Kommentar zur Konzertkritik von Harald Peters

Transcrição

Kommentar zur Konzertkritik von Harald Peters
Kommentar zur Konzertkritik von Harald Peters
Elton John „The Red Piano“
Es ist schon bewundernswert, wenn ein Künstler eine Show über 200mal
wie ein Theaterstück in so einer Intensität rüber bringt. Und er ist ja nicht
alleine, sondern mit seinen Musikern, mit denen er z.T. schon seit
Jahrzehnten zusammenspielt, wie dem genialen Drummer und dem
ausgezeichneten Gitarristen. Ich selbst bin Schauspieler und habe auch
schon Stücke en suite über 70mal gespielt. Ich weiß, wie das ist. Und es
gibt genügend Musical-Theater in diesem Land, die diverse
Inszenierungen Abend für Abend 600-800 mal spielen müssen und
dasselbe Problem der Motivation für sich haben.
Ich finde, Elton John und seine Band machen das hervorragend.
Die Unzulänglichkeiten der O2-World kann man ihm als Künstler wohl
kaum anhängen.
Ich habe mir den in 3Sat ausgestrahlten 45-Minuten Zusammenschnitt
der Show in Las Vegas vorher und nachher noch mal angesehen. Auch
da spielen die Musiker jeder für sich. Die Stars in dieser Show sind die
Songs, das Bühnenbild und die Videos. Die sind natürlich
Geschmackssache. Und die sind so schräg, wie Elton selbst und seine
Spleens und sein Leben. Wenn das Herr Peters nicht einschätzen kann,
dann tut es mir leid, dass er diesen Beruf ausübt.
Elton ist bisexuell. Er war verheiratet mit einer Frau und jetzt seit einigen
Jahren mit einem Mann. Und er war schon in den 60igern schrill. Das ist
auch gut und anschaulich in der Schau dargestellt. Diese beginnt ja mit
der vollen Bildersprache der 60iger. Und durch diesen Filter muss man
einfach die ganze Show sehen.
Er hat schlicht in 40 Jahren ein Lebenswerk geschaffen, das fast
unvergleichlich ist in unserer Zeit. Paul McCartney wurde einst gekürt als
der beste Songschreiber des 20 Jahrhunderts. Was mich damals schon
wunderte. Denn Elton John steht dem in nichts nach. Im Gegenteil. Ich
möchte gern wissen, wie viele Kinder gezeugt worden sind, während
seine Songs liefen. Und genau dieses Publikum war auch anwesend
zum Konzert. Mir sind nur wenige junge Menschen aufgefallen. Und die
haben ja auch andere Stars und einen anderen Geschmack. Und das ist
auch gut so.
Die Konzertkritik von Herrn Peters ist, aus meiner Sicht, von ein paar
Unkenntnissen und einer offen lesbaren Abneigung zu Elton John
geprägt. Ich verstehe die Herren Journalisten schon. Sie müssen auch
ihr Einkommen haben und mal über Dinge schreiben, von denen sie
nichts begreifen.
Was mich sachlich bei Herrn Peters enttäuscht, ist seine offenbar
schlampige Recherche. Das find ich immer schlimm, wenn Leute ihren
Job nicht richtig machen.
Der Elton-John-Darsteller in „Rocket Man“ ist Justin Timberlake. Wäre ja
eine Erwähnung wert gewesen, finde ich. Vor allem, weil es leicht
herauszubekommen ist. Wenn man die Zeit und die vorhandenen
Medien aus den 60igern und 70igern kennt, weiß man auch mit dem
Video etwas anzufangen. Herr Peters, haben Sie sich vielleicht mal die
Rockoper Tommy angesehen? Da spielt Herr John den Pinball-Mann der
den Pinball-Song singt. Sehr köstlich auch aus heutiger Sicht. Genauso
übrigens wie Tina Turner als Acid-Queen und Eric Clapton als Bekehrer
und einige andere. Darauf spielt auch das Video zu Rocket Man an.
Vielleicht eine Bildungslücke für einen guten Musik-Journalisten?
Für wie kompetent halten Sie sich eigentlich, die Inszenierung von David
LaChapelle so abzuwerten? Nur, weil Ihnen die Aufführung hier in Berlin
nicht gefallen hat. Die hat weltweit hervorragende Kritiken erhalten.
Wenn das nicht Ihr Geschmack ist, warum gucken Sie sich das an? Sind
Sie selbst denn besser als Journalist? Mir hat Ihre Kritik nicht gefallen.
Nicht, weil mich Ihre Meinung stört. Das ist eben Ihre Meinung. Aber Sie
sind meinungsbildend als Journalist. Und da sind die Überschriften
schon unsachlich formuliert.
Aber weiter in der Sache: Elton John hat die Tournee nicht dieses Jahr
beschlossen, sondern wollte auch schon 2007 damit nach Deutschland
kommen. Irgendwie scheiterte es am Management und dem
Konzertveranstalter. Die Karten für ein Open Air am Brandenburger Tor
sollten bis zu 300 € kosten. Auch diese Kenntnis hätte ich bei Ihnen
voraus gesetzt, Herr Peters.
Und dass der Bildschirm, die Videos und das Bühnenbild die Hauptrolle
spielen, ist doch Programm. Schade, dass Sie das zwar schreiben und
kritisieren aber nicht verstanden haben. Gehen Sie doch mal nächstes
Jahr Ende Juni, Anfang Juli zu einem Konzert von „Elton John und
Band“. Ich war voriges Jahr vor dem Schloss Löwenstein im Spessart zu
diesem Konzert. Da war die Atmosphäre intimer, zugeben. Und es
sprang auch sehr der persönliche Funke über. Ich stand an der Bühne 5
m von den Protagonisten entfernt. Und da konnten die Musiker solistisch
sehr brillieren. Elton John gab auch mehr Kommentare und erzählte
Geschichten ... Das ist da das Konzept. Anders bei „The Red Piano“.
Klar erzählt Elton John in Las Vegas ein paar mehr Worte. Aber da ist
halt die Atmosphäre intimer und die Leute sind auch EnglischMuttersprachler.
Außerdem hat Celine Dion und deren Abschluss der Konzerte in Las
Vegas nix mit Herrn John zu tun. Der ist völlig autark. Verstehe den
Vergleich nicht.
Man hätte sich fragen müssen, ob die O2-World die richtige
Veranstaltungsstätte ist. Aber die ist ja nun mal die angesagte neue
Konzerthalle in Berlin. Im Saal des Palastes der Republik wäre die
Atmosphäre wesentlich intimer gewesen ;-) Aber da hätten die Karten ja
wieder 300 € kosten müssen Und außerdem steht der ja nicht mehr ...
;-) Die Max-Schmehling-Halle wäre dafür auch nicht geeignet gewesen
... Ja, welche Halle hätten Sie denn im Visier, um „The Red Piano“ in
Berlin in geeigneter Atmosphäre und kostengünstig aufzuführen? Das
asbestverseuchte ICC, das nun schon peinlich tot geschwiegen wird, die
abrissreife Deutschlandhalle oder das Estrel?
Ich finde auch, dass die Musiker die Songs sehr professionell spielen.
Und leblos war das für mich überhaupt nicht. Herr Peters, schon mal bei
einem Konzert von Bob Dylan gewesen? Da erkennt man die Songs
nicht mal mehr, so gelangweilt stehen der und seine Musiker auf der
Bühne.
Grimassen, Gesten und Armrudern macht Elton John schon immer. Bei
allen Konzerten, die wir auch über die Jahre im Fernsehen zu sehen
bekamen. Auch in Las Vegas. Also nix Besonderes.
Und, dass er exakt dieselben Stücke in derselben Reihenfolge spielt, ist
einfach „das Stück“. Oder würden Sie in Hamlet den Selbstmord in der
Mitte, die Ophelia-Szenen alle am Anfang und die Totengräber-Szenen
zum Schluss sehen wollen? Kann ja sein, dass das auch mal einer
macht. Aber, es ist dann nicht mehr wirklich Shakespeares Hamlet.
Ich finde die Darstellerin von Norma Jean Monroe einfach perfekt. Super
passendes Video zu „Candle in the wind“. Viele denken ja, es ist der
Song zu Lady Di’s Trauerfeier. Ist schon gut, dass es mal wieder auf den
Ursprung zurück geführt wird, das Lied.
Nichts gegen die Beziehung zu Lady Di. Der Song hat ja viele Millionen
als Hit für wohltätige Zwecke eingespielt. Auch das finde ich nobel an
Herrn John. Dass er dafür das Geld gespendet hat. Zugegeben, dadurch
erhöhte sich sein eigener Popularitätsfaktor wieder enorm. Und sicher
auch deswegen kam es überhaupt zu „The Red Piano“.
Nebenbei gesagt, bin ich froh, dass Elton so exzessiv Geld ausgibt.
Wenn für uns ein Sakko für 500 € schon zu teuer ist, muss es für ihn,
damit es interessant wird, schon mindesten 50.000 $ kosten. Na und?
Dafür muss er mit 61 noch arbeiten und auftreten. Andere hüten in der
Zeit ihre Schafe.
Und außerdem hätten sich meine Jugendträume als DDR-Bürger aus
den 70igern nicht mehr erfüllt. Nämlich ihn mal live zu sehen und zu
hören ;-) Das konnte ich, weil er noch selbst spielt, wie auf einer
„Neverending Tour“ (Zitat Bob Dylan). Aber eben immer wieder anders
und einfallsreich.
Ein Typ wie Michael Jackson hat, trotz der gleichen Geld-Schwäche
auszugeben, irgendwas falsch gemacht. Den will keiner mehr sehen.
Und Herr Peters: „Weil eine Las-Vegas-Show aber schon wegen der
hohen Konkurrenz einen Mehrwert braucht, reichen seine Hits alleine
nicht.“ Was soll denn der Satz? Da wäre ja eine ganze beliebte
publikumsträchtige Branche arbeitslos, wenn man nicht noch Shows aus
längst existierenden Dingen machen könnte, würde und wollte. Nämlich
die Musical-Branche. Die Leute wollen die große Show. Warum kann
nicht mal ein Künstler mit seinen alten, aber nach wie vor beliebten,
Songs eine eigene Show machen und dann noch selbst und mit den
authentischen Musikern auf der Bühne aufführen?
Nee, Herr Peters, das war ein schwacher Wurf. (Wenn die Albas immer
so schwach werfen würden in der O2-World und die Eisbären schießen,
wären viele der Fans sehr enttäuscht ;-)
Lieber Herr Peters, ich empfehle Ihnen, nur noch über Dinge zu
schreiben, von denen Sie was verstehen und sich nicht von kostenlosen
Tickets locken zu lassen und zu Konzerten von Künstlern zu gehen, zu
denen Sie keinen Draht haben. Und vor allem nicht noch drüber zu
schreiben. Leute die originell sein wollen auf Kosten anderer haben wir
genug.