DerRadiwird jetztauch schon80
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DerRadiwird jetztauch schon80
SEITE 16 DIE WELT KOMPAKT MITTWOCH, 1. OKTOBER 2014 MÜNCHEN MÜNCHNER NÄCHTE Der Radi wird jetzt auch schon 80 FLORIAN KINAST Spielt gegen die Ausgrenzung von Flüchtlingen: The Moonband FLORIAN MEYER-HAWRANEK Die Zukunft der amerikanischen Folkmucke liegt mitten in München – zumindest für Eugen Mondbasis, Chris Houston, Katrin Kirková, Andy Armstrong und Elena Rakete. Denn das Quintett mit den bayerischen Wurzeln schraubt an ihrer ganz eigenen, ausgezeichneten Fortsetzung des US-Folkrock und Americana. Und zwar nicht in Memphis oder Portland, sondern hier an der Isar. Die Musiker-Nachnamen sind natürlich nicht echt. Sie kommen jedoch gerade recht für eine Band, deren Musik zwar Wurzeln in der Vergangenheit hat, die aber nach den Sternen greifen will und sich auch so nennt. The Moonband heißen sie. Und die will ab ins All: mit progressivem Neo-Folk. Vorher treten sie aber noch auf dem „Rage against Abschiebung“-Festival im Feierwerk auf – zusammen mit der ebenfalls aus München stammenden Express Brass Band, Palmeras Kanibales aus Caracas und dem großartig verspulten Jaques Palminger & the Kings of Dubrock aus Hamburg. Ihre Musik soll helfen, die Festung Europa ein Stück weit zu schleifen, die europäische Abschottungspolitik zu kritisieren und die Ausgrenzung von Flüchtlingen in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Einnahmen des Abends gehen übrigens an den Bayerischen Flüchtlingsrat. „Rage against Abschiebung“ mit The Moonband, Feierwerk (Hansastr. 39-41), Donnerstag, 2. Oktober, 19 Uhr, 9,50 Euro DA SCHAU HER Roter Mangold, Fenchel, Ingwer, Zitrone und Apfel – nein, hier ist nicht von einer exotischen Biersorte die Rede. In der Oktoberfest-Edition „O’Presst Is!“ der Sendlinger Saftmanufaktur Pressbar ist alles andere als Alkohol enthalten. Die Säfte in den 0,25-LiterFlaschen werden nicht pasteurisiert und enthalten keine künstlichen Zusatz- und Konservierungsstoffen. Quasi Reinheitsgebot pur. Und wer auf der Wiesn kurz den Maßkrug absetzen will, um Energie statt Hopfen, Wasser und Malz zu tanken, ist mit dem Saft gut bedient. www.pressbar.eu Ein Besuch bei Löwen-Legende Petar Radenkovic: Starker Torwart, legendärer Sänger PA / STEFAN MATZKE/SAMPICS PHOTOGRAPHIE; WEREK; SVEN SIMON (2) FEIERWERK N atürlich geht es auch noch um seinen Geburtstag. Um das Alter und das Altern, spät am Nachmittag, als die letzten Sonnenstrahlen aus dem Schwabinger Hinterhof bereits verschwunden sind. Petar Radenkovic sitzt im Wirtsgarten seiner Lieblings-Osteria, am Tisch vor sich ein unberührtes Carpaccio, das schon eine gute Stunde hier steht, weil er vor lauter Erzählen gar nicht zum Essen kommt. Nun also die Frage, ob ihm das Alter nicht Angst mache, ihm die eigene Endlichkeit noch bewusster werde. Petar Radenkovic hebt seine Schultern und sagt: „Ich denke nicht daran, wie lang das noch gehen soll. Ich lebe jeden Tag. So lange, wie es mir das Leben erlaubt. Das Alter ist nur eine Zahl, das macht mir nichts aus.“ So sang er ja schon vor knapp fünf Jahrzehnten: „Bin i Radi, bin i König, alles andere stört mich wenig.“ Es stört ihn also auch nicht, wenn er heute 80 wird. Petar Radenkovic, die Münchner Fußball-Legende. Eines der großen Idole des TSV 1860. Torwart der glorreichen Löwen in den 60er-Jahren, Pokalsieger 1964, Europacup-Finale 1965, Meister 1966. Einer der besten Torhüter der Bundesliga-Geschichte und mit Sicherheit der lustigste. Neben dem Maier Sepp vom roten Lokalrivalen, dem FC Bayern. In der Kindheit von Radenkovic war es gar nicht so lustig. Vater Rasa war in den 30er-Jahren der bekannteste Sänger Jugoslawiens, im Sommer 1939 ging er mit seiner Frau auf USA-Tournee, den vierjährigen Petar ließen sie bei seinen Großeltern. Der Zweite Weltkrieg brach aus, die Eltern blieben in Amerika, Petar in Belgrad. In Belgrad fielen Bomben, viele Bomben, im April 1941 starben in Belgrad in einer Nacht 2300 Menschen nach Luftangriffen. Der junge Radenkovic überlebte den Krieg, wurde Torwart bei OFK Belgrad und in der Nationalmannschaft, holte mit der Olympia-Auswahl Silber 1956 in Melbourne. Dann aber gab es Ärger, Radenkovic wollte zu Roter Stern wechseln, durfte aber nicht, also setzte er sich in den Zug und fuhr nach Deutschland, landete erst bei Wormatia Worms, bis ihn Max Merkel 1962 nach München holte. Zu den Sechzgern. Von den Sechzgern, sagt Radenkovic, wollte er am Anfang aber am liebsten gleich wieder weg, und das lag an einem Oktoberfestbesuch rund um seinen 28. Geburtstag. „Wir saßen im Bierzelt, links von mir der Rudi Brunnenmeier, er trank drei Mass, rechts der Stemmer Fonsi, der kam auf sieben. Ich dachte mir: Um Himmels willen, was Radi, der Libero: Für seine Ausflüge war der Jugoslawe berühmt (l.). Aber auch als Kopf der Meistermannschaft von 1966 (o.) „Bin i Radi, bin i König, alles andere stört mich wenig“ ist denn das für eine Mannschaft.“ Es sollte eine großartige Mannschaft werden in den kommenden Jahren. Radenkovic sagt, man habe Weltklassestürmer gehabt. Heiß, Konietzka, Brunnenmeier, Küppers, Grosser, sie fieselten die Gegner in jenen Jahren nach Herzenslust ab. Den KSC 9:0, den HSV 9:2, Schalke 7:1, Dortmund 6:1. Und hinten hatten die Sechzger ja ihn, den Radi, der Radi hieß, weil ihm der Sportreporter Hans Schiefele diesen Spitznamen gab. Der Radi hatte unglaubliche Reflexe auf der Linie, oft ging er auch bis zur Mittellinie und darüber hinaus, seine Ausflüge wurden berühmt. „So wie Manuel Neuer“, sagt Radenkovic, „ich habe damals so mitgespielt wie er heute.“ Radenkovic spricht von einer „un- heimlich heiteren Zeit“, man sei ganz unbeschwert gewesen, einmal im Trainingslager am Deininger Weiher südlich von München sei ihnen langweilig gewesen, da hätten sie eine Massenschlägerei vorgetäuscht, sich Verbände um den Kopf gewickelt. Einige wie der Radi malten sich mit roter Tinte einen Fleck auf die Stirn, und so erschienen sie dann vor dem schockierten Präsidenten Adalbert Wetzel. „Einfach so“, sagt Radenkovic, „nur aus Gaudi.“ Mit der Gaudi aber war es dann vorbei. Nach der Vizemeisterschaft 1967 zerbrach die Mannschaft allmählich.Viel schlimmer aber: Es kam nichts nach, was kam, war der Abstieg in die Zweitklassigkeit, 1970. Die tat sich Radenkovic nicht mehr an, er hörte auf, mit 35. Man spürt, dass es ihn auch heute noch schmerzt, wenn er an das Ende damals zurückdenkt und an die Sechzger jetzt. Dass es die Löwen damals trotz der Erfolge nicht schafften, sich langfristig als Spitzenmannschaft zu etablieren in der Bundesliga, in Europa. „Uns haben die Leute mit Vision und Weitblick gefehlt“, sagt er. „Die Bayern hatten später einen Präsidenten Neudecker und einen Manager Hoeneß, der Grundstein dafür, dass sie heute einer der besten Vereine der Welt sind.“ Die Löwen dagegen sind nicht einmal mehr einer der besten Zweitligaklubs, ein Gedümpel im Mittelmaß. Radenkovic will gar nicht so viel sprechen über die aktuelle Misere, er tut es aber doch, sagt, dass die sportliche Leitung seit Jahren „mehr als amateurhaft“ sei und es nicht sein könne, dass trotz der jahrelangen Finanzspritzen von Investor Hasan Ismaik der Wiederaufstieg immer noch nicht gelungen sei. „Der pumpt dauernd Geld hinein, und die Führung weiß nichts damit anzufangen. „Bei Sechzig muss endlich jemand ans Ruder, der Ahnung hat.“ Am Ruder sitzen derzeit Präsident Gerhard Mayrhofer und Sportchef Gerhard Poschner. Manchmal ist Radenkovic noch bei Sechzig, vor allem wenn Jubiläen anstehen. In diesem Jahr etwa das Fünfzigste vom Pokalsieg 1964, in zwei Jahren dann stehen 50 Jahre Deutsche Meisterschaft an, es sind Jubiläen, bei denen die Helden von einst geehrt und gefeiert werden und bei denen die Fans traurig werden, weil die Gegenwart einfach so entsetzlich trostlos ist. Zu behaupten, dass früher alles besser war, ist oft falsch. Bei den Sechzgern aber stimmt das.