farbe und wahrnehmung 6 farbsysteme

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farbe und wahrnehmung 6 farbsysteme
Peter Stoeckl
Farbe und Wahrnehmung
FARBE UND WAHRNEHMUNG
6
FARBSYSTEME
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
6.8
6.9
6.10
6.11
6.12
6.13
Aristoteles
Leonardo da Vinci - i colori semplici
Leon Battista Alberti - i veri colori
Isaac Newton
Johann Wolfgang von Goethe
Arthur Schopenhauer
Philipp Otto Runge
Michel Eugène Chevreul
Johannes Itten
Adolf Hölzel
Farbkreis aus sechs Grundfarben mit Gegenfarbenpaaren
Die CIE-Normfarbtafel für farbige Lichter
Natural Colour System (NCS)
Literatur
Farbsysteme
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Peter Stoeckl
Farbe und Wahrnehmung
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FARBSYSTEME
6.1 Aristoteles
(384 – 322 v.Chr.)
« De sensu et sensato »
____________________________________________________
Sieben Farben finden sich auf einer Geraden gereiht nach ihrer Eigenhelligkeit –
von Weiß über Gelb, Rot, Purpur, Grün, Blau nach Schwarz.
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6.2 Leonardo da Vinci
(1452 – 1519)
« i colori semplici », 1510
bianco
giallo
verde
blu
rosso
nero
Unterscheidung zwischen primären und sekundären Farben.
Primäre Farben:
sechs Grundfarben der Palette, aus denen in der Malerei die übrigen Farben
durch Mischung erzielt werden können.
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6.3 Leon Battista Alberti
(1406 - 1472)
1453 «Della pittura»
Vier bunte «veri colori» bilden ein Rechteck.
Gelb
Grün
Blau
Rot
(Giallo, G),
(Verde, V),
(Blu, B),
(Rosso, R).
Farben im Doppelkegel nach Buntheit und Helligkeit angeordnet.
Die Achse der Helligkeit steht in rechtem Winkel zur Ebene der Buntfarbe.
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6.4 Isaac Newton
(1642 – 1726)
Zerlegung des Tageslichtes mit Hilfe eines Prismas in Spektralfarben.
"Opticks" (1704): „Farben sind keine Modifikationen des weißen Lichts.
Farben sind seine ursprünglichen Bestandteile.
Weißes Licht besteht aus farbigem Licht, und zwar aus den sieben Komponenten,
die sich im Farbkreis finden.
Dieses farbige Licht ist nicht zusammengesetzt, es ist im Gegenteil einfach, und seine Farbe
ist rein. Es kann natürlich gemischt werden, um sekundäre Farben zu erzeugen. Und wenn
die Komponenten im richtigen Verhältnis aufeinandertreffen, sieht das Licht weiß aus.“
Farbspektrum und Spektralfarben
Newtons Farbenkreis ist in Sektoren unterteilt, deren Größe proportional zu ihrer Intensität im Spektrum ist.
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6.5 Johann Wolfgang von Goethe
(1749 – 1832)
Goethes Farbenkreis von 1793
Blau und Gelb waren für Goethe die „Urfarben“. Aus ihnen leitete er alle anderen Farben ab.
Die Farbe Gelb verband Goethe mit „Licht, Reinheit oder Wärme“, die Farbe Blau verkörperte für ihn
„das Dunkle, die Kälte oder die Leere". Er untersuchte, wie Farben auf das menschliche Bewusstsein
und die Gefühle wirken und ordnete den Farben menschliche Charaktereigenschaften zu.
Er sprach von der „sinnlich-sittlichen Wirkung“ der einzelnen Farben „auf den Sinn des Auges (...)
und durch dessen Vermittlung auf das Gemüth“.
Goethe war davon überzeugt, dass Farben erst im menschlichen Auge entstünden.
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6.6 Arthur Schopenhauer
(1788 – 1860)
Bei Schopenhauer finden sich wie bei Goethe sechs bunte Grundfarben als Segmente eines Farbenkreises.
Diese Segmente sind jedoch unterschiedlich groß. Die Größe eines Segments steht in umgekehrtem Verhältnis
zur Eigenhelligkeit der jeweiligen Farbe.
Farbkreis in 36 Teile unterteilt:
Gelb erhält 3 Teile,
Orange 4,
Rot und Grün je 6,
Blau 8,
Violett 9 Teile.
Farbkreis nach Goethe
Farbkreis nach Schopenhauer
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6.7 Philipp Otto Runge
(1777 – 1810)
(nach Originalzeichnung von Philipp Otto Runge 1810)
Runges Farbkugel:
Farbraum aus allen durch Mischung darstellbaren Farben
in der Gestalt einer Kugel.
In Runges Farbkugel liegen auf dem Äquator 12 reinbunte Farben.
Durch subtraktive Mischung mit Schwarz und Weiß,
die an den Polen liegen, erhält man alle Farbarten.
Graustufen ergeben sich durch Mischung entgegengesetzter Farben.
Diese Mischungen muss man sich im Inneren der Kugel vorstellen,
so dass im Mittelpunkt der Kugel neutrales Grau anzutreffen ist.
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6.8 Michel Eugène Chevreul
(1786 – 1889)
72teiliger Farbenkreis
drei Primärfarben Rot, Gelb und Blau,
drei primäre Mischungen Orange, Grün und Violett,
sechs weitere sekundäre Mischungen.
Die Sektoren von Chevreuls Farbenkreis unterteilen sich in jeweils fünf Zonen.
Im rechten Winkel dazu finden sich auf Halbschalen die verschiedenen Stufen der Helligkeit.
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Simultankontrast
Chevreul beschreibt 1839 als erster den „Simultankontrast“, ein Phänomen, das heute
als aktive Rolle des menschlichen Wahrnehmungsapparats (Auge und / oder Gehirn)
interpretiert wird.
Wer gleichzeitig ein und dasselbe Rot auf einem gelben und auf einem violetten Hintergrund
betrachtet, wird zwei verschiedene Farbempfindungen haben - im ersten Fall eher Dunkelrot,
im zweiten Fall eher Hellrot.
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Simultankontrast
Eine Farbfläche gibt einer benachbarten Farbfläche einen komplementären Stich im Farbton.
Als Konsequenz wirken einander benachbarte komplementäre Farbflächen intensiviert.
Nicht komplementäre Farben erscheinen hingegen „verschmutzt“, wie etwa Gelb neben Grün.
Als Direktor einer Gobelinmanufaktur beobachtete Chevreul, dass hochwertige reinfarbene Garne in Gobelins
oft in ihrer Farbwirkung beeinträchtigt erscheinen und auf unerklärliche Weise vergraut wirken. Als Ursache
erkannte Chevreul den Einfluss der Umgebungsfarben und nannte 1839 das Phänomen „Simultankontrast“.
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Simultankontrast
Heute wissen wir, dass es
drei Komponenten
sind, die sich unter dem Einfluss einer andersfarbigen Umgebung verschieben können,
und diese drei Komponenten entsprechen den Dimensionen einer räumlichen Farbordnung.
Diese drei Komponenten heißen


Buntton
Sättigung
 Helligkeit
Literatur :
(Farbrichtung)
(Buntheit)
Hue
Saturation
Brightness
H
S
B
M. E. Chevreul, De la loi du contraste simultané des couleurs
et de l'assortiment des objects colorés, Paris 1839
http://www.colorsystem.com/?page_id=792
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6.9 Johannes Itten
(1888 – 1967)
Ittens intuitive drei Primärfarben: Gelb, Blau und Rot.
Das Dreieck in der Mitte von Ittens Farbkreis stellt dessen drei Primärfarben dar.
Die anschließenden Dreiecke, die ein regelmäßiges Sechseck bilden, zeigen die durch subtraktive
Farbmischung erzielten Sekundärfarben Grün, Violett und Orange.
Grün ist für Itten keine Primärfarbe.
„Jeder, der einmal praktisch versucht hat, nach Ittens Anweisung aus seinen drei Grundfarben einen Farbenkreis
auszumischen, hat erleben müssen, daß das nicht funktioniert. Aus zwei seiner "Grundfarben" ein reines Violett
oder ein reines Grün zu mischen ist unmöglich. Es ist ebenso unmöglich, wie aus diesen drei Farben durch Mischung
Schwarz entstehen zu lassen. Die von Itten gemachten Aussagen sind heute überholt.“
Harald Küppers: Kritischer Rückblick auf Ittens Farbenlehre.
http://www.uni-bielefeld.de/lili/kumu/farbenlehre-kueppers/de/farbentheorie/farbenlehre_in_vergangenheit_und_zukunft.html
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Ittens Harmonielehre der Farben
Harmonische Drei- und Vierklänge nach Itten
„Harmonie heißt Gleichgewicht, Symmetrie der Kräfte.“
„Ein neutrales Grau erzeugt diesen Zustand. Ein solches Grau kann man mischen aus Schwarz oder Weiß
oder (...) aus mehreren Farben, wenn ihn ihnen die drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau in entsprechendem
Mischungsverhältnis vorhanden sind.“
„Zwei oder mehrere Farben sind harmonisch, wenn sie zusammen gemischt ein neutrales Grau ergeben.
Alle anderen Farbenzusammenstellungen, die in der Zusammenmischung kein Grau ergeben, sind expressiver
oder disharmonischer Art.“
„Wenn wir die charakteristischen Wirkungsweisen der Farben untersuchen, können wir sieben unterschiedliche
J. Itten: Kunst der Farben (1961)
Kontrastwirkungen feststellen.“
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Farbkontraste nach Johannes Itten
Mit der Lehre von den Farbkontrasten haben sich viele Maler und Kunsttheoretiker wie J.W.v.Goethe,
Michel Eugène Chevreul oder Adolf Hoelzel beschäftigt. Einer der bis heute am meisten zitierten Beiträge
stammt von Johannes Itten, der im Hinblick auf die Gestaltung eines Bildes sieben Kontraste unterscheidet.
„Streng genommen sind diese Farbkontraste Gestaltungselemente und keine Farbenlehre.“ (Harald Küppers)
1. Farbe-an-sich-Kontrast
2. Hell-Dunkel-Kontrast
3. Kalt-Warm-Kontrast
4. Komplementär-Kontrast
5. Simultan-Kontrast
6. Qualitäts-Kontrast
7. Quantitäts-Kontrast
Franz Marc, Pferd in Landschaft, 1910
F. Zurbaràn, Zitronen, Orangen und Rose, 1650
K. F. Schinkel, Gotischer Dom am Wasser, 1814
Farbe-an-sich-Kontrast
Hell-Dunkel-Kontrast
Hell-Dunkel-Kontrast
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David Hockney, A bigger Splash, 1967
Vincent van Gogh: Nachtcafé, 1888
Kalt-Warm-Kontrast
Komplementär-Kontrast
Allan Jones, Downbeat, 1969
Vincent van Gogh: Die Sternennacht, 1889
Leopold A. Egg, Die Reisegefährtinnen, 1862
Simultan-Kontrast
Quantitäts-Kontrast
Qualitäts-Kontrast
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6.10 Adolf Hölzel
(1853 – 1934)
Der Farbforscher Adolf Hölzel (1853 – 1934) entwickelte 1904 auf der Grundlage der Farbenlehre
von J.W. v. Goethe einen 12-teiligen Farbkreis, der auch Cyan und Magenta enthält.
Gegenfarbenpaare (Komplementärfarben) stehen einander im Farbkreis exakt gegenüber,
d.h., zwei jeweils einander gegenüber stehende Farben lassen sich zu Neutralgrau mischen.
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6.11 Farbkreis aus sechs Grundfarben in Gegenfarbenpaaren
Basisschema der Farbenlehre nach Küppers
Die nach den Gesetzen der menschlichen Farbwahrnehmung ermittelten Grundfarben
R, G, B und C, M, Y lassen sich zu einem Farbkreis anordnen, in dem diese sechs bunten
Grundfarben einander in Gegenfarbenpaaren komplementär gegenüberstehen (R-C, G-M, B-Y).
Jede dieser bunten Grundfarben lässt sich mit der ihr jeweils gegenüber stehenden Komplementärfarbe zu Neutralgrau mischen.
Harald Küppers: Das Grundgesetz der Farbenlehre. Köln 1978 (9. Auflage 2000)
Norbert Welsch, Claus Chr. Liebmann: Farben. Natur, Technik, Kunst. München 20042
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6.12 Die CIE-Normfarbtafel für farbige Lichter
(Commission International de l’ Eclairage,
Internationale Beleuchtungskommission,
1931)
„Schuhsohle“
Die Farben des Spektrums sind hufeisenförmig um den absoluten Weißpunkt,
den sogenannten Unbuntpunkt (U) angeordnet.
Die im Spektrum nicht enthaltenen Mischungen aus Blau und Rot finden sich
auf der Purpurgeraden.
In Richtung Unbuntpunkt nimmt von der Kurve nach innen zu
der Sättigungsgrad der Farben bzw. ihre Buntheit ab.
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6.13 Natural Colour System (NCS)
(Tryggve Johannsen, Sven Hesselgren, Anders Hård,
Schwedisches Institut für Farbe, 1964)
Heute noch gebräuchliches System zur Farbmischung von Lacken aus den sechs Primärfarben von
Leon Battista Alberti und Leonardo da Vinci:
Gelb, Rot, Blau, Grün,
Weiß und Schwarz.
Im Gegensatz zu Itten akzeptiert und verwendet das NCS-System wie zuvor schon Alberti und Leonardo
auch die Farbe Grün als Primärfarbe, da sie als eigene Empfindungsqualität nicht ersetzbar erscheint,
vor allem aber, weil Grün aus den Komponenten Gelb und Blau gemischt nicht in ausreichend hoher
Sättigung darstellbar ist.
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Natural Colour System (NCS)
Farbkreis nach dem Natural Colour System (NCS)
Jedes Viertel des zentralen Kreises wird in eine Skala unterteilt,
die den prozentualen Anteil der verwendeten Mischfarbe angibt.
Y10R bedeutet beispielsweise: Gelb mit 10 Prozent Rot.
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Literatur
M. E. Chevreul :
De la loi du contraste simultané des couleurs et de l'assortiment des objects colorés, Paris 1839
A. Hope, M. Walsh:
The Color Compendium, New York 1990
K. T. A. Halbertsma:
A History of the Theory of Colour, Amsterdam 1949
John Gage:
Kulturgeschichte der Farbe: von der Antike bis zur Gegenwart, Ravensburg 1994
J. W. von Goethe:
J. W. von Goethe:
J. W. von Goethe:
Zur Farbenlehre, Tübingen 1810
Geschichte der Farbenlehre, Erster und zweiter Teil, München 1963
Zur Farbenlehre, didaktischer Teil, München 1963
W. Heisenberg:
Die Goethesche und die Newtonsche Farbenlehre im Lichte der modernen Physik,
in: Gesammelte Werke, Band CI, München 1984, S. 146-160
Johannes Itten:
Kunst der Farbe. Ravensburg 1961 (1983)
Harald Küppers:
Das Grundgesetz der Farbenlehre, Köln 1978 (9. Auflage 2000)
Isaac Newton:
Opticks, London 1704 (zahlreiche Neuauflagen)
Klaus Stromer (Hg):
Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft.
Mit Beiträgen von Narciso Silvestrini und E. P. Fischer. Köln 2002
Norbert Welsch,
Claus Chr. Liebmann:
Farben. Natur, Technik, Kunst. München 20042
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Quellen in Internet
Bruce MacEvoy:
Color Vision. Do Primary Colors Exist?
www.handprint.com/HP/WCL/color6.html
Bruce MacEvoy:
Color Vision. Modern Color Models
www.handprint.com/HP/WCL/color7.html
Thomas Seilnacht:
Das Lexikon der Farbstoffe und Pigmente
www.seilnacht.tuttlingen.com
N. Silvestrini, E.P.Fischer:
«virtual color museum».
www.colorsystem.com
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Dieses Skriptum dient als Orientierungs- und Lernhilfe.
Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt nicht den Besuch der Lehrveranstaltung.
AProf. Mag. Dr. Peter Stoeckl
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Universität für angewandte Kunst Wien
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2014-11-16
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