OTT_AG_2014_12_OTT_12-2014_Forst
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FORST-TECHNIK Die Heimat des wohl beliebtesten Ostblock-Skidders ist ein Tal zwischen der Kleinen und der Großen Fatra, zwei herben und waldreichen Gebirgszügen in der Slowakei. Hart im Nehmen, kraftvoll, zugstark: Der LKT ist – wenn man so will – im Wald aufgewachsen. Darum kann es sich durchaus lohnen, auch ein vernachlässigtes Exemplar wieder aufzubauen. A uf einem gängigen Videoportal im Netz gibt es einen Beitrag, in dem sich ein LKT 80 durch den Wald bewegt. Ganz normal soweit, außer dass man ihm einen Hänger mit ungefähr 25 Ster Frischholz angespannt hat, zum „Ausgleich“ besonders profilarme Reifen aufgezogen und den Abfuhrweg drei Wochen lang unter Wasser gesetzt hat … und das ist dann doch seltsam spannend, beinahe hypnotisch anzusehen, wie sich das rote Monster durch diesen irrsinnigen Schlamm wühlt und grunzt und schnorchelt und dabei vorwärts schlängelt wie ein urtümli- cher Diesel-Lindwurm, Meter um unwahrscheinlichen Meter … „Ganz normal. Man kommt mit diesem Knicklenker überall dahin, wo man hingucken kann. Und auch wieder raus.“ Klaus-Dieter Breiden kennt den Clip nicht, doch er kann sich die Szenerie gut vorstellen. Klar, das waren bestimmt keine Profis, die da ihren Hänger mit Holz überladen haben, aber macht nix, die Maschine schafft so was. Erschwerte Bedingungen? Hol den LKT! „Eigentlich ist dieser Spezialtraktor für den Privatbedarf zu stark“, sagt Breiden. Er hat ihn auch nur im Einsatz, weil er güns- malbürgerliche Geldbörse? tig in der Anschaffung war und er einen Schwierig. „Ich habe eine großen Holzwurf geschenkt bekommen Weile gesucht, die meisten hatte. Das war im Frühjahr 2007, der be- Angebote waren jedoch zu rüchtigte Orkan Kyrill fegte im Januar schlecht, zu teuer oder beiübers Land – Förster und Waldbesitzer des“, sagt Breiden. Dann halten diese Nacht in schmerzlichem An- fand er seinen LKT 80 bei gedenken. „Da lagen viele große Stämme einem Händler, der einen im Wald, die ich haben konnte. Vorausset- ganzen Schwung Maschinen zung: Ich musste sie rausholen. Und damit aus Frankreich geholt hatte. war ein normaler Traktor weit überfordert. Der Preis war akzeptabel, was natürAlso musste ich was anderes finden.“ lich seinen Grund hatte. „Daran hatten Ein kompetentes Holzrückefahrzeug für sich begnadete Bastler versucht: Pfusch, mittleren bis schweren Bedarf, aber nor- Stückwerk, Flickerei.“ Am schlimmsten hatte es den Motor erwischt: Der Auspuff war abmontiert, Regenwasser eingedrungen – der Klassiker. Der erste und dritte Zylinder standen voll, das verlangte nach einer Totalsanierung. Zum Glück, sind die Ersatzteile gut verfügbar und ziemlich billig. Der Grund: In der DDR-Forstwirtschaft erfreuten sich LKT-Skidder großer Beliebtheit, viele sind heute noch im Einsatz, entsprechend ordentlich ist die Versorgung. RÜBEZAHL Es müssen nicht immer russische Bären sein, auch die ČSSR – genauer gesagt – die Slowakei hatte und hat rote Riesen aufzubieten: Holzrückemaschinen der Marke LKT, die sich bis heute wacker im Wald schlagen – vielerorts in Europa 78 www.oldtimer-traktor.com 12/2014 www.oldtimer-traktor.com 12/2014 79 FORST-TECHNIK FORST-TECHNIK Wer gern Traktor fährt, der sollte mal einen Knicklenker probieren. Der Geradeauslauf ist mäßig, aber wenn’s um enge Kurven geht, ist es großartig Obwohl sich der LKT während der vergangenen 40 Jahre kaum verändert hat, ist seine Historie ein wenig verwickelt. Das liegt vor allem am Mutterhaus. Ein Blick auf das Typenschild dieses 1979er Exemplars nennt als Hersteller Závody T ažkého Strojárstva (ZTS) n. p. Martin (CSSR), was sich in etwa übersetzt als Tschechoslowakischer Staatsbetrieb Schwermaschinenwerk Martin. Nach Art sozialistischer Wirtschaftsplaner würfelte dieser Begriff mehrere Fabriken zusammen, wobei Umstrukturierungen (die man in der CSSR besonders gern und oft betrieb) und nicht zuletzt die Auflösung des Ostblocks dafür sorgten, dass auch dieses Werk im Verlauf der Jahrzehnte mehrere Namen trug. Die hier relevante Fabrik steht in Martin, einer Stadt in der Slowakei; zur Zeit der Werksgründung hieß der Ort Turciansky Svätý Martin, auf deutsch Turz-Sankt Martin, und dort wurde auf Beschluss des Industrieministers im Sommer 1948 eine stahlverarbeitende Fabrik gegründet. Zwischenzeitlich Stalinwerke genannt, erhielt das Turcianske Strojárne (Turzer Maschinenwerk) 1954 eine Spezialabteilung für den Lizenzbau sowjetischer Panzer. 1960 eröffnete man eine zweite Fahrzeuglinie mit der Herstellung von Dieselloks. Im Gefolge der KSZE-Abrüstungsverhandlungen ab 1973 musste dann die Panzerfertigung allerdings deutlich zurückgefahren werden. Man braucht nicht lange suchen, um die Inspiration für eine völlig neue Pro- duktlinie zu finden. Wer nämlich von Martin aus ins 70 Kilometer entfernte Námestovo fährt, wo die ZTS ein Zweigwerk hatte, folgt dem Tal der Orava (deutsch Arwa). Dieser Fluss trennt die Kleine von der Großen Fatra, zwei dicht bewaldete Gebirgszüge. Die Forstwirtschaft dort benötigte dringend passendes Gerät. Die Entwicklung des Lesní Kolový Traktor, kurz LKT (auf deutsch „Forst-Radtraktor“) begann daher schon vor Beginn der KSZE, nämlich Mitte der Sechziger. Kraft, Robustheit und Geländetauglichkeit sollten die Maschine auszeichnen, aber auch einfache Bauweise. Wenn man in einem abgelegenen Seitental eine Havarie erleidet, befreit einen bis heute kein Notdienst aus misslicher Lage. Der Fahrer muss hier selbst ran. „Die Maschine bockt sich auf den Schilden hoch, dann nimmt man das Rad ab und zieht zum Beispiel die Achse raus. Alles an dem Skidder ist praktikabel, einfach und übersichtlich“, sagt KlausDieter Breiden. Der LKT hat genau das, was er braucht, und nicht mehr. Das aber ist stabil: „Ich hab mal eine Antriebswelle aus der Achse gezogen. Die ist ungefähr armdick ...“ Die Betätigungswellen für die mächtigen Trommelbremsen sind nicht minder eindrucksvoll, oder überhaupt der Blick von unten. Da sieht man zwei wannenartig ausgeformte Tragkörper; die starren Achsen sind baugleich. Zwei Hydraulik-Kreise teilen sich die Versorgung von Lenkung, raulikzylinder: Doppelt wirkende Hyd , was Holz ist Damit lässt sich anheben Joystick? Nix da! Die Hydraulik braucht ein bisschen Gefühl seitens der Hand Schilden und Winden – die Pumpe für Geräte und Schilde ist abschaltbar, damit auf Streckenfahrten nicht unnötig Kraft in einen ungenutzten Kreislauf gepumpt wird. Die erste Auflage des LKT entstand zwischen 1967 und 1971, noch im Werk Martin. Dieser LKT 75 war ein sehr karges Gerät, ganz Funktion, ohne jeglichen Komfort für die Mannschaft. Das kam erst mit dem LKT 80, in Entwicklung ab 1971 und produktionsreif 1975: geschlossene Kabine Alles ist überdimensionie rt. Kein Wunder, dass viele Exemplare heute noch Dienst tun TECHNISCHE DATEN ZTS LKT 80 Hersteller: Závody Ťažkého Strojárstva (ZTS) n. p. Martin (ČSSR) Motor: Zetor 8001 Bauart: Vierzylinder-Viertakt-Reihendiesel, wassergekühlt; fünffach gelagerte Kurbelwelle; ohv-gesteuert; Treibstoff-Direkteinspritzung von Motorpal (nach System Saurer) Bohrung x Hub: 110 x 120 mm Hubraum: 4562 ccm In dieser Kabine führt kein Weg am Luftkessel vorbei. Den braucht’s, die Bremsen haben gut zu tun Leistung: 80 PS bei 2200 U/min Rahmen & Fahrwerk: Zwei wannenförmige Rahmenelemente mit Knickgelenk; Hinterachse starr, Vorderachse pendelnd; druckluftbetätigte Trommelbremsen; hydraulisch betätigte Knicklenkung Kraftübertragung & Antrieb: Einscheiben-Trockenkupplung; Vierganggetriebe mit Rückwärtsgang, permanenter Allradantrieb, Differentialsperren in beiden Achsen, Radvorgelege durch Außenplanetengetriebe Bereifung: 16.9–30 Radstand: 2450 mm L x B x H: 5350 x 2250 x 2650 mm Leergewicht: 6400 kg Höchstgeschwindigkeit: 20 km/h Funktional – auch das Armaturenbrett: Rechts liegt der Standgashebel, daneben die Steuerung für den Frontschild Der Zetor-Motor war seinerzeit fortschrittlich, die Gummilagerung im Skidder sorgt bis heute dafür, dass der Vierzylinder heftige Stöße gut verdaut und seine Vibrationen gedämpft überträgt Ausrüstung: Frontpolterschild an doppelt wirkenden Hydraulikstempeln, Heckrückeschild; Zweitrommel-Seilwinde Diebolt DLW-2M7 (an diesem Exemplar), hydraulisch angetrieben, Zugkraft je 7 t, elektropneumatische Steuerung, Seilkapazität je 95 m bei 14 mm Seilstärke (installiert 1981) www.oldtimer-traktor.com 12/2014 81 FORST-TECHNIK Die Funkfernsteuerung ist nachgerüstet. Sie erspart viel Kletterei in die Kabine und wieder hinunter Die Doppelwinde – ein Werner-Lizenzbau – ist ein französisches Fabrikat, hergestellt von Diebolt Das sind Bremstrommeln! Baugleiche Achsen erleichtern die Teileversorgung – und damit letztlich auch etwaige Reparaturen Wer genau hinsieht, erkennt den aufgestockten Motorhaubendeckel. Das ist ein Eigenbau: „Die Maschine entwickelt doch einige Hitze“, gibt Klaus Breiden als Grund für die „Erhöhung“ an mit Türen, etwas komfortablerer Sitz, sogar eine Heizung (die freilich nur bei geschlossener Kabine Wärme „schaffte“). Die Vorderachse hatte nun eine Differentialsperre, die Seilwinde mehr Zugkraft. Für den Motor konnte ZTS von Anfang an auf die modernsten Aggregate des Brünner Werks ZKL zurückgreifen, deren Traktoren unter dem Namen Zetor beliebt waren (übrigens auch im „Nicht-Sozialistischen Wirtschaftsraum“). Die 1975 aktuelle Zetor-Motorengeneration war sehr fortschrittlich mit Direkteinspritzung und Querstromköpfen – genau das richtige für das Rückegerät. Einer ministeriellen Verordnung folgend, bekam ZTS Námestovo 1973 ein völlig neues Werk und durfte nun alleinig die Zetor-Motoren herstellen – was in Brünn natürlich nicht sehr gut ankam. Die LKT-Linie jedenfalls erhielt im selben Jahr eine Sechszylinder-Version mit gewaltigen 120 PS, Name (logisch): LKT 120. Am Rande sei erwähnt, dass das ZetorWerk Brünn 1981 die Produktion ihrer profitablen großen Baureihen an ZTS KONTAKTADRESSE Hat der rote Waldschrat eine Reifenpanne oder einen Achsschaden, „stellt“ er sich einfach auf seine Schilder – und das Reparieren kann beginnen 82 www.oldtimer-traktor.com 12/2014 Klaus-Dieter Breiden Schulstraße 10 56203 Höhr-Grenzhausen Martin verlor – selbiges Werk hatte damals imposante 11.000 Mitarbeiter, von denen ein erheblicher Teil eben keine Panzer mehr zu bauen hatte. Entlassungen waren ausgeschlossen und hätten das 50.000Einwohner-Städtchen Martin aus dem Gleichgewicht geworfen, also verlegte man die Heimat der schweren Zetor-Baureihen in die Slowakei – sehr zum Unmut der Tschechen. Im Zetor-Werk, wo immerhin die Entwicklungsabteilung verblieben war, experimentierte man ab 1978 mit Turboladern; der Vierzylinder machte dadurch einen Leistungssprung auf 100 PS. Bei ZTS hatte man den Skidder inzwischen zum LKT 81 weiterentwickelt, der dann auch mit Turbo erhältlich war. Unter dieser Bezeichnung gibt es die Maschine bis heute. Mit der Abtrennung der Slowakei 1993 verlor das Zetor-Werk in Brünn übrigens vollends die Kontrolle über seine Schwertraktoren-Linie. Zu den Stückzahlen gibt es nur ungefähre Angaben. Vom LKT 75 entstanden wahrscheinlich weniger als 1000 Stück, der Nachfolger LKT 80 brachte es immerhin auf etwa 3500 Einheiten, die gern auch exportiert wurden, unter anderem nach Frankreich, dort als preisgünstige und absolut ernstzunehmende Alternative zum Forstmaschinen-König Latil, und natürlich in die DDR, wo das Institut für Forstwissenschaften Eberswalde bereits 1971 ein Vorserienexemplar prüft. Klaus-Dieter Breiden kann das gut nachvollziehen, er ist sehr angetan von den Nehmerqualitäten seiner Maschine. Wobei – zuerst musste er sie natürlich zum Leben erwecken. Immerhin, der Motor läuft mit nassen Laufbuchsen, was die Überholung deutlich vereinfacht. Weiters fehlten wichtige Einrichtungen wie ein Fahrersitz („da stand so eine Art Küchenhocker drin“) oder das Steuergerät für die französische Winde. Die Steuereinheit baute Breiden nach originalen Plänen selbst und koppelte sie an eine Funk-Fernbedienung. Warum übrigens eine Diebold-Winde installiert ist anstelle der serienmäßigen, bleibt in der Geschichte verborgen. Die Typplakette nennt als Baujahr der Winde das Jahr 1981, das könnte ein Hinweis darauf sein, dass dieses Exemplar ohne Winde in den Export ging. Denkbar ist das schon, denn das Werk hatte immer wieder mit Engpässen bei Zulieferteilen zu kämpfen – wenn im Importland die Lage besser aussieht, warum nicht ohne auf den Weg schicken? Klaus-Dieter Breiden jedenfalls war nun bereit, im verwüsteten Forst aufzuräumen. Die Handhabung ist denkbar einfach, wobei man sich schnell an das kopfstehende Schaltschema gewöhnt hat, wahrscheinlich schneller als an die Knicklenkung. Online-Videos übrigens gibt es von dieser speziellen Maschine nicht. Wer sie einmal in Aktion erleben will – und das ist wirklich sehenswert – dem sei ein Besuch bei Klaus-Dieter Breiden empfohlen. Text: Till Schauen Fotos: Joachim Storch www.oldtimer-traktor.com 12/2014 83