factory outlet center (foc) -eine in deutschland umstrittene betriebsform

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factory outlet center (foc) -eine in deutschland umstrittene betriebsform
Geographica Timisiensis, vol. 15, nr. 1-2, 2006, (pp.73-77) ●
FACTORY OUTLET CENTER (FOC)
-EINE IN DEUTSCHLAND UMSTRITTENE
BETRIEBSFORMRoman MARTIN
Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie
Universität Hannover
Zusammenfassung. Factory-Outlet-Center (FOC) ist eine Betriebs- und Vertriebsform des
Einzelhandels, die in den meisten europäischen Ländern akzeptiert wird, in Deutschland aber auf
massiven Widerstand verschiedenster Akteure stößt.
Im Referat wird zunächst der Begriff Factory-Outlet-Center definiert und die Entstehung des
Konzeptes in den USA und dessen Verbreitung nach Europa beschrieben. Dabei soll besonders auf
die Anforderungen an den Standort eingegangen werden. Anschließend wird die Situation in
Deutschland näher beschrieben: Als eines der kaufkraftstärksten und als das bevölkerungsreichste
Land Europas gilt Deutschland für die Betreiber als Markt mit hohem Potenzial. Dennoch finden wir
hier heute lediglich vier FOC. Grund für diese geringe Anzahl ist zum einen die Unverträglichkeit des
FOC-Konzepts mit der in der deutschen Raumordnung verankerten Leitvorstellung einer nachhaltigen
Raumentwicklung. Zum anderen hat sich auf lokaler Ebene ein massiver Widerstand verschiedener
Akteure entwickelt, die sich den meisten Ansiedlungsvorhaben erfolgreich widersetzen konnten. Auf
die Kritik von Seiten der Raumplanung und von Seiten regionaler Akteure soll näher eingegangen
werden.
Das Referat behandelt Factoy-Outlet-Center als relativ neues Konzept des großflächigen
Einzelhandels, dessen räumliche Auswirkungen in Deutschland unter Anteilnahme der Öffentlichkeit
diskutiert werden.
Résumé. Le Factory-Outlet-Center (FOC) est une forme du commerce en détail qui est accepté dans
la plupart des pays européens. Cependant en Allemagne, ces projets rencontrent une résistance
massive de différents groupes d’acteurs.
Dans l'exposé, après une brève définition sera décrite la naissance du concept Factory-Outlet-Center
aux Etats Unis et sa diffusion en Europe. Les exigences d'emplacement seront prises en considération.
Ensuite, la situation en Allemagne sera décrite plus en détail : Le pays dispose d'un grand pouvoir
d'achat et comme c’est le pays le plus peuplé en Europe, l’Allemagne est considéré comme un marché
avec grand potentiel pour les FOC. Cependant, aujourd'hui on y trouve seulement quatre de ces
entreprises. La raison pour ce faible nombre est l'incompatibilité du concept FOC avec l'aménagement
du territoire allemand et son modèle d’un développement régional durable. D'autre part, au niveau
local, une résistance massive s'est développée parmi de différents acteurs régionaux et locaux qui se
sont s'opposés avec succès contre la plupart des projets. Les points de critique de la part de
l'aménagement du territoire et de la part des acteurs régionaux seront décrits plus en détail.
L'exposé traite les Factoy-Outlet-Center comme concept de larges projets de commerce en détail
relativement récent dont les conséquences spatiales sont observées par un large public.
Abstract. Factory-Outlet-Center (FOC) is a form of retail sales which is widely accepted in most
European countries. In Germany however it faces a strong resistance coming from different players.
In the presentation, a definition of Factory-Outlet-Center will be given and the emergence of this
concept in the USA and its spreading over Europe will be described. A particular point will be the
requirements concerning the location of FOC. Then, the situation in Germany will be described more
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in detail: As one of the strongest purchasing power and as the most populated country in Europe,
Germany is considered to be a market with a high potential for FOC. Nevertheless, only four of those
enterprises have settled down in Germany until today. Reasons for this small number are on the one
hand the incompatibility of the FOC concept with the German spatial planning system and its
principles of sustainable regional development. On the other hand, a strong resistance among
different regional and local players has successfully prevented most projects.
The presentation treats Factoy-Outlet-Center as a relatively new concept for huge sized retail sales,
whose spatial effects are discussed and observed by a broad public in Germany.
Key words: Factory-Outlet-Center, großflächiger Einzelhandel, retail, shopping center
Mots-clés : Factory-Outlet-Center, commerce en détail, centre comercial
Key words: Factory-Outlet-Center, retail, shoping center
DEFINITION
Factory-Outlet-Center sind eine Weiterentwicklung des traditionellen Fabrikverkaufs. Bei
diesem gibt der Hersteller Teile seiner Produktion, zumeist fehlerhafte Ware,
Überproduktion oder Auslaufmodelle, direkt an den Kunden weiter. Da dies unter
Ausschluss des Zwischenhandels geschieht, spricht man streng genommen bei FactoryOutlets nicht von Einzelhandelsbetrieben. Ein Factory-Outlet-Center ist ein
Zusammenschluss mehrer Fabrikverkaufseinrichtungen auf einer Fläche bzw. unter einem
Dach. FOC bieten im Gegensatz zu den herkömmlichen Fabrikverkaufsläden ergänzende
Dienstleistungen und gastronomische Einrichtungen, wodurch die Verweildauer der Kunden
und damit die Umsätze des Centers gesteigert werden sollen. Zielgruppe dieser
Betriebsform sind Verbraucher, die hochwertige Markenware zu niedrigen Preisen suchen
(vgl.: FÜRST et al. 2004, S.40ff.).
STANDORTANFORDERUNGEN
AN FACTORY-OUTLET-CENTER
Die Standortanforderungen an Factory-Outlet-Center sind hoch. Priorität haben
Gebiete, die nicht direkt in Ballungsräumen, sondern im weiten Umfeld von
Agglomerationen mit großem Bevölkerungspotenzial liegen. „Als Faustregel gilt hier, dass
innerhalb einer PKW-Fahrdistanz von ca. einer Stunde ein Potenzial von ca. 3 Millionen
Einwohnern (…) vorhanden sein sollte“ (FÜRST et al. 2004, S.60). Da die Kunden aus
größerer Distanz anreisen ist eine sehr gute Anbindung an die Verkehrsinfrastruktur nötig.
Die Besucher erreichen das FOC vornehmlich mit dem PKW, daher sollte ein ausreichend
großes, möglichst ebenerdiges Stellplatzangebot vorhanden sein. Anders als bei anderen
Einzelhandelsgroßprojekten (z.B. Shopping-Center) suchen FOC nicht die räumliche Nähe
zu bestehenden Geschäftszentren, um von dem dort vorhandenen Kundenpotenzial zu
profitieren. Die direkte Auseinandersetzung mit dem Facheinzelhandel in größeren Städten
wird eher vermieden. Dies widerspräche auch dem Interesse der Hersteller, die sich im FOC
einmieten sollen und gleichzeitig ihre Produkte in den Geschäftszentren vertreiben wollen.
Ein weiterer Standortfaktor ist das Vorhandensein eines gewissen touristischen Potenzials.
Befinden sich Einrichtungen wie Freizeitparks in der Nähe des Standortes, so bietet sich für
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die Kunden die Möglichkeit, ihren Einkauf mit Freizeitaktivitäten zu koppeln und damit den
Aufwand der Anreise zu relativieren. Nur die wenigsten in Europa realisierten FOC erfüllen
gleichzeitig alle Standortanforderungen. Besonders selten vorhanden sind attraktive
Freizeiteinrichtungen in der Nähe der Factory-Outlet-Center (vgl.: VOGELS et al. 1999, S.
23ff.; FÜRST et al. 2004, S.59ff.).
ENTSTEHUNG DES FOC-KONZEPTS
Abbildung 1: Bestehende FOC in Europa, Stand: März 2005; Quelle: GMA 2005
Das erste FOC wurde im Jahre 1974 in Pennsylvania (USA) getestet, zunächst als einfache
Bündelung mehrer Factory-Outlets ohne besondere Aufmerksamkeit auf den Standort. Das
Konzept wurde in den Folgejahren optimiert, und bis zum Jahre 1995 wurden in den
Vereinigten Staaten 324 FOC errichten, womit der US-amerikanische Markt gesättigt war.
Von den USA ausgehend wurde im Jahr 1984 mit der ersten Gründung in Frankreich der
europäische Markt erschlossen. Der eigentliche Aufschwung der FOC in Europa setzte ein,
als amerikanische Betreiberfirmen (v.a. McArthurGlen) ab 1988 in Großbritannien zu
investierten. Das Land hat heute mit 32 Ansiedlungen die meisten FOC in Europa (vgl.:
GMA, 2005). In Abbildung 2 wird deutlich, dass Europa z.T. deutliche Unterschiede im
Besatz aufweist. Ein Grund könnten kulturelle Gemeinsamkeiten (v.a. Sprache) sein, die
den amerikanischen Betreibern besonders den Einstieg in Großbritannien erleichtert haben.
Die unterschiedliche Ausstattung mit FOC ist zudem stark vom Marktpotenzial, also von
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Bevölkerung und Kaufkraft, aber auch von der unterschiedlich restriktiven
planungsrechtlichen Handhabung der Länder abhängig (vgl.: FÜRST et al. 2004, S.46-51).
DIE SITUATION IN DEUTSCHLAND
Deutschland als eines der kaufkraftstärksten und als das bevölkerungsreichste Land Europas
gilt für die Betreiber als Markt mit hohem Potenzial. Im Jahr 1995/96 traten in einer ersten
Welle mehrere internationale Betreiber in den deutschen Markt ein. „Die ersten FOCProjekte waren Soltau (MacArthurGlen), Ingolstadt (Value Retail), Fallingbostel (Value
Retail), Eichstädt (McArthurGlen) und Wustermark (Morrisson)“ (FÜRST et al. 2004, S.51).
Die für Deutschland neue Betriebsform stieß auch auf ein großes Interesse der Kommunen,
die sich von einer Ansiedlung Gewerbesteuereinnahmen und eine neue Positionierung im
Standortwettbewerb versprachen. Im Zuge der ersten Markterschließung kam es zu
zahlreichen Ansiedlungsvorhaben, und im Jahr 1998 wurde ein Spitzenwert mit gleichzeitig
60 geplanten FOC-Projekten erreicht. Zu Umsetzung kamen allerdings nur die wenigsten.
Heute, im Frühjahr 2006, gibt es in Deutschland lediglich vier Fabrikverkaufzentren: Das
„B5 Designer-Outlet“ in Wustermark (Brandenburg) mit 10.300 m² Verkaufsfläche, das
„DOZ Designer Outlet Zweibrücken“ (Rheinland-Pfalz) mit 14.500 m², „Wertheim Village“
(Baden-Württemberg) mit 9.800 m² und das jüngst gegründete „Ingolstadt Village“
(Bayern) mit 9.400 m² Verkaufsfläche (Betreiber: Value Retail) (vgl.: GMA 2005). Der
Großteil der Projekte in Deutschland scheiterte am Widerstand unterschiedlicher Akteure.
WIDERSTAND GEGEN FOC IN DEUTSCHLAND
Mit den ersten Ansiedlungsvorhaben formierte sich in Deutschland eine massiver
Widerstand gegen die FOC, insbesondere bedingt durch deren ausschließlich dezentrale
Standortwahl. Akteure des Widerstandes sind vor allem Einzelhandelsverbände, Industrieund Handelskammern, Gewerkschaften, kommunale Verbände und Umweltorganisationen.
Sie befürchten einen ungleichen Wettbewerb, durch Umsatzrückgänge verursachte
Geschäftsaufgaben und Arbeitsplatzrückgänge, ökologische Probleme durch hohen
Flächenverbrauch, hohes Verkehrsaufkommen und Emissionen. Eine weitere Gruppe der
Gegner können die Hersteller als potenzielle Mieter in den FOC sein. Ihnen wurde
vielerorts vom Einzelhandel mit einer Auslistung gedroht, falls sie sich in ein geplantes
FOC einmieten würden. Besonders wichtige Argumente gegen die Ansiedlung von FactoryOutlet-Center betreffen städtebauliche und raumordnerische Aspekte. Die geplanten
Fabrikverkaufszentren widersprechen den kommunalen Standort- und Sortimentskonzepten,
man befürchtet eine verstärkte „Verödung der Innenstädte“. Zudem widerspricht die
Standortwahl dem in der Raumordnung verankerten System der Zentralen Orte. Aus diesem
Grund kam es auf der Ministerkonferenz für Raumordnung im Jahr 1997 zu folgendem
Beschluss:
„FOC sind entsprechend der Leitvorstellungen einer nachhaltigen Raumentwicklung nur in
Oberzentren/Großstädten an integrierten Standorten in stadtverträglicher Größenordnung
zulässig.“ (MKRO 1997, S.397)
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Vor diesem Hintergrund ist der Ausgang eines Raumordnungsverfahrens für ein FOCProjekt sehr ungewiss, was für die Betreiber ein hohes finanzielles Risiko darstellt. Zudem
stoßen sie bei einem positiven Ausgang des Raumordnungsverfahrens meist auf den
vehementen Widerstand der Nachbarkommunen, die auf gerichtlichem Wege eine
Ansiedlung verhindern wollen. Sehr früh ließ daher der Ansiedlungsdruck der Projektträger
nach. Die Standorte, bei denen das vorhandene Baurecht eine Baugenehmigung
ermöglichen würde, waren für eine Ansiedlung oft nicht interessant (vgl.: FÜRST et al. 2004,
S.52-56).
LITERATUR
FÜRST, D., H. KUJATH, ( 2004), Raumplanerische Herausforderungen durch Veränderung in Handel,
Logistik und Tourismus. Hannover: ARL.
GIESE, E., (2003): Auswirkungen integrierter großflächiger Shopping-Center auf den
innerstädtischen Einzelhandel in Mittelstädten Westdeutschlands. Gießen: Bothur.
GMA - GESELLSCHAFT FÜR MARK- UND ABSATZFORSCHUNG, (2005), Factory Outlet Center in
http://www.gma.biz/publikat/download/foc-liste.pdf
Europa.
Internetquelle:
(20.05.2006).
JUNKER, R., G. KÜHN, (1997), Einkaufszentren in den Innenstädten. In: Der Städtetag 50. Berlin:
Carl Heymanns.
VOGELS, P.-H., J. WILL, (1999), Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FactoryOutlet-Center. Bonn: Birkenhäuser.