european lawyers` programme – anwalts- und

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european lawyers` programme – anwalts- und
ANWALTSPRAXIS / PRATIQUE DU BARREAU
EUROPEAN LAWYERS’ PROGRAMME –
ANWALTS- UND GERICHTSPRAKTIKUM
IN SCHOTTLAND*
ELIAS BISCHOF 1
Lic. iur., LL. M. (Edinburgh), Rechtsanwalt und Mediator SAV, Basel
Stichworte: Schottland, Faculty of Advocates, Court of Session, European Lawyers’ Association
(ELA), European Lawyers’ Programme (ELP)
Im Frühjahr 2015 haben wiederum bis zu zwei jüngere Rechtsanwältinnen/-anwälte aus der Schweiz
die Chance, im Rahmen des European Lawyers’ Programme (ELP) unentgeltlich ein dreimonatiges
Anwalts- und Gerichtspraktikum in Edinburgh zu absolvieren. Das ELP bietet eine einmalige Gelegenheit, einen praktischen Einblick in die Funktionsweise eines gemischten Rechtssystems (Com­
mon Law und Civil Law) zu erlangen. Die maximale Teilnehmerzahl ist auf zwölf qualifizierte Personen aus mindestens sechs Ländern Europas beschränkt. Die Bewerbungsfrist läuft bis 31. 10. 2014.
I. Schottland ist nicht England
Schottland ist nicht England, auch wenn die beiden über
Jahrhunderte rivalisierenden Länder seit 1603 unter derselben Krone vereint sind (Union of the Crowns).2 Und
Schottland ist nicht England, auch wenn 1707 die bis dahin
unabhängigen nationalen Parlamente in Edinburgh und
London mit ihren Acts of Union die Vereinigung der beiden
Parlamente (nicht aber der Rechtssysteme und Institutionen) beschlossen und damit die Gründung von Grossbritannien (Great Britain, GB) besiegelten (Treaty of Union).3
Gemeinsam mit Nordirland bildet Grossbritannien seit
1921 das heutige Vereinigte Königreich – das United King­
dom of Great Britain and Northern Ireland, kurz United
Kingdom oder UK.4
II. Von «devolution» zur Unabhängigkeit?
Seit 1707 werden die für Schottland geltenden Rechtsakte
in Westminster5 , dem UK-Parlament in London, und damit
auf englischem Boden erlassen. 6 Den schottischen Interessen wird dadurch Rechnung getragen, dass die Schotten selbst Abgeordnete wählen (Members of Parliament,
MPs) und nach Westminster entsenden dürfen. Zudem gehört der Regierung ein speziell für schottische Anliegen
zuständiger Schottland-Minister (Secretary of State for
Scotland) mit einem Scotland Office an. Diesem obliegt
u. a. die Überwachung der Implementierung und Anwendung von ergänzenden, ausschliesslich für Schottland geltenden Erlassen des UK-Parlaments, welche aufgrund der
im Treaty of Union verankerten Trennung der Rechtssyste-
me und Institutionen vereinzelt erforderlich sind, um eine
einheitliche Rechtsordnung zu gewährleisten.
* Der Autor dankt für die Durchsicht des Manuskripts und die
ergänzenden Hinweise lic. iur. MARKUS HUNGERBÜHLER,
LL. M., AIWS, Rechtanwalt, Bern, Absolvent des ELP 2001 in
Edinburgh, ELA National Representative for Switzerland von
2002 bis 2014, Gründungspräsident des Vereins «ELA 2009»,
Zürich, sowie ganz besonders auch CHARLES MULLIN,
Advocate, Edinburgh, ehem. Solicitor to the Advocate General
und Leiter des Office of the Advocate General in Edinburgh und
London, Edinburgh, Mitglied des ELA Board und ELA National
Representative for Scotland.
1 Absolvent des ELP 2012 in Edinburgh, seit Juni 2014 ELA National
Representative for Switzerland, seit September 2014 Präsident des
Vereins «ELA 2009», Zürich.
2 Die englische Krone ging nach dem kinderlosen Ableben von
Königin Elisabeth I. (regierte von 1558 bis 1603) auf den schottischen König James VI. über, der von da an auch als James I. von
England regierte. James war der Sohn von Maria Stuart. Diese
musste als Königin von Schottland 1568 zugunsten ihres Sohnes
abdanken. Sie suchte Zuflucht in London bei ihrer Verwandten,
Königin Elisabeth I., wurde von dieser gefangen genommen und
1587 hingerichtet.
3 Ebenfalls Teil Grossbritanniens ist Wales, das gegen Mitte des
16. Jahrhunderts von England annektiert wurde.
4 Bis zur Teilung Irlands im Jahr 1921 in die Republik Irland und
Nordirland umfasste das Vereinigte Königreich England, Wales,
Schottland und Irland und wurde demzufolge als United Kingdom
of Great Britain and Ireland bezeichnet.
5 Westminster ist ein Bezirk in London, in dem das Parlamentshaus
liegt. Auch wenn die Bezeichnungen Westminster Parliament oder
UK Parliament genauer wären, ist in Schottland nicht selten die
Kurzbezeichnung Westminster zu hören.
6 Analoges gilt für Wales und Nordirland.
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Aufgrund zunehmenden politischen Drucks aus
Schottland erliess das Westminster-Parlament nach einer
Volksbefragung im Jahr 1997 den Scotland Act 1998,7 der
den Schotten gab, was vereinzelt bereits beim Abschluss
des Treaty of Union verlangt wurde, nämlich ein eigenes
Regionalparlament sowie eine eigene Exekutive (Scottish
Government).8 Die eingeräumten Kompetenzen erstrecken sich auf alle im Scotland Act 1998 nicht explizit ausgenommenen Bereiche. Dem UK-Parlament vorbehalten
sind u. a. die Währung und Wirtschaft, viele Bereiche des
Wirtschaftsrechts, Verfassung, Konsumentenschutz, soziale Wohlfahrt, Altersvorsorge, Verteidigung und Aussenpolitik (reserved matters). Über Rechtsetzungskompetenzen verfügt Schottland demgegenüber beispielsweise in
den Bereichen Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft sowie
Zivil- und Strafprozess (devolved matters).
Auch wenn dem schottischen Parlament im Jahr 2012
durch eine Revision des Scotland Act 1998 weitere Kompetenzen zugestanden wurden, räumte dieser keine eigentliche Souveränität ein, war weder ein Staatsvertrag noch
eine Verfassung, sondern blosses Gesetz, das grundsätzlich jederzeit durch das Westminster-Parlament wieder abgeändert oder aufgehoben werden konnte. In den Augen
einiger linksgerichteter Parteien ging diese sog. devolution
zu wenig weit. So forderte die amtierende, seit 2011 über
eine Parlamentsmehrheit (53%) verfügende Scottish Na­
tional Party (SNP) unter der Führung ihres teils als charismatisch bezeichneten First Ministers, Alex Salmond, die
vollständige Unabhängigkeit für Schottland vom Rest des
Vereinigten Königreichs. Die Meinung des schottischen
Volkes hierzu wird am 18. 9. 2014 an einem Urnengang eingeholt werden. 9 Die letzten Umfragen deuten auf ein äus­
serst knappes Ergebnis hin.
IV. Rechts- und Gerichtswesen
Schottland verfügt grundsätzlich über ein eigenes Rechtsund Gerichtswesen. Erstinstanzliche Entscheide der Sher­
iff Courts 11 können in Strafsachen an den High Court of
Justiciary bzw. in Zivil- und Verwaltungssachen an den
Court of Session 12 weitergezogen werden, die beiden
höchsten Gerichte Schottlands. Der Court of Session befindet sich im Parliament House in Edinburgh, welches seit
der Vereinigung der Parlamente im Jahr 1707 nicht mehr
durch die Legislative benötigt wird. Administriert werden
die beiden Gerichte durch das ebenfalls im Parliament
House untergebrachte College of Justice, dem der Lord
President des Court of Session vorsteht, welcher gleichzeitig als Lord Justice General auch den High Court of Justi­
ciary präsidiert.
Besondere Merkmale des Strafprozesses sind das Unmittelbarkeitsprinzip und das Jurysystem mit 15 Mitgliedern,13 mit der Folge vergleichsweise lange dauernder Prozesse, sowie das Prinzip der Corroboration 14 . Für den
Zivilprozess charakteristisch sind der Grundsatz der Mündlichkeit und die Prinzipien der Fairness und materiellen
Wahrheit. Im Rahmen von procedural hearings wird unter
richterlicher Leitung besprochen, welche allfälligen Beweismittel zwischen den Parteien vor der Hauptverhandlung noch auszutauschen sind. Während in strafrechtlichen Angelegenheiten (mit Ausnahme von EMRK-Fragen)
der High Court of Justiciary über eine ab­
schliessende
­G erichtsbarkeit verfügt, können zivilrechtliche Entscheide
des Court of Session an den UK Supreme Court 15 in London
weitergezogen werden.
III. Rechtssystem
Im Gegensatz zum English Law handelt es sich beim Scots
Law nicht um ein reines Common Law, sondern wegen der
römischrechtlichen Einflüsse, die insbesondere auf die
engen Verbindungen Schottlands mit Frankreich im Mittelalter zurückzuführen sind (Auld Alliance), um ein sog.
gemischtes oder hybrides Rechtssystem. Das bedeutet,
dass die Parallelen des Scots Law zum Schweizer Recht
vereinzelt (z. B. im Sachenrecht) signifikanter sind als zum
englischen Common Law. Nichtsdestotrotz hat sich das
schottische Rechtssystem sehr stark demjenigen von England angenähert, sodass im Rechtsalltag die zivilrechtlichen Einflüsse selten bemerkbar sind.
Wie in klassischen Common Law-Staaten sind auch in
Schottland Präjudizien (case law) eine wichtige Rechts­
quelle. Doch hat das gesetzte Recht (statute law) mit europarechtlicher Prägung in den letzten Jahrzehnten eine
zentrale Bedeutung erlangt. Weitere Rechtsquellen –
wenn auch von eher historischer Bedeutung – sind das Gewohnheitsrecht (customs) sowie in den Bereichen des
Straf- und Zivilrechts die juristischen Schriften von einzelnen Rechtsgelehrten aus dem 17. und 18. Jahrhundert (in­
stitutional writings) 10.
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7 Der Scotland Act 1978 scheiterte bei einer Abstimmung in
Schottland an einem kontroversen doppelten Mehrheitserfordernis.
8 Im Jahr 1998 verabschiedete das Westminster-Parlament nicht nur
den Scotland Act 1998, sondern auch den Northern Ireland Act
1998 und den Government of Wales Act 1998. Alle drei Gesetze
verfolgen einen ähnlichen Zweck, aber der Grad der eingeräumten
Selbstständigkeit variiert.
9 Ausführliche Informationen der Regierung Schottlands sind
abrufbar auf <http://www.scotreferendum.com/> (besucht am
12. 8. 2014).
10 SIR THOMAS CRAIG, JAMES DALRYMPLE (Viscount Stair),
ANDREW MCDOUALL (Lord Bankton), JOHN ERSKINE, SIR
GEORGE MACKENZIE, DAVID HUME (nicht zu verwechseln mit
dessen Onkel, dem Philosophen David Hume) sowie auch
Professor GEORGE JOSEPH BELL.
11 Schottland verfügt über 49 Sheriff Courts, die je einem der sechs
Gerichtsbezirke angehören, den Sheriffdoms.
12 Wird der Court of Session als Rechtsmittelinstanz tätig, so ist
hierfür das sog. Inner House zuständig. Erstinstanzliche Angelegenheiten – soweit in der Prozessordnung vorgesehen – gehen ans
sog. Outer House des Court of Session.
13 Eine Verurteilung setzt keine Einstimmigkeit voraus, sondern
erfolgt, wenn dies eine Mehrheit von acht Jurymitgliedern
verlangt.
14 Corroboration bedeutet, dass die zentralen Tatbestandsmerkmale
mit mindestens zwei unterschiedlichen Quellen zu beweisen sind.
15 Von den zwölf Richtern am Supreme Court sind jeweils zwei aus
Schottland.
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V. Anwaltswesen
VI. European Lawyers’ Programme (ELP)
Wie in England wurde bis vor Kurzem auch in Schottland
klar unterschieden zwischen Solicitors, welche die generellen juristischen Dienstleistungen erbringen und vor den
unteren Gerichten auftreten, und Counsels, welche die
Parteivertretung vor den höheren Gerichten wahrnehmen
(d. h. dem High Court of Justiciary, dem Court of Session
sowie dem UK Supreme Court). Während in England Coun­
sels als Barristers bezeichnet werden, heissen diese in
Schottland Advocates.
Die Zulassung als Advocate setzt nebst Universitätsabschluss und einem zu bestehenden Anwaltsexamen ein
knapp einjähriges, vollzeitiges, entschädigungsloses und
durch einen erfahrenen Advocate (devilmaster) eng beaufsichtigtes Anwaltspraktikum (develling) voraus. Die
ersten Jahre verbringt ein Advocate als Junior Counsel.
Nach frühestens 13 Jahren praktischer Tätigkeit kann er
zum Queen’s Counsel (QC) nominiert werden (Taking of
Silk) 16 . Über die Ernennung entscheidet der First Minister
der schottischen Regierung auf Vorschlag des Lord Presi­
dent of the Court of Sessions. Die formelle Ernennung erfolgt dann durch die Queen höchstpersönlich.
Will ein Rechtsuchender eine Angelegenheit vor ein
höheres Gericht bringen, mandatiert er einen Solicitor, der
dann seinerseits (auf Kosten des Rechtsuchenden) für die
gerichtliche Vertretung einen Advocate instruiert. In wichtigen Fällen wird regelmässig zusätzlich ein QC beauftragt. Seit einigen Jahren können Solicitors eine Prüfung
ablegen, um eine Vertretungsbefugnis vor höheren Gerichten zu erlangen (Solicitor Advocates).
Solicitors schliessen sich regelmässig in Anwaltskanzleien zusammen. Zulassung und Aufsicht erfolgen über
The Law Society of Scotland. Diese ist auch für die ergänzende Zulassungsprüfung für EU-qualified lawyers (sog.
Aptitude Test, den auch Anwälte aus der Schweiz ablegen
dürfen) sowie für den offenbar nicht einfacheren Intra-UK
transfer test zuständig.
Die rund 460 praktizierenden Advocates (davon rund
ein Viertel Frauen und 20 Prozent QCs), deren Interessen
durch die 1532 gegründete, sich selbst regulierende Fa­
culty of Advocates wahrgenommen wird, müssen ihre Tätigkeit selbstständig und unabhängig ausüben. Auf die
Pflege eines respektvollen, kollegialen Verhältnisses untereinander, auf ein höfliches Benehmen gegenüber Richtern und ein einwandfreies Erscheinen in der Öffentlichkeit
wird grossen Wert gelegt. Eine organisatorische Zusammenarbeit zwischen Advocates ist nur administrativ durch
den (fakultativen) Anschluss an einen der knapp zwanzig
sog. Stables zulässig. Diese umfassen kaum mehr als je
eine Handvoll Sekretariatsmitarbeiter (clerks). Die Stables
sind alle in einem separaten Flügel im Parliament House
untergebracht, wo auf engstem Raum und ohne Trennwände gearbeitet wird. Im Parliament House befinden sodann nebst dem Court of Session und dem College of Ju­
stice auch die Arbeitsplätze der Advocates, und zwar in
der 1689 gegründeten Advocates’ Library, der wohl umfangreichsten juristischen Bibliothek des Vereinigten Königreichs.
Das ELP bietet jährlich zwischen April und Juni maximal
zwölf Rechtsanwältinnen/-anwälten aus ganz Europa die
Möglichkeit, an der Faculty of Advocates und am Court of
Session in Edinburgh ein dreimonatiges Anwalts- und Gerichtspraktikum (Euro-Develling) zu absolvieren.
1. Geschichte des ELP
Das aktuelle ELP ist das Nachfolgeprogramm des in den
frühen 1970er-Jahre durch den British Council ins Leben
gerufenen European Young Lawyers’ Scheme (EYLS). Dieses sollte es einem qualifizierten Kreis jüngerer Anwälte
aus ganz Europa ermöglichen, sich während sechs Monaten in London und ab 1974 auch in Edinburgh mit den Com­
mon Law-Systemen von England/Wales bzw. Schottland
theoretisch und praktisch vertraut zu machen, und das
Verständnis für die komplexen rechtlichen und politischen
Belange des Vereinigten Königreichs fördern.
Zufolge Budgetkürzungen entfiel die finanzielle Unterstützung des ELP durch den British Council, bevor es
2009 in Zusammenarbeit mit der schottischen Regierung
und mit deren finanzieller Unterstützung in Edin­
burgh
als European Lawyers’ Programme (ELP) weiter­geführt
wurde. Diese finanzierte den durch die University of Edin­
burgh erbrachten akademischen Teil, währendem verschiedene Anwaltskanzleien im Grossraum Edinburgh
sowie die Faculty of Advocates Praktikumsplätze zur Verfügung stellten.
Der insgesamt neunwöchigen theoretischen Einführung an der University of Edinburgh, die auch Besuche bei
verschiedensten juristischen Institutionen beinhaltete,
folgte ein vierwöchiges Praktikum in einer Anwaltskanzlei
bzw. bei Behörden, bevor schliesslich das Highlight begann, das Euro-Develling von zwei Monaten an der Faculty
of Advocates und am Court of Session.
Einschneidende Sparmassnahmen der schottischen
Legislative und Exekutive führten zu einem Unterbruch
des ELP im Jahr 2013. Bereits 2014 konnte auf Initiative der
ELA und der Faculty of Advocates sowie mit der finanziellen Unterstützung eines belgischen Hauptsponsors (Viale­
gis) das Kernstück, das Euro-Develling, wieder aufgenommen werden.
2. ELP 2015
Das nächste ELP findet 2015 statt. Es bezweckt, einem
kleinen Kreis von qualifizierten Anwältinnen und Anwälten
aus verschiedenen Ländern Europas einen praktischen
Einblick in das besondere Common Law-System Schottlands zu geben und die Kenntnisse der englischen und
schottischen Rechtssprache zu festigen. Fachgespräche
zwischen den Euro-Devils bewirken aufgrund der internationalen Teilnehmerstruktur zwangsläufig eine Horizont­
erweiterung in der europäischen Rechtsvergleichung. Sodann bietet das Programm eine ideale Plattform, um viele
16 Analoges gilt in England für Barristers.
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wertvolle persönliche und berufliche Kontakte in ganz
Europa zu knüpfen. Schliesslich ist die Teilnahme am ELP
Voraussetzung, um Mitglied der aktiven Alumni-Organisation European Lawyers’ Association (ELA) zu werden.
Das ELP 2015 besteht aus zwei Teilen. Den ersten Teil
(7.–17. 4. 2014) bildet ein Einführungskurs an der Faculty of
Advocates. Er vermittelt den Teilnehmenden Grundlagen
zum schottischen Rechtssystem und seiner Geschichte
und bietet eine Einführung ins schottische Prozessrecht,
Vertrags- und Schadenersatzrecht, Erbrecht, ins Staatsrecht sowie in die Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Sodann
beinhaltet der Einführungskurs praktische Übungen zum
schriftlichen und mündlichen Plädieren. Im zweiten Teil
(20.4.–26. 6. 2015) finden die Advocates’ placements statt
(Euro-Develling). Jedem Teilnehmenden werden zwei sog.
Devilmaster zugewiesen, d. h. ein QC sowie ein Junior
Counsel. Je nach Interessen, beruflicher Erfahrung und
pendenten Fällen können die Arbeiten von Aktenstudium
über Recherchen bis zur Ausarbeitung von Legal Opinions
reichen. Zu einem wesentlichen Teil besteht das EuroDevelling aber auch in einem Begleiten, sei es an Besprechungen, sei es zu Gerichtsterminen, gegebenenfalls auch
an eine Verhandlung am UK Supreme Court in London. Sodann wird jedem Teilnehmenden auch ein Senator, d. h. ein
Richter (Lord) des College of Justice, zugewiesen, der
nach Möglichkeit während ein bis zwei Wochen begleitet
werden darf. Dies bietet eine einzigartige Gelegenheit,
dem Rechtswesen auch aus der richterlichen Optik zu begegnen.
Schliesslich besteht die Möglichkeit, die Anerkennungsprüfung zum schottischen Solicitor, den sog. Apti­
tude Test, abzulegen, der allerdings ohne zusätzliches,
intensives Selbststudium kaum bestanden werden kann.
3. Teilnahmevoraussetzungen und
Bewerbungsunterlagen
Die Teilnahme am ELP setzt ein nationales Anwaltspatent
voraus sowie eine mindestens zweijährige juristische Berufserfahrung in der Advokatur, der Verwaltung, an einem
Gericht oder in der Privatwirtschaft. Des Weiteren werden
gute Sprachkenntnisse in Englisch verlangt (ca. IELTS 7.0
bzw. TOEFL 100). Entscheidend ist schliesslich eine integrative, kommunikative, engagierte und vielseitig interessierte Persönlichkeit. Das Alter der Teilnehmenden beträgt regelmässig 25 bis 35 Jahre.
Das ELP 2015 ist kostenlos, doch müssen die Teilnehmenden insbesondere für Unterkunft sowie Lebenshaltungs- und Reisekosten selbst aufkommen. Es werden
keine Entschädigungen ausgerichtet. Auch wenn die
Schweiz weder Mitglied der EU noch des EWR ist, genies­
sen Bewerbungen aus der Schweiz gleichwertige Zu­
gangschancen. Daran hat im Gegensatz zu anderen Austauschprogrammen auch das Ergebnis der kürzlich
durchgeführten Abstimmung über die Einwanderungs­
initiative nichts geändert.
Die Bewerbungsunterlagen und weitere Informationen können beim Autor dieses Beitrags angefordert werden ([email protected]).
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VII.European Lawyers’ Association (ELA)
Die ELA ist die 1985 gegründete Alumni-Organisation der
ehemaligen Teilnehmenden am EYLS bzw. ELP und bezweckt insbesondere die Pflege der beruflichen und persönlichen Kontakte seiner derzeit rund 600 Mitglieder aus
28 Ländern Europas, die Förderung des gegenseitigen
Verständnisses der Rechtssysteme in Europa sowie auch
die Fortführung und Verstärkung der Verbindungen mit
Praktikern im Vereinigten Königreich.
Die ELA mit Sitz in Belgien verfügt über einen siebenköpfigen Board und in jedem Land über einen sog. Na­
tional Representative. Diese sind für die jährliche Nominierung von maximal zwei Kandidaten ihres Landes für das
ELP des Folgejahres zuständig. Aus allen nationalen Vorschlägen wählt der ELA-Board die definitiv Teilnehmenden aus.
Der ELA Board ist auch zuständig für die Durchführung der Jahresversammlungen (Annual Meetings). Die
Organisation erfolgt durch ad hoc gebildete nationale Komitees. Das Annual Meeting beinhaltet insbesondere eine
eintägige Weiterbildung, eine halbtätige Jahresversammlung, mitunter einen Empfang auf der Botschaft des Ver­
einigten Königreichs, eine Stadtführung mit exklusiven
Besichtigungen von juristischen Institutionen, nach Möglichkeit eine Bootsfahrt sowie ein unterhaltsames Gala­
dinner. Der Pflege von Freundschaften in einer familiären
Atmosphäre kommt eine grosse Bedeutung zu. Der Veranstaltungsort wird auf demokratische Weise durch die Teilnehmenden am Annual Meeting jeweils zwei Jahre im Voraus festgelegt, und zwar auf der Grundlage einer kurzen
Präsentation der sich bewerbenden nationalen Veranstaltungskomitees.17 Zudem finden jährlich zwei Board Mee­
tings statt, eines anlässlich des Annual Meeting im Frühling, ein zweites jeweils im Spätherbst.18 Bei der Festlegung
der Veranstaltungsorte des Annual Meeting wie auch der
Board Meetings werden nach Möglichkeit alle Regionen
und möglichst viele Länder Europas berücksichtigt.
Die ELA ist eine politisch neutrale Institution, in der
von Anfang an auch Mitglieder aus der Schweiz herzlich
willkommen waren. Die kleine Gruppe Schweizer ELA-Mitglieder haben sich 2009 anlässlich des Annual Meeting
2009 in Zürich formell zum Verein «ELA 2009» zusammengeschlossen.
Die ELA freut sich über das Interesse und Bewerbungen geeigneter Kolleginnen und Kollegen aus der Schweiz
für das ELP. Kontaktperson ist der Autor dieses Beitrags
([email protected]).
17 Letzte Austragungsorte der Annual Meetings: 2014 Riga, 2013
Antwerpen/Brüssel, 2012 Mailand.
18 Letzte Austragungsorte der Board Meetings: 2014 Zagreb, 2013
Lucca, 2012 Amsterdam.