Neue Schritte ins All:Der Mensch ist
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Neue Schritte ins All:Der Mensch ist
32 Mars Leben auf dem MARS Neue Schritte ins All: Der Mensch ist von Natur aus ein Entdecker. Jetzt sei die Zeit reif für die Eroberung des Mars, sagen unter anderem Schweizer Marsbegeisterte – und fordern baldige bemannte Missionen zu unserem Nachbarplaneten. Von stefan stÖcklin Bildkomposition: SPL/Keystone Atemberaubende Vision: In der unwirtlichen Umwelt auf dem Mars steht der Mensch vor gewaltigen Herausforderungen. 34 Mars Bildkompositionen: SPL/Keystone, Nasa (2) Sonnenuntergang in einer phantastischen Welt: Die Oberfläche des Mars ist durchzogen von mächtigen Canyons. Die Valles Marineris sind elf Kilometer tief. Die ersten Fotos von der Marsoberfläche: Die Sonde «Pathfinder» setzte 1997 auf, und das Roboterfahrzeug «Sojourner» (im Bild mehrfach festgehalten) erkundete den Planeten. Nah am Roten Planeten: Die Sonde «Mars Global Surveyor» sendete von 1999 bis 2006 Bilder vom Mars. 36 Mars ugust 2021, Terra Meridiani, Mars. Langsam neigt sich die Sonne zum Horizont und taucht die Landschaft in ein goldgelbes Licht. Astronaut Lukas Leicht blickt durch ein kleines Bullauge: In warmen Farben schimmert die Wüste, doch draussen ist es eisig kalt – und gefährlich. Der Mars hat kein schützendes Magnetfeld wie die Erde, kosmische Strahlung dringt ungehindert zur Oberfläche. Gerade mal eine Stunde konnte Leicht an diesem Tag im gefrorenen Boden nach Proben bohren, in denen er Lebewesen vermutet. Er wendet sich ab und blickt zu seinen fünf Kollegen, mit denen er den engen Raum teilt. Seit 18 Monaten leben sie zusammen, ernähren sich von fadem Essen und führen Experimente durch. Der Kontakt zur 150 Millionen Kilometer entfernten Erde ist zeitraubend: Bis ein Signal dort ankommt, dauert es über zehn Minuten. Direkte Gespräche mit Frau und Kindern sind nicht möglich. Lukas Leicht macht zwei Schritte zu seinem Arbeitsplatz und prüft, ob elektronische Post angekommen ist. Die Fiktion macht deutlich, wie hart und entbehrungsreich das Leben auf dem Roten Planeten wäre. Extreme Kälte, die Atmosphäre ohne Sauerstoff und gefährliche Strahlung machen den Aufenthalt zum Kampf ums Überleben. Doch Pierre Brisson lässt sich durch solche Widrigkeiten nicht abschrecken. «Ich würde sofort zum Mars fliegen, wenn ich könnte», sagt der pensionierte Banker. Vor einem Der Mars Jahr hat er in Neuenburg die schweizerische Mars Society gegründet. Der Verein ist der helvetische Ableger der US-amerikanischen Mars Society, die 1998 vom Raumfahrtingenieur Robert Zubrin ins Leben gerufen wurde. 6000 Mitglieder haben sich unterdessen in mehreren Ländergruppen zusammengeschlossen und setzen sich für die «Eroberung» unseres Nachbarplaneten ein. Sie lobbyieren dafür bei Regierungs stellen, bei der amerikanischen Weltraum agentur Nasa oder bei ihrer europäischen Partnerorganisation Esa. Und sie erproben in der Wüste Utahs (USA) und in der Arktis, wie es sich auf engstem Raum leben lässt – als Vorbereitung auf das karge Leben dort oben. «Mit den heutigen Technologien ist es möglich, zum Mars zu fliegen. Wir sollten dorthin gehen, trotz den Risiken», sagt Brisson. Innert zehn Jahren könnte dieser Traum realisiert werden, ist er überzeugt. Der Mars ist der vierte Planet in unserem Sonnensystem. Als Roter Planet wird er bezeichnet, weil er für das blosse Auge sichtbar rötlich schimmert. Die Farbe stammt von eisenreichen Mineralien auf seiner Oberfläche. Wie die Erde ist der Mars 4,6 Milliarden Jahre alt. Mit durch schnittlich minus 63 Grad Celsius sind die Temperaturen auf seiner Oberfläche viel tiefer als die auf der Erde. Wasser kommt gefroren an den Polkappen – vermischt mit gefrorenem CO2 – und im Boden vor. Erosionsspuren von Überschwemmungen belegen, dass Wasser auf dem jungen Mars einst frei fliessen konnte. Die Planeten achse ist geneigt, es gibt also Jahreszeiten, was sich auch in der saisonal veränder lichen Grösse der Polkappen zeigt. Die Nordhalbkugel weist flache Ebenen und zerklüftete Landschaften auf, die Süd halbkugel ist stärker von Kratern übersät. Der Mars kreist auf einer elliptischen Umlaufbahn um dieSonne. Sein Abstand zur Erde variiert stark. Mariner 4 erreichte den Mars 1965 Brisson ist kein abgehobener Phantast. Als Banker hat er sich im Berufsleben auf der ganzen Welt mit Zahlen, Bonitäten und Renditen auseinandergesetzt. Schon damals begleitete ihn die Sehnsucht nach den unendlichen Weiten des Universums. Über seinem Bürotisch hing eine Karte des Alls, darin eingezeichnet unser Sonnen system und die uns umgebenden Sterne. «Wenn es die Arbeit zuliess, schweifte ich in Gedanken in die Tiefen des Weltraums», sagt Brisson. Als Robert Zubrin in den neunziger Jahren die Pläne für eine Eroberung des Roten Planeten im Projekt Mars Direct konkretisierte, erhielten Brissons Weltraumträume neue Nahrung. Brissons Vorstellungen gehen aber noch weiter: Er wünscht sich, dass der Mensch den Mars nicht nur anfliegt, sondern auch besiedelt. In Treibhäusern sollen Gemüse und Früchte heranwachsen und frische Vitamine liefern. Strom und Energie würden mit Sonnenlicht produ- «Mit den heutigen Technologien ist es möglich. Wir sollten zum Mars gehen, trotz den Risiken.» Pierre Brisson, schweizerische Mars Society Mars Erde Durchmesser: 6779 Kilometer (Erde: 12 756 Kilometer) Abstand zur Sonne: 206,6 bis 249,2 Millionen Kilometer Abstand zur Erde: 54,5 bis 401,3 Millionen Kilometer Umlaufzeit um die Sonne: 687 Erdtage (1,88 Erdjahre) Schwerkraft auf der Oberfläche: 38 Prozent der Erdanziehung Rotationsdauer: 24,6 Stunden = 1 Marstag Temperaturen: minus 140 Grad bis plus 32 Grad, im Mittel minus 63 Grad Fotos: Xavier Voirol, Nasa A xx | 2010 Sonne Merkur Venus Natur 37 xx | 2010 5 1 Atmosphäre: Hauptsächlich Kohlendioxid; Sauerstoff macht nur 0,13 Prozent aus (Erde: 21 Prozent). Der Druck ist tief – nur 0,7 Prozent des Drucks auf der Erde – und ändert sich saisonal stark. Eis verflüchtigt sich unter diesen Bedingungen direkt zu Gas. 1 95,3% CO2 2,7% Stickstoff 2% Argon, Sauerstoff und andere Gase 2 Valles Marineris: Der gigantische Canyon gilt als schönste Landschaft auf dem Mars. Er ist 5000 Kilometer lang und bis zu elf Kilometer tief, die Hänge zeigen Spuren gewaltiger Stein- und Sedimentlawinen. 3 Chryse Planitia 4 Olympus Mons 3 Chryse Planitia: Die «Goldene Ebene», eine ausgedehnte Senke, gilt als typische Marslandschaft. Sie ist leicht gewellt und mit grösseren und kleineren Felsbrocken übersät. Einst muss dort Wasser geflossen sein. Die Sonde «Viking 1» landete 1976 in dieser Landschaft und sendete Fotos zur Erde. Der «Pathfinder» setzte 1997 auf, der mitgeführte Rover «Sojourner» sendete bis Frühling 1998 Bilder zur Erde. 4 Olympus Mons: Der grösste Vulkan auf dem Mars ist nach dem griechischen Götterberg benannt. Der Olymp ist 550 Kilometer breit und 21 300 Meter hoch. Südöstlich von ihm befinden sich drei weitere grosse Vulkane in einer Reihe. Vor 200 Millionen Jahren, als auf der Erde Dinosaurier lebten, waren diese Vulkane noch aktiv. Lunae Planum Ascraeus Mons tor Äqua Pavonis Mons Arsia Mons Terra Meridiani 2 Valles Marineris 5 5 Polkappen: Die Ausdehnung der Eisflächen an den Polen (kleines Bild: der Nordpol) verändert sich im Rhythmus der Jahreszeiten. Im Winter bildet sich bei Temperaturen von bis minus 140 Grad Kohlensäureeis, vermischt mit Wassereis. Im Sommer verdampft das Kohlendioxid, nur kleine Mengen von Wassereis bleiben übrig. Monde: Phobos und Deimos umkreisen den Mars in relativer Nähe und sehr schnell. Der grössere, Phobos, ist 9378 Kilometer entfernt und umläuft den Planeten in knapp acht Stunden. Er wäre vom Mars aus mit blossem Auge sichtbar. Deimos ist weiter weg (23 460 Kilometer) und benötigt für seine Umlaufbahn rund 30 Stunden. Zum Vergleich: Unser Mond umkreist die Erde in knapp 28 Tagen in 384 000 Kilometern Entfernung. Phobos Deimos quelleN: Nasa, Olivier de Goursac: «Bilder vom Mars»; infografik: beobachter/dr Erde Mars Die Grössen der Planeten sind massstabgetreu dargestellt, die Abstände nicht. Uranus Jupiter Saturn Neptun Pluto 38 Mars Alltag auf dem Mars 1 Ein Wohn- und Laborkomplex (1), ein Rover (2) und ein Treibhaus (3): So könnte die erste Basis von Menschen auf dem Mars laut der Organisation Explore Mars Now aussehen. Strom würde mit Brennstoffzellen oder kleinen Kernreaktoren produziert. Die Lebensräume wären eng, vier oder sechs Astronauten müssten Monate oder gar Jahre darin verbringen. Der Rover böte immerhin die Möglichkeit zu kleinen Ausflügen. 3 2 Der erste Schritt Drei Flüge sind laut Mars Direct für eine erste Basis nötig. Jede Fähre wäre rund sechs Monate unterwegs. Die erste Rakete transportiert Versorgungsmaterial, zwei Jahre später folgen sechs Astronauten. Die dritte Mission dient als Sicherheitsreserve und folgt unmittelbar auf die zweite. Mission 1: unbemannter Flug mit Stromgerät und Rückflugfähre Mission 2 (zwei Jahre nach der ersten): bemannter Flug mit Astronauten und Nahrung Mission 3: unbemannter Flug mit Stromgerät und Rückflugfähre ziert. Gefrorenes Wasser gibt es genügend, wie die Daten der Nasa belegen. Langfristig wäre es sogar möglich, die Marsatmosphäre über künstlich erzeugte Treibhausgase zu erwärmen und mittels Pflanzen mit Sauerstoff anzureichern. Kein Planet ausser der Erde ist besser erforscht als der Mars. 40 Sonden wurden in den vergangenen 50 Jahren hochgeschickt, zum Teil erfolgreich, zum Teil nicht. «Mariner 4» gelang 1965 die erste Umrundung des Planeten. Viele spektakuläre Missionen mit ferngesteuerten Marsfahrzeugen haben seither stattgefunden. Dank diesen Erkundungsfahrten wissen wir schon viel über die Beschaffenheit der Atmosphäre und des Bodens. Am Mikro skop, das sich an Bord des «Phoenix»-Landers befand, der im Frühling 2008 auf dem Planeten landete, hat auch Sebastian Gautsch mitgearbeitet. Dank dem Hightechgerät aus Schweizer Präzisionslabors – beteiligt waren die Universitäten Neuenburg und Basel sowie die Firma Nanosurf – konnte «Phoenix» Daten über die Beschaffenheit von Mineralien zur Erde senden. Enthusiastische US-Studenten Bei Sebastian Gautsch hat die Beteiligung an der Mission ein inneres Feuer für den Nachbarplaneten entfacht. Heute ist der Nanoforscher vom Institut für Mikro mechanik der Eidgenössischen Polytechnischen Hochschule Lausanne (EPFL) in Neuenburg Vizepräsident der schweizeri schen Mars Society. «Die Sehnsucht und Leidenschaft nach anderen Welten ist stark und verbreiteter, als wir denken», sagt Gautsch. Er zitiert eine amerikanische Umfrage bei Studierenden der Ingenieurwissenschaften: Die überwiegende Mehrheit der Befragten befürwortet die Erforschung des Mars, und die Hälfte wäre bereit, zum Mars zu fliegen. «Es ist nur eine Frage der Mittel und Möglichkeiten: Sind sie einmal da, werden die Leute gehen», ist Gautsch überzeugt. Die Faszination für den Mars hat auch den Schweizer Filmemacher Richard Dindo gepackt, der bekannt ist für Filme über die Jugendbewegung der achtziger Jahre oder Che Guevara. Er hat 2009 den sehenswerten Dokumentarfilm «Marsdreamers» über die Visionen der Mitglieder der amerikanischen Mars Society veröffentlicht. «Nebst der Lust, die Landschaften des Mars zu zeigen, spielte mein lebenslanger Fotos: George Fey/Gettyimages, Xavier Voirol, Nasa visualisierung: 2002 Dane Spangler/kurt micheels/sonja holmes; infografik: beobachter/dr Im Trainingscamp: Die amerikanische Mars Society betreibt im Bundesstaat Utah eine Anlage, die in der Wüste Marsbedingungen simulieren soll. Traum, eines Tages auf ausserirdisches Leben zu stossen, eine zentrale Rolle», sagt Dindo. «Wenn das geschieht, wird es unseren Blick auf die Welt und auf uns selber komplett verändern. Dies wäre ohne jeden Zweifel der wichtigste Augenblick in der Geschichte der Menschheit.» Selber würde «Die Sehnsucht nach anderen Welten ist verbreiteter, als wir denken.» Sebastian Gautsch, schweizerische Mars Society Richard Dindo jedoch nie zum Mars fliegen, weil ihm «die Zeit und der Mut» dazu fehlten. Mars und Erde sind etwa gleich alt Was Marsfans und Astronomen gleichermassen elektrisiert, ist die gemeinsame Entstehungsgeschichte von Mars und Erde. Beide sind rund viereinhalb Milliarden Jahre alt, und der junge Mars wies ähnliche Bedingungen auf, wie sie auf der jungen Erde vorherrschten: Wasser floss durch tiefe Gräben, Vulkane spuckten heisses Magma in die Höhe, und eine dichte Atmosphäre umgab das Gestirn. Nach rund 500 Millionen Jahren verlor der Mars allerdings sein Magnetfeld, und seine Entwicklung nahm einen anderen Kurs. Trotzdem könnte sich auf dem Planeten in der Früh- 40 Mars 1 | 2011 Gehirn: Veränderte Sinneswahrnehmungen führen zu Verwirrung und Störungen der Bewegungskoordination. Der Appetit der Astronauten nimmt ab. Augen: Weil das Gleichgewichtsgefühl eingeschränkt ist, müssen Bewegungs änderungen mit den Augen wahrgenommen werden. Nieren: Die Blutreinigung wird intensiviert, darum nimmt das Risiko für Nierensteine zu. Herz: Aufgrund der geringen Gravitation schrumpft der Muskel, und die Pumpleistung sinkt. Bei der Rückkehr zur Erde kann dies gefährlich werden. Muskulatur/Knochen: Bei geringer Schwerkraft nehmen Muskelkraft und Knochendichte ab. Medikamente und Training sind überlebenswichtig. Blut: Die Produktion roter Blutkörperchen sinkt, das Blut kann weniger Sauerstoff transportieren. Allerdings braucht der Körper auch weniger. Wirbelsäule: Die Knochendichte nimmt ab, die Bandscheiben dehnen sich wegen des geringen Drucks aus. Die Astronauten werden grösser. Strahlung: Kosmische Strahlung trifft ungehindert auf den Mars und erhöht das Krebsrisiko. Der Anzug muss Schutz bieten. quelle: Biomedical Risks, «Journal Of cosmology» foto: nasa; infografik: beobachter/dr zeit des Kosmos eine bisher unbekannte Lebensform entwickelt haben. «Es ist gut möglich, Leben auf dem Mars zu finden», sagt Svetlana Von Siebenthal, Mitglied der schweizerischen Mars Society. Wenn versierte Geologen auf dem Mars gezielt nach Fossilien suchen könn ten, würden sie auf diese Spuren stossen, sagt sie. Solche Arbeiten können fernge- steuerte Roboter nicht durchführen. Eine Tatsache, die oft als Argument für bemannte Marsmissionen angeführt wird. Für die Mitglieder der Mars Society ist die Klärung, ob es auf dem Mars Leben gegeben hat, das wichtigste Argument für das waghalsige Unternehmen. Die Marsbegeisterten sind überzeugt, dass sich die Herausforderungen einer Mission auf den «Wir sind heute besser vorbereitet, Menschen auf den Mars zu schicken, als 1961 zum Mond. Damals lancierte Kennedy das Apollo-Programm.» Robert Zubrin, Raumfahrtingenieur und Gründer der amerikanischen Mars Society Mars meistern lassen. «Wir sind heute besser vorbereitet, Menschen auf den Mars zu schicken, als 1961 zum Mond. Damals lancierte John F. Kennedy das Apollo-Programm», sagt dazu Raumfahrtingenieur Robert Zubrin. Er und seine Anhänger halten den Zeitpunkt für die Planung eines Marsflugs für ideal, wie sie in einer ausführlichen Dokumentation über eine mögliche Marsmission im «Journal of Cosmology» im Herbst 2010 betonten. 2011 findet der letzte Spaceshuttle-Flug statt. Die Planung einer weiteren bemannten Mission zum Mond hat die Nasa wegen Budgetkürzungen kürzlich stoppen müssen. Und für die Weltraumstation ISS fehlt eine längerfristige Vision. Die Nasa und die Esa brauchen dringend ein neues Ziel – der Mars könnte zum sinnstiftenden Projekt werden. Konkrete bemannte Mis sionen sind bis jetzt aber von offizieller Seite zum Leidwesen der Marsfans nicht geplant. Der Schub einer Mondrakete genügt Zubrin hat im Projekt Mars Direct beschrieben, wie eine vier- oder sechsköpfige Mannschaft zum erdnächsten Planeten aufbrechen könnte: Kernstück ist die Idee, den Treibstoff zum Rückflug auf dem Mars selbst herzustellen. Damit spart man beim Hinflug gut 2000 Tonnen Gewicht. Das ist ein riesiger Vorteil, denn Treibstoff macht ganze zwei Drittel des Startgewichts einer Rakete auf der Erde aus. Produziert man den Treibstoff für die Rückreise erst am Zielort, wäre es möglich, den Mars mit einer Rakete anzupeilen, die ungefähr die gleiche Schubkraft hat, wie sie die «Saturn»-Raketen aufwiesen. Die 120 Meter hohe «Saturn V» etwa hievte 1969 die Mondkapsel ins All. Zwar hat die Nasa die Entwicklung einer ähnlichen Rakete, der «Ares V», inzwischen eingestellt. Dennoch liesse sich dieses Projekt relativ rasch reaktivieren. Und mit der «Falcon 9» des Unternehmers Elon Musk gibt es eine weitere Alternative für eine Trägerrakete. Der Milliardär ist ein glühender Marsanhänger und hat der Mars Society 100 000 Dollar gespendet. Das geeignete Transportmittel ist das eine, der Flug zum Mars das andere. Robert Zubrin rechnet mit einer Reisezeit von rund sechs bis acht Monaten. Bei einem Aufenthalt auf dem Mars von anderthalb Jahren wären die Astronauten gut zweieinhalb Jahre weg von der Erde. Das Konzept Mars Direct sieht eine Serie von drei Mis Foto: Nasa Zahlreiche Gefahren: So reagiert der Körper im All 42 Mars sionen innerhalb von 26 Monaten vor. Menschen würden erst beim zweiten Flug hochgeschickt (siehe «Alltag auf dem Mars», Seite 38). Die Abfolge sähe so aus: Die erste, unbemannte Mission bringt die Rückflugkapsel, einen kleinen Kernreaktor zur Stromversorgung und Wasserstoff zur Marsoberfläche. Mit Letzterem und mit dem in der Marsatmosphäre hauptsächlich vorkommenden Kohlendioxid lässt sich der Treibstoff Methan produzieren. Innert rund eines Jahres könnte genügend Brennstoff erzeugt werden, um eine bemannte Kapsel wieder vom Mars zu katapultieren. Strom würde auch gebraucht, um Sauerstoff aus dem Marseis zu gewinnen. Rund zwei Jahre nach dem ersten Flug, wenn der Treibstoff für den Rückflug und Sauerstoff zur Verfügung stehen, werden Astronauten losgeschickt. Gleichzeitig nimmt eine dritte Rakete ohne Menschen an Bord Kurs auf den Mars: Sie führt die gleiche Fracht wie die erste Rakete mit und dient als Versicherung, falls die bemannte Mission den Landeplatz der ersten verfehlen sollte. In diesem Notfall kann die zweite Versorgungsmission den Landeplatz der Astronauten ansteuern und dort Brennstoff aufbereiten. Selbst Kritiker sehen die Chancen Zubrins Projekt ist eine Weiterentwicklung von Plänen des deutsch-amerikanischen Raketentechnikers Wernher von Braun (1912–1977), der sowohl für Hitler als auch das US-Militär Raketen baute und an der Entwicklung der grossen Trägerraketen für das Nasa-Mondprogramm beteiligt war. Er träumte bereits in den vierziger Jahren von Flügen zum Mars. Mars Direct ist eine stark vereinfachte Form seiner Visionen. Die Mitglieder der Marsgesellschaften sehen darin eine realistische Möglichkeit. Selbst kritische Fachleute halten einen Marsflug durchaus für realisierbar. «Eine bemannte Marsmission wäre machbar, keine Frage», sagt etwa Nicolas Thomas, Leiter der Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie an der Universität Bern. Aber: «Es stellt sich die Frage nach den Risiken, die man einzugehen bereit ist.» Und ein Marsflug ist riskant, wie 21 Fehlschläge bei bisher insgesamt 40 Marsmissionen belegen. Auch die Frage der Finanzierbarkeit stimmt Thomas skeptisch: «Die Kosten dürften sich auf weit über 100 Milliarden Dollar belaufen», schätzt er. Zurzeit sei kein Staat bereit, diese Summe für einen Marsflug auszugeben. → Eroberungstrieb Der Mensch strebt nach neuen Ufern Entdeckungslust ist die Triebfeder der menschlichen Entwicklung. Erst die tollkühnen Taten von Abenteurern ermöglichten kulturelle und wissenschaftliche Leistungen. von stefan stÖcklin M ehr als 400 Menschen fühlten sich angesprochen und schickten spontan eine Bewerbung an das «Journal of Cosmology», nachdem dieses Ende 2010 in einem Artikel eine Marsmission propagiert hatte – eine ultimative Mission ohne Rückkehr, notabene. Der rötlich schimmernde Mars hat die Phantasien der Menschen schon immer angeregt. Einen Höhepunkt erlebte die Marsmanie in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Angetrieben durch die Weltraumprogramme der Supermächte, war die Eroberung des Universums nicht nur im Kino omnipräsent. Eine Blütezeit erlebten grafische Darstellungen von futuristischen Reisen zu fernen Welten und von ihrer Besiedlung. In grellen Farben zeichneten die Künstler optimistische Zukunftsszena rien, der Glaube an die Möglichkeiten der Technik war grenzenlos. Dieses blinde Vertrauen fehlt heute. Geblieben ist aber der Wunsch, Grenzen zu überschreiten und Neues zu ent decken. «Die Sehnsucht des Menschen nach fremden Welten hat mit unserem nomadischen Wesen zu tun, mit unserem unersättlichen Wissens- und Entdeckungswillen», sagt der Schweizer Do kumentarfilmer Richard Dindo. Der menschliche Hang zu Aufbruch und Neubeginn ist die Triebfeder unserer kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklung. Die Geschichte des Menschen lässt sich aus diesem Blickwinkel als eine Serie von Pioniertaten und Entdeckungsreisen in neue materielle und geistige Welten verstehen. In grauer Vorzeit, vor rund einer Mil lion Jahren, war es unser direkter Vorgänger Homo erectus, der von Afrika aus ein erstes Mal die Welt erkundete. Der «auf- rechte Mensch» hatte genügend Aus dauer für lange Wanderungen, und er konnte Werkzeuge nutzen und Feuer entfachen. Diese Fähigkeiten machten ihn ortsunabhängig und ermöglichten ihm, die Steppen Ostafrikas zu verlassen und nach Asien und Europa auszuwandern. Mehrere hunderttausend Jahre später war es unsere Art Homo sapiens, die ebenfalls von Afrika aus die Welt eroberte. Das nomadische Wesen und der Ent deckertrieb sind tief in unserem genetischen Erbe verankert. Chinas Seefahrer waren Pioniere So wundert es nicht, dass Menschen immer wieder zu neuen Ufern aufbrechen. Schon 90 Jahre vor den Entdeckungsfahrten des Christoph Kolumbus bricht der Seefahrer Zheng He von China Richtung Westen auf. Zwischen 1405 und 1433 fährt er in einer Serie von sieben Reisen den Küsten Sumatras, Indiens und Ara biens entlang bis zum Persischen Golf. Seine Segelschiffe sind um ein Vielfaches grösser als die Karavellen der späteren europäischen Entdecker. Doch der chinesische Kaiser wendet sich abrupt von fernen Weltgegenden ab und isoliert sein Reich. Christoph Kolumbus muss die spanische Königin Isabella jahrelang beknien, bis sie 1492 grünes Licht gibt für seine Entdeckungsreisen. Im Gegensatz zu den Portugiesen, die den Weg nach Indien um Afrika herum suchen, will er das verlockende Land über den Seeweg Richtung Westen erreichen. Kolumbus berechnet die Distanz nach Indien auf 4000 Kilometer, effektiv sind es fast 20 000. Der weitgehend unbekannte Atlantik gilt als ein gefährliches Meer, als Hort von Unwettern und Ungeheuern, auf das sich Natur 43 1 | 2011 Illustrationen: akg-Images (2), Mauritius Images, corbis/RDB, Süddeutsche Zeitung Photo Die Zukunft von einst: Groschenromane und ScienceFiction-Filme schilderten Mitte des 20. Jahrhunderts den Traum von der grossen Reise zum Mars und die Eroberung des Weltalls in den buntesten Farben. kein Seefahrer hinauswagt. Kolumbus bricht im August 1492 auf und landet neun Wochen später auf einer Bahamas-Insel in der Karibik. Noch bei seinem Tod 1506 ist er überzeugt, in Indien gelandet zu sein. Kolumbus’ Fahrten sind für die heutigen Weltraumvisionäre schlagende Beweise dafür, dass sich Pioniergeist und Abenteuerlust lohnen. Zu Kolumbus’ Zeit hielt man die Erde noch für eine flache Scheibe. Der Wagemutige jedoch verwarf diese Vorstellung und machte Spanien dank seinem Pioniergeist zur Weltmacht, die Südamerika unterwerfen konnte. Kolumbus und später Vasco da Gama ebneten europäischen Abenteurern den Weg, die rund um den Globus neue See- strassen und Schiffspassagen entdeckten. Magellan sticht 1519 mit fünf Schiffen und Proviant für zwei Jahre in See, um die Welt zu umsegeln. Ein Jahr nach der Abfahrt gelingt es ihm, Südamerika südlich zu umschiffen. Seine erste Weltumsegelung dauert fast drei Jahre, von der ursprünglich 250-köpfigen Mannschaft überleben nur gerade 18 Männer. Auf höchste Gipfel, ins tiefste Meer Bis die Welt zur Gänze bekannt und bis in die hintersten Winkel vermessen ist, gibt es für Abenteurer viel zu tun. Der Journalist Henry M. Stanley beweist, dass der Nil dem Victoriasee entspringt, und fährt 1877 als Erster den Kongo hinunter. Der Norweger Roald Amundsen gewinnt im Dezember 1911 das Rennen zum Südpol gegen den Engländer Robert Scott. 1953 besteigen Edmund Hillary und Tenzing Norgay als Erste den Mount Everest, den höchsten Berg der Welt. Der Schweizer Auguste Piccard bricht im gleichen Jahr mit einer Tauchkapsel im Tyrrhenischen Meer den Tiefenrekord. Die Astronauten und Propagandisten der Marsflüge sehen sich in der Tradition dieser Pioniere. Die Expansion ins All ist fast zwingend, denn die Meere sind befahren, die Berge bestiegen, die Wüsten kartiert. Selbst auf dem Mond hat die Menschheit Spuren hinterlassen. Da bietet sich der Nachbarplanet Mars geradezu an als Objekt menschlicher Eroberungsgelüste. 44 Mars Hightech aus der Schweiz Innovativ: Raumfahrt made in Switzerland Am 23. September 2009 transportierte So produziert Ruag Space, eine Ge- eine Rakete den ersten Schweizer Satelli ten in den Weltraum. Der Würfel mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern wiegt nur 820 Gramm und ist vollgepackt mit Elektronik und einem Miniteleskop. Seit dem geglückten Start sendet das Instrument aus einer Höhe von 720 Kilometern Signale zur Erde. Entwickelt und gebaut wurde es von Studenten des WeltraumZentrums der Eidgenössischen Polytechnischen Hochschule Lausanne (EPFL) in Zusammenarbeit mit verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen. «Wichtigstes Ziel ist die Ausbildung von Studierenden in diesem Bereich», sagt die Forscherin Muriel Noca. schäftseinheit der ehemaligen Rüstungsfirma Ruag, die hitzeresistenten Kappen der «Ariane»-Raketen, unter denen die Nutzlast – meist Satelliten – geladen ist. Die imposanten Spitzen bestehen aus Kohlefasern und sind je nach Satellit 13 bis 25 Meter hoch. Die Firma liefert auch Motoren zur Ausrichtung der Solargeneratoren von Satelliten. «Das traditionelle Know-how aus der Mikromechanik und das Qualitätsbewusstsein aus der Schweiz werden bei den Auftraggebern geschätzt», sagt Hendrik Thielemann von Ruag Space. So habe man auch einen Vertrag zur Lieferung eines Antriebs systems für den Rover (Roboterfahrzeug) der Esa abgeschlossen, der 2018 auf dem Mars herumkurven soll. 2004 machte die Firma Maxon aus Sachseln OW mit Mikromotoren Schlagzeilen, die sie für die beiden Marsrover «Spirit» und «Opportunity» der Nasa lieferte. Schweizer Projekten zurErforschung des Weltraums. Während hierzulande der Name des Astronauten und Spaceshuttle-Fahrers Claude Nicollier den meisten geläufig ist, sind die hiesigen technischen Innovationen und Entwicklungen in diesem Bereich weniger bekannt. Aber die Schweiz darf sich ohne weiteres als Weltraumnation bezeichnen, ist sie doch Gründungsmitglied der Europäischen Weltraumorganisation (Esa). 150 Millionen Franken investiert sie jährlich in die Organisation, die die europäische Weltraumfahrt fördert und unter anderem die «Ariane»-Raketen entwickelt. «Von diesem Geld fliessen über 90 Prozent zurück an Schweizer Firmen, die sich um Esa-Aufträge bewerben können», sagt Kamlesh Brocard vom zuständigen Staatssekretariat für Bildung und Forschung. Die Weltraumerkundung hat an der Universität Bern eine lange Tradition. Weltweit bekannt wurden die Berner 1969: Das Sonnenwindsegel, das Astronaut Edwin «Buzz» Aldrin bei der ersten Landung auf dem Mond in den Boden steckte, war hier entwickelt worden. Aktuell ist Nicolas Thomas Leiter der Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie. Auch er ist mit einer Marsmission beschäftigt. Er baut ein Kamerasystem, das 2016 die Oberfläche des Mars von einem Satelliten aus vermessen soll. Die Raumsonde prüft unter anderem mögliche Lande stellen und sucht nach Spuren von Methan in der Atmosphäre. Swisscube: Der erste Schweizer Satellit in der Erdumlaufbahn wurde von Studenten der Hochschule in Lausanne entwickelt und gebaut. Auf engstem Raum: In Moskau üben derzeit sechs Die geglückte Mondlandung 1969 war ein Produkt des Konfrontationskurses und des Wettrüstens zwischen den beiden Weltmächten USA und Sowjetunion. Seit dem Ende des Kalten Kriegs 1989 ist das Budget der Nasa auf einen Bruchteil zusammengeschmolzen. Über die Höhe der Kosten herrscht aber nach wie vor Uneinigkeit: Wenn eine Marsmission für 30 bis 50 Milliarden Dollar – wie es Zubrin vorrechnet – machbar wäre, würden die Ausgaben in einem finanzierbaren Bereich liegen. Faszinierend, aber unnötig? Einen weiteren Punkt spricht der Basler Astronom Bruno Binggeli an: Die Vorstellung bemannter Marsflüge sei zwar faszinierend, aber das Vorhaben eigentlich unnötig. Und es lenke von irdischen Proble- Fotos: Esa, Laurent Gillieron/Keystone, Nasa Swisscube ist eines von vielen ANZEIGE 1 | 2011 Natur KOMMUNIKATION & UMWELT Weniger Stress im mobilen Büro Ich höre immer wieder vom mobilen Büro, das Reisen spart und die Ressourcen schont. Was steckt eigentlich dahinter? Manuel Pan, Sursee Sehr geehrter Herr Pan Das mobile Büro hat man dank Laptop immer dabei, und es umfasst verschiedene Möglichkeiten, sich mit Arbeitskollegen auszutauschen. Hier in Kürze einige Merkmale, die das mobile Büro auszeichnen: > Mehr Flexibilität: Sie müssen nicht mehr an jede Sitzung reisen, da es Alternativen wie auf dem Laptop integrierte Videokonferenzen gibt – und sogar Möglichkeiten, um Dokumente ortsunabhängig gemeinsam zu bearbeiten. > Von überall aus Zugriff auf Ihre Unterlagen: Alle Daten wie Kalender, E-Mails und Pendenzen auf Ihrem Laptop sind immer mit dem Netzwerk Ihrer Firma synchronisiert. > Verbesserte Erreichbarkeit: Sie erkennen, auf welchen Kanälen (Telefon, E-Mail, Instant Messaging) die Arbeitskollegen gerade erreichbar sind. Der Einsatz von modernen Kommunikationsmitteln bietet Vorteile für Mitarbeitende, Unternehmen und Umwelt. Die Mitarbeitenden vermeiden Stress und sparen Zeit, weil Sitzungen virtuell stattfinden und von zuhause gearbeitet werden kann. Die Unternehmen profitieren von einer nachweisbar höheren Produktivität, von tieferen Reisekosten und von einer höheren Attraktivität der eigenen Arbeitsplätze. Männer im Projekt Mars500, wie man sich 520 Tage lang im Container nicht auf die Nerven geht. men ab. «Es gibt immer Ausreden, um einen Flug zum Mars nicht durchzuführen», entgegnet Sebastian Gautsch. Würden die Medienrechte für den Marsflug und die Auswahl der Astronauten professionell vermarktet, liesse sich das Vorhaben allein über Werbeeinnahmen und private Sponsoren finanzieren, ist er überzeugt. Neben den finanziellen gilt es auch, andere Risiken zu berücksichtigen, wie die lebensfeindliche Strahlung im All, den langen Aufenthalt ohne Schwerkraft, die Verletzlichkeit der menschlichen Psyche oder schlicht technisches Versagen. Derartige Einwände könnten Punkt für Punkt entkräftet werden, behaupten die Befürworter von Marsmissionen. Ein Mantel aus Wassertanks würde die Kapsel und ihre Mannschaft auf dem Flug zum Mars vor energiereichen Strahlen schützen. Eine Raumfäh- Swisscom hat mit Unterstützung von myclimate und WWF berechnet, dass Schweizer Unternehmen dank dem mobilen Büro jährlich den CO2-Ausstoss von 250 000 Autos oder rund 500 Jahre Reisezeit sparen können. Ich bin überzeugt, dass mobiles Arbeiten für die meisten «Wissensarbeiter» zum Standard wird – in der Schweiz also für eine halbe Million Menschen. Herzlich, Fabian Etter Mehr zum mobilen Arbeiten: www.swisscom.ch/solutions/mobil-arbeiten Fabian Etter ist Leiter Corporate Responsibility bei Swisscom. «Die Kolonisierung des Mars würde es erlauben, unseren Lebensraum zu schützen. Die Nutzung seiner Ressourcen könnte die Erde entlasten.» Carl Beeli, schweizerische Mars Society Haben Sie eine Frage zum Thema Kommunikation und Umwelt? Schreiben Sie Fabian Etter an [email protected] www.swisscom.ch/verantwortung 46 Mars Eine Woche All für acht Millionen Dollar: Das Unternehmen Bigelow Aerospace plant bereits das erste Hotel im Weltraum. Ferien einmal anders: Touristen auf Weltraumkurs Am 8. Dezember 2010 umrundete erstmals eine privat gebaute Raumfähre die Erde. Die Kapsel namens «Dragon» (Drache) wurde von der Trägerrakete «Falcon 9» ins All gehievt. Beide stammen aus den Werkstätten der kalifornischen Firma SpaceX, die der Internetunternehmer Elon Musk 2002 gegründet hat. SpaceX arbeitet mit verschiedenen Regierungen und Unternehmen zusammen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann Privatpersonen an Bord ihrer Kapseln mitfliegen. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa beglückwünschte Musk zum erfolgreichen Start und zur geglückten Erdumrundung, dem bisher grössten Erfolg der kommerziellen Raumfahrt. Der Kontrast könnte kaum grösser sein: Die einst mächtige Nasa hat 2010 den Bau der schweren Trägerraketen «Ares I» und «Ares V» gestoppt, mit denen Astronauten zum Mond, zur Raumstation ISS (International Space Station) und weiter gebracht werden sollten. Nun steckt sie in der Klemme, denn ihre Spaceshuttles haben ausgedient. Spätestens im Juni 2011 wird letztmals eine dieser Raumfähren zur ISS aufsteigen – falls der Kongress das Geld dafür bewilligt. Nach 135 Flügen innert 30 Jahren hat die Flotte das Dienstende erreicht. Die neue, von Präsident Barack Obama und Nasa-Chef Charles Bolden verkündete Strategie basiert auf der Zusammenarbeit mit privaten Firmen, um die Kosten für Neuentwicklungen zu senken. SpaceX hat die Chance gepackt und mit der Nasa bereits einen Vertrag über 1,6 Milliarden Dollar für zwölf Flüge zur Raumstation ausgehandelt. Weitere Unternehmen möchten gern in die Lücke springen. Mit dem Engagement privater Firmen bricht eine neue Ära an, in der der Flug ins All – und einst vielleicht zum Mars – erschwinglich werden soll. Bisher sind solche Abenteuer fast unbezahlbar teuer. Der erste Weltraumtourist, Dennis Tito, legte 2001 geschätzte 20 Millionen Dollar auf den Tisch, um an Bord einer russi schen «Sojus»-Kapsel zur Raumstation ISS abzuheben. Der britische Milliardär Richard Branson will den Weltraumtrip für einen Hundertstel dieses Preises anbieten. Er ist 2004 mit seiner Firma Virgin Galactic beim Projekt SpaceShipTwo eingestiegen, das Menschen für 200 000 Dollar insAll schicken soll. Astronomen sprechen allerdings von einem Weltraumhüpfer, denn das SpaceShip macht nur einen kurzen Ausflug in rund 100 Kilometer Höhe, während «Dragon» die Erde in 300 Kilometern Höhe umrundet. Trotzdem hat Branson bereits gut 380 Kunden, die zusammen 50 Millionen Dollar für das erhoffte Vergnügen hinterlegt haben. Einen anderen Weg verfolgt die amerikanische Firma Bigelow Aerospace. Sie will eine Raumstation für Astronauten und Touristen ins All bringen. Eine «Falcon 9» der Firma SpaceX soll 2014 die Behausung namens «Sundancer» in ihre Umlaufbahn bringen. Eine Woche Erholung im All ist bereits für acht Millionen Dollar zu haben, wirbt die Firma des Hotelmilliardärs Robert Bigelow. re, die sich dreht, würde Fliehkräfte erzeugen und Probleme mit der Schwerelosigkeit im All reduzieren. Was die Moral betrifft, müssten eben geeignete Charaktere ausgewählt werden. Zubrin schreibt dazu, dass die früheren Entdecker auf ihren Seereisen mindestens so viel Stress und Gefahren ausgesetzt waren, wie es die Marsfahrer der Zukunft sein würden. Interessante Erkenntnisse dazu werden vom derzeit in Moskau durchgeführten Projekt Mars500 erwartet: Für diesen BigBrother-Versuch der europäischen und der russischen Raumfahrtagentur haben sich sechs Männer für 520 Tage in einem Container einschliessen lassen, um die psychischen Belastungen bei einem Marsflug realitätsnah zu testen. Das Projekt läuft seit Juni 2010. Wenn Astronauten zu sehr lieben Ein naheliegendes, aber weitgehend totgeschwiegenes Problem bei einer Marsmis sion ist der Umgang mit Sexualität. Um Konkurrenzkämpfe und Beziehungspro bleme zu vermeiden, plädiert der Hirnforscher Rhawn Joseph in der Mars-Ausgabe des «Journal of Cosmology» für getrennte Männer- und Frauenmissionen. Die Nasa hat bis jetzt keine Richtlinien zum Thema Sex und Raumfahrt aufgestellt, ausser einer allgemeinen Vorschrift zu «ehrenhaftem Benehmen». Ein Appell, der im Fall von Lisa Nowak und William Oefelein nichts fruchtete. Sie waren 2006 im Spaceshuttle unterwegs, verliebten sich und hatten später eine aussereheliche Affäre, die in einem aufsehenerregenden Eifersuchtsdrama mündete. Für Joseph ist der Fall ein Beispiel dafür, dass während einer mehrmonatigen Marsreise entweder Männer oder Frauen unterwegs sein sollten. Sonst seien Eifersüchteleien und Machogehabe programmiert. Nach der Ankunft auf dem Mars stünde einem normalen Sexleben hingegen nichts im Wege. Auch eine extraterrestrische Schwangerschaft wäre möglich, allerdings sind die Auswirkungen einer verminderten Schwerkraft – wie sie auf dem Mars herrscht – auf die Entwicklung eines Embryos nicht in allen Details geklärt. Eine Art Erde als Reserve Pierre Brisson ist überzeugt, dass sich die Menschheit zur «weltraumerobernden Art» weiterentwickeln und ausserhalb der Erde fortpflanzen wird. Wie viele vom Weltraum verzauberte Menschen fragt er sich Fotos: Bigelow Aerospace (Bildkomposition), Nasa Kommerzielle Weltraumflüge Natur 47 1 | 2011 auch, ob es ausserhalb der Erde andere Lebensformen gibt, ob da draussen irgendwo intelligente Wesen existieren. Mächtigen Auftrieb haben solche Phantasien durch die Entdeckung von Exoplaneten erhalten, Himmelskörpern, die Sterne ausserhalb unseres Sonnensystems umkreisen. Seit die Astronomen Didier Queloz und Michel Mayor von der Universität Genf 1995 den ersten derartigen Planeten entdeckt haben, ist ein wahrer Wettlauf um weitere Entdeckungen entbrannt. Exoplaneten gelten als Kandidaten für ausser irdisches Leben, denn auf ihnen könnten erdähnliche Bedingungen herrschen. Bereits sind über 500 solcher Gestirne beobachtet worden, die Mehrzahl ohne Atmosphäre oder lebensfreundliche Temperatu ren. Astronomen rechnen aber fest damit, in den nächsten Jahren einen physischen Doppelgänger der Erde zu finden, der Lebensformen beherbergen könnte. Die fernen Welten jenseits unserer Galaxie liegen allerdings weit ausserhalb unserer Reichweite. Eine Reise zum nächsten Sternsystem im vier Lichtjahre entfernten Sternbild Alpha Centauri würde mit heutiger Technologie 120 000 Jahre dauern. Um zu jenen Welten aufzubrechen, braucht es neue Technologien wie den Ionenantrieb oder Fusionsraketen. Bis diese entwickelt sind, werden Jahrzehnte vergehen. Physikstar Hawking will Besiedlung Bleibt als realistischeres Ziel der Mars, für dessen Besiedlung auch durchaus prakti sche Gründe genannt werden. Die Menschheit wächst und wächst, die Ressourcen auf der Erde schwinden, der Klimawandel bedroht unsere Zukunft. «Die Kolonisierung des Mars würde es erlauben, den Lebensraum Erde zu schützen», sagt Carl Beeli von der schweizerischen Mars So ciety. «Die Nutzung seiner Ressourcen könnte die Erde entlasten.» Beeli befindet sich mit dieser Argumentation in prominenter Gesellschaft. Der berühmte britische Physiker Stephen Hawking plädiert für die Kolonisierung von Mond und Mars. Die Menschheit könnte so ihr Überleben mit einer «zweiten Erde» sichern und sich gegen Naturkatastrophen und menschen- gemachte Bedrohungen wappnen, meint der Bestsellerautor. Ins gleiche Horn bläst der amerikanische Astrophysiker John Richard Gott: «Wenn es uns gelingt, von hier wegzukommen, erhöhen wir unsere Überlebenschancen.» Wenn es nach ihm geht, müssen wir die Erde verlassen, solange wir noch können, das heisst, bevor wir uns und unseren Heimatplaneten ausgelöscht haben. In einer seiner Visionen beschreibt John Richard Gott einen Astronauten, der vom Mars Richtung Sonne blickt. Der Mann sieht die Erde und den Mond als kleine Punkte, die vor dem Stern durchwandern. Der nächste derartige Transit wird am 10. November 2084 stattfinden. Für die Marsvisionäre gibt es keine Zweifel, dass Menschen vom Roten Planeten aus dieses Schauspiel beobachten werden. n LINKS Mars Society Switzerland: www.planete-mars-suisse.com «The Human Mission to Mars»; Artikel im «Journal of Cosmology» (englisch): www.journalofcosmology.com/ Contents12.html Interaktive Animation zum Leben auf dem Mars (englisch): «Wenn es der Menschheit gelingt, von hier wegzukommen, erhöhen wir unsere Überlebenschancen.» www.exploremarsnow.org Buchtipp Ulf von Rauchhaupt: «Der neunte Kontinent»;Fischer-Taschenbuch-Verlag, 2010, 288 Seiten, Fr. 16.90 John Richard Gott, amerikanischer Astrophysiker Schnuppern Sie Natur! [ ] Ich möchte bloss schnuppern und erhalte 5 Ausgaben BeobachterNatur für nur Fr. 20.–. Ich spare so 31% gegenüber dem Kaufpreis am Kiosk. (SM 001) r Fr. 20.– 5 Ausgaben für nu [ ] Ich bin Beobachter-Mitglied und möchte zusätzlich BeobachterNatur mit 35% Ersparnis abonnieren. 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