befund für die anschließende Diskussion der
gefundenen Startle-Verläufe der Probanden. „Taken together, the data are
consistent with theory suggesting that heightened attention can reduce the
magnitude of blink potentation to highly arousing, unpleasent contexts”
(Bradley et al., 2001, S. 294). „It appears that attentional processing has
sustained inhibitory effects on the startle blink reflex (…)“ (Bradley,
Codispoti & Lang, 2006, S. 294).
(d) „The strength of defensive or appetetive activation is important for hedonic
modulation of the startle reflex“ (Bradley, Codispoti & Lang, 2006, S. 295).
Abbildung 19 zeigt in der dort so bezeichneten “affect region” gut den
glockenförmigen Verlauf der Startle-Modualtion, der nun den Netto-Effekt
der beiden einwirkenden Faktoren attention allocation (Inhibition) und
defensive activation (Potenzierung) bzw. appetitive motivation (Inhibition)
darstellt. Zu Beginn der affektiven Modulation des Startle ist das defensive
Motivationssystem noch in Phase eins (Orientierung), somit dominiert
Aufmerksamkeitszuwendung, also weiterhin relative Hemmung. Diese
jedoch wird mit zunehmender Motivationssystemaktivität überlagert (sie
bleibt jedoch bestehen, siehe c) von den zusätzlichen potenzierenden bzw.
Inhibierenden Effekten des emotional motivationalen Primings der Phase
zwei. Wiederum konnten Bradley, Codispoti und Lang (2006) unter
Zuhilfenahme der dabei erhobenen P3 Amplitude der ERPs belegen, dass
die Spitze im Startle-Verlauf nicht auf mangelnde Aufmerksamkeitszuwendung zurückführbar ist, sondern nur durch defensives Priming erklärt
werden kann. Die wieder abfallende Höhe des Reflexes im weiteren Verlauf
mag sich aus der sinkenden Motivationssystemaktiviertheit erklären, zu der
abschließend auch noch die Effekte der nachlassenden Aufmerksamkeitszuwendung hinzustoßen, die im Anstieg zum letzten Startle-Zeitpunkt hin
ihren Niederschlag findet. Ebenso denkbar wäre innerhalb eines derartigen
experimentellen Settings jedoch eine Erwartungsangst in der Art „der Startle
steht nun unmittelbar bevor, da er solange ausblieb”. Ochsner und Gross
(2005) beschreiben, wie die Antizipierung von aversiven Ereignissen
(Schreck, Schock) die Aktivität in Cingulum, Insula und Amygdala erhöhen.
Wie man in Abbildung 21 sehen kann, verliert sich der durch emotionales
Priming bedingte, klare Modulationseffekt nach Ende der Bilddarbietungszeit zunehmend.
129
Theoretische Grundlagen
Abbildung 21: Startle Modulation vor, während und nach der Bilddarbietung [Abb. aus
Dichter, Tomarken & Baucom, 2002)
Zusammenfassend kann man somit Bradley, Codispoti und Lang (2006)
zitieren: „Whether attentional inhibition or defensive priming will dominate in modulating
the startle reflex during the stages of unpleasant picture viewing will depend upon the
threat intensity of the aversive material“ (S. 295) – oder aber der Meditationserfahrung,
die eben die „threat intensity of the aversive material“ transformiert, wie die Hypothese
3.2 in Abschnitt 2.6 behauptet. „Research suggests that emotional responses often
persist beyond the offset of the eliciting stimulus, and individuals may differ in the
duration of this persistence. Importantly, research has also suggested that this
individual variability may be meaningfully related to motivational system sensitivity“
(German Gard, 2004, S. 13).
Aufgrund der Vielschichtigkeit der einflussnehmenden Effekte ist es ratsam, bei
der Interpretation der gefunden Startle-Daten behutsam vorzugehen. „Taken together,
the data suggest that the startle reflex is a complex index of defensive and appetitive
motivation, reflecting initial sensory engagement, sustained attentional processing, and
the organism’s disposition to action when confronted by an emotionally arousing cue“
(Bradley, Codispoti & Lang, 2006, S. 296).
2.5.2 Elektrodermale Aktivität
„Die elektrodermale Aktivität ist in besonderer Weise geeignet, negativ erlebte
Zustände zu indizieren, die nicht aktiv bewältigt werden können“ (Boucsein, 1995, S.
152). Die EDA gilt seit langem als sensibler Indikator der Erregung des Organismus,
speziell der durch emotionale Ereignisse provozierten Erregung (Schandry, 1998).
Aufgrund ihrer Bekanntheit und der ausführlichen Diskussion, die sie bereits erfahren
hat (z.B. Boucsein, 1995; Schandry, 1998, 2006; Tranel, 2000; Walschburger, 1975),
sollen hier nur die für diese Untersuchung wichtigen Aspekte der EDA skizziert werden.
130
Theoretische Grundlagen
Gewöhnlich ist es nicht möglich, die Valenz der erlebten Emotion anhand des
EDA-Verlaufes zu differenzieren, da die EDA unabhängig von ihr mit zunehmender
Intensität steigt, wobei sehr erregende, positive Bilder (z.B. Erotika) gewöhnlich eine
etwas höhere EDA bedingen, als entsprechend erregende negative Bilder (Lang,
Reenwald, Bradley & Hamm, 1996; Sabatinelli, Bradley & Lang, 2001).
Ausgelöst wird die EDA, die in engem Zusammenhang mit der Aktivität der
Schweißdrüsen steht, durch sympathisch beeinflusste Steuerungszentren des autonomen Nervensystems (ANS). Wie in 2.3 bereits dargestellt, wird die EDA als Teil des
Versorgungssystems des Organismus gesehen, das im Zuge der Aktivierung
angesichts emotional bedrohlicher oder handlungsfordernder Stimuli den Organismus
auf eine Kampf-/Fluchtreaktion vorbereitet. Das emotionale Schwitzen unterscheidet
sich damit vom normalen thermoregulatorischen Schwitzen, welches unter der
Kontrolle des Hypothalamus steht. Beim emotional ausgelösten Schwitzen finden sich
überwiegend kortikale Kontrollmechanismen, wie Boucsein (1995) ausführt. Vor allem
über die Basalganglien sowie den so genannten Papez-Kreis des limbischen Systems
werden die emotionalen Einflüsse auf die EDA vermittelt (Schandry, 1998, 2006).
Diese
Vorgänge
wiederum
stehen
nun
bemerkenswerterweise
unter
dem
exzitatorischen Einfluss der Amygdala sowie den inhibitorischen Effekten des
Hippocampus sowie großer Gebiete des frontalen Kortex (Boucsein, 1995; für Details
siehe Critchley et al., 2000, 2002; Anders et al., 2004; Tranel, 2000). Speziell der
mediale orbitofrontale Kortex scheint an der Regulation der EDA beteiligt zu sein
(Ohira et al., 2006). Hier lassen sich mit den in Abschnitt 2.2.5 und 2.4.1 aufgeführten
Befunden zu von Achtsamkeitspraxis bedingten neuroplastischen und funktionellen
Veränderungen in diesen Bereichen die Einflussmöglichkeiten der Meditationspraxis
auf die neurophysiologischen Komponenten, speziell die EDA vermuten. Entscheidend
für das in dieser Diplomarbeit durchgeführte Experiment und die erwarteten EDABefunde (siehe Hypothese 3.1 in Abschnitt 2.6) ist, die klassische Interpretation ansteigender EDA zu relativieren: Im Normalfall spiegelt eine steigende EDA eine zunehmende subjektive Gefühlsintensität wider (Lang et al., 1996). Diese Korrelation ist
nun aber gerade aus dem Grunde beobachtbar, da die EDA als eine Komponente der
emotionalen Motivationssysteme genau dann rapide ansteigt, wenn der Organismus
durch Bewertungsprozesse die Stimuli bzw. Emotionen als bedrohlich und zu
vermeiden, bzw. als nicht mehr bewältigbar evaluiert hat (siehe 2.5 und 2.5.1). Da dies
im Normalfall beim Anstieg der subjektiven Gefühlsintensität automatisch passiert,
entsteht diese hohe Korrelation zwischen den beiden Emotionskomponenten. Für
Meditationserfahrene wird vermutet, dass deren abnehmende Aversion bzw. Anhaftung
131
Theoretische Grundlagen
auf (auch intensive) Erfahrungen hin, zu einer geringeren Aktivierung der defensiven
bzw. appetitiven Motivationssysteme führt, und daher die steigende Intensität der
Gefühlskomponente von der Intensität der peripherphysiologischen Komponente
dissoziiert, da keine Kampf-/Flucht Reaktion vorbereitet werden muss.
(Auf die SAM-Skala, die zur Erfassung des subjektiven Gefühlserlebens eingesetzt wurde, geht Abschnitt 3.3.1 näher ein.)
2.6
Fragestellungen und Hypothesen
An dieser Stelle werden die Fragestellungen sowie die Hypothesen im Einzelnen
aufgeführt. Die zugrunde liegende Theorie ist eingehend in den Teilen 2.1 bis 2.5
erarbeitet worden, auf die diesbezüglich verwiesen wird.
Fragestellung 1:
Welchen Einfluss hat Achtsamkeitspraxis auf die subjektiv erlebte Gefühlskomponente
der emotionalen Reaktion?
Hypothese 1:
Mit zunehmender Achtsamkeitspraxis steigt die Intensität der subjektiv erlebten
Gefühle, sie werden zunehmend intensiver erlebt und deutlicher wahrgenommen. Es wird daher erwartet, dass…
•
1a) …die Mittelwerte der SAM-Intensitätsratings auf emotional valente Bilder
hin von Gruppe 0 (Nichtmeditierende) über Gruppe 1 (Kurzzeitmeditierende) zu
Gruppe 2 (Langzeitmeditierende) hin signifikant zunehmen. Da der Grund für
den Anstieg in der Achtsamkeitspraxis vermutet wird, wird angenommen, dass
die SAM-Intensitätsratings signifikant positiv mit der Achtsamkeitspraxis in
Stunden korrelieren.
•
1b) …über die Gruppen 1 nach 2 der prozentuale Anteil an meditierenden
Probanden zunimmt, der im Nachinterview Angaben macht, die auf eine
Erhöhung der Gefühlsintensität im Laufe der Meditationspraxis hindeuten, im
Vergleich zum prozentualen Anteil derjenigen, die Angaben machen, die auf
eine Verringerung hindeuten.
132
Theoretische Grundlagen
Fragestellung 2:
Welchen Einfluss hat Achtsamkeitspraxis auf den zeitlichen Verlauf der emotionalen
Reaktion?
Hypothese 2:
Mit zunehmender Achtsamkeitspraxis setzt bei emotional valenten Stimuli die
emotionale Reaktion schneller ein, erreicht schneller ihren Höhepunkt und fällt
anschließend auch schneller wieder auf Baseline-Niveau ab. Es wird daher
erwartet, dass…
•
2a) …bei emotional valenten Bildern die Mittelwerte der EDA-Latenz, der EDAAnstiegszeit und der EDA-Halbwertszeit von Gruppe 0 nach 2 hin signifikant
abnehmen. Da der Grund der Abnahme in der Achtsamkeitspraxis vermutet
wird, sollten diese drei EDA-Indices mit der Achtsamkeitspraxis in Stunden
signifikant negativ korreliert sein.
•
2b) … bei emotional valenten Bildern sowohl die Potenzierung als auch die
Inhibition der Startle-Response von Gruppe 0 zu 2 hin zunehmend schneller
einsetzt, ihren jeweiligen Höhepunkt erreicht und auch wieder abnimmt. Da der
Grund dieser Beschleunigung in der Achtsamkeitspraxis vermutet wird, sollte
für beide Modulationsindices die Differenz „Index während minus Index nach
Bilddarbietung“ mit der Achtsamkeitspraxis in Stunden signifikant positiv
korreliert sein.
Fragestellung 3:
Welchen Einfluss hat Achtsamkeitspraxis auf die Intensität der neurophysiologischen
und motivationalen Komponente der emotionalen Reaktion?
Hypothese 3.1:
Mit
zunehmender
Achtsamkeitspraxis
nimmt
die
Intensität
der
neuro-
physiologischen Komponente der emotionalen Reaktion auf emotional valente
Stimuli hin ab, hier erfasst über das Maximum der ersten EDA-Reaktion pro Trial
und die aufsummierte Stärke aller EDA-Reaktionen pro Trial. Es wird daher
erwartet, dass…
133
Theoretische Grundlagen
•
…die Mittelwerte dieser beiden EDA-Indices von Gruppe 0 zu 2 signifikant
absinken. Da der Grund der Abnahme in der Achtsamkeitspraxis vermutet wird,
sollten beide EDA-Indices mit der Achtsamkeitspraxis in Stunden signifikant
negativ korreliert sein.
Hypothese 3.2:
Mit zunehmender Achtsamkeitskompetenz nimmt die Intensität der Aktivierung
des „approach“ Motivationssystems beim Erleben positiv valenter Emotionen
und die Intensität der Aktivierung des „avoidance“ Motivationssystems beim
Erleben negativ valenter Emotionen ab. Es wird daher erwartet, dass…
•
3.2a) …das Mittel der Startle-Höhe von Gruppe 0 zu 2 hin signifikant abnimmt.
Da der Grund hierfür in der Achtsamkeitspraxis gesehen wird, sollte die StartleHöhe signifikant negativ mit der Achtsamkeitspraxis korrelieren.
•
3.2b) …die Höhe des Potenzierungs- und Inhibitions-Index zu den StartleZeitpunkten, die eine Modulation vermitteln, von Gruppe 0 nach 2 signifikant
abnimmt. Da der Grund der Abnahme in der Achtsamkeitspraxis gesehen wird,
sollten die beiden Modulationsindices mit ihr signifikant negativ korreliert sein.
Fragestellung 4:
Welchen Einfluss hat die Achtsamkeitspraxis auf die Affekttoleranz?
Hypothese 4:
Mit zunehmender Achtsamkeitskompetenz nimmt die Affekttoleranz zu, es
werden also weniger Vermeidungsstrategien angewendet und unter emotional
herausfordernden Erlebnissen leidet das subjektive Wohlbefinden zunehmend
weniger. Es wird daher erwartet, dass…
•
4a) …von Gruppe 0 nach 2 der Anteil der Probanden signifikant steigt, die im
Nachinterview die Angabe machen, im Versuch keine Vermeidungsstrategien
benötigt und angewendet zu haben.
•
4b) …der Versuch von Gruppe 0 nach 2 zunehmend weniger negativen
Einfluss auf das allgemeine Wohlbefinden der Probanden nimmt, die Differenz
der nach und vor dem Versuch abgegebenen Befindlichkeitsratings von Gruppe
0 zu 2 signifikant abnimmt und negativ mit der Achtsamkeitspraxis korreliert.
134
Methodisches Vorgehen
3.
Methodisches Vorgehen
3.1
Versuchsplan und unabhängige Variable (UV)
Ziel der Untersuchung war, Einfluss und Auswirkungen der Achtsamkeitspraxis auf die
Emotionsverarbeitung und Emotionsregulation zu erkunden, wobei sowohl die
subjektive Gefühlskomponente als auch peripherphysiologische Komponenten der
emotionalen Reaktivität erfasst werden sollten. Dieses Anliegen wäre am idealsten
innerhalb einer Prae-Post-Test Kontrollgruppen Studie zu realisieren gewesen. Diese
wäre das Design der Wahl, um gefundene Effekte eindeutig kausal interpretieren zu
können. Aus zeitlichen und logistischen Gründen war es jedoch nicht möglich, im
Rahmen dieser Diplomarbeit ein derartiges Design zu verwirklichen. Somit fiel die Wahl
zu Beginn auf einen quasiexperimentellen Mehr-Gruppen-Plan mit gerichteten,
unspezifischen Unterschiedshypothesen. Verglichen werden sollten nach Davidson et
al. (1976) vier Gruppen: Nichtmeditierende, Anfänger (bis 1 Monat Praxis), Kurzzeitmeditierende (bis 24 Monate Praxis) und Langzeitmeditierende (ab 24 Monate Praxis).
Bei dieser Art von Untersuchung stellt sich jedoch wegen fehlender Randomisierung
immer das Problem der internen Validität (Bortz & Döring, 2002). Dies betrifft vor allem
die Kontrolle personenbezogener Störvariablen. Alle untersuchten Gruppen sollten sich
bestenfalls nur auf der Dimension Meditationserfahrung unterscheiden (Bortz, 1999),
auf allen sonstigen relevanten Dimensionen hingegen wie Geschlecht, Alter, Bildung,
Neurotizismus, Drogen- und Medikamenteneinnahme, etc. sollten die Gruppen im
Mittel vergleichbar gehalten werden.
Auch sind Selbst-Selektionseffekte unter den Meditierenden denkbar, und
fordern damit zusätzlich den quasiexperimentellen Ansatz heraus. Möglich wäre
durchaus, dass eher Menschen mit einer bestimmten Persönlichkeitskonfiguration oder
Emotionsverarbeitung länger bei der Meditationspraxis bleiben, und damit die Gruppe
der Langzeitmeditierenden bilden würden (Davidson, Goleman & Schwartz, 1976;
Shapiro, Walsh & Britton, 2003). Die Untersuchungsergebnisse würden also gegebenenfalls nicht die Effekte der Meditation abbilden, sondern bereits vorher bestehende
Personenvariablen, die eher der Grund für die Aufnahme der Praxis waren.
Zusätzlich zeigt sich, dass die Meditationserfahrung nicht komplett durch die
Meditationszeit in Jahren abgebildet wird (Walach et al., 2003). Meditationserfahrung
(und deren Auswirkungen) ist infolgedessen keine diskontinuierliche Variable, die
zwischen Gruppen mithilfe der Meditationszeit in Jahren aufgeteilt werden kann, ohne
statistische Power zu verlieren. Aus diesem Grund wurde versucht, die Unterschiede
zwischen den Probanden feiner aufzulösen, indem aus Praxisdauer in Jahren,
Frequenz der Meditation pro Woche und Tag, Dauer einer Sitzung, sowie Anzahl
135
Methodisches Vorgehen
absolvierter Retreats die tatsächlichen Praxisstunden errechnet wurden. Dies
gewährleistet auch die Vergleichbarkeit mit dem Gros der aktuellen Publikationen in
diesem Bereich (z.B. Lazar et al., 2005; Lutz et al., 2004).
Besagte Argumente, und die Erfahrung, dass es sich bereits im Vorfeld des
Experimentes als schwierig herausstellte, ein gutes Matching (Bortz, 2002) zwischen
den vier Gruppen zu gewährleisten, führten dazu, die Studie letztlich korrelativregressionsanalytisch zu konzipieren. Der Mehr-Gruppenplan wurde zur varianzanalytischen Hypothesentestung beibehalten, strukturell jedoch leicht modifiziert, da sich
nicht genügend Meditationsanfänger zum Zeitpunkt der Untersuchung finden ließen.
Es verblieben drei Gruppen: Nichtmeditierende, Kurzzeitmeditierende (bis 15 Jahre
Praxis) und Langzeitmeditierende (ab 15 Jahre Praxis). Zusätzlich wurden die oben
beschriebene Variable „Achtsamkeitspraxis in Stunden“ sowie weitere relevante
Variablen wie Alter, Geschlecht etc. in die korrelative Auswertung miteingebracht. Da
die Variable „Achtsamkeitspraxis in Stunden“ nicht normalverteilt war, wurden für die
Regressionsrechnungen die Prozentränge der Achtsamkeitspraxis ermittelt. Um hier
eine kontinuierliche Abstufung über alle Probanden zu erreichen, wurde als Basis die
Metavariable „Achtsamkeitspraxis in Stunden + Score im Freiburger Fragebogen zur
Achtsamkeit (FFA, siehe weiter unten)“ zugrunde gelegt. Somit ließen sich auch die
Nichtmeditierenden (die den Fragebogen ebenfalls ausgefüllt hatten) in ihrer Achtsamkeit differenzieren, und es konnte ein insgesamt kontinuierlicher Verlauf der
Prozentränge über alle Probanden erreicht werden. Ziel dieser zusätzlichen Auswertungen war es, herauszurechnen, in wie weit ein mögliches Zutreffen der Hypothesen
auf die Achtsamkeitspraxis zurückführbar ist bzw. welche weiteren Personenvariablen
zum Ergebnis beitrugen. Für den korrelativen Ansatz war günstig, dass bei den
gefundenen meditationserfahrenen Probanden die Meditationszeit letztendlich vielfältig
abgestuft war.
Die eigentliche UV ist somit das Ausmaß der Achtsamkeitspraxis. Für die
Hypothesentestung wurde sie auf die Gruppenzugehörigkeit heruntergebrochen
(Nichtmeditierende, Gruppe 0; Kurzzeitmeditierende, Gruppe 1; Langzeitmeditierende,
Gruppe 2).
3.2.
Stimulus Materialien und experimentelles Design
3.2.1 Visuelles Stimulusmaterial
In der aktuellen Emotionsforschung wird überwiegend mit Emotionsinduktion mittels
visuellen Materials gearbeitet (Bradley & Lang, 2000). Dabei kommen sowohl
emotional aufgeladene Filmclips (z.B. Ochsner & Gross, 2005; oder Gross &
136
Methodisches Vorgehen
Levenson, 1995) als auch emotionale Bilder in Form von Fotomaterial erfolgreich zur
Anwendung (Lang, Reenwald, Bradley & Hamm, 1996). „Research has demonstrated
that these photographic images evoke a broad range of emotional reactions, varying in
intensity and involving both pleasant and unpleasent affect“ (Lang, Bradley & Cuthbert,
1998b, S. 394). Auf Bilder als Stimuli wurde auch in der hier berichteten Studie
zurückgegriffen, da sie mittlerweile das gängigste Paradigma darstellen und zudem mit
einigen für die experimentelle Forschung wichtigen Vorteilen verbunden sind: Zum
einen ist der Proband bei der Bilderbetrachtung passiv, d.h. er produziert nur sehr
wenig motorische Interferenz. Man kann daher die Aktivierungen, die man in
elektrophysiologischen Messungen beobachtet, sicherer auf das Stimulusmaterial
zurückführen. Ferner können Eigenschaften der Stimuli wie Darbietungszeit,
Intensität4, Valenz etc. leicht kontrolliert werden. Ein Grund für die Fruchtbarkeit dieses
Paradigmas und der darauf basierenden, zahlreichen Veröffentlichungen ist sicherlich
auch die einfache Replizierbarkeit der experimentellen Designs und der gewonnenen
Daten (Lang, Bradley & Cuthbert, 1997).
1988 begannen Lang und Greenwald mit der Entwicklung eines umfassenden
Sets von Bildern, die als geeichte emotionale Reize für Experimente international
einsetzbar sein sollten. So entstand die erste Version des „International Affective
Picture System“ („IAPS“; Lang, Bradley & Cuthbert, 1998a; Lang, Öhman & Vaitl,
1988). Die Standardisierung dieser IAPS-Bilder wurde damals von einer großen
Gruppe von Versuchspersonen vorgenommen. Sie bewerteten ihre emotionale
Erfahrung auf jedes der vorgelegten Bilder. Diese Bewertungen wurde mit Hilfe des
Self-Assessment-Manikin („SAM“, Bradley & Lang, 1994), einer Selbsteinschätzungsskala, für die Valenz- und Erregungsdimension durchgeführt. Abbildung 22 zeigt die
Verteilung der emotionalen Ratings der IAPS-Bilder im zweidimensionalen Raum
„Valenz“ (hier „Pleasure“) x „Intensität“. Die sich abzeichnenden „Bumerang-Arme“
reflektieren die beiden in Kapitel 2.5 beschriebenen hypothetischen Systeme der
Motivation „approach“ und „avoidance“, die auf der Intensitätsdimension variieren und
der affektiven Beurteilung zugrunde liegen. Die Bumerangform hat sich bisher als sehr
stabil erwiesen – es wurden bislang keine hoch erregenden und gleichzeitig neutralen
Reize gefunden.
Leider traf die beim Vertreiber des IAPS georderte, neueste Version der
Datenbank (Lang, Bradley & Cuthbert, 2005) erst einen Monat nach Untersuchungsbeginn ein, sodass die ältere Version mit der Nr. 14 für das hier referierte Experiment
4
„Intensität“ und „Erregung“ wird im Text synonym verwendet. Im Englischen wird im IAPS-Paradigma das
Wort „arousal“ eingesetzt. Da im Deutschen dessen direkte Übersetzung „Erregung“ zumindest leicht
negativ konnotiert ist, wurde im Probandenkontakt immer von „Intensität“ gesprochen.
137
Methodisches Vorgehen
zum Einsatz kommen musste. Aus dieser IAPS-Batterie wurden 120 Bilder anhand
ihrer Valenz- und Intensitäts-Normratings ausgewählt.
Abbildung 22: Mittlere Valenz- und Erregungswerte der IAPS-Bilder [Abb. aus Bradley &
Lang, 2000].
Es wurden je 1/3 positive, negative und neutrale Bilder verwendet. Da die
positiven Bilder auch Erotika enthielten, wurde je ein Set von 40 positiven Bildern für
Männer und für Frauen erstellt, sodass die mittleren Normratings von beiden Sets
vergleichbar waren. Auch bei den negativen Bildern weichen die normativen Ratings
der Frauen von denen der Männer teilweise ab. Daher wurden auch hier zwei Bildersets zusammengestellt (die sich dennoch in großen Teilen ähneln, 8 Bilder wurden
ausgetauscht), in denen sich die durchschnittlichen normativen Ratings von Männern
und Frauen anglichen. Die Auswahl der neutralen Bilder war für beide Geschlechter
identisch.
Für die Zusammenstellung der Kategorien der positiven und negativen Bilder
flossen Überlegungen und Ergebnisse von Bradley, Cuthbert und Lang (1999) in die
Auswahl mit ein: Sie berichten, dass eine Startle-Potenzierung und -Inhibition erst bei
Bildern ab Arousal-Normratings von 6 ausgeprägt sichtbar würde, da der Bildinhalt
erregend und signifikant genug sein müsse, um eines der beiden emotionalen
Motivationssysteme (approach / avoidance) anzustoßen. Andererseits rät Jennings
(2003) jedoch davon ab, ausschließlich hoch-erregende Bilder als Stimuli zu verwenden, da sich so die Erregung über die Versuchsdurchgänge hinweg aufschaukeln
könnte, und die erfassten emotionalen Reaktionen somit immer schwieriger auf einen
bestimmten Stimulus zurückführbar wären. Auch sei die Compliance (Kooperationswilligkeit) der Probanden, das komplette Experiment durchzuhalten, mit zunehmend
138
Methodisches Vorgehen
intensiven und ekelerregenden Stimuli immer weniger gegeben. Unter diesen
Bedingungen wurde für die vorliegende Arbeit folgende Strategie gewählt: In den
beiden emotionalen Bildkategorien wurden 3/5 der Bilder aus dem Segment „hocherregend“ (Arousal-Normrating über 6) gewählt und entsprechend 2/5 der Bilder mit
Arousal-Normratings darunter (hier: „mäßig-erregend“). In der Kategorie der hocherregenden positiven Bilder fanden sich vor allem erotische Szenen, aber auch
Abenteuer-Szenen wie Fallschirmsprünge, Motorradfahrer, Achterbahnfahrten etc. Die
mäßig erregenden positiven Bilder beinhalteten z.B. lachende Babies und Kinder,
niedliche Tiere, glücklich wirkende Menschen und Familienszenen sowie malerische
Naturaufnahmen. Die neutrale Bedingung umfasste z.B. Bilder von Mustern, Gegenständen und neutralen sozialen Situationen. Die Gruppe der hoch-erregenden negativen Bilder enthielt unter anderem Fotos von Attacken auf Personen, direkte Bedrohungen, wie z.B. auf den Betrachter gerichtete Waffen, kranke und verstümmelte
Menschen, Leichen(teile), sowie ekelerregende Szenen. Ausgewählt wurden diese
Bilder aus der IAPS-Datenbank anhand folgender Kriterien für die Normratings („1“
bildet hierbei das Minimum und „9“ das Maximum):
Tabelle 3: Kennzeichen der eingesetzten IAPS-Bilder
1/3 positive Bilder (n=40),
7/8 (n=35) davon mit Startle
(jeder Zeitpunkt je 5x).
1/3 negative Bilder (n=40), 7/8
(n=35) davon mit Startle (jeder
Zeitpunkt je 5x).
1/3 neutrale
Bilder (n=40),
7/8 (n=35)
davon mit Startle
(jeder Zeitpunkt
je 5x).
davon 2/5
mäßig
erregend
(n=16),
wiederum 7/8
davon mit
Startle (n=14)
davon 3/5
stark
erregend
(n=24),
wiederum
7/8 davon
mit Startle
(n=21)
davon 2/5
mäßig
erregend
(n=16),
wiederum 7/8
davon mit
Startle (n=14)
davon 3/5
stark
erregend
(n=24),
wiederum 7/8
davon mit
Startle (n=21)
ValenzNormrating:
größer 6
größer 6
kleiner 4
kleiner 4
kleiner 6
&
größer 3
ArousalNormrating:
kleiner 6
&
größer 4
größer 6
kleiner 6
&
größer 4
größer 6
kleiner 3
N = 120 Bilder
Die Grundlage für diese Strategie bei der Auswahl des Stimulusmaterials war dabei die
Dissertation von Jennings (2003), die ein ähnliches Design anhand einer eingehenden
Sichtung der bis dahin publizierten Startle- / IAPS-Literatur einsetzte, um die Emotionsregulation bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung zu untersuchen.
139
Methodisches Vorgehen
3.2.2 Akustischer Schreckreiz
Zur Auslösung der Lidschluss-Schreckreaktion wurde ein akustischer Schreckreiz zu
unterschiedlichen Zeitpunkten an je verschiedenen Versuchsdurchgängen nach Bildbeginn über Kopfhörer dargeboten. Der Schreckreiz wurde entsprechend den StartleGuidelines nach Blumenthal et al. (2005) erstellt. Zum Einsatz kam dazu die Software
CoolEdit®. Der akustische Schreckreiz (Soundformat: 22050 Hz, 16bit, Stereo) bestand
aus einem weißen Rauschen, das für die Dauer von 50 ms mit der Stärke 98 dB (A)
und unmittelbarem Anstieg binaural über Kopfhörer präsentiert wurde.
3.2.3 Experimentelles Design
Das Experiment beginnt mit einer zweiminütigen Baselinemessung (siehe
Anhang B2.1), während der die Probanden mit offenen Augen, den Blick auf ein
Fixationskreuz gerichtet, stillsitzen, um sich an die Apparaturen zu gewöhnen, und um
evtl. relevante Baseline-Parameter zu erheben. Im Anschluss erscheint die
Versuchsinstruktion (siehe Anhang B2.2), die alle wichtigen Anweisungen für die
Probanden noch einmal zusammenfasst. Ihr folgen zwei Probedurchgänge, um die
Teilnehmer mit dem Startle-Geräusch vertraut zu machen (German Gard, 2004), und
ihnen die Benutzung der selbsterstellten, computerisierten 9-stufigen Version der SAMRatingskala für Gefühlsintensität und -valenz (siehe Anhang B2.3 und B2.4) zu
erklären. Diese wird in zeitlichem Abstand nach der Bilddarbietung auf dem Bildschirm
präsentiert und ist mit der Maus leicht zu bedienen (siehe Abbildung 23). Sind danach
keine Fragen mehr offen, beginnt die erste Hälfte der insgesamt 120 Versuchs-Trials.
Nach 60 Trials wird für drei Minuten pausiert. Anschließend folgen die zweiten 60
Trials. Jeder der Trials startet mit Einblendung eines weißen Fixationskreuzes auf
schwarzem Grund für je eine Sekunde. Darauf folgt ein IAPS-Bild für die Dauer von
sechs Sekunden (diese Darbietungszeit hat sich als Standard in der Literatur
niedergeschlagen, siehe z.B. Lang, Bradley und Cuthbert, 2005). Nach dessen
Ausblenden erscheint erneut das Fixationskreuz für eine Dauer von 10, 12, oder 14
Sekunden, welche sich nach dem Startle-Zeitpunkt des Trials richtet (nähere
Erläuterungen dazu weiter unten). Nach diesem Erholungszeitraum wird die SAMRatingskala für die Gefühlsintensität dargeboten. Sobald der Proband durch einen
Mausklick gewählt hat, folgt die Skala für die Valenzeinschätzung. Unmittelbar danach
beginnt der nächste Trial wie oben beschrieben mit Darbietung des Fixationskreuzes
für eine Sekunde (siehe auch Abbildung 24).
140
Methodisches Vorgehen
PräsentationsPräsentations-Vorlauf bis zum Versuchsbeginn:
Instruktion Baseline
Baseline (2 min)
Instruktion Versuch
Fixationskreuz (1s)
Erstes Probebild (6s)
Startle
Zweites Probebild (6s)
Fixationskreuz (1s)
SAMSAM-Rating Valenz
Fixationskreuz (10s) SAMSAM-Rating Intensität
SAMSAM-Rating Valenz
SAMSAM-Rating Intensität Fixationskreuz (10s)
Versuchsbeginn
Startle
Abbildung 23: Ablauf der Präsentation bis zum Versuchsbeginn
Ablauf ab Versuchsbeginn:
ein Trial
Fixationskreuz (1s)
IAPSIAPS-Bild (6s)
Bild für 6 s
Zeit (Sek.) Æ0
mögliche
StartleZeitpunkte:
1
2
1,5
59 weitere Trials
3
4
Fixationskreuz (10,12, od.
SAMSAM-Rating Intensität
14s)
SAMSAM-Rating Valenz
Fixationskreuz für 10, 12 od. 14 s, je nach Startle-Zeit
5
4,5
6
7
8
9
10
11
12
6,5 7,5 8,5
Pause (3min)
13
13
Beginn 2. Hälfte
14
15
16
17
18
19
20
15
60 weitere Trials
Ende des Versuchs
Abbildung 24: Ablauf der Präsentation ab Versuchsbeginn
141
Methodisches Vorgehen
Um den zeitlichen Verlauf der affektiven Reaktion mit dem Startle-Paradigma
optimal erfassen zu können, wurden 7 unterschiedliche Zeitpunkte nach Bildbeginn für
die Darbietung des Schreckreizes festgesetzt. Die ersten beiden Zeitpunkte liegen 1,5
Sek. bzw. 4,5 Sek. nach Bildbeginn, also noch während der 6 Sekunden dauernden
Bilddarbietung. Jennings (2003) führt diese, Bradley, Lang und Cuthbert (1993)
folgend, als robusteste Zeitpunkte an, zu denen eine emotionsmodulierte Schreckreaktion erfassbar ist. Die restlichen fünf Startle-Zeitpunkte (6,5 Sek., 7,5 Sek., 8,5
Sek., 13 Sek., 15 Sek.), die jeweils nach der Bilddarbietung angesiedelt sind, dienen
zur Erfassung der „affective chronometry“ (Davidson, 1998), also des zeitlichen
Verlaufs der emotionalen Reaktion. Diese Zeitpunkte sind nach Davidson (2000)
nützlich, um zu messen, wie schnell sich eine Person von einer emotionalen Reaktion
erholt (siehe auch Larson et al., 1998 sowie Larson & Davidson, 2001). Jennings
(2003) rät in der Diskussion ihrer Ergebnisse, ein ausreichend langes Zeitfenster zu
betrachten, um auch den Abfall der emotionalen Reaktion beobachten zu können. Sie
gibt zu bedenken, dass die vier von ihr zusätzlich eingesetzten Startle-Zeitpunkte nach
Bilddarbietung (6,5 Sek., 7,5 Sek., 8,5 Sek. und 13 Sek.) unter Umständen nicht ausreichten, um den gesamten emotionalen Verlauf abzubilden. Unterstützung für die
Wahl eines solch ausgedehnten Zeitfensters kommt von einer IAPS-fMRI-Studie, die
von einem durchschnittlich 80-prozentigen Abbau der ausgelösten emotionalen
Reaktion nach 16 s berichtet (Garrett & Maddock, 2000). Der letzte Zeitpunkt 15 Sek.
nach Bildbeginn wurde aus diesen Gründen zusätzlich mit in das experimentelle
Design der hier vorgestellten Studie aufgenommen. Für Trials mit einem der beiden
spätesten Startle-Zeitpunkte (13 bzw. 15 Sek. nach Bildbeginn) wird die Darbietungsdauer des Fixationskreuzes auf 12 bzw. 14 Sek. ausgedehnt, um auch für diese Trials
eine angemessene Erholungszeit vor dem SAM-Rating zu gewährleisten. Auch für eine
evtl. spätere Auswertung der EDA-Reaktion auf den Startle war hier ein längeres
Zeitfenster nötig.
Pro Trial wird immer nur an einem der möglichen Startle-Zeitpunkte ein
Schreckreiz dargeboten. Innerhalb jeder Valenzkategorie sind 35 der gezeigten Bilder
mit einem Schreckreiz assoziiert, 5 davon frei von akustischer Stimulation. Das
entspricht einem Verhältnis von 7/8 Trials mit Startle Darbietung zu 1/8 ohne. Jeder
Startle-Zeitpunkt wird so 5 x in jeder Valenzkategorie dargeboten. Innerhalb der
positiven und negativen Valenzkategorien befinden sich, wie weiter oben (Tabelle 3)
beschrieben, n = 16 „mäßig-erregende“ und n = 24 „hoch-erregende“ Bilder. Auch
innerhalb dieser Untergruppen findet sich wieder ein Verhältnis von 7/8 „Trials mit
Startle“ / „Trials ohne Startle“. Also enthalten von den 24 „hoch-erregenden“ Trials 21
142
Methodisches Vorgehen
Trials einen Schreckreiz (jeder Zeitpunkt je 3 x) und von den 16 „mäßig-erregenden“
Trials 14 einen Schreckreiz (jeder Zeitpunkt je 2 x). Nach Implementierung dieser
Strategie auf die Bild / Startle Konfiguration wurden die erzeugten Trials randomisiert,
und anschließend wurde auf die Einhaltung der folgenden, bei German Gard (2004)
erwähnten Kriterien hin kontrolliert: Nicht mehr als zwei Bilder derselben Valenz
hintereinander und nicht mehr als drei Bilder mit demselben Startle-Zeitpunkt (incl. dem
Startle-Zeitpunkt „kein Startle“) nacheinander.
3.3.
Messinstrumente und abhängige Variablen (AV)
Im Folgenden werden die abhängigen Variablen als Indikatoren für die Emotionsverarbeitung sowie deren Messinstrumente eingeführt.
3.3.1 AV „subjektives Gefühlserleben“
Das im Versuch induzierte subjektive Gefühlserleben der Probanden wurde über das
„Self-Assessment-Manikin“ (SAM; Bradley & Lang, 1994) mit den beiden Dimensionen
Intensität und Valenz erhoben. Im Anschluss an die Darbietung eines jeden IAPSBildes inclusive des darauf folgenden Fixationskreuzes wurde eine computerisierte
Version der SAM-Skala präsentiert.
Abbildung 25: Teile der verwendeten SAM-Version (links Valenz, rechts Intensität)
Diese Form der Erhebung des emotionalen Erlebens ermöglicht die Zuordnung
subjektiver Ratings zu den physiologischen Aktivitätsmustern einzelner Versuchstrials.
Mit dem SAM erhält man eine nonverbale Bewertung des Emotionserlebens in
Anlehnung an das Circumplex-Modell von Russell und Pratt (1980) auf zwei jeweils
neunstufigen Skalen, die über menschliche Piktogramme (Manikin = Männlein) vermittelt werden (vgl. auch Anhang B2.3 / B2.4).
Zur weiteren Exploration wurde die subjektive Gefühlskomponente darüber
hinaus in einem halb-strukturierten Interview im Anschluss an den Versuch thematisiert
(Leitfaden siehe Anhang A1.8). Die Frage, wie sich das Emotionserleben im Laufe der
Praxis verändert, konnte dort ausgiebig und differenziert besprochen werden.
Insbesondere etwaige Modulationen von Intensität und Qualität des Gefühlserlebens
143
Methodisches Vorgehen
mit zunehmender Praxisdauer wurde mit den Probanden thematisiert. Die Antworten
wurden notiert und anschließend qualitativ ausgewertet (Lamnek, 2005). Es wurden
inhaltlich gleiche Antworten in Cluster überführt und bei jeder Versuchsperson codiert,
ob sie im Laufe des Interviews diesen Cluster ansprach. Somit konnte für jeden
Aussagencluster errechnet werden, wie viel Prozent aller Gruppenmitglieder diese
Aussage (von sich aus) erwähnten.
3.3.2 AV „Affekttoleranz“
Das Ausmaß der Bereitschaft, alle Affekte anzunehmen und diese zu tolerieren, wurde
über das Nachinterview (siehe Anhang A1.8) erhoben. Hier wurden die Probanden
nach ihrem Umgang mit während des Versuchs entstehenden Emotionen gefragt, um
eventuelles Vermeidungsverhalten zu erfassen. Das Ausmaß der subjektiven
Belastung durch den Versuch wurde ebenso thematisiert. Zusätzlich wurde den
Probanden vor und nach dem Versuch eine Ratingskala vorgelegt, auf der sie ihr
allgemeines subjektives Wohlbefinden einstufen sollten (in Schulnoten mit 1 = sehr gut,
6 = sehr schlecht), wobei auch halbe Schritte möglich waren.
3.3.3 AV „Intensität & Verlauf der emotionalen Reaktionen“
Der zeitliche Verlauf der Emotionsverarbeitung und die Intensität der Reaktion wurden
über peripher-physiologische Maße operationalisiert. Das wichtigste Instrument war
hier das Startle-Paradigma (zu dessen Bedeutung siehe 2.5.1). Mit Hilfe von EMGMessungen wurde die Lidschlagkomponente des Schreckreflexes während des
Versuchs erfasst. Die Startle-Zeitpunkte während der Bilddarbietung dienten der
Erfassung der initialen Reaktion, die Zeitpunkte nach Bilddarbietung der Erfassung des
Verlaufs und der Erholung. Zusätzlich wurde die elektrodermale Aktivität (EDA)
gemessen (zu deren Bedeutung siehe 2.5.2), die mit ihren Aspekten Latenz, Anstiegszeit, Maximum, Summe und Halbwertszeit ebenso zur Aufklärung des Zeitverlaufs und
der Intensität der Reaktion beiträgt (Boucsein, 1995; Schandry, 1998, 2006).
3.3.4 Explorativ erhobene Daten
Neben den Messinstrumenten zur Erfassung der abhängigen Variablen wurden einige
Fragebögen gegeben, ohne spezifische Hypothesen zu formulieren. Auch ging es
darum, zu entscheiden, ob möglicherweise gefundene Gruppenunterschiede in den
AVs von evtl. signifikant unterschiedlichen Ladungen auf den Fragebogen-Scores mit
beeinflusst sein könnten:
144
Methodisches Vorgehen
-
die deutsche Version des Fragebogen „PANAS“ („Positive and Negative Affect
Scale“) nach Krohne et al. (1996), Orginalversion von Watson et al. (1988), zur
Erfassung der „Trait“ Affekte, d.h. der allgemeinen, überdauernden emotionalen
Verfassung der Versuchsteilnehmer. Er ordnet seine Items den Dimensionen
„positive Affect“ (PA) und „negative Affect“ (NA) zu.
-
die deutsche Version des Persönlichkeits-Fragebogens „NEO-FFI“ nach
Borkenau und Ostendorf (1994), Orginalversion von Costa und McCrae (1992),
zur Erfassung der sogenannten „big five“ Persönlichkeitsfaktoren (Allport,
1937): Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus sowie
Offenheit für Erfahrungen.
-
die „Skalen zum Erleben von Emotionen“ (SEE) von Behr und Becker (2004).
Gemessen werden hier Aspekte des Emotionserlebens: 1. Akzeptanz eigener
Emotionen, 2. Erleben von Emotionsüberflutung, 3. Erleben von Emotionsmangel, 4. Körperbezogene Symbolisierung von Emotionen, 5. Imaginative
Symbolisierung von Emotionen, 6. Erleben von Emotionsregulation, 7. Erleben
von Selbstkontrolle. Die Skalen messen, wie Personen eigene Gefühle
wahrnehmen, bewerten und damit umgehen.
3.4
Untersuchungsablauf
3.4.1 Gewinnung geeigneter Probanden
Am Anfang des Versuchs stand die Kontaktaufnahme zur „Buddhistischen Akademie
Berlin“ und zum „Buddhismus in Berlin und Brandenburg e.V.“, den beiden regionalen
Dachorganisationen für Buddhistische Zentren und Gruppen in Berlin. Beide gelten als
traditionsübergreifende,
wissenschaftlich
orientierte
Netzwerke
für
alle,
die
Buddhismus im europäisch-westlichen Kulturraum üben und weitergeben. In
Kooperation mit Frau Renate Seifarth, Kuratoriumsmitglied der Akademie und
Vipassana-Lehrerin, über diverse Email-Verteiler, Newsletter und Web-Anzeigen bei
verschiedenen online-Netzwerken, über Aushänge in relevanten Buchläden, sowie
durch Besuche aller bekannter Theravada- und Vipassana-Zentren in Berlin (gefunden
u.a. über Grübel & Rademacher, 2003) wurde um Versuchsteilnehmer mit formeller
Meditationserfahrung geworben. Es wurde ein Flyer erstellt, der über die Zusammenarbeit der Uni Gießen, der TU Berlin, der „Society for Meditation and Meditation
Research“ und der „Buddhistischen Akademie Berlin“ das Interesse der Praktizierenden wecken sollte (siehe Anhang A1.1). Als Motiv wurde dort angegeben, die
heilsamen Auswirkungen der Vipassana-Meditation untersuchen zu wollen. Als
145
Methodisches Vorgehen
Einschlusskriterium wurde eine regelmäßige Meditationspraxis („mindestens 3 - 5 x
Praxis / Woche“) angegeben.
Die Gewinnung geeigneter, vor allem vom Altersdurchschnitt her ähnlicher
Kontrollprobanden gestaltete sich schwieriger, da im universitären Umfeld größtenteils
20 - 30 Jährige auf den Aushang ansprachen. Daher wurden Aushänge, die sich
explizit auf die Altersklasse der 35 - 65 Jährigen bezogen, im öffentlichen Raum um die
Universität verteilt, sowie im Bekannten- und Verwandtenkreis, und unter den
Angestellten der Universität Personen angesprochen. Der Aushang warb für die
Teilnahme an einem als „Experiment zur visuellen Wahrnehmung“ bezeichneten
Versuch. Die Teilnahme mit einer Dauer von ca. zwei Stunden wurde den Kontrollprobanden mit einer Aufwandsentschädigung von 20 € vergütet. Die Finanzierung
dieser Entschädigungszahlungen wurde komplett von der „Society for Meditation and
Meditation Research“ (www.smmr.de) übernommen.
Um den eigentlichen Versuch zeitlich zu begrenzen, wurden allen interessierten
Praktizierenden per E-Mail bzw. Post vorab folgende Fragebögen zugesandt:
„Meditationstiefefragebogen“ (MTF; Piron, 2000) und „Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit“ Kurzversion mit 14 Items (FFA; Walach et al., 2003) zur Erfassung des
Ausmaßes von selbsterlebter Achtsamkeit im Alltag; Fragebogen „Meditationserfahrung“, erstellt in Anlehnung an Ott (2000) zur detaillierten Erfassung der
Meditationspraxis (siehe Anhang A1.2). Fragebogen „Angaben zur Person“ (selbsterstellt, siehe Anhang A1.3) zur Erfassung demographischer Daten; Kontrollprobanden
erhielten entsprechend die Fragebögen „MTF“ und „Meditationserfahrung“ nicht. Nach
Terminabsprache und Rücklauf der Fragebögen erhielten die Teilnehmer eine weitere
E-Mail bzw. ein Anschreiben mit Einladung und Wegbeschreibung (Anhang A1.4).
3.4.2 Versuchsdurchführung
Die Probanden wurden am Eingang empfangen und in den Versuchsraum geleitet.
Dort wurde Ihnen ein bequemer Stuhl, Tee und Gebäck angeboten, Dank für Ihre
Teilnahme ausgesprochen und anschließend die Einverständniserklärung (Anhang
A1.5) vorgelegt. Während der Versuchsleiter das Anlegen der physiologischen Messaufnehmer vorbereitete, wurden die Probanden gebeten, folgende Fragebögen in eben
dieser Reihenfolge auszufüllen: „Fragebogen zur Erfassung der Ausgangslage“ (selbsterstellt, siehe Anhang A1.7) zur Erfassung von evtl. für die physiologische Messung
relevanten Bedingungen. Anschließend die deutsche Version des Fragebogen
„PANAS“ („Positive and Negative Affect Scale“) nach Krohne, Egloff, Kohlmann und
Tausch (1996), Orginalversion von Watson, Clark und Tellegen (1988), zur Erfassung
146
Methodisches Vorgehen
der „trait“ Affekte, d.h. der allgemeinen, überdauernden emotionalen Verfassung der
Versuchsteilnehmer. Die deutsche Version des gebräuchlichen PersönlichkeitsFragebogens „NEO-FFI“ nach Borkenau und Ostendorf (1994), Orginalversion von
Costa und McCrae (1992), bildete den Abschluss des Fragebogenteils vor der
physiologischen Messung. Die Probanden wurden sodann gebeten, falls nötig, die
Toilette aufzusuchen, um Unterbrechungen zu vermeiden. Um ein Aufquellen der Haut
zu vermeiden, sollten sie davon absehen, die linke Hand mit Seife zu waschen, da dort
die EDA-Elektroden angebracht werden sollten. Zur Datenerfassung wurde ein
portabler Biosignal Recorder der Firma Becker Meditec mit der Bezeichnung
„Varioport-B“ verwendet.
Abbildung 26: Biosignal Recorder „Varioport-B“
Als erstes wurden die EKG-Messaufnehmer angelegt, es handelte sich dabei
um handelsübliche Einmal-Klebeelektroden. Die Position der drei Elektroden entsprach
der „Brustwandableitung“ nach F. Wilson (siehe Schandry, 1998). Vor dem Anbringen
wurde die Haut mit Äthylalkohol gereinigt. Weibliche Versuchsteilnehmer brachten die
Elektroden nach Anweisung alleine an. Die Aufzeichnung erfolgte mit einer Abtastrate
von 512 Hz und einer Speicherrate von 256 Hz. Mit Hilfe einer Routine des Varioport
wurde auch die Herzrate aus dem EKG online herausgerechnet und mit einer
Abtastrate von 256 Hz und einer Speicherrate von 2 Hz gesichert.
Die beiden EDA-Elektroden wurden anschließend auf die nicht-dominante
Handinnenfläche geklebt. Verwendet wurden zwei Ag/AgCl-beschichtete Napfelektroden mit einem Innendurchmesser von 6 mm, mit isotonischer NaCl-Paste gefüllt und
Walschburger (1975) folgend, auf Thanar und Hypothenar angebracht, nachdem diese
mit Alkoholpads gereinigt worden waren. Über den EDA-Koppler wurde das KonstantSpannungsverfahren mit 0,5 Volt implementiert (Schandry, 1998). Hier betrug die
147
Methodisches Vorgehen
Abtastrate 256 Hz und die Speicherrate 16 Hz. Zur EDA-Artefaktkontrolle wurde
zusätzlich ein Atemgurt angelegt. Die Abtastrate lag für die Atemfrequenz bei 256 Hz
und wurde mit 8 Hz gespeichert.
Abschließend wurden noch die Elektroden zur Erfassung des LidschlagReflexes mit Hilfe des Elektromyogramms (EMG) des Musculus Orbicularis Oculi
geklebt. Hierbei wurde in Anlehnung an die „Startle-Guidelines“ von Blumenthal et al.
(2005) verfahren. Die Elektrodenpositionen wurden zuerst mit einer Sandfeile leicht
aufgeraut, um alte Hautschüppchen zu entfernen. Danach wurde die Haut mit
Äthylalkohol von evtl. Schminke und Hautfett befreit. Zwei EMG-Miniaturelektroden,
Innendurchmesser 4 mm, Ag/AgCl-beschichtet und mit hochleitender Elektrodenpaste
gefüllt, wurden sodann wie in Abbildung 27 zu sehen ist angebracht:
Abbildung 27: Ableitungsort des Lidschlag-Reflexes [Abb. nach Blumenthal et al.,
2005].
Aus Gründen der Bewegungsfreiheit unter den örtlichen Gegebenheiten wurden die
Elektroden bei allen Probanden am linken Auge angebracht. Dies entspricht laut
Blumenthal et al. (2005) zudem dem Verfahren der Mehrzahl aller publizierten
Versuche. Auch sind bei binauraler Präsentation der Startle Reize wie in diesem
Versuch keine signifikanten Lateralisierungseffekte zu erwarten.
Nach Platzierung der Elektroden wurde bei EKG und EMG ein Impedanzcheck
durchgeführt. Impedanzen über 5000 Ÿ führten zu einer erneuten Hautreinigung und
dem Neukleben der betroffenen Elektrode. Die Elektrodenkabel wurden mit Hansaplast
zugentlastet und die Probanden gebeten, Schmuck und Ketten abzulegen, sowie ihr
Handy auszuschalten.
Nun bekamen die Teilnehmer eine Einweisung in die computergestützte 9stufige Version des „SAM“ Rating-Systems (Bradley & Lang, 1994), das sie später
148
Methodisches Vorgehen
benutzen sollten, um Ihre Gefühle einzustufen. Dazu erhielten sie ein selbsterstelltes
Manual (Anhang A1.6) zu lesen. Durch den Versuchsleiter wurden die Probanden wie
folgt mündlich instruiert: „Sie werden jetzt eine Reihe Bilder sehen, wobei einige sehr
erotisch, andere wiederum sehr schrecklich sein können. Bitte sehen Sie sich jedes
Bild die ganze Darbietungsdauer hindurch an. Nach jedem Bild werden Sie nach einer
Pause gebeten, auf der eben erläuterten SAM Skala anzugeben, wie intensiv, und
danach, wie angenehm Ihre durch das Bild ausgelösten Gefühle waren. Bitte bewerten
Sie Ihr eigenes Gefühl, und nicht, was Sie denken, wie man sich fühlen sollte, oder wie
andere sich fühlen würden. Es ist ganz normal, wenn Sie auch einmal nichts
empfinden. Bitte geben Sie einfach an, wie Sie persönlich sich gefühlt haben. Nach der
Hälfte der Bilder (ca. 20 Min.) wird es eine kurze Pause für 3 Min. geben. Ich öffne
dann die Türe, sie können dann auch etwas trinken.“ Zusätzlich wurde noch einmal
mündlich erwähnt, dass die Teilnehmer das Experiment jederzeit abbrechen könnten.
Daraufhin nahmen sie in einer im Labor befindlichen Schallschutzkammer auf einem
bequemen Drehstuhl Platz.
Abbildung 28: Schallschutzkammer, in der der Versuch stattfand
Die Schallschutzkammer wurde für das Experiment gewählt, um die Abschirmung der
Probanden von allen Umgebungsreizen sicher zu stellen. Die Kammer wurde
permanent belüftet, und von zwei gegen die Decke gerichteten Lampen schwach
erleuchtet. Um das Wohlbefinden der Probanden während des Versuchs zu gewährleisten, wurde die Schallkammer kontinuierlich audio- und videoüberwacht.
Vor Beginn des Experiments wurde online der Datenfluss geprüft, um
sicherzustellen, dass alle Elektroden richtig arbeiteten. Die Probanden wurden
gebeten, tief aus und ein zu atmen, um die EDA- und Atemgurt-Response zu prüfen.
Zur EMG Kontrolle blinzelten die Probanden willkürlich. Nachdem sichergestellt war,
dass alle Messwerte korrekt erfasst wurden, wurden die Probanden instruiert, sich in
149
Methodisches Vorgehen
eine bequeme und gerade Sitzposition vor den Monitor zu bringen, die sie 20 Minuten
ohne große Bewegungen aufrecht erhalten könnten.
Abbildung 29: Audio- und Videoüberwachung der Versuchspersonen
Ihre linke Hand mit den EDA-Elektroden legten die Probanden auf eine weiche
Wollmütze. Im Falle sich anbahnender Verspannungen od. eines evtl. Bedürfnis sich
zu kratzen od. umzusetzen, sollten sie jedoch dafür sorgen, dass sie eine angenehme
und entspannte Position fänden, sich also besser kurz bewegen, als kontinuierlich
Verspannung aufzubauen.
Abbildung 30: Versuchsrechner
Vor dem eigentlichen Versuch folgte nun eine Baselinemessung (Anhang B2.1)
für zwei Minuten, in der die Probanden einfach ruhig sitzen sollten, die Augen auf ein
Fixationskreuz gerichtet. Anschließend wurden die Probanden angewiesen, die
Kopfhörer der Marke Philipps ABC HP 800 anzulegen, und erhielten erneut eine
Instruktion vom Versuchsrechner (siehe Anhang B2.2). Nun folgten die beiden Probedurchgänge. Wenn es keine abschließenden Fragen mehr gab, verließ und verschloss
der Versuchsleiter nun die Kammer und der eigentliche Versuch startete.
150
Methodisches Vorgehen
Das Versuchssteuerprogramm „Presentation“ arbeitete auf einem unter
Windows 2000 Professional laufenden Pentium IV Computer. Dargestellt wurden die
Bilder auf einem 19´´ ViewSonic VX922 Monitor in der Auflösung 800x600, da somit
eine Anpassung der IAPS-Bilder an die gesamte Bildschirmgröße erreicht wurde.
Miniaturversionen der verwendeten Bilder sowie deren IAPS-Nr. finden sich in Anhang
B1.1 bis B1.3. Für Männer und Frauen wurden aufgrund der erotischen Inhalte unterschiedliche Bildfolgen verwendet (für Details siehe 3.2.3). Nachdem die Hälfte der
Bilder gezeigt wurde, stoppte das Experiment automatisch für drei Minuten, die
Versuchsteilnehmer machten sich akustisch bemerkbar, und der Versuchsleiter öffnete
die Tür der Schallschutzkammer. Die Probanden durften etwas trinken und sich
strecken. Gesprochen wurde nicht. Als das Ende der Pause vom Versuchssteuerprogramm angezeigt wurde, wurde die Tür wieder verschlossen und die Probanden
setzten sich wieder vor den Rechner.
Als die Bilderfolge komplett durchlaufen war, wurden die Teilnehmer vom
Varioport getrennt, aus der Kammer geleitet und von den Elektroden befreit.
Unmittelbar danach wurde ihnen der Fragebogen SEE („Skalen zum Erleben von
Emotionen“) von Behr und Becker (2004) vorgelegt. Nach dessen Bearbeitung folgte
ein halbstrukturiertes Nachinterview (Anhang A1.8), in dem den Probanden Fragen
zum Versuch (siehe dazu Tsai, Chentsova-Dutton, Freire-Bebeau & Przymus, 2002)
und zu Ihrer evtl. Meditationspraxis gestellt wurden. Der Fokus lag darauf, zu
erkunden, wie und ob die Meditationspraxis in den Augen der Probanden ihr
Emotionserleben über die Zeit hinweg verändert hatte. Diese Exploration sollte die
quantitativen Daten ergänzen und erhellen. Die Probanden wurden abschließend mit
dem Hinweis auf die Zusendung der Untersuchungsergebnisse (falls gewünscht) und
erneutem Dank für Ihre Teilnahme verabschiedet.
3.5
Datenaufbereitung und Auswertung
3.5.1 Aufbereitung der physiologische Daten
Die physiologischen Daten wurden mit der Software „Variograf“ des Varioport
Messaufnehmers erfasst und gespeichert. Anschließend wurden sie per Augenschein
auf grobe Artefakte hin kontrolliert. Die Datenaufbereitung und Reduktion erfolgte
offline. Die Daten wurden zuerst mit der Software „Labview“ in das ASCII-Format
umgewandelt.
151
Methodisches Vorgehen
•
EDA-Daten
Die EDA-Daten wurden nach der ASCII-Transfomierung mit dem Programm
“EDR_PARA.EXE” (© 1997 by Florian Schaefer) parametrisiert. Nachdem die
Onsets der Bilder mithilfe eines AWK-Programms aus den Marker-Daten errechnet
waren, wurden nach Prokasy und Kumpfer (1973) die „First-Intervall-Responses“,
das heißt Reaktionen, die 0,9 s bis 4 s nach Stimulusonset auftraten, in MikroSiemens (ȝS) erfasst. Dies bedeutet, dass der Fuß- und Gipfelpunkt in dieses
Zeitfenster fallen musste, um nicht als Spontanfluktuation betrachtet zu werden.
Des Weiteren wurden mit dem Programm die Latenz der ersten Response, die
Anstiegszeit der ersten Response, die Halbwertszeit der ersten Response sowie
die aggregierte Summe aller Haulteitwertsreaktionen je Trial berechnet. Diese
Daten standen somit pro Proband und Versuchstrial zur Verfügung und wurden in
eine SPSS-Maske überführt. Eine Logarithmierung oder z-Transformation erfolgte
wegen des expliziten Interesses an den individuellen Unterschieden nicht. Es
ließen sich unter den eingeschlossenen Probanden keine EDA-Nonresponder
identifizieren. Alle Probanden zeigten zu Beginn des Versuchs bei der Datenflusskontrolle ausgeprägte EDA-Responses auf entweder instruierte tiefe Atemzüge
oder unerwartetes Fingerschnipsen des Versuchsleiters.
•
Startle-Daten
Die Aufbereitung der Startle-Daten erfolgte mit dem Programm Labview bzw.
VPDANA. Zuerst wurde ein 60 Hz Netzfilter angelegt, sowie ein Tiefpass von 500
Hz und ein Hochpass von 30 Hz (Jennings, 2003). Reaktionen, deren Fußpunkt
zwischen 20 ms und 100 ms nach Darbietung des Schreckreizes lag, und deren
Maximum sich innerhalb des Zeitfensters bis zu 150 ms nach Schreckreizdarbietung befand, gingen in die Analyse ein (Gausmann, 2003). Mit Hilfe einer
Routine des Programms VPDANA wurde die Größe aller so eingeschlossenen
Reaktionen aus der Höhe der Differenz Fuß-/ Gipfelpunkt in Mikro-Volt (ȝV)
berechnet. Die sonst übliche Erstellung von z- und T-Werten erfolgte auch hier
aufgrund des Interesses an den individuellen Differenzen der Reaktivität nicht
(siehe Jennings, 2003). Es stand somit pro Proband und Trial ein Wert mit der
Höhe der Startle-Reaktion in ȝV zur Verfügung, der ebenfalls in die SPSS-Maske
überführt wurde. Dort stellte sich nach Einsicht der Histogramme der Schreckreaktionen das Problem der Reduktion des spontanen, unwillkürlichen Augenzwinkerns. In den Histogrammen zeigte sich ein Sprung am oberen Ende der
Reaktionsintensitäten, die sonst kontinuierlich zunehmend verlaufen. Diese mit
deutlichem Abstand zu den vorherigen Werten und daher in teils deutlich höherer
152
Methodisches Vorgehen
Intensität vorliegenden Werte wurden als unwillkürliches, spontanes Blinzeln
klassifiziert und aus der SPSS-Maske entfernt (< 10 % aller Werte).
3.5.2 Auswertung
Alle Auswertungen wurden mit der Statistiksoftware “SPSS“ in der Version 12
durchgeführt. Als generelles Signifikanzniveau wurde p ” ,05 festgelegt, und generell
zunächst untersucht, ob jeweils die statistischen Vorraussetzungen zur Durchführung
der Tests gegeben waren (z.B. Normalverteilung oder Varianzhomogenität).
•
SAM-Ratings
Zur Auswertung der während des Versuchs abgegebenen SAM-Ratings, die das
Programm „Presentation“ aufgezeichnet und in eine Textdatei ausgegeben hatte,
gingen die erfassten Rohwerte in eine MANOVA ein. Bei der Valenzdimension
bedeutete „1“ -> „sehr unangenehm“ und „9“ -> „sehr angenehm“. Die Skala war,
wie auch die Intensitätsskala, 9-fach abgestuft. Die Intensitätsskala vergab für
„wenig intensiv“ die „1“ und für „sehr intensiv“ die „9“.
Bei der Auswertung wurden zunächst die beiden Bildkategorien „mäßig
erregend negativ“ und „stark erregend negativ“ in der Domäne „negative Bilder“ zu
einer Kategorie „negativ“ zusammengefasst, ebenso wurde mit den beiden
Kategorien „mäßig erregend positiv“ und „stark erregend positiv“ in der Domäne der
positiven Bilder verfahren, sie wurden in die Kategorie „positiv“ überführt. Es gingen
somit alle verwendeten Bilder in die Auswertung der SAM-Ratings mit ein. Nun
wurden für jede Versuchsperson die Werte der SAM-Ratings je Valenzkategorie
über alle 120 Trials aggregiert. Pro Proband wurden somit je drei Intensitäts- und
Valenzmittelwerte in die MANOVA überführt.
Nach dem Allgemeinen Linearen Modell wurde dann eine MANOVA mit
„aggregierte SAM-Valenzratings“ und „aggregierte SAM-Intensitätsratings“ als
abhängige Variablen, „Gruppe“ (3; Nichtmeditierende, Kurzzeitmeditierende, Langzeitmeditierende) und Bildvalenz (3; negativ, neutral, positiv) als festen Faktoren
gerechnet. „Alter“ und „Geschlecht“ wurden als Kovariaten mit aufgenommen. Von
SPSS wurden automatisch univariate ANOVAs und, falls sich signifikante Effekte
zeigten, Post-Hoc-Tests (mit Bonferroni-Korrektur) mitgerechnet. Zusätzlich wurden
nonparametrische Spearman-Roh Korrelationen (die Variable „Achtsamkeitspraxis
in Stunden“ war nicht normalverteilt) berechnet, um den Zusammenhang zwischen
den SAM-Ratings und der Achtsamkeitspraxis zu erhellen. Abschließend wurde
mittels der Prozentränge der Achtsamkeitspraxis versucht, eine signifikante
Regression auf die SAM-Ratings zu erstellen.
153
Methodisches Vorgehen
•
EDA-Daten
Bei der Auswertung der EDA-Daten wurden wie bei den SAM-Daten die beiden
Bildkategorien „mäßig erregend negativ“ und „stark erregend negativ“ in der
Domäne „negative Bilder“ zu einer Kategorie „negativ“ zusammengefasst, ebenso
wurde mit den beiden Kategorien „mäßig erregend positiv“ und „stark erregend
positiv“ in der Domäne der positiven Bilder verfahren, sie wurden in die Kategorie
„positiv“ überführt. Es gingen somit auch hier alle gezeigten Bilder in die
Auswertung mit ein, lediglich diejenigen Trials, bei denen der Schreckreiz bereits
1,5 s nach Bildbeginn erklang, wurden aus der Auswertung ausgeschlossen. Es
lagen folgende EDA-Variablen zur Auswertung als separate SPSS-Variablen vor:
„EDA-Latenz bis zum ersten Anstieg“, „EDA-Anstiegszeit bis zum Erreichen des
ersten Reaktionsmaximums“, „Höhe des ersten EDA-Reaktionsmaximums“, „EDAHalbwertszeit“, also die Dauer, bis die Hälfte des ersten Reaktionsmaximums
wieder abgefallen war. Zur Vorbereitung wurden pro Proband die Werte der
jeweiligen EDA-Variablen über alle Trials getrennt für jede Valenzkategorie
aggregiert. Die EDA-Latenz, -Anstiegszeit und -Halbwertszeit wurden gemeinsam
ausgewertet, um den Zeitverlauf der Reaktion zu untersuchen. EDA-Maximum und
-Summe, um die Intensität zu bestimmen.
Zur Auswertung des Zeitverlaufs wurde eine MANOVA mit den drei
aggregierten Variablen „EDA-Latenz“, „-Anstiegszeit“ und „-Halbwertszeit“ als
abhängige Variablen, „Gruppe“ (3; Nichtmeditierende, Kurzzeitmeditierende, Langzeitmeditierende) und Bildvalenz (3; negativ, neutral, positiv) als festen Faktoren,
und „Alter“ und „Geschlecht“ als Kovariaten gerechnet. Weiterhin wurden univariate
ANOVAs und, falls sich signifikante Effekte zeigten, Post-Hoc-Tests (mit Bonferroni-Korrektur) gerechnet. Zusätzlich wurden nonparametrische Spearman-Roh
Korrelationen berechnet, um den Zusammenhang zwischen den EDA-Variablen
und der Achtsamkeitspraxis zu erhellen. Abschließend wurde mittels der Prozentränge der Achtsamkeitspraxis versucht, eine signifikante Regression auf die EDAVariablen zu erstellen. Gleichermaßen wurde zur Auswertung der Reaktionsintensität mit den EDA-Variablen „EDA-Maximum“ und „-Summe“ verfahren.
•
Startle-Daten
Bei den Startle-Daten wurden nur die Bilder aus der Kategorie „stark erregend“ für
die Auswertung herangezogen, da nur diese, Bradley, Cuthbert und Lang (1999)
folgend, in der Lage sind, eine ausreichend starke Startle-Potenzierung und
-Inhibition hervorzurufen. Somit wurden alle Bilder der Kategorie „mäßig erregend“
aus der Analyse ausgeschlossen, dies waren 32 Bilder (siehe Tabelle 3). Es
154
Methodisches Vorgehen
verblieben demnach 88 Bilder in der Auswertung. Zunächst wurde eine ANOVA
zum Vergleich der overall Startle-Response gerechnet. Dazu wurde für jeden
Probanden über alle Startle-Responses ein Mittelwert gebildet und als abhängige
Variable behandelt, unabhängige Variable war „Gruppe“ (3; Nichtmeditierende,
Kurzzeitmeditierende, Langzeitmeditierende), „Alter“ und „Geschlecht“ wurde als
Kovariaten behandelt. Die Post-Hoc-Tests wurden mit Tamhane-Korrektur gerechnet, da die Startle-Responses inhomogene Varianzen zwischen den Gruppen
aufwiesen. Aus diesem Grund wurde auch jeweils zur Absicherung der nichtparametrische Kruskal-Wallis-Test durchgeführt. Spearman-Roh Korrelationen mit
der Achtsamkeitspraxis in Stunden und eine Regressionsanalyse mit den Prozenträngen der Achtsamkeitspraxis schlossen die overall Startle-Auswertung ab.
Zur Vorbereitung der Auswertung der Startle-Modulation wurden pro
Proband die Startle-Werte über alle 88 Trials je Valenzkategorie und StartleZeitpunkt getrennt aggregiert. Es wurde ein Index errechnet für Startle-Inhibition
und -Potenzierung (Details siehe 4.3.2). Anschließend wurde eine MANOVA mit
„Startle-Inhibition“ und „-Potenzierung“ als abhängigen Variablen und „Gruppe“ (3;
Nichtmeditierende, Kurzzeitmeditierende, Langzeitmeditierende) als festem Faktor
gerechnet, „Geschlecht“ und „Alter“ gingen auch hier als Kovariaten ein. Zusätzlich
zu oben beschriebenem Prozedere wurden anschließend univariate ANOVAs
gerechnet. Ansonsten kamen ebenfalls Post-Hoc-Tests mit Tamhane-Korrektur, der
Kruskal-Wallis-Test, die Spearman-Roh Korrelationen und die Regressionsanalyse
zum Einsatz, um die gefundenen Unterschiede näher zu beleuchten.
Für den Startle-Zeitverlauf (siehe 4.2.2) wurden zunächst für alle Startle
Zeitpunkte einzeln jeweils Potenzierungs- und Inhibitionsindices erzeugt. Alle
Zeitpunkte während sowie alle nach Bilddarbietung wurden jeweils gemittelt, und
anschließend wurden für Nicht-, Kurz-, und Langzeitmeditierende die währendnachher Differenzen gebildet. Diese Werte gingen in eine MANOVA ein.
•
Fragebogen-Daten
Für die Fragebogenscores des „FFA”, „PANAS”, „NEO-FFI” und „SEE” wurden
ANOVAS mit „Fragebogenscore“ als abhängige Variable und „Gruppe“ (3;
Nichtmeditierende, Kurzzeitmeditierende, Langzeitmeditierende) als festem Faktor,
sowie „Alter“ und „Geschlecht“ als Kovariaten gerechnet (Der „MTF“ wurde aus
theoretischen Erwägungen aus der Auswertung ausgeschlossen, da er für die
untersuchte Meditationstechnik wenig Differenzierungsvermögen besaß. Die
Mehrzahl der meditierenden Probanden gab an, sich in den Fragebogenitems nicht
wieder zu finden).
155
Methodisches Vorgehen
•
Nachinterview
Das Nachinterview wurde als halb-strukturiertes Interview geführt (Lamnek, 2005).
Die Antworten der Probanden wurden wörtlich mitgeschrieben und im Anschluss an
die Erhebung in Cluster überführt. Immer wenn eine inhaltlich neue Antwort auf
eine Frage in der sukzessiven Auswertung der Interviewbögen auftauchte, wurde
ein neuer Antwortcluster eröffnet, der durch die Antwort des Probanden damit
einen Punktwert von +1 erhielt. Auf alle Fragen des Interviews hin wurden aufgrund
der gegebenen, thematisch unterschiedlichen Antworten 83 Cluster eröffnet. Die
Auswertung erfolgte mithilfe der erfassten Punktwerte, die durch die Anzahl der
Gruppengröße dividiert den Anteil der Probanden je Gruppe ergab, der diese
Antwort auf die Frage hin gegeben hatte. Dieser Wert wurde dann abschließend in
einen Prozentwert überführt.
3.6
•
Stichprobenbeschreibung
N und Ausschlüsse
Getestet wurden insgesamt 53 Versuchsteilnehmer: 17 Kontrollprobanden und 36 Probanden mit Achtsamkeitspraxis. Von den Kontrollprobanden wurden vier nach dem
Versuch von der Auswertung ausgeschlossen: Ein Proband wies darauf hin, dass er
aufgrund seiner Homosexualität die Bilder wohl anders erlebt hätte, als beabsichtigt.
Ein weiterer gab im Nachinterview an, bezüglich der Bilder völlig abgestumpft zu sein,
da er als Chirurg in der Notaufnahme arbeite. Einer besaß Meditationspraxis und der
letzte konsumierte Drogen. Bei den Meditierenden mussten sechs Teilnehmer ausgeschlossen werden: Drei Probanden praktizierten keine Achtsamkeitsmeditation,
sondern eine andere Technik, was sich erst im Nachinterview herausstellte. Ein
Proband nahm Drogen, und zwei weitere waren ebenfalls homosexuell. Somit blieben
43 Versuchsteilnehmer für die Auswertung: 13 Probanden in der Kontrollgruppe, 30 mit
Meditationspraxis. Von diesen 30 wurden 22 der Gruppe der Kurzzeit-, und 8 der
Gruppe der Langzeitmeditierenden, da sie seit über 15 Jahren praktizierten.
Bei einem weiteren Probanden aus der Gruppe der Kurzzeitmeditierenden
gingen durch einen Speicherfehler die Daten der SAM-Ratings verloren, und ebenfalls
in der selben Gruppe war ein Verlust bei den Daten des Ratings zum Wohlbefinden zu
beklagen, so dass bei diesen beiden Maßen insgesamt 42 Probanden in die
Auswertung eingingen.
156
Methodisches Vorgehen
Tabelle 4: Häufigkeiten für Versuchsteilnehmer pro Gruppe
HÄUFIGKEITEN für Teilnehmer pro Gruppe
Häufigkeit
Gültig
Kumulierte
Prozente
Nichtmeditierende
13
30,2
30,2
Kurzzeitmeditierende
22
51,2
51,2
81,4
Langzeitmeditierende
8
18,6
18,6
100,0
43
100,0
100,0
Gesamt
•
Gültige
Prozente
Prozent
30,2
Geschlecht
Über alle Gruppen betrachtet nahmen etwas weniger Frauen als Männer teil (siehe
Tabelle 5).
Tabelle 5: Häufigkeiten für Geschlecht über alle Gruppen
HÄUFIGKEITEN für Geschlecht
Gültig
Häufigkeit
20
fem
Prozent
46,5
Gültige
Prozente
46,5
Kumulierte
Prozente
46,5
100,0
mask
23
53,5
53,5
Gesamt
43
100,0
100,0
Tabelle 6: Häufigkeiten für Geschlecht pro Gruppe
HÄUFIGKEITEN für Geschlecht pro Gruppe
Gruppe
Nichtmeditierende
Kurzzeitmeditierende
Langzeitmeditierende
fem
Häufigkeit
7
Prozent
53,8
Gültige
Prozente
53,8
Kumulative
Prozente
53,8
100,0
mask
6
46,2
46,2
Total
13
100,0
100,0
fem
10
45,5
45,5
45,5
mask
12
54,5
54,5
100,0
Total
22
100,0
100,0
fem
3
37,5
37,5
37,5
mask
5
62,5
62,5
100,0
Total
8
100,0
100,0
Dieser Trend ist in der Gruppe der Langzeitmeditierenden am stärksten (Tabelle 6).
•
Alter
Da das Lebensalter naturgemäß mit zunehmender Praxis ansteigen muss, war in der
Hinsicht keine andere Zusammensetzung der Gruppe der Langzeitmeditierenden
möglich, so dass sich hier ein signifikanter Unterschied der Gruppenmittelwerte ergab
(F(2)= 1675,818; p < ,001; siehe dazu Tabelle 7 und Tabelle 8).
157
Methodisches Vorgehen
Tabelle 7: Deskriptive Statistik für Alter
DESKRIPTIVE Statistik für Alter
Alter
N
Mittelwert
Standardab
weichung
Minimum
Maximum
Nichtmeditierende
13
37,15
9,133
23
63
Kurzzeitmeditierende
22
42,73
9,301
25
59
Langzeitmeditierende
8
58,00
7,232
44
65
43
43,88
11,430
23
65
Gesamt
Tabelle 8: ANOVA für Alter
ONEWAY ANOVA für Alter
Alter
Quadrats
umme
•
df
Mittel der
Quadrate
F
1675,818
Zwischen den Gruppen
265483,5
2
132741,76
Innerhalb der Gruppen
408486,7
5157
79,210
Gesamt
673970,2
5159
Signifikanz
,000
Praxisdauer
Die Praxisdauer ist heterogen abgestuft. Bis zu einer Praxisdauer von 12 Jahren ist
nahezu jedes Jahr in der Stichprobe enthalten. Bei 12 Jahren ereignet sich der erste
große Sprung von 5 Jahren Differenz auf 17 Jahre Praxiserfahrung. Daher wurde an
dieser Stelle der Cutoff für die beiden Gruppen „Kurzzeitmeditierende“ und
„Langzeitmeditierende“ gesetzt (Tabelle 9). Das Mittel der Praxisdauer differenziert
somit beide Gruppen deutlich, wie Tabelle 10 zeigt. Abbildung 31 zeigt die Praxisdauer
in Jahren und Stunden in Form von Boxplots: Deutlich zu erkennen ist der Ausreißer
bei 58240 Stunden, wobei es sich um den teilnehmenden Theravada-Mönch handelt.
Abbildung 31: Boxplots für Praxisdauer in Jahren und Stunden je Gruppe
158
Methodisches Vorgehen
Tabelle 9: Häufigkeiten für Praxisdauer in Jahren
HÄUFIGKEITEN für Praxisdauer
Praxisdauer in Jahren
Häufigkeit
Kurzzeitmeditierende
1
4,5
2,0
1
4,5
3,0
2
9,1
3,5
1
4,5
4,0
4
18,2
5,0
4
18,2
7,0
1
4,5
8,0
3
13,6
9,0
1
4,5
10,0
2
9,1
11,0
1
4,5
12,0
1
4,5
22
100,0
17,0
2
25,0
21,0
1
12,5
25,0
2
25,0
30,0
1
12,5
31,0
1
12,5
40,0
1
12,5
Gesamt
8
100,0
Gesamt
Langzeitmeditierende
In
Tabelle
10
finden
sich
weitere
Prozent
,5
deskriptive
Statistiken
für
die
Indices
„Achtsamkeitspraxis in Stunden“, „Achtsamkeitspraxis in Stunden + FFA-Score“,
„Prozentrang Achtsamkeitspraxis“ und FFA-Score getrennt für jede Gruppe.
Tabelle 10: Deskriptive Statistik für Indices der Achtsamkeitspraxis
Deskriptive Statistik für Indices der Achtsamkeitspraxis
Gruppe
Nichtmeditierende
Kurzzeitmeditierende
Langzeitmeditierende
N
Spannweite
Minimum
Maximum
Mittelwert
Standardab
weichung
Prozentrang
Achtsamkeitspraxis
13
24,0
2,0
26,0
15,4
8,5
FFAScore
13
13,0
32,0
45,0
39,8
4,3
Praxisdauer in Jahren
22
11,5
,5
12,0
6,0
3,1
Achtsamkeitspraxis in
Stunden
22
6563,0
133,0
6696,0
2646,7
1759,1
Achtsamkeitspraxis in
Stunden + FFAScore
22
6563,0
171,0
6734,0
2687,1
1757,6
Prozentrang
Achtsamkeitspraxis
22
51,0
33,0
84,0
57,1
15,2
FFAScore
22
35,0
21,0
56,0
40,5
6,5
Praxisdauer in Jahren
8
23,0
17,0
40,0
25,8
7,8
Achtsamkeitspraxis in
Stunden
8
52090,0
6150,0
58240,0
19435,0
16991,2
Achtsamkeitspraxis in
Stunden + FFAScore
8
52094,0
6198,0
58292,0
19481,3
16993,2
Prozentrang
Achtsamkeitspraxis
8
19,0
81,0
100,0
91,5
6,3
FFAScore
8
14,0
38,0
52,0
46,3
5,4
159
Methodisches Vorgehen
Diese Indices korrelieren bis auf den FFA-Score, der nur sehr wenig Trennschärfe für
die Gruppen zeigt (siehe Abbildung 32), untereinander hoch signifikant (Tabelle 11):
Tabelle 11: Korrelationen für Indices der Achtsamkeitspraxis
Korrelationen für Indices der Achtsamkeitspraxis
Gruppe
Spearman-Rho
Gruppe
Korrelationskoeffizient
Sig. (1-seitig)
N
Praxisdauer in Jahren
,926**
Sig. (1-seitig)
,000
,923**
Sig. (1-seitig)
,000
,910**
Sig. (1-seitig)
,000
43
Korrelationskoeffizient
,910**
Sig. (1-seitig)
,000
N
FFAScore
43
Korrelationskoeffizient
N
Prozentrang Achtsamkeitspraxis
43
Korrelationskoeffizient
N
Achtsamkeitspraxis in Stunden +
FFAScore
.
43
Korrelationskoeffizient
N
Achtsamkeitspraxis in Stunden
1,000
43
Korrelationskoeffizient
,312*
Sig. (1-seitig)
,021
N
43
**. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (einseitig).
*. Die Korrelation ist auf dem 0,05 Niveau signifikant (einseitig).
Abbildung 32: Boxplots für Prozentrang Achtsamkeitspraxis und FFA-Score je Gruppe
Ebenso ersichtlich in Abbildung 32 sind die Gruppenboxplots der den Probanden
zugewiesenen Prozentränge der Achtsamkeitspraxis (deren Basis wird in Abschnitt 3.1
beschrieben).
160
Methodisches Vorgehen
•
Dauer einer Meditationssitzung
Die Meditierenden investierten durchschnittlich 47 Minuten für jede Meditationssitzung.
Der Gruppenunterschied ist hier marginal (siehe Tabelle 12, Abbildung 33).
Tabelle 12: Deskriptive Statistik für Dauer einer Sitzung
DESKRIPTIVE Statistik für Dauer einer Sitzung
Dauer einer Meditationssitzung
N
Mittelwert
Standardab
weichung
Minimum
Maximum
Kurzzeitmeditierende
22
46,40
18,252
20
90
Langzeitmeditierende
8
48,50
25,511
30
120
30
47,00
20,608
20
120
Gesamt
Abbildung 33: Dauer einer Sitzung bei Kurz- und Langzeitmeditierenden
•
Frequenz der Meditationssitzungen
Deutlich zu sehen ist die mit zunehmender Praxisdauer steigende Frequenz der
Meditationssitzungen (Abbildung 34) bei allen Meditierenden war die letzte Sitzung vor
dem Versuch höchstens einen Tag her):
161
Methodisches Vorgehen
Abbildung 34: Frequenz der Sitzungen bei Kurz- und Langzeitmeditierenden
•
Retreaterfahrung
Je länger die Praxisdauer bei den Meditierenden wird, desto öfter haben sie auch an
so genannten „Retreats“ teilgenommen (siehe Abbildung 35). Retreats sind
Meditationsseminare, die sich oft in Abgeschiedenheit und Schweigen über mehrere
Tage intensiv, meist ganztags der Ausübung der Meditation widmen:
Abbildung 35: Anzahl der Retreats bei Kurz- und Langzeitmeditierenden
•
Meditationsobjekt
Die hier gefundenen Unterschiede (Abbildung 36) könnten mit dem Stufenweg der
Vipassana-Lehre erklärbar sein: Mit zunehmender Erfahrung ist der Rückgriff auf die
Körper- oder Atemachtsamkeit immer seltener nötig und ein völliges Gewahrsein aller
mentalen Ereignisse möglich, wie es das letztendliche Ziel der Vipassana-Praxis (siehe
dazu Brown & Englier, 1980; Gruber, 1999; Nyanaponika, 1969) vorsieht.
162
Methodisches Vorgehen
Abbildung 36: Meditationsobjekt bei Kurz- und Langzeitmeditierenden
•
Bedeutung der philosophischen Hintergründe der Praxis
Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied, indem sich die Langzeitmeditierenden mit
zunehmender Meditationserfahrung näher an die buddhistische Philosophie angebunden fühlen, sie ihnen zunehmend wichtiger wird (Abbildung 37):
Abbildung 37: Bedeutung buddhistischer Philosophie bei Kurz- und Langzeitmeditierenden
•
Motive für die Praxis
Im „Fragebogen zur Meditationserfahrung“ (Anhang A1.2) wurden verschiedene
Beweggründe für die Praxis angeboten, mit der Bitte, jeden einzelnen zu gewichten:
163
Methodisches Vorgehen
-
Körperliche Gesundheit: hierauf legen die Kurzzeitmeditierenden mehr Wert
(Abbildung 38):
Abbildung 38: Körperliche Gesundheit als Motiv für die Praxis
-
Stressbewältigung und Erholung: auch dies ist Kurzzeitmeditierenden wichtiger
(Abbildung 39):
Abbildung 39: Stressbewältigung und Erholung als Motiv für die Praxis
-
Innere Ruhe und Gelassenheit: dies hat in beiden Gruppen eine ähnliche
Bedeutung (Abbildung 40):
164
Methodisches Vorgehen
Abbildung 40: Innere Ruhe und Gelassenheit als Motiv für die Praxis
-
Zusammensein mit Gleichgesinnten: dies ist für Langzeitmeditierende von
größerer Wichtigkeit (Abbildung 41):
Abbildung 41: Zusammensein mit Gleichgesinnten als Motiv für die Praxis
-
Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung: dies bekommt in beiden
Gruppen einen annähernd gleichen Wert zugewiesen (Abbildung 42):
165
Methodisches Vorgehen
Abbildung 42: Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung als Motiv für die Praxis
-
Religiöse oder spirituelle Motive: die Langzeitmeditierenden legen hierauf ein
weitaus höheres Gewicht als Motivation für ihre Praxis (Abbildung 43), eine
Replikation der Ergebnisse von Shapiro (1992) und Shapiro et al. (2006).
Abbildung 43: Religiöse oder spirituelle Motive für die Praxis
-
Therapeutische Motive: Diese sind etwas weniger bedeutend bei den
Langzeitmeditierenden (Abbildung 44):
166
Methodisches Vorgehen
Abbildung 44: Therapeutische Motive für die Praxis
•
Bildung
Das Bildungsniveau unterscheidet sich nicht wesentlich zwischen den drei Gruppen
(Tabelle 13 und Tabelle 14):
Tabelle 13: Häufigkeiten für Berufsausbildung
HÄUFIGKEITEN für Berufsausbildung 0=Lehre 1=Fachschule
2=Fachoberschule 3=Hochschule 4=keine Berufsausbildung 5=noch in
Berufsausbildung
Häufigkeit
Nichtmeditierende
1
7,7
1
2
15,4
3
7
53,8
4
1
7,7
5
2
15,4
Gesamt
Kurzzeitmeditierende
13
100,0
0
2
10,0
1
1
5,0
3
15
75,0
4
1
5,0
2
1
5,0
Gesamt
Langzeitmeditierende
Prozent
0
20
100,0
0
2
25,0
3
5
62,5
2
1
12,5
Gesamt
8
100,0
167
Methodisches Vorgehen
Tabelle 14: Häufigkeiten für Schulabschluss
HÄUFIGKEITEN für Schulabschluss 0=kein Hauptschulabschluss
1=Hauptschulabschluss 2=mittlere Reife 3=Abitur
Nichtmeditierende
Kurzzeitmeditierende
2
Häufigkeit
1
3
12
92,3
Gesamt
13
100,0
3
18
90,0
0
2
10,0
20
100,0
3
6
75,0
1
2
25,0
Gesamt
8
100,0
Gesamt
Langzeitmeditierende
•
Prozent
7,7
Familienstand
Auch beim Familienstand finden sich keine nennenswerten Gruppenunterschiede
(siehe Tabelle 15):
Tabelle 15: Häufigkeiten für Familienstand
HÄUFIGKEITEN für Familienstand:
Gruppe
Nichtmeditierende
Kurzzeitmeditierende
Häufigkeit
8
Prozent
61,5
verheiratet
4
30,8
getrennt lebend
1
7,7
Gesamt
13
100,0
ledig
12
54,5
verheiratet
5
22,7
getrennt lebend
3
13,6
geschieden
2
9,1
22
100,0
ledig
5
62,5
verheiratet
2
25,0
geschieden
1
12,5
Gesamt
8
100,0
ledig
Gesamt
Langzeitmeditierende
168
Methodisches Vorgehen
•
Konfession
Bei den Langzeitmeditierenden ist der Anteil bekennender Buddhisten sichtlich erhöht
(Tabelle 16):
Tabelle 16: Häufigkeiten für Konfession
HÄUFIGKEITEN für Konfession: 0=katholisch 1=evangelisch
2=buddhistisch 3=hinduistisch 4=islamisch 5=sonstige 6=keine
Häufigkeit
Nichtmeditierende
3
23,1
1
4
30,8
6
6
46,2
13
100,0
Gesamt
Kurzzeitmeditierende
0
1
5,0
1
3
15,0
6
10
50,0
2
5
25,0
5
1
5,0
20
100,0
1
2
25,0
6
1
12,5
2
5
62,5
Gesamt
8
100,0
Gesamt
Langzeitmeditierende
•
Prozent
0
Sonstiges
Es wurde sichergestellt, dass keiner der Probanden von nicht korrigierter Seh- oder
Hörschwäche beeinträchtigt war. Alle eingeschlossenen Probanden waren Rechtshänder. Alle Probanden waren frei von den Versuch beeinflussenden Erkrankungen
und nahmen keine relevanten Medikamente ein. Probanden, die Tabak konsumierten,
taten dies mindestens 60 Minuten vor dem Start der physiologischen Messungen das
letzte Mal. Keiner der Probanden hatte am Vorabend mehr als ein Glas Alkohol zu sich
genommen. Der vor dem Versuch gegebene „Fragebogen zur Erfassung der
Ausgangslage“ (Anhang A1.7) förderte keine für den Versuch relevanten Informationen
zu Tage. Fast alle Probanden (99 %) antworteten auf die im Nachinterview (Anhang
A1.8) gestellte Frage, welche Hypothesen sie über die vermutete Fragestellung des
Versuchs generiert hätten, damit, dass sie eine Überprüfung der Kohärenz von
Physiologie und SAM-Rating als Versuchsziel annahmen. Das richtige Verhalten, um
ein „guter Proband“ zu sein, sahen ebenso viele in ehrlichem Antwortverhalten. Durch
diese gewissermaßen vermutete „Lügendetektorfunktion“ des experimentellen Designs
ist davon auszugehen, dass soziale Erwünschtheit oder sonstige Manipulationen im
Sinne der Fragestellung eine zu vernachlässigende Rolle spielten.
169
Ergebnisse
4.
Ergebnisse
Die Abfolge der Ergebnispräsentation entspricht der Reihenfolge der Hypothesen.
4.1
Subjektives Gefühlserleben
Als erstes werden hierzu die SAM-Ratings berichtet, anschließend folgen die
Ergebnisse des Nachinterviews.
Im Vorfeld der Auswertung wurde bei den SAM-Ratings eine Überprüfung auf
Normalverteilung und Varianzhomogenität durchgeführt, beides statistische Vorraussetzungen zur Anwendung der ANOVA mittels des „Allgemeinen Linearen Modells“.
Wie in Anhang C1 (Tabelle 29) einsehbar, wurde keiner der dazu gerechneten
Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstests signifikant, was auf annähernd normalverteilte
SAM-Werte schließen lässt. Auch eine ausreichende Varianzhomogenität zwischen
den untersuchten drei Gruppen konnte mit den durchgeführten Levene-Tests gezeigt
werden, die für alle SAM-Ratings ein p > ,20 erbrachten (Anhang C1, Tabelle 30).
4.1.1 SAM-Ratings
•
Intensität des während der Bilddarbietung erlebten Gefühls:
Zunächst werden die SAM-Intensitätsratings präsentiert, da sie die Grundlage
für die Überprüfung der Hypothese (1a) bilden:
Abbildung 45: SAM-Intensitätsratings nach Gruppen und Bildvalenzen
170
Ergebnisse
Tabelle 17: Deskriptive Statistiken für SAM-Intensitätsratings
DESKRIPTIVE Statistiken für SAM - Intensitätsratings
N
bei negativen Bildern
bei neutralen Bildern
bei positiven Bildern
Standardabweichung
1,01
Nichtmeditierende
13
Mittelwert
6,64
Kurzzeitmeditierende
21
5,81
1,56
Langzeitmeditierende
8
5,75
1,80
Gesamt
42
6,05
1,48
Nichtmeditierende
13
2,99
1,28
Kurzzeitmeditierende
21
3,37
1,54
Langzeitmeditierende
8
3,60
1,62
Gesamt
42
3,30
1,46
Nichtmeditierende
13
5,70
1,23
Kurzzeitmeditierende
21
5,27
1,51
Langzeitmeditierende
8
5,26
1,54
42
5,40
1,41
Gesamt
Durchgeführte uni- und multivariate ANOVAs (siehe Anhang C1.1, Tabelle 32 bzw.
Tabelle 33) ergaben keine signifikanten Gruppenunterschiede für die SAMIntensitätsratings bei den negativen (F(2) = 2,496; p = ,096), neutralen (F(2) = ,166; p =
,848) oder positiven Bildvalenzen (F(2) = 1,384; p = ,263). Alter und Geschlecht der
Probanden hatten ebenfalls keinen signifikanten Effekt. Korrelationsberechnungen
mittels Spearman-Rho (einige der korrelierten Variablen wie z.B. die Achtsamkeitspraxis in Stunden waren nicht normalverteilt) führten sogar zu einer signifikant
negativen Korrelation (r = -,296; p = ,029) zwischen den SAM-Intensitätsratings bei
negativ valenten Bildern und der Achtsamkeitspraxis in Stunden (Anhang C1.1, Tabelle
34). Die übrigen Bildvalenzen wurden hier nicht signifikant. Berechnungen linearer
Regression mittels der Prozentränge der Achtsamkeitspraxis (die hier eingesetzt
wurden, da die Achtsamkeitspraxis in Stunden nicht normalverteilt war, siehe Anhang
C1.1, Tabelle 31) wurden bei keiner der Bildvalenzen signifikant und werden daher hier
nicht weiter berichtet.
Dem Augenschein nach (siehe Abbildung 45) sinken die Intensitätsratings bei
emotionalen Bildern, konträr der Hypothese 1a, mit zunehmender Achtsamkeitspraxis
etwas ab, und steigen bei neutralen Bildern etwas an. Zur genaueren Exploration
eignen sich in diesem Zusammenhang die dazu erstellten Boxplots in Abbildung 46.
Sie zeigen jeweils den Median (schwarzer Querbalken), die Ausreißer (Werte, die
zwischen 1,5 und 3 Boxenlängen von einem der beiden Enden der Box entfernt sind,
hier dargstellt als Kreise) und Extremwerte (Werte, die mehr als 3 Boxenlängen von
einem der beiden Enden der Box entfernt sind, hier dargestellt als Sterne), sowie
mittels der Längsbalken das obere und untere Quartil.
171
Ergebnisse
Abbildung 46: Boxplots für SAM-Intensitätsratings nach Gruppen und Bildvalenzen
Für die Langzeitmeditierenden findet sich ein Ausreißer in Richtung extrem geringe
SAM-Ratings bei den negativen Bildern und ein Extremwert in dieselbe Richtung bei
den positiven Bildern. Dies könnte die Mittelwerte zwar ungünstig verzerrt haben, in
Anbetracht der Mediane, die einen den Mittelwerten ähnlichen Verlauf von Gruppe 0 zu
2 darstellen, scheint dies aber nicht übermäßig ins Gewicht zu fallen.
Auf dieser Datenbasis muss die Hypothese 1a zurückgewiesen werden. Länger
meditierende Probanden stuften nicht wie erwartet ihre während des Experiments
erlebten Gefühle auf emotionale Stimuli als intensiver ein.
172
Ergebnisse
•
Valenz des während der Bilddarbietung erlebten Gefühls:
Obwohl hierzu keine expliziten Hypothesen formuliert wurden, werden die
erhobenen Valenzratings ebenso berichtet.
Abbildung 47: SAM-Valenzratings nach Gruppen und Bildvalenzen
Tabelle 18: Deskriptive Statistiken für SAM-Valenzratings
DESKRIPTIVE Statistiken für SAM - Valenzratings
N
bei negativen Bildern
Nichtmeditierende
13
Kurzzeitmeditierende
21
3,26
,76
Langzeitmeditierende
bei neutralen Bildern
bei positiven Bildern
Standardab
weichung
,50
Mittelwert
2,66
8
3,49
,81
Gesamt
42
3,12
,75
Nichtmeditierende
13
5,13
,38
Kurzzeitmeditierende
21
5,34
,42
Langzeitmeditierende
8
5,41
,24
Gesamt
42
5,29
,38
Nichtmeditierende
13
6,60
,52
Kurzzeitmeditierende
21
6,44
,71
Langzeitmeditierende
8
6,19
,78
42
6,44
,67
Gesamt
Die hier gerechnete multivariate ANOVA (siehe Anhang C1.2, Tabelle 35) zeigte einen
signifikanten Alterseffekt (F(3) = 4,076; p = ,014) in allen vier Prüfmaßen. Das
Geschlecht wurde nicht signifikant. Für Gruppe ergab sich lediglich mit dem Test
173
Ergebnisse
„Größte charakteristische Wurzel nach Roy“ ein signifikanter Effekt (F(3) = 3,141; p =
,037). Da dieser Test die geringste Teststärke aller von SPSS gerechneten multivariaten Prüfmaße aufweist, wurde zur Kontrolle eine univariate ANOVA durchgeführt
(siehe Anhang C1.2, Tabelle 36). Hier konkretisierte sich der Alterseffekt auf die
neutralen Bilder (F(1) = 12,482; p = ,001). Das Geschlecht war auch hier nicht signifikant. Für Gruppe fand sich ein signifikanter Effekt bei den negativen Bildern (F(2) =
3,936; p = ,028). Dieser konnte durch anschließend durchgeführte Post-Hoc-Tests mit
Bonferroni-Korrektur (siehe Anhang C1.2, Tabelle 37) auf einen signifikanten Unterschied zwischen Nicht- und Langzeitmeditierenden heruntergebrochen werden (p =
,035). Korrelationen nach Spearman-Rho (siehe Anhang C1.2, Tabelle 38) fanden für
Alter eine signifikante Korrelation mit der Höhe der SAM-Valenzratings bei neutralen
Bildern (r = ,507; p < ,001). Die Achtsamkeitspraxis in Stunden korrelierte signifikant
positiv mit den SAM-Valenzbewertungen für negative Bilder (r = ,400; p = ,004) und
signifikant negativ mit den SAM-Valenzbewertungen für positive Bilder (r = -,277; p =
,038). Berechnungen linearer Regression mittels der Prozentränge der Achtsamkeitspraxis wurden bei keiner der Bildvalenzen signifikant und werden daher nicht berichtet.
Abbildung 48: Boxplots für SAM-Valenzratings nach Gruppen und Bildvalenzen
An den Boxplots der SAM-Valenzratings in Abbildung 48 lassen sich die gefundenen
Ergebnisse gut erkennen: bei negativen Bildern bewerten die Probanden mit zunehmender Meditationspraxis ihre ausgelösten Gefühle als immer weniger unangenehm,
hier wurde sowohl ANOVA als auch Korrelationsrechnung signifikant. Bei den
174
Ergebnisse
neutralen Bildern findet sich interessanterweise ein Alterseffekt in dem Sinne, dass mit
zunehmendem Alter die Gefühle auf neutrale Bilder hin als immer angenehmer
bewertet werden. Bei positiven Bildern wurde nur die Korrelationsrechnung signifikant,
und deutet auf eine mit zunehmender Meditationspraxis abnehmende SAM-Valenzbewertung hin.
Insgesamt erscheint das Bewertungsverhalten bei den SAM-Valenzratings
homogener als bei den SAM-Intensitätsratings, wie die jeweiligen Boxplots deutlich
machen.
4.1.2 Nachinterview
Der Wortlaut des Interviews ist in Anhang A1.8 einzusehen. Ein Ziel des Interviews war
es, zu explorieren, ob die Meditierenden selbst im Laufe der Praxis eine Veränderung
ihres Gefühlserlebens feststellten, und falls ja, von welcher Art. Die Antworten auf die
Frage „Hat sich Ihr Emotionserleben im Laufe Ihrer Meditationspraxis verändert?“
wurden im Anschluss an das Interview einer der folgenden Kategorien zugeordnet: „-2
= Intensität hat stark abgenommen“; „-1 = Intensität hat etwas abgenommen“; „0 =
Intensität hat sich nicht verändert“; „1 = Intensität hat zugenommen“; „2 = Intensität hat
stark zugenommen“. Keiner der Interviewten fiel in die Kategorien „-2“ bzw. „-1“. Es
ergab sich folgendes Bild:
Abbildung 49: Wandel der erlebten Gefühlsintensität durch die Meditationspraxis
175
Ergebnisse
Die durchgeführten Testverfahren Chi-Quadrat (Chi = 1,023; p = ,282) und
Mann-Whitney (Z = -,994; p = ,420) zur Überprüfung der gefundenen Gruppenverteilungen wurden beide nicht signifikant. Vermutlich ist der Grund hierfür in der
geringen Gruppengröße (n = 8) bei den Langzeitmeditierenden zu suchen. (Siehe
Anhang C1.3, Tabelle 39 und Tabelle 40). Hypothese 1b prognostiziert, dass von
Gruppe 1 (Kurzzeitmeditierende) zu Gruppe 2 (Langzeitmeditierende) prozentual mehr
Probanden Aussagen machen, die auf eine Intensivierung des Gefühlserlebens
schließen lassen, als Aussagen, die auf eine Verringerung des Gefühlslebens
schließen lassen. Da sich in keiner Gruppe Probanden fanden, die eine Verringerung
der Intensität angaben, wie in Abbildung 49 und Tabelle 19 zu sehen ist, und der Anteil
der von einer starken Zunahme berichtete, von Gruppe 1 nach 2 anstieg, konnte die
Hypothese tendenziell bestätigt werden.
Tabelle 19: Durch die Meditationspraxis bedingter Wandel der Gefühlsintensität
Die Gefühlsintensität hat sich durch die Praxis...
Gruppe
Kurzzeitmeditierende
Langzeitmeditierende
4.2
Gültig
Gültig
etwas erhöht
Häufigkeit
10
Prozent
45,5
stark erhöht
12
54,5
Gesamt
22
100,0
etwas erhöht
2
25,0
stark erhöht
6
75,0
Gesamt
8
100,0
Zeitverlauf der emotionalen Reaktion
Erhoben wurde der Zeitverlauf der peripherphysiologischen Emotionskomponente, hier
mittels der EDA, sowie der motivationalen Komponente durch die Erfassung der
Startle-Response an mehreren Zeitpunkten nach Bilddarbietung.
4.2.1 EDA-Zeitverläufe
Bei der EDA wurden die allgemein gebräuchlichen Indices „Latenz“, „Anstiegszeit“ und
„Halbwertszeit“ zur Beschreibung des Zeitverlaufes herangezogen. Tabelle 20 zeigt die
entsprechenden Mittelwerte je Gruppe und Bildvalenz. Gut sichtbar sind die jeweils von
Gruppe 0 nach Gruppe 2 hin abfallenden Mittelwerte (siehe Abbildung 50, Abbildung
51 und Abbildung 52). Auch hier wurde die Normalverteilung der Daten und
Varianzhomogenität zwischen den Gruppen sichergestellt (siehe Anhang C2, Tabelle
41 und Tabelle 42). Multivariate ANOVAs förderten einen signifikanten Effekt für
Gruppe, Geschlecht und Bildvalenz zu Tage (siehe Anhang C2, Tabelle 43). Berichtet
176
Ergebnisse
werden hier die ebenfalls durchgeführten univariaten ANOVAs, da diese genauer
zwischen den Bedingungen unterschieden (siehe Anhang C2, Tabelle 44): Für Gruppe
ergaben sich signifikante Effekte bei der EDA-Latenz (F = 7,195; df = 2; p = ,001), der
EDA-Anstiegszeit (F = 8,316; df = 2; p < ,000) und bei der EDA-Halbwertszeit (F =
5,918; df = 2; p = ,004). Bei den anschließend gerechneten Post-Hoc-Test mit
Bonferroni-Korrektur (siehe Anhang C2, Tabelle 45) fand sich über alle Bildvalenzen
betrachtet bei der EDA-Latenz nur ein signifikanter Gruppenunterschied zwischen den
Nichtmeditierenden und den Langzeitmeditierenden (p = ,004), der Unterschied
zwischen Nicht- und Kurzzeitmeditierenden wurde knapp nicht mehr signifikant (p =
,058), zwischen Kurz- und Langzeitmeditierenden ebenfalls nicht (p = ,372). Bei der
EDA-Anstiegszeit wurde der Gruppenvergleich zwischen Nicht- und Kurz- sowie
Langzeitmeditierenden signifikant (p = ,020) bzw. (p = 0,01). Kurz- und Langzeitmeditierende wurden wiederum nicht signifikant (p = ,336). Die EDA-Halbwertszeit
zeigt ein ähnliches Bild, wobei hier die Unterschiede zwischen den Nicht- und Kurzzeitsowie Langzeitmeditierenden signifikant wurden (p = ,025) bzw. (p = 0,04). Zwischen
den Kurzzeit- und Langzeitmeditierenden reichten die gefundenen Gruppenunterschiede wiederum nicht für ein signifikantes Ergebnis aus (p = ,617). Dies mag vor
allem an der großen Streuung der Werte und an der geringen Gruppengröße der
Langzeitmeditierenden (n = 8) liegen.
Den in Tabelle 20 ersichtlichen Trend der von Gruppe 0 zu Gruppe 2 hin abnehmenden Mittelwerte bestätigten die durchgeführten Spearman-Roh Korrelationen: Die
Achtsamkeitspraxis in Stunden korrelierte auch ohne künstliche Gruppenaufteilung
signifikant negativ mit der Latenz (r = -,244; p = ,003), mit der Anstiegszeit (r = -,235; p
= ,004) und mit der Halbwertszeit (r = -,231; p = ,004). Bemerkenswert ist hier noch die
signifikant positive Korrelation des Geschlechts mit allen EDA-Zeitparametern (Latenz:
r = -,270; p = ,001; Anstiegszeit: r = -,220; p = ,006; Halbwertszeit: r = -,279; p = ,001).
Männer zeigten hier also eine höhere Latenz, Anstiegszeit und Halbwertszeit in der
EDA als Frauen. Da der prozentuale Anteil an Männern von Gruppe 0 zu Gruppe 2 hin
ansteigt (siehe Abschnitt 3.6.2), die Werte der EDA-Zeitverläufe jedoch in die selbe
Richtung hin abnehmen, stärkt dieser Befund zusätzlich das Argument für den Einfluss
der Meditationspraxis auf die gefundenen Gruppenunterschiede. Abschließend gerechnete Regressionsanalysen bestätigten dieses Bild: Der Prozentrang der Achtsamkeitspraxis bot jeweils für die Latenz (ȕ = -,297; t = -3,502; R2 = 0,88; p = ,001; siehe
Tabelle 47), die Anstiegszeit (ȕ = -,306; t = -3,628; R2 = ,094; p < ,001; siehe Tabelle
48) und die Halbwertszeit (ȕ = -,296; t = -3,486; R2 = ,087; p = ,001; siehe Tabelle 49)
ein signifikantes Modell zur Vorhersage der jeweiligen EDA-Werte.
177
Ergebnisse
Hypothese 2a konnte somit bestätigt werden. Mit zunehmender Achtsamkeitspraxis verringert sich fortschreitend sowohl die EDA-Latenz, die EDA-Anstiegszeit
als auch die EDA-Halbwertszeit.
Tabelle 20: Deskriptive Statistiken für EDA-Zeitverlauf
DESKRIPTIVE Statistiken für EDA - Zeitverlauf
Latenz
Nichtmeditierende
,7736
,53907
13
Kurzzeitmeditierende
,6830
,48254
22
Langzeitmeditierende
,4023
,30759
8
Nichtmeditierende
,6397
,50651
13
Kurzzeitmeditierende
,3854
,32224
22
Langzeitmeditierende
,2506
,32839
8
Nichtmeditierende
,9209
,50244
13
Kurzzeitmeditierende
,6259
,43023
22
Langzeitmeditierende
,5472
,40461
8
Nichtmeditierende
,7387
,62345
13
Kurzzeitmeditierende
,5811
,44708
22
Langzeitmeditierende
,3287
,26235
8
Nichtmeditierende
,5507
,46875
13
Kurzzeitmeditierende
,3065
,26592
22
Langzeitmeditierende
,1715
,21662
8
Nichtmeditierende
,8672
,50047
13
Kurzzeitmeditierende
,5572
,38774
22
Langzeitmeditierende
,4586
,32477
8
Nichtmeditierende
,4028
,36004
13
Kurzzeitmeditierende
,2979
,34659
22
Langzeitmeditierende
,1682
,18400
8
Nichtmeditierende
,2893
,25992
13
Kurzzeitmeditierende
,1535
,17627
22
Langzeitmeditierende
,0867
,13671
8
Nichtmeditierende
,4258
,33384
13
Kurzzeitmeditierende
,2208
,27517
22
Langzeitmeditierende
,1675
,19008
8
negativ
positiv
negativ
neutral
positiv
Halbwertszeit
Standardab
weichung
Gruppe
neutral
Anstiegszeit
Mittelwert
Bildvalenz
negativ
neutral
positiv
N
178
Ergebnisse
•
Latenz bis zum Einsetzen der ersten EDRs („electrodermal response“) nach
Bildbeginn:
Abbildung 50: Latenz der initialen EDRs nach Bildbeginn je Bildvalenz und Gruppe
•
Anstiegszeit der ersten EDRs bis zum Maximum:
Abbildung 51: Anstiegszeit der initialen EDRs bis zum Maximum je Bildvalenz und
Gruppe
179
Ergebnisse
•
Halbwertszeit der ersten EDRs:
Abbildung 52: Halbwertszeit der initialen EDRs je Bildvalenz und Gruppe
4.2.2 Zeitverlauf der Startle-Response
Um durch die Betrachtung der einzelnen Startle-Zeitpunkte ein Verlaufskriterium zu
erhalten, wurden in den meisten derartigen Studien die gemittelten Potenzierungs- und
Inhibitionswerte bei den Startle-Zeitpunkten während der Bilddarbietung mit denjenigen
bei den Startle-Zeitpunkten nach Bilddarbietung in Beziehung gesetzt und die untersuchten Gruppen darüber verglichen (z.B. Jackson et al., 2003; Larson & Davidson,
2001). Hier wird ebenso verfahren, wobei die Ergebnisse zusätzlich auch noch über die
einzelnen Startle-Zeitpunkte deskriptiv aufgeschlüsselt werden. Aufgrund der Vielzahl
der Startle-Zeitpunkte und der in 2.5.1 dargestellten multiplen Einflüsse auf die jeweiligen Netto-Startle-Responses, war es problematisch, eine einzige, umfassende
Auswertestrategie zu entwerfen. Das von Gruppe 0 zu Gruppe 2 hin abnehmende
Baseline-Startle-Niveau (siehe dazu 4.3.2) verkomplizierte die Auswertung zusätzlich,
ebenso wie die fehlende Startle-Modulation bei der Gruppe der Langzeitmeditierenden
(ebenfalls besprochen in Abschnitt 4.3.2), die einen statistischen Vergleich des Zeitverlaufes der Startle-Modulation über alle drei Gruppen erschwerte.
Der Zeitverlauf der Startle-Response ist in Abbildung 53, aufgeteilt nach
Bildvalenz und Gruppe, gut zu erkennen. Über alle Valenzen gemittelt zeigt sich
deutlich ein Maximum der Response zum Startle-Zeitpunkt 6,5 s, welches durch die
dort gipfelnde Startle-Potenzierung bei negativen Bildern bedingt ist (nicht bei den
180
Ergebnisse
Langzeitmeditierenden). Die Nicht- und Kurzzeitmeditierenden haben zum Zeitpunkt
8,5 s dieses Niveau jeweils wieder abgebaut, bei den Langzeitmeditierenden lässt sich
aufgrund der unerkennbaren Potenzierung schwer von einem Zeitverlauf sprechen.
Zum letzten Startle-Zeitpunkt hin steigt (vor allem nach dem Betrachten negativer
Bilder) die Startle-Response bei den Nicht- und Kurzzeitmeditierenden abermals leicht
an (evtl. aufgrund von Erwartungsangst oder abnehmender Aufmerksamkeit; siehe
Kapitel 2.5.1 und 5.2). Die Nicht- und Kurzzeitmeditierenden zeigen bei den positiven
Bildern eine Startle-Inhibition bei den Zeitpunkten 1,5 s und 4,5 s, die sich bei beiden
Gruppen bis zum Zeitpunkt 6,5 s wieder zurückgebildet hat. Bei den Langzeitmeditierenden ist hier wiederum keine Differenzierung möglich (zur Darstellung der
Startle-Modulation siehe auch Abbildung 62 in Kapitel 4.3.2).
Abbildung 53: Zeitverlauf der Startle-Response je Valenz und Gruppe
181
Ergebnisse
In Abbildung 54 wurde zusätzlich die Response zu Zeitpunkten während der
Bilddarbietung getrennt von derjenigen zu Zeitpunkten nach Bilddarbietung abgetragen
(siehe auch Tabelle 21): Hier ist festzustellen, dass die vorher-nachher Differenzen von
Gruppe 0 zu 2 hin abnehmen. Dies kann jedoch keinesfalls als Indiz für Erholungsfähigkeit oder Emotionsregulation betrachtet werden, da, wie in Abbildung 53 ersichtlich, diese größere Differenz auf einen je größeren Ausgangswert zu beziehen ist. Es
ist also eher das Gegenteil der Fall: Die Nichtmeditierenden bauen quantitativ mehr ab,
da sie wesentlich mehr aufgebaut hatten. Dieses Maß soll also hier nicht als
Zeitverlaufs-Index herangezogen werden (die Gruppenunterschiede erreichen hier
keine Signifikanz, siehe Anhang C2.2, Tabelle 50, Tabelle 51 und Tabelle 52).
Tabelle 21: Deskriptive Statistiken für Differenz der Startle-Response während - nach
Bilddarbietung
Deskriptive Statistiken für Differenz der Startle-Response während - nach
Bilddarbietung
bei negativen Bildern
Mittelwert
5,5230
Standardab
weichung
9,42355
Kurzzeitmeditierende
2,2919
9,37831
Langzeitmeditierende
-1,0551
9,04648
8
2,6460
9,39283
43
10,2105
19,04924
13
Kurzzeitmeditierende
6,0396
12,65056
22
Langzeitmeditierende
-1,5903
7,41783
8
5,8811
14,46771
43
Gruppe
Nichtmeditierende
Gesamt
bei positiven Bildern
Nichtmeditierende
Gesamt
N
13
22
Abbildung 54: Differenz Startle-Response während - nach Bilddarbietung bei negativen
und positiven Bildern je Gruppe
182
Ergebnisse
Wie oben einführend erwähnt, findet in der einschlägigen Literatur eine
Untersuchung der Zeitverläufe meist über einen während-nachher Vergleich bei den
Startle-Modulations-Indices statt, die über alle Zeitpunkte während bzw. nach Bilddarbietung gemittelt werden. Der Index für die Potenzierung wird erstellt mittels der
Differenz der Response bei negativen Bildern minus der Response bei neutralen
Bildern. Analog wird der Inhibitions-Index errechnet über die Differenz der Response
bei neutralen Bildern minus der Response bei positiven. Tabelle 22 ermöglicht den
Vergleich der Gruppen bezüglich der Differenz dieser Modulationsindices:
Tabelle 22: Deskriptive Statistiken für Differenz während - nach Bilddarbietung bei der
Startle-Potenzierung und -Inhibition je Gruppe
Deskriptive Statistiken für Differenz während - nachher bei Startle-Potenzierung
und -Inhibition
Mittelwert
Standardab
weichung
Nichtmeditierende
,1895
11,84679
13
Kurzzeitmeditierende
,9004
10,94720
22
Langzeitmeditierende
-2,5924
9,16679
8
,0357
10,75821
43
Gruppe
Differenz
Potenzierung
Gesamt
Differenz
Inhibition
Nichtmeditierende
N
15,5440
17,85766
13
Kurzzeitmeditierende
7,4311
12,24720
22
Langzeitmeditierende
-,0530
6,56630
8
Gesamt
8,4914
14,25435
43
Für die Potenzierung werden diese Unterschiede in Abbildung 55 (für die deskriptiven
Statistiken je Zeitpunkt siehe Anhang C2.2, Tabelle 54) graphisch dargestellt, und zusätzlich über alle Startle-Zeitpunkte aufgelöst, wobei deutlich wird, dass die Potenzierung vor allem an den Zeitpunkten 6,5 s und 7,5 s zum Tragen kommt:
Abbildung 55: Potenzierung zu einzelnen Zeitpunkten und Differenz während - nach
Bilddarbietung je Gruppe
183
Ergebnisse
Die Langzeitmeditierenden bieten auch hier aufgrund ihrer mangelnden Modulation
(Abbildung 62) und des geringen Baseline-Startle-Niveaus (Abbildung 53) uninterpretierbare Daten, da bei ihnen geringste Veränderungen der Startle-Response (bei
welchen es sich aller Voraussicht nach um Messartefakte handelt) in Bezug auf den
Ausgangswert bereits eine scheinbar prozentual hohe Variabilität erzeugen. Tabelle 23
zeigt demgemäß auch die wesentlich geringere Varianz der Messwerte über alle
Startle-Zeitpunkte in der Gruppe der Langzeitmeditierenden.
Tabelle 23: Deskriptive Statistiken für Startle-Response über alle Zeitpunkte je Valenz
und Gruppe
Deskriptive Statistik für Startle-Response über alle Zeitpunkte je Valenz und Gruppe
Nx7
Zeitpunkte
Spannweite
Minimum
Maximum
Summe
Mittelwert
Standardabw.
Varianz
negative Bilder
91
107,47
15,41
122,87
5175,68
56,8756
28,59222
817,515
neutrale Bilder
91
130,44
15,70
146,14
4953,16
54,4303
29,11044
847,418
positive Bilder
91
141,06
12,32
153,38
4917,39
54,0373
32,63303
1064,9
negative Bilder
154
89,23
10,32
99,55
5228,81
33,9533
17,13739
293,690
neutrale Bilder
154
75,05
10,22
85,27
5090,02
33,0521
16,52093
272,941
positive Bilder
154
105,48
9,04
114,52
5305,77
34,4531
18,17234
330,234
negative Bilder
56
45,32
4,64
49,96
1190,30
21,2553
11,12367
123,736
neutrale Bilder
56
37,68
4,93
42,60
1110,18
19,8246
9,00233
81,042
positive Bilder
56
51,71
4,74
56,45
1205,09
21,5195
11,60769
134,738
Gruppe
Nichtmeditierende
Kurzzeitmeditierende
Langzeitmeditierende
Die Gruppenunterschiede zur Inhibition sind in Abbildung 56 zu finden, ebenfalls
gerechnet als vorher-nachher Differenzen und aufgelöst über alle Startle-Zeitpunkte:
bei den Langzeitmeditierenden fehlt die Inhibition gänzlich, bei den restlichen Gruppen
tritt sie nur während der Bilddarbietung auf (für die deskriptiven Statistiken je Zeitpunkt
siehe Anhang C2.2, Tabelle 54):
Abbildung 56: Inhibierung zu einzelnen Zeitpunkten und Differenz während - nach
Bilddarbietung je Gruppe
184
Ergebnisse
Es zeigt sich beim Potenzierungsmaß ein deutlicher Unterschied zwischen den Nichtund Kurzzeitmeditierenden: letztere bauen trotz initial geringerem Response-Niveau
einen größeren Teil (11,51 %) davon bis zum letzten Startle-Zeitpunkt hin ab, als die
Nichtmeditierenden (2,42 %; siehe Abbildung 55). Abbildung 56 belegt die Abwesenheit von Startle-Inhibition nach Bilddarbietung, was eine Zeitverlaufsrechnung wenig
interpretierbar erscheinen lässt. Es lässt sich hier lediglich die im Vergleich zu den
Nichtmeditierenden (42,96 %) wesentlich geringere Inhibition während der Bilddarbietung bei den Kurzzeitmeditierenden (15,3 %) ablesen.
Nachdem ausreichende Homogenität der Fehlervarianzen und Normalverteilung abgeklärt worden war (siehe Anhang C2.2, Tabelle 53) wurde eine MANOVA
gerechnet, die ergab, dass sowohl die Unterschiede in der Potenzierungsdifferenz als
auch in der Inhibitionsdifferenz zwischen den Gruppen statistisch nicht signifikant
waren (Anhang C2.2, Tabelle 55 und Tabelle 56). Eine Ursache hierfür ist sicher, dass
die uninterpretierbaren Daten der Langzeitmeditierenden in die Rechnung jeweils mit
eingingen. Bei der Inhibition kommt noch der Umstand dazu, dass diese bei allen
Gruppen nach Bildende nicht mehr auftritt, die Gruppen also diesbezüglich nicht zu
vergleichen sind, und die errechneten Differenzen aufgrund dieser „negativ“-Inhibition
nach Bildende künstlich verzerrt wurden (siehe Abbildung 56). Zu bedenken ist auch,
dass das Ausmaß der Differenz hierbei nicht ins Verhältnis gesetzt werden konnte zur
Höhe des Ausgangswertes (des Wertes, von dem aus die Reaktion absinkt). Da
jedoch, wenn das Ausgangsniveau bereits sehr niedrig ist, ein Abfall gezwungenermaßen nicht mehr so üppig ausfallen wird (siehe Jennings, 2003, S. 45), ist aufgrund
der hier vorgefundenen unterschiedlichen initialen Reaktionen die Aussagekraft des
Vergleichs
der
Differenzen
ebenfalls
nicht
überzustrapazieren.
Unter
diesen
Umständen wurden hierzu auch keine weiteren Korrelationen oder Regressionsrechnungen durchgeführt, da davon auszugehen ist, dass aufgrund der fehlenden
Modulation bei den Langezeitmeditierenden der abnehmende Trend von Gruppe 0 zu 1
nicht über alle drei Gruppen statistisch erfassbar ist, da die Langzeitmeditierenden,
aufgrund des geringen Response-Niveaus und der Artefakte, auf deskriptiver Ebene
teilweise Daten zeigen, die dem Trend von Gruppe 0 nach 1 gegenläufig sind.
Bei der Exploration der einzelnen Startle-Zeitpunkte ist erwähnenswert, dass
die Kurzzeitmeditierenden sowohl bei der Potenzierung als auch bei der Inhibition
jeweils einen Startle-Zeitpunkt später als die Nichtmeditierenden ihren (wesentlich
geringeren) Reaktionspeak erreichen. Dieses Reaktionsmaximum haben beide
Gruppen jedoch im darauf folgenden Zeitpunkt bereits wieder komplett abgebaut (siehe
Abbildung 55 und Abbildung 56).
185
Ergebnisse
Damit kann Hypothese 2b nicht bestätigt werden: Mit zunehmender Achtsamkeitspraxis setzt weder Potenzierung noch Inhibition schneller ein, erreicht nicht
schneller den Höhepunkt und fällt auch nicht schneller wieder ab.
4.3
Reaktionsintensität
Berichtet wird hier die Intensität der emotionalen Reaktion in der neurophysiologischen
Komponente, abgebildet über die EDA, sowie die Reaktionsintensität der motivationalen Komponente, die mittels Startle-Paradigma erhoben wurde.
4.3.1 Reaktionsintensität der neurophysiologischen Komponente
Die Stärke der EDA als Index zur Bestimmung der Intensität der neurophysiologischen
Komponente wurde hier in „Summe aller EDRs (jeweils pro Trial)“ und „Maximum aller
EDRs (jeweils pro Trial)“ differenziert. Wie Tabelle 57 und Tabelle 58 (jeweils Anhang
C3.1) zeigen, finden sich auch bei diesen beiden Maßen ausreichend normalverteilte
Werte, sowie Varianzhomogenität zwischen den drei Gruppen. Lediglich beim
„Maximum der EDRs“ bei negativen und normalen Bildvalenzen weichen die erhaltenen Werte signifikant von einer Normalverteilung ab. In Tabelle 24 erkennt man auch
hier wieder die von Gruppe 0 zu Gruppe 2 hin abfallende Mittelwerte bei EDA-Summe
und EDA-Maximum. Abbildung 57 und Abbildung 58 zeigen allerdings deutlich, dass im
Fall des EDA-Maximums bei negativen Bildern eine Ausnahme anzutreffen ist: Hier
gab es also auch bei den Kurzzeitmeditierenden Probanden, die mit einer großen
Reaktion auf die Bilddarbietung antworteten, jedoch anschließend im weiteren Verlauf
der entsprechenden Trials weniger (oder weniger starke) EDRs zeigten, wie Abbildung
57 nahe legt.
Außer dem Faktor Gruppe (F(4) = 3,452; p = ,009) wurde in den multivariaten
ANOVAs (berichtet wird hier das stärkste Prüfmaß „Pillai-Spur“) keine Kovariate
signifikant (siehe Anhang C3.1, Tabelle 60). Lediglich mit dem schwächsten Prüfmaß
„größte charakteristische Wurzel nach Roy“ konnte ein signifikanter Einfluss der
Bildvalenz erhalten werden (F(2) = 3,607; p = ,030). Die univariaten ANOVAs (siehe
Anhang C3.1, Tabelle 59) zeigten, dass der Faktor Gruppe sowohl im Hinblick auf
EDA-Summe (F(2) = 5,258; p = ,006) als auch EDA-Maximum (F(2) = 3,996; p = ,021)
signifikant wurde. Durchgeführte Post-Hoc-Tests mit Bonferroni-Korrektur (siehe
Anhang C3.1, Tabelle 61) ergaben, dass dort jeweils nur die Unterschiede zwischen
den Nicht- und Langzeitmeditierenden signifikant wurden (EDA-Summe: p = ,030;
EDA-Maximum: p = ,024), was wohl auch hier an der geringen Gruppenstärke (n = 8)
der Langzeitmeditierenden liegt. Unabhängig von der künstlichen Gruppenaufteilung
186
Ergebnisse
bestätigten auch hier die Spearman-Rho Korrelationen den von Gruppe 0 zu Gruppe 2
abnehmenden Trend (siehe Anhang C3.1, Tabelle 62): die Achtsamkeitspraxis in
Stunden korrelierte signifikant negativ mit der EDA-Summe (r = -,206; p = ,010) und
dem EDA-Maximum (r = -,203; p = ,011). Wie bei den EDA-Zeitverläufen zeigte sich
auch hier in den Korrelationen ein Einfluss des Geschlechts (r = ,244; p = ,003), wobei
Männer mit höheren Werten bei EDA-Maximum und EDA-Summe assoziiert waren. Da
der prozentuale Anteil an Männern von Gruppe 0 zu Gruppe 2 hin ansteigt (siehe
Abschnitt 3.6.2), die Werte der EDA-Intensität jedoch in die gleiche Richtung hin
abnehmen, stärkt auch hier dieser Befund das Argument für den Einfluss der Meditationspraxis auf die gefundenen Gruppenunterschiede. Die gerechneten Regressionsanalysen rundeten dieses Bild ab: Der Prozentrang der Achtsamkeitspraxis bot jeweils
für EDA-Summe (ȕ = -,266; t = -3,104; R2 = ,071; p = ,002; siehe Anhang C3.1, Tabelle
63) und EDA-Maximum (ȕ = -,249; t = -2,892; R2 = ,062; p = ,005; siehe Anhang C3.1,)
ein signifikantes Modell zur Vorhersage der jeweiligen EDA-Werte.
Hypothese 3.1 konnte infolgedessen bestätigt werden. Mit zunehmender Achtsamkeitspraxis verringert sich fortschreitend sowohl die Summe aller auf eine Bilddarbietung hin generierten EDRs, als auch das jeweils daraufhin entstehende EDRMaximum.
Tabelle 24: Deskriptive Statistiken für EDA-Intensität
DESKRIPTIVE Statistiken für EDA - Intensität
Summe
Standardab
weichung
Nichtmeditierende
,3047
,27426
13
Kurzzeitmeditierende
,2070
,25136
22
Langzeitmeditierende
,1184
,11068
8
Nichtmeditierende
,2318
,20240
13
Kurzzeitmeditierende
,1499
,16402
22
Langzeitmeditierende
,1062
,12743
8
Nichtmeditierende
,3130
,23108
13
Kurzzeitmeditierende
,2222
,20750
22
Langzeitmeditierende
,1957
,20116
8
Nichtmeditierende
,1401
,12140
13
Kurzzeitmeditierende
,1344
,18071
22
Langzeitmeditierende
,0592
,04707
8
Nichtmeditierende
,1044
,09565
13
Kurzzeitmeditierende
,0611
,07036
22
Langzeitmeditierende
,0332
,03408
8
Nichtmeditierende
,1738
,13130
13
Kurzzeitmeditierende
,1198
,11519
22
Langzeitmeditierende
,0821
,07465
8
Gruppe
negativ
neutral
positiv
Maximum
Mittelwert
Bildvalenz
negativ
neutral
positiv
N
187
Ergebnisse
•
Summe der EDRs:
Abbildung 57: Summe der EDRs je Bildvalenz und Gruppe
•
Maximum der EDRs:
Abbildung 58: Maximum der EDRs je Bildvalenz und Gruppe
188
Ergebnisse
4.3.2 Reaktionsintensität der motivationalen Komponente
Die motivationale Komponente wurde erfasst über das Startle-Paradigma. Wie im
Theorieteil ausführlich erläutert, kann die Aktivität der beiden emotionalen Motivationssysteme „approach“ und „avoidance“ über die Stärke der Startle-Inhibition bei positiven
bzw. -Potenzierung bei negativen Bildern (immer im Hinblick auf das Startle-Reaktionsmuster bei neutralen Hintergrundstimuli) gemessen werden. Die zuerst berichtete
Aktivitätsstärke des „approach“ Motivationssystems wurde berechnet, indem die
Differenz „Startle-Response bei neutralen Bilddarbietungen minus Startle-Response
bei positiven Bilddarbietungen“ an den Startle-Zeitpunkten gerechnet wurde, welche
Inhibition vermitteln, nämlich die Zeitpunkte 1,5 s und 4,5 s nach Bildbeginn (siehe
Abbildung 62). Zur Berechnung der Aktivitätsstärke des „avoidance“ Motivationssystems wurde entsprechend die Differenz „Startle-Response bei negativen Bildern
minus Startle-Response bei neutralen Bildern“ ermittelt. Hier boten sich die StartleZeitpunkte 6,5 s und 7,5 s an, da an diesen eine Potenzierung vermittelt wurde (siehe
Abbildung 62). Dort ist auch die in Hypothese 3.2 vorhergesagte Abnahme der Motivationssystemaktivierung
gut
zu
erkennen,
ersichtlich
an
der
mit
steigender
Achtsamkeitspraxis sinkenden Differenzierung der Kurven für die drei Bildvalenzen.
Für die Startle-Responses und die errechneten Modulationsparameter für Inhibition
und Potenzierung konnte innerhalb der drei Gruppen eine ausreichende Normalverteilung der Werte belegt werden (siehe Anhang C3.2, Tabelle 65). Die Varianzen
jedoch stellten sich in den Levene-Tests nicht als homogen dar (siehe Anhang C3.2,
Tabelle 68). Dies ist zwar laut Bortz (1999) bei quasi-experimentellen Designs oft
anzutreffen; da die Stichprobengröße der Gruppen jedoch ebenfalls unterschiedlich
war, wurde jeweils zusätzlich zu den ANOVAs auch das nicht-parametrische Verfahren
„Kruskal-Wallis“ angewandt, um die in den ANOVAs gefundenen Ergebnisse abzusichern. Das Niveau der Startle-Reaktivität (siehe Tabelle 25 und Abbildung 59), auf
dem sich die jeweilige Modulation abspielte, war zwischen den Gruppen signifikant
unterschiedlich, und nahm von Gruppe 0 zu 2 hin ab: Eine ANOVA über die 43
Mittelwerte aller Probanden erbrachte einen signifikanten Effekt für Gruppe: F(2) =
11,713; p < ,001 (siehe Anhang C3.2, Tabelle 66). Die Post-Hoc-Tests, durchgeführt
mit Tamhane-Korrektur bei inhomogenen Varianzen (siehe Anhang C3.2, Tabelle 69)
bestätigten
einen
signifikanten
Unterschied
zwischen
allen
Gruppen
(Nicht-
meditierende – Kurzzeitmeditierende: p = ,036; Kurzzeitmeditierende – Langzeitmeditierende: p = ,015). Auch der Kruskal-Wallis-Test (siehe Anhang C3.2, Tabelle 67)
wurde für den Faktor Gruppe signifikant: Chi(2) = 16,948; p < ,001. Korrelationsrechnungen (siehe Anhang C3.2, Tabelle 70) zeigten einen signifikant negativen
189
Ergebnisse
Zusammenhang zwischen der overall Startle-Response und der Achtsamkeitspraxis in
Stunden (r = -,614; p < ,001). Alter (r = -,505; p < ,001) und Geschlecht (r = -,372; p =
,007) wurden ebenfalls signifikant. Für Nichtmeditierende und Meditierende getrennt
gerechnete Korrelationen (siehe Anhang C3.2, Tabelle 71) erbrachten, dass dieser
signifikante Effekt nur bei Probanden mit Achtsamkeitspraxis auftrat (Nichtmeditierende: r = -,061; p = ,422; Meditierende: r = -,540; p < ,001). Da unvermeidbar
bei den Meditierenden das Lebensalter und die Achtsamkeitspraxis stark korrelieren (r
= ,458; p = ,005; siehe Anhang C3.2, Tabelle 78), ist davon auszugehen, dass die
gefunden Alterseffekte jeweils nicht Einflüsse des Alters an sich darstellen, sondern
durch fortschreitende Achtsamkeitspraxis vermittelte Effekte. In der Gruppe der
Meditierenden sind Achtsamkeitspraxis und Alter somit statistisch eng verwoben, und
auch mit z.B. Partialkorrelationen schlecht zu entkoppeln. Die Regressionsrechnung
(siehe Anhang C3.2, Tabelle 72) mittels der Prozentränge der Achtsamkeitspraxis
wurde ebenfalls signifikant (ȕ = -,554; t = -4,260; R2 = ,307; p < ,001).
Abbildung 59: Startle-Response je Gruppe und Bildvalenz über alle Zeitpunkte
190
Ergebnisse
Tabelle 25: Statistiken für Startle-Response je Gruppe über alle Valenzen und Zeitpunkte
Statistiken für Startle-Response je Gruppe über alle Valenzen und Zeitpunkte
StartleResponse
Nichtmeditierende
Startle Means (n x 3 Valenzen x 7
Zeitpunkte)
Gültig
Fehlend
Mittelwert
30,08057
Varianz
904,841
Minimum
12,32
Maximum
153,38
Startle Means (n x 3 Valenzen x 7
Zeitpunkte)
Gültig
Fehlend
Mittelwert
462
0
33,9389
Standardabweichung
17,26358
Varianz
Langzeitmeditierende
0
55,1144
Standardabweichung
Kurzzeitmeditierende
273
298,031
Minimum
9,04
Maximum
114,52
Startle Means (n x 3 Valenzen x 7
Zeitpunkte)
Gültig
Fehlend
Mittelwert
Standardabweichung
Varianz
168
0
20,8665
10,60068
112,374
Minimum
4,64
Maximum
56,45
Hypothese 3.2a konnte somit bestätigt werden. Das mittlere Startle-Response-Niveau
sinkt mit zunehmender Achtsamkeitspraxis fortlaufend ab.
•
Startle-Inhibition:
Abbildung 60: Startle-Response zu Zeitpunkten, die Inhibition vermitteln
191
Ergebnisse
Tabelle 26: Deskriptive Statistiken für Startle-Inhibition
Deskriptive Statistiken für Inhibition
Abhängige Variable: Inhibition
Mittelwert
16,1490
Standardab
weichung
15,75095
Kurzzeitmeditierende
4,5159
11,85226
44
Langzeitmeditierende
-,9936
6,30296
16
Gesamt
7,0079
13,85168
86
Gruppe
Nichtmeditierende
N
26
Abbildung 61: Startle-Inhibition nach Gruppen
Aufgeteilt nach Gruppen und Bildvalenzen vermittelt Abbildung 60 einen Eindruck der
jeweiligen Startle-Response an den Zeitpunkten, zu denen Inhibition im Mittel feststellbar war. In Tabelle 26 und Abbildung 61 wird die in Hypothese 3.2b postulierte Abnahme der Inhibitionsstärke an Hand der Gruppenmittelwerte deutlich. Hier erbrachte
eine ANOVA einen signifikanten Effekte für Gruppe (F(2) = 5,800; p = ,004), ansonsten
wurde kein Faktor signifikant (siehe Anhang C3.2, Tabelle 73). Post-Hoc-Tests mit
Tamhane-Korrektur bei inhomogenen Varianzen (siehe Anhang C3.2, Tabelle 74)
konnten einen signifikanten Effekt zwischen den Nichtmeditierenden und Kurz- bzw.
Langzeitmeditierenden finden (p = ,007; bzw. p < ,001). Der Mittelwertsunterschied
zwischen den Kurz- und Langzeitmeditierenden wurde nicht signifikant (p = ,073).
Diese Befunde stützte auch der Kruskal-Wallis-Test (siehe Anhang C3.2, Tabelle 76),
bei dem die Gruppenunterschiede ebenfalls signifikant wurden (Chi (2) = 17,253; p <
,001). Die Korrelationsberechnungen (siehe Anhang C3.2, Tabelle 77) ergaben
192
Ergebnisse
folgendes Bild: die Achtsamkeitspraxis in Stunden korrelierte mit der Startle-Inhibition
signifikant negativ (r = -,415; p < ,001). Ebenso wurde hier jedoch auch hier das Alter
signifikant (r = -,367; p < ,001). Für Nichtmeditierende und Meditierende getrennt
gerechnete Alter-Inhibition Korrelationen (siehe Anhang C3.2, Tabelle 75) erbrachten,
dass dieser signifikante Effekt nur bei Probanden mit Achtsamkeitspraxis auftrat
(Nichtmeditierende: r = -,106; p = ,303; Meditierende: r = -,289; p = ,013). Die bereits
oben geführte Argumentation bezüglich dieser Befunde gilt also auch hier. Eine
abschließend gerechnete Regressionsanalyse (siehe Anhang C3.2, Tabelle 79)
bestätigte
den
Zusammenhang
zwischen
abnehmender
Startle-Inhibition
und
zunehmender Achtsamkeitspraxis: Es konnte ein signifikantes Modell zur Vorhersage
der Inhibitionswerte mittels der Achtsamkeitsprozentränge gebildet werden (ȕ = -,422; t
= -4,262; R2 = ,178; p < ,001).
Abbildung 62: Startle-Modulation je Gruppe und Bildvalenz
193
Ergebnisse
•
Startle-Potenzierung:
Tabelle 27: Deskriptive Statistiken für Startle-Potenzierung
Deskriptive Statistiken
Abhängige Variable: Potenzierung
Mittelwert
13,6226
Standardab
weichung
19,69196
Kurzzeitmeditierende
2,1959
13,47301
44
Langzeitmeditierende
,1646
4,95621
16
5,2726
15,53553
86
Gruppe
Nichtmeditierende
Gesamt
N
26
Abbildung 63: Startle-Response zu Zeitpunkten, die Potenzierung vermitteln
Auch die Stärke der Startle-Potenzierung nimmt, der Hypothese 3.2b entsprechend, im
Mittel von Gruppe 0 nach Gruppe 2 hin ab, wie Tabelle 27 und Abbildung 63 bzw.
Abbildung 64 ersichtlich machen. Auch bei der Potenzierung erbrachte die ANOVA nur
für den Faktor Gruppe einen signifikanten Effekt (F(2) = 3,830; p = ,026; siehe Anhang
C3.2, Tabelle 81). Post-Hoc-Tests (siehe Anhang C3.2, Tabelle 82) konnten diesen
signifikanten Effekt zwischen den Nichtmeditierenden und Kurz- bzw. Langzeitmeditierenden verorten (p = ,037; bzw. p = ,007). Der Mittelwertsunterschied zwischen
den Kurz- und Langzeitmeditierenden wurde nicht signifikant (p = ,780). Der KruskalWallis-Test (siehe Anhang C3.2, Tabelle 80) bestätigte die mit der ANOVA gefundenen
Gruppenunterschiede (Chi (2) = 9,432; p = ,009). Ebenso wie mit der Inhibition
194
Ergebnisse
korrelierte die Achtsamkeitspraxis in Stunden auch mit der Potenzierung signifikant
negativ (r = -,335; p < ,001; siehe Anhang C3.2, Tabelle 85).
Abbildung 64: Startle-Potenzierung nach Gruppen
Aufgrund der oben erläuterten Verwobenheit von Alter und Achtsamkeitspraxis fand
sich auch hier eine signifikante, im Vergleich zur Achtsamkeitspraxis jedoch wiederum
geringere Alterskorrelation (r = -,282; p = ,004). Ihre Signifikanz behielt sie nach Aufteilung in Nichtmeditierende und Meditierende jedoch wieder nur in der Gruppe der
Meditierenden, bei den Nichtmeditierenden drehte sich sogar die Richtung der
Korrelation (Nichtmeditierende: r = ,101; p = ,312; Meditierende: r = -,308; p = ,008;
siehe Anhang C3.2, Tabelle 84). Diese Ergebnisse befanden sich in einer Linie mit der
Regressionsrechnung (siehe Anhang C3.2, Tabelle 83) mittels der Prozentränge der
Achtsamkeitspraxis (ȕ = -,350; t = -3,426; R2 = ,123; p = ,001).
Die Befunde zur Inhibition der Startle-Response bei positiven Bildern und
Potenzierung bei negativen Bildern zeigen das in Hypothese 3.2 erwartete Muster der
abfallenden Motivationssystemaktivierung mit zunehmender Achtsamkeitspraxis. Die
Hypothese 3.2 konnte damit bestätigt werden.
195
Ergebnisse
4.4
Affekttoleranz
Hierzu wurde die Anwendung von Vermeidungsstrategien während des Versuchs
erfasst, sowie der durch den Versuch bedingte Abfall des allgemeinen Wohlbefindens.
4.4.1 Verwendung von Vermeidungsstrategien
Im Nachinterview (siehe Anhang A1.8) gaben die Probanden an, ob sie während des
Experiments irgendwelche Versuche unternommen hatten, die durch die Bilder
ausgelösten Emotionen zu beeinflussen („Welche Haltung haben Sie den Bildern bzw.
Ihren Gefühlen daraufhin entgegengebracht? Haben Sie irgendeine Strategien angewendet?“). Wie in Abbildung 65 und Abbildung 66 gut zu erkennen, verringert sich mit
zunehmender Achtsamkeitspraxis der Einsatz von Strategien zur Emotionsvermeidung:
nur 15 % der Nichtmeditierenden gaben an, keine derartigen Strategien eingesetzt zu
haben. Bei den Kurzzeitmeditierenden waren es 57 %, und bei den Langzeitmeditierenden 88 %, die keine Vermeidungsstrategien benötigten.
Abbildung 65: Einsatz von Vermeidungsstrategien
Diese Gruppenunterschiede wurden mit einem Chi-Quadrat-Test überprüft (siehe
Anhang C4.1, Tabelle 86) und als signifikant bestätigt (Chi(2) = 10,895; p = ,004)
Abbildung 66 zeigt zusätzlich, welche Strategien zur Emotionsvermeidung eingesetzt
wurden:
196
Ergebnisse
Abbildung 66: Art der Vermeidungsstrategien (Mehrfachnennung möglich)
Diese Befunde bestätigen damit Hypothese 4a, die davon ausgeht, dass mit steigender
Meditationspraxis das Vermeidungsverhalten abnimmt.
4.4.2 Wohlbefinden vor und nach dem Versuch
Ein weiterer Bestandteil der Untersuchung war eine vor und nach dem Experiment
abgegebene Bewertung des aktuellen Befindens. Dies geschah durch das Vergeben
einer Schulnote zwischen „1 = sehr gut“ und „6 = sehr schlecht“, wobei auch halbe
Schritte (z.B. „1,5“) erlaubt waren. Hier in Tabelle 28 bzw. Abbildung 67 sind die Werte
„vorher“ und „nachher“ bzw. die Differenzen „Befinden nach dem Versuch minus
Befinden vor dem Versuch“ für die drei Gruppen getrennt dargestellt. Je größer die
Differenz, desto stärker beeinträchtigte der Versuch also die Probanden jeweils in
ihrem Wohlbefinden:
197
Ergebnisse
Tabelle 28: Deskriptive Statistiken für Wohlbefinden
Selbsteinschätzung des subjektiven Wohlbefindens in Schulnoten
Gruppe
Nichtmeditierende
vorher
2,25
nachher
3,33
Differenz
1,08
12,00
12,00
12,00
,75
,75
,97
2,05
2,36
,32
22,00
22,00
22,00
,79
,73
1,09
Mean
2,00
2,19
,19
N
8,00
8,00
8,00
,53
Mean
N
Std. Deviation
Kurzzeitmeditierende
Mean
N
Std. Deviation
Langzeitmeditierende
Std. Deviation
Total
Mean
N
Std. Deviation
,93
,65
2,10
2,61
,51
42,00
42,00
42,00
,79
,84
1,02
Dabei ergab sich folgendes Bild: Die Nichtmeditierenden bewerteten ihr Wohlbefinden
vor dem Experiment mit der Note 2,30; die Kurzzeitmeditierenden mit 2,05; die
Langzeitmeditierenden mit 2,00; diese Unterschiede wurden in einer ANOVA nicht
signifikant (siehe Anhang C4.2, Tabelle 87). Die Bewertungen nach dem Experiment
lauten bei den Nichtmeditierenden: 3,33; bei den Kurzzeitmeditierenden: 2,40; bei den
Langzeitmeditierenden: 2,19; Diese Unterschiede wurden signifikant (F(2) = 8,717; p <
,001), die drei Gruppen unterschieden sich also signifikant in ihrem Wohlbefinden nach
dem Experiment.
Abbildung 67: Differenz Wohlbefinden nachher – vorher
198
Ergebnisse
Die Differenzwerte, die, weil bezugnehmend auf den Ausgangswert, die größte
Aussagekraft besitzen, wurden in der ANOVA zwischen den Gruppen nicht signifikant.
Aus
diesem
Grund
gerechnete
t-Tests
erbrachten
einen
signifikanten
Mittelwertsunterschied (t(32) = 2,033; p = ,050) zwischen den Nicht- und Kurzzeitmeditierenden (Anhang C4.2, Tabelle 88). Dieser Unterschied nahm in Richtung zu
den Langzeitmeditierenden zwar noch einmal zu, wurde aber nicht mehr signifikant.
Diese Abnahme des Wohlbefindens korreliert signifikant negativ mit der Länge der
Achtsamkeitspraxis (r = -,378; p = ,007; siehe Anhang C4.2, Tabelle 89). Auch
Hypothese 4b kann somit als belegt gelten.
4.5
Fragebögen
Levene-Tests (Anhang C4.3, Tabelle 90) belegten die ausreichende Homogenität der
Fehlervarianzen zwischen den Gruppen. Die Gruppenmittelwerte sind in Anhang C4.3
(Tabelle 93) einzusehen. Bei keinem der Fragebögen fanden sich mit der gerechneten
MANOVA statistisch signifikante Mittelwertsunterschiede zwischen den Gruppen, auch
die univariate ANOVA bestätigte diesen Befund (siehe Anhang C4.3, Tabelle 91 bzw.
Tabelle 92).
199
Diskussion und Ausblick
5.
Diskussion und Ausblick
Die vorliegende Diplomarbeit strebte an, ein besseres Verständnis der Einflüsse von
regelmäßiger Achtsamkeitspraxis auf die Emotionsverarbeitung zu erlangen. Ausgehend von den Implikationen buddhistischer und wissenschaftlicher Arbeiten zur
Achtsamkeit wurden vor allem in der Gefühls-, der neurophysiologischen und der motivationalen Komponente mit zunehmender Praxis Veränderungen erwartet. Obgleich
das hierfür zur Anwendung gekommene IAPS-Paradigma der Emotionsinduktion nur
statische Bildreize darbietet, legt die dazu reichlich vorhandene Forschung durchaus
die Schlussfolgerung nahe, einen Transfer der Ergebnisse auf die Emotionsverarbeitung im Alltag vornehmen zu können (Bradley, Codispoti, Cuthbert & Lang,
2001). Erfasst wurden die Emotionskomponenten mittels SAM-Rating (Gefühlskomponente), EDA (neurophysiologische Komponente) und dem Startle-Paradigma
(motivationale Komponente). In Abschnitt 2.6 wurden die vier Fragestellungen und die
daraufhin entwickelten Hypothesen vorgestellt, die nun die abschließende Diskussion
der Ergebnisse strukturieren sollen. Ein Ausblick auf mögliche Nachfolgestudien
schließt die Arbeit ab.
5.1
Gefühlskomponente
Fragestellung 1:
Welchen Einfluss hat Achtsamkeitspraxis auf die subjektiv erlebte Gefühlskomponente
der emotionalen Reaktion?
Hypothese 1a sagte eine mit steigender Achtsamkeitspraxis zunehmende Gefühlsintensität auf emotionale Stimuli hin voraus, die sich in signifikant ansteigenden SAMIntensitätsratings äußern sollte. Tatsächlich zeigten die Analysen der abgegebenen
SAM-Ratings einen gegensätzlichen Trend: Die Meditierenden bewerteten sowohl bei
positiven als auch bei negativen Stimuli ihre durch die Bilder ausgelösten Gefühle als
weniger intensiv als die Nichtmeditierenden, wobei diese deskriptiv ersichtliche
Abnahme zwischen den Gruppen nicht statistisch signifikant wurde. Zwischen den
Kurz- und Langzeitmeditierenden fand sich kein nennenswerter Unterschied. Über alle
Probanden betrachtet stellte sich dagegen ein signifikant negativer Zusammenhang
zwischen der Länge der Achtsamkeitspraxis in Stunden und der Höhe der SAMIntensitätsratings bei negativen Bildern heraus, so dass die Ergebnisse eher eine
200
Diskussion und Ausblick
gegenteilige Hypothese stützen: Mit zunehmender Achtsamkeitspraxis nimmt die
selbstberichtete Intensität der erlebten Gefühle auf emotionale, vor allem auf aversive
Stimuli hin ab. Lediglich bei den neutralen Bildern erlebten die meditierenden
Probanden den SAM-Ratings nach zu urteilen zunehmend intensivere Gefühle, wobei
hier weder die Gruppenunterschiede noch die Korrelationsrechnungen signifikant
wurden.
Obwohl der Einfluss des Alters in der ANOVA statistisch nicht erkennbar war,
sind aufgrund der Altersunterschiede (das Alter nimmt von Gruppe 0 nach 2 signifikant
zu) der Gruppen Überlegungen zu möglichen Alterseffekten hinsichtlich dieser Ergebnisse durchaus sinnvoll: Ein Blick in die Literatur zeigt jedoch, dass dieser wiederum
entgegengesetzt hätte ausfallen müssen. Smith, Hillman und Duley (2005) berichten
von ebenfalls mit IAPS-Bildern erzeugten Ergebnissen, die eindeutig für eine generelle
Erhöhung der Intensitätsratings mit zunehmendem Alter sprechen: „Age also
modulated SAM arousal ratings (…) such that older adults reported greater overall
ratings of arousal than younger adults“ (S. 52). Damit ist davon auszugehen, dass der
ersichtliche Abwärtstrend der SAM-Ratings bei den Meditierenden kein altersbedingtes
„Überschreiben“ eines evtl. achtsamkeitsmodulierten Aufwärtstrends darstellen sollte.
Die signifikant negative Korrelation bei den negativen Bildern legt indes einen
dämpfenden Effekt der Meditationspraxis nahe.
Lane, Fink, Chau und Dolan (1997) sowie Lange, Williams, Young et al. (2003)
argumentieren zwar, dass Selbstbeurteilungsskalen wie das SAM-Rating durch die
instruierte künstliche Aufmerksamkeitszuwendung grundsätzlich einen verfälschenden
Effekt auf die Gefühle an sich haben, Hutcherson, Goldin, Ochsner et al. (2005)
relativierten diese Befunde jedoch in jüngster Zeit. Solche Argumente sind, da sie alle
Probanden gleichermaßen betreffen, für diesen Fall ohnehin von geringer Relevanz.
Die Betrachtung des hier verwendeten experimentellen Designs wirft jedoch die Frage
auf, ob der lange Zeitraum zwischen Bilddarbietung und SAM-Rating am Zustandekommen der Ergebnisse beteiligt gewesen sein könnte: Die Probanden könnten intuitiv
im Moment des SAM-Ratings eher die dann noch vorhandenen Gefühle bewerten,
anstatt sich aktiv und ressourcenfordernd 10 - 14 Sekunden zurück zu erinnern, bzw.
nicht im Stande sein, diese Erinnerung zu leisten, und daher einen auf dem gegenwärtigen Restgefühl basierenden Schätzwert abgeben. Sollte dies zutreffen, würde im
Falle eines schnelleren Gefühlsabfalls bei den Meditierenden das gefundene Ergebnis
erklärbar sein: „However, because subtle shifts in feeling may be very brief and
memory for them short-lived, retrospective reports may be misleading“ (Nielsen &
Kaszniak, 2006). Diese Aussage treffen die Autoren vor dem Hintergrund eines
201
Diskussion und Ausblick
4-sekündigen Abstandes zwischen Bild und SAM-Rating. Des Weiteren trug die
graphische Ausgestaltung der SAM-Intensitäts-Piktogramme möglicherweise in einer
verzerrenden Weise zum Zustandekommen der Ergebnisse bei: Wie in Abbildung 25
zu erkennen ist, erscheinen die Piktogramme mit zunehmender Intensität immer mehr
einen Tobsüchtigen zu symbolisieren. Die Meditierenden, deren Praxis solche Reaktionsweisen auf Gefühle hin durchweg negativ bewertet, mögen davon unterschwellig
in dem Sinne beeinflusst worden sein, dass sie, um interne (Selbstbild-) Dissonanzen
zu minimieren, die hohen Ausprägungen eher mieden, obgleich sie intensive innere
Empfindungen erlebten – das SAM-Rating aber eher als Abbild der Reaktion auf die
Empfindungen verstanden. Die Probanden wurden zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Piktogramme unglücklich gewählt seien, um die „Intensität“ eines
Gefühls darzustellen, und dass sie damit nichts Negatives konnotieren sollten.
Gänzlich auszuschließen ist ein derartiger Einfluss jedoch wahrscheinlich nicht.
Im Zuge der Diskussion der Ergebnisse zu Hypothese 1b wird für die gefundenen SAM-Intensitätsratings jedoch eine alternative Erklärung angeboten, die nach
Meinung des Verfassers alle Befunde zur Gefühlskomponente am besten integriert.
Hypothese 1b sagte für das Nachinterview voraus, dass sich hier von Gruppe 1 zu 2
mehr Probanden finden sollten, die angeben, dass sich im Laufe der Meditationspraxis
die Gefühle intensiviert hätten, als Probanden, die von einer Abschwächung der
Intensität berichten. Hier bestätigte sich die Vermutung insofern, als dass zum einen
kein Proband von einer Abschwächung berichtete, und zum anderen der Anteil an
Gruppenteilnehmern, die von einer „starken Erhöhung“ (vs. „hat sich etwas erhöht“)
sprachen, von Gruppe 1 nach 2 zunahm. Das Ergebnis des Nachinterviews steht nun
aber damit in völligem Gegensatz zu den Daten der SAM-Intensitätsratings.
Es besteht, nach der Sichtung der kürzlich publizierten Arbeit von Nielsen und
Kaszniak (2006), der Verdacht, dass die Ergebnisse vor allem durch einen widersprüchlichen und fehlerhaften Gebrauch der Begrifflichkeiten von Seiten des Verfassers bedingt wurden: Nielsen und Kaszniak (2006) stellen heraus, dass es strikt zu
trennen gilt zwischen den Konstrukten „Intensität des Gefühls“, „Absorption durch das
Gefühl“ und „emotionales Gewahrsein (awareness) bzw. Klarheit (clarity) des Gefühlserlebens“. Die Fragestellung ist also explizit auf eines dieser Konstrukte auszurichten,
da ansonsten eine Verwirrung und Vermengung von Aussagen entsteht, die
widersprüchlichen Inhalts sein werden: Die Form, in der die Frage den Meditierenden
konkret gestellt wurde, mag ihnen jedoch zuviel Interpretationsspielraum offen
gelassen haben, so dass sie sich selbst (intuitiv) für eines der oben genannten
Konstrukte entscheiden mussten: Aussagen wie „die Intensität meines Gefühlserlebens
202
Diskussion und Ausblick
hat sich stark gesteigert, ich nehme meine Gefühle viel deutlicher wahr, sie sind
facettenreicher, klarer und lebendiger geworden (…)“, wie sie größtenteils von den
Probanden getroffen wurden, gingen in die Auswertung der Ergebnisse ein als
„Gefühlsintensität hat sich stark erhöht“. Damit liegt nahe, dass der Befragende ein
anderes Konstrukt operationalisieren wollte, als die Befragten dekodierten: Abgefragt
werden sollte „die Intensität der Gefühle“, geantwortet wurde jedoch mit Aussagen über
das „emotionale Gewahrsein und die Klarheit der Gefühle“ (siehe Nielsen & Kaszniak,
2006). Bei der nachträglichen Betrachtung der Hypothese 1a fiel dem Verfasser auf,
dass ihm bei deren Erstellung diese Differenzierungen selbst nicht gänzlich präsent
waren. Es ist somit wahrscheinlich, dass die gefundenen SAM-Intensitätsratings darauf
zurück zu führen sind, dass die Achtsamkeitspraxis die Intensität der Gefühlsreaktionen bei emotional valenten Stimuli eher leicht absinken lässt, dass durch
zunehmende Klarheit der Gefühlswahrnehmung und steigendes Gewahrsein diese
Gefühle jedoch intensiver, bewusster, klarer und facettenreicher erlebt werden. Ob es
bei diesem vermuteten Ineinandergreifen von Einflüssen sinnvoll oder möglich ist, die
erlebte
„Netto-Gefühlsintensität“
zwischen
den
Gruppen
zu
hinterfragen,
sei
dahingestellt.
Nielsen und Kaszniak (2006) untermauern diesen Erklärungsversuch, indem sie
schreiben: „Meditators rated themselves higher than controls in emotional clarity – the
ability to accurately discriminate among and label one’s feeling states – and length of
meditation practice was positively correlated with clarity score” (S. 402). Diese
steigende emotionale Klarheit schien auch in deren Studie entkoppelt zu sein von der
Stärke der über SAM-Skalen selbstberichteten emotionalen Intensität („arousal”): „In
summary, lower physiological and experienced arousal was associated with higher
clarity in meditators in both the masked and nonmasked conditions” (S. 403). Eine
längere Interview-Passage von Rolf
Fischer, einem Versuchsteilnehmer und
erfahrenen Vipassana-Lehrer, liefert dazu einige hilfreiche Überlegungen: „Der Grund
für unangemessene, also relativ überzogene Reaktionen auf Ereignisse in unserem
Leben ist, dass Altes, Vergessenes aber in jedem Fall Unverarbeitetes in das aktuelle
Erleben miteinbezogen wird. Vipassana bringt nun mit sich, dass altes Erleben
während der Meditation ins Bewusstsein steigt, und, weil der Meditierende geübt ist,
Beobachter zu bleiben, verarbeitet wird. All die verarbeiteten Gefühle werden nun, bei
neuen Erlebnissen, nicht mehr mitaktiviert. Das Erleben ist intensiv – die emotionale
Reaktion aber nur noch eine dem aktuellen Ereignis angemessene“ (siehe dazu auch
Hart, 1996). Die Ergebnisse scheinen im übertragenen Sinn darauf hin zu deuten, dass
203
Diskussion und Ausblick
die Meditierenden mit zunehmender Praxisdauer sozusagen „die Musik immer leiser
stellen, da ihr Gehör immer schärfer wird“.
Auffallend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die SAM-Intensitätsratings
bei neutralen Bildern von Gruppe 0 zu 2 hin tendenziell (jedoch nicht signifikant)
zunehmen. Dazu wurden im Vorfeld der Studie keine Vorhersagen getroffen –
Aussagen der Probanden deuten jedoch darauf hin, dass sie mit zunehmender
Meditationspraxis in ehemals neutralen Reizen etwas Ästhetisches, Schönes,
Besonderes bzw. Bemerkenswertes wahrnehmen, was u.U. auch mit der steigenden
Gefühlsklarheit erklärt werden könnte, die selbst kleinste Nuancen erfasst.
Die ebenfalls miterhobenen SAM-Valenzratings erbrachten drei Befunde: Zum
einen werden mit zunehmender Achtsamkeitspraxis die auf negative Stimuli hin
erlebten Gefühle als zunehmend weniger unangenehm beurteilt. Dies mag zum einen
daran liegen, dass sie „objektiv“ weniger unangenehm sind (da, wie oben im Zitat ausgeführt, jeweils zunehmend weniger unverarbeitete Gefühle das aktuelle Geschehen
„mit anheizen“). Zum anderen spielt hier evtl. auch der in 2.1 beschriebene Effekt mit
hinein, dass (selbst unangenehme) erlebte Gefühle aufgrund der Einsicht in deren
wahre Natur als weniger bedrohlich erlebt und eingestuft werden (Shapiro et al.,
2006). Auch hier spielt also möglicherweise eine multikausale Verursachung eine
Rolle. Die Alterskorrelation bei der Bewertung neutraler Bilder, die mit steigendem Alter
zunehmend angenehmer eingestuft werden, mag wohl vor allem darin begründet sein,
dass die Belastung durch den Versuch die Probanden mit zunehmendem Alter stärker
beeinträchtigte, und sie daher die neutralen Versuchstrials als Erholung erlebten,
während jüngere Probanden teilweise berichteten, von den langen Wartezeiten und
neutralen Bildern „genervt zu sein“ (siehe dazu auch Smith, Hillman und Duley, 2005).
Der dritte Befund betrifft die erhaltene negative Korrelation von zunehmender
Achtsamkeitspraxis und abnehmender Valenz-Bewertung der Gefühle bei positiven
Bildern, die darauf schließen lässt, dass mit fortschreitender Meditationspraxis die
während des Versuchs erlebten Gefühle auf positive Bilder als zunehmend weniger
angenehm beurteilt werden. Es lassen sich hierfür mindestens zwei mögliche Gründe
vermuten: Entweder die Achtsamkeitspraxis führt im Zuge der abnehmenden Anhaftung und Gier tatsächlich zu als weniger angenehm erlebten Gefühlen bei positiven
Reizen, oder die Meditierenden nehmen die in diese Kategorie eingeordneten Reize
(größtenteils provozierende erotische Aufnahmen des anderen Geschlechts) nicht
mehr so sehr als positiv wahr, was zu entsprechend weniger angenehmen Gefühlen
führen würde. Dafür gäbe es wiederum die Erklärung, dass die Meditierenden ihr
aufgrund der unvermuteten Häufung von erotischen Darstellungen erwecktes sexuelles
204
Diskussion und Ausblick
Verlangen (aus deren Sicht evtl. als unheilsame Begierde bzw. Anhaftung klassifiziert)
als unangenehm beurteilten, da sie solche Geisteszustände als geistige Hemmnisse
(siehe 3.2.1) einstuften. Da es sich hierbei jedoch um Spekulationen handelt, muss
diese Frage im Moment leider unbeantwortet bleiben.
Diese Ausführungen überblickend, bleibt als Fazit die Einsicht in die ungenaue
Fundierung und Formulierung der Hypothese 1, für die es auch in der unter 2.1 und 2.2
analysierten Literatur in ihrer ursprünglichen Form keinen Anhaltspunkt gibt: Achtsamkeitspraxis erhöht wohl nicht die Intensität der Gefühlsreaktion, sondern senkt sie im
Laufe der Praxis eher etwas ab, was möglicherweise zu einem großen Teil an der oben
beschriebenen Dekonditionierung liegt, die dazu führt, dass immer weniger alte und
unverarbeitete Anteile in der aktuellen emotionalen Episode mitschwingen. Erhöht wird
vielmehr die Sensibilität, die Wahrnehmungsschärfe und -intensität, so dass die
generierten Gefühle zunehmend deutlicher, bewusster, klarer, differenzierter und unmittelbarer erlebt werden. Somit mag im Laufe der Praxis das Gefühlsleben als
zunehmend intensiver, reichhaltiger und facettenreicher beschrieben werden, obwohl
die Intensität der Gefühlsreaktion aufgrund der Gelassenheit eher leicht abnimmt – was
vermutlich bedeutet, dass sie sich auf ihre ursprünglich angemessene Intensität
einpendelt.
5.2
Zeitverlauf der emotionalen Reaktion
Fragestellung 2:
Welchen Einfluss hat Achtsamkeitspraxis auf den zeitlichen Verlauf der emotionalen
Reaktion?
Hypothese 2a bezog sich auf die neurophysiologische Komponente der Emotionsverarbeitung und postulierte ein mit zunehmender Achtsamkeitspraxis beschleunigtes
Einsetzen, Ansteigen und Abfallen der Reaktion auf emotional valente Reize hin. Das
schnellere Einsetzen und Ansteigen wird begründet mit der zunehmenden Offenheit,
Wachheit und Verarbeitungsintensität und -tiefe, die durch das Üben von Achtsamkeit
kultiviert wird (Bishop et al., 2004; siehe 2.2.6). Da die Meditierenden die aufgenommenen Informationen schneller, tiefer, umfassender und realitätskonformer verarbeiten
(Bishop et al., 2004), und durch ihre geschärfte Wahrnehmungsfähigkeit vor allem
auch die subtilen Veränderungen der interozeptiven Prozesse besser und schneller
erfassen sollten (Cayoun, 2005; Nielsen & Kaszniak, 2006; siehe 2.2.6 und 2.4.3) wird
205
Diskussion und Ausblick
eine darauf basierende emotionale Reaktion schneller einsetzen, als bei Menschen,
die weniger bewusst bzw. aufmerksam sind, und mehr Aspekte der Realität vermeiden
bzw. abwehren müssen.
Die Begründungen für den erwarteten schnelleren Abfall der ausgelösten
Reaktion (siehe z.B. Hayes & Feldman, 2004) wurde unter 2.1 und 2.2.6 ausführlich
diskutiert. Goleman (2005) berichtet über eine der „Mind and Life“ Konferenzen dem
gemäß: „Das heißt aber nicht, meinte Paul (Ekman, Anm. d. Verfassers), dass der
Dalai Lama nicht auch Trauer und damit verwandte Gefühle empfindet. Er scheint
sogar ausgesprochen empfänglich für das Leid anderer zu sein, und die Qual, die ihr
Schmerz ihm bereitet, zeigt sich, jedenfalls einen Moment lang, unverhüllt in seinem
Gesicht. Paul fiel aber auch auf, wie rasch er sich von bedrückenden Emotionen
erholte (...)“ (S. 200). Die Messergebnisse der EDA als Teil der neurophysiologischen
Reaktionskomponente, die im Zuge sympathischer Aktivierung vor allem als Vorbereitung auf eine Kampf- oder Fluchtreaktion aufgebaut wird, bestätigen durchgehend
die aufgestellten Vermutungen. Sowohl über die Gruppenaufteilung als auch korrelativregressionsanalytisch gerechnet zeigt sich mit zunehmender Achtsamkeitspraxis eine
Beschleunigung in allen drei Aspekten (geringere Latenz, Anstiegszeit und Halbwertszeit) des Reaktionsverlaufes. Die Achtsamkeitspraxis nimmt folglich mit fortschreitender Übungsdauer Einfluss auf autonome Anteile der emotionalen Reaktion, wie in 2.2.6
und 2.4.3 expliziert wurde.
Hypothese 2b sagte für die motivationale Komponente, gemessen über das
Startle-Paradigma, ebenfalls einen beschleunigenden Einfluss der Achtsamkeitspraxis
voraus. Es wird mit oben (zu Hypothese 2a) geführter Argumentation angenommen,
dass mit fortschreitender Achtsamkeitspraxis die jeweilige MotivationssystemAktivierung schneller eintritt (d.h. zu einem früheren Startle-Zeitpunkt eine Potenzierung bzw. Inhibition erkennbar wird), schneller das Modulationsmaximum erreicht
wird, und diese motivationsbedingte Startle-Modulation auch schneller (also an einem
früheren Startle-Zeitpunkt) wieder abgeklungen ist. Die Befunde von Jackson et al.
(2003) und Larson und Davidson (2001) sowie von Davidson et al. (2003) legen, wie in
2.2.6 und 2.2.7 gezeigt wurde, nahe, dass Achtsamkeitspraxis über die Verschiebung
der frontal-kortikalen Aktivierungsasymmetrie, insbesondere bei aversiven Reizen,
bezogen auf Kontrollpersonen einen größeren und schnelleren Abfall der StartlePotenzierung nach Ende der Reizdarbietung vermittelt.
Aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren, welche die jeweilige StartleResponse zu den einzelnen Zeitpunkten moderieren (siehe Bradley, Codispoti & Lang,
2006; und 2.5.1) wird zunächst versucht, das Zustandekommen der Ergebnisse mithilfe
206
Diskussion und Ausblick
der neuesten Veröffentlichung der oben genannten Autoren zu deuten, worauf anschließend die Diskussion der statistischen Auswertung folgt: Eine Betrachtung der
Zeitverläufe der Startle-Response bei den unterschiedlichen Bildvalenzen (Abbildung
53 in Kapitel 4.2.2 und Abbildung 62 in Kapitel 4.3.2) bestätigt für die Kontrollprobanden viele Befunde der bisherigen Startle-Forschung (Bradley, Codispoti & Lang,
2006):
Zum Zeitpunkt 1,5 s zeigt sich bei den emotional valenten im Vergleich zu den
neutralen Bildern die unter 2.5.1 beschriebene Inhibition der Response (Startle-Effekt
vom „Typ c“) aufgrund der durch den emotionalen Gehalt motivierten erhöhten Aufmerksamkeitszuwendung. Bereits diese Effekte fallen bei den Meditierenden unerkennbar aus, was dahingehend interpretiert werden kann, dass sie initial sowohl
neutralen als auch emotionalen Reizen ein ähnliches Maß an Aufmerksamkeit
entgegenbringen (ein Ziel der Achtsamkeitspraxis, siehe 2.1 und 2.2.6). Bei den
Nichtmeditierenden ist jedoch anzunehmen, dass bei den positiven Bildern aufgrund
der abnehmenden Inhibition zum nächsten Zeitpunkt (4,5 s) bereits beim ersten
Zeitpunkt Effekte der Motivationssystemaktivierung mit in den Netto-Wert der StartleResponse eingegangen waren (Startle-Effekte vom „Typ d“, die bereits ab 500 ms zum
Tragen kommen können, siehe 2.5.1). Würden sie, wie das bei den Kurzzeitmeditierenden der Fall ist, erst zum Zeitpunkt 4,5 s zu der anfänglichen aufmerksamkeitsvermittelten Inhibition dazu stoßen, müsste sich bei 4,5 s die Netto-StartleResponse vermindern, was bei den Nichtmeditierenden aber nicht der Fall ist. Der
erste Befund ist also ein schnelleres Einsetzen der Inhibition bei der Kontrollgruppe,
was den Vorhersagen der Hypothese 2b widerspricht. Bei den Kurzzeitmeditierenden
sieht man dagegen deutlich, dass zum Zeitpunkt 4,5 s die Netto-Startle-Höhe abnimmt,
was durch eben diesen zusätzlichen Motivations-Effekt erklärbar wird, der damit bei
ihnen später einsetzt. Ein Blick auf Abbildung 56 in Abschnitt 4.2.2 zeigt zwar, dass
auch bei den Kurzzeitmeditierenden die Inhibition bereits bei 1,5 s einsetzt; da in
Abbildung 62 jedoch einsehbar wird, dass diese Inhibition dort (nicht wie bei den
Kontrollprobanden) für alle Valenzen nahezu gleichermaßen eintritt und bei 4,5 s
zunimmt, ist sie nach Ansicht des Verfassers eher nicht als motivationsbedingt einzustufen. Abbildung 56 spiegelt gut wider, dass die Nichtmeditierenden schneller ihr
Maximum erreichen (1,5 s), die Kurzzeitmeditierenden erst bei 4,5 s, dass aber beide
Gruppen die Inhibition bis zum nächsten Zeitpunkt (6,5 s) wieder abgebaut haben,
wobei die Nichtmeditierenden hier einen größeren Abbau leisteten als die
Kurzzeitmeditierenden, da sie bei 6,5 s bereits im negativen Bereich des Inhibitionsmaßes angelangt sind, während sich bei den Kurzzeitmeditierenden noch eine geringe
207
Diskussion und Ausblick
(vernachlässigbare) Rest-Inhibition zeigt. Die Langzeitmeditierenden zeigten keine
messbare Inhibition.
Zum Zeitpunkt 4,5 s bewirkt nun bei negativen Bildern die zunehmende Motivationssystemaktivierung erstmalig eine ersichtliche Potenzierung der Startle-Response,
indem sie die weiter bestehende aufmerksamkeitsbedingte Inhibition an Stärke
übertrifft (siehe Abbildung 55 in Kapitel 4.2.2). Diese Potenzierung sollte bei den
Nichtmeditierenden indes bereits bei 1,5 s angesprungen sein, da dort die aufmerksamkeitsbedingte Inhibition bei negativen Bildern geringer ausfiel als bei den positiven,
und nicht davon auszugehen ist, dass negative Bilder weniger Aufmerksamkeitszuwendung evozieren, dies also an der dazukommenden Motivationsmodulation
liegen wird. Die Potenzierung erreicht bei den Nichtmeditierenden bereits zum
Zeitpunkt 6,5 s ihren Höhepunkt, während dies bei den Kurzzeitmeditierenden erst bei
7,5 s der Fall ist. Zum Zeitpunkt 8,5 s haben beide Gruppen die Potenzierung komplett
abgebaut. Es zeigt sich nur noch zu den späten Zeitpunkten (13 s bzw. 15 s) marginale
Potenzierung, welche entweder die absinkende Aufmerksamkeitszuwendung zum
visuellen Sinneskanal und / oder die steigende Aufmerksamkeitszuwendung zum
auditiven Sinneskanal, da der Schreckreiz immer noch erwartet wird, und / oder die
Erwartungsangst, dass der Schreckreiz unmittelbar bevorstehe, und die dadurch
erneut angehobene Aktivierung des Defensiv-Motivationssystems, widerspiegelt. Nach
Ochsner und Gross (2005) kann die Antizipation von aversiven (Schreck, Schock) Ereignissen die Aktivität in Cingulum, Insula und Amygdala erhöhen, Areale, die einen
potenzierenden Einfluss auf die Startle-Response vermitteln. Bei den Langzeitmeditierenden sind aufgrund der minimalen Höhe der Startle-Response die metrischen
Unterschiede zwischen den Valenzbedingungen nicht im Sinne eine Modulation
interpretierbar. Deskriptiv setzt also entgegen der Hypothese 2b die Modulation bei den
Nichtmeditierenden am schnellsten ein, erreicht am schnellsten ihren Höhepunkt, und
wird mindestens ebenso schnell wie bei den Kurzzeitmeditierenden abgebaut.
Die statistische Auswertung verglich, dem in der Literatur üblichen Vorgehen
(siehe 4.2.2) folgend, die gemittelten Inhibitions- und Potenzierungswerte aller
Responses während der Bilddarbietung mit denen aller Responses nach Bilddarbietung. Bei der Potenzierung wurde der Gruppenunterschied (die Kurzzeitmeditierenden wiesen eine Differenz während-nachher von 11,51 %, die Nichtmeditierenden von 2,42 % auf) dieser Differenzwerte nicht signifikant. Der Gruppenunterschied der Inhibition war gänzlich uninterpretierbar, da sich bei keiner Gruppe
nach Bilddarbietung noch Inhibition zeigte. Die Differenz bei der Potenzierung ist bei
genauer Betrachtung ebenfalls ein schlechter Indikator für den Abbau über die Zeit, da
208
Diskussion und Ausblick
bei den Nichtmeditierenden die massiv negative Potenzierung zum Zeitpunkt 1,5 s in
den Wert des Potenzierungsindex „während Bilddarbietung“ dämpfend miteingeht, und
dadurch den während-nachher Unterschied verwischt. Auch zeigt, wie bereits erwähnt,
eine Betrachtung des Potenzierungsverlaufes, dass bei Nicht- und Kurzzeitmeditierenden die Potenzierung bereits bei 8,5 s komplett abgebaut ist, sich über einen
naturgemäß grob auflösenden während-nachher Index diese Tatsache nicht erfassen
lässt – und dass evtl. gefundene Gruppenunterschiede daher im Grunde nicht
belastbar als Indiz für einen verzögerten oder beschleunigten Abbau der Motivationssystemaktivität angeführt werden können.
Diese Vielzahl von Befunden und Überlegungen lassen sich zusammenfassend
nur so interpretieren, dass sowohl varianzanalytisch als auch deskriptiv die Hypothese
2b zurückgewiesen werden muss. Tatsächlich legen die Daten eher nahe, dass bei
den Nichtmeditierenden die Aktivierung der jeweiligen emotionalen Motivationssysteme
(tendenziell) schneller einsetzt, (tendenziell) schneller ihren Höhepunkt erreicht, und
mindestens ebenso schnell wieder abfällt, wie bei den Kurzzeitmeditierenden, wobei
die Langzeitmeditierenden aufgrund ihrer fehlenden Modulation dem Vergleich entzogen waren.
Es ist zu vermuten, dass aufgrund der bereits in der Forschungsliteratur
berichteten, im Vergleich zu während der Bilddarbietung fehlenden bzw. abnehmenden
Startle-Modulation nach Bildende (Dichter, Tomarken, Baucom, 2002), die Intensität
der visuellen Stimuli nicht ausreicht, um (vor allem bei den Meditierenden) eine
Modulation zu erzeugen, die für eine Analyse des Zeitverlaufs über mehr als 6-7
Sekunden notwendig ist. Die Startle-Modulation scheint sich für eine Analyse des
Zeitverlaufes der emotionalen Reaktion aufgrund dessen weniger gut zu eignen.
Zumindest bietet ein Vorgehen mit dergestalt vielen Startle-Zeitpunkten, wie es in
dieser Diplomarbeit gewählt wurde, keinen entscheidenden Vorteil bei der Auswertung
der Modulation gegenüber den Studien, die lediglich zu je einem Zeitpunkt während
und nach Bilddarbietung maßen (Jackson et al., 2003). Eher interpretierbar erscheint
daher
das
Baseline-Startle-Niveau,
sowie
diejenigen
Prozesse,
die
durch
Aufmerksamkeitszuwendung moduliert werden, als auch ein Gruppenvergleich der
motivationssystembasierten Modulation während bzw. unmittelbar nach der Bilddarbietung, wo die Modulation eindeutig nachweisbar ist (siehe 4.3.2). Ebenfalls nachteilig
ist die grobe zeitliche Auflösung des Paradigmas, weswegen hier keine endgültige
Aussage über den genauen Verlauf der Motivationssystemaktivierung möglich
erscheint.
209
Diskussion und Ausblick
Erklärungsbedürftig bleibt die gefundene, hypothesenkonträre Verlangsamung
des Zeitverlaufs des motivationalen Reflex-Primings durch Achtsamkeit, zumal sie den
Ergebnissen der elektrodermalen Aktivität zu widersprechen scheint.
5.3
Reaktionsintensität
Fragestellung 3:
Welchen Einfluss hat Achtsamkeitspraxis auf die Intensität der neurophysiologischen
und motivationalen Komponente der emotionalen Reaktion?
Hypothese 3.1 geht davon aus, dass mit zunehmender Achtsamkeitspraxis die
gemessene Reaktionsintensität der (neurophysiologischen) Versorgungskomponente
der emotionalen Reaktion abnimmt. Die Stärke dieser Komponente ist (wie die StartleResponse ebenfalls) mit der Höhe der jeweiligen Motivationssystemsaktivität verwoben
(siehe 2.5 und 2.5.2), und die durch Achtsamkeitspraxis geförderte Umwandlung von
sympathisch vermittelter Kampf- / oder Fluchtreaktivität bzw. Defensiv- / AppetitivMotivation in eher parasympathisch bedingte Orientierungsreaktionen sollte die
Intensität der elektrodermalen Aktivität als neurophysiologischen Indikator zunehmend
auf ein moderates Niveau absenken (siehe 2.2.6 , 2.3.4 und 2.4.1 ). Dabei bietet die
EDA mit dem Maximum der ersten Reaktion und der Summe aller Reaktionen pro Trial
zwei Intensitätsindices, die es ermöglichen, sowohl die initiale Reaktionsintensität als
auch das gesamte Ausmaß elektrodermaler Aktivität, das sich an die initiale Reaktion
anschließt, und die Reaktivität im Sinne eines (evtl. durch negative appraisals vermittelten) Aufschaukelungsprozesses anschwellen lassen kann, zu erfassen.
Die Ergebnisse in Abschnitt 4.3.1 bestätigten die Annahmen der Hypothese 3.1,
zeigen dabei aber, dass bei Kurzzeitmeditierenden die initiale Reaktion der neurophysiologischen Komponente auf negative Reize im Mittel nahezu ebenso intensiv
ausfällt, wie bei den Nichtmeditierenden, wohingegen sie bei den Langzeitmeditierenden im Vergleich deutlich abgefallen ist. Bei der Summe der EDA-Aktivität findet sich
diese Nähe zwischen Nicht- und Kurzzeitmeditierenden nicht mehr, was im Zusammenhang mit aversiven Stimuli darauf hindeutet, dass die Effekte der Meditationspraxis hier zunächst über einen Abbau von nachgeschalteter Reaktivität wirken. Eine
solche, der initialen Response folgende Reaktivität, wird z.B. bewirkt durch Vermeidungsverhalten, Aversion, Katastrophisieren oder eskalierende appraisals (siehe
2.3.3), Prozesse die sämtlich durch Achtsamkeitspraxis reduziert werden sollten
210
Diskussion und Ausblick
(2.2.6). Offensichtlich greifen Im Laufe der Praxis die Effekte dann auch auf die
Intensität der initialen Reaktion über. Dies geschieht vermutlich unter dem Einfluss von
Dekonditionierungsprozessen, wie sie in Kapitel 5.1 im Hinblick auf den Abbau der MitAktivierung früherer, unverarbeiteter Affekte, erläutert wurden, und führt hier zu einem
Abfall der initialen EDA-Intensität.
Diese Befunde replizieren damit die Ergebnisse von Nielsen und Kaszniak
(2006), die ebenfalls unter Verwendung eines IAPS-Designs einen signifikanten
Zusammenhang zwischen Praxisdauer, selbstberichteter Klarheit des Gefühlserlebens
und Abfall der elektrodermalen Aktivität auf maskierte und nicht-maskierte Bilddarbietungen hin fanden.
Im Hinblick auf die nicht signifikant gewordenen Gruppenunterschiede bei der
Intensität der Gefühlskomponente liegt hier also tatsächlich ein Fall von KomponentenDissoziation vor.
Hypothese 3.2 behandelte die neben dem Zeitverlauf der Startle-Response
verbleibenden Aspekte der generellen Höhe des Startle-Niveaus und der Intensität der
der Modulation. Zur Erfassung dieser Intensität wurden hier nur die Zeitpunkte
betrachtet (und deren Modulationswerte aggregiert), die auch wirklich ersichtliche
Modulation vermittelten, um die Effekte nicht durch gegenläufige Werte an den übrigen
Zeitpunkten herauszumitteln. Das Baseline-Niveau der Startle-Response wurde von
einigen Forschern in Zusammenhang gebracht mit dem Niveau der generellen
Schreckhaftigkeit bzw. Reaktivität auf aversive Stimuli, so dass zunehmende StartleAmplituden hier für eine Hyper-Reaktivität sprechen (Cook et al., 1991; Jennings,
2003). Die Befunde zeigen, dass das Ausmaß verschiedener negativer Grundzustände
(sowohl im Sinne von eher überdauernden Persönlichkeitseigenschaften als auch
zeitweiser Zustände), vor allem Ängstlichkeit aber auch Gereiztheit bzw. Wut, positiv
mit der Höhe der Response auf den Schreckreiz an sich (also bereits ohne parallele
Darbietung emotionaler Stimuli) korreliert. Jennings (2003) dazu: „Highly fearful or
apprehensive individuals as well those diagnosed with various anxiety disorders may
be particularly vigilant and reactive when presented with novel or unusual situations
that trigger fear or anxiety” (S. 17). Diese Personen zeigen also bereits auf den
aversiven Schreckreiz selbst erhöhte Reaktivität im Vergleich zu eher gesunden bzw.
weniger ängstlichen und ausgeglichenen Menschen. Bradley, Codispoti und Lang
(2006) stellten daneben die über alle Startle-Zeitpunkte durchgängig dämpfende Eigenschaft von erhöhter Aufmerksamkeitszuwendung heraus, die das Startle-Niveau ebenfalls absenken kann. Hypothese 3.2a erwartete daher ein mit zunehmender Achtsamkeitspraxis sinkendes Startle-Niveau.
211
Diskussion und Ausblick
Die Bedeutung der Intensität der Startle-Modulation während emotional valenter
Stimuli wurde in Kapitel 2.5.1 ausführlich besprochen. Es wurde in Hypothese 3.2b
eine mit zunehmender Achtsamkeitspraxis sinkende Intensität der Startle-Modulation
vorhergesagt, da angenommen wurde, dass die Meditierenden im Laufe ihrer Praxis
immer mehr erlernen, auf ihr emotionales Erleben nicht mit Anhaftung oder Aversion zu
reagieren. Die durch die Modulationshöhe abgebildete Aktivierung der emotionalen
Motivationssysteme „approach“ und „avoidance“ sollte daher abnehmen.
Die Ergebnisse (4.3.2) bestätigten durchgängig die Vermutungen der Hypothese 3.2. Mit zunehmender Praxis sinkt sowohl das generelle Startle-Niveau, als auch
die Intensität der Modulationsparameter ab, die Langzeitmeditierenden präsentieren
hier eine beeindruckende Abwesenheit von jeglicher Modulation und ein auffallend
niedriges Reaktionsniveau. Die bei diesen Auswertungen gefundenen Alterseffekte
wurden bereits in Kapitel 4.3.2 bewertet: Da bei den untersuchten (meditationserfahrenen) Probanden das Alter und die Praxisdauer stark korrelieren, ist eine Vermengung der Effekte dieser beiden Parameter in diesem Fall nicht zu vermeiden. Die
gefundene signifikante Alterskorrelation wurde jedoch, wie berichtet, für die Gruppe der
Nichtmeditierenden alleine gerechnet nicht mehr signifikant, bzw. drehte sich um. Es
kann daher angenommen werden, dass dieser Effekt durch die Anbindung des Alters
an die Meditationspraxis zustande gekommen ist. Der erwartete Alterseffekt auf die
Intensität der Startle-Response ist der Forschungsliteratur zufolge ohnehin ein der
Meditationspraxis gegenläufiger, so dass das von Gruppe 0 nach 2 zunehmende Alter
die achtsamkeitsvermittelten Effekte eher hätte abschwächen müssen: Smith, Hillman
und Duley (2005) berichten von einer Zunahme der Intensität der Startle-Response mit
ansteigendem Alter. „The startle-blink reflex revealed that older adults exhibited
increased startle-blink magnitude compared with younger adults“ (S. 49).
Abbildung 68: Gruppenunterschiede der Startle-Response nach Alter
Abbildung 68, die alle drei Gruppen jeweils über den Median in junge und alte
Teilnehmer aufsplittet, bildet eben diesen Effekt in der untersuchten Stichprobe von
212
Diskussion und Ausblick
Nichtmeditierenden ab (links im Bild). Bei den Kurz- und Langzeitmeditierenden zeigen
sich entgegengesetzte Platzierungen der beiden Altergruppen, die über die Effekte der
Achtsamkeitspraxis erklärt werden.
Zusammenfassend zeigten sich somit deutlich die erwarteten Effekte der
Achtsamkeitspraxis auf die Aktivierung der „approach“ und „avoidance“ Motivationssysteme. Achtsamkeitspraxis ist damit in der Lage, die Funktionsweise der evolutionär
entstandenen emotionalen Motivationssysteme systematisch zu verändern. Die Richtung dieser Veränderung entspricht dem Ziel der Abnahme von Anhaftung bzw.
Aversion auf die erlebten Erfahrungen hin, wie es von buddhistischer Seite in Kapitel
2.1 und von wissenschaftlicher Seite in Kapitel 2.2.6 postuliert wird.
Bei der Betrachtung der Gruppenunterschiede der Modulationsintensitäten ist
es interessant, zu sehen, dass das Ausmaß der Potenzierung schneller durch die
Meditationspraxis abgesenkt wird, als das der Inhibition (siehe Abbildung 60 bzw.
Abbildung 61 und Abbildung 63 bzw. Abbildung 64 in Kapitel 4.3.2). Die Motivationssystemaktivierung ist also im Hinblick auf die evolutionär entstandene massive
Relevanz erotischer Reize durch Achtsamkeitspraxis anscheinend schwerer zu
beeinflussen, als dies bei aversiven Stimuli möglich ist. Dies stellt nach Meinung des
Verfassers eine Unterstützung der Argumentation in Kapitel 5.1 dar, die vermutete,
dass die Kurzzeitmeditierenden auf die positiven (größtenteils erotischen) Stimuli hin
ihre Gefühle unter Umständen deswegen als etwas weniger angenehm einstuften, weil
sie die damit einhergehende (wenn auch geringere) Aktivierung des ApproachMotivationssystems als weniger angenehm erlebten als die Nichtmeditierenden. Wenn
darin der einzige Effekt gesehen werden würde, müsste allerdings bei den
Langzeitmeditierenden, da diese laut Startle-Daten keine Motivationssystemaktivierung
mehr erleben, das SAM-Valenzrating wieder zunehmen. Da dies jedoch nicht der Fall
ist, und sie ähnlich niedrige Ratings abgaben, muss es noch einen weiteren
Einflussfaktor für das leichte Absinken der Valenzratings bei den Meditierenden geben.
5.4
Affekttoleranz
Fragestellung 4:
Welchen Einfluss hat die Achtsamkeitspraxis auf die Affekttoleranz?
Hypothese 4a operationalisierte die Bereitschaft, die ganze Bandbreite an Affekten zu
tolerieren, also anzunehmen und damit umgehen zu können, über das Ausmaß der
213
Diskussion und Ausblick
Anwendung von Vermeidungsstrategien. Auch eine versuchsbedingte Abnahme des
allgemeinen Wohlbefindens sollte bei besserer Affekttoleranz geringer ausfallen, wie
es Hypothese 4b formulierte. Es wurde vermutet, dass mit zunehmender Achtsamkeitspraxis die Affekttoleranz steigen sollte, was sich anhand der Ergebnisse zeigen
ließ. Die in 5.1 bis 5.3 besprochenen Einflüsse der Achtsamkeitspraxis bewirken damit
einen messbar besseren Umgang mit emotional belastenden Ereignissen. Dabei ist ein
wichtiger Aspekt der, dass die Meditierenden durch die verringerte Notwendigkeit,
Vermeidungsstrategien zum Schutz vor aversiven Stimuli und den dadurch ausgelösten Emotionen einzusetzen, Zugriff auf mehr Informationen gewinnen. Das Ausblenden einer Vielzahl aversiv valenter Reizkonstellationen entfällt, und die dadurch
gewonnenen, evtl. für die Person frühzeitig relevanten Informationen können in die
Verhaltensplanung mit einbezogen werden.
5.5
Fragebögen
Da sich bei den explorativ gegebenen Fragebögen kein signifikanter Unterschied
zwischen den Gruppen zeigte, ist davon auszugehen, dass sich die in 5.1 bis 5.4
diskutierten Befunde nicht auf Unterschiede der Probanden bezüglich dieser Persönlichkeitsdimensionen zurückführen lassen können. Das Selbstselektionsproblem ist
damit entschärft, lässt sich jedoch nur mit einer randomisierten Kontrollgruppenstudie
ausschalten.
5.6
Zusammenfassung und Ausblick
„Bevor man mit einer buddhistischen Übung beginnt, wird man im
Allgemeinen den Zweck und die Vorteile betrachten. Das ist ein
ganz praktischer Schritt, den man nicht überspringen sollte.”
Dalai Lama XIV in Goleman (2005, S. 405)
Die Achtsamkeitspraxis nimmt den gefundenen Ergebnissen folgend im Laufe ihrer
Vertiefung vielfältige Einflüsse auf die Emotionsverarbeitung des Übenden. Die
Befunde decken sich mit den in den theoretischen Werken vorhergesagten Effekten:
Die Probanden berichteten von einer subjektiven Zunahme der Klarheit, des Facettenreichtums und der Intensität ihrer Emotionswahrnehmung. Die SAM-Ratings ergaben
darüber hinaus einen Trend hin zu etwas geringeren Gefühls-Intensität auf aversive
Stimuli hin. Auf der neurophysiologischen Seite der Emotionsverarbeitung führt die
214
Diskussion und Ausblick
Praxis zu einer sinkenden Intensität und einem verkürzten Zeitverlauf der elektrodermalen Aktivität, was auf eine geringere Kampf- / Fluchtbereitschaft schließen lässt.
Damit einhergehend zeigt sich ein zunehmender Abbau von emotionaler Motivationssystemaktivierung, die für gewöhnlich auf emotionale Reize hin im Sinne eines
„approach“ / „avoidance“ Antagonismus den Organismus aktiviert. Die Auswirkungen
dieses Wandels lassen sich an einer erhöhten Affekttoleranz ablesen: Meditierende
sind besser in der Lage mit Emotionen umzugehen und erleben diese nicht mehr so
bedrohlich und belastend wie die Nichtmeditierenden.
Diese Resultate fügen der bisherigen Achtsamkeitsforschung die Aufklärung
weiterer nützlicher Mechanismen der Meditationspraxis hinzu. Die Ergebnisse der
Untersuchung sind aufgrund der methodischen Einschränkungen, die eine quasiexperimentelle bzw. korrelativ-regressionsanalytische Vorgehensweise mit sich bringt,
jedoch nicht durch eindeutig-kausale Interpretationen belastbar. Sie zeigen dessen
ungeachtet Zusammenhänge auf, die aufgrund der fehlenden bzw. nicht signifikanten
Korrelation aller übrigen erhobenen Variablen als gewichtiger Hinweis auf eine
Verursachung durch die Meditationspraxis verstanden werden können. Da eine
fehlende Startle-Modulation bei gesunden Normalprobanden noch nicht in der Literatur
berichtet wurde, ist es unwahrscheinlich, dass die Ergebnisse durch Selbstselektionseffekte erklärbar sind – also dass sich Menschen ohne Startle-Modulation eher zur
Meditationspraxis hingezogen fühlen bzw. länger bei ihr bleiben. Zum einen ist bisher
keine Population von gesunden Personen bekannt, bei denen keine Modulation
beobachtet wurde (Filion, Michael, Dawson & Schell, 1998). Zum anderen würde das
vorkommen einer Subgruppe gesunder Personen ohne Startle-Modulation bedeuten,
dass diese ihre Emotionen mit einer extrem geringen Motivationssystem-Aktivierung
(wenig Anhaftung bzw. Aversion) erleben, da eine starke Modulation mit einer hohen
Aktivierung (mehr Anhaftung bzw. Aversion) verbunden ist, wie die Arbeit gezeigt hat.
In diesem Fall wiederum wäre es unverständlich, warum ausgerechnet diese Gruppe
sich zu Praktiken hingezogen fühlen sollte, die eine Reduktion von Anhaftung und
Aversion zum Ziel haben. Dieser Logik folgend antwortete auch ein Großteil der
meditierenden Probanden im Nachinterview auf die Frage, wie sie sich in Punkto
Emotionalität vor Beginn der Meditationspraxis beschreiben würden, sie seien „reaktiv,
ängstlich vor Aversivem, vermeidend und eher verschlossen“ gewesen, Einschätzungen, die Cook et al. (1991) und Jennings (2003) zufolge eher mit hohen
Schreckreflex-Amplituden und erhöhter Startle-Modulation assoziiert sind (siehe zu
diesem Argumentationsstrang auch Lazar et al., 2005).
215
Diskussion und Ausblick
Ebenso zeigen die SAM-Intensitätsratings, deren Gruppenunterschiede nicht
signifikant wurden, und die Aussagen im Nachinterview, dass sich die Intensität der
Gefühlswahrnehmung im Laufe der Praxis erhöhe, dass es unwahrscheinlich ist, dass
die Abnahme der EDA- und Startle-Werte durch ein mangelndes Gefühlserleben
bedingt ist, dass sich also nur Personen, die wenig empfinden, in die Gruppe der
Meditierenden selektieren, und damit die Ergebnisse verursachen. Auch die Kohärenz
der Befunde mit den theoretischen Vorhersagen und fehlende alternative Erklärungen
(vor allem für die Startle-Daten) sprechen für spezifische Meditationseffekte. Die wahrscheinlichste Erklärung der Befunde ist demzufolge eine kausale Rolle der Achtsamkeitspraxis, da sie derartige Effekte und Veränderungen prognostiziert.
Um die Frage der kausalen Wirkung abschließend zu klären, wäre eine Längsschnittstudie das Mittel der Wahl. Die bereits vielfach durchgeführten Evaluationen im
Bereich der MBSR-Forschung legen hier eine Prae-Post-Test Kontrollgruppen Studie
nahe, welche die über den Zeitraum des 8-wöchigen MBSR-Programms entstandenen
Veränderungen auf den erhobenen Variablen erfassen könnte. Alternativ wäre auch
möglich, die Effekte über Imaging-Verfahren zu verifizieren: Eine direkte Erfassung der
veränderten Aktivierung in den entsprechenden Gehirnarealen (siehe 2.4.1 und 2.3.4)
mittels fMRI wäre der neurophysiologischen Herangehensweise in Punkto zeitlicher
(verglichen mit dem Startle-Paradigma) und räumlicher Auflösung der Messergebnisse
sicherlich überlegen.
Die Achtsamkeitspraxis kann somit bei sinngemäßer Ausübung als probates
Mittel zur heilsamen Veränderung der Emotionsverabeitung und Emotionsregulation
begriffen werden, das nachweisbar die theoretisch vorhergesagten Effekte in den
untersuchten Komponenten der Emotionsverarbeitung bewirkt.
216
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