Geschäftsmodell: Experimentieren

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Geschäftsmodell: Experimentieren
Geschäftsmodell: Experimentieren
Während das tradierte Mediengeschäft immer noch fieberhaft
nach der Killer-App für sein Business sucht, spielt sich die
Tech-Branche im Silicon Valley mit neuen Plattformen und
­Modellen – mit erstaunlichem Erfolg. Text von Elisabeth Oberndorfer
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Corey Ford (rechts) betreut in seinem Accelerator-Programm Matter.vc fünf Monate lang Medien-Start-ups.
Matter.vc werden Start-ups unterstützt, die
­Lösungen für Medienunternehmen bauen.
Im ersten Jahrgang arbeiteten Jungunternehmer unter anderem an Video-­Software
und Tablet-Readern. Durch das Programm
steht Ford im engen Kontakt mit Medienmanagern, um deren Bedürfnisse zu erkennen.
Die größte Herausforderung für klassische
Verleger: „sich von ihrer alten Kultur zu
trennen und neue, disruptive Perspektiven
zuzulassen“. Die Medienmanager von heute
müssten „rasch reagieren, schnell experimentieren und sich ständig weiter­bilden“,
empfiehlt Ford. Diesen Spirit finde man bei
den Menschen, die Silicon Valley anzieht,
eher – weshalb die Tech-Branche immer
mehr die Medien beeinflusst. „Die Gewinner werden die sein, die geschickt sind“,
meint der Matter.vc-Betreiber.
Webnische: investigativer Journalismus
In San Francisco wurde auch eines der
­ersten Online-only-Magazine gegründet:
­salon.com ist seit 1995 online und hat sich
mit seinen politischen und investigativen
Reportagen einen Namen gemacht. Die
Wirtschaftskrise machte jedoch auch vor
­Internetmedien nicht halt, und so kämpfte
Salon in den vergangenen Jahren mit sinkenden Zugriffen, weniger Ad Sales und
musste infolgedessen die Belegschaft kürzen.
Im Frühling kam Cindy Jeffers als CEO und
CTO an Bord, vormals Technology Director
der Huffington Post. Seither hat sich viel getan: „Wir haben uns auf unsere wichtigsten
Kompetenzen konzentriert: Content, den
unsere Leser lieben. Dazu haben wir sehr
viele technische Updates entwickelt, die
User Experience massiv verbessert und an
der Mobile-Front gearbeitet“, fasst die Geschäftsführerin zusammen. Durch all diese
Maßnahmen konnte Salon den Abwärtstrend umkehren und die Reichweite auf
mehr als 40 Millionen Unique Users ver­
doppeln, berichtet Jeffers. Gerade soziale
Plattformen und mobile Kanäle seien für
das Web-Magazin immer wichtiger. „Der
Medienkonsum wird immer omnipräsenter.
Darauf müssen sich Publisher einstellen“,
betont die Salon-Chefin.
Bestseller 7|8 2013
matter.vc
Besitzerwechsel. Die Boston Globe
geht für 70 Millionen US-Dollar an den
Besitzer der Red Sox, John Henry.
Amazon-Gründer Jeff Bezos schnappt
sich die Washington Post für 250 Millionen US-Dollar – weniger als ein Prozent seines Vermögens. Während­
dessen geht die Blogging-Plattform
Tumblr für 1,1 Milliarden US-Dollar an
Yahoo – bei einem vergleichsweise
mageren Umsatz von 13 Millionen USDollar im Jahr 2012. Von diesem Großgeschehen unabgelenkt bauen viele
kleine Unternehmer im Silicon Valley
Nischenmedien zu profitablen Unternehmen auf. Alles Gründe, warum
­traditionelle Medienhäuser in den vergangenen Monaten nervös geworden
sind. Axel Springer schickt Top­
manager für ein Sabbatical ins Silicon
­Valley, die New York Times zieht sich
im Accelerator-Programm timeSpace
Start-ups hoch. Werden Technologieunternehmen künftig den Ton in der
Medienwirtschaft angeben?
So ähnlich sieht es zumindest Corey
Ford, Manager des Start-up-Accele­
rator-Programms Matter.vc in San
Francisco. Er selbst war jahrelang als
­TV-Journalist tätig – „ich hatte wahrscheinlich den besten Journalistenjob
der Welt“ –, vor einigen Jahren zog
ihn der Innovationsflair im Silicon
­Valley an. „Technologie ist mittlerweile
in jeder Branche stark vertreten. Und
Tech bestimmt in Zukunft, wie wir
Content produzieren und vertreiben“,
prognostiziert der Medienexperte. Bei
Erfolgreiche digitale Medienunternehmen
Mit – und ohne – innovativen Geschäftsmodellen
PopSugar
Hintergrund: Gegründet 2005 als Gossip-Blog, ist PopSugar mittlerweile ein Netzwerk von 15 Webseiten. Darunter die E-Commerce-Seite ShopStyle, die das Unternehmen 2007 gekauft hat.
Traffic: Laut Unternehmenszahlen durchschnittlich 30 Millionen
Unique Users pro Monat, die 250 Millionen Views generieren.
Geschäftsmodell: PopSugar setzt auf eine Mischung von
Display-­Advertising, Affiliate Marketing durch ShopStyle und
eine Subscription Box, die Abonnenten monatlich mit Goodies
versorgt. 45 Prozent des Umsatzes kommen laut Geschäfts­
führer Brian Sugar durch Werbung, 45 Prozent durch Search
und zehn Prozent durch Commerce.
Upworthy
Hintergrund: Das Videoportal startete im März 2012 mit dem
Versuch, vorhandenen Content viral aufzubereiten. Das Erfolgsprinzip: Redakteure müssen für jeden Beitrag 25 Headlines
­texten, die bestoptimierte wird genommen. Upworthy baut auf
eine starke Facebook-Community auf, macht das Teilen der
­Videos so einfach wie möglich und hält User zudem per Newsletter bei Laune.
Traffic: 16 Monate nach dem Launch zieht Upworthy monatlich
26 Millionen Unique Users an.
Geschäftsmodell: Die Gründer sagen offen, bisher noch keines
zu haben und die Reichweite noch nicht zu monetarisieren.
Derzeit lebt das Start-up von Investoren. Als mögliche Einkommensquelle nennt Upworthy Sponsored Content, Banner Ads
schließt das Unternehmen aus. Aussicht auf Geschäftsmodell
könnte man das auch nennen.
Gawker Media
Hintergrund: 2002 von Nick Denton mit Eigenfinanzierung
­gegründet, besteht das Netzwerk aus acht Blogs aus den
­Bereichen Tech und Gossip.
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Traffic: 40 Millionen Unique Users.
Geschäftsmodell: Das Unternehmen ist Insidern zufolge seit
Jahren profitabel, vor allem durch Brand-Advertising-Kampagnen. Im Jänner dieses Jahres veröffentlichte das Branchenmagazin AdAge ein internes Memo, in dem Geschäftsführer Denton
einen starken Schritt in Richtung E-Commerce ankündigte, vorangetrieben durch Affiliate Links in den Blogposts. 2013 soll der
E-Commerce-Anteil des Umsatzes bei zehn Prozent liegen.
Vox Media
Hintergrund: Vox besteht aus den Nischenseiten The Verge
(Tech), SB Nation (Sport) und Polygon (Videogames). Das
­Mediennetzwerk hat sich durch multimedialen Journalismus
und ansprechende User Experience einen Namen gemacht. Die
Redaktionssysteme werden intern für die eigenen Publikationen
entwickelt.
Traffic: 50 Millionen Unique Users.
Geschäftsmodell: Vox Media finanziert sich vorrangig aus
­Werbung und soll Ende 2013 profitabel werden. Eine eigene
Kreations-Unit, Vox Creative, soll Marketern helfen, effizientere
Kampagnen zu entwickeln.
The Magazine
Hintergrund: Im Herbst startete Instapaper-Gründer Marco
­Arment ein iPad-Magazin namens The Magazine, das innerhalb
weniger Monate profitabel wurde. Im Juni verkaufte er die
­Publikation an den Chefredakteur Glenn Fleishman, der The
Magazine jetzt weiter betreibt und -entwickelt.
Traffic: Im Frühling zählte das junge iPad-Medium 25.000
­zahlende Abonnenten.
Geschäftsmodell: Der Preis pro Ausgabe liegt bei 1,99 US-Dollar, 30 Prozent davon schneidet Apple über den App Store mit.
Mit dem Rest deckt das junge Unternehmen die Produktionskosten ab (Autoren erhalten 800 US-Dollar pro Artikel).
Bestseller 7|8 2013
Dan Gillmor, Retrospect Images
Rasches Wachstum zeigen derzeit
vor ­allem Portale, die schnell rezipierbare und ­virale Inhalte publizieren. Das Start-up U
­ pworthy baute
mit optimierten Headlines innerhalb
eines Jahres eine Leserschaft von
26 Millionen Unique Users auf.
­Jeffers ­beunruhigt das nicht: „Es
wird immer Platz für lange Formate
geben. Unser Ziel ist es, dass der
­Leser sich smarter fühlt.“ Die
­Hoffnung hat auch Start-up-Berater
Ford: „Der Trend geht tatsächlich zu
leicht verdaulichen Inhalten. Mit
neuen Technologien wird sich aber
auch die journalistische Bericht­
erstattung weiterentwickeln.“ Der
renommierte M
­ edienprofessor und
Autor Dan Gillmor ­beschwichtigt:
„Diese Publikationen sind nichts
­anderes als die Boulevard­zeitungen
unserer Zeit. Sie werden immer
­gegenwärtig sein.“
„Immer mehr vermögende Personen
­investieren in große Verlagshäuser.“
Dan Gillmor, Medien­professor und Autor
Spielwiese Washington Post
Schwer abzuschätzen sei, wie sich Eigen­
tümerwechsel auf die Qualität der Medien
auswirkt: „Ich sehe definitiv eine Entwicklung, dass immer mehr vermögende Personen in Verlagshäuser investieren und diese
übernehmen. Ich hoffe, dass Jeff Bezos
­seine Digital-Kompetenz bei der Washington
Post einbringt und ein Lab für neue Experimente aufbaut“, analysiert Gillmor. Der
Deal des Amazon-Gründers sei jedenfalls
begrüßenswert. Dem stimmen auch Jeffers
und Ford zu. „Silicon Valley bietet sich als
Innovationsstandort für die Post an, Bezos
kann mich gerne anrufen“, so Ford.
Ein für alle neuen Medien funktionierendes Geschäftsmodell, wie es jahrzehntelang
der Anzeigenverkauf war, sehen alle drei
Branchenvertreter nicht. „Derzeit sind
­ nzeigen noch unsere wichtigste EinkomA
mensquelle, wir experimentieren aber mit
neuen Modellen“, lässt Salon-Managerin
Jeffers anklingen, verrät aber noch nicht,
welche. Für Ford von Matter.vc lautet die
Erfolgsformel: „Experimentiere, sei flink
und habe keine Angst vorm Scheitern.“
Elisabeth Oberndorfer lebt als freie Journalistin
für Technologie, Medien und Lifestyle in San
Francisco. Sie arbeitet
seit zehn Jahren in der
Digitalbranche, zuletzt
als stellver­tretende
Chef­redakteurin bei
Werbeplanung.at.
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