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FORST-TECHNIK
Die Heimat des wohl beliebtesten
Ostblock-Skidders ist ein Tal
zwischen der Kleinen und der
Großen Fatra, zwei herben und
waldreichen Gebirgszügen in der
Slowakei. Hart im Nehmen, kraftvoll,
zugstark: Der LKT ist – wenn man so
will – im Wald aufgewachsen. Darum
kann es sich durchaus lohnen, auch
ein vernachlässigtes Exemplar
wieder aufzubauen.
A
uf einem gängigen Videoportal im
Netz gibt es einen Beitrag, in dem
sich ein LKT 80 durch den Wald bewegt.
Ganz normal soweit, außer dass man ihm
einen Hänger mit ungefähr 25 Ster Frischholz angespannt hat, zum „Ausgleich“ besonders profilarme Reifen aufgezogen und
den Abfuhrweg drei Wochen lang unter
Wasser gesetzt hat … und das ist dann
doch seltsam spannend, beinahe hypnotisch anzusehen, wie sich das rote Monster durch diesen irrsinnigen Schlamm
wühlt und grunzt und schnorchelt und
dabei vorwärts schlängelt wie ein urtümli-
cher Diesel-Lindwurm, Meter um unwahrscheinlichen Meter …
„Ganz normal. Man kommt mit diesem
Knicklenker überall dahin, wo man hingucken kann. Und auch wieder raus.“
Klaus-Dieter Breiden kennt den Clip nicht,
doch er kann sich die Szenerie gut vorstellen. Klar, das waren bestimmt keine Profis,
die da ihren Hänger mit Holz überladen
haben, aber macht nix, die Maschine
schafft so was. Erschwerte Bedingungen?
Hol den LKT!
„Eigentlich ist dieser Spezialtraktor für
den Privatbedarf zu stark“, sagt Breiden. Er
hat ihn auch nur im Einsatz, weil er güns- malbürgerliche Geldbörse?
tig in der Anschaffung war und er einen Schwierig. „Ich habe eine
großen Holzwurf geschenkt bekommen Weile gesucht, die meisten
hatte. Das war im Frühjahr 2007, der be- Angebote waren jedoch zu
rüchtigte Orkan Kyrill fegte im Januar schlecht, zu teuer oder beiübers Land – Förster und Waldbesitzer des“, sagt Breiden. Dann
halten diese Nacht in schmerzlichem An- fand er seinen LKT 80 bei
gedenken. „Da lagen viele große Stämme einem Händler, der einen
im Wald, die ich haben konnte. Vorausset- ganzen Schwung Maschinen
zung: Ich musste sie rausholen. Und damit aus Frankreich geholt hatte.
war ein normaler Traktor weit überfordert. Der Preis war akzeptabel, was natürAlso musste ich was anderes finden.“
lich seinen Grund hatte. „Daran hatten
Ein kompetentes Holzrückefahrzeug für sich begnadete Bastler versucht: Pfusch,
mittleren bis schweren Bedarf, aber nor- Stückwerk, Flickerei.“
Am schlimmsten hatte es
den Motor erwischt: Der
Auspuff war abmontiert, Regenwasser eingedrungen –
der Klassiker. Der erste und
dritte Zylinder standen voll,
das verlangte nach einer
Totalsanierung. Zum Glück,
sind die Ersatzteile gut verfügbar und ziemlich billig. Der
Grund: In der DDR-Forstwirtschaft
erfreuten sich LKT-Skidder großer Beliebtheit, viele sind heute noch im Einsatz, entsprechend ordentlich ist die Versorgung.
RÜBEZAHL
Es müssen nicht immer russische Bären sein,
auch die ČSSR – genauer gesagt – die
Slowakei hatte und hat rote Riesen
aufzubieten: Holzrückemaschinen
der Marke LKT, die sich bis heute
wacker im Wald schlagen –
vielerorts in Europa
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FORST-TECHNIK
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Wer gern Traktor
fährt, der sollte mal
einen Knicklenker
probieren. Der
Geradeauslauf ist
mäßig, aber wenn’s
um enge Kurven
geht, ist es
großartig
Obwohl sich der LKT während der vergangenen 40 Jahre kaum verändert hat, ist seine Historie ein wenig verwickelt. Das liegt
vor allem am Mutterhaus. Ein Blick auf das
Typenschild dieses 1979er Exemplars nennt
als Hersteller Závody T
 ažkého Strojárstva
(ZTS) n. p. Martin (CSSR),

was sich in etwa
übersetzt als Tschechoslowakischer Staatsbetrieb Schwermaschinenwerk Martin. Nach
Art sozialistischer Wirtschaftsplaner würfelte dieser Begriff mehrere Fabriken zusammen, wobei Umstrukturierungen (die
man in der CSSR

besonders gern und oft
betrieb) und nicht zuletzt die Auflösung
des Ostblocks dafür sorgten, dass auch
dieses Werk im Verlauf der Jahrzehnte
mehrere Namen trug.
Die hier relevante Fabrik steht in Martin,
einer Stadt in der Slowakei; zur Zeit der
Werksgründung hieß der Ort Turciansky
Svätý Martin, auf deutsch Turz-Sankt Martin, und dort wurde auf Beschluss des Industrieministers im Sommer 1948 eine
stahlverarbeitende Fabrik gegründet. Zwischenzeitlich Stalinwerke genannt, erhielt
das Turcianske Strojárne (Turzer Maschinenwerk) 1954 eine Spezialabteilung für
den Lizenzbau sowjetischer Panzer. 1960
eröffnete man eine zweite Fahrzeuglinie
mit der Herstellung von Dieselloks. Im Gefolge der KSZE-Abrüstungsverhandlungen
ab 1973 musste dann die Panzerfertigung
allerdings deutlich zurückgefahren werden.
Man braucht nicht lange suchen, um
die Inspiration für eine völlig neue Pro-
duktlinie zu finden. Wer nämlich von Martin aus ins 70 Kilometer entfernte Námestovo fährt, wo die ZTS ein Zweigwerk
hatte, folgt dem Tal der Orava (deutsch
Arwa). Dieser Fluss trennt die Kleine von
der Großen Fatra, zwei dicht bewaldete
Gebirgszüge. Die Forstwirtschaft dort benötigte dringend passendes Gerät. Die
Entwicklung des Lesní Kolový Traktor,
kurz LKT (auf deutsch „Forst-Radtraktor“)
begann daher schon vor Beginn der KSZE,
nämlich Mitte der Sechziger. Kraft, Robustheit und Geländetauglichkeit sollten
die Maschine auszeichnen, aber auch einfache Bauweise. Wenn man in einem abgelegenen Seitental eine Havarie erleidet,
befreit einen bis heute kein Notdienst aus
misslicher Lage. Der Fahrer muss hier
selbst ran. „Die Maschine bockt sich auf
den Schilden hoch, dann nimmt man das
Rad ab und zieht zum Beispiel die Achse
raus. Alles an dem Skidder ist praktikabel,
einfach und übersichtlich“, sagt KlausDieter Breiden.
Der LKT hat genau das, was er braucht,
und nicht mehr. Das aber ist stabil: „Ich
hab mal eine Antriebswelle aus der Achse
gezogen. Die ist ungefähr armdick ...“ Die
Betätigungswellen für die mächtigen
Trommelbremsen sind nicht minder eindrucksvoll, oder überhaupt der Blick von
unten. Da sieht man zwei wannenartig
ausgeformte Tragkörper; die starren Achsen sind baugleich. Zwei Hydraulik-Kreise
teilen sich die Versorgung von Lenkung,
raulikzylinder:
Doppelt wirkende Hyd
, was Holz ist
Damit lässt sich anheben
Joystick? Nix da! Die Hydraulik braucht
ein bisschen Gefühl seitens der Hand
Schilden und Winden – die Pumpe für Geräte und Schilde ist abschaltbar, damit auf
Streckenfahrten nicht unnötig Kraft in einen ungenutzten Kreislauf gepumpt wird.
Die erste Auflage des LKT entstand zwischen 1967 und 1971, noch im Werk Martin. Dieser LKT 75 war ein sehr karges Gerät, ganz Funktion, ohne jeglichen Komfort
für die Mannschaft. Das kam erst mit dem
LKT 80, in Entwicklung ab 1971 und produktionsreif 1975: geschlossene Kabine
Alles ist überdimensionie
rt. Kein Wunder,
dass viele Exemplare
heute noch Dienst tun
TECHNISCHE DATEN
ZTS LKT 80
Hersteller:
Závody Ťažkého Strojárstva (ZTS)
n. p. Martin (ČSSR)
Motor: Zetor 8001
Bauart:
Vierzylinder-Viertakt-Reihendiesel, wassergekühlt; fünffach gelagerte Kurbelwelle;
ohv-gesteuert; Treibstoff-Direkteinspritzung
von Motorpal (nach System Saurer)
Bohrung x Hub: 110 x 120 mm
Hubraum: 4562 ccm
In dieser Kabine
führt kein Weg am
Luftkessel vorbei.
Den braucht’s, die
Bremsen haben
gut zu tun
Leistung: 80 PS bei 2200 U/min
Rahmen & Fahrwerk:
Zwei wannenförmige Rahmenelemente mit
Knickgelenk; Hinterachse starr, Vorderachse
pendelnd; druckluftbetätigte Trommelbremsen; hydraulisch betätigte Knicklenkung
Kraftübertragung & Antrieb:
Einscheiben-Trockenkupplung;
Vierganggetriebe mit Rückwärtsgang,
permanenter Allradantrieb,
Differentialsperren in beiden Achsen,
Radvorgelege durch Außenplanetengetriebe
Bereifung: 16.9–30
Radstand: 2450 mm
L x B x H: 5350 x 2250 x 2650 mm
Leergewicht: 6400 kg
Höchstgeschwindigkeit: 20 km/h
Funktional – auch das Armaturenbrett:
Rechts liegt der Standgashebel, daneben
die Steuerung für den Frontschild
Der Zetor-Motor war seinerzeit fortschrittlich, die Gummilagerung im Skidder sorgt bis heute
dafür, dass der Vierzylinder heftige Stöße gut verdaut und seine Vibrationen gedämpft überträgt
Ausrüstung:
Frontpolterschild an doppelt wirkenden
Hydraulikstempeln, Heckrückeschild;
Zweitrommel-Seilwinde Diebolt DLW-2M7 (an
diesem Exemplar), hydraulisch angetrieben,
Zugkraft je 7 t, elektropneumatische
Steuerung, Seilkapazität je 95 m bei
14 mm Seilstärke (installiert 1981)
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Die Funkfernsteuerung
ist nachgerüstet. Sie
erspart viel Kletterei
in die Kabine und
wieder hinunter
Die Doppelwinde – ein
Werner-Lizenzbau
– ist ein französisches
Fabrikat, hergestellt
von Diebolt
Das sind
Bremstrommeln!
Baugleiche Achsen
erleichtern die
Teileversorgung – und
damit letztlich auch
etwaige Reparaturen
Wer genau hinsieht, erkennt den aufgestockten Motorhaubendeckel. Das ist ein Eigenbau: „Die
Maschine entwickelt doch einige Hitze“, gibt Klaus Breiden als Grund für die „Erhöhung“ an
mit Türen, etwas komfortablerer Sitz, sogar eine Heizung (die freilich nur bei geschlossener Kabine Wärme „schaffte“).
Die Vorderachse hatte nun eine Differentialsperre, die Seilwinde mehr Zugkraft.
Für den Motor konnte ZTS von Anfang
an auf die modernsten Aggregate des
Brünner Werks ZKL zurückgreifen, deren
Traktoren unter dem Namen Zetor beliebt
waren (übrigens auch im „Nicht-Sozialistischen Wirtschaftsraum“). Die 1975 aktuelle Zetor-Motorengeneration war sehr
fortschrittlich mit Direkteinspritzung und
Querstromköpfen – genau das richtige für
das Rückegerät. Einer ministeriellen Verordnung folgend, bekam ZTS Námestovo 1973 ein
völlig neues Werk und durfte
nun alleinig die Zetor-Motoren herstellen – was in Brünn
natürlich nicht sehr gut ankam. Die LKT-Linie jedenfalls erhielt im selben Jahr eine Sechszylinder-Version mit gewaltigen 120 PS, Name (logisch): LKT 120.
Am Rande sei erwähnt, dass das ZetorWerk Brünn 1981 die Produktion ihrer
profitablen großen Baureihen an ZTS
KONTAKTADRESSE
Hat der rote Waldschrat eine Reifenpanne oder einen
Achsschaden, „stellt“ er sich einfach auf seine Schilder –
und das Reparieren kann beginnen
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Klaus-Dieter Breiden
Schulstraße 10
56203 Höhr-Grenzhausen
Martin verlor – selbiges Werk hatte damals
imposante 11.000 Mitarbeiter, von denen
ein erheblicher Teil eben keine Panzer
mehr zu bauen hatte. Entlassungen waren
ausgeschlossen und hätten das 50.000Einwohner-Städtchen Martin aus dem
Gleichgewicht geworfen, also verlegte
man die Heimat der schweren Zetor-Baureihen in die Slowakei – sehr zum Unmut
der Tschechen.
Im Zetor-Werk, wo immerhin die Entwicklungsabteilung verblieben war, experimentierte man ab 1978 mit Turboladern;
der Vierzylinder machte dadurch einen
Leistungssprung auf 100 PS. Bei ZTS hatte
man den Skidder inzwischen zum LKT 81
weiterentwickelt, der dann auch mit Turbo erhältlich war. Unter dieser Bezeichnung gibt es die Maschine bis heute. Mit
der Abtrennung der Slowakei 1993 verlor
das Zetor-Werk in Brünn übrigens vollends die Kontrolle über seine Schwertraktoren-Linie.
Zu den Stückzahlen gibt es nur ungefähre Angaben. Vom LKT 75 entstanden
wahrscheinlich weniger als 1000 Stück,
der Nachfolger LKT 80 brachte es immerhin auf etwa 3500 Einheiten, die gern auch
exportiert wurden, unter anderem nach
Frankreich, dort als preisgünstige und absolut ernstzunehmende Alternative zum
Forstmaschinen-König Latil, und natürlich in die DDR, wo das Institut für Forstwissenschaften Eberswalde bereits 1971
ein Vorserienexemplar prüft.
Klaus-Dieter Breiden kann das gut
nachvollziehen, er ist sehr angetan von
den Nehmerqualitäten seiner Maschine.
Wobei – zuerst musste er sie natürlich zum
Leben erwecken. Immerhin, der Motor
läuft mit nassen Laufbuchsen, was die
Überholung deutlich vereinfacht. Weiters
fehlten wichtige Einrichtungen wie ein
Fahrersitz („da stand so eine Art Küchenhocker drin“) oder das Steuergerät für die
französische Winde. Die Steuereinheit
baute Breiden nach originalen Plänen
selbst und koppelte sie an eine Funk-Fernbedienung. Warum übrigens eine Diebold-Winde installiert ist anstelle der serienmäßigen, bleibt in der Geschichte verborgen. Die Typplakette nennt als Baujahr
der Winde das Jahr 1981, das könnte ein
Hinweis darauf sein, dass dieses Exemplar
ohne Winde in den Export ging. Denkbar
ist das schon, denn das Werk hatte immer
wieder mit Engpässen bei Zulieferteilen
zu kämpfen – wenn im Importland die
Lage besser aussieht, warum nicht ohne
auf den Weg schicken?
Klaus-Dieter Breiden jedenfalls war nun
bereit, im verwüsteten Forst aufzuräumen.
Die Handhabung ist denkbar einfach, wobei man sich schnell an das kopfstehende
Schaltschema gewöhnt hat, wahrscheinlich schneller als an die Knicklenkung.
Online-Videos übrigens gibt es von dieser
speziellen Maschine nicht. Wer sie einmal
in Aktion erleben will – und das ist wirklich sehenswert – dem sei ein Besuch bei
Klaus-Dieter Breiden empfohlen.
Text: Till Schauen
Fotos: Joachim Storch
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