Der XVI. Internationale Geographenkongress in Lissabon 1949

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Der XVI. Internationale Geographenkongress in Lissabon 1949
DER XVI.
INTERNATIONALE GEOGRAPHENKONGRESS
IN LISSABON 1949
Organisation und offizielle Exkursionen
Von Otmar Widmer
Am Internationalen Geographenkongreß in Amsterdam 1938 war der nächste für
daraufhin 1939 als Tagungsort Lissabon gewählt worden. Der
Weltkrieg verunmöglichte die Veranstaltung; die nach dessen Beendigung erfolgte
Wiederaufnahme der internationalen Beziehungen führte schließlich im November
1946 neuerhch zur Wahl von Lissabon für den auf September 1948 angesetzten Kongreß.
Wegen der in zu geringer Zahl eingegangenen Anmeldungen von Teilnehmern und
der Zusage von nur 19 der eingeladenen 57 Staaten hatte das Organisationskomitee
Verlegung auf 1949 beschlossen, und so wurde der Kongreß, nachdem der Entscheid
der Mitgliedstaaten 11:7 auf April statt auf September 1949 gefallen war, in der
Karwoche dieses Jahres vom 8. bis 15. April abgehalten; Vorbereitung und Durch¬
führung lagen in den Händen eines 15ghedrigen Komitees, speziell aber seines Sekre¬
tärs, des Geographieprofessors an der Universität Lissabon, Prof. Dr. Orlando Ri1942 beschlossen und
beiro.
Die Eröffnung fand unter dem Vorsitz des Staatspräsidenten Marschall Carmona
in Anwesenheit des Kardinal-Patriarchen von Lissabon Freitag, den 8. April, um 15 Uhr,
im Sitzungssaal der Cämara Corporativa im Palais der Nationalversammlung (Paläcio
de Sao
Bento) statt.
Zur Begrüßung sprachen der Präsident des Organisationskomitees Prof. Dr. Amorim Ferreira,
des Meteorologischen Landesdienstes, Lissabon, und der Präsident der Union Geographique
Internationale, Prof. Dr. Emmanuel de Martonne, Paris. Abends empfing der Erziehungsminister die
Kongreßteilnehmer im Park des Hotels Aviz. Am 9. April offerierte der Präsident des Kulturinstitutes
geladenen Gästen ein Diner im Avenida-Palace-Hotel; am 11. April arrangierte der Stadtratspräsident
einen Empfang im prächtigen Tropengewächshaus «Estufa fria» im Park Eduard VIL; weitere Anlässe
waren am 12. April eine Hafenrundfahrt auf dem Tejo und abends eine Galavorstellung im Theater
Sao Carlos, am 13. April ein Besuch in dem modernen Museum für Volkskunde in Belem; anschließend
lud der schweizerische Gesandte, Minister Brunner, die Landsleute zum Tee. Am Palmsonntag konnte
man wählen zwischen einem Ausflug in die romantisch-pittoreske Arräbida-Kette und nach Setübal
und einer Fahrt über Schloß Queluz nach Sintra mit seinen drei Burgen und zurück längs der Meeres¬
küste über Cascais und Estoril. Höchst instruktiv war die Führung Prof. Ribeiros durch Lissabons
Altstadt, Kastell, Aussichtspunkte und weitere Umgebung.
Der Kongreß fand in den Räumen des großangelegten, neuen «Instituto Superior Teenico» statt.
Direktor
Von den angemeldeten 652 Teilnehmern aus 34 Ländern, zu denen sich nachträglich
noch weitere gesellten (insgesamt 708), waren gegen 330 erschienen. Am stärksten ver¬
treten waren neben dem Gastland Frankreich mit 94, Brasihen mit 71, die USA mit 49,
die Schweiz mit 46, Großbritannien und Italien mit je 40 Anmeldungen. Aus dem
deutschen Sprachgebiet waren anwesend Prof. Lautensach, Stuttgart, Dr. h. c. der
Universität Coimbra, der sich durch seine Geographie Portugals besondere Verdienste
um dieses Land erworben hat, und Prof. Solch, Rektor der Universität Wien.
Die Generalversammlung der Union Geographique Internationale wurde in zwei
Teilen, am 9. April um 15 Uhr und am 15. April um 10.30 Uhr, abgehalten, vom Prä¬
sidenten der UGI, Prof. de Martonne, autoritär, unter möglichster Ablehnung von
Diskussionen, geleitet.
Im Sinne der vom Exekutivkomitee am 12./13. September 1948 in Brüssel festgelegten Tagesord¬
nung folgte der Ansprache des Präsidenten und dem Bericht der Generalsekretärin Frl. Prof. Lefevre,
Louvain, die Abstimmung über die vorgeschlagene Statutenänderung. Diese bezweckt Betonung der
Stellung der UGI als private berufliche Vereinigung, in welcher die Mitgliedstaaten nicht durch Re¬
gierungsinstitutionen, sondern durch private wissenschaftliche Nationalkomitees (Akademien, Ver-
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bände) vertreten sind; auch die Teilnahme an den Kongressen soll allen Wissenschaftern unabhängig
von politischen Erwägungen freistehen. Die UGI gehört dem Conseil International des Unions Scienti¬
fiques an, welcher der Koordination der internationalen wissenschaftlichen Tätigkeit und der Vertretung
in der UNESCO dient.
Für die Jahresbeitragsleistung hat sich jedes Land in eine der vorgesehenen
acht Kategorien einzureihen, für welche die Anzahl (115) der Beitragseinheiten festgelegt ist. Ohne
Rücksicht auf diese verfügt jedes Land nur über je eine Stimme. Für die Zahlungen sind die National¬
komitees verantwortlich, doch sollen die Landesregierungen dafür aufkommen; bei Nichtzahlung durch
drei Jahre kann Ausschluß erfolgen. Die für das Intervall zwischen zwei Kongressen vorgesehene
Funktionsdauer der Studienkommissionen, die sich nach persönlicher Kompetenz und nicht nach
Ländern zusammensetzen sollen, kann einmal, ganz ausnahmsweise ein zweites Mal verlängert werden;
die Maximalzahl der Mitglieder wird auf je sechs beschränkt.
Die Zahl der Vizepräsidenten wird auf
sieben erhöht. Bei der folgenden Neukonstituierung des Exekutivkomitees wurden gewählt als Präsi¬
dent Prof. J. B. Cressey, Syracuse, N.Y., USA, als Ehrenpräsident Prof. de Martonne, als Vizepräsi¬
denten Frl. Prof. Lefevre (Belgien), Prof. Almagia (Italien), Prof. Dr. Hans Boesch (Schweiz),
Prof. Leite de Castro (Brasilien), Prof. Ribeiro (Portugal), Prof. Stamp (Großbritannien) und als
Die Beitragseinheit wurde auf USA $ 100.
Generalsekretär Prof. G. H. Kimble (Montreal, Canada).
Um Neuaufnahmen zu den bisherigen 27 Mitgliedstaaten bewarben sich China, Indien,.
festgesetzt.
Die Einladung von USA wurde angenommen und für den Internationalen
Ungarn und Türkei.
Geographenkongreß 1952, um den sich auch Brasilien und Österreich beworben hatten, mit Rücksicht
auf die Zentenarfeier der American Geographical Society, Washington in Aussicht genommen.
In der Schlußsitzung des Kongresses, am 15. April um 16 Uhr, im Gebäude der
Geographischen Gesellschaft von Lissabon (Coliseu dos Recreios) berichtete Prof. Ri¬
beiro über den Verlauf der Tagung und empfing den Dank der Teilnehmer aus dem
Munde des abtretenden und des neugewählten Präsidenten der UGI.
In den wissenschaftlichen Sitzungen gelangten die von den bestehenden acht Kom¬
missionen bearbeiteten Probleme und die für die sieben Sektionen vorgesehenen 30 Fra¬
gen unter dem Vorsitz der bestellten Sektionsbureaux zur Behandlung.
Von den Kommissionen: I. Studium der Bevölkerung, II. Studium der Pliozän- und PleistozänTerrassen, III. Studium der Klimaänderungen, IV. Publikation der alten Karten, V. Luftphototopo¬
graphie, VI. Kartographie der tertiären Einebnungsflächen, VII. Agrargeographie und VIII. Studium
der industriellen Seehäfen hatten die L, V., VII. und VIII. Kommission Arbeitsprogramme, die II. einen
abschließenden 6. Bericht vorgelegt. In dem den Teilnehmern überreichten stattlichen Band von 204 Sei¬
ten «Resumes des Communications» sind Zusammenfassungen von 206 Referaten enthalten. Die Ver¬
teilung nach Sektionen war folgende: I. Kartographie 5 Fragen, 31 Referate; II. Physische Geographie
6 Fragen, 55Referate; III. Biogeographie 3 Fragen, 9 Referate; IV. Anthropogeographie und Wirtschafts¬
geographie 6 Fragen, 60 Referate; V. Kolonisationsgeographie 3 Fragen, 13 Referate; VI. Historische
Geographie und Geschichte der Geographie 3 Fragen, 13 Referate und Methodologie 4 Fragen, 25 Re¬
ferate. 9 Schweizer hatten 14 Referate angemeldet.
Da für die geplante, durch Zirkulare vom 30. März und 15. Dezember 1948 angekündigte Inter¬
nationale Kartenausstellung wegen der zu leistenden hohen Kostenbeiträge nur von sechs Ländern
Anmeldungen eingegangen waren, gab man am 16. Februar 1949 bekannt, daß die Ausstellung
nicht stattfinden könne. Die USA hatten umfangreiches Material vorbereitet und abgesandt, und so
veranstalteten sie auf eigene Kosten in angeforderten Räumen eine Sonderausstellung, woraufhin neben
der Kartenausstellung Portugals auch Vertreter einiger anderer Länder, u. a. auch der Schweiz, das
mitgebrachte Kartenmaterial in allerdings bescheidenem Rahmen zur Schau stellten.
Wertvollste war, abgesehen von der Gelegenheit zu persönlicher Kontaktmit den führenden Geographen verschiedener Länder, die Möglichkeit der
Teilnahme an Exkursionen, auf denen man Teile des Landes und die berühmte Gast¬
freundschaft der Portugiesen kennenlernte. Es waren vor dem Kongreß vorgesehen:
1. bis 6. April Exkursion D Estremadura und Ribatejo
(Führung: Dr. Zbyszewski
und Frl. Dr. Rau), nach dem Kongreß: 16. bis 22. April die Exkursionen A NordPortugal (Dr. Dias und Dr. Teixeira), B Mittelküsten-Portugal (Dr. Martins), C Zentral-Portugal (Prof. Ribeiro) und E Süd-Portugal (Dr. Feio), ferner eine Fahrt nach
Madeira 23. April bis 10. Mai; an dieser konnten sich wegen des auf zwölf Tage ver¬
längerten Aufenthaltes auf der Insel außer zehn Veranstaltern nur fünf ausländische
Kongressisten beteiligen. Für jede Exkursion war ein umfangreicher, gedruckter illu¬
strierter Führer erstellt worden. Es war eine etwas allzu eingehende Besichtigung der
gewählten Exkursionsteilgebiete in Aussicht genommen worden; mit weitergespannten
Das
nahme
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Exkursionen und Besuch der markantesten Punkte des Landes wäre vielen Kongressisten, die von ferne zu einmaligem Besuch nach Portugal kamen, besser gedient ge¬
wesen. Im Vordergrund standen morphologische, zum Teil auch siedlungs- und wirt¬
schaftsgeographische, weniger sonstige kulturgeographische Probleme.
Exkursion D war wohl die abwechslungsreichste; man besuchte unter liebenswürdigster Führung
von den Standquartieren Caldas da Rainha und Santarem aus die Meeresküste mit den Fischerorten
Peniche und Nazare, Gebirgsgegenden mit Stromquellen, Burgstädten und Windmühlen, Überschwem¬
mungsgebiete mit Weide- und Viehwirtschaft, Abtei und Industrien von Alcobaca sowie fruchtbares
Rebgelände. Die Teilnehmer, hauptsächlich Amerikaner, freuten sich über die kulinarischen Genüsse
anläßlich der Einladung als Gäste auf einem der schönsten Herrschaftsgüter, der Quinta da Cardiga
am Tejo, und die Picknicks auf großen Farmen im Kreise der «Campinos». Eine Kampfstiervorführung
zeigte das leidenschaftliche Interesse der Bevölkerung an solchen Anlässen.
Exkursion C führte die Reisegruppe, vor allem Franzosen und Spanier, von Guarda, Castelo Branco
und Coimbra aus auf weiten Fahrten unter tiefschürfender Führung ins Gebirge der Serra da Estrela,
auf Hochplateaux und in Beckenlandschaften, berührte die morphologisch interessantesten Punkte
des Zentralmassivs und seiner Umrandung sowie des Tejo-Durchbruchs. Besuche von Marktorten
und eines Dorfes mit Kommunalwirtschaft brachten Kontakt mit der Landbevölkerung. Den Ab¬
schluß bildete die seltsame alte Universitätsstadt Coimbra und ihre Vorgängerin, das römische
Conimbriga.
Exkursion A zeigte Porto und seine reizvolle Umgebung, das nördliche Küstengebiet und das
Terrassenrebgelände des Alto Douro, die Heimat des Portweins, Exkursion B Coimbra, das Mondego¬
becken, die Küstenstädte und die Klöster und Schlösser des Hinterlandes, wie Alcobaca, Batalha und
Leiria, Exkursion E Alentejo mit Evora und Beja sowie Algarve mit seinen berühmten Hafenstädten
und südlichen Fruchtgärten.
Die Veranstalter des Kongresses hatten eine Riesenarbeit geleistet, um ihr Land im
besten Lichte erscheinen zu lassen, und sie haben sich dadurch den Dank aller Teil¬
nehmer gesichert.
Wissenschaftliche Mitteilungen und Eindrücke
der
Hin-
und
Rückfahrt
Von Max Gschwend
Die in den sieben Sektionen gehaltenen Kurzvorträge riefen oft eingehenden
Diskussionen. In der Sektion für Kartographie sprachen von Schweizern Prof. Dr. h. c.
E. Imhof (Zürich) und K. Schneider (Bern), Direktor der Eidgenössischen Landes¬
topographie. Der erste würdigte die bedeutende Pionierarbeit, die von Schweizern in
der kartographischen Darstellung der drei Dimensionen, insbesondere durch die Ent¬
wicklung der sogenannten Reliefkarte, geleistet worden war. Dir. K. Schneider prä¬
sentierte die Neue Landeskarte der Schweiz und die neue, dreifarbige Ausgabe der
Dufourkarte (braun: Gelände usw., blau: Gewässer, grün: Wald). Die übrigen Referate
in dieser Sektion, vorwiegend von Teilnehmern aus den angelsächsischen Ländern
ge¬
halten, zeigten die große Förderung, welche die militärischen Bedürfnisse des letzten
Krieges der Entwicklung der kartographischen Aufnahmemethoden hatten zukommen
lassen. Als 36 Erdkarten umfassendes Werk wurde sodann von Prof. Dr. O. Widmer
(St. Gallen) sein «Weltatlas der Kulturpflanzen» vorgelegt, der bei Kümmerly & Frey
in Bern erscheint, ein Atlas, der neben Verbreitungskarten einzelner Kulturpflanzen
(etwa 200) über Namen, Herkunftsland und Produktion, Aussehen, Ernte, Transport
und Verarbeitung orientiert.
Die Typen des Hirtentums, insbesondere in den Agrarländern, waren einer der
Hauptgesichtspunkte in der Sektion für Anthropo- und Wirtschaftsgeographie. Vor
allem wurde der Nomadismus in den sommertrockenen Steppen- und Halbwüsten¬
gebieten Vorderasiens und Nordafrikas behandelt, aber auch die mehr und mehr ver¬
schwindenden Wanderungen der früher Tausende von Schafen zählenden Herden in
Portugal und Spanien, deren breit ausgetretene Zugstraßen (canadas) noch heute öfters
die Autostraßen überqueren. Dr. E. Schwabe (Zürich) machte mit Hilfe prächtiger
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Zuhörer aus den verschiedensten Erdteilen mit den spezifisch schwei¬
zerischen Eigenarten der wirtschafthch bedingten Wanderungen aus den Bergtälern
in die großen Ebenen und auf die Alpen vertraut. Entsprechende Verhältnisse bespra¬
chen einige italienische Forscher aus dem Apennin.
Die Formen und Typen der Bauernhäuser und ländhchen Siedlungen bilden ein
bevorzugtes Forschungsgebiet der Geographen. Obgleich wir über die verschiedenen
Hausformen in der Schweiz recht gut orientiert sind, wird es noch viel Arbeit und sorg¬
fältige Untersuchungen brauchen, bis eine umfassende und abschließende Publikation
über das schweizerische Bauernhaus veröffentlicht werden kann. Über den gegenwärti¬
gen Stand der Forschung und die Arbeiten der «Aktion Bauernhausforschung» be¬
richtete Dr. M. Gschwend (Basel)*. Prof. Dr. O. Widmer (St. GaUen) unternahm den
Versuch, in kurzen Strichen die wesentlichsten Haustypen der Schweiz zu charakteri¬
sieren und im Bilde vorzuführen.
In Ländern, die an fischreiche Meere grenzen, ist das Studium der Lebensbedingun¬
gen der Fische für die Entwicklung der Seefischerei und der damit verbundenen In¬
dustrien von größter Bedeutung. Sie wird uns erst klar, wenn wir daran denken, daß
seit zwei bis drei Jahren die gewohnten Sardinenzüge an der Küste von Südportugal
ausblieben. Den Fischerhäfen fehlt das Leben, die Sardinenfabriken hegen still, die
Bevölkerung findet keine Arbeit, die wirtschaftlichen Folgen sind unabsehbar. Als
Einzelobjekt für Detailuntersuchungen eignen sich die reizenden kleinen Fischerorte
ausgezeichnet. Es ist daher begreiflich, daß verschiedene Geographen an Hand ausge¬
wählter Beispiele diverse Formen der Siedlung und der Fischerei erläuterten. In diesem
Zusammenhang kann auch das Referat von Dr. W. Kündig-Steiner (Zürich) genannt
werden, der in «Agrarian changes in Northern Dobruja (Rumania)» die Wandlung des
Bodens durch Waldausbeutung schilderte und als geeignetste Wirtschaftsform dieses
Gebietes Ackerbau kombiniert mit Viehzucht und Fischerei vorschlug.
Daß die Geographie außer ihrer rein wissenschafthchen Forschung auch über eine
große praktische Bedeutung verfügt, wurde nirgends augenfälliger als in den Beiträgen
zur Regional- und Landesplanung. Hauptsächlich in den kriegverwüsteten Ländern
bieten sich in dieser Hinsicht Betätigungsmöglichkeiten, wie verschiedene Referate
Lichtbilder
die
erkennen ließen.
Kartenwerke für den Unterricht an Mittelschulen gilt der
Schweizerische Mittelschulatlas, den Prof. Dr. E. Imhof (Zürich) vorlegte. Eine weitere
bedeutende Leistung ist die Übersetzung von J. Frühs «Geographie der Schweiz» in
die französische Sprache durch Prof. Dr. Ch. Burky (Genf). In seinem Referat «Incomprehension generale de la Geographie. Necessite d'une delimitation et d'un classement precis» trat dieser Autor überdies für eine scharfe Abgrenzung der geographi¬
schen Disziplinen gegenüber den Nachbarwissenschaften auf Grund ihres Wesens und
ihrer Eigenberechtigung ein und umriß Umfang und Arbeitsgebiete. Eine interessante
Besprechung der natürhchen Grenzen der Westschweiz bot Prof. Dr. H. Onde (Lau¬
sanne), der die intensiven geographischen Wechselbeziehungen in diesem Raum be¬
Als
eines
der
besten
leuchtete.
nicht möghch, in diesem kurzen Bericht auf die zahlreichen Probleme einzu¬
weiter beschäftigten. Für uns Schweizer war es ein großes
Erlebnis, zum erstenmal nach dem Kriege in fruchtbarem Gedankenaustausch mit
Fachvertretern jenseits unserer Grenzen zu treten. Ein noch größeres war es für die
meisten von uns, die Südwestecke Europas bereisen zu können, ein Gebiet, das für den
Geographen die wechselvollsten Eindrücke bietet, das aber durch seine Abgelegenheit und durch die lange Zeit unzuverlässigen politischen Verhältnisse viele Jahre un¬
erreichbar war.
Es ist
gehen, die den Kongreß
*
Siehe «Geographica Helvetica», IV, 1949, S.
193196.
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In geschlossenen Gesellschaften, zum Teil unter kundiger wissenschaftlicher Füh¬
rung, in kleinen Gruppen oder einzeln strebten die Schweizer dem lockenden Ziele
entgegen.
Frankreichs Zentrallandschaft, die Auvergne, mit ihren Vulkanreihen wurde durchquert; ein
Abstecher führte in die Landes und schenkte uns einen Blick von hohen Dünen über ungeheure Flächen
dunkelgrüner Föhrenwipfel, die kaum ein halbes Jahr später wütenden Bränden zum Opfer fielen.
Die erste wirklich spanische Stadt, Fuenterrabia, mit ihrem baskischen Einfluß, die wunderbare «concha»
von San Sebastian, die grünen Täler des baskischen Berglandes, die Kalkfelsen des Kantabrischen
Gebirges führten in das weite altkastilische Becken. Die weitere Fahrt vermittelte den eindrücklichsten
Begriff vom Gegensatz der innern Hochebenen und des ozeanischen Westsaumes der Iberischen Halb¬
insel. Hier windgepeitschte, von Staub erfüllte, ungeheure Kultursteppe mit extensiver Wirtschaft,
dort in reichster Frühjahrsvegetation prangende, üppige Fruchthaine; hier breite Becken, umgeben von
steilen, gelben oder bräunlichen Hängen, darüber die unwirtlichen Päramos, dort wellige Mittelgebirge,
eine düstere Granitlandschaft, der erst in tieferen Lagen Kalkdome folgen, gekrönt von langsam kreisen¬
Windmühlen.
Während des Kongresses war Gelegenheit zu kleineren Ausflügen in die nähere Umgebung oder
zu Streifzügen in die Stadt Lissabon. Hier lockte das wilde Cabo da Roca, dort die Serra de Sintra mit
dem eigenartigen Königsschloß, da die flutunterspülte Steilküste, dort ein reizender Fischerhafen,
der Markt, alte, kunsthistorisch wertvolle Bauten oder die hübschen Azulejos (farbige Kacheln) an den
Hauswänden.
Die Rückreise zeigte weitere Landschaften. Im südportugiesischen Alentejo fielen uns die Folgen
des Großgrundbesitzes auf und die blitzsauberen, hellen Städte Evora und Beja. Aus der welligen,
steineichenbedeckten Sierra Morena gelangten wir ins sonnenwarme andalusische Tiefland. Sevilla
wurde am Karfreitag, dem Höhepunkt der eigenartigen Prozessionen, durchfahren. Die wilde Schlucht
Puerto de Despcnaperros geleitete uns aus dem ölbaumreichen Andalusien hinüber in die weiträumige
Landschaft der Mancha: zum Getreide, zum Wein, den Windmühlen des Don Quijote und nach Madrid,
der Weltstadt inmitten einer armen Landschaft, mit den Ruinen des Bürgerkrieges und den reichsten
Kunstschätzen prunkliebender Herrscher.
Das Becken von Neukastilien steigt an gegen das Iberische Scheidegebirge, die Straße führt durch
malerische Schluchten, über Reste der Tafelberge oder an kleinen Bewässerungsoasen vorüber hinaus
ins Ebrobecken zur mittelalterlichen Brückenstadt Zaragoza. Die ödeste Landschaft, Los Monegros,
ließ uns in ihrem Steppencharakter afrikanische Verhältnisse ahnen. Wir näherten uns der Ostküste
und spürten in der zunehmenden, grünenden und blühenden Vegetation den lebenspendenden Ein¬
fluß der Küstenwinde. Römische Reste gesellen sich dort zu den Zeugen aus maurischer und christ¬
licher Zeit. Die rauschende Brandung begleitete uns auf der prachtvollen Küstenstraße, die durch
sorgfältig bewässerte Fruchtebenen in die ehemalige katalanische Hauptstadt, heute die wichtigste
Industriestadt Spaniens, Barcelona, mündet. Den Zauber des Gralsberges Montserrat und seines Klo¬
sters ließen wir uns nicht entgehen. Ganz unmerklich gelangten wir schließlich über die niedrigen
Pyrenäenausläufer in die prächtige Provence, das Rhonetal und in die heimatlich anmutenden West¬
den
alpen.
Kongreß, Exkursionen und Studienreisen hinterließen in jedem der Teilnehmer
bleibende Eindrücke, brachten neue Erkenntnisse und die Hoffnung, es möge uns
beschieden sein, vom nächsten internationalen Geographentreffen wieder mit so reicher
Fracht zurückzukehren.
t
FELIX SPEISER,
1880-1949
Am 19. September 1949 starb in Basel der Ethnologe Prof. Dr. Felix Speiser, Gründungs- und
Ehrenmitglied der Geographisch-Ethnologischen Gesellschaft Basel und während langer Jahre ihr Prä¬
sident, seit 1914 erster Dozent seines Faches (seit 1917 als Extraordinarius) an der Basler Universität,
vorübergehend auch Gastprofessor in Zürich und Manchester, von 1914 bis 1942 Mitglied der leitenden
Kommission des Basler Museums für Völkerkunde und nachher bis zu seinem Tode als Nachfolger von
F. Sarasin deren Präsident, zu verschiedenen Zeiten Präsident der Basler Naturforschenden Gesell¬
schaft, der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde und derjenigen für Anthropologie und Ethno¬
logie, Mitbegründer und Mitglied des Rates des Internationalen Kongresses der anthropologischen
und ethnologischen Wissenschaften und Ehrenmitglied des Royal Anthropological Institute in London.
Geboren am 20. Oktober 1880 in Basel als Sohn von Nationalrat Prof. Dr. Paul Speiser, studierte
er ursprünglich Chemie, ging aber 1906 zur Völkerkunde über. Auf eine Anregung Felix von Luschans
hin unternahm er 1910 bis 1912 seine grundlegende Forschungsreise nach den Neuen Hebriden, die
weit über den Kreis der Fachgenossen hinaus, vor allem durch die
«Südsee, Urwald, Kannibalen» und «Two years with the Natives
seinen Namen bekanntgemacht hat. Die Engländer Rivers und
Spuren. Auf den Rat Theodor Koch-Grünbergs reiste er 1924
51
beiden heute klassischen Reisebücher
of the Western Pacific» (beide 1913),
Layard folgten unmittelbar seinen
Aparai-Indianern Nordbrasi-
zu den

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