Gebäudeautomation mit LON und OPC

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Gebäudeautomation mit LON und OPC
Gebäudetechnik
Gebäudeautomation mit LON und OPC
Thomas Ruess
Bei der Realisierung eines anspruchsvollen Wohnhauses entschied sich
der Planer für eine Umsetzung der
Gebäudeautomation auf Basis von
LON und OPC. In dem Objekt sind
neben den Bereichen Elektro und
Sanitär u.a. auch die Medien- und
Sicherheitstechnik in einem System
Die Elektroinstallation
Der LON-Bus bildet auch die Grundlage der Elektroinstallation. Sämtliche
Bedienstellen im gesamten Gebäude sind
über den Bus gekoppelt. In Verbindung
mit dem ebenfalls installierten DaliLichtsteuerungssystem lassen sich fast
alle Leuchten im Gebäude sowie im
Außenbereich ansteuern. Speziell entworfene und frei wählbare Lichtszenen
sorgen für das besondere Ambiente
innerhalb des Gesamtobjektes. In die
Elektroinstallation sind zusätzlich eine
Helligkeitssensorik, ein aktiver Soll / IstThomas Ruess, Leiter Marketing,
Comm-Tec GmbH, Uhingen
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Abgleich der Raumtemperatur und eine
Anwesenheitsmeldung integriert.
Die Medientechnik
Die gesamte Medientechnik ist zentral
im durch mobile Trennwände vom
Wohnbereich abteilbaren Heimkino
(Bild 1) zusammengefasst. Alle Audiound Videoquellen sowie ein MultimediaServer sind integriert. Hierzu zählen:
Analog- und Digital-TV und -Radio,
Media-Player und DVD-Rekorder. Das
Heimkino zeichnet sich durch ein paar
Besonderheiten aus:
• 7.1-Kanal-Surround, entspricht THX
Ultra 2
• 65 Lautsprecher in zehn Boxen
• Bis zu 3 200 W Ausgangsleistung
• Der semiprofessionelle Video-Prozessor
rechnet jede Video-Norm am Eingang
in Komponenten-Video und S-Video um
• Herzstück ist ein Yamaha-Verstärker
Z9
• Kabelkanäle in Schränken und Decke
Multi-Room-Audio
Zusätzlich können die Audiosignale
über eine Audiomatrix auch gezielt in
die verschiedenen Wohnbereiche sowie
die große Wellness-Oase verteilt werden.
Videostreaming
Die Audio- und Videosignale werden
außerdem über Encoder in das IT-Netz
eingespeist und lassen sich an jedem PC
im Gebäude wiedergeben. Zusätzlich
gibt es für die Standard-TV-Geräte die
Möglichkeit, über entsprechende Decoder auf die Video-/ Audio Streams der
zentralen Quelle zuzugreifen.
Bedienung
Ein AMX-System mit Touchpanel
»Modero« erleichtert die Bedienung der
Quellen und Wiedergabegeräte im Heimkino (Bild 2). In das Touchpanel ist auch
die lokale Raumsteuerung integriert. So
lassen sich komfortabel zusätzlich
Beleuchtung, Verdunklung und Raumtemperatur des Heimkinos steuern.
Quelle: Comm-Tec
D
er Bauherr wollte als ambitionierter Technikfan seine Vorstellungen von edlem Ambiente, niedrigem Energiebedarf und hohem Bedienkomfort in seinem Traumhaus erfüllt sehen (siehe Kasten auf Seite 57).
Die Grundlagenplanung für dieses
Gebäude wurde in zwei Gewerken
durchgeführt. Für den Bereich Heizung /
Klima / Lüftung zeichnete das Ingenieurbüro Herp aus Salach verantwortlich.
Der Bereich Elektroplanung lag beim
Planungsbüro Elektroplan aus Göppingen. Die Ausführungs- und Integrationsplanung der Gebäude- und Medientechnik sowie die Realisation der komplexen
Anlage übernahm die Heldele GmbH in
Salach. Zusammen mit dem Bauherren
entschied sich Heldele dafür, für die
Aktorik/Sensorik und Automation LON
einzusetzen. LON ermöglicht den direkten Datenaustausch zwischen den Funktionsmodulen der Heizungs-, Lüftungsund Elektroinstallation.
Quelle: Comm-Tec
integriert.
Bild 1: Im Heimkino ist die gesamte Medientechnik zentral zusammengefasst
de 7/2006
Quelle: Comm-Tec
Bild 2: Steuerung der Medientechnik via Touchpanel
Das IT-Netzwerk
Das Objekt ist komplett mit einem 1-Gbit-Netzwerk
versehen, wobei die Verkabelung genügend Reserven
für zukünftige technische Anforderungen lässt. Jeder
Raum hat mindestens zwei Netzwerkdosen, die wahlweise für Ethernet oder Telefonie (auch Voice over IP)
belegbar sind. Im zentralen Technikraum sorgen
Patch-Panels und Switches für die Signalverteilung.
Das IT-Netzwerk verbindet alle technischen
Gewerke innerhalb des Gebäudes. Dazu gehören die
Elektroinstallation, die Haustechnik, die Videoüberwachung, die Medientechnik und die gesamte Telefonie. Außerdem ergibt sich so eine übergeordnete
Managementebene zur Visualisierung bzw. Bedienung
aller Gewerke.
Das Bedienungs- und Visualisierungskonzept
Bei so viel Technologie stellt sich die Frage, wie die
Nutzer das alles bedienen können. Die Herausforderung: Zusätzlich zu den Funktionen der Medien und
Sicherheitstechnik laufen innerhalb des Gebäudes ca.
700 MSR-Datenpunkte (Mess-Steuer-Regeltechnik)
auf. Die Einzelgeräte und Gewerke liefern eine Vielzahl von Meldungen, die über spezielle Softwareprogramme aufgenommen und ausgewertet werden
können, oder deren Funktionen über das Standardbedienkonzept der Technologielieferanten bedient
werden können. Zum Teil laufen Alarmmeldungen
auch auf den Mobiltelefonen des Bauherren auf. Eine
de 7/2006
Quelle: Comm-Tec
Gebäudetechnik
für die Steuerung und
Bedienung der gesamten Medientechnik und
Teile der Raumfunktionen genutzte AMX-System erhielt einen OPCClient von Comm-Tec.
Damit war die Lücke
geschlossen. Nun kann
man über die AMXPlattform technologieund herstellerunabhängig auf alle Funktionen
aus Gebäude-, Sicherheits- und Medientechnik zugreifen.
Bild 3: Via Touchpanel hat der Bauherr das ganze Haus im
Das AMX System
Griff
visualisiert alle relevanten Bedien- und Meldefunktionen. Eineinheitliche Bedienung aller Technolozelne Bedienfunktionen werden nun in
gien war jedoch nicht möglich.
logischen Abläufen zusammengefasst.
Als Lösung wurde die gesamte LONAuflaufende Alarmmeldungen erscheiTechnologie via OPC (OLE for process
nen im Klartext, die vom Anwender vorcontrol) mit dem Ethernet-Netzwerk verdefiniert sind oder nachträglich veränbunden und so ein Zugang zu einer überdert werden können. Sich daraus
geordneten Management-Ebene ermögergebende Aktionen führt das AMXlicht (siehe Kasten unten). Das bereits
GEBÄUDEAUTOMATION MIT LONWORKS UND
VISUALISIERUNG ÜBER OPC-SCHNITTSTELLE
Die komplette elektrotechnische Steuerung
des Gebäudes, wie z.B. die Beleuchtungssteuerung, Jalousiesteuerung oder Zutrittskontrolle, erfolgt mittels I/O-Modulen auf Basis
von LonWorks. Hierzu befinden sich im
Gebäude an zentralen Stellen insgesamt
140 LonWorks-Knoten (Aktoren) in den entsprechenden Schaltschränken. Für die Ansteuerung der Aktoren gibt es in den Räumen
150 Bediengeräte in Form von Busankopplern,
Präsenzmeldern oder Raumbedienpanels.
Für den Bereich Heizung/Klima/Lüftung/Sanitär wurden im Technikraum im
Sockelgeschoss in den Schaltschranktüren
zwei freiprogrammierbare »High End«-Automationsstationen der Familie Xenta von TAC
eingebaut (mit jeweils zehn Erweiterungsmodulen). Bei der Realisierung der Brunnensteuerung kommt ebenfalls eine Automationsstation Xenta mit zwei Erweiterungsmodulen
zum Einsatz. Die gesamte Automationsstation erhielt eine Not-Handbedienebene, um
im Störfall per Hand eingreifen zu können.
Technische Highlights des Projektes:
• Beleuchtungssteuerung über Dali
• Anwesenheitsgesteuerte Raumbeleuchtung
• Anwesenheitsgesteuerte Raumtemperaturregelung
• Berührungslose Zutrittskontrolle mittels
ID-Datenträger
• Raumsteuerung teilweise über AMX-Touchpanel
Für das Gebäude fallen somit rund 1900
Datenpunkte an, welche auf Wunsch des
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Bauherrn mit einer Visualisierung dynamisiert
werden sollen. Hier kommt der OPC-Standard zur Anwendung. Da die Automationsstationen bereits auf Produkte des Hauses
TAC aufbauen, wurde der OPC-Server „Vista«
von TAC gewählt. Dieser stellt in einer immer
aktuellen Datenbank Informationen sowohl
von angeschlossenen LonWorks-Netzwerken
als auch aus Xenta-Automationsstationen als
OPC-Objekte zur Verfügung.
Vorteile des OPC-Standards
• Verschiedene Systeme können über OPC
zusammengeführt werden
• Für sehr große Datenmengen geeignet
• Keine »Umwege« über Gateways nötig
• Das aufgesetzte Visualisierungssystem kann
auf dem Markt frei gewählt werden (muss
nur einen OPC-Client verwalten können),
somit ist man herstellerunabhängig
Warum wurde LON gegenüber dem EIB
bevorzugt?
• Geschwindigkeit der Datenübermittlung
(EIB 9600bit/s, LON 78kbit/s bis
1250kbit/s je nach Übertragungsmedium)
• Vielzahl an Übertragungsmedien bei LON:
Twisted-Pair, Power Line, Fiber Optic, Funk,
Koaxialleiter (in diesem Projekt gewünscht:
Twisted-Pair mittels Cat.6)
• Verschiedene physikalische NetzwerkStrukturierungen möglich, z.B. Stern, Bus,
Ring oder frei
• Einfachere Integration des Bereichs Heizung/Klima/Lüftung
System entweder automatisch aus, oder
die Nutzer lösen sie per Knopfdruck aus.
Die Bedienung erfolgt über die vorhandenen AMX-Touchpanels. Aufgrund
der WLAN-Technologie kann die Familie auf Wunsch selbst im Garten z. B. mit
der Haustüre kommunizieren oder die
Bewässerungsintervalle für die kommende Woche konfigurieren.
Die Bedien- und Meldeoberflächen
lassen sich auch von jedem PC aus
aufrufen. Die Kommunikation erfolgt
ebenfalls über das Ethernet-Netwerk
(TCP/IP). Dadurch besteht die Möglichkeit, auch von außerhalb auf alle Meldungen und Informationen des Gebäudes
zuzugreifen. Dies ist einerseits von Vorteil für die Bewohner, wenn sie z. B. im
Urlaub sind. Andererseits können im Wartungsfall auch die Techniker von Heldele
jederzeit auf die Bereiche zugreifen, zu
denen sie die Berechtigung haben.
Gebäudeökologie –
Heizung und Lüftung
Das Haus ist in der Jahresbilanz ein
Nullenergiehaus. Fünf ca. 130 m tiefe
Erdsonden und ein intelligentes Lüftungssystem (Heizen und Kühlen) bilden
die Basis für ein Wohnen mit der Natur.
Eine 16 m2 große thermische Solaranlage unterstützt die Wärmepumpe in der
Übergangszeit und übernimmt im Sommer teilweise die Wärmeversorgung,
z. B. für das Brauchwasser. Zur Spitzenlastdeckung dient ein Holz-Pelletkessel.
Alle Wärmeerzeuger liefern zusätzlich ihre Energie in einen 3 m3 großen
Schichtenspeicher, aus dem die Wärmeverbraucher je nach erforderlicher Temperatur die Wärme wieder entnehmen
können. Die Warmwasserbereitung
erfolgt über einen im Speicher liegenden
Wärmetauscher im Durchlaufprinzip.
Das reduziert das bevorratete Brauchwasservolumen und somit die Verkeimungsgefahr deutlich.
Die Wärmeverteilung innerhalb des
Gebäudes erfolgt über eine Klimazentralheizung mit Luft als Wärmeträger.
Gegenüber einer Warmwasserheizung
besteht hier die Möglichkeit, überschüssige Wärme z. B. aus den nach Süden
orientierten Räumen in Räume mit
Heizbedarf zu transportieren. Außerdem kann mit der Klimazentralheizung
im Sommer das Gebäude frei gekühlt
werden. Zur Unterstützung der freien
Kühlung wird der Kreislauf der Erdsonden genutzt.
Ein speziell für dieses Projekt konfiguriertes Regelungsprogramm regelt und
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Gebäudetechnik
DAS GEBÄUDE IM ÜBERBLICK
Folgende Eckpunkte gab der Bauherr als
Grundkonzept seines Gebäudes vor:
• Geringere Betriebskosten
• Umweltfreundlich
• »Intelligentes« Haus
• Pflegeleicht
• Sicher
Die Nutzung des Gebäudes hat ganz wesentlich den Entwurf bestimmt. Die Dreiteilung
von »Arbeitshaus« des Bauherrn, Kernhaus
als »Kinderhaus« und »Elternhaus« lässt sich
sowohl im Grundriss als auch in den Fassadenansichten leicht ablesen. Alles liegt
geschützt unter dem weit auskragenden 40 m
langen flach geneigten Dach mit Kupferdeckung, lediglich die weinrote »Schlafbox«
der Eltern ist wie eine ausgezogene Schublade eingeschoben. Das Dach liegt im
wesentlichen auf dem »Kernhaus« auf und
löst sich durch insgesamt 400 m2 Glasflächen
rundumlaufend ab. Eine indirekte Beleuchtung der Glasflächen mit programmierbaren
steuert alle Wärmeerzeuger und Wärmeverbraucher automatisch und bedarfsabhängig. Über Zeitprogramme und manuelle Sonderanforderung reduziert sich der
gen. Die Mehrkosten für die Installation
amortisieren sich durch die gegen Null
gehenden Energiekosten in kurzer Zeit.
Fazit
Lichtszenen, unterstreicht besonders bei
Nacht das einzigartige Ambiente des Gebäudes. Das Gebäude ist so konzipiert, dass bis
zu vier eigenständige Nutzungseinheiten mit
eigenem Eingang realisiert werden können –
Mehrgenerationenwohnen bietet sich an.
Die Räume des »Kinderhauses« sind mit
eigenen Sanitärzellen und mit Schlafgalerie
sowie drei separaten Appartements über
den gemeinsamen Spielflur, wie ein Hotelflur, erschlossen.
Energieverbrauch auf das notwendige
Minimum. Das System arbeitet sehr flexibel und reagiert ohne größere Zeitverzögerung auf wechselnde Anforderun-
Mit dem Haus nahe Göppingen haben
sich der Bauherr und seine Familie ihren
Traum von luxuriösem Wohnen erfüllt.
Das »intelligente« Haus sorgt dafür,
dass das Wohnen und Leben im Vordergrund stehen kann und sich die Bewohner nicht permanent mit komplizierter
Technik beschäftigen müssen (Bild 3).
Allen Sicherheitsaspekten und den Belangen moderner Wohnökologie ist Rechnung getragen. Die Mehrkosten der
Installation amortisieren sich durch
geringere Betriebskosten. Oder wie der
Architekt H. von Bock es ausgedrückt
hat: »Das Gebäude vereinbart Neues
mit Vertrautem und Tradition mit der
Zukunft.«
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www.elektroplan-gmbh.de
www.herp.de
www.heldele.de
www.von-bock.de
www.comm-tec.de