Leseprobe - Weltbild.ch

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Leseprobe - Weltbild.ch
Überraschung zum Fest der Liebe
Karen Lawrence ist schön, jung – und verwitwet. MacAllister Taggert ist ein Playboy und
Herzensbrecher – und ihr Boss. Genau das, was Karen wirklich nicht braucht, schon gar
nicht zu Weihnachten. Doch Karen wünscht sich sehnlichst ein Kind. Und gegen Taggerts
Gene ist wirklich überhaupt nichts einzuwenden …
Als er ihr anbietet, ihn zu einer Familienfeier zu begleiten, weil ihm gerade wieder mal
eine Verlobte weggelaufen ist, sagt sie kurz entschlossen zu. Und während das
Weihnachtsfest näherrückt, werden mehr Wünsche wahr, als die beiden sich träumen
ließen.
Jude Deveraux
Ein Wunschzettel voller Liebe
Roman
Aus dem Amerikanischen von Sabine Schäfer
Die Autorin
Jude Deveraux wurde in Kentucky geboren, studierte Kunst und arbeitete als Lehrerin,
bevor sie sich ganz dem Schreiben zuwandte. Sie ist die Autorin von 37 Romanen, die alle
auf der New-York-Times-Bestsellerliste standen. Ihre Werke sind in zahlreiche Sprachen
übersetzt und erreichen eine Gesamtauflage von über 50 Millionen Büchern.
Mehr über die Autorin erfahren Sie unter www.jude-deveraux.com.
Die englische Originalausgabe erschien 1995 unter dem Titel Just curious.
Der Titel ist schon einmal auf Deutsch erschienen in der Anthologie »Verlockende Nächte, zärtliche Träume«.
Diese eBook Ausgabe basiert auf einer Neuübersetzung.
Besuchen Sie uns im Internet:
www.weltbild.de
Genehmigte Lizenzausgabe © 2015 by Weltbild GmbH & Co. KG, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 1995 by Deveraux, Inc.
Übersetzung: Sabine Schäfer
Projektleitung und Redaktion: usb bücherbüro, Friedberg/Bay.
Covergestaltung: Atelier Seidel - Verlagsgrafik, Teising
Titelmotiv: Thinkstockphoto
E-Book-Produktion: Datagroup int. SRL, Timisoara
ISBN 978-3-95569-835-5
Eins
»Ich glaube nicht an Wunder«, sagte Karen und sah ihre Schwägerin mit
zusammengepressten Lippen an. Sonnenlicht fiel auf Karens sauber glänzendes Gesicht
und ließ sie wie auf dem »Vorher«-Foto eines Models ohne Make-up aussehen. Doch das
fehlende Make-up offenbarte nur perfekte Haut, hohe Wangenknochen und smaragdgrüne
Augen.
»Ich habe kein Wort von Wundern gesagt«, erwiderte Ann mit einer Stimme, die ihren
Frust verriet. Sie war so dunkelhaarig, wie Karen blond war, fünfzehn Zentimeter kleiner
und üppig. »Ich habe lediglich gesagt, dass du zu diesem Weihnachtstanz im Club gehen
solltest. Was hat das mit Wundern zu tun?«
»Du hast gesagt, ich könnte jemand Wunderbares kennenlernen und wieder heiraten«,
antwortete Karen und versuchte krampfhaft, nicht an den Autounfall zu denken, der ihr
ihren geliebten Ehemann genommen hatte.
»Okay, dann erschieß mich doch! Ich bitte um Entschuldigung.« Ann blickte ihre einst so
schöne Schwägerin mit zusammengekniffenen Augen an und hatte Schwierigkeiten zu
glauben, dass sie früher so eifersüchtig auf Karens Aussehen gewesen war. Jetzt hingen
Karens Haare strähnig und schlapp auf ihre Schultern, die Spitzen gespalten bis zu den
Ohren. Sie trug nicht die Spur von Make-up und sah deshalb mit ihrer blassen Haut wie
ein Teenager aus. Statt der eleganten Kleidung, die sie früher getragen hatte, hatte sie
jetzt einen alten Trainingsanzug an, von dem Ann wusste, dass er Karens verstorbenem
Mann Ray gehört hatte.
»Du warst früher das schönste Mädchen im Country Club«, sagte Ann wehmütig. »Ich
weiß noch, wie ich dir und Ray an Weihnachten beim Tanzen zugesehen habe. Erinnerst
du dich an dieses Kleid, das du damals hattest? Es war unglaublich hoch geschlitzt, das
hätte sich nicht jede getraut. Aber du und Ray, wie ihr aussaht, als ihr zusammen getanzt
habt, das war es wert. Deine Beine haben jeden Mann im Raum um den Verstand
gebracht. Jeder Mann in Denver war in Verzückung! Außer meinem Charlie natürlich, er
hat nie hingeschaut.«
Über ihre Teetasse hinweg schenkte ihr Karen ein schwaches Lächeln. »Die
Schlüsselworte hier sind ›Mädchen‹ und ›Ray‹. Nichts von beidem bin ich oder habe ich
mehr.«
»Verschone mich!«, jaulte Ann. »Du klingst, als wärst du zweiundneunzig Jahre alt und
solltest dir bald einen Sarg aussuchen. Du bist dreißig geworden, das ist alles. Ich bin
dieses Jahr fünfunddreißig geworden, und das Alter hat mich nicht aufgehalten.« Mit
diesen Worten stand Ann auf, die Hand auf dem Rücken, und watschelte zum Spülbecken
hinüber, um sich eine weitere Tasse Kräutertee zu holen. Ihr Babybauch war so riesig,
dass sie kaum den Kessel erreichen konnte.
»Argument angekommen«, sagte Karen. »Aber egal, wie jung oder alt ich bin, bringt das
Ray nicht zurück.« Als sie den Namen sagte, war Ehrfurcht in ihrer Stimme, als würde sie
den Namen einer Gottheit aussprechen.
Ann seufzte schwer, denn sie hatten diese Unterhaltung schon viele Male geführt. »Ray
war mein Bruder, und ich habe ihn sehr geliebt, aber Ray ist tot, Karen. Und das seit zwei
Jahren. Es ist Zeit, dass du wieder anfängst zu leben.«
»Du verstehst das mit Ray und mir nicht. Wir waren …«
Anns Gesicht war voller Mitgefühl, als sie ihre Hand über den Tisch ausstreckte, Karens
Handgelenk umfasste und drückte. »Ich weiß, er war alles für dich. Aber du kannst einem
Mann viel bieten. Einem Mann, der am Leben ist.«
»Nein!«, sagte Karen scharf. »Kein Mann auf der Welt könnte Rays Platz einnehmen, und
ich würde es niemandem erlauben, es zu versuchen.« Abrupt stand sie vom Tisch auf und
ging zum Fenster. »Niemand versteht das. Ray und ich waren mehr als nur verheiratet,
wir waren Partner. Wir waren gleichgestellt, wir haben alles geteilt. Ray hat mich bei
allem nach meiner Meinung gefragt, vom Geschäft bis zur Farbe seiner Socken. Er hat
dafür gesorgt, dass ich mich nützlich fühlte. Kannst du das verstehen? Jeder Mann, den
ich vor oder nach Ray getroffen habe, scheint von einer Frau zu erwarten, dass sie still
dasitzt und hübsch aussieht. Sobald du anfängst, deine Meinung zu äußern, bittet er den
Kellner, ihm die Rechnung zu bringen.«
Ann fiel nichts ein, womit sie Karen widerlegen konnte, denn sie hatte selbst gesehen,
was für eine gute Ehe sie und Ray geführt hatten. Aber inzwischen machte es Ann krank,
zu sehen, wie ihre geliebte Schwägerin sich vor der Welt versteckte. Sie würde niemals
zugeben, dass Karen wohl tatsächlich nicht noch einmal einen Mann finden würde, der
Ray auch nur halbwegs das Wasser reichen konnte.
»In Ordnung«, sagte Ann. »Ich höre auf. Wenn du fest entschlossen bist, dich für Ray wie
eine Hinduwitwe auf dem Scheiterhaufen zu opfern, dann soll es so sein.« Zögernd warf
sie dem Rücken ihrer Schwägerin einen prüfenden Blick zu. »Erzähl mir von deinem Job.«
Ihr Tonfall verriet, was sie von Karens Job dachte.
Lachend wandte sich Karen vom Fenster ab. »Ann, niemand könnte je Zweifel darüber
hegen, welche Meinung du zu den Dingen hast. Zuerst gefällt es dir nicht, dass ich
meinen Ehemann liebe, und dann bist du mit meinem Job nicht einverstanden.«
»Verklag mich doch. Ich denke, dass du mehr verdienst als ewige Witwenschaft und Tod
durch Tippen.«
Karen konnte ihrer Schwägerin nie böse sein, denn Ann dachte wirklich, dass Karen die
Beste war, und es hatte nichts mit der Tatsache zu tun, dass sie verschwägert waren.
»Im Job läuft es gut«, sagte sie und setzte sich wieder an den Tisch. »Allen geht es gut,
und alles läuft großartig.«
»So langweilig also?«
Karen lachte. »Nicht schrecklich langweilig, nur ein bisschen langweilig.«
»Warum hörst du dann nicht auf?« Bevor Karen antworten konnte, hielt Ann ihre Hand
hoch. »Ich bitte um Entschuldigung. Es geht mich nichts an, wenn du, mit all deiner
Intelligenz, dich in einem Schreibzimmer vergraben willst.« Anns Augen leuchteten auf.
»Wie auch immer. Dann erzähl mir von deinem göttlichen, umwerfenden Boss. Wie geht
es dem schönen Mann?«
Karen lächelte und ignorierte die Anspielung auf ihren Boss. »Die anderen Frauen im
Schreibzimmer haben letzte Woche eine Geburtstagsparty für mich veranstaltet.« Dabei
hob sie herausfordernd ihre Augenbrauen, denn Ann sagte dauernd abfällige Sachen über
die sechs Frauen, mit denen Karen arbeitete.
»Oh, und was haben sie dir geschenkt? Einen selbst gehäkelten Schal oder vielleicht
einen Schaukelstuhl und ein paar Katzen?«
»Stützstrümpfe«, sage sie dann lachend. »Nein, nein, ich mache bloß Witze. Die üblichen
Sachen. Tatsächlich haben sie zusammengelegt und mir ein sehr nettes Geschenk
besorgt.«
»Und was war das?«
Karen nahm einen Schluck von ihrem Tee. »Eine Brillenkette.«
»Eine was?«
Karens Augen funkelten. »Eine Kette für meine Brille. Du weißt schon, eins von diesen
Kettendingern, die man um den Hals trägt. Sehr schön, achtzehn Karat Gold. Mit kleinen,
äh, Katzen auf dem Verschluss.«
Ann lächelte nicht. »Karen, du musst da weg. Diese Frauen müssen zusammen
dreihundert Jahre alt sein. Und ist ihnen nicht aufgefallen, dass du gar keine Brille
trägst?«
»Dreihundertsiebenundsiebzig.« Als Ann sie fragend ansah, sagte Karen: »Ihr Alter
beträgt zusammengerechnet dreihundertsiebenundsiebzig Jahre. Ich habe es mir
irgendwann mal ausgerechnet. Und sie sagten, sie wüssten, dass ich keine Brille trage,
dass aber eine Frau, die gerade dreißig geworden wäre, bald eine brauchen würde.«
»Für jemanden, der so alt ist wie du, sind Stützstrümpfe nicht mehr weit entfernt.«
»Tatsächlich hat Miss Johnson mir letztes Weihnachten ein Paar geschenkt. Sie ist
einundsiebzig und schwört darauf.«
Das brachte Ann zum Lachen. »Oh, Karen, ich meine es ernst. Du musst da weg.«
»Mmmm«, sagte Karen und blickte auf ihre Tasse hinunter. »Aber mein Job hat durchaus
seinen Nutzen.«
»Was führst du im Schilde?«, blaffte Ann.
Karen warf ihrer Schwägerin einen unschuldigen Blick zu. »Ich habe keine Ahnung, was
du meinst.«
Einen Augenblick lehnte sich Ann auf der Bank zurück und betrachtete ihre Schwägerin.
»Endlich fange ich an zu begreifen. Du bist viel zu klug, um alles wegzuwerfen. Also, hilf
mir mal, Karen Lawrence, wenn du mir nicht alles sagst, und zwar sofort, werde ich mir
etwas Furchtbares ausdenken, um dich zu bestrafen. Wie vielleicht, dir nicht zu erlauben,
mein Baby zu sehen, bis sie drei Jahre alt ist.«
Als Karens Gesicht weiß wurde, wusste Ann, dass sie ihren wunden Punkt erwischt hatte.
»Erzähl!«
»Es ist ein angenehmer Job, und die Leute, mit denen ich arbeite, sind …«
Plötzlich hellte sich Anns Gesicht auf. »Spiel mir nicht die Märtyrerin vor. Ich kenne dich,
seit du acht Jahre alt warst, erinnerst du dich? Du übernimmst zusätzliche Arbeit von
diesen alten Schachteln, damit du über alles Bescheid weißt, was vor sich geht. Ich
wette, du weißt mehr darüber, was in dieser Firma vorgeht, als Taggert.« Ann lächelte
über ihre eigene Gerissenheit. »Und du vernachlässigst dein Aussehen, damit du
niemanden einschüchterst. Wenn dieser Drachen, Miss Gresham, dich so gesehen hätte,
wie du vor ein paar Jahren aussahst, würde sie einen Grund finden, dich zu feuern.«
Karens Erröten sagte ihr zweifelsfrei, dass sie recht hatte.
»Verzeih meine Dummheit«, sagte Ann, »aber warum suchst du dir nicht einen Job, der
ein bisschen besser bezahlt wird als der einer Sekretärin?«
»Ich habe es versucht!«, sagte Karen heftig. »Ich habe mich bei Dutzenden von Firmen
beworben, aber sie wollten mich nicht mal in Betracht ziehen, weil ich keinen
Universitätsabschluss habe. Acht Jahre einen Baumarkt zu führen zählt für einen
Personaldirektor offenbar nicht.«
»Du hast den Gewinn des Ladens ja auch nur vervierfacht.«
»Wie auch immer. Das tut nichts zur Sache. Nur das Blatt Papier, auf dem steht, dass ich
jahrelang langweilige Kurse belegt habe, zählt.«
»Also, warum gehst du nicht wieder zur Schule und holst dir dieses Blatt Papier?«
»Ich gehe zur Schule!« Karen trank von ihrem Tee, um sich zu beruhigen. »Sieh mal, Ann,
ich weiß, du meinst es gut, aber ich weiß, was ich tue. Ich weiß, dass ich nie wieder einen
Mann wie Ray finden werde, mit dem ich auch noch arbeiten kann, also kann ich vielleicht
genug lernen, um meinen eigenen Laden zu eröffnen. Ich habe das Geld aus dem Verkauf
von Rays Hälfte des Baumarktes, und ich bin in der Lage, das meiste von dem, was ich in
meinem Job verdiene, zu sparen. In der Zwischenzeit lerne ich alles darüber, wie man
eine Firma von der Größe Taggerts führt.« Karen lächelte. »Ich bin nicht so naiv, wie du
denkst, was meine kleinen, alten Damen betrifft. Sie denken, dass sie mich benutzen, um
ihre Arbeit zu machen, aber in Wirklichkeit bin ich sehr wählerisch in Bezug auf das, was
ich tue. Alles in diesem Büro, aus jeder Abteilung, geht über meinen Schreibtisch. Und da
ich an allen Wochenenden und Feiertagen verfügbar bin, bekomme ich immer das zu
sehen, was am Dringendsten ist.«
»Und was willst du mit diesem Wissen anfangen?«
»Irgendwo ein Geschäft eröffnen. Einzelhandel. Das kenne ich gut, obwohl ich, ohne Ray,
der sich um den Verkauf kümmert, nicht weiß, wie ich zurechtkommen werde.«
»Du solltest wieder heiraten!«, sagte Ann mit Nachdruck.
»Aber ich will nicht heiraten!«, schrie Karen beinahe. »Ich werde einfach schwanger
werden!« Nachdem sie das gesagt hatte, blickte Karen ihre Freundin entsetzt an. »Bitte
vergiss, dass ich das gesagt habe«, flüsterte sie. »Hör mal, ich gehe jetzt besser. Ich
habe noch einiges zu erledigen …«
»Beweg dich von diesem Platz, und du bist tot«, sagte Ann ruhig.
Mit einem schweren Seufzen fiel Karen zurück auf die gepolsterte Bank in Anns sonniger
Küche. »Tu mir das nicht an. Bitte, Ann.«
»Was denn?«, fragte sie unschuldig.
»Herumspionieren und herumschnüffeln und dich generell in etwas einmischen, was dich
nichts angeht.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. So etwas habe ich noch nie im Leben getan.
Jetzt erzähl mir alles.«
Karen versuchte das Thema zu wechseln. »Letzte Woche kam schon wieder eine
wunderschöne Frau in Tränen aufgelöst aus Taggerts Büro«, sagte sie und bezog sich
damit auf ihren Boss, einen Mann, nach dem Ann ganz verrückt zu sein schien. Aber
Karen war sich sicher, dass das nur so war, weil sie ihn nicht kannte.
»Was meinst du damit, dass du schwanger werden wirst?«, beharrte Ann.
»Eine Stunde, nachdem sie gegangen war, erschien ein Juwelier mit einer Aktentasche
und zwei bewaffneten Wachmännern vor Taggerts Büro. Wir nehmen alle an, dass er sich
von ihr freikaufen wollte. Dass er ihre Tränen sozusagen mit Smaragden trocknen
wollte.«
»Hast du schon etwas unternommen, um schwanger zu werden?«
»Und am Freitag hörten wir, dass Taggert wieder verlobt sei. Aber nicht mit der Frau, die
sein Büro verlassen hatte. Dieses Mal ist er mit einer Rothaarigen verlobt.« Sie beugte
sich über den Tisch zu Ann. »Am Samstag habe ich den Ehevertrag getippt.«
Jetzt hatte sie Anns Aufmerksamkeit. »Was stand drin?«
Karen lehnte sich zurück, ihr Gesicht zeigte Abscheu. »Er ist ein Mistkerl, Ann. Wirklich.
Ich weiß, dass er sehr gut aussieht und unvorstellbar reich ist, aber als Mensch ist er nicht
viel wert. Ich weiß, dass diese … Society-Schönheiten wahrscheinlich nur hinter seinem
Geld her sind – ihn können sie ganz sicher nicht mögen –, aber sie sind menschliche
Wesen und als solche wert, dass man sie anständig behandelt.«
»Hörst du jetzt auf zu predigen und erzählst mir, was in dem Ehevertrag stand?«
»Die Frau, seine Braut, musste zustimmen, alle Rechte auf alles, was während ihrer Ehe
mit seinem Geld gekauft wurde, aufzugeben. Soweit ich das beurteilen kann, ist es ihr
nicht erlaubt, irgendetwas zu behalten. Im Fall einer Scheidung würde selbst die
Kleidung, die er ihr gekauft hatte, in seinem Besitz bleiben.«
»Wirklich? Und was würde er mit Frauenkleidung anfangen wollen?« Ann wackelte mit
ihren Augenbrauen.
»Sicher nichts Interessantes. Er würde einfach eine andere schöne Heiratsschwindlerin
finden, der sie passen. Oder vielleicht würde er sie auch verkaufen, damit er einen
ganzen Kasten voller Verlobungsringe kaufen kann, da er sie ja so oft verteilt.«
»Was genau missfällt dir an diesem Mann so sehr?«, fragte Ann. »Er hat dir einen Job
gegeben, oder nicht?«
»O ja, er hat ein Büro voller Frauen. Ich könnte schwören, dass er die Personalabteilung
anweist, sie nach der Länge ihrer Beine einzustellen. Er umgibt sich mit schönen
weiblichen Führungskräften.«
»Also, worüber beklagst du dich?«
»Er erlaubt ihnen nie, etwas zu tun!«, sagte Karen leidenschaftlich. »Taggert trifft jede
Entscheidung selbst. Soweit ich weiß, fragt er sein Team von Schönheiten nicht einmal,
was ihrer Meinung nach getan werden sollte, geschweige denn, dass er ihnen erlauben
würde, es tatsächlich zu tun.« Sie umklammerte den Henkel ihrer Tasse so fest, dass er
fast zerbrach. »MacAllister Taggert könnte ganz allein auf einer einsamen Insel leben. Er
braucht in seinem Leben keine andere Person.«
»Er scheint Frauen zu brauchen«, sagte Ann leise. Sie war Karens Boss zweimal begegnet
und war völlig von ihm verzaubert gewesen.
»Er ist der sprichwörtliche amerikanische Playboy«, sagte Karen. »Je länger die Beine und
die Haare, desto besser gefallen ihm die Frauen. Schön und dumm, das ist sein Stil.« Sie
lächelte hämisch. »Trotzdem ist bisher keine von ihnen dumm genug gewesen, ihn zu
heiraten, nachdem sie festgestellt hatten, dass alles, was sie durch diese Ehe gewinnen
können, er ist.«
»Tja…«, sagte Ann, als sie den Zorn in Karens Gesicht sah. »Vielleicht sollten wir das
Thema wechseln. Wie hast du vor, ein Baby zu bekommen, wenn du vor jedem Mann
wegläufst, der dich ansieht? Ich meine, die Art, wie du dich jetzt anziehst, zielt darauf ab,
Männer auf Abstand zu halten, nicht wahr?«
»Meine Güte, war das ein guter Tee«, sagte Karen. »Du bist eindeutig eine gute Köchin,
Ann, und ich habe meinen Besuch ungemein genossen, aber ich muss jetzt gehen.«
Damit erhob sie sich und ging zur Küchentür.
»Au!«, schrie Ann. »Ich bekomme Wehen! Hilf mir!«
Die Farbe schien aus Karens Gesicht zu weichen, als sie zu ihrer Schwägerin rannte.
»Lehn dich zurück. Ruh dich aus. Ich rufe das Krankenhaus an.«
Doch als Karen das Telefon erreichte hatte, sagte Ann mit normaler Stimme: »Ich denke,
es ist vorüber, aber du bleibst besser hier, bis Charlie nach Hause kommt. Nur für alle
Fälle, weißt du.«
Nachdem Karen Ann einen Moment lang wütend angeguckt hatte, gab sie sich geschlagen
und setzte sich wieder hin. »In Ordnung, was willst du wissen?«
»Ich weiß nicht warum, aber ich habe in letzter Zeit ein ziemliches Interesse an Babys
entwickelt. Wahrscheinlich habe ich was Falsches gegessen. Aber wie auch immer, als du
Babys erwähntest, wollte ich plötzlich alles darüber erfahren.«
»Da gibt es nichts zu erzählen. Wirklich nichts. Ich bedaure nur …«
»Was?«, drängelte Ann.
»Ich bedauere nur, dass Ray und ich nie Kinder bekommen haben. Wir dachten beide, wir
hätten alle Zeit der Welt.«
Ann sagte nichts, gab Karen nur Zeit, ihre Gedanken zu ordnen und weiterzusprechen.
»Vor Kurzem war ich in einer Klinik für Reproduktionsmedizin und habe mich komplett
untersuchen lassen. Anscheinend bin ich völlig gesund.«
Als Karen nichts weiter hinzufügte, sagte Ann leise: »Du warst also in einer Klinik, und
was jetzt?«
»Ich soll mir einen Spender aus einem Katalog aussuchen«, sagte Karen einfach.
Anns Gespür für das Absurde gewann die Oberhand. »Ah, und dann holst du die
Bratenpipette heraus und …«
Karen lachte nicht; ihre Augen blitzten wütend. »Du kannst es dir leisten, süffisant zu
sein, da du ja einen liebenden Ehemann hast, der den Job erledigen kann, aber was soll
ich denn machen? Eine Anzeige in der Zeitung schalten, um einen Spender zu finden?
›Liebreizende Witwe will Kind, aber keinen Ehemann. Antworten Sie unter Chiffrenummer
drei fünf sechs‹.«
»Wenn du mehr ausgehen und ein paar Männer treffen würdest, könntest du …«
Ann brach ab, weil sie sehen konnte, dass Karen ärgerlich wurde. »Ich weiß! Warum
bittest du nicht deinen umwerfenden Boss darum, die Aufgabe zu übernehmen? Allemal
besser als eine Bratenpipette.«
Einen Augenblick lang wollte Karen an ihrem Ärger festhalten, aber Anns Beharrlichkeit
ließ ihre Entschlossenheit dahinschmelzen. »Mr Taggert«, parodierte Karen sich selbst,
»würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Sie mir statt einer Gehaltserhöhung lieber ein
bisschen Sperma geben könnten? Ich habe ein Marmeladenglas dabei. Nein, es macht mir
nichts aus, zu warten.«
Ann lachte; dies war die alte Karen, die in den letzten zwei Jahren selten zum Vorschein
gekommen war.
Karen lächelte noch immer. »Nach meiner Berechnung erreicht meine Fruchtbarkeit am
Weihnachtstag ihren Höhepunkt, also warte ich vielleicht einfach auf den
Weihnachtsmann.«
»Besser als Milch und Kekse, die sie ihm sonst überall hinstellen«, sagte Ann. »Aber wirst
du kein schlechtes Gewissen wegen all der Kinder haben, die er vernachlässigt, weil er
die ganze Nacht in deinem Haus verbringt?« Sie lachte so heftig über ihren eigenen Witz,
dass sie einen Schrei ausstieß.
»So lustig war es auch nicht«, sagte Karen. »Vielleicht könnten die Helfer des
Weihnachtsmanns … Ann? Bist du in Ordnung?«
»Ruf Charlie an«, flüsterte sie und umklammerte ihren riesigen Bauch. Als die nächste
Wehe kam, sagte sie: »Zum Teufel mit Charlie. Ruf das Krankenhaus an und sag ihnen,
sie sollen sich beeilen und Morphin vorbereiten. Das tut weh!«
Zitternd ging Karen zum Telefon.