N U M I S M A T I
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ZEITSCHRIFT P C R N U M I S M A T I i[EKAl\S(fEGEJ3EN VON H. DIIKSSEL UND J. MENADIEH A C H T U N D Z WA N Z I G S T E R B A N D . BERI^IN, WErDMANNSCriE BUCHHANDLUNG. 1910. Eine Medaille Lorenzo Berniuis. ( l l i e r z u Ta f c l V I I I . ) Trotz der vielseitigeii Tatigkcit Bernhiis auf alien Gcbieten plastischen Schaffens keiint die Medaillenkunde den Namen des Kunstlers bisher nicht. Das ist um so sonderbarer, als das „Werk" dieses GroBmeisters der italienischen Barockkunst sonst von altersher die eingeliendste Bcachtung gefimden hat und die Medaille, die ich an dieser Stellc ihni zuweise, eine beglaubigte Schopfung seiner Hand ist. Ausgangspunkt war ftir mieh ein, soweit ich sehe, nirgends erwiihnter Sticli des Giovanni B a 11 i s t a B o n a c c i n a, eines mailandischen Graphikers, der in Rom tatig Avar nnd in der Art des Claude Mellan nach Bernini und anderen romischen Barock- iiieistern gestochen hat. Das Blatt scheint von groBer Seltenheit zii sein; das mir bekannte Exemplar befindet sich in Kupferstichkabinett zii Dresden und erweist sich durch die Inschrift: Opus Equitis Joannis Laurcntij Bernini als nach einer Zeichnung des Meisters (wahrscheinlich einer lavierten Fcderzeichnnng) ausgefiihrt. Die Abbildung des Stiches enthebt uns der naheren Beschrei- bung. Es handclt sich nm eine Laudativinschrift auf Alexander VII (Chigi), die in dem bokannten bombastischen Latein des Zeitalters zuerst die Verdienste des Papstes aufziihlt und dann berichtet, wie Domenico Jacobacci, um seine Dankbarkcit gcgen Alexander zu bezeugen, eine Mi'inze von der Hand 33erninis (numisma opus Bernini) habe gieBen (fusum) lassen, die er nunmehr (tandem, also einige Zeit nach der Entstehung) in dem vorliegenden Sticli abbildc. Es ware nun unverstandlich, wie die Autorschaft Berninis an 2 3 2 11. V o s s ; der betreffenden Medaille hiitte iibcrsehen werdeii konncn, wenn nicht noch cin z-\Veiter, venvandter Stich Bcmaccinas oxistierte, mit stellenweise ausfuhrlicherem Texte, der indosscn den Kamen Berninis nicht nennt. Sehr begreiflicli: die diesemBlatte zugnmdeliegende Zeichnung geht auf Pietro da Cor ton a, den gcnialen dekorativen Maler und Architekten, Berninis geschatztesten Eivalen, zurilck: da war der Hinweis auf Bernini als Urlieber der Medaille wenig am Platze. B o n a n n i kennt nun offenbar nur diesen Stich, den cr ausfuhrlich beschrcibt und dessen, wie gesagt, leicht abweichendc Inschrift er im genauen Wortlaut wiedergibt. Wir erfahren da u. a., daJ3 Jacobacci das Bauwesen unter dem bekannt1) Philippus Bonannius, Numismata Pontificum Romanorum quao a tempore Martini V. usque ad annum MDCXCIX .... prodiere. Romae MDCXCIX, Tom, II, pag. 697. Einc Medaille Lorenzo Beminis. 233 lich sclir baufrcudigon Alexander beaufsiclitigtc (publicis insuper moiuimcntis) uiid erhalten zugleich eiiien Hiiiweis aiif mchrere Haiiptkonstruktioncn: die Kolonnaden und die Cathedra von S. Peter. Eingeralimt wird die eigentliche Inschrifttafel durch eine Allegorie auf die Walirhcit, die iiber den Neid triiimpliiert. Auch dicser Stich sclieint lieute selten vorzukommen; das mir bekannte Exemplar wird in dem Gabinetto delle Stampe in Rom (Palazzo C.'orsini) aufbewahrt. Nacli Kenntnis der beiden Stiche herrscht natiuiich keine Schwierigkeit, die Medaille selber aiifzufinden; sie ist zuerst er- wiihnt und abgebildet worden bei Claude du Molinet^) 1) Claudius du Jlolinct, Historia Summorum Pontificum a Martino V. ad Innocentium XI. per eorum nuinisniata. Lutetiae 5IDCLXXIX; die Medaille beschrieben auf pag. 185, abgebildet auf pag. 179. H. 2 3 4 Voss: (1679), weiter bei Bonanni und V e n u t i (1744), ciii Exemplar davon besitzt das Koniglichc Miinzkabinett in Berlin. Auf der Vorderseite ist Alexander im Profil, nach links ge^Yendet, gegeben; die Umschrift laiitet: Alexander VII P. M. pius Justus opt. Senen. patr. gente Chisius MDCLIX. Die letztere Jalireszahl stimmt zwar mit der auf Bonaccinas Wiedergabe angegebenen nicht genau iiberein (wir finden hier das Jahr 1658 genannt); allcin in der Hauptinsehrift des Blattes kehrt dann das Datum 1659 wieder, Ich lasse es dahingestellt, ob die kleine Variante in der Umschrift auf eine Nachlassigkeit oder ein Versehen des Stecliers zuruckgeht, Oder ob die ersten Exemplare der MedaiUe schon 1658 gegossen worden sind. Interessanter und charakteristischer filr Bernini ist der Rovers der Medaille. Er stellt die bekannte Geschichte von Androclus und dem Lowon dar, d. h. den Moment, da der Lowe, der in Androclus den einstigen Woltater wiedererkennt, sich diesem zu Fiil3en wirft. Der Text auf dem Schriftbande unten nimmt darauf mit den Wort,en Met fera memor beneficii'' bezug. Bei Bonanni findet sich die Er- zahlung mit alien Einzelheiten genau wiedergegeben; nur der Name Androclus ist durchgehends in ,,Androdus'' umgewandelt. Molinet will es seinen Lesern orsparen „tritani illain historiam" ausfiihrlich vorzufuhren. Die Umschrift cnthiilt die Widmung der Medaille an Alexander mit den Worten: munifico Principi Doniinieus Jacobatius. Die Darstellung in der Mitte verlangt eine Konfrontation mit anderen "Werken des Meisters, wobei sich denn ohne weiteres ergibt, da6 auch die Stilkritik die Autorschaft Berninis in vollsteni Umfange bestatigt. Einen ahnlichen Lbwen hat der Kiinstler fiir das Titelblatt der Gedichte Urbans VITI. gezeichnet (gestochen von Claude Mellan); die geistreiche Skizzierung der Zuschauer in der Arena atmet den Geist der kiinstlerischen Sicherheit und Uberlegenheit, der den monumentalen Plastiker audi in der Kleinkunst 1) Rudolphinus Venuti, Numismcata Romanorum Pontificum praestan- tiora a Martino V. ad Benedictum XIV. Romae 51DCCXLIV, pag. 2G4. Eine Meilaille Lorenzo Bcrninis. 2 3 5 von den EGiufsniedaillenren untersclieidet. Im selben Sinne ware die Anordniing der imilaiifeiidcn Inschrift zu erwahnen. Besonders interessant gcstaltet sich der Vergleicli mit einem Medailloii, das Bernini fiir die Wolbimg der Decke der Scala Regia (bei der Konstantinsstatue) gezeichnet (nicht selber ausgefiihrt) hat. (Abbildung sielie nnten.) Die Gestalt des stelienden Feldherrn rechts (Konstantins des GroJ3en) stimint in Haltung, Tracht, Kontrapostierung mit dem Andi'oclus der Medaille auffiillig iiberein. Jm iibrigen wird man sich nicht entschlieBen konnen, die Androclusniedaillc zu den ^YiI•klich genialen AVerken des Meisters zu reclinen. Es handelt sich viehnehr offensichtlich um eine Ge- legenheitsarbeit im gewblinlichen Sinne des AVortes, auf die Bernini wenig mehr Sorgfalt verwendet hat als auf die zahlreichen zeichnerischen Entwiirfc und Sldzzen, die wir von seiner Hand besitzen. Ziim Technischen ist schliefilich zu bemerken, daB die Medaille, wie der Text des Stiches angibt und der Befund am Objekt bestatigt, gegossen ist, und zwar in dreierlei Metallen: ex auro argento atque acre. Das Berliner Exemplar, nach dem unsere Ab bildung liergestcllt ist, gehort zu der letzten GattungHermann Voss.