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»gesundheit – Altersbestimmung«
ALTERSBESTIMMUNG
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»gesundheit – Altersbestimmung«
BEI FISCHEN
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Viele Koibesitzer haben sich sicher
schon gefragt, wie alt ihre Lieblinge
wirklich sind. die schuppen ihrer
fische können dabei durchaus
behilflich sein.
» Bilder / Text:
E
Dr. med. vet. Werner Hoedt,
Dr. med. vet. Friederike Weinzierl,
Tierärztin Maite Schneider
inleitung
Die meisten Koiliebhaber haben die Geschichte von Hanako gehört,
dem Koi, der mit einem Alter von über 200 Jahren
der älteste Karpfen der Welt war. Sie wurde noch vor
der Unabhängigkeit Amerikas geboren, lebte in einem
Teich auf den japanischen Inseln und starb im Jahr
1977. Neben den von Generation zu Generation überlieferten Geschichten über Hanako, welche ihr ganzes
Leben lang von einer Familie gepflegt wurde, wurde
auch eine Altersbestimmung anhand von Schuppen
durchgeführt, womit klar ist, dass es sich nicht um
eine reine Schätzung alleine handelt, was das Alter
des Tieres angeht.
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Selbst Geschwisterfische, die unter
gleichen Bedingungen aufwachsen,
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den
entwickeln sich unterschiedlich
Viele Koibesitzer haben sich sicher schon gefragt, wie alt ihre Lieblinge wirklich sind, wenn sie sie nicht als
Jungfische gekauft haben. Jeder von uns weiß, dass die Größe, auch wenn es dazu einige Tabellen gibt, nur ein
Hinweis, aber kein zuverlässiges Kriterium ist, da Fütterung, Haltungsbedingungen (Temperaturen, Überwinterung) und Rasse (gehen auf verschiedene Karpfenformen zurück, wie Wildkarpfen, Spiegelkarpfen…) einen
sehr großen Einfluss auf das Wachstum der Fische haben. Selbst Geschwisterfische (wie einige von ihnen
sicher schon bei den eigenen Nachzuchten beobachtet haben) die unter den gleichen Bedingungen aufwachsen,
entwickeln sich unterschiedlich. Aber wie kann man dann das Alter bestimmen, muss man sich hier alleine auf
die Auskünfte von Vorbesitzern oder Händlern verlassen?
GRÜNDE FÜR EINE ALTERSBESTIMMUNG
Für eine Altersbestimmung von Fischen gibt es ganz
unterschiedliche Gründe. In der Teichwirtschaft ist
sie ein wichtiges Hilfsmittel um die Bewirtschaftung
von Gewässern zu optimieren und den günstigsten
Entnahmezeitpunkt bei der Produktion von Speisefischen zu bestimmen und so eine ideale Ausnutzung
zu erreichen.
Bei Wildfischen von wenig erforschten bis unbekannten Arten lässt sich so die Lebenserwartung
abschätzen, ebenso wie die Dauer des Aufenthalts
in verschiedenen Gewässern und der Laichzeit bei
Wanderfischen. Auch lässt sich so die Zu- und Abwanderung von Wildfischen feststellen, ebenso wie
die Ermittlung der Zahl der Jungfische.
Durch eine Ermittlung des Alters bei gleichzeitiger
Fischlänge lassen sich auch Rückschlüsse ziehen, ob
Ca. 2 Jahre alte Koi in einem Aquarium
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die Fische ausreichend mit Futter und Nährstoffen
versorgt sind, oder durch Überbesatz (Stress und Futterkonkurrenz) und andere Belastungen (Mineral- und
Nährstoffgehalt im Gewässer) nicht dem altersgemäßen Durchschnitt entsprechen. wAuch Mangelerkrankungen, welche das Wachstum beeinträchtigen,
lassen sich so aufdecken. Ganz praktisch ist auch die
Überprüfung des vom Verkäufer angegebenen Alters
möglich.
METHODEN ZUR ALTERSBESTIMMUNG
Zur Altersbestimmung lassen sich verschiedene Ansätze heranziehen.
Empirischer Ansatz:
Hierbei werden gezielt Fische beobachtet oder zur
Wiedererkennbarkeit markiert.
Statistischer Ansatz:
Hier werden durch die Ermittlung von statistischen
Größen Durchschnittswerte ermittelt, wie zum Beispiel die durchschnittliche Größe einer Fischart in
normierten Bedingungen bei einem bestimmten Alter.
Anatomischer Ansatz:
Wie bereits erwähnt ist die Längenmessung zwar
verführerisch einfach, aber sehr ungenau, da sie von
vielen Faktoren abhängig ist und deshalb nur in klar
definierten Bedingungen anwendbar ist. Was also auf
eine Haltung vielleicht zutrifft, kann für eine andere
Haltung schon völlig unzutreffend sein. Damit scheidet dieses Kriterium zur genauen Altersbestimmung
schon aus. Wesentlich genauer ist die Bestimmung
über eine Heranziehung von Hartstrukturen im und
am Fischkörper, welche Wachstumsringe ausbilden
können. Darunter fallen Schuppen, Otolithen (Gehörsteinchen), Kiemendeckel (Operculum), Wirbelknochen (Querschnitte), Flossenstrahlen (Querschnitte).
Wachstumsringe entstehen durch unterschiedlich
breite Zubildungen an diesen Strukturen. Die Unterschiede entstehen ähnlich wie bei Bäumen durch die
Frequenz der Nahrungsaufnahme und ein unterschiedliches Nahrungsangebot. Im Sommer entstehen durch
ein reichhaltiges Nahrungsangebot breitere Sommerringe, im Winter sind die so genannten Winterringe
aufgrund der Ruhephase und der reduzierten Nahrungsaufnahme schmalere Winterringe. Bei Fischlarven haben sowohl Schuppen als auch Otolithen noch
keine Ringe um das Zentrum herum.
Von Bakterien
zerfressene Schuppe
Schuppen:
Hier ist eine Altersbestimmung am lebenden Fisch möglich, wobei einschränkend anzumerken ist, dass diese
Methode vor allem bei großschuppigen Fischen wie Karpfen bzw. Koi anwendbar ist. Es gibt hier verschiedene
Theorien, welche Schuppen von welcher Körperstelle am geeignetsten sind, wobei generell keine Schuppen
von der Seitenlinie verwendet werden können. Die Entnahme mehrerer Schuppen steigert die Aussagekraft,
denn so kann verhindert werden, dass es sich bei der einen verwendeten Schuppe ausgerechnet um eine Ersatzschuppe handelt. Diese verfügen nicht über verwendbare Jahresringe, da sie jünger sind als der Fisch. Sie
sind nicht unbedingt sofort zu erkennen, da sie genau die gleiche Größe wie die Originalschuppen erreichen
können.
Für
Altersbestimmung von Fischen
verschiedene Ansätze
die
gibt es
Oben: Schuppenteil
unter dem Mikroskop
Links: Einzelne Schuppe
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Schuppe auf dunklem Hintergrund
Schuppenzeichnung schematisch
Ein gängiges Verfahren zur Ablesung ist das Einlegen von Schuppen in Diarahmen. Es wird dann ein Bild an
die Wand projiziert, wodurch das Alter besser abgelesen werden kann. Es können hierbei nur Linien verwendet
werden, welche konzentrisch und durchgehend verlaufen. Auch ein Ablesen unter dem Mikroskop ist möglich.
Otolithen:
Da Otolithen im Schädelinneren liegen kann diese Form der Altersbestimmung natürlich nur am toten Fisch
vorgenommen werden und ist eine Methode, die zum Beispiel für kleinschuppige Fische verwendet wird. Die
Otolithen liegen im Innenohr und übernehmen hier wichtige Funktionen für den Gleichgewichts- und den Hörsinn. Es gibt drei Paar Otolithen: Sagittae, Lapilli und Asteriscii, wobei die Saggittae, als größte Otolithen, zur
Altersbestimmung herangezogen werden.
Rechts: Otolith
Unten:
Innenohr eines Fisches (Sicht von oben).
Dort befinden sich die Otolithen.
Neben den Jahresringen, welche je nach Jahreszeit
außerhalb des Äquatorbereiches eine unterschiedliche Breite aufweisen unterscheidet sich auch noch
die Zusammensetzung. Im Sommer wird vermehrt
Aragonit eingelagert, im Winter Otolin.
Die Winterringe sind schmal und durchscheinend,
die Sommerringe breit und kompakter, abhängig von
Ausgeprägtheit der Jahreszeiten. Zwischenringe
können durch jahreszeitliche Schwankungen entstehen. Diese Ringe lassen sich nach dem Schleifen und
Einbetten in Harz sichtbar machen. Fehler beim Ablesen sind immer zu erwarten, je älter ein Fisch ist,
desto höher ist auch das Risiko eines Ablesefehlers.
Die Altersbestimmung kann schon bei relativ jungen
Fischen zwischen verschiedenen Ablesern um ca.
2 Jahre schwanken. Um den Menschen als mögliche Fehlerquelle auszuschließen werden heute auch
Bildanalyseprogramme verwendet. Otolithen können
nicht nur Auskünfte über das Alter des Fisches geben,
sondern über eine Bestimmung von Spurenelementen
und radioaktiven Isotopen auch Hinweise auf den Herkunftsort der Fische, was gerade bei Wildfischen interessante Aufschlüsse geben kann über Lebensweise
und Vorkommen.
Kiemendeckel:
Kiemendeckel sind ebenfalls für das Zählen von Jahresringen geeignet, verknöchern aber mit zunehmendem Alter mehr und mehr, wodurch die die Altersbestimmung zunehmend schwieriger wird.
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Die
ältesten uns persönlich bekannten
sind jedenfalls schon über
Wirbelknochen:
Hierzu entnimmt man am toten Tier einen Teil der
Wirbelsäule, entfernt die Muskulatur manuell und das
restliche Material durch Auskochen oder ein Bad in
einer Lauge. Um ein einigermaßen sicheres Ableseergebnis zu erreichen, müssen 8- 10 Wirbel untersucht
werden. Die Beurteilung kann sowohl am Wirbelknochen selbst als auch an der Zwischenwirbelscheibe
erfolgen.
ALLGEMEINE ANMERKUNGEN
Generell ist anzumerken, dass die „Jahres“-Ringe
nicht immer eindeutig zu erkennen sind und eine richtige Deutung sehr viel Erfahrung erfordert. Je größer
ein Fisch ist, desto weniger Nahrung wird für das
Größenwachstum verwendet, es wird ein großer Teil
zum Erhalt verbraucht. Das jährliche Wachstum ist bei
Jungfischen am größten, mit Eintritt der Geschlechtsreife wird ein großer Teil der Nährstoffzufuhr zum
Aufbau der Geschlechtsprodukte verwendet, wobei
dennoch das Wachstum zeitlebens erfolgt allerdings
bei älteren Tieren in nicht mehr nennenswerter Größe.
30 Jahre
Koi
in
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Deutschland
alt
Daher ist es auch nicht möglich ganz genau zu sagen, wie groß eine Fischart unter den optimalen Bedingungen
exakt werden kann.
Interessanterweise ist eine wie oben beschriebene Altersbestimmung in der Tiefsee und im Äquatorbereich so
nicht möglich, da hier die jahreszeitlichen Schwankungen fehlen. Hier müssen andere Möglichkeiten ermittelt
werden, um verwertbare Ergebnisse zu erzielen, wie zum Beispiel ein saisonaler Eintrag von organischem
Material in die Tiefsee, oder regelmäßig wiederkehrende Veränderungen in der Temperatur von tropischen Gewässern. Prinzipiell sollte man sich genau überlegen, ob eine Altersbestimmung bei einem Lieblingskoi wirklich
notwendig ist und überhaupt durchgeführt werden soll. Dieses Verfahren ist nicht unbedingt mit Risiken für den
Fisch selber verbunden, allerdings kann es sein, dass das Gesamtbild durch die Entnahme von Schuppen und
der Nachbildung von Ersatzschuppen, die nicht unbedingt die ursprüngliche Größe erreichen müssen, gestört
wird. Außerdem entwertet jede Entfernung einer Schuppe den Koi. Es ist unbedingt erforderlich, dass der Untersucher selbst über sehr viel Erfahrung in der Altersbestimmung hat, dennoch spielt auch hier der menschliche
Faktor immer eine Rolle und die Ergebnisse von zwei verschiedenen können durchaus voneinander abweichen.
Ganz klar ist, dass eine Untersuchung durch unerfahrene Personen keine verwertbare Aussage bringen wird. Da
die Koihaltung in Deutschland noch relativ jung ist, liegen von dieser Seite noch keine Berichte von sehr alten
Fischen vor. Die ältesten uns persönlich bekannten Koi in Deutschland sind jedenfalls schon über 30 Jahre alt.
Da viele Koi-Fans eine große Freude daran haben, ihre Zöglinge von klein auf aufwachsen zu sehen, sie ihr
Fischleben lang zu begleiten und ihre Entwicklung zu verfolgen, ist die Altersbestimmung für viele Besitzer
sowieso kein Thema. Aber dafür werden viele kleine und große Familienereignisse, die besondere Beziehung
zu den einzelnen Koi ausmachen.

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