quartier 3 - Quartiersmanagement Pankstraße

Transcrição

quartier 3 - Quartiersmanagement Pankstraße
Ansonsten hatte ich keine so tollen Erlebnisse mit der Schule.
Sportfeste habe ich sehr genossen und auch gerne mit vorbereitet.
Die Bundesjugendspiele oder ‚Jugend trainiert für Olympia‘ – das
war zum Schuljahresabschluss ein Ereignis, das ein bisschen mit der
Schule versöhnt hat.
Denken Sie, dass sich der Schulalltag im Vergleich zu Ihrer
Schulzeit verändert hat? Wenn ja, inwiefern? Gab es zum Beispiel Gewalt?
Da hat sich ganz viel geändert. Zu meiner Schulzeit und in
Reinbek, wo ich aufgewachsen bin, war das eine relativ homogene
Gruppe. Es gab hin und wieder Probleme mit Drogen an der Schule, wo wir auch die Polizei vor Ort hatten, mit Diskussionen und Auseinandersetzungen. Aber richtige Gewalt kannte ich nicht. Der Schulalltag war straff organisiert und traditionell: Halbtagsschule mit Stundenplänen,
Unterricht und Lehrern. Es gab all das nicht, was die Schule heute auch ausmacht. Die vielfältigen Projekte und Arbeitsgruppen, Erzieher oder
Sozialpädagogen. Beim Eintritt in die Schule konnte man schon sagen, wie es in den nächsten Jahren laufen wird. Also auch relativ langweilig.
Wie sind Sie zum Beruf der Bezirksstadträtin für Bildung und Kultur gekommen?
Es ist ja nicht mein erlernter Beruf, und ich habe zunächst als Naturwissenschaftlerin in der Forschung gearbeitet. Aber schon als Schülerin
habe ich mich in der Partei engagiert und bin mit 18 Jahren in die SPD eingetreten. Anfang der 90er Jahre, als ich nach Berlin gezogen bin, habe ich den
Ortsverein aufgesucht und mich da sehr wohl gefühlt; eine Menge Leute kennen gelernt, mit denen ich etwas unternommen und gerne diskutiert habe.
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Q UART I E R I N T E R N
GEHEIMNISVOLLE BOTSCHAFTEN
I N D E R S C H Ö N WA L D E R S T R A S S E
WHO‘S WHO IM QM
Maya-Hieroglyphen in leuchtenden Farben zieren seit diesem
Sommer die Fassade der Jugendkunstschule. Nachdem das alte
Graffiti Risse bekommen hatte, haben Jugendliche aus dem
Quartier mit der Künstlerin Sabine Zeller eine neue Wandgestaltung entworfen. Gemeinsam wurden Bücher über die altindianische Kultur der Maya durchforstet, Symbole entwickelt und
Skizzen entworfen. Die überarbeiteten Entwürfe wurden dann
im Maßstab 1 zu 10 auf die Wand übertragen und in fünf Farben ausgemalt. Schon während der Arbeit bekamen die Nachwuchsmaler viel Lob von Passanten und Anwohnern, denn das
Ergebnis ist ein wahrer Lichtblick in der Schönwalder Straße.
Einige Impression und weitere Informationen finden Sie auf
Seite 8.
Die drei QuartiersmanagerInnen bilden die Brücke zwischen den Bewohnern des Quartiers Pankstraße und dem Bezirksamt sowie den entsprechenden Landesbehörden.
Sükran Altunkaynak, Christian Luchmann und Susanne Walz koordinieren und organisieren die verschiedenen Bürgerkomitees, beraten, planen und entwickeln gemeinsam mit den Anwohnern, Initiativen und Institutionen im Quartier neue Ideen und
Projekte zur Verbesserung des Stadtteils.
Der zweite Teil unseres kleinen „Who‘s who“ im QM stellt Sükran Altunkaynak vor.
.
Wo bist Du geboren? Wo aufgewachsen?
In einem Dorf in Anatolien. Bis zu meinem achten Lebensjahr
habe ich dort gelebt, dann bin ich nach Berlin gezogen, gleich in
den Pankstraßen-Kiez.
RICHTIGSTELLUNG
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Wie ist Dein beruflicher Werdegang verlaufen?
Schon als Kind wollte ich Architektin werden. Auf der Oberschule hat mir die Lehrerin aber vom Studium abgeraten. Da habe
ich eine Ausbildung als Technische Zeichnerin gemacht, und hätte in dem Betrieb weiterarbeiten können. Aber meine Mutter
hat mir und meinen vier Schwestern immer gesagt: „Wer nicht
studiert, muss heiraten!“ Also habe ich das Fachabitur gemacht
und an der Technischen Fachhochschule studiert.
Auf der Titelseite der QUARTIER-Ausgabe Nr. 2/07 haben
wir ein Graffiti mit dem Spruch „Wedding ist killer Bezirk 65“
abgebildet. Da es Anfragen gab, was ein Wort wie „killer“ in
einer Quartierszeitung zu suchen habe, hier die Auflösung der
Jugendlichen vom DRK-Jugendladen Wedding, mit denen wir
die Ausgabe gemeinsam gestaltet hatten.
Wie bist Du ins Quartiersmanagement Pankstraße gekommen?
Zu Fuß.
„Wedding ist killer Bezirk 65: Wir meinen damit, dass es einfach ein geiler Bezirk ist; wir meinen nichts mit killen, töten
und so was. In unserer Jugendsprache ist es ein normales,
positives Wort. Es tut uns leid, wenn Sie es falsch verstanden
haben.“ Khaled | 2.7.07
Seit wann arbeitest Du hier?
Seit Februar 2002. Nach dem Studium habe ich in einem Ingenieurbüro gearbeitet, anschließend in einer Baumaßnahme im
Soldiner-Kiez. Als die auslief, hat man mir eine feste Stelle angeboten: entweder im QM Soldiner-Kiez oder im QM Pankstraße.
Welche Bereiche gehören zu Deinem Arbeitsgebiet?
Eigentlich alles. Besonders aber Bauprojekte und Projekte
mit Frauen. Natürlich bin ich auch Ansprechpartnerin für Migranten.
I MPRESSU M
Welches sind Deine Lieblingsaufgaben?
Mit den Bewohnern Häuser, Höfe, oder Spielplätze gestalten,
ihnen das Gefühl geben, etwas verändern zu können.
Herausgeber
L.I.S.T GmbH - Quartiersmanagement
Reinickendorfer Straße | Pankstraße
Redaktion
Was würdest Du im Quartier gerne abschaffen?
Die Vorurteile, den Dreck und die Männercafés!
V.i.S.d.P
QUARTIER
Michaela Nolte | Barbara Caveng
© Texte: bei den Autoren
Christian Luchmann | L.I.S.T GmbH
Prinz-Eugen-Str.1 13347 Berlin
Tel
030 74 74 63 47
Fax
030 74 74 63 49
Email
[email protected]
www.pankstrasse-quartier.de
Was würdest Du hier gerne einführen?
Viele gut bezahlte Arbeitplätze für Frauen. Es ist ja immer noch
ungewöhnlich, eine Frau mit Kopftuch in einem Büro zu sehen
- und zwar ohne Besen in der Hand.
Was machst Du in Deiner Freizeit?
Ich fahre zu meiner Familie oder pflege unseren Hinterhof.
Abends male oder nähe ich und genieße die restliche Zeit mit
meiner Katze Dilara.
Vielen Dank!
Grafik | Satz
Druck
Barbara Caveng
Union Druckerei Berlin
gefördert durch die Europäische Union, die Bundesrepublik Deutschland
und das Land Berlin im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“
H AU P TSACH E
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Überlastete Lehrer, schuldistanzierte Jugendliche und Eltern, die
ihren erzieherischen Aufgaben nicht mehr nachkommen können,
bestimmen den Schulalltag. Bei den vielschichtigen Konfliktlagen
ist die Schulsozialarbeit nicht mehr wegzudenken.
Von Michaela Nolte
2005 wandten sich die Direktoren der Theodor-Plievier-Schule und der Oberschule
am Brunnenplatz an das Quartiersmanagement Pankstraße und forderten eine Unterstützung ihrer Lehrerkräfte. Ein Hilfegesuch, nicht so medienwirksam wie das der
Rütli-Schule, aber dennoch effektiv: Im April 2006 startete der Jugendhilfeträger
„casablanca“ das „Schulnetz“, dem auch die Herbert-Hoover-Oberschule angeschlossen ist.
Nach dem Eklat um
die Neuköllner Schule, wurde für jede
Hauptschule ein Sozialarbeiter bewilligt.
„Das reicht aber
nicht aus“, sagt Karl
Reismüller, Direktor
der Oberschule am
Brunnenplatz.
„Darum haben wir uns
zusammengeschlossen, um die schulbasierte Sozialarbeit
zu stärken, auch den
Lehrern gegenüber.“
Das von „casablanca“
entwickelte Konzept
setzt denn auch auf
ein eng vernetztes,
multikulturelles Team.
Fünf Diplom-Sozialarbeiter
arbeiten
mittlerweile
im
„Schulnetz“. Sie bilden
Pakize Öden war beim Fototermin leider krank.
Konfliktlotsen
aus,
werden als Mediatoren von den Lehrern in den Unterricht geholt, wenn Schüler massiv stören oder
schwerwiegende, individuelle Probleme haben. „Schulnetz“ ist aber auch eine Anlaufstelle für die Schüler. Die Mitarbeiter wahren die Schweigepflicht und schlichten bei
Konflikten mit den Lehrern oder Streitigkeiten mit Mitschülern.
Nicht nur derartige Ergänzungen sind von Vorteil. Im
Team organisiert „Schulnetz“ übergreifende Veranstaltungen, die bei den Jugendlichen sehr gut ankommen.
„Dr. Sommer Team“ hieß ein Sexualkundeprojekt, bei
dem die Schüler ihre Anliegen und Fragen anonym auf
Zettel schreiben und anschließend gemeinsam diskutieren konnten. „Ein Junge, der die siebte Klasse wiederholt, hat schon gefragt, ob er noch einmal daran
Ein großer Erfolg war auch die externe Fortbildung für circa
60 Konfliktlotsen. „Die Sozialpädagogen konnten kommunizieren, dass es auch andere Streitschlichter gibt und die Neugierde der Jugendlichen aufeinander wecken. Das war eine
sehr innovative Atmosphäre“, so Regina Kahl, die Leiterin der
Sozialen Dienste bei „casablanca“.
Die Angebote im Verbund tragen maßgeblich zur Vertrauensbildung bei. Insbesondere an der Theodor-Plievier-Schule
sieht Ute Benzerari den Kontakt zu den Jugendlichen noch im
Aufbau begriffen: „Viele sind sehr misstrauisch. Wenn einer
von sich aus kommt, ist das jedes Mal ein großer Erfolg. Wir
knüpfen viele Beziehungen über gemeinsame Exkursionen
oder Veranstaltungen wie das Mädchen-Fußballturnier.“
In der Herbert-Hoover-Oberschule wenden sich die Jugendlichen mittlerweile freiwillig an Janina Scheibner: „Das beginnt
bei Liebeskummer und reicht bis zu Familienproblemen. Dass
jemand zu mir kommt, weil er aus dem Unterricht geflogen
ist, wird immer seltener.“ So kann sie sich auf die immer wichtiger werdende Elternarbeit konzentrieren.
Mit Unterstützung des Quartiersmanagements Pankstraße wurde an der Herbert-Hoover-Oberschule eine Cafeteria
eingerichtet, die nicht nur die Atmosphäre für die Schüler
schöner macht, sondern auch für Elternabende und einmal
im Monat für das Elterncafé genutzt wird. „Wir möchten die
Schule auch für die Eltern attraktiver gestalten“, so Janina
Scheibner. „Außerdem betreuen Schülerinnen der 9. und 10.
Klassen ehrenamtlich die jüngeren Geschwister, damit mehr
Mütter teilnehmen können.“
Solche Angebote wollen auch die zwei anderen Schulen einführen. „Wir müssen die Schwelle für die Eltern niedriger
machen, damit sie nicht nur in die Schule kommen, wenn ihr
Kind Probleme hat“, sagt Direktor Reismüller. „Man kann nur
versuchen, sie zu überzeugen.“
Schulnetz-Ansprechpartner:
Ute Benzerari und Pakize Öden
Tel.: 4606 1742
Theodor-Plievier-Schule
Ravenéstraße 11-12, 13347 Berlin
Janina Scheibner
Tel.: 4690 6349
Herbert-Hoover-Oberschule
Pankstraße 18, 13357 Berlin
Avni Avnioglu und Dorthe Kreckel
Tel.: 4690 50544
Oberschule am Brunnenplatz
Pankstraße 70, 13357 Berlin
foto | Schulnetz
„Wir verfügen über konkrete methodische Kompetenzen und Gesprächs-Qualifikationen, die einen anderen Blick auf die Jugendlichen
ermöglichen“, sagt Ute Benzerari. Die Erziehungswissenschaftlerin ist gemeinsam mit einer Kollegin für
die Theodor-Plievier-Schule zuständig, beherrscht die
arabische Sprache und ist mit den kulturellen Gepflogenheiten von Muslimen vertraut. Wenn auch das nicht
mehr ausreicht, weil ein Junge sich dem Gespräch partout verweigert, kann der kurdisch-türkische Kollege
von der Oberschule am Brunnenplatz einspringen.
teilnehmen darf“, schmunzelt Janina Scheibner, die das
„Schulnetz“ an der Herbert-Hoover-Oberschule leitet.
Gemeinsame Schulnetzaktionen:
08.10.
13.11.
03.12.
Eislaufen
Bowling
Kekse backen
An der Herbert -Hoover-OS findet
einmal im Monat ein Eltern-Café statt.
Termin bitte erfragen.
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Q UA RT I E R I N I T I AT I V
Wildwasser e.V. hilft Frauen und Mädchen, die Opfer von sexueller Gewalt wurden. Die
Initiative in der Wriezener Strasse ist oft die erste Anlaufstelle für die Opfer. Wildwasser berät und unterstützt Betroffene, wenn sie gegen die Täter gerichtlich vorgehen
wollen. Wichtig ist dem Verein die Präventionsarbeit: An Schulen klärt Wildwasser über
sexuelle Gewalt und ihre Folgen auf.
Von André Glasmacher
Dass der erste Schritt, nämlich darüber zu reden, oft der schwerste ist, weiß Iris Hölling aus ihrer langjährigen Berufserfahrung.
„Vielen Opfern sexualisierter Gewalt fällt es schwer, über das zu sprechen, was ihnen passiert ist“, erzählt die 39-jährige Geschäftsführerin von Wildwasser, während sie im liebevoll restaurierten Gründerzeit-Salon der Villa sitzt, in der die Initiative logiert. „Die Opfer, vor
allem Mädchen, schämen sich, haben Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird“, so Hölling weiter. Deshalb ist der Aufbau von Vertrauen
eine der wichtigsten Grundlagen der Vereinsarbeit: „Die Opfer stehen mit ihren Bedürfnissen immer im Zentrum. Wir unternehmen
nichts oder entscheiden nichts, was gegen ihren Wille wäre.“
1982 entstand Wildwasser in Berlin aus einer Selbsthilfegruppe von Frauen, die selbst als Mädchen sexuellen Missbrauch und Gewalt erlebt hatten – damals das erste derartige Projekt überhaupt. Inzwischen betreibt Wildwasser eine Frauenselbsthilfe, einen
Mädchennotdienst für Mädchen und junge Frauen, eine Mädchenberatungsstelle im Wedding und ein Frauennachtcafé in Kreuzberg. Die Beratungsangebote von Wildwasser sind kostenlos, der Verein wird vom Senat unterstützt. Ein kleiner Kreis von „StammSpendern“ trägt ebenfalls zur Vereinsarbeit bei. In der Wriezenerstrasse selbst arbeiten vier Mitarbeiterinnen – qualifizierte Sozialpädagoginnen – für die Initiative, berlinweit sind es rund 35.
„Wir bieten Schutzräume an, in denen missbrauchten Mädchen und Frauen
mit Wertschätzung und Empathie begegnet wird“, erklärt Iris Hölling. Mit
der Vereinsarbeit wolle Wildwasser den Hilfesuchenden Mädchen und
Frauen helfen, das eigene Leben aktiv zu gestalten und die gesellschaftliche Dimension sexueller Gewalt thematisieren.
Zu sexueller Gewalt zählt die Leiterin auch die Androhung von Zwangsheirat: „Wenn ein Mädchen gegen seinen Willen verheiratet werden soll,
dann nennen wir das sexuelle, körperliche und emotionale Gewalt“, sagt
sie. Da Wildwasser auch in Kiezen präsent ist, die einen hohen Anteil von
Einwanderern aufweisen, versucht der Verein, Menschen verschiedener
Kulturkreise anzusprechen und deren kulturellen Kontext zu berücksichtigen: „Wir stellen gezielt Mitarbeiterinnen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen ein und fördern die interkulturelle Kompetenz in der
Arbeit.“ Zudem ist auch das Info-Material des Vereins in mehreren Sprachen erhältlich.
Im nächsten Jahr plant Wildwasser sogar, im eigenen Haus eine „interkulturelle WG“ einzurichten. Das Projekt ist eine Weiterführung der Arbeit
der Krisenwohnung in der Obentrautstrasse. Hier sollen junge Frauen und
Mädchen, die dauerhaft nicht mehr in ihren Familien leben können, Schutz
und Unterstützung finden. Wildwasser begeleit die Opfer zur Polizei und
auch während der Verhandlung vor Gericht, stellt selbst aber keine Strafanzeigen.
Um sexuelle Gewalt breiter zu thematisieren, setzt Wildwasser auf
Präventionsarbeit. „Hier geht es um die Stärkung der Selbstbestimmung
von Mädchen und Frauen, um so die sexualisierte Gewalt zum Thema zu
machen und Mädchen und Jungen möglichst frühzeitig zu unterstützen“,
sagt Iris Hölling. „Wir wollen Rollenstereotypen entgegenwirken, die Gewaltstrukturen perpetuieren. Unser Ziel ist ein gleichberechtigtes, gewaltfreies Miteinander.“ Da ein solches Ziel am besten über Erziehung erreicht
wird, kooperiert Wildwasser mit Berliner Schulen, lädt Schulklassen in die
Villa in der Wriezener Strasse ein und führt auch in den Klassen selbst
Seminare durch.
Kontakte:
Wildwasser e.V.
Wriezener Str. 10|11
13359 Berlin
[email protected]
Tel.: 030|48 62 82 22
Mädchenberatung
(für Mädchen, die sexuelle Gewalt erfahren, unterstützende Personen und
Professionelle):
Wriezener Str. 10|11 · 13359 Berlin
Tel.: 030|48 62 82 22
Telefonzeiten:Mo, Mi, 14 - 17 Uhr,
Fr. 10 bis 13 Uhr
Frauennacht-Café:
Friesenstrasse 6 ·
10965 Berlin
Tel.: 030|61 62 09 70
frauennachtcafé@wildwasser-berlin.de
Die nächtliche Krisenanlaufstelle ist für
Frauen die ganze Nacht über geöffnet.
Mädchennotdienst
(Schutz bei akuten Bedrohungssituationen)
Krisenwohnung:
Obentrautstrasse 53 · 10963 Berlin
Tel.: 030|21 00 39 90
[email protected]
Öffnungszeiten: Rund um die Uhr.
Die Krisenwohnung ist mit 8 Betten ausgestattet, sowie zwei Betten für Notfälle.
foto | caveng
Dabei ist die Nachfrage zur Zeit größer, als es die Kapazitäten von Wildwasser erlauben. „In Schulen aufklären können wir gar nicht so viel, wie
wir wollten“, sagt Iris Hölling. Doch Wildwasser wolle sich weiter bemühen,
allen zu helfen: „Jede Frau oder jedes Mädchen, das Opfer von sexueller
Gewalt ist oder dies vermutet, kann bei uns anrufen. Auch anonym.“
Q UA RT I E R I N I T I AT I V
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stellt zwei Initiativen vor, die Jugendliche dabei unterstützen, ihren Weg ins Berufsleben zu finden.
Das Projekt „Berufsorientierung durch Eltern“ hilft Jugendlichen bei der Berufsfindung, indem es auf die Förderung und Stärkung der Kommunikation innerhalb der Familien setzt. Mit Unterstützung des Quartiersmanagements Pankstraße hat der Türkische
Kulturverein die Initiative mit einem intensiven Informationsprogramm gestartet.
Grundsteine und Impulse für die Berufswahl junger Menschen werden in der Regel innerhalb der Familie gelegt. Doch heutzutage fehle es häufig an Wissen über Ausbildungsmöglichkeiten und berufliche Chancen, um überhaupt miteinander ins Gespräch zu kommen, erzählen Muzaffer Türk und Ayse Altunkaynak-Türk. Als ehrenamtliche Mitarbeiter
haben sie im Türkischen Kulturverein immer wieder mit Rat und Tat zur Seite gestanden,
wenn Eltern mit der beruflichen Zukunft ihrer Sprösslinge überfordert waren oder Jugendliche, auf sich allein gestellt, keine eigenen Perspektiven entwickeln konnten.
Aus ihren bisherigen Erfahrungen haben der angehende Politikwissenschaftler und die
Architektin ein Konzept entwickelt, das an den Ursachen ansetzt. „Man muss sich für die
Leute einsetzen, mit dem Herzen dabei sein und sie auch animieren. Es gibt hier einen
Mann, der ist über zwanzig Jahre alt und hat keinen Berufsabschluss. Aber er ist sehr
fleißig und freundlich; nur einfach zu schüchtern. Dem habe ich den Kontakt zu einem
Großhändler vermittelt“, so Muzaffer Türk.
Über vielfältige persönliche Kontakte knüpft das junge Paar ein Netzwerk zu Betrieben
und beratenden Institutionen. Vor allem aber soll den Eltern und den Jugendlichen das
notwendige Hintergrundwissen vermittelt werden. Einmal im Monat werden hierzu Referenten aus der Praxis eingeladen. „Eine Rechtsanwältin berichtet zum Beispiel über
den Beruf und über ihren persönlichen Werdegang, und wir ergänzen das dann um weitere Aspekte des Berufsfelds“, sagt Ayse Altunkaynak-Türk. „Einige haben ganz falsche
Vorstellungen von den Berufen. Wenn sich jemand für rechtliche Dinge interessiert,
muss er nicht gleich Anwalt oder Richter werden; es gibt ja auch eine Ausbildung zum
Rechtspfleger. Andere kennen die Möglichkeiten nicht, die das deutsche Bildungssystem
zum Beispiel auch über den zweiten Bildungsweg bietet,“ so die Diplom-Ingenieurin, die
vor ihrem Architekturstudium eine Ausbildung zur Sekretärin im Gesundheitswesen absolviert hat. Neben Ärzten oder Polizisten wird außerdem eine Schulleiterin über den
Wechsel von der Grund- in die Oberschule berichten, damit die Eltern sich möglichst früh
Gedanken über den Werdegang ihrer Kinder machen können.
Zweimal wöchentlich ist die Beratungsstelle geöffnet, bei Bedarf gibt es Einzelbetreuungen oder Hausbesuche, und bei Verständigungsproblemen werden die Eltern und Jugendlichen zur Berufsberatung begleitet. Gemeinsame Besuche bei Institutionen wie
dem SOS-Berufsausbildungszentrum oder dem BIZ der Arbeitsagentur helfen zudem,
die Schwellenangst mindern.
„Wir wollen die Eltern zu einer Art persönlichem Berufsberater für ihre Kinder befähigen“, so Ayse Altunkaynak-Türk. Die offiziellen Berufsberater durch das Projekt ersetzten, wollen die Initiatoren nicht. Sie verstehen sich als Brücke zwischen Eltern und
behördlichen Einrichtungen, Eltern und Jugendlichen sowie zwischen den Familien und
den Schulen.
mn
Ansprechpartner: Muzaffer Türk, Ayse Altunkaynak-Türk
Türkischer Kulturverein, Lindower Straße 24, 2. Hinterhof, 13347 Berlin,
Tel. und Fax: 461 29 54
Beratungszeiten: Montag und Mittwoch 13-17 Uhr
Von 2005 bis 2007 wurde an der Theodor-Plievier-Schule mit
Mitteln der „Sozialen Stadt“ eine Jobleitstelle eingerichtet.
Durch diese Maßnahme ist es nach Jahren zum ersten Mal
wieder gelungen, zwei Schulabgänger der Hauptschule in
der Ravenéstraße direkt in Ausbildungsplätze zu vermitteln.
Aufgrund dessen hat sich die Schulleiterin beim Quartiersrat Pankstraße für eine Verlängerung stark gemacht, so dass
Gelder für ein weiteres Jahr bewilligt werden konnten.
Das Angebot ist freiwillig, aber Walter Solinger, der Leiter der
Jobleitstelle, sucht die Teilnehmer gemeinsam mit den Lehrern aus. „Es ist sozusagen eine Belohnung für diejenigen, die
leistungsbereit sind, sich anstrengen und keine Fehlstunden
haben“, sagt der engagierte Kunst- und Sozialpädagoge.
20 Monate lang hat Solinger anhand von Gesprächen und Rollenspielen mit 18 Jugendlichen trainiert, wie man die eigenen
Fähigkeiten einschätzen lernt, ein klares Berufsziel entwickelt
und wie man sich über die Inhalte und Anforderungen eines
Berufes informiert. „Wenn jemand KFZ-Mechatroniker werden will, weil er am Wochenende gerne unterm Auto liegt
und schraubt, muss man ihm sagen, dass der Beruf heutzutage kein mechanisches Geschick, sondern Computerkenntnisse erfordert“, so Solinger. Er setzt auf Effektivität und ansprechende Bewerbungsschreiben. „Wozu soll einer blindlings
50 Bewerbungen verschicken, die alle nichts bringen? Soll er
damit Jubiläum feiern?“ Solinger erarbeitet mit den Schülern
individuelle Strategien für ihre Bewerbungen. Ganz konkret
im Hinblick auf die gewünschte Stelle werden Mappen zusammengestellt, die potenzielle Arbeitgeber gleich beim Lesen
begeistern sollen. Denn für Hauptschüler erscheint die Konkurrenzsituation fast unüberwindbar. „Bei der Industrie- und
Handelskammer wurden im letzten Jahr 320 Ausbildungsplätze angeboten, von denen nur zwei nicht ausdrücklich den
mittleren Schulabschluss verlangt haben. Da müssen auch die
Arbeitgeber von ihrem hohen Ross runterkommen.“
Für die neue Projektphase der Jobleitstelle sollen verstärkt
auch die Eltern eingebunden werden und, so Solingers erklärtes Ziel, doppelt so viele Schüler vermittelt werden. mn
Jobleitstelle in der Theodor-Plievier-Schule
Ravenéstraße 11-12, 13347 Berlin
Ansprechpartner: Walter Solinger
Tel.: 4606 1745
Einer der beiden Schulabgänger, die inzwischen ihre Ausbildung begonnen haben, ist Sinan Disci. Lesen Sie sein Portrait
auf Seite 6.
Die zehn beliebtesten Ausbildungsberufe in Deutschland. Der linke Teil der Grafik steht für die Damen, der rechte für die Herren. Quelle: Statistisches Bundesamt.
SE I T E 6
VORG ESTELLT
Von 2005 bis 2007 hat das Quartiersmanagement Pankstraße die Jobleitstelle an der Theodorr Plievier-S
r chule gefördert (siehe auch Seite 5). Sinan Disci war
einer der Schüler, die an der aus Mitteln der „Sozialen Stadt“ geförderten Maßnahme teilgenommen haben. Sinan war engagiert und erfolgreich: Anfang
September hat er seine Ausbildung begonnen.
im Gespräch mit Michela Nolte
Sinan Disci ist groß und schlaksig. Ein ernsthaft
wirkender, nachdenklicher junger Mann, der zum
Zeitpunkt unseres Gesprächs zwei Wochen vor seinem 18. Geburtstag steht. Wir treffen uns in der
Theodorr Plievier-S
r chule im Büro von Walter Solinger, dem Leiter der Jobleitstelle. Der junge Kurde
kommt gern hierher, auch noch nach seinem Schulabschluss. Nicht zuletzt durch Solingers Arbeit hat
Sinan Mut und Selbstvertrauen geschöpft, Selbstdisziplin entwickelt und einen Ausbildungsplatz
gefunden. Eine große Ausnahme an dieser Schule.
GEBOREN
1989 IN KONYA
Y , TÜ
T RKEI
IN DEUTSCHLAND SEIT
2002
AUSBILDUNG
zur Seite. Bei Problemen mit der Bürokratie oder beim Elternabend des kleinen Bruders,
springt Sinan dann schon einmal ein.
Seinen Wunschberuf hat er in verschiedenen Praktika kennen gelernt. Bei diesemThema taut er auf
und erzählt begeistert: „Ich esse und koche sehr gerne, und ich weiß, welches Fleisch gut schmeckt.“
An den Wochenenden ist er freiwillig zum Praktikum gegangen. „Ich wollte wirklich etwas lernen.
Auch damit ich bei der Vorstellung für den Ausbildungsplatz zeigen kann, was ich schon weiß.
Das hat mir bei meinem zukünftigen Arbeitgeber sehr geholfen.“
ERWEITERTER HAUPTSCHULABSCHLUSS, AUSBILDUNG
ZUM FLEISCHER UND FLEI-
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SCHEREIFACHVERKÄUFER
HOBBYS
GEDICHTE SCHREIBEN, SAZ
(TÜRKISCHE LAUTE) SPIELEN,
JOGGEN UND LESEN
FAMILIENSTAND
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LEBT MIT SEINEN ELTE
L RN
UND DEN ZWEI JÜNGEREN
BRÜDERN IM WEDDING
Dabei waren die Startbedingungen denkbar schwierig. Als Sinan Disci vor fünf Jahren nach Berlin kam,
konnte er kein Wort Deutsch. Die Sprache hat er
zwei Jahre lang in einer Förderklasse an der Winkelried-Oberschule gelernt. Ab dem zweiten Halbjahr
der siebten Klasse ging es in den Regelunterricht.
„Anfangs habe ich Fortschritte gemacht und meine Zensuren waren gut; zum T
Teil sogar besser als
bei den Kindern, die in Deutschland geboren sind.
Da dachte ich, dass ich die Sprache beherrsche und
mich nicht mehr anstrengen muss. Ich habe nachgelassen, und die Noten wurden schlechter. Bis ich
gemerkt habe, ich kann nicht so leben wie andere, die nur draußen abhängen wollen, keine Lust
haben, etwas zu werden, nicht lernen und später
keine Familie haben wollen.“
In der neunten Klasse wechselte Sinan zur Theodorr Plievier-S
r chule, wo er am Programm der Jobleitstelle teilnahm. Er hat das Angebot genutzt und
heute ein sehr klares Ziel vor Augen. Er weiß, dass
man sich bemühen muss, wenn man etwas aus sich
machen will. Das vermittelt er auch seinen Geschwistern, und Stolz erzählt er, dass der jüngste Bruder
gerade aufs Gymnasium gekommen sei. Da will er
helfen, Vorbild sein, und auch den Eltern steht er
v
KURZ VOR SCHLUSS
SEITE 7
Von MIchaela Nolte
foto | caveng
Null Bock, kein Sinn, keine Zeit. Die Gründe für
Schulverweigerer sind sehr verschieden. Einige
sind bereits in der Grundschule verhaltensauffällig geworden, andere halten dem Leistungsdruck
einfach nicht stand. Aus den Fehlzeiten resultieren weitere Lernschwierigkeiten, und am Ende
potenzieren sich die Probleme. Wenn Tadel, Schulverweise und Konferenzen nicht mehr wirken, bekommen schulmüde Jugendliche bei „move plus“
eine Chance.
Die Kooperation des Jugendhilfeträgers Zukunftsbau
und des Schulamtes Mitte wurde 2005 ins Leben gerufen und fußt auf Erfahrungen des Schulverweigererprojekts „move“. Während „move“ auf den externen
Schulabschluss vorbereitet und sich an Jugendliche
wendet, die zwei Jahre nicht mehr zur Schule gegangen sind, setzt „move plus“ frühzeitig ein. In Zusammenarbeit mit der Oberschule am
Brunnenplatz, der Wilhelm-Busch- und der Hans-Bredow-Schule stehen derzeit zehn
Plätze für Zwölf- bis Fünfzehnjährige zur Verfügung, bei denen ein Schulabbruch
noch abgewendet werden kann.
Move plus
Uferstraße 14
13357 Berlin
Tel.: 322 99 164
Auf die Frage nach einem beeindruckenden
Fall in der 2001 eingerichteten Schulstation
der Wedding-Grundschule, berichten Konstanze Tauchmann (Erzieherin) und Martin Uda (Sozialpädagoge) von einem arabischen Jungen,
der bereits von zwei anderen Grundschulen
verwiesen worden war. Er galt als aggressiv
und sogar der Vater hatte an einer der Schulen
Hausverbot bekommen. In der sechsten Klasse
wurde der Junge an der Wedding-Grundschule
aufgenommen, unter der Bedingung, dass er
am Konfliktlosen-Programm teilnimmt, einmal
wöchentlich zum Gespräch in die Schulstation
kommt und auch der Vater wurde regelmäßig in
die Schulstation gebeten.
Schon nach kurzer Zeit hieß es: „Die ärgern
mich.“ Der Junge prügelte nicht mehr, sondern
kam mit seinen Problemen in die Schulstation.
„Im Laufe der acht Monate, in denen er bei uns
war, haben sich auch seine Noten sehr verbessert. Das war perfekt, allerdings eine Ausnahme.
Normalerweise brauchen wir etwa zwei Jahre“,
sagt Konstanze Tauchmann. „Die Kinder sind es
einfach nicht gewohnt, Gespräche zu führen. Da
kommen sie richtig ins Schwitzen. Man braucht
Geduld. Aber dann bewirkt man etwas!“
Schulstation der Wedding-Grundschule
Antonstraße 10, 13347 Berlin
Tel.: 2009 44 233
Email: [email protected]
Das Schulschwänzen sieht Birgit Knispel jedoch nur als Spitze des Eisbergs. Manche
seien wegen krimineller Handlungen oder Drogenkonsums schon einmal mit dem
Gesetz in Konflikt geraten und haben den ersten Schulwechsel bereits hinter sich, erzählt die Sozialpädagogin. Im Hintergrund stehen oft schwierige Familienverhältnisse,
soziale und emotionale Verwahrlosung. Eltern, die ihre Kinder aufgegeben haben oder
die „Großen“ als Babysitter für die kleinen Geschwister einsetzen. So setzt die Arbeit
nicht nur bei den Schülern, sondern auch beim direkten Kontakt zu den Eltern an.
In den „move-plus“-eigenen Räumen wird in Kleinstklassen mit maximal fünf Schülern unterrichtet. Dreimal wöchentlich gibt es jeweils eine Stunde Mathematik, Deutsch und Englisch. An den restlichen zwei
Tagen und an den Nachmittagen werden Sport-, Kunst- oder Ernährungsprojekte angeboten oder auch
schon mal eine Rallye zur Stadterkundung. Das Lernen findet praxisbezogen und individuell statt. Mathe
wird beim Bau eines Holzregals gelernt, Deutsch anhand von Exkursionen oder konkreten Alltagserfahrungen: Wer gerne schläft, schreibt etwas zum Thema Schlaf. Schüler, die zu unkonzentriert sind,
können eine Pause machen.
Die pädagogische Arbeit erfordert von dem vierköpfigen Betreuerteam aus Sozialpädagogen, Erziehern
und Lehrern ein hohes Maß an Geduld und Flexibilität. „Der Unterricht hängt sehr von der Tagesform ab.
Wenn die Vorbereitungen nicht angenommen werden, muss man Alternativen anbieten - Spiele oder
Lernprogramme am Computer“, sagt Daniel von der Gönna. Der Erzieher und Diakon unterrichtet bei
„move plus“ auch Englisch. Denn die Aufgabenbereiche des Teams sind fließend. Die Lehrer sind nicht
nur für Deutsch und Mathematik zuständig, sondern übernehmen ebenso das gemeinsame Kochen und
sind bei Sport- oder Aktionstagen dabei.
Das eigentliche Ziel ist die Reintegration in die 9. Klasse. Aber die Leistungsdefizite sind groß und der
eigentliche Unterrichtsstoff wird vielfach von Konflikten innerhalb der Gruppen und deren Lösung
überlagert. So sind es vor allem soziale Kompetenz, Vertrauen, Selbständigkeit und Eigendisziplin, die
die Jugendlichen wieder lernen müssen.
„Einer unserer Teilnehmer galt als “unbeschulbar“. Selbst nachdem er bei uns erfolgreich war, lehnte
die Leitung der alten Schule seine Bewerbung für das „Produktive Lernen“ ab. Er ist dann aus eigenem
Antrieb noch einmal hingegangen, und konnte überzeugend darstellen, dass er sich geändert hat“, so
Birgit Knispel. Ein Berufsziel hat er bei „move plus“ auch gefunden. Denn neben dem Frühstück, das von
den Jugendlichen mit vorbereitet wird, ist ein wichtiger Bestandteil des Tagesablaufs das gemeinsame
Mittagessen. Im Rahmen des Arbeitslehre-Unterrichts kocht jeweils ein Schüler jeden Mittag mit einem
der Betreuer. Der „Unbeschulbare“ hat dabei seine Leidenschaft fürs Kochen entdeckt, ein Praktikum in
einer Küche gemacht und will nach dem Schulabschluss eine Ausbildung zum Koch absolvieren.
Von bislang 17 Teilnehmern haben vier die Probezeit nicht bestanden, drei weiteren musste aufgrund
von Gewalt oder erneutem Schwänzen „gekündigt“ werden. Insgesamt konnte bislang jedoch sieben
Jungen und Mädchen noch einmal eine Perspektive vermittelt werden. Sie wechselten in eine berufsorientierende Maßnahme, gehen wieder zur Schule oder bereiten sich bei „move“ auf den externen
Schulabschluss vor.
SEITE 8
Welche Aufgaben und Kompetenzen haben Sie als Bezirksstadträtin?
Im Bezug auf die Schulen sind wir für die äußeren Angelegenheiten zuständig: für die
Gebäude und die Lehr- und Lernmittel, welches Kind in welche Grundschule geht, ob Schulen
geschlossen oder neu eröffnet werden. Außerdem stehen die Bereiche Sport, Bibliotheken, Kulturamt, Volkshochschule und
Musikschule noch in meiner
Verantwortung.
Das Pädagogische und die
Lehrerversorgung sind bei
der Senatsverwaltung angesiedelt. Die Rolle als Stadtrat
für Schule ist eher eine unterstützende. Die Schulen müssen wissen, was sie wollen und
Ideen entwickeln. Wir sollten
dann möglich machen, was sie
brauchen. Ein Thema, das uns
seit vielen Jahren beschäftigt,
ist die Zusammenarbeit der
verschiedenen Institutionen,
damit die Angebote auch den
Schülern zugute kommen. Das
gab es zu meiner Zeit nicht. Die
Schule war eine geschlossene
Einheit. Heute arbeitet man da
viel mehr zusammen. Zum Beispiel koordinieren wir Tanzangebote der Musikschule an Schulen; da
versuchen wir Gelder zu finden und Mehrheiten zu organisieren, damit das möglich wird.
Kennen Sie die Schulen im Bezirk persönlich?
Ich muss zugeben, auch nach sechs Jahren war ich noch nicht in jeder Schule. Es gibt 67
Schulen im Bezirk und ich schaffe es etwa ein Mal pro Monat vor Ort zu sein. Meist ist das anlassbezogen. Es gibt Schulen, die Anliegen haben und sich mit uns auseinandersetzen wollen. Manche
wollen auch in Ruhe gelassen werden. In der Ernst-Reuter-Oberschule war ich schon öfter, und in
der Oberschule am Brunnenplatz war ich kürzlich zur Abschlussveranstaltung des Projekts „Going
Social“.
Wie schätzen Sie die Situation der Schulen beziehungsweise der Schüler im Wedding ein?
Ich denke, dass die Schulen eine große Herausforderung zu bewältigen haben und dass
die Situation schwieriger wird. Viele machen eine tolle und engagierte Arbeit. Weil die Akzeptanz
einer Schule aber sehr stark von ihrem öffentlichen Image abhängt, wünsche ich mir mehr kritische, aber auch selbstkritische Debatten der Schulöffentlichkeit nach innen und außen und eine
noch stärkere Bereitschaft, sich auf etwas Neues einzulassen. Da würde ich mir manchmal mehr
Dynamik wünschen und natürlich viel mehr neue Lehrer, vor allem jüngere. Aber wir wollen die
Lehrer auch motivieren und unterstützen. Die Arbeit, die sie machen, wird häufig unterschätzt.
Wir brauchen vor allem eine Qualitätsdebatte und den öffentlichen Respekt für tatsächliche Verbesserungen. Ich finde es schade, dass viele Schulen unter so einem schlechten Image leiden.
Im Wedding müssten die allerbesten Lehrer arbeiten. Da müsste man Anreize geben. Nicht nur
(Fortsetzung von Seite 2) Neben derartigen Ferienprojekten bietet die Jugendkunstschule jede Menge
Mal- und Zeichenkurse, Familienkurse, Fotografie-,
Multimedia- oder Keramikwerkstätten an. Für Projekte
kommen die JUKS-Künstler auch in die Schulen und
Kitas. Ende Oktober wird der „Jugendkunstpreis Mitte“
vergeben: Jugendliche von 14 bis 19 Jahren können sich
bis zum 11.10.07 mit ihren Kunstwerken bewerben.
foto | S.Zeller
Infos unter: www.juks-mitte.de
Jugendkunstschule, Schönwalder Straße 19, 13347 Berlin.
Büro-Öffnungszeiten: Dienstag 10-17 Uhr, Mittwoch und
Donnerstag 14-17 Uhr.
Ansprechpartnerin: Editha Heiber, Tel.: 2009 434 07
mehr Geld, sondern auch vermitteln, warum
das wichtig ist.
Vor meiner Schule gab es im Mai eine
Messerstecherei. Da war sofort die Presse da
und hat zum Teil auch falsch darüber berichtet. Gerade dadurch bekommt die Schule ein
schlechtes Image und das wirkt sich auf die
Schüler aus. Warum wird so selten etwas Positives über die Schulen geschrieben?
So etwas ist sehr bedauerlich, weil das
nur Vorurteile bestätigt. Es ist aber kaum zu
verhindern, dass eine Schule durch solche Ereignisse leidet. Wir haben im vergangenen Jahr
in der Bezirksverordnetenversammlung über
das Thema geredet, und manche Bezirksverordnete haben gesagt: „Wenn man die Gewalt
an den Schulen im Griff hat, hat man die Gewalt
in der Gesellschaft im Griff.“ Das halte ich für
einen Trugschluss! Auch die Schulleiter haben
bei diesen Diskussionen deutlich gemacht, dass
das völlig falsch sei. Wir haben es mit einer Verwahrlosung und Zunahme von Gewalt in der
Gesellschaft zu tun, gerade auch bei Erwachsenen. Es gibt immer weniger klare Regeln, an
die man sich hält. Die ganze Gesellschaft wird
disziplinloser und Kinder übernehmen das.
Man muss die Schulen davor schützen, dass
sie als Ort der Gewalt in den Vordergrund geschoben werden. Die Senatsverwaltung bringt
einmal im Jahr einen Bericht über Gewaltvorfälle in Berliner Schulen heraus. Allein durch die
Tatsache, dass es einen schriftlichen Bericht
gibt, wird der Eindruck bestätigt, dass Gewalt
ursächlich mit Schule zusammenhängt. Für andere gesellschaftliche Bereiche gibt es solche
Dokumentationen nicht. Das muss hinterfragt
werden. Dadurch wird auch gar nicht wertgeschätzt, was in den Schulen gemacht wird: die
Streitschlichterprojekte, die Polizeikooperationen, die Zusammenarbeit mit der Justiz, die
ganze intensive Auseinandersetzung mit dem
Thema.
Was denken Sie über Projekte wie einen Wettbewerb gegen Gewalt im Bezirk, wo
die Schüler und Schulen, die sich gegen Gewalt
einsetzen, belohnt werden. Man muss ja auch
positive Beispiele geben, damit die Kleineren
nicht schon Gewalt vor sich sehen, und damit
sie sich früh gegen Gewalt engagieren können.
Also mehr Anreize schaffen, damit sich
jeder im Schulalltag gegen Gewalt engagiert …
foto | S.Zeller
Wir haben auch Projekte angeschoben. So ist das gewachsen, über viele Jahre ehrenamtliche Arbeit. Die Entscheidung für das Amt war dann eher spontan. Ich habe gedacht, ich könnte
mich mal verändern und dass mir das Spaß machen könnte. Es ist mit viel Arbeit und Stress verbunden, aber ich habe es nicht bereut.

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