Frauen in Führungspositionen

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Frauen in Führungspositionen
42 S C H W E R P U N K T F R A U E N I N F Ü H R U N G S P O S I T I O N E N
Frauen in Führungspositionen
Prototypen von Führung hinterfragen
Wenn Frauen es nicht von allein bis in Chefetagen schaffen, haben sie es dann
schlicht und ergreifend nicht verdient? Führen Frauen womöglich schlechter als
Männer? Oder führen sie besser, ohne dass es jemand bemerkt? Die Wissenschaft hat sich umfassend mit diesen Fragen befasst und gezeigt, dass es keine
einfachen Antworten darauf gibt. Das Haupthindernis für Frauen auf ihrem Weg
in Führungspositionen liegt vor allem in den Köpfen aller Beteiligten, denn der
mentale Prototyp der Führungskraft ist nach wie vor ein Mann.
DIE AUTOREN
Christina Mölders
▶
Diplom-Psychologin,
stellvertretende Leiterin
der RespectResearchGroup, Hamburg
Dr. phil. Niels
Van Quaquebeke ▶
Diplom-Psychologe,
Professor an der Kühne
Logistics University,
Hamburg, Leiter der
RespectResearchGroup,
Hamburg
Viele Frauen fühlen sich auf dem Weg
nach oben ausgebremst. Gerade
Personalentscheider sind gefordert,
ihre mentalen Prototypen der idealen
Führungskraft zu hinterfragen.
D
er Triumphmarsch von Frauen in
die Vorstandsetagen des Landes habe
„verheerenden Schaden“ in der Effizienz und bei den Aktienkursen angerichtet, behauptete 2003 die britische Journalistin Elizabeth Judge. Grundlage dafür war
eine Untersuchung der Cranfield School of
Management zu den Unternehmensbilanzen der FTSE-100-Unternehmen. Nach
Überzeugung von Elizabeth Judge hatte diese Studie ergeben: Großen Unternehmen
ging es nach der Berufung von Frauen in
die oberste Führungsetage schlechter als unter den männlichen Vorgängern. Allerdings
zeigte eine erneute Analyse der Daten, dass
die Zusammenhänge verkürzt dargestellt
und interpretiert worden waren. Entscheidend für den Misserfolg der Unternehmen
zum Zeitpunkt der Erhebung waren weniger die Frauen an ihrer Spitze als vielmehr
die Vorgeschichte: Frauen wurden offenkundig erst dann ans Ruder gelassen, wenn
es im Unternehmen wirtschaftlich bergab
ging und es nicht mehr viel zu verlieren gab.
Diese Frauen hatten es also endlich bis an
die Unternehmensspitzen geschafft – und
fanden sich auf einer gläsernen Klippe wieder (Ryan / Haslam 2005; 2007).
Die Existenz dieser Schleudersitz-Position wurde in Folgeuntersuchungen bestätigt. An verschiedenen Stichproben konn-
te gezeigt werden: Frauen werden eher für
prekäre Führungspositionen ausgewählt.
Für florierende Unternehmen werden Männer bevorzugt. Interessante Unterschiede
finden sich dabei auch in der Bewertung
der Positionen: Neue Aufgaben, die für
Männer als Karrierekiller eingestuft werden, gelten für Frauen als Chance und viel
weniger riskant (Haslam / Ryan 2008;
Ryan / Haslam 2007).
Warum werden Frauen ausgerechnet
in Krisenzeiten geholt? Traut man ihnen
eher zu, mit den emotionalen Besonderheiten einer Krise umzugehen? Will man nach
außen ein Zeichen für Erneuerung setzen?
Oder treten Männer hier nur Positionen
ab, die sie selbst nicht wollten? Auch wenn
die Wissenschaft bislang keine dieser Fragen klar beantworten konnte, ist nicht
zwangsläufig von einer bewussten Diskriminierung im großen Stil auszugehen. Vermutlich entscheiden Akteure anhand eines
impliziten Modells, was Frauen und Männer jeweils besonders gut können.
SUCHE NACH UNTERSCHIEDEN
Nach dem gängigen Stereotyp sind
Frauen eher gemeinschafts-, Männer eher
handlungsorientiert. Unter Gemeinschaftsorientierung fallen Eigenschaften wie FürPERSONALFÜHRUNG 7/2011
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sorglichkeit, Zugewandtheit und Freundlichkeit. Handlungsorientierung umfasst
Eigenschaften wie Selbstsicherheit, Aggressivität und Durchsetzungsvermögen.
Aber führen Frauen auch anders als
Männer? Hierzu gibt es vielfältige Ergebnisse. Insgesamt zeichnet sich die Antwort
ab, dass das nicht der Fall ist. Alice Eagly
(2007) begründet das so: An Führungspositionen sind bestimmte Rollenerwartungen
und Anforderungen geknüpft. Und es gibt
bestimmt Wege und Hürden, die gegangen
und genommen werden müssen, um dorthin zu kommen. Die Organisationskultur
in der Logistikbranche ist anders als bei einem sozialen Träger, die Anforderungen in
einer Personalabteilung sind andere als im
Einkauf. Wer es in eine Führungsposition
schafft, weist die notwendigen Fähigkeiten
dafür offensichtlich auf. Woher sollten dann
große Unterschiede kommen?
Ein zweiter Gesichtspunkt, der eine
Rolle spielen könnte, ist Selbstselektion.
Frauen in hochrangigen Führungspositionen haben es in einer Arbeitswelt, die männlich dominiert ist, immerhin dorthin geschafft. Das heißt, sie haben ihre männlichen Kollegen und Vorgesetzten davon
überzeugt, dass sie würdig sind, eine hohe
Position zu bekleiden. Die Kriterien, nach
denen sie beurteilt wurden, sind folglich
auch überwiegend männlich geprägt. Selbst
wenn es nun einen typisch weiblichen Führungsstil gäbe, wäre anzunehmen, dass er
sich bei den Frauen in Spitzenpositionen
nicht findet, zumindest nicht, solange die
Maßstäbe eher männlich geprägt sind.
Allerdings gibt es, so argumentiert
Alice Eagly, in jeder Rolle auch Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen sich die
Akteure frei bewegen können. Dort ordnet sie die in einer Meta-Analyse gefundenen kleinen Unterschiede zwischen Männern und Frauen ein. Wenn man genau hinschaut, kann man entdecken, dass Frauen
in ihrer Führung tendenziell einen stärkeren Fokus auf Unterstützung und Ermu-
Nett zu sein, reicht nicht.
Frauen müssen in die
Offensive gehen, wenn
sie traditionelle Strukturen
aufbrechen wollen.
tigung legen als Männer (Eagly et al. 2003).
Das sind Merkmale des transformationalen
Führungsstils, der Mitarbeiter dazu motiviert, Höchstleistungen zu zeigen, kreativ
Probleme zu lösen und sich stetig weiterzuentwickeln, all das basierend auf einem
Vertrauens- und Respektsverhältnis. Diese
Art der Führung hat sich als sehr erfolgreich
erwiesen und wird daher zurzeit auch als der
‚Goldstandard‘ der Führung gehandelt.
GRENZEN DER OBJEKTIVITÄT
Wenn Frauen also transformationaler
führen, führen sie dann auch effektiver? An
eine solche Frage schließt sich unmittelbar
eine zweite an: Wie definiert man denn Erfolg? Die oben erwähnte Studie, nach der
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Frauen ihre Unternehmen angeblich in den
Abgrund führen, erinnert daran, dass auch
vermeintlich harte Zahlen Interpretationsspielraum offenlassen. Zudem drängt sich
unmittelbar die Frage der Vergleichbarkeit
auf: Wie will man zwei Führungskräfte zu
zwei Zeitpunkten oder zwei Führungskräfte aus verschiedenen Branchen miteinander vergleichen, wenn doch die äußeren
Umstände sich möglicherweise stark unterscheiden? Sind überhaupt zwei Unternehmen miteinander vergleichbar, da jedes seine eigene Kultur, Struktur und seine spezifischen Stakeholder hat?
In Unternehmen, in denen es Frauen
an die Spitze schaffen können, herrscht
möglicherweise ein offeneres Klima vor, das
die Leistung des gesamten Unternehmens
vorantreibt. Zudem ist zu vermuten, dass
nur extrem gute Frauen es wirklich bis nach
oben schaffen. Weil sie verhältnismäßig
mehr Energie und Überzeugungsarbeit leisten mussten, sind sie ihren männlichen Kollegen möglicherweise leistungsmäßig überlegen. Dementsprechend können einige
Studien tatsächlich zeigen, dass Unternehmen mit einer höheren Beteiligung von
Frauen in Führungspositionen finanziell erfolgreicher sind (z. B. Krishnan / Park 2005;
Ryan / Haslam 2005). Dennoch sind solche Zahlen aus den genannten Gründen
mit Vorsicht zu genießen.
Eine Alternative zur Erhebung von objektiven Daten ist es, die Mitarbeiter nach
der Effektivität ihrer Führungskraft zu fragen. Ergebnisse stehen und fallen hier mit
dem Design der Untersuchung: Wonach
fragt man? Nach welcher Dimension von
Verhalten, nach welcher Art von Bewertung? In einer Meta-Analyse stellen Eagly,
Karau und Makhijani (1995) fest, dass sich
insgesamt keine Unterschiede in der Effektivitätseinschätzung für männliche und
weibliche Führungskräfte zeigen. Bei genauerem Hinsehen jedoch zeichnen sich
auch hier Unterschiede ab: In Branchen,
die eher traditionell weiblich besetzt sind –
Erziehung, soziale Dienstleistungen, BePERSONALFÜHRUNG 7/2011
hörden – werden Frauen tendenziell als erfolgreicher eingeschätzt als Männer. In klassisch männlichen Domänen (z. B. Militär
oder Sport) halten die Unterstellten Männer für weitaus effektiver. Angesichts der
Unterschiedlichkeit der Branchen und der
dort gestellten Anforderungen an Führungsrollen ist eine pauschale Aussage über die
Effektivität von Frauen und Männern in
Führungspositionen offenbar sinnfrei.
KARRIERE MIT HINDERNISSEN
Anhand von verlässlichen Daten lässt
sich also nicht rechtfertigen, dass bis heute
so wenige Frauen in den Chefetagen vorzufinden sind. Dennoch sind diesbezügliche
Zahlen nach wie vor eindeutig. In den 200
größten deutschen Unternehmen sitzen laut
Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung
derzeit rund zehn Prozent Frauen in den
Aufsichtsräten und etwa drei Prozent in den
Vorständen. Insgesamt stagniert der Anteil
der Frauen in Führungspositionen in der
Privatwirtschaft auf allen Managementebenen seit mehreren Jahren bei 27 Prozent.
Für die Barriere, die Frauen daran hindert, in die Chefetagen vorzudringen, hat
sich seit den 80er-Jahren das Bild der „gläsernen Decke“ eingebürgert. Die Hindernisse, die Frauen den letzten Karrieresprung
verwehren, sind vielfältig: Es können eingeschliffene männliche Rituale sein, etablierte
Entscheidungsregeln oder unausgesprochene (oder ausgesprochene) Vorurteile gegenüber der Leistungsfähigkeit von Frauen.
Alice Eagly und Linda Carli (2007) halten dieses Bild der gläsernen Decke allerdings
für zu einfach. Ihrer Ansicht nach trifft es
nicht zu, dass Frauen sich ungestört ihren
Weg nach oben bahnen können und erst an
einer bestimmten Stelle der Karriereleiter
nicht mehr weiterkommen. Schon der Aufstieg ins untere und mittlere Management
sei nicht ohne Weiteres zu bewerkstelligen.
In Deutschland sind auf der unteren
Führungsebene mittlerweile immerhin
39 Prozent Frauen angekommen, nach
oben nehmen diese Zahlen stetig ab. Andererseits schaffen es ja zumindest einige
wenige Frauen bis in Toppositionen. Das
Bild der gläsernen Decke, die fest vor den
Vorstandspositionen eingezogen ist, passt
für Eagly und Carli demnach nicht. Frauen scheitern nicht erst an bestimmten Punkten der Karriereleiter, sondern bereits an
vielen verschiedenen Stellen auf dem Weg
dorthin. Und die Mechanismen, die sie
scheitern lassen, sind auch nicht immer
‚gläsern‘, also subtil.
Das Bild, das sie statt der gläsernen
Decke vorschlagen, ist das eines Labyrinths:
Frauen müssen sich auf ihrem Weg nach
oben einer Vielzahl von Hindernissen, größeren und kleineren, stellen. Das Ziel ist
klar, nicht aber der Weg dorthin. Dennoch
kann es mit Geduld und Zähigkeit erreicht
werden. Damit, so die Autorinnen, werde
das Bild des Labyrinths der Komplexität
und der Vielfältigkeit der Stolpersteine, die
Frauen auf ihrem Weg nach oben vorfinden, besser gerecht.
Die Hindernisse lassen sich zwei Ebenen ansiedeln: der des Verhaltens und der
Wahrnehmung. Auf der Verhaltensebene
liegt zum Beispiel die Diskriminierung von
Frauen aufgrund von Fragen der Familiengründung. Ebenfalls auf der Verhaltensebene begegnen Frauen die teils mehr, teils
weniger offenkundigen typisch männlichen
Rituale. Auf der Wahrnehmungsebene findet sich die weitverbreitete Überzeugung,
die ideale Führungskraft sei männlich.
Familie als Stolperstein Nur halb so
viele Frauen wie Männer in Führungspositionen haben Kinder. Karriere und Familie sind für Frauen offenbar kaum vereinbar – weder aus ihrer eigenen Sicht noch
aus Sicht der Personalverantwortlichen.
Dass Frauen Kinder bekommen und für
die Folgezeit ausfallen oder anschließend
womöglich in Teilzeit wieder einsteigen
könnten, wird nach wie vor als Argument
gegen die Auswahl von Frauen für Füh-
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rungspositionen genutzt. Mit Kindern, die
auf Betreuung warten, werden lange Arbeitszeiten erst einmal zur Ausnahme, und
generell verschieben sich die Prioritäten
wahrscheinlich in Richtung Familie, sobald Kinder da sind. Solche Probleme werden bei männlichen Kandidaten für Führungsverantwortung nicht vermutet.
nigkeiten sinkt ihre Sichtbarkeit, wenn es
um die Besetzung von Führungspositionen
geht, denn der rote Faden dieser Beispiele
ist entscheidend: Der Prototyp der Führungskraft, das mental verankerte Schema,
wie eine Führungskraft zu sein hat, ist
männlich (Van Quaquebeke et al. 2009).
STOP THINKING MALE
Die Statistik spricht hier eine klare
Sprache: Frauen in Führungspositionen arbeiten tatsächlich weniger Stunden als ihre
männlichen Kollegen. Dabei ist nach Eagly (2007) interessant, dass den Frauen, die
früher nach Hause gehen wollen oder müssen, vor allem Zeit für das Netzwerken fehlt,
nicht für das Operative. Dadurch mangelt
es ihnen an Fürsprechern, wenn es um Beförderungen geht, und an Präsenz.
Allein unter Männern In Männerdomänen haben es aber auch Frauen, die ihre
Abende im Büro fristen, schwerer mit dem
Netzwerken. Sind Führungskreise überwiegend oder rein männlich besetzt, können
sich männliche Rituale einschleifen. Die
Klage von Ex-Angestellten gegen die USInvestmentbank Goldman-Sachs (Spiegel
Online 2010) im letzten Jahr ließ diesbezüglich tief blicken: Dort reichte laut Klägerinnen die Spannbreite männlicher Rituale von Armdrücken über Ausflüge in
Striplokale bis hin zu Auftritten von leicht
bekleideten Tänzerinnen bei Weihnachtsfeiern. Da Fuß zu fassen und sich als Gleiche unter Gleichen zu fühlen, ist für Frauen schwierig bis unmöglich.
Es gibt auch weniger offensichtliche
Rituale auf der sprachlichen und der zwischenmenschlichen Ebene, mit denen Frauen sich schwertun. Zotige Sprüche auszuteilen, Ideen mit breiter Brust als das Nonplusultra zu präsentieren, die eigene Leistung lautstark zu würdigen – all das sind
tendenziell eher männliche Verhaltensweisen. Frauen entschuldigen sich häufiger,
formulieren Ideen gern einmal als Frage,
finden spielerische Wortgefechte überflüssig. Auch durch solche scheinbaren Klei-
Fragt man in Schweden nach typischen Eigenschaften einer Führungskraft,
so hört man, diese sei teamorientiert, motivierend, baue auf Intuition und strebe
nach Konsens. In Deutschland, das zeigte
2007 eine Umfrage des geva-Instituts, werden stattdessen Entschlusskraft, Souveränität und Durchsetzungskraft genannt –
typisch männliche Attribute. Fragt man
zudem Arbeitnehmer, ob sie sich einen
Mann oder eine Frau als Führungskraft
wünschen, ist das etwa der Hälfte egal.
Rund 40 Prozent würden explizit einen
Mann bevorzugen, zehn Prozent eine Frau,
wie die Gesellschaft für Konsumforschung
herausfand. Fazit: Denken Menschen an
eine Führungskraft, denken sie an einen
Mann, ein Effekt, der in den USA bereits
seit Ende der 80er-Jahre mit dem Ausdruck
„Think manager – think male“ bezeichnet
wird. Genau das macht es für Frauen schwierig, überhaupt für eine Führungsposition
in Betracht gezogen zu werden.
Schaffen Frauen es dennoch in Führungsverantwortung, stellt sie der gleiche
Sachverhalt vor ein Akzeptanzproblem. An
eine Führungskraft werden bevorzugt Rollenerwartungen gestellt, die mit männlichen
Eigenschaften zu tun haben. Dazu kommen
Erwartungen an die Person, die die Rolle
innehat – eine Frau hat sich als Frau typisch
weiblich zu verhalten (Eagly 2007). Beides
zusammen ergibt die klassische Zwickmühle. Füllt eine Frau ihre Position unterstützend, konsensorientiert und partizipativ aus,
entspricht sie zwar den an sie gestellten Rollenerwartungen als Frau, aber nicht denen
als Führungskraft. Tritt sie entschlossen und
durchsetzungsstark auf, verhält sie sich den
Erwartungen an eine Führungskraft entsprechend, aber nicht denen an eine Frau.
So ist es nicht verwunderlich, dass dasselbe Verhalten, das einmal von einem
Mann und einmal von einer Frau an den
Tag gelegt wird, zu unterschiedlichen Bewertungen führt (Eagly et al. 1992). Verhält sich eine Frau dominant, lautstark oder
trägt ihre Leistung selbstbewusst nach außen, gilt sie als herrisch oder arrogant. Ein
Mann dagegen wird als leidenschaftlich
und selbstbewusst wahrgenommen. Verhält sich ein Mann hingegen teamorientiert und fürsorglich, handelt er sich damit
keinen Schaden ein.
Frauen können offensichtlich genauso gut führen wie Männer. Aber sie werden anders wahrgenommen – von Vorgesetzten, die Personalentscheidungen treffen, und auch von Mitarbeitern. Deshalb
beschäftigen die Wissenschaft immer mehr
die Mechanismen in den Köpfen der Menschen, die wirksam werden, wenn es um
den Aufstieg von Frauen geht. Die bisherigen Erkenntnisse legen folgenden Schluss
nahe: Damit mehr Frauen in Führungspositionen kommen und sich dort behaupten können, muss sich das Bild der typischen Führungskraft ändern.
QUADRATUR DES KREISES
Die Antwort auf die Frage, wie das gelingen könnte, klingt nach einer Quadratur des Kreises: mit mehr Frauen in Führungspositionen. Ein Experiment konnte
zeigen, dass Versuchspersonen allein durch
die kurzzeitige Beschäftigung mit Bildern
von Chefinnen schon die Kategorien „Frauen“ und „Führung“ besser zusammenbringen konnten (Van Quaquebeke / Schmerling 2010). Dasgupta und Asgari (2004)
legten passend dazu dar: Studierende, die
häufiger mit Professorinnen konfrontiert
wurden, hatten deutlich weniger Probleme
damit, Frauen Führungspositionen zuzuordnen. ‚Lebende Beispiele‘ können dabei
nicht nur bestehende Vorurteile abbauen,
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ohne Quote bis nach oben geschafft haben. Das Dasein als ‚Quotenfrau‘ könnte
das zusätzlich verschärfen. Auch hier gilt
also: Einfache Antworten gibt es nicht. •
Literatur
Blickle, G. (2000): Mentor-Protegé-Beziehungen
in Organisationen, in: Zeitschrift für Arbeitsund Organisationspsychologie, 44 (4), 168–178
Dasgupta, N. / Asgari, S. (2004): Seeing is believing:
Exposure to counterstereotypic women leaders
and its effect on the malleability of automatic
gender stereotyping, in: Journal of Experimental Social Psychology, 40 (5), 642–658
Eagly, A. H. (2007): Female leadership advantage
and disadvantage, in: Psychology of Women
Quarterly, 31 (1), 1–12
Eagly, A. H. / Carli, L. L. (2007): Women and the
labyrinth of leadership, in: Harvard Business
Review, 85 (9), 63–71
Eagly, A. H. / Johannesen-Schmidt, M. C. / van
Engen, M. L. (2003): Transformational, transactional and laissez-faire leadership styles: A
meta-analysis comparing women and men, in:
Psychological Bulletin, 129 (4), 569–591
Wie durchbricht frau die unsichtbare Glass Ceiling, die gläserne Decke, die so viele auf dem Weg
nach oben ausbremst? Beide Geschlechter müssen Rollenbilder infrage stellen und neu definieren.
sondern auch Frauen als Rollenvorbild dienen. Mentoren-Tandems zum Beispiel sind
wesentlich erfolgreicher, wenn sie gleichgeschlechtlich sind (Blickle 2000). Gezielte Frauenförderungsmaßnahmen können
damit einen Ansatzpunkt bieten, um mehr
Frauen zum Aufstieg zu ermutigen. Wichtig ist dafür auch, dass unternehmensintern Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen
kommuniziert und weibliche Führungskräfte im Unternehmen vorgestellt und
präsent gemacht werden.
Ausgezeichneten Kandidatinnen keine Führungsverantwortung zu übertragen,
gleicht einer Verschwendung von Ressourcen. Damit rückt die Frage nach der Quote wieder in den Mittelpunkt: Sie könnte
das Labyrinth auflösen und es Frauen ermöglichen, ihren eigenen Stil zu entwickeln, ohne sich an männliche Spielregeln
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binden und sich übermäßig beweisen zu
müssen. Sie würde möglicherweise sogar
neue Ergebnisse im Hinblick auf unterschiedliche Führung von Männern und
Frauen bringen: Wie führen Frauen, die
sich nicht erst in einer Männerdomäne
durchkämpfen mussten und lange Zeit zwischen den Stühlen von Weiblichkeit und
Führungskraft saßen?
Eine Quote würde die Entwicklung
beschleunigen, dass Haushalt und Kinderbetreuung gleichberechtigter unter den Geschlechtern aufgeteilt und Kinderbetreuungsmöglichkeiten in den Unternehmen
geschaffen werden. Andererseits könnten
die Akzeptanzprobleme und die Vorurteile, denen sich Frauen ausgesetzt sehen,
durch eine Quote zunächst noch steigen.
Ihre Kompetenz wird schon weniger wahrgenommen und wertgeschätzt, wenn sie es
Eagly, A. H. / Karau, S. J. / Makhijani, M. G.
(1995): Gender and the effectiveness of leaders:
A meta-analysis, in: Psychological Bulletin,
117 (1), 125–145
Eagly, A. H. / Makhijani, M. G. / Klonsky, B. G.
(1992): Gender and the evaluation of leaders:
A meta-analysis, in: Psychological Bulletin,
111 (1), 3–22
Haslam, S. A. / Ryan, M. K. (2008): The road to
the glass cliff, in: The Leadership Quarterly,
19 (5), 530–546
Krishnan, H. A. / Park, D. (2005): A few good
women – on top management teams, in: Journal of Business Research, 58 (12), 1712–1720.
Ryan, M. K. / Haslam, S. A. (2005): The glass
cliff: Evidence that women are overrepresented
in precarious leadership positions, in: British
Journal of Management, 16 (2), 81–90
Ryan, M. K. / Haslam, S. A. (2007): The glass
cliff: Exploring the dynamics surrounding the
appointment of women to precarious leadership positions, in: Academy of Management
Review, 32 (2), 549–572
Van Quaquebeke, N. / Eckloff, T. / Zenker, S. /
Giessner, S. R. (2009): Leadership is in the eye
of the beholder, in Personalführung, 42 (1),
34–41
Van Quaquebeke, N. / Schmerling, A. (2010):
Kognitive Gleichstellung, in: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 54 (3),
91–104