König der Masken - BJF-Clubfilmothek

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König der Masken - BJF-Clubfilmothek
BUNDES
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BJF-Film-Arbeitshilfen
Mit seinen Arbeitshilfen gibt der Bundesverband Jugend und Film e.V. (BJF) Anregungen für kreative und kommunikative Filmvorführungen in der Schule und in der außerschulischen Jugendarbeit. Wir freuen uns, wenn Sie uns
Ihre Erfahrungen beim Einsatz dieses Films und vielleicht auch weitere Tipps zur Arbeit mit dem Film mitteilen. Die
Arbeitshilfen werden dadurch laufend ergänzt.
König der Masken
Honkong/VR China 1996
Regie: Wu Tian Ming
FSK: o. A.
BJF- Empfehlung: ab 8 Jahren
BJF-Bestellnummer: 2 910 860
Spielfilm, 101 Min., Farbe, dtF
Inhalt
China in den 20iger Jahren des 20. Jahrhunderts.
Wang, der „König der Masken“, ist ein alternder
Straßenkünstler. Er lebt von der Kunst, selbstgemalte
Masken so schnell zu wechseln, das man an Zauber
denkt. Er lebt einsam auf einem Boot. Eines Tages
begegnet ihm der Frauendarsteller Meister Liang, der
überall verehrt wird. Er bestärkt den alten Wang in der
Suche nach einem Erben für seine Kunst.
Wang findet auf einem Kindermarkt einen kleinen Jungen, den er kauft und mit sich nimmt. Nur an Jungen
darf die Kunst der Masken weitergegeben werden.
Doggie umsorgt Wang, gewinnt das Herz des alten
Mannes. Doch Doggie ist eigentlich ein Mädchen.
Wang verstößt sie, als er es entdeckt. Aber sie kämpft
um ihr gewonnenes zu Hause und überredet Wang, sie
als Haushaltshilfe zu behalten. Das Kind lernt Akrobatik und zieht mit dem König der Masken von einem
Markt zum anderen. Das Geheimnis um seine Masken
verrät er nicht. Doggie versucht alles, besorgt Wang
sogar einen vermeintlichen Erben. Das wird Wang zum
Verhängnis und er wird wegen angeblicher Entführung
ins Gefängnis geworfen. Doggie kann unter Einsatz
ihres Lebens die Polizei von der Unschuld Wangs überzeugen und er wird freigelassen. Nach diesen Ereignissen bemerkt er endlich, dass falsche Vorurteile und
starre Traditionen nichts wert sind, wenn man einen
Menschen liebt. Auch Meister Liang bestärkt ihn
darin, seinen wahren Gefühlen zu folgen und so sieht
man den König der Masken und Doggie gemeinsam
den Zauber der Masken vollführen.
Thematische und filmische Aspekte
Ein sehr sinnlicher Film, von prachtvollen Bildern alter
chinesischer Kunst und traditionellen Lebens getragen. Erzählt wird gradlinig, mit einem klar definierten
Konflikt und hoffnungsvollem Finale. Hervorragende
Darsteller spielen und rühren stark die Zuschauer. Die
Musik unterstreicht dies.
Seine eigene Identität finden und (Vor)urteile zu überdenken, sind Thema des Films. Das faszinierende
Spiel mit der Maske ist in vielen Völkern eine traditionelle Darstellungsform. Die Urmaske aller Masken,
die Hand vor dem Gesicht, wird ständig und impulsiv
benutzt: Angst – die Hände verdecken die Augen, verschmitztes Lachen – die Hand verdeckt den Mund,
Traurigkeit- das ganze Gesicht wird mit den Händen
beschützt, nichts hören wollen – die Ohren werden
zugehalten und die Augen geschlossen ...
Maskenspiel ist an Körperspiel gebunden. Mit der
Maske wird eine bestimmte Rolle übernommen und
durch den Körper ausgedrückt; durch Bewegung zum
Leben erweckt. Gesten und Haltungen sind Signale für
die Zuschauer, um die Figur zu verstehen. Es erwachen
neue gedankliche, körperliche und kreative Möglich1
keiten in einem, um so von sich ein Stück mehr zu
erfahren.
Der in der klassischen Form des chinesischen Melodrams erzählte Film hat viele Parallelen zur chinesischen Oper.
Der Darsteller in der chinesischen Oper nimmt den
Platz des Schöpfers ein. Er ist Textdichter und Komponist, Schauspieler, Sänger, Tänzer, Akrobat, alles in
einer Person. Eines der immer wiederkehrenden Themen in der chinesischen Oper ist die Rolle der Frau in
zurückgebliebenen, von verknöcherten Traditionen
gefestigten Zuständen. Frauenrollen werden mit Tapferkeit, Klugheit, Geschicklichkeit und Witz ausgestattet, um sich gegen Unmenschlichkeit wehren zu können. Der dramatische Bau der chinesischen Oper
zeigt, wie Generationen von Darstellern und Musikern
daran geschliffen und gefeilt haben. Der Handlungsablauf ist so angelegt und gegliedert, dass sowohl das
Prinzip der Abwechslung wie das der Spannung voll
zur Wirkung kommen. Die chinesische Oper benutzt
das gesprochene Wort, das Melodram, Gesang und
Orchesterbegleitung, Pantomime, Tanz und Akrobatik
gleichermaßen. Für die Rollenbesetzungen gelten in
China bis in die Neuzeit althergebrachte Verfahrensweisen. Die älteste schreibt vor, dass alle Rollen nur
von Männern gespielt werden. (Literaturquelle: H.
Pischner, Musik in China, Henschelverlag, Berlin 1955)
Filmvorbereitung
Kinder spielen gern mit und in Verkleidungen. Sie probieren aus, wie sie darin wirken, was einen nachhaltigen Eindruck auf andere ausübt, schlüpfen dabei in
verschiedene Stimmungen und charakterliche Haltungen. Sie könne sich darin „verstecken“ und dabei ihre
Umwelt beobachten, wie auf ihren „Auftritt“ reagiert
wird. Eine leicht anzufertigende Maske bietet genügend Raum für das nachfolgende Spielen mit ihr. Beim
Anfertigen sind die Kinder schon dabei zu überlegen,
wie ihre Maske wirken soll, welche Farbe dominiert,
welche Mimik vorrangig erzeugt werden soll. Die Maske wird als Mittel benutzt, neue Identitäten zu schaffen und sich selbst ein Stück mehr zu entdecken.
Doggie sucht ein zu Hause, muss dafür ihre Persönlichkeit als Mädchen aufgeben. Der Maskenkönig versteckt seine Gefühle hinter Traditionen und Vorurteile;
Liang, der Frauendarsteller in der chinesischen Oper,
kennt diese Zerissenheit, sein eigenes Ich zu finden.
Die Kraft, Konventionen aufzugeben, zu sich selbst zu
stehen, wird im Film erzählt. Mit dem Spiel der Masken wird die Geschichte mit ihrem großen Konflikt
nachvollziehbar; Assoziationen helfen, Bezüge zu
eigenen Erfahrungen herzustellen. Diese ganz andere
fremde Kultur Chinas wird mit vorgestellt und
Interesse geweckt, sich mehr damit zu beschäftigen.
Unterstützt wird das Spiel mit der Maske durch
Requisiten, selbst produzierte Klänge, Geräusche und
asiatische Musik. Spiegel im Raum dienen der Selbst-
kontrolle und Reflektion der Körperbewegungen mit
der Maske. Die Kinder lernen im Spiel eine sehr alte,
traditionelle Darstellungsform kennen, die sich in verschiedenen Kulturen unterschiedlich ausgeprägt hat,
z. B.
– Europa = altes griechisches Theater, Venezianischer Karneval, commedia dell`arte
– Asien = No-Theater, Peking-Oper, Topeng (Bali)
– Naturvölker/Indianer = Ahnenmasken, Schamanenkult, Tiermasken, Zauberpriester, Totenmasken
Darstellungen, Bilder und Masken gestalten den Aktionsraum, werden von den Kindern wahrgenommen.,
visuell erfaßt und dienen zur Anregung, über die Vielfalt der Masken in der menschlichen Entwicklung
nachzudenken.
Übungen zur Körpersprache
(Eine Übereinstimmung zwischen Gefühl und Haltung,
Gedanke und Gebärden erlangen; das Ich ist ein denkendes Ganzes).
Arme und Hände, ein Stimmungsratespiel
Durch Arme und Hände drücken sich die meisten Stimmungen aus z.B.: geben und nehmen, zärtlich sein
oder beschützen, angreifen, abwehren, umarmen ...
(siehe Urmaske). Bin ich lustig oder traurig? Ratet es!
Im Spielkreis drückt ein Spieler seine Stimmung, sein
Gefühl aus, das erraten werden muss. Ist es erraten,
zeigt sich damit gleich, ob das Gefühl für die Zuseher
„echt“ oder gekünstelt herüberkam.
Im Raum agieren
(Körperspiele brauchen Vertrautheit mit den Mitspielern und dem Raum, indem agiert werden soll). Paare
finden sich. Sie bestimmen selbst, wer A und wer B im
Spiel sein soll. A schließt die Augen. B führt , wie die
anderen Paare auch, sein A durch den Raum, ohne
anzustoßen oder andere Paare zu berühren. Die Parts
werden getauscht. Bei sehr großen Gruppen sollte nur
ein Paar durch den Raum gehen. Die anderen bilden
„Hindernisse“: stehen als „Wand“ oder „Gang“ im
Raum, hocken wie ein „Berg“ zusammen ...
Spiel mit Requisiten
In der Mitte eines Stuhlkreises liegen Requisiten, die
z. T. an die Filmgeschichte von Der König der Masken
erinnern: Reisschale, Pinsel, Maske, ein Stück Stoff
aus Seide, Zopfhalter ... Ein Kind nimmt sich ein
Requisit und erfindet pantomimisch eine Figur. Diese
kann von den anderen erraten und für eine Geschichte
benutzt werden, die in dem Moment von ihnen erfunden wird.
Einfacher Maskenbau
Der Maskenbau sollte nicht länger als 15 Min. beanspruchen. Dazu nutzt man entsprechende Vorlagen für
die Maskenform und vorbereitete Arbeitsplätze mit
Malfarben für die Kinder. Zum Schluß werden an den
2
Seiten Bänder befestigt, um die Maske tragen zu können. Das Basteln der Maske steht nicht im Mittelpunkt, ist aber wichtig, um mit ihr eins zu werden, sie
für sich anzunehmen, um sie dann als Spielgegenstand einzusetzen (s. Literaturtipps unten).
Übungen zum Spiel mit der Maske
– Gehen mit der Maske im Raum, ohne andere zu
berühren; Musik wird als „Stop and Go–Element“
eingesetzt.
– Gehen im Raum; Musik läuft; bei Stop wird eine
Aufgabe gestellt: Drückt in eurer Maske und mit
eurem Körper eine Stimmung aus! Stellt euch vor,
ihr habt jetzt ... Angst, Stolz, Verlegenheit, Mut,
Einsamkeit, Misstrauen, Traurigkeit, Fröhlichkeit ...
– In einer Kiste befinden sich Orffsche Instrumente.
Jedes Maskenkind sucht sich sein Instrument für
seine Maske und probiert aus, ein typisches Geräusch, einen Klang zu finden und seine Maskenfigur mit einem typischen Wort zu verbinden.
Nacheinander werden die Ideen vorgestellt.
– Die Kinder entwickeln zu ihren Masken eine Rollenbiographie: Wer bin ich? Woher komme ich?
Wohin gehe ich? Wie stehe ich zu den anderen?
Was will ich? Wie begegne ich anderen? Dabei
können die schon bekannten Requisiten und
Instrumente genutzt werden.
Nach einer individuellen Vorbereitungszeit wird eine
kleine Etüde – Begegnung der Masken – präsentiert.
Untermalt wird dies mit eingespielter asiatischer
Musik.
Der König der Masken, seine Kunst, die es zu erhalten
gilt, und sein Leben im alten China, lernen die Kinder
im nachfolgenden Film genauer kennen.
Filmnachbereitung
Möglichkeit für eine Spontanbewertung
Es erfolgt eine Abstimmung mit Mimikköpfen, die z.B.
an der Wand befestigt sind und die lachen, „naja“ und
traurigsein ausdrücken. Die Kinder erhalten einen
kleinen Haftzettel und einen Stift, versuchen mit
einem Satz ihre Wertung zum Film aufzuschreiben und
an den entsprechenden Mimikkopf anzuheften.
Standbilder
Die Kinder stellen für sie besonders nachhaltige Bilder
und Sequenzen aus dem gesehenen Film als Standbild
nach. Daraus kann sich eine nachfolgende Spielszene
entwickeln:
Ein lebendiger Film
Für die Filmhandlung entscheidende Szenen werden
nachgestellt. Dazu wird in kleineren Gruppen (ca. 5
Personen) gearbeitet, die auf Blättern ein als Anhaltspunkt angegebenes Szenenthema losen. Die Figuren
können mit Maske und Umhängen sowie Requisiten
ausgestattet werden. Stoffvorschläge:
der Maskenkönig = dunkler, zerfetzter, grober Stoff,
Liang, der Frauen-Darsteller = auffallend glänzender
Stoff,
Doggie = heller, grober Stoff
Vorschläge für die Szenenthemen:
1. Der Maskenkönig zeigt auf dem Marktplatz seine
Kunst. Er und Liang treffen sich.Liang beschwört
den alten Mann, einen Erben für seine Kunst zu
suchen.
2. Der Maskenkönig sucht auf dem Kinderhandelsplatz einen geeigneten Jungen, sieht aber nur Mädchen und findet dann doch Doggie.
3. Doggie und der Alte verstehen sich gut. Doggie
wird mit Liebe überschüttet. Doch Doggie wird als
Mädchen enttarnt. Sie überredet den Maskenkönig, sie nicht zu verstoßen, sondern als Haushaltshilfe zu behalten.
4. Doggie findet einen kleinen Jungen für den Alten.
Doch dieser ist entführt worden. Die Polizei nimmt
den Maskenkönig fest.
5. Doggie holt heldenhaft den König der Masken, den
alten Wang, aus dem Kerker. Wang denkt über
seine Haltung zu Doggie nach. Er und Doggie zeigen auf dem Marktplatz gemeinsam die alte Kunst
der Masken.
Arbeitsmaterialien und Literaturtipps
Technische Geräte (Abspielgerät, CD- oder Kassettenrecorder); Orffsche Instrumente; asiatische Musik, diverse Requisiten; Abbildungen – mindestens DIN A4
Größe – von Masken und Darstellern der chinesischen
Oper; eventuell eine Weltkarte, um zu zeigen, wo
China liegt; 2 bis 3 große Spiegel; Schnur oder
Wäscheleine und Klammern zum Befestigen der
Abbildungen; Tesaklebeband; Haftzettel; Stifte; festes
Zeichenpapier oder Bastelbögen in der Größe DIN A4;
dicke farbige Filzstifte; mindestens 2 Locher und 2
Bänder je Maske; Stoffe.
Wilfried Nold, Spiel- und Theateraktionen mit Kindern,
Heinrich Hugendubel Verlag München 1987, 2.
Auflage, S. 50-65
Peter Thiessen, Drauflosspieltheater, Beltz Verlag
Weinheim und Basel 1990, 3. Auflage, S. 117-119
Kinder- Jugendfilmkorrespondenz (KJK) Nr. 80 4/99,
S. 43-45
Lexikon des Kinder und Jugendfilms, Teil 9 Medienpädagogische Vorschläge, Jana Hornung, 5. Erg.-Lfg.
Juni 2000, Corian-Verlag, Meitingen
Arbeitshilfe: Regine Jabin (Berlin, August 2000)
3
FWU-Arbeitshilfe
Lernziele:
Miterleben der beeindruckenden Geschichte eines
aIten Straßenkünstlers und eines kleinen Mädchens
im China des beginnenden 20. Jahrhunderts; ein fremdes Land, dessen Kultur und Lebensweise kennenlernen; die chinesischen Traditionen differenziert betrachten, z B. die Diskriminierung der Frauen; sich mit
dem Film aIs audiovisuellem Text auseinandersetzen.
Vorkenntnisse
Einblick in die Geschichte der traditionellen chinesischen Kultur und in die Stellung der Frau.
Kurzbeschreibung
Hündchen kampft um die Anerkennung und die Liebe
des aIten Wang, besser bekannt aIs „Der König der
Masken" und beneidet wegen seiner Kunst, selbst gemalte Gesichtsmasken so schnell zu wechseln, dass
es wie reine Magie wirkt. Anders aIs Meister Liang,
gefeierter Frauen-Darsteller der Sichuan-Oper, lebt er
bescheiden auf einem Flußboot. Die Frankfurter Kinderfilmjury prämierte ihn 1996, weil er in „... in eindrucksvollen Bildern eine berührende Geschichte
schildert, die aus längst vergangener Zeit erzählt, aber
trotzdem viel Aktualität besitzt. Ein kleines Mädchen
stemmt sich gegen aIte Traditionen. Und ein aIter
Mann lernt Offenheit. Es ist ein Werk von hoher künstlerischer Qualität, das uns Licht- und Schattenseiten,
aber auch frohe und hoffnungsvolle Momente dieser
Welt zeigt.“
Zum Inhalt
In der chinesischen Provinz Sichuan (frühere Schreibweise und Aussprache: Sezchuan bzw. Setschuan)
lebt Anfang des 20. Jahrhunderts der alte Straßenkünstler Wang, bekannt als „Der König der Masken".
In männlicher Erbfolge wurde ihm die Kunst anvertraut, Gesichtsmasken selbst herzustellen und sie so
schnell zu wechseln, dass für die Zuschauer das
Schauspiel wie reine Magie wirkt. Im Gegensatz zu
Meister Liang, dem bekannten Frauendarsteller der
Sichuan-Oper, dessen Einzug in die Stadt mit einem
prachtvollen Fest gefeiert wird, fristet der König der
Masken sein Leben eher schlecht als recht. Gemeinsam ist beiden allerdings das Ziel, das sie mit ihrer
Kunst verfolgen. Meister Liang drückt es gegenüber
dem König der Masken so aus: „Es ist doch so: Die
Welt ist ein kalter Ort. Doch wir bringen etwas Wärme
in sie hinein."
Die traditionelle, männlich ausgerichtete Erbfolge
stellt den König der Masken und das Weiterleben seiner Kunst vor ein großes Problem, denn sein einziger
Sohn starb vor einiger Zeit. Damit seine Kunst nicht
untergeht, erwirbt er auf einem Kindermarkt einen
netten kleinen Jungen, der sich „Hündchen" nennt.
Damals gab es in der Provinz Sichuan viele solcher
Märkte, auf denen Eltern ihre Kinder verkaufen mus-
sten, weil es ihnen aufgrund der vielen Überschwemmungen und der daraus resultierenden Hungersnöte
nicht möglich war, ihre Familie zu ernähren. Hündchen
kümmert sich rührend um den König der Masken, und
auch dieser gibt dem Kind, überglücklich endlich
einen Enkel und somit Erben zu haben, all seine Liebe.
Doch das Glück ist nur von kurzer Dauer. Durch einen
Zufall kommt das wahre Geschlecht von Hündchen
heraus - der Enkel ist in Wahrheit eine Enkelin und für
den König der Masken zerplatzt damit der Traum vom
endlich gefundenen Erben wie eine Seifenblase. Enttäuscht über diesen Vertrauensmissbrauch will Wang
das Mädchen wegschicken. Doch Hündchen kann ihn
davon überzeugen, sie als Köchin und Haushaltsgehilfin weiter auf seinem Hausboot zu behalten.
Allerdings darf sie den Maskenkönig von nun an nicht
mehr „Großvater", sondern nur noch „Herr" nennen.
Der Straßenkünstler bringt dem talentierten Mädchen
in der Folge einige akrobatische Kunststücke bei, mit
denen sie auch auftritt. Doch das Geheimnis der Maskenkunst behält er für sich. Hündchens Neugierde,
mehr über dieses wohl gehütete Geheimnis zu erfahren, macht sie unvorsichtig - auf dem Hausboot verursacht sie einen Brand, bei dem nahezu das gesamte
Hab und Gut von Wang verbrennt.
Als Hündchen einen kleinen Jungen findet, von dem
sie annimmt, dass er ausgesetzt worden ist, glaubt sie
ihre Schuld wieder gut machen zu können. Sie bringt
den Kleinen zum König der Masken, um diesem seinen
sehnlichsten Wunsch zu erfüllen. Der kleine Junge ist
jedoch der entführte Sohn reicher Eltern, und als die
Polizei ihn bei dem Maskenkönig findet, kommt es wie
es kommen muss: dem alten Straßenkünstler, der seine Unschuld beteuert, wird kein Glaube geschenkt,
durch Schläge wird er sogar dazu gebracht, die „Kindesentführung" zuzugeben. Hinter Gittern wartet er
auf die Vollstreckung seines Todesurteils. Hündchen
ist so verzweifelt über das Schicksal ihres Herrn, dass
sie, zusammen mit Meister Liang, alles versucht, um
seine Unschuld zu beweisen. Ihre Liebe zu dem alten
Straßenkünstler geht so weit, dass sie bereit ist, ihr
eigenes Leben zu opfern. Durch ihre Entschlossenheit
und die Nachahmung des Motivs aus der SichuanOper, das Meister Liang berühmt gemacht hat, bewirkt
das liebenswerte kleine Mädchen am Ende tatsächlich
die Freilassung des Königs der Masken. Dieser hat
nun gelernt, dass es nicht auf das Geschlecht
ankommt und löst sich von den starren Traditionen:
der Schluss zeigt, wie sich die beiden - glücklich und
befreit lachend - gegenseitig den Maskentrick zeigen.
Ergänzende Informationen
Zur chinesischen Oper
Das chinesische Theater läßt sich grob in fünf Arten
einteilen. Xiqu ist der Oberbegriff für alle rein chinesi4
schen Theaterarten. Dem stehen gegenüber die Arten,
die vom Ausland „importiert" sind - das Sprechtheater
(Hua-Ju), das Song-Theater (Ge-Ju), das Tanz-Theater
(Wu-Ju) und das Song-undTanz-Theater (Ge-Wu-Ju).
Die unterschiedlichen Xiqu-Arten werden nach ihrem
Entstehungsort benannt, wie zum Beispiel die
Sichuan- und die - bekanntere - Peking-Oper. Wie im
Film unschwer zu erkennen ist, hat die chinesische
Oper nur sehr entfernte Ähnlichkeiten mit ihrer europäischen Variante. Zu ihr gehören neben dem Gesang
auch Sprechpassagen, Akrobatik und Pantomime. Es
gelten feste Regeln für die musikalische Aufführungspraxis und die Darstellung der verschiedenen Rollentypen, so z.B. charakteristische Kostümierungs-,
Schmink- und Bewegungstechniken. Da in der chinesischne Oper keine Frauen mitwirken dürfen, werden
auch weibliche Rollen stets von Männern dargestellt.
Zur Stellung der Frau in China
Da man mit dem alten China automatisch die
Benachteiligung der Frau verbindet – z.B. die Erinnerung an die von frühester Kindheit an eingebundenen
und somit künstlich verkrüppelten Füße bei den
Frauen höher gestellter Schichten - überrascht es,
wenn man hört, dass die Situation ursprünglich einmal ganz anders war. In ältester Zeit herrschte in
China eine mutterrechtliche Gesellschaftsordnung,
und der Mutterkult war die früheste Form des chinesische Ahnenkultes. Obwohl sich unter dem konfuzianischen Einfluss allmählich der Übergang zu der patriarchalischen Ordnung vollzogen hat, war die Stellung
der Frau bis etwa ins 12. Jh. noch wesentlich besser als
in den letzten Jahrhunderten. Zur Rolle der Geschlechter schreibt das China Handbuch von 1974: „Grundlegend für die Stellung von Mann und Frau war die
Vorstellung der beiden ewigen kosmischen Urkräfte
yin und yang, des Dunklen und des Hellen, des
Mondes und der Sonne, des Empfangenden und des
Gebenden, der Erde und des Himmels, des weiblichen
- auch hier noch an erster Stelle - und des männlichen
Prinzips. Die kosmische Weltordnung wurde auf Staat
und Gesellschaft übertragen, und so entsprach die
Frau yin und der Mann yang. Dieser hatte dementsprechend im Hellen, in der offenen Welt zu wirken, während die Frau in der Verborgenheit, im Dunklen, in der
Abgeschiedenheit des Hauses zu bleiben hatte. Daraus ließ sich folgerichtig die untergeordnete Stellung
der Frau ableiten."
Trotz der etwa um 1850 einsetzenden Emanzipationsbewequng chinesischer Frauen wurden erst mit der
Gründung der Volksrepublik 1949 und neuen Gesetzen
die Voraussetzungen für die Gleichberechtigung der
Geschlechter geschaffen. Doch hält sich in den Köpfen
der chinesischen Bevölkerung die patriarchale
Tradition, ja sie verstärkt sich sogar, wenn man die
Auswirkungen der rigorosen Bevölkerungspolitik mit
ihrer Hinwendung zur Ein-Kind-Familie betrachtet.
Danach zählt der männliche Nachkomme auch heute
noch mehr – ist er es doch, der die Familienlinie fortsetzt.
Zur Verwendung
Der Film, in der klassischen Form des chinesischen
Melodrams abgefasst, bietet sich sowohl aufgrund
seines Inhaltes als auch aufgrund seiner oft befremdlich wirkenden Form dazu an, als Objekt des Kulturvergleichs genutzt zu werden. Als Zuschauer erlebt
man die beeindruckende Geschichte des alten
Straßenkünstlers und des kleinen Waisenmädchens
mit. Man taucht ein in das Geschehen, das in der Zeit
vor beinahe hundert Jahren angesiedelt ist, lernt
dabei eine Provinz eines fremden Landes kennen.
Vielleicht fragt man sich: wie leben die Leute dort
heutzutage, wieweit ist der „Fortschritt" dorthin vorgedrungen, gibt es noch „Kinder-Märkte", wie sehen
die Künste - und die Künstler - heute aus? Sind die
Widersprüche beseitigt, die der Film zeigt, z.B. der
große Widerspruch zwischen Armen und Reichen? Der
Film zeigt einige solcher Gegensätze, die immer wieder aufeinander prallen. Mit ihnen zeichnet der
Regisseur Wu Tian Ming ein differenziertes Bild von
der uralten Kultur Chinas - mit ebensoviel verdammens- wie auch bewahrenswertem. Sichuan, die größte der chinesischen Provinzen, offenbart auf der einen
Seite ihre wunderschöne Landschaft, zeigt aber auf
der anderen Seite auch das Elend ihrer Bevölkerung.,
den unwirtlichen Alltag, in dem ein harter Kampf ums
Überleben herrscht, die Not der Eltern, die sie zum
Verkauf ihrer Kinder zwingt, die einfachen
Lebensverhältnisse des Königs der Masken auf seinem Hausboot. Sie kontrastieren mit dem Leben von
Meister Liang, dem berühmten Darsteller von
Frauenrollen der Sichuan-Oper. Schon in der Kleidung
wird der Unterschied zwischen ihm und dem König der
Masken deutlich. Auch die verschiedenen Wohnverhältnisse weisen Gegensätze auf: dem ärmlichen
Hausboot steht das palastartiges Gebäude von
Meister Liang gegenüber. Sogar in ihrer Kunst unterscheiden sich der Maskenkönig und Meister Liang.
Zwar bringen sie beide ein wenig Hoffnung und Licht
in den grauen und trostlosen Alltag, doch während der
König der Masken das einfache Volk auf der Straße
zum Lachen bringt, ist die Heimat von Meister Liang
die Oper. Dort finden sich vor allem die höheren
Schichten ein, und von dem tristen und grauen Alltag
Sichuans ist nichts mehr zu erkennen. Die Oper verkörpert durch ihre farbenprächtigen Kostüme und die
auf den europäischen Betrachter befremdlich wirkende Sprache, Musik, Gestik und Mimik eine eigene
Welt.
Doch neben der Kunst des Königs der Masken und der
Sichuan-Oper, die im Film als wichtige und bewahrenswerte Elemente der traditionellen chinesischen
Kultur erscheinen, macht der Regisseur auch auf
deren negative Aspekte aufmerksam. Der „plot" des
Films besteht schließlich darin, dass sich diese
Gegensätze aufheben, dass jeder seine Lektion aus
5
dem Leben gelernt hat - vor allem die Überwindung
der gnadenlosen patriarchalischen Tradition, die die
Benachteiligung und Diskriminierung der Frau einschließt.
Wie stark diese Benachteiligung ausgeprägt ist, wird
dem Zuschauer deutlich vor Augen geführt, wenn
Hündchens wahres Geschlecht aufgedeckt wird und
sich dadurch schlagartig das Verhalten des alten
Mannes ändert. Sie darf ihn fortan nur noch „Herr"
nennen und hat nun auch kein Recht mehr darauf, in
das Geheimnis der Masken eingeweiht zu werden. Der
alte Mann ist fest in den starren Geschlechterrollen,
die in der Gesellschaft vorherrschen, verankert. Obwohl Hündchen bewiesen hat, dass sie alle Qualitäten
besitzt, um eine vollwertige Erbin zu sein, kann er sich
doch - noch - nicht von den traditionellen Vorurteilen
lösen. Auch hier prallen wieder Gegensätze aufeinander: die beiden Protagonisten verkörpern nicht nur
zwei unterschiedliche Generationen sondern auch verschiedene Lebenseinstellungen. Der König der
Masken sieht die Traditionen als gegeben und nicht zu
ändern an und fügt sich auch stets resignativ in sein
Schicksal - bis hin zur Erwartung seines Todesurteils
und des Vollzugs der Todesstrafe.
Hündchen dagegen kämpft - in ihrer Rolle als Hoffnungsträgerin - verzweifelt und mit aller Kraft gegen
die Ungerechtigkeit und für das Leben ihres Herrn. Sie
ist es, die sich sich mutig und entschlossen, aber auch
liebenswert zeigt. Auch den Unterschied in der
Stellung von Mann und Frau will sie nicht als gegeben
hinnehmen: „Was haben Jungen, was ich nicht habe?"
Oder wenn sie zur Göttin Bodhisattva fragt: „Sie hat
Brüste, wieso kannst Du sie dann anbeten?!“ Das konsequent entwickelte Happy-End, in dem der alte Mann
endlich seine Vorurteile überwindet, stellt somit vor
allem einen Appell gegen die Macht starrer Regeln
und für gegenseitiges Verständnis und Gleichberechtigung dar.
Diese Thematik führt zwangsläufig zu einer Diskussion über Geschlechterrollenklischees - nicht nur in
Chinas, sondern auch in unserer Gesellschaft. Auch
empfiehlt es sich, in einer Art Rollenspiel Argumente
zur Rollenverteilung zu sammeln und sie zwischen
dem König der Masken und Hündchen austauschen zu
lassen.
Auch ein Film ist eine Art Text, den es zu lesen und verstehen gilt. Gerade bei diesem Film bietet es sich an,
sich mit filmischen Elementen auseinanderzusetzen
und herauszuarbeiten, welche spezifischen Mittel und
Möglichkeiten er hat, um seine Anliegen umzusetzen.
So fällt hier vor allem die Farbgebung auf. Während
der städtische Alltag fast nur in Grau- und Brauntönen
erscheint, wirkt die Farbenpracht der beiden
Opernszenen fast wie ein Schock und kennzeichnet
somit zwei unterschiedliche Lebenswelten. Auch die
Musik spielt eine große Rolle, wirken doch die melodramatischen Szenen erst richtig ergreifend, wenn
diese mit der dementsprechend traurigen Musik
untermalt sind. Die Analyse von filmischen Mitteln
befähigt die Kinder und Jugendlichen, selbst Qualitätsmaßstäbe für gute Filme zu entwickeln, sie ist
Voraussetzung kompetenten und kritischen Medienumgangs.
Literatur
Franke, Wolfgang (Hrsg.): China Handbuch., Düsseldorf 1974.(Eine Veröffentlichung der Deutschen
Gesellschaft für Ostasienkunde in Verbindung mit
dem Institut für Asienkunde)
Arbeitshilfe:
Autorin: Cordula Nitsch. Hg.: FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht gem. GmbH, Grünwald,
und Matthias-Film gem. GmbH, Stuttgart, 1999. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.
6
Arbeitshilfe des MPZ Brandenburg
Inhalt
Der alte Straßenkünstler Wang lebt zu Beginn dieses
Jahrhunderts in China. Er ist einer der letzten, die die
große Kunst der Sichuan-Oper mit Masken beherrschen. Die Tradition schreibt vor, dass er die Geheimnisse seiner Kunst nur einem männlichen Erben weitergeben darf. Aber Wang hat keine Familie. Für ein
paar Goldstücke kauft er ein achtjähriges Kind und
nimmt es als Enkel an. Doch bald stellt er entsetzt
fest, dass der vermeintliche Enkel ein Mädchen ist.
Hündchen, wie das Kind genannt wird, darf bleiben aber nur um niedere Arbeiten zu verrichten. Sie unternimmt alles, um Wang zufriedenzustellen und ihm einen Enkel zu verschaffen. Wang ist überglücklich, als
er eines Tages einen kleinen Jungen auf seinem Hausboot findet. Doch das Unheil folgt bald: Hündchen hat
das Opfer einer Kindesentführung zu Wang gebracht,
der alte Maskenspieler landet im Gefängnis und wird
zum Tod verurteilt.
Die Anstrengungen Hündchens den Fall aufzuklären
scheitern. Bei ihrem letzten verzweifelten Versuch riskiert sie ihr Leben, um Wang zu retten, und endlich haben die Behörden ein Einsehen. Doch auch Wang hat
verstanden: Er akzeptiert Hündchen, obwohl sie ein
Mädchen ist, und weiht sie in die Kunst des Maskenspiels ein.
Filmbesprechung
Obwohl es wie reine Zauberei wirkt, wenn sich die Gesichter des Maskenspielers Wang in Sekundenschnelle verwandeln, muss er ein kümmerliches Dasein fristen. Die paar Münzen, die er bei seinen Vorstellungen
auf den Straßen verdient, reichen gerade so zum Überleben. Er ist in der Sichuan-Provinz zwar bekannt, aber
nicht zu vergleichen mit dem berühmten Meister
Liang, der in der Peking-Oper in der Rolle der Göttin
Bodhisattwa glänzende Erfolge feiert. Armut prägt das
China der Jahrhundertwende. Für ein bisschen Geld
müssen die Ärmsten der Armen ihre Kinder verkaufen,
damit sie bei ihren neuen Herren wenigstens etwas zu
essen haben. Dabei bringen Jungen immer mehr ein
als Mädchen, denn die chinesische Tradition weist den
Frauen die untergeordnete Rolle einer Dienerin zu. Die
starre Oberlieferung macht sich überall bemerkbar.
Der Schauspieler Liang wird als Göttin Bodhisattwa
berühmt, weil im Theater keine Frauen auftreten dürfen: Alle Frauenrollen werden von Männern gespielt.
Und Wang? ihm schreibt die Tradition vor, dass er
seine Kunst nur an einen männlichen Nachfolger weitergeben darf. Mädchen zählen nichts.
Wo Mädchen keine Chance haben, ist es kein Wunder,
dass sich Hündchen als Junge ausgibt. Und um so
größer die Enttäuschung, als der Betrug auffliegt. Nur
mit Mühe kann das verzweifelte Mädchen Wang überreden, es bei sich zu behalten. Aber der Preis ist hoch:
Hündchen darf nicht mehr „Großvater“ zu ihm sagen,
sondern nur noch „Herr“ und muss hart für ihn arbeiten. Sie strengt sich sehr an, um Wang glücklich zu
machen und um Anerkennung zu finden. Doch die
Macht der Tradition ist stärker als das weiche Herz des
alten Maskenkünstlers.
Bei einem Besuch in der Peking-Oper sehen sie den
berühmten Meister Liang. Er spielt eine Prinzessin, die
sich für einen anderen in den Tod stürzt und sich dadurch in die unsterbliche Göttin Bodhisattwa verwandelt. Wang kann Hündchen nicht erklären, wieso er
gleichzeitig eine weibliche Gottheit anbeten und sie
als Mädchen doch nicht anerkennen kann. Als Hündchen einmal allein ist und heimlich die Masken Wangs
betrachtet, verursacht sie einen Brand auf dem Hausboot. Verzweifelt läuft sie davon. Dabei wird sie von
einem Kinderhändler gekidnappt, der sie auf einem
Speicher einschließt. Dort findet sie den kleinen Jungen Tien Che und flieht mit ihm. Sie bringt Tien Che auf
das Boot Wangs und geht fort: Hündchen gibt ihr
Leben bei Wang freiwillig auf, damit er mit Tien Che als
Nachfolger in der Kunst des Maskenspiels glücklich
wird. Aber Hündchens gute Absichten verkehren sich
ins Gegenteil. Wang wird verhaftet und ohne eine eingehende Untersuchung wegen Kindesentführung zum
Tode verurteilt.
Als Hündchen Wang im Gefängnis besucht, wartet er
schicksalsergeben auf die Vollstreckung des Urteils.
Er glaubt, dass sich das buddhistische Karma erfüllt
und er ohnehin nichts dagegen tun kann. Doch Hündchen kämpft immer weiter. Sie mobilisiert Meister
Liang, und als selbst er nichts erreichen kann, riskiert
sie ihr Leben. Genau wie im Theaterstück über Bodhisattwa stürzt sie sich bei einer Vorstellung vom Dach
der Oper um für Wang zu sterben. Nur durch Glück
kann Meister Liang sie im letzten Moment auffangen.
Jetzt erst wird dem Fall nachgegangen. Der alte Maskenspieler kommt frei und findet Hündchen auf dem
Boot: Sie schrubbt wie üblich die Holzplanken. Aber
Wang hat zusammen mit der engen Gefängniszelle
auch die starren Mauern der Tradition hinter sich gelassen. Er macht Hündchen erneut zu seiner Enkelin
und vererbt ihr die geheime Kunst des Maskenspiels.
„Der König der Masken“ ist ein sorgfältig aufgebauter
und detailreich inszenierter Film. Der Regisseur Wu
Tian Ming hat ihn aus guten Gründen in Hongkong
produziert. Immer noch ist in der Volksrepublik China
die freie Meinungsäußerung eingeschränkt und Wu
Tian Ming musste nach dem Massaker auf dem Platz
des Himmlischen Friedens selbst für einige Jahre im
Exil leben, weil er als geistiger Wegbereiter der Studentenproteste galt. Sein Film über den Maskenspieler und das Mädchen spielt zwar zu Beginn dieses
Jahrhunderts, enthält aber ganz aktuelle Bezüge. In
China gibt es bis heute starr gültige Traditionen, die
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die folgenden Generationen an ihrer freien Entwicklung hindern. Mit dem Ende des Films, an dem Wang
solchen Regeln eine Absage erteilt und Hündchen ihre
Chance im Leben gibt, plädiert der Regisseur für eine
harmonische Lösung des Generations- und Geschlechterkonflikts. Dabei verwirft er keineswegs sämtliche
Elemente der traditionellen chinesischen Kultur. Im
Gegenteil. Die farbenprächtigen Szenen aus der Peking-Oper, die Drachenumzüge auf der Straße, der
Einsatz traditioneller Musik oder die typisch chinesische Akrobatik des Mädchens zeigen viele Aspekte
einer alten und bewahrenswerten Kultur. Doch die
Geschichte Hündchens macht deutlich, dass diese
Künste nur überleben können, wenn man sie nicht im
engen Korsett der Traditionen ersticken lässt. Die
Kunst des Maskenspiels wird von einem Mädchen
erhalten - oder sie wäre untergegangen.
Hündchens Kampf um persönliche Anerkennung und
gegen die Vorurteile, mit denen sie als Mädchen belegt wird, spiegelt der Film sehr facettenreich in Bildaufbau, Farbgebung und Symbolik. Die Alltagswelt,
die nach der Tradition lebt, ist fast ausschließlich in
grauen und braunen Farben aufgenommen, während
die Sphäre des Tanzes, des Theaters und der Masken
in ihrer schillernden Farbigkeit hoffnungsvoll und
fröhlich wirkt. Die Position Hündchens zwischen diesen beiden Lebenswelten ist durch ihr rote Jacke symbolisiert, die einen bunten Farbtupfer in die eher
düsteren Straßen der Stadt bringt. Die Versöhnung
von Tradition und Jugend sowie Hündchens erfolgreiche Durchsetzung gegen die Vorurteile zeigt die
Schlussszene: Mitten in der strahlenden Sonne zeigt
Wang dem Mädchen das bunte Maskenspiel.
Filmarbeit
Der langsam erzählte Film lässt Kindern ausreichend
Gelegenheit, sich auf die sorgfältig arrangierten Bilder
einzulassen und während des Zusehens eigene
Gedanken zu entwickeln. Die sparsam eingesetzten
Dialoge unterstützen das Filmkonzept, das die
Zuschauer hauptsächlich über visuelle und atmosphärische Elemente in seinen Bann zieht. Die ruhige
Erzählweise, die mit kleinen Spannungsbögen arbeitet, stellt sicherlich für viele Kinder eine ungewohnte
Seherfahrung dar. Eine sorgfältige Einführung ist zu
empfehlen.
Der Kampf Hündchens um Anerkennung, den sie ganz
allein ausfechten muss, findet in einer radikal traditionsorientierten Gesellschaft statt. Solch extreme Erfahrungen mit der Tradition müssen Kinder in
Deutschland nicht machen. Dennoch bietet das
Grundthema Anknüpfungspunkte für Identifikation:
Jede und jeder kennt Situationen, in denen man sich
gegen die Meinung anderer durchsetzen muss. Hündchens Beispiel motiviert dazu, sich nicht einfach festgeschriebenen Regeln zu unterwerfen, sondern einen
eigenen Weg - auch gegen Widerstände - zu suchen.
„Der König der Masken“ erhielt Auszeichnungen auf
vielen internationalen Festivals, unter anderen den Lucas 1996 des Internationalen Kinderfilmfestivals in
Frankfurt. Die Jury, paritätisch besetzt mit Erwachsenen und Kindern, begründete ihr Urteil wie folgt: „Der
Film schildert in eindrucksvollen Bildern eine berührende Geschichte, die aus längst vergangener Zeit
erzählt, aber trotzdem viel Aktualität besitzt. Ein kleines Mädchen stemmt sich gegen alte Traditionen. Und
ein alter Mann lernt Offenheit. Es ist ein Werk von
hoher künstlerischer Qualität, das uns Licht- und
Schattenseiten, aber auch frohe und hoffnungsvolle
Momente dieser Welt zeigt.“
Stichpunkte zur Einstimmung:
Bildbetrachtung, Anmoderation - Verständnisfragen,
Reiseroute nach China besondere Eintrittskarte: chinesischer Glückskeks oder einen kleinen Zettel mit
einer chinesischen Weisheit
Einstimmung auf „Der König der Masken“
Bildbetrachtung
Das Foto des alten Wang und des kleinen Mädchens
kann die Neugierde wecken und Erwartungshaltungen
im Hinblick auf die Geschichte aufbauen helfen. Eine
Kopie wird auf einen großen Bogen - vielleicht sogar
farbiges Papier - aufgeklebt. Im Halbkreis sitzt die
Gruppe davor. Was erzählt dieses Bild?
Folgende Fragen können als Anregung dienen:
Was sagt es aus über die dargestellten Personen?
Wie alt sind sie?
Wo mögen sie leben?
Was für einer Tätigkeit gehen sie wohl nach?
Auf dem Weg wohin könnten die beiden sein?
In welchem Verhältnis stehen sie zueinander?
Was für eine Stimmung vermittelt das Bild?
Was denken sie wohl gerade?
Dazu können Stichpunkte auf den Bogen rund um das
Bild notiert werden. Vielleicht entstehen daraus sogar
schon erste kleine Geschichten.
Anmoderation – Verständnisfragen
Folgende Hinweise sollten die Kinder vor dem Film
erhalten: „Der König der Masken“ spielt in China zu
Beginn unseres Jahrhunderts. Viele Menschen leben
in großer Armut, weshalb einige Familien gezwungen
sind ihre Kinder zu verkaufen, weil sie sie nicht
ernähren können. Ein solcher Kindermarkt wird auch
im Film vorkommen. Jungen sind dort sehr begehrt,
Mädchen zählen wenig. Auch der alte Maskenkünstler
Wang will seine Kunst nur an einen Jungen weitergeben. Frauen dürfen in dieser Zeit beispielsweise auch
nicht auf der Bühne der Oper auftreten. Alle Rollen
werden von Männern gespielt. Ein berühmter Schauspieler, der im Film vorkommt, ist Meister Liang, der
gefeiert wird in der Rolle der Göttin Bodhisattwa.
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Reiseroute nach China
Wo liegt überhaupt dieses ferne Land China und wie
würde man dorthin kommen? Am besten nimmt man
einen Globus, um den Reiseweg zu bestimmen: Von
der Schule zum Bahnhof, zum nächsten Flughafen.
Welche Länder würde man überfliegen? China, das
macht der Vergleich mit dem heimatlichen
Deutschland sofort ersichtlich, ist ein riesiges Land.
Der Film spielt in der Provinz Sichuan, die in
Zentralchina, etwa auf dem 31. Breitengrad Nord und
dem 105. Längengrad Ost, liegt. War eines der Kinder
sogar schon einmal in China? Oder in Asien? Wer hat
vielleicht schon einmal einen Film aus China gesehen?
Der König der Masken
Film-Cluster und Filmgespräch
Um zunächst einmal alle Eindrücke zum Film zu sammeln, bietet sich ein Film-Cluster an:
Bei dieser Assoziationsmethode wird in einem ersten
Schritt alles festgehalten, was die Kinder bewegt hat.
Dazu nimmt sich jeder ein DIN A4-Blatt, das im
Querformat beschrieben wird. In die Mitte der Fläche
kommt zuerst der Filmtitel als Kernbegriff, der umrandet wird. Drumherum schreiben die Kinder alles auf,
was ihnen zum Film und ihrem Erleben während des
Anschauens spontan einfällt (also auch, ob der Film
spannend, langweilig etc. war). Dabei sollen keine
Sätze formuliert, sondern nur Begriffe gefunden werden. Alles wird aufgeschrieben, jeder Begriff hat seine
Berechtigung.
Die Methode eignet sich für Kinder ab etwa 8 Jahren.
Wichtig ist, dass zwischen Filmveranstaltung und
Auseinandersetzung nicht zu viel Zeit liegt und dass
der Film nicht vorher schon diskutiert wurde. Der FilmCluster bildet das Filmerleben in seiner ganzen Breite
ab. Er gibt Gelegenheit den eigenen Gedanken und
Empfindungen nochmals nachzuspüren. Schon das
Finden der Begriffe bedeutet einen wesentlichen
Prozess der Verarbeitung.
Alternativ kann auch gemeinsam ein Cluster auf einem
großen Bogen oder an der Tafel erstellt werden. Die
Begriffe werden zugerufen und von einer Person aufgeschrieben. Alles wird notiert. Nachfragen und
Diskussionen werden vorerst zurückgestellt. Die
Kinder können ihre Begriffe auch auf kleine Zettel
schreiben, die dann um den Filmtitel herum aufgeklebt werden.
Man kann auch eine Kopie des Bildes von Wang und
Hündchen als „Kernbegriff“ in die Mitte des Bogens
kleben. Wurde bereits im Vorfeld als Einstimmung ein
Cluster zu dem Foto erstellt (siehe „Bildbetrachtung“), dann kann damit jetzt weiter gearbeitet werden. Die Begriffe, die nach dem Film gesammelt werden, könnten z.B. in einer anderen Farbe dazu geschrieben werden. Hat der Film die durch das Foto
geweckten Erwartungen erfüllt?
Sind die Kinder fertig, stellen sie ihre Cluster vor bzw.
der gemeinsam erstellte wird nun in Ruhe betrachtet.
In einem zweiten Schritt könnte man auch den Begriff
oder die Begriffe (Anzahl vorgeben) markieren lassen,
die für die Kinder die wichtigsten sind.
Anhand der aufgeführten Begriffe und gezielter Nachfragen wird in das Gespräch über den Film eingestiegen.
Spannend ist die Frage, warum sich Wang zuerst dagegen gewehrt hat, seine Kunst an ein Mädchen weiterzugehen, und was seine Einstellung verändert hat?
Wie denkt er jetzt darüber? Und warum hat sich Hündchen so um den alten Maskenspieler bemüht? War es
Dankbarkeit? Liebe? Die Faszination seiner Kunst?
Auch der Frage nach einengenden Traditionen heute
kann nachgegangen werden. Gibt es sie z.B. im Hinblick auf die Rollen von Jungen und Mädchen? Was für
Gefühle haben die Kinder bewegt, als Wang das wahre
Geschlecht von Hündchen herausgefunden hat? Was
haben die Jungen empfunden, was die Mädchen? Gibt
es Unterschiede?
Gibt es bei den Kindern Vorurteile gegenüber Mädchen und gegenüber Jungen? Werden die Mädchen
bzw. die Jungen bei verschiedenen Aktivitäten vom jeweils anderen Geschlecht ausgeschlossen? Warum ist
das so?
Jurybewertung
Die Kinder versetzen sich in die Rolle einer Jury, die an
„Der König der Masken“ einen Preis vergeben möchte.
Wofür erhält der Film den Preis - für die Geschichte, für
die filmische Umsetzung, die Kameraarbeit, die schauspielerischen Leistungen? Die Kinder schreiben, vielleicht in Gruppen, ihre Jurybegründung, die im Anschluss vorgetragen und diskutiert wird. Die Begründung der Jury des Frankfurter Filmfestivals wird in die
Diskussion einbezogen.
Was machen Wang und Hündchen jetzt?
Weisheiten erfinden
Insbesondere wenn die Kinder als Eintrittskarte schon
eine chinesische Weisheit erhalten haben, kann man
diese Form gut noch einmal in der Nachbereitung aufgreifen: Sicherlich haben sowohl Wang als auch Hündchen aus der Erfahrung ihrer Geschichte eine Lehre
gezogen, die sie nie mehr vergessen werden und an
die sie sich immer erinnern wollen. Deshalb möchten
sie sie in Worte kleiden, in einen weisen Spruch, den
sie z. B. in ihrem Hausboot aufhängen könnten. Wie
würde Wangs Weisheit lauten, wie Hündchens? Oder
vielleicht möchten die beiden einen gemeinsamen
Spruch für sich finden? In Gruppen formulieren die
Kinder ihre Weisheiten. Diese werden dann, schön mit
schwarzer Tinte auf ansprechendes Papier geschrieben, im Klassenzimmer aufgehängt und besprochen.
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Bilder malen
Das Ende des Filmes ist ein Neuanfang. Zum ersten
Mal lachen der Maskenspieler und das Mädchen fröhlich und unbefangen. Jede Menge Phantasie ist beim
Malen gefragt, wenn die Kinder darstellen sollen, wie
es Wang und dem Mädchen jetzt geht.
Wer bist du? Wer bin ich?
Masken gestalten
Die Gruppe wird in Jungen-Mädchen-Paare aufgeteilt.
Jeder Junge und jedes Mädchen stellt nun für seine
Partnerin bzw. seinen Partner eine Maske her. Dazu
setzen sich die Paare gegenüber. Folgende Überlegungen werden angestellt:
Wie sehe ich meinen Partner, meine Partnerin?
Was gefällt mir gut? Was weniger gut?
Welche Stärken möchte ich in der Maske zum Ausdruck bringen?
Welche Schwächen?
Was möchte ich meinem Gegenüber mit der Maske
sagen?
Eindeutige Spielregeln müssen festgelegt werden:
Kränkungen und Karikaturen sind tabu! Wer dennoch
jemanden beleidigt, verlässt das Spiel!
Material. Aus einfachen weißen Papptellern lassen
sich leicht Masken basteln (Augen, eventuell auch
Mund und Nasenpartie ausschneiden, Teller mit Gummiband versehen). Farben und Pinsel sowie unterschiedlichste Materialien (Folien, Federn, Gräser, verschiedene Papiersorten etc.), mit deren Hilfe sich
leicht Ausdrucksmöglichkeiten gestalten lassen, stehen bereit.
Die Mädchen und Jungen setzen dann die für sie gestalteten Masken auf. Der Akzent liegt auf der
Selbstbeobachtung. Wie erlebe ich mich in der für
mich gestalteten Maske? Eine Musik setzt ein, die
Masken fangen an sich zu bewegen, versuchen auszudrücken, wie sie sich in der Maske fühlen. Auf ein Signal der Spielleiterin/des Spielleiters nehmen die Masken untereinander Beziehungen auf, begrüßen sich
freundschaftlich ...
Ein Austausch kann danach wiederum paarweise
stattfinden: Warum wurde die Maske so gestaltet?
Welche Symbole sind darin sichtbar, welche Wesenszüge und Merkmale drücken sie aus?
Oder jede und jeder stellt die eigene Kreation im Plenum vor, die Partnerin/der jeweilige Partner kann
dann berichten, wie sie bzw. er sich unter der Maske
gefühlt hat.
Variante
Im Film spielen Festlegungen der Persönlichkeit eine
wesentliche Rolle. Weil Hündchen ein Mädchen ist,
schreibt ihr die Gesellschaft vor, wie sie zu sein hat - in
ihrem Inneren fühlt sie sich aber ganz anders! Wie
fühlen sich die Mädchen und Jungen? Jede und jeder
gestaltet für sich selbst eine Maske, die die eigene
Persönlichkeit zum Ausdruck bringen soll.
Arbeitshilfe: MPZ, Medienpädagogisches Zentrum Land Brandenburg, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung
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