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40 »gesundheit – Altersbestimmung« ALTERSBESTIMMUNG » koi kurier | 1-2011 « »gesundheit – Altersbestimmung« BEI FISCHEN 41 Viele Koibesitzer haben sich sicher schon gefragt, wie alt ihre Lieblinge wirklich sind. die schuppen ihrer fische können dabei durchaus behilflich sein. » Bilder / Text: E Dr. med. vet. Werner Hoedt, Dr. med. vet. Friederike Weinzierl, Tierärztin Maite Schneider inleitung Die meisten Koiliebhaber haben die Geschichte von Hanako gehört, dem Koi, der mit einem Alter von über 200 Jahren der älteste Karpfen der Welt war. Sie wurde noch vor der Unabhängigkeit Amerikas geboren, lebte in einem Teich auf den japanischen Inseln und starb im Jahr 1977. Neben den von Generation zu Generation überlieferten Geschichten über Hanako, welche ihr ganzes Leben lang von einer Familie gepflegt wurde, wurde auch eine Altersbestimmung anhand von Schuppen durchgeführt, womit klar ist, dass es sich nicht um eine reine Schätzung alleine handelt, was das Alter des Tieres angeht. » koi kurier | 1-2011 « »gesundheit – Altersbestimmung« Selbst Geschwisterfische, die unter gleichen Bedingungen aufwachsen, 43 den entwickeln sich unterschiedlich Viele Koibesitzer haben sich sicher schon gefragt, wie alt ihre Lieblinge wirklich sind, wenn sie sie nicht als Jungfische gekauft haben. Jeder von uns weiß, dass die Größe, auch wenn es dazu einige Tabellen gibt, nur ein Hinweis, aber kein zuverlässiges Kriterium ist, da Fütterung, Haltungsbedingungen (Temperaturen, Überwinterung) und Rasse (gehen auf verschiedene Karpfenformen zurück, wie Wildkarpfen, Spiegelkarpfen…) einen sehr großen Einfluss auf das Wachstum der Fische haben. Selbst Geschwisterfische (wie einige von ihnen sicher schon bei den eigenen Nachzuchten beobachtet haben) die unter den gleichen Bedingungen aufwachsen, entwickeln sich unterschiedlich. Aber wie kann man dann das Alter bestimmen, muss man sich hier alleine auf die Auskünfte von Vorbesitzern oder Händlern verlassen? GRÜNDE FÜR EINE ALTERSBESTIMMUNG Für eine Altersbestimmung von Fischen gibt es ganz unterschiedliche Gründe. In der Teichwirtschaft ist sie ein wichtiges Hilfsmittel um die Bewirtschaftung von Gewässern zu optimieren und den günstigsten Entnahmezeitpunkt bei der Produktion von Speisefischen zu bestimmen und so eine ideale Ausnutzung zu erreichen. Bei Wildfischen von wenig erforschten bis unbekannten Arten lässt sich so die Lebenserwartung abschätzen, ebenso wie die Dauer des Aufenthalts in verschiedenen Gewässern und der Laichzeit bei Wanderfischen. Auch lässt sich so die Zu- und Abwanderung von Wildfischen feststellen, ebenso wie die Ermittlung der Zahl der Jungfische. Durch eine Ermittlung des Alters bei gleichzeitiger Fischlänge lassen sich auch Rückschlüsse ziehen, ob Ca. 2 Jahre alte Koi in einem Aquarium » koi kurier | 1-2011 « »gesundheit – Altersbestimmung« 45 die Fische ausreichend mit Futter und Nährstoffen versorgt sind, oder durch Überbesatz (Stress und Futterkonkurrenz) und andere Belastungen (Mineral- und Nährstoffgehalt im Gewässer) nicht dem altersgemäßen Durchschnitt entsprechen. wAuch Mangelerkrankungen, welche das Wachstum beeinträchtigen, lassen sich so aufdecken. Ganz praktisch ist auch die Überprüfung des vom Verkäufer angegebenen Alters möglich. METHODEN ZUR ALTERSBESTIMMUNG Zur Altersbestimmung lassen sich verschiedene Ansätze heranziehen. Empirischer Ansatz: Hierbei werden gezielt Fische beobachtet oder zur Wiedererkennbarkeit markiert. Statistischer Ansatz: Hier werden durch die Ermittlung von statistischen Größen Durchschnittswerte ermittelt, wie zum Beispiel die durchschnittliche Größe einer Fischart in normierten Bedingungen bei einem bestimmten Alter. Anatomischer Ansatz: Wie bereits erwähnt ist die Längenmessung zwar verführerisch einfach, aber sehr ungenau, da sie von vielen Faktoren abhängig ist und deshalb nur in klar definierten Bedingungen anwendbar ist. Was also auf eine Haltung vielleicht zutrifft, kann für eine andere Haltung schon völlig unzutreffend sein. Damit scheidet dieses Kriterium zur genauen Altersbestimmung schon aus. Wesentlich genauer ist die Bestimmung über eine Heranziehung von Hartstrukturen im und am Fischkörper, welche Wachstumsringe ausbilden können. Darunter fallen Schuppen, Otolithen (Gehörsteinchen), Kiemendeckel (Operculum), Wirbelknochen (Querschnitte), Flossenstrahlen (Querschnitte). Wachstumsringe entstehen durch unterschiedlich breite Zubildungen an diesen Strukturen. Die Unterschiede entstehen ähnlich wie bei Bäumen durch die Frequenz der Nahrungsaufnahme und ein unterschiedliches Nahrungsangebot. Im Sommer entstehen durch ein reichhaltiges Nahrungsangebot breitere Sommerringe, im Winter sind die so genannten Winterringe aufgrund der Ruhephase und der reduzierten Nahrungsaufnahme schmalere Winterringe. Bei Fischlarven haben sowohl Schuppen als auch Otolithen noch keine Ringe um das Zentrum herum. Von Bakterien zerfressene Schuppe Schuppen: Hier ist eine Altersbestimmung am lebenden Fisch möglich, wobei einschränkend anzumerken ist, dass diese Methode vor allem bei großschuppigen Fischen wie Karpfen bzw. Koi anwendbar ist. Es gibt hier verschiedene Theorien, welche Schuppen von welcher Körperstelle am geeignetsten sind, wobei generell keine Schuppen von der Seitenlinie verwendet werden können. Die Entnahme mehrerer Schuppen steigert die Aussagekraft, denn so kann verhindert werden, dass es sich bei der einen verwendeten Schuppe ausgerechnet um eine Ersatzschuppe handelt. Diese verfügen nicht über verwendbare Jahresringe, da sie jünger sind als der Fisch. Sie sind nicht unbedingt sofort zu erkennen, da sie genau die gleiche Größe wie die Originalschuppen erreichen können. Für Altersbestimmung von Fischen verschiedene Ansätze die gibt es Oben: Schuppenteil unter dem Mikroskop Links: Einzelne Schuppe » koi kurier | 1-2011 « 46 »gesundheit – Altersbestimmung« Schuppe auf dunklem Hintergrund Schuppenzeichnung schematisch Ein gängiges Verfahren zur Ablesung ist das Einlegen von Schuppen in Diarahmen. Es wird dann ein Bild an die Wand projiziert, wodurch das Alter besser abgelesen werden kann. Es können hierbei nur Linien verwendet werden, welche konzentrisch und durchgehend verlaufen. Auch ein Ablesen unter dem Mikroskop ist möglich. Otolithen: Da Otolithen im Schädelinneren liegen kann diese Form der Altersbestimmung natürlich nur am toten Fisch vorgenommen werden und ist eine Methode, die zum Beispiel für kleinschuppige Fische verwendet wird. Die Otolithen liegen im Innenohr und übernehmen hier wichtige Funktionen für den Gleichgewichts- und den Hörsinn. Es gibt drei Paar Otolithen: Sagittae, Lapilli und Asteriscii, wobei die Saggittae, als größte Otolithen, zur Altersbestimmung herangezogen werden. Rechts: Otolith Unten: Innenohr eines Fisches (Sicht von oben). Dort befinden sich die Otolithen. Neben den Jahresringen, welche je nach Jahreszeit außerhalb des Äquatorbereiches eine unterschiedliche Breite aufweisen unterscheidet sich auch noch die Zusammensetzung. Im Sommer wird vermehrt Aragonit eingelagert, im Winter Otolin. Die Winterringe sind schmal und durchscheinend, die Sommerringe breit und kompakter, abhängig von Ausgeprägtheit der Jahreszeiten. Zwischenringe können durch jahreszeitliche Schwankungen entstehen. Diese Ringe lassen sich nach dem Schleifen und Einbetten in Harz sichtbar machen. Fehler beim Ablesen sind immer zu erwarten, je älter ein Fisch ist, desto höher ist auch das Risiko eines Ablesefehlers. Die Altersbestimmung kann schon bei relativ jungen Fischen zwischen verschiedenen Ablesern um ca. 2 Jahre schwanken. Um den Menschen als mögliche Fehlerquelle auszuschließen werden heute auch Bildanalyseprogramme verwendet. Otolithen können nicht nur Auskünfte über das Alter des Fisches geben, sondern über eine Bestimmung von Spurenelementen und radioaktiven Isotopen auch Hinweise auf den Herkunftsort der Fische, was gerade bei Wildfischen interessante Aufschlüsse geben kann über Lebensweise und Vorkommen. Kiemendeckel: Kiemendeckel sind ebenfalls für das Zählen von Jahresringen geeignet, verknöchern aber mit zunehmendem Alter mehr und mehr, wodurch die die Altersbestimmung zunehmend schwieriger wird. » koi kurier | 1-2011 « »gesundheit – Altersbestimmung« Die ältesten uns persönlich bekannten sind jedenfalls schon über Wirbelknochen: Hierzu entnimmt man am toten Tier einen Teil der Wirbelsäule, entfernt die Muskulatur manuell und das restliche Material durch Auskochen oder ein Bad in einer Lauge. Um ein einigermaßen sicheres Ableseergebnis zu erreichen, müssen 8- 10 Wirbel untersucht werden. Die Beurteilung kann sowohl am Wirbelknochen selbst als auch an der Zwischenwirbelscheibe erfolgen. ALLGEMEINE ANMERKUNGEN Generell ist anzumerken, dass die „Jahres“-Ringe nicht immer eindeutig zu erkennen sind und eine richtige Deutung sehr viel Erfahrung erfordert. Je größer ein Fisch ist, desto weniger Nahrung wird für das Größenwachstum verwendet, es wird ein großer Teil zum Erhalt verbraucht. Das jährliche Wachstum ist bei Jungfischen am größten, mit Eintritt der Geschlechtsreife wird ein großer Teil der Nährstoffzufuhr zum Aufbau der Geschlechtsprodukte verwendet, wobei dennoch das Wachstum zeitlebens erfolgt allerdings bei älteren Tieren in nicht mehr nennenswerter Größe. 30 Jahre Koi in 47 Deutschland alt Daher ist es auch nicht möglich ganz genau zu sagen, wie groß eine Fischart unter den optimalen Bedingungen exakt werden kann. Interessanterweise ist eine wie oben beschriebene Altersbestimmung in der Tiefsee und im Äquatorbereich so nicht möglich, da hier die jahreszeitlichen Schwankungen fehlen. Hier müssen andere Möglichkeiten ermittelt werden, um verwertbare Ergebnisse zu erzielen, wie zum Beispiel ein saisonaler Eintrag von organischem Material in die Tiefsee, oder regelmäßig wiederkehrende Veränderungen in der Temperatur von tropischen Gewässern. Prinzipiell sollte man sich genau überlegen, ob eine Altersbestimmung bei einem Lieblingskoi wirklich notwendig ist und überhaupt durchgeführt werden soll. Dieses Verfahren ist nicht unbedingt mit Risiken für den Fisch selber verbunden, allerdings kann es sein, dass das Gesamtbild durch die Entnahme von Schuppen und der Nachbildung von Ersatzschuppen, die nicht unbedingt die ursprüngliche Größe erreichen müssen, gestört wird. Außerdem entwertet jede Entfernung einer Schuppe den Koi. Es ist unbedingt erforderlich, dass der Untersucher selbst über sehr viel Erfahrung in der Altersbestimmung hat, dennoch spielt auch hier der menschliche Faktor immer eine Rolle und die Ergebnisse von zwei verschiedenen können durchaus voneinander abweichen. Ganz klar ist, dass eine Untersuchung durch unerfahrene Personen keine verwertbare Aussage bringen wird. Da die Koihaltung in Deutschland noch relativ jung ist, liegen von dieser Seite noch keine Berichte von sehr alten Fischen vor. Die ältesten uns persönlich bekannten Koi in Deutschland sind jedenfalls schon über 30 Jahre alt. Da viele Koi-Fans eine große Freude daran haben, ihre Zöglinge von klein auf aufwachsen zu sehen, sie ihr Fischleben lang zu begleiten und ihre Entwicklung zu verfolgen, ist die Altersbestimmung für viele Besitzer sowieso kein Thema. Aber dafür werden viele kleine und große Familienereignisse, die besondere Beziehung zu den einzelnen Koi ausmachen.