Leseprobe

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Hugo Kastner
Das Schach-Sammelsurium
Für
Hans und René Schwab,
die mir die Welt des Schachs eröffnet haben.
Hugo Kastner
Das Schach-Sammelsurium
Tag für Tag Anekdoten, Kurioses, Kalendarium,
Biografien, Partien und Rekorde
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN 978-3-86910-184-2(Print)
ISBN 978-3-86910-293-1(PDF)
Der Autor: Hugo Kastner, Jahrgang 1952, studierte Geografie und Anglistik an der Universität Wien und
unterrichtet seit mehr als dreißig Jahren Geografie, Wirtschaftskunde, Englisch, Management und
Schach an einem Wiener Gymnasium. Er ist zudem als Trainer im Schulschach tätig. Enzyklopädische
Publikationen zu Karten- und Würfelspielen sowie weitere umfangreiche Spezialwerke zu Backgammon
und Snooker bilden neben geografischen Fachbüchern den Schwerpunkt der Arbeit dieses Autors.
­Daneben ist Hugo Kastner seit vielen Jahren journalistisch als Spielerezensent, Kolumnen- und Fach­
artikelautor für das Österreichische Spielemuseum tätig. Bei humboldt sind bereits neun seiner Bücher
erschienen, darunter in Co-Autorenschaft mit Michael Ehn das umfangreiche, thematisch gegliederte
Werk „Alles über Schach“. (www.hugo-kastner.at)
Hinweis für den Leser:
Die Informationen dieses Buches sind von Autor, Verlag und Redaktion nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig erwogen und geprüft. Dennoch kann keine Gewähr auf Vollständigkeit und Richtigkeit
übernommen werden.
2., aktualisierte Auflage
© 2011 humboldt
Eine Marke der Schlüterschen Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,
Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover
www.schluetersche.de
www.humboldt.de
Autor und Verlag haben dieses Buch sorgfältig geprüft. Für eventuelle Fehler kann dennoch keine Gewähr
übernommen werden. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.
Schachliche Beratung: René Schwab
Gastautor und
schachhistorische
Beratung:
Michael Ehn
Lektorat:
Eckhard Schwettmann, Gernsbach
Covergestaltung:
DSP Zeitgeist GmbH, Ettlingen
shutterstock/Yan Vugenfirer
Coverfoto:
Innengestaltung:
akuSatz Andrea Kunkel, Stuttgart
Abbildungen
im Innenteil:
Sammlung Michael Ehn
Satz:
PER Medien+Marketing GmbH, Braunschweig
Druck:
Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe
Hergestellt in Deutschland.
Gedruckt auf Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft.
5
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Länderabkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Kalender – Farbtafeln
Januar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Februar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Farbtafeln F1 – F8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
April . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
Farbtafeln F9 – F16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Juni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Farbtafeln F17 – F24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
August . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
Farbtafeln F25 – F32 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
September . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
November . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
Dezember . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
6
Inhalt
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
Offizielle Schach-Regeln des Weltschachverbandes (FIDE) . . . . . . . . . . 426
Anhang 1 – Partieformular . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
Anhang 2 – Nationale Meisterschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Deutsche Meister 1879 – 1943 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ostdeutsche und DDR-Meister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Österreichische Meister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schweizer Meister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sowjetische Meister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
433
433
433
435
436
437
Anhang 3 – Große Turniere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dortmunder Schachtage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Linares /Morelia – GM-Turnier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wijk aan Zee – GM-Turnier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
439
439
439
440
Anhang 4 – Ehrentafel der Juniorenweltmeister(innen) . . . . . . . . . . . . 442
Anhang 5 – Schlüssel der Schacheröffnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
Themenblöcke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
7
Vorwort
Über der Einmaligkeit einer Schachpartie
schwebt das Unberechenbare, das wir Schicksal nennen. Milan Vidmar
Mit großer Freude warte ich auf die aktualisierte 2. Auflage des Schachsammelsuriums. Es handelt sich um ein sehr persönlich gefärbtes Buch, anders als
die vielen theoretischen Werke über das königliche Spiel. Im Schachsammelsurium soll vor allem die Reichhaltigkeit und Tiefe des Schachs auf 366 Kalenderseiten spürbar werden. Eineinhalb Jahrtausende hat das königliche Spiel
nahezu alle Kulturen unseres Erdkreises geprägt, mit fast magnetischer Anziehungskraft Hunderte von Millionen Menschen in den Bann gezogen und Anekdoten und Geschichten hervorgebracht, die wie bei keinem anderen Spiel
eine Einbettung in das Denken der Völker bewirkte. Stärker als jedes andere
Spiel erlaubt das Schach eine geistvolle und komplexe, dabei auch psychologische und soziale Auseinandersetzung mit Freunden und Spielpartnern. Schach
ist auch wunderbar geeignet, Brücken zwischen Jung und Alt zu schlagen und
dabei auf sportlich fairer Ebene Kommunikation zu ermöglichen. Beim Schach
erlebt man ganz direkt die berauschende Passion des Spielens, eine Mischung
aus Gewinnenwollen und einem Faktor an Unbestimmtheit, wie es der Altmeister des Spiels, Alex Randolph, einmal ausdrückte. Vielleicht ist es gerade
die Erkenntnis, dass der Mensch nicht nur als Homo sapiens (sprich: Denker)
oder Homo Faber (sprich: Macher) sondern vielmehr als Homo ludens, also als
Spieler, den weiten und dornigen Weg zu Kunst, Wissenschaft und Politik gefunden hat, die dem Schach zu ungebrochener Popularität verhilft.
In diesem Sinne durfte ich als Mitglied des Schachclubs Donaustadt, des größten Wiener Schachvereins, mit Freude die Entstehung dieses außergewöhnlichen Buches unseres langjährigen Clubmitglieds Hugo Kastner begleiten. Das
unendliche Mosaik des königlichen Spiels wirft tausend Fragen auf, ob dies nun
technische Probleme, Einschätzung und Sichtung des umfangreichen Materials
oder das nötige schachhistorische Wissen betreffen mag – alles unabdingbare
Voraussetzungen für eine derart kaleidoskopartige Zusammenstellung, wie sie
„Das große humboldt Schachsammelsurium“ bzw. in der aktualisierten Neuauflage das „Schachsammelsurium“ bieten. Jedenfalls darf ich mit Stolz diese
Mischung aus lebendigen Biografien, denkwürdigen Partien und Problemen,
kleinen Anekdoten, tiefgründigen Geschichten sowie kuriosen und bizarren
Geschehnissen rund ums Schachbrett empfehlen. Hugo Kastner hat mit diesem Werk als Fachbuchautor ein weiteres Mal – wie schon bei seinen Karten- und Würfelenzyklopädien sowie, zusammen mit Michael Ehn, im ebenso
umfangreichen Buch „Alles über Schach“ – ein einzigartig facettenreiches und
trotz der Begrenzung auf 64 Felder stimmiges „Modell des Lebens“ vorgestellt.
8
Vorwort
Der Zoom von eineinhalbtausend Jahren auf 366 Kalendertage wird dem reinen Liebhaber des Kulturguts Schach ebenso viel Freude bereiten wie dem
begeisterten Amateur- und Berufsspieler, stellt er doch ein wunderbares Mosaik des Schachuniversums dar und ist damit eine wahre Hommage an unser
aller Hobby. Freuen Sie sich daher auf eine lange und doch kurzweilige Zeitreise durch die Jahrhunderte. Wir wünschen Ihnen viel Spaß und danken dem
Humboldt Verlag und der Schlüterschen Verlagsgesellschaft im Namen aller
Freunde des Schachspiels für die Bereitschaft, sich auf eine Weiterführung dieses großen Projekts einzulassen.
Wien, Januar 2011
Großmeister Niki Stanec, zehnmaliger österreichischer Staatsmeister
9
Einführung
Das Schach hat wie die Liebe, wie die Musik,
die Fähigkeit, den Menschen glücklich zu machen.
Siegbert Tarrasch
Die wegen der großen Leserschaft notwendig gewordene zweite, aktualisierte
Auflage des „Schachsammelsuriums“ – mit einem stark erweiterten Kalendarium – beweist einmal mehr, dass dieses ehrwürdige Spiel auch im 21. Jahrhundert nichts von seiner Faszination verloren hat. Gerade im Zeitalter des
Computers spielen Millionen Menschen praktisch täglich Schach. Und Millionen kommunizieren auch über ihre Bildschirme mit Schachpartnern, die
irgendwo am Erdball verstreut diesem eineinhalbtausend Jahre alten Spiel
­frönen. Schach ist und bleibt ein Teil des Weltkulturerbes – mögen auch andere Aktivitäten einem schnellen Wandel unterworfen sein. Der einleitende
Ausspruch des großen Lehrmeisters Siegbert Tarrasch mag eine Erklärung für
dieses Phänomen bieten, eine andere ist wohl die Einzigartigkeit des Schachspiels. Die in sich abgeschlossene Welt der 64 Felder, die trotz relativ eingängiger Regeln ungeheure Komplexität und Vielschichtigkeit, die hohe Ästhetik
einzelner Partien und Stellungsmuster, die im geistigen Wettkampf frei werdende Emotionalität und letztlich die Harmonie des Spiels an sich – alles das
trägt zum Genuss bei, den Siegbert Tarrasch in seinem Überschwang in leidenschaftliche Worte kleidete.
Wenn ich von Kultur spreche, meine ich auch die schier unglaubliche Zahl von
mehr als 60 000 Büchern, die Schach als literarische Spielwiese belegen. Vom
„Codex Alfonso“ des kastilischen Königs beginnend über Lucena, Gustavus Selenus, Greco, Philidor, Bilguer, Dufresne bis zu Kasparow wird Schach als Teil
unserer Identität beschrieben. Und doch sind viele Werke der Schachliteratur
vorwiegend für Spezialisten geschrieben, für Menschen, die bereits den Weg
zum königlichen Spiel gefunden haben. Hier war einer meiner Ansätze für dieses Schachmosaik. Ohne Figuren und Brett, ohne Computer-Schachprogramm,
ohne Spielpartner dürfen Sie sich dieses Mal der langen Schachgeschichte nähern. Vielleicht wäre der Titel „366 Genüsse für Minuten“ ganz treffend für
dieses Buch. Der zweite Ansatz ist jedoch die unendlich vielfältige Welt der
Schachhistorie, mit faszinierenden Spielertypen, mit kunsthistorischen Elementen, mit spannenden, fast paradoxen Problemstellungen und Studien, mit
kuriosen Anekdoten und Geschichten, mit unglaublichen Rekorden und Gedankensplittern, die auch in andere Bereiche des Lebens hineinführen. Bilder,
Diagramme und Texte sollen Ihnen den Weg in diese bunte Welt des Schachs
leicht werden lassen.
Der Aufbau des Schachsammelsuriums erlaubt einige Schwerpunktsetzungen und damit ein geistiges Abenteuer für die Leserin oder den Leser. Zum
10
Einführung
einen wird eine aus vierzehn Teilen bestehende Chronologie präsentiert, die
historisch wichtige Momente des königlichen Spiels von der vermuteten Entstehung in Indien über die Verbreitung nach Europa, über Meilensteine der
Regelkunde, große Turniere, Weltmeisterschaftsbegegnungen, Olympiaden bis
hin zu Highlights der deutschen, österreichischen und Schweizer Schachgeschichte chronologisch erfasst. Hier bietet sich dem Schachinteressenten ein
guter Überblick über die ersten 1500 Jahre. Im Kalenderblock werden Geburts- und Todestage großer Schachmeister sowie deutscher und österreichischer Großmeister festgehalten, mit kurzen Angaben zur Nationalität der betreffenden Spieler. Dazu kommen weitere Höhepunkte der WM-Geschichte.
Der Hauptteil des „Kalenderblatts“ wird durch eine bunte Mischung aus Biografien der Meister, denkwürdigen Partien, trickreichen Problemstellungen,
Lehrbuchbeispielen, Anekdoten und Geschichten, Rekorden und vieles mehr
gebildet. Hier dürfen Sie sich ein Eintauchen in eine faszinierende Parallelwelt
erwarten. Jeder Monat wird mit einem Übersichtsblatt eingeleitet, wo Sie auf
einen Blick die Angebote der folgenden vier Wochen erfassen können. Zweiunddreißig Farbtafeln illustrieren als eingestreuter Bildteil das spannende Mosaik des Schachgeschehens. Abgerundet wird das ganze Werk durch diverse
Anhänge, wie etwa einem beispielhaften Partieformular, einer tabellarischen
Erfassung der nationalen Meister Deutschlands, Österreichs, der Schweiz sowie
der Sowjetunion, einer Auflistung der Sieger in großen internationalen Turnieren, einer kompletten Übersicht über alle Juniorenweltmeister und zuletzt
einem detaillierten Schlüssel der Schacheröffnungen. Eine umfangreiche, thematisch und chronologisch aufgebaute Literaturliste, ergänzt um informative
Internetsites sowie gängige Schachzeitschriften, sowie eine Komplettübersicht
über alle Kalenderseiten, geordnet in Themenblöcke, sollen den Schachfreund
bei der Orientierung im ungeheuer vielfältigen Reich dieses Geistessports unterstützen.
Die enorme Vielfalt des Materials war trotz jahrzehntelanger Beschäftigung mit
diesem Spiel nur durch die Hilfe meines Vereins, des Schachclubs Donaustadt,
möglich. Ich möchte an dieser Stelle allen meinen Freunden und Bekannten,
die mir ihre Zeit für dieses Projekt geschenkt haben und die mir in den langen
Jahren davor Wegbegleiter waren, ein herzliches Dankeschön sagen, namentlich IM Alfred Beni (†), Georg Brüll, Gerhard Brüll, Martin Exler, Veronika
Exler, Gernot Felkel, Günter Göttlicher, Kay Hansen, Heinz Hochholdinger,
Martin Hofbauer, Bernhard Hoffmann, Gerhard Holzer, Helmut Kadlec (†),
Gerald Kador Folkvord, Ludwig Komarek, Helmut Kummer, Ferdinand Peitl,
Harald Pingitzer, Hermann Robitsch, Mario Sandhu, Harald Schneider-Zinner, Roland Schönauer, Franz Schuh, Walter Schultes, Hans Schwab (†), Lukas
Schwab, Karl Schwarz, Michael Sekyra, Hansjörg Senft, Anton Stummer, Leopold Smounig und Franz Zehentner.
Einführung
Mein ganz besonderer Dank gebührt folgenden Personen:
▪▪ Großmeister Niki Stanec, zehnmaliger österreichischer Staatsmeister, für die
Erstellung des Vorworts zu diesem Buch.
▪▪ Michael Ehn, Geschäftsführer des Wiener Schachverlags, Schachjournalist
und Autor historischer Schachbücher, für seine Hilfe bei der Auswahl der
Literatur, der Zusammenstellung der Chronologie, seinen Gastbeiträgen zu
österreichischen Spielerbiografien und zur Schachgeschichte, der Bereitstellung des umfangreichen Materials sowie den inhaltlichen Korrekturanmerkungen für die aktualisierte zweite Auflage. Sein unschätzbares Wissen –
besonders spürbar beim Verfassen des Buches „Alles über Schach“ – hat
meinen Schachhorizont wesentlich erweitert.
▪▪ Roland Schönauer, langjähriger Freund und Schachpartner, für die detaillierte Durchsicht des gesamten Manuskripts der Erstauflage und die wertvollen Anregungen und Korrekturen, die in die zweite, aktualisierte Auflage
hineinfließen konnten.
▪▪ René Schwab, Obmann meines Vereins Schachclub Donaustadt, für das Ausdem-Weg-Räumen aller schachtechnischen Probleme, den Fundus an Gestaltungsideen, die Herstellung der notwendigen Kontakte, sowie die Korrekturlesung der Erstauflage.
▪▪ Franz Schuh, Mitglied des Schachclubs Donaustadt, für seine Errata-Liste zur
Erstauflage.
▪▪ Gerhard Radosztics (†), Internationaler Schiedsrichter, Turnierorganisator
und Sammler, für seine Unterstützung bei den Bildseiten dieses Schachbuches. Er wird der österreichischen Schachszene sehr fehlen.
▪▪ Reinhard Seidl, Archivar des Wiener Schachverbandes, für die Benützung
seines Archivs und die wertvollen Tipps zur Schachgeschichte.
▪▪ Manfred Olms, Herausgeber der Edition Olms, für die Bereitstellung der
Porträtbilder der großen Schachmeister.
▪▪ Peter Köhler, Autor des bei Humboldt erschienenen Werks „Legendäre
Schachpartien“, für seine Errata-Liste zur Erstauflage des „Sammelsuriums“.
▪▪ Ronald Kastner, meinem Bruder, für die heutzutage unumgängliche, schon
von meinen anderen Spielbüchern gewohnte, Computerbetreuung.
▪▪ Dagmar und Ferdinand de Cassan und dem Österreichischen Spielemuseum, für die Benützung des gesamten Archivs sowie die Beratung in allen
allgemeinen Fragen zum Thema „Spiel“.
▪▪ Tim Krabbé, für den Einblick in seine ungemein spannende Internetsite der
„Chess curiosities“.
▪▪ Jeff Sonas, für die Erlaubnis, Berechnungen seiner historischen Elo-Zahlen
in dieses Buch aufzunehmen.
▪▪ Sandro Del-Prete, für die Abdruckerlaubnis zum Thema „Schach und
Kunst“.
▪▪ Ugo Dossi, für die Abdruckerlaubnis zum Thema „Schach/Kunst“.
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12
Einführung
▪▪ Alex Crisovan, Ehrenmitglied des Schweizerischen Schachverbandes, für
seine Unterstützung bei der Zusammenstellung der Chronologie.
▪▪ Harald Schneider-Zinner, für die Bereitstellung seines Aufsatzes über das
„Polgár-Experiment“.
▪▪ Jacques Foissotte und Colin Rose, Schachmotivsammler, für die Bereitstellung des Bildmaterials zu den Motivmarken.
▪▪ Allen Mitgliedern meines Schachclubs Donaustadt (www.s-c-d.at), die mir
bei der Sichtung, Auswahl und Einschätzung des riesigen Materialfundus
geholfen haben.
▪▪ Eckhard Schwettmann, Programmbereichsleiter des Humboldt Verlags, und
seinem Team, für das wiederholte Vertrauen, die erfreuliche Zusammenarbeit und die Aufnahme des Schachsammelsuriums ins Verlagsprogramm.
Wien, Januar 2011
Hugo Kastner
13
Abkürzungen
K
König
D
Dame
T
Turm
L
Läufer
S
Springer
B
Bauer
+
Schach
++ Doppelschach
#
Matt
x
Schlagzeichen
0–0 kurze Rochade
0–0–0 lange Rochade
e.p. en passant
!!
sehr starker Zug
!
starker Zug
!?
interessanter Zug
?!
zweifelhafter Zug
?
schwacher Zug, Fehler
??sehr schwacher Zug, grober
Fehler
1-0 Weiß gewinnt
0-1 Schwarz gewinnt
½
Remis
Weiß am Zug
□
Schwarz am Zug
■
unklar,
wer zieht
□■
+– Weiß hat entscheidenden
­Vorteil
–+Schwarz hat entscheidenden
Vorteil
=
ausgeglichene Stellung
Kalenderbezug
D  Achtung: Lösung
▼ 
~
beliebiger Zug
 † Wie zieht ein GM?
siehe
O
Serienartikel
Q
*
geboren
†
gestorben
F
Farbtafel
FS
Fernschach
FS-GM Fernschach-Großmeister
N.N. unbekannter Spieler
FM
FIDE-Meister
IM
Internationaler Meister
GM Großmeister
WGM Frauen-Großmeister
WM Weltmeister
14
Länderabkürzungen
EGY
ALB
AND
ARG
ARM
AZE
AUS
BEL
BIH
BRA
IVB
BUL
CHI
CHN
GER DEN
DOM
ECU
ENG
EST
FIN
FRA GEO
GRE
GBR
IND
IRQ
IRE
ISL
ISR
ITA
JAM
YUG CAN
KAZ
QAT
COL
CRO
CUB
LAT
Ägypten
Albanien
Andorra
Argentinien
Armenien
Aserbaidschan
Australien
Belgien
Bosnien u. Herzegowina
Brasilien
Britische Jungferninseln
Bulgarien
Chile
China
Deutschland
Dänemark
Dominikanische Republik
Ecuador
England
Estland
Finnland
Frankreich
Georgien
Griechenland
Großbritannien
Indien
Irak
Irland
Island
Israel
Italien
Jamaika
Jugoslawien
Kanada
Kasachstan
Katar
Kolumbien
Kroatien
Kuba
Lettland
LTU
LUX
MKD
MEX
MDA
MNC
MNE
NZE
NED
NOR
AUT
PAR
PER
PHI
POL
POR
ROU
RUS
SCO
SWE
SUI
SRB
SIN
SLK
SLO
SOV
ESP
TAD
CZE
CSR
TUN
TUR
UKR
HUN
URU
USB
USA
VIE
WAL
BLR
Litauen
Luxemburg
Mazedonien
Mexiko
Moldawien
Monaco
Montenegro
Neuseeland
Niederlande
Norwegen
Österreich
Paraguay
Peru
Philippinen
Polen
Portugal
Rumänien
Russland
Schottland
Schweden
Schweiz
Serbien
Singapur
Slowakei
Slowenien
Sowjetunion
Spanien
Tadschikistan
Tschechien
Tschechoslowakei
Tunesien
Türkei
Ukraine
Ungarn
Uruguay
Usbekistan
Vereinigte Staaten
Vietnam
Wales
Weißrussland
15
Abbildungsnachweis
Manfred Olms /Edition Olms: Porträtbilder der Schachweltmeister
Gerhard Radosztics: zahlreiche Farbtafeln
Yolanda und Sandro del Prete: Farbtafel Schachkunst
Ugo Dossi: Farbtafel Schach /Kunst
Alex Crisovan: Karikaturen und Autogramme der Schachweltmeister
René Schwab: sw-Bild von Stanec, Logo vom Schachclub Donaustadt
Jacques Foissotte und Colin Rose: Bildmaterial zu Motivmarken (Farbtafeln)
Tony Reisner: Abbildung eines Schachbretts (Farbtafel)
Michael Ehn /Wiener Schachverlag:
Porträtbilder von Morphy, Kramnik und Anand;
nahezu alle Schwarzweißbilder der Kalenderseiten;
Bildmaterial zu zahlreichen Farbtafeln
16
Januar
Schönheit Ist eigentlich alles,
was man mit Liebe betrachtet.
Christian Morgenstern
1. Chaturanga – Geschichte
2. Arabische & Persische Legenden – Legenden
3. Materielle Werte – Thema
4. Möglich – unmöglich! – Studien (Kubbel/Lasker)
5. Prinzessin Dilaram – Probleme (As-Suli/Hoffmann)
6. Mission Impossible – Studien (Kubbel/Popov)
7. Paul Keres – Biografie
8. Titelträume – Rekorde
9. Abtausch bis Diagonale – Schachsprache 1
10. Von Feld zu Feld – Rätsel
11. Von der Eröffnung zum Endspiel – Thema
12. 2001: Odyssee im Weltraum – Partie (Dr. Frank Poole – HAL 9000)
13. Unwiderstehlich! – Problem (Loyd)
14. As Time Goes By – Kuriosa
15. Alte Meister – Info (Charousek, Paulsen, Zukertort)
16. Rösselsprung – Regeln
17. Schach in der Literatur – Liste
18. FIDE-K.o.-Champions – Info (Chalifman, Kasimdschanow, Ponomariow)
19. Sprung ins Verderben? – Probleme (Mosely/Mansfield)
20. Langlebigkeit – Rekorde
21. Kandidaten- und Interzonenturniere – Ehrentafel
22. 5 Kronen-Banknote – Insider-Wissen I
23. Citius, altius, fortius! – Rekorde
24. Das Goldene Feld – Studie (Tschechower)
25. Zauberhafte Symmetrien – Studien (Bianchetti/Lehrstudie)
26. Vom Abstrakten zum Konkreten – Geschichte
27. Alice hinter den Spiegeln – Thema/Variante
28. Harun al-Raschid – Chronologie 1 (ca. 580 – 1000)
29. Boris Spassky – Porträt
30. Boris Spassky – Biografie
31. Platz im Louvre – Partie (Kasparow – Topalov)
1. Januar: Chaturanga
Kalender: Lionel Kieseritzky *1806 FRA/EST • Klaus Junge *1924 GER • Alexej Wyschmanawin *1960 RUS/SOV • Roman Slobodjan *1975 GER
Die Geburt des Schachs ist rätselhaft und wunderbar
wie das Spiel selbst. Joachim Petzold
Seit Jahrhunderten wird über die Entstehung des königlichen Spiels gerätselt.
Und ganz konnten selbst auf Schach spezialisierte Historiker nicht in die Tiefen
der Zeit eindringen. Aber eines scheint festzustehen: Indien war das Geburtsland des Schachs, und irgendwann in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts
muss die erste Figurenbewegung stattgefunden haben. Ob diese Zeitangabe nur
für das Zweischach gilt oder auch für die im Diagramm gezeigte VierschachWürfelform, ist bei den spärlichen Quellen nicht sicher zu belegen. Der indische Würfel barg jedoch auch ein Element der Geschicklichkeit, ist also keinesfalls als reiner Glücksfaktor zu verstehen. Jedenfalls standen früher Elefanten
neben den Königen, die entsprechend ihrer Schwerfälligkeit nur diagonal eine
Figur überspringen konnten.
Warum nun sieht man Indien als Ursprungsland und nicht etwa China mit der dort üblichen Schachform Xiangqi? Nun, allein der
Name Chaturanga (altind. chatur „vier“, anga
„Glied“) bietet einen interessanten Hinweis.
Einerseits bedeutet dieses Wort im Sanskrit
sowohl „Heer“ als auch „Schach“, andererseits bestand das indische Heer der damaligen Zeit – wie wir aus den Eroberungszügen
Alexander des Großen wissen – aus exakt
vier Waffengattungen, die vollständig und
in ihrer natürlichen Bewegung durch das Spiel symbolisiert werden: Fußtruppen (padati), Kampfwagen (rath), Reiterei (ashwa) und Kriegselefanten (haahti).
Zumindest Letztere gab es im Reich der Mitte nicht – und „Lehnfiguren“ aus
Indien scheinen aus politischer Räson unwahrscheinlich. Zur Datierung des
Spiels: Da später in Indien zwei weitere Heeresteile dazukamen, passt auch die
Entstehungszeit vollkommen ins geschichtliche Puzzle. Als historisch nicht
haltbar gilt dagegen heute der Bezug des Begriffs „viergliedrig“ auf die Vierschach-Grundstellung (siehe Abbildung), aus der sich dann das Shatrang (Zweischach) entwickelt haben soll. Dem König (raja) wurde demnach ein Wesir
(mantri) als Unterstützung beigestellt. Hundertprozentige Sicherheit zur Entstehung des königlichen Spiels kann es jedoch nicht geben, wie Joachim Petzold
in seinem schönen Eingangszitat betont.
17
18
2. Januar: Arabische & Persische Legenden
Kalender: Vasile Sanduleac *1971 MDA • Vladimir Makogonow † 1993 AZE/SOV • Arnold
Sheldon Denker † 2005 USA
Weizenkornlegende
Diese Legende stammt aus dem Buch Die goldenen Wiesen und Edelsteingruben des in
Bagdad geborenen Historikers, Philosophen und Geografen Abu al-Hasan Ali ibn al-Husayn al-Mas’ūdi († 956 Fustat, Ägypten).
Ein indischer König brachte durch Hochmut und Tyrannei das Volk gegen sich
auf. Da erschien der Brahmane Sissa, der das Schachspiel erfand, um dem König
vor Augen zu führen, dass nur das Gemeinsame dem Wohl des Landes dient
und der Herrscher ohne den Beistand der Untertanen schutzlos dem Feind
ausgeliefert ist. Der König stellte dem Brahmanen einen Wunsch frei und war
fast erzürnt, als sich der heilige Mann ein Weizenkorn auf dem ersten Feld des
Brettes, zwei auf dem zweiten, vier auf dem dritten, und so fort wünschte. Er
wollte nur die Gesamtzahl der Körner als Lohn bekommen. Nun, der König
durfte den Wunsch nicht abschlagen und wies seinen Verwalter an, sofort den
nötigen Weizen aus der Kornkammer holen zu lassen. Seine Erzürnung über
die große Bescheidenheit des Brahmanen wich Erstaunen und dann Entsetzen,
da der König bald einsah, dass alles Korn aller Ernten seines Lebens nicht ausreichen würde, um den Wunsch des weisen Mannes zu erfüllen. Verlangt war
die astronomische Zahl von 18 446 744 073 709 551 615 Körnern Weizen, das
sind 18,5 Trillionen, eine Zahl, die unsere Vorstellungskraft sprengt.
Die Weisheit des Perserkönigs
Abū l-Qāsim-e Ferdausī (*940 oder 941 in Bāž, Iran (heute Maschhad); † 1020 in Tūs) war
der Hauptautor des monumentalen iranischen Nationalepos Schāhnāme, das in mehr als
50 000 Versen den Glanz des Sassanidenreiches schildert.
Der Perserkönig Khosrau I. (er regierte 533–579) wird von einer indischen Gesandtschaft mit einem wunderbaren Schachbrett sowie einem Figurenset beschenkt, allerdings mit einer ungewöhnlichen Aufforderung. Gelänge es innerhalb acht Tagen die Regeln dieses Kriegsspiels zu ergründen, wäre die
vollkommene Weisheit des persischen Hofs bewiesen. Der indische König
wäre in diesem Fall bereit, jeden Tribut zu zahlen. Im umgekehrten Fall müsste
sich Persien dem indischen Herrscher unterwerfen. In der Tat gelingt es dem
Wesir, zunächst die Figurenaufstellung zu finden, dann auch die Gangart der
Truppen, und zuletzt das exakte Abbild des Schlachtfeldes. Der Šhā h (König)
steht im Zentrum, der Ratgeber daneben, dann folgen die Elefanten, die Reiter
und schließlich ganz außen die Kampfwagen. Geschützt werden diese hohen
Truppen durch eine Phalanx von Fußsoldaten. Entsetzt müssen die indischen
Gesandten die unendliche Weisheit der persischen Magier anerkennen und
sich König Khosrau unterwerfen.
3. Januar: Materielle Werte
Kalender: Johann Baptist Allgaier † 1823 • Alfred Brinckmann *1891 GER
Bauerneinheiten
Seitdem Schach gespielt wird, vergleicht man die relative Wertigkeit der Figuren: Bereits
im 9. Jahrhundert hat der damalige Meister as-Suli eine erste Skala entworfen. Staunton,
von Bilguer, Steinitz, Bronstein und auf wissenschaftlicher Basis Kaufmann bieten leicht
modifizierte Einschätzungen – alle basierend auf Bauerneinheiten. Dabei wurden vom IM
Larry Kaufmann computerunterstützte Studien auf Grundlage von mehr als 300 000 Partien durchgeführt, wobei Meisterniveau (über 2300 Elopunkte) Voraussetzung war.
Staunton
von Bilguer
Steinitz
Bronstein
Kaufmann
Springer
2,75
3,25
3,05
3,00
3,25
Läufer
3,25
3,50
3,50
4,00
3,50
Turm
5,00
5,00
5,48
5,00
5,00
Dame
9,00
9,25
9,94
9,00
9,75
Zusätzliche Erkenntnisse der Kaufmann-Studie:
▪▪ Der Turmbauer ist um 15 % weniger wert als die übrigen Bauern.
▪▪ Doppelbauern vermindern ihren Wert um ¹∕8. Allerdings wird dies durch Vorhandensein aller Türme relativiert. In diesem Fall ist der Wertverfall nur ¹∕16.
▪▪ Isolierte Doppelbauern sind kaum mehr wert als einzelne. In geschlossenen
Stellungen, mit mehr Bauern auf dem Brett, wird der Schaden halbiert.
▪▪ Ein Läufer und ein Springer sind annähernd gleichwertig. Der Bonus für das
Läuferpaar dagegen beträgt ½ Bauerneinheit, wenn weniger als die Hälfte
der Bauern auf dem Brett sind.
▪▪ Im Endspiel gegen Türme und Bauern sind Läufer im Vergleich zu Springern
leicht im Vorteil. Bei weiteren Figuren auf dem Brett ist der Springer dann
zu bevorzugen, wenn sechs oder mehr Bauern vorhanden sind.
▪▪ Die Qualität (Turm gegen Läufer oder Springer) hat einen mittleren Wert
von 1 3 ∕8 Bauerneinheiten. Hat der Gegner noch das Läuferpaar, wird dieser
Wert auf 1 3 ∕20 reduziert.
▪▪ Der Turm ist gegen Springer und zwei Bauern materiell ca. ¼ Bauerneinheit
im Nachteil. Für jeden Bauern über fünf nimmt der Wert des Springers um
¹∕16 zu, der des Turms um ¹∕8 ab.
▪▪ Bei Turm gegen zwei Leichtfiguren muss die Turmseite ½ Bauerneinheiten
mehr haben, um im Gleichgewicht zu sein.
▪▪ Die Dame entspricht Turm, Leichtfigur und 1 ½ Bauerneinheiten. Die Dame
zusammen mit einem Bauern ist ungefähr gleich stark wie zwei Türme,
wenn die Leichtfiguren bereits vom Brett sind. Andernfalls benötigt die
Dame keinen Bauern, um die Balance herzustellen.
▪▪ Die Dame und ½ Bauerneinheit entspricht ca. drei Leichtfiguren.
Der Anzugsvorteil in Meisterklassen beträgt ca. 40 Elo-Punkte. Der Wert eines
Mehrbauern ohne irgendwelche Kompensation macht ungefähr 200 Elo-Punkte
aus. Kommentar: All dies sind selbstverständlich nur Richtwerte.
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4. Januar: Möglich – unmöglich!
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Kalender: Josef Krejcik † 1957 AUT • Ioannis Nikolaidis *1971 GRE
Leonid Kubbel kann mit seinen Studien fesseln wie kaum ein anderer Komponist. Wahnwitz, was er hier auf das Brett zaubert. Darunter das berühmte Lasker-Manöver, das als
Endspielstudie des Weltmeisters Eingang ins praktische Schach gefunden hat.
Leonid Kubbel O 6. Jan. D 
1921
□ Weiß hält remis
Weiß scheint verloren, ohne ausreichendes
Material zur Verteidigung. Aber bekanntlich
gibt es auch versteckte Opfer, die nicht so
ohne weiteres ausgeschlagen werden können.
▼ Ein unglaublicher, ja paradoxer Zug eröffnet den Kampf um das Remis: 1.Sd4!!
Noch eine Figur wird dem Gegner zum
Fraß vorgeworfen. 1…Dxd4. Auf 1…Dd8
folgt 2.Ta3+ Kb7 3.Tb3+ Kc8 4.Tb8+! Kxb8
5.Sc6+ und Remis. Geht der schwarze König bei seinem Fluchtversuch auf c5
oder c7, kann Weiß mit Se6+ sogar noch gewinnen. 1…Lxd4 wird ebenfalls
mit 2.Ta3+ Kb7 und Tb3 und Remis beantwortet. 2.Ta3+ Kb5 3.Tb3+ Kc4
4.Tc3+ Kd5 5.Td3!! Schwarz muss wie paralysiert zusehen, wie nach 5…Dxd3
der weiße Monarch gelassen im Pattloch verharrt. Kunstvoll!
Emanuel Lasker
Deutsches Wochenschach 1890
□ Weiß zieht und gewinnt
Wie so oft, schafft der Superspieler eine sehr
partienahe Studie. ▼ 1.Kb7 Tb2+ 2.Ka7
Tc2 3.Th5+ Ka4 4.Kb6 Tb2+ 5.Ka6 Tc2
6.Th4+ Ka3 7.Kb6 Tb2+ 8.Ka5 Tc2 9.Th3+
Ka2(b2) 10.Txh2 Fesselung und Opfer zugleich. 10…Txh2 11.c8D mit elementarer
Gewinnführung.
Praktisch veranlagt!
5. Januar: Prinzessin Dilaram
Kalender: Hermann Helms *1870 USA • Lutz Espig *1949 GER • Siegfried Reginald Wolf
*1951 AUT • Oldřích Důras † 1957 CSR
Märchenhaft anmutende Schachkombinationen gehören zum wertvollen Kulturerbe arabischer Völker. Das Kronjuwel der Problemkunst ist zweifellos das hier präsentierte Matt
der Dilaram. Der Legende nach stand der leidenschaftlich dem Schach verfallene Großwesir Murwardi vor dem finanziellen Ruin. Als letzten Einsatz bot er seine Lieblingsfrau
Prinzessin Dilaram, die ihm in höchster Not den rettenden Einfall einflüsterte: „Opfere die
Türme und rette dein Weib.“ Offensichtlich pflegten damals Frauen, selbst Sklavinnen,
die Schachspielkunst, was ihren gesellschaftlichen Wert ungemein steigerte. Darunter
eine Hoffmann-Kombination mit dem Lucena-Matt.
Abu-Bakr Muhammad ben Yahya as-Suli
Manuskript Abd ’al Hamid Nr. 96, 10. Jahrhundert (vor 946)
□ Matt in 5 D 
Eine kleine Regelfeinheit vorweg: Im arabischen
Schach ist der Läufer (Alfil) ein Elefant, der diagonal auf das übernächste Feld ziehen kann, selbst
über eine Figur hinweg. Hier kontrolliert er also f1
und f5.
Sehen Sie schon die Lösung?
▼ 1.Th8+ Kxh8 2.Lf5+ Kg8 3.Th8+ Kxh8
4.g7+ Kg8 5.Sh6#.
Matt der Dilaram!
Fritz Hoffmann
1977
□■ Matt in 5
Wer ist am Zug? Das ist die große Frage.
Schwarz setzt durch die berühmte LucenaKombination aus dem Jahre 1497 (O 3. Feb.)
in 5 Zügen matt, Weiß braucht ebenso viele
Züge für die brillante Imitation der mittelalterlichen Dilaram-Mattführung. ▼ Schwarz:
1.Dd3+ Ka1 (falls 1…Kc1 folgt matt unmittelbar), 2.Sc2+ Kb1 3.Sca3++ Ka1 4.Db1+
Txb1 5.Sc2#. Dieser Erstickungstod läutete die Neuzeit ein! Weiß: 1.Th8+! Kxh8
2.Sg5+ Kg8 3.Th8+ Kh8 4.Dh1+ Kg8 5.Dh7#. Prinzessin ­Dilarams DoppelTurm­opfer!
Vom Mittelalter in die Neuzeit!
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6. Januar: Mission Impossible
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Kalender: D  Leonid Iwanowitsch Kubbel *1892 RUS • Hermann Helms † 1963 USA • Alexej
Wyschmanawin † 2000 RUS/SOV
Leonid Kubbel (eigentlich Karl Arthur Leonid, er hatte deutsche Vorfahren) war einer der
großen Meister der Komposition (O  13. Feb.). Im bürgerlichen Beruf war er Chemie-Ingenieur. Leider starb dieser kreative Denker viel zu früh während der Blockade Leningrads.
Kubbel erwarb mehr als 120 Auszeichnungen für seine Studien und Probleme. Erfreuen
Sie sich an diesem exquisiten Kunstwerk! Sie dürfen sich diese Studie wahrlich auf der
Zunge zergehen lassen. Auch die beiden Brüder Arwid und Evgeni waren hervorragende
Studienkomponisten und machen das Œvre dieser Familie zu einem gigantischen Fundus
von über 1 000 Kompositionen. Elegant auch Grigorij Popovs Mischung (2. Diagramm) aus
dem berühmten „Indischen Problem“ und dem Excelsiormarsch des Bauern.
Leonid Kubbel
Schachmatny Listok 1922
□ Weiß gewinnt
Von den Toten auferstanden, könnte man
meinen, wenn man diese unerwartete Zugfolge vor dem geistigen Auge abrollen lässt.
Die Bezeichnung „mission impossible“ für
diese Kubbel-Kreation ist mehr als verdient.
▼ Es beginnt mit einem dramatischen Opfer:
1.Sc6!! Zieht Schwarz mit seinem Bauer auf
der a-Linie, folgt die Gabel durch den kecken
Springer. Also 1…Kxc6 2.Lf6! mit Blick auf
das Umwandlungsfeld in der Ecke. 2…Kd5
schützt den d-Bauern. Aber nun folgt ein wahrlich sensationeller Zug: 3.d3!!
Der eigene Bauer versperrt die Angriffslinie. 3…a2 scheint locker zu gewinnen. Doch es geht weiter: 4.c4+ 4…dxc3e.p. 5.Lxc3 4…Kc5 5.Kb7!! Schwarz
darf sich eine Dame holen: 5…a1D. Tatenlos muss die Lady das überraschende
Matt durch 6.Le7# mit ansehen! Grandissimo!
Grigorij Popov
Turnier für Problemkomponisten, Wien 2007
□ Matt in 9
Schwarz ist nahezu unbeweglich. Und so gibt
es eine forcierte Folge. ▼ 1.Le4! Lf6 2.Lh7+
Ld4 3.Te4 Kd3 4.Th4+ Kc4 5.g4 Lf6 6.g5+
Ld4 7.g6 Kd3 8.g7+ Kc4 9.g8D/L#.
Studienartiger Durchmarsch!
7. Januar: Biografie: Paul Keres
Kalender: Hans Johner *1889 SUI • D  Paul Keres *1916 EST/SOV • Krishnan Sasikiran
*1981 IND • Luke McShane *1985 ENG • Harry Golombek † 1995 ENG
Geschätzt, verehrt, geliebt – der ewige Zweite
Hunderttausende Trauernde säumten die Straßen Tallinns, als Paul Keres im
Juni 1975 zu Grabe getragen wurde. Sein Bild ziert die estnische Fünf-Kronen
Banknote. Und hören Sie die Stimme eines unbekannten, alten Mannes zur
Gefühlslage der Esten: „Ich weinte beim Tod von Keres so, wie ich nie zuvor geweint
hatte.“ Wohl kein Schachspieler hat je derartige Verehrung genossen wie dieser
Gentleman par excellence, der zeitlebens die Freundlichkeit des Aristokraten
ausstrahlte.
Keres wurde am 7. Januar 1916 in eine
Schneiderfamilie hineingeboren. Wenn
auch nicht als Wunderkind gefeiert, so
fiel Paul bereits früh durch hervorragendes Spiel auf, wie auch durch tiefe Problementwürfe. Keres hatte aber viele
Talente. Er studierte nebenbei Mathematik und brachte es als Tennisspieler
zum Vizemeister seines Heimatlandes.
1937 war das erste große Schachjahr des
Esten. Fünfmal konnte er in internationalen Turnieren zumindest den geteilten
ersten Platz erreichen, und man begann bereits über einen Weltmeisterschaftskampf gegen Aljechin zu munkeln. Im Sommer 1940 marschierten jedoch
sowjetische Truppen in Estland ein, der Zweite Weltkrieg hatte begonnen –
und Keres musste vorerst warten. Schach stand, wie jede geistige Aktivität,
für Jahre im Abseits. 1948 startete Keres erneut seinen entschlossenen, wenn
auch letztlich vergeblichen Anlauf auf die Krone im königlichen Spiel. Viermal
wurde der sentimentale Favorit der Schachfans in Kandidatenturnieren Zweiter, jedes Mal vom Glück verlassen beim Versuch, die letzte Sprosse auf der Leiter des Triumphes zu meistern. Die Schachwelt wusste um seine Stärken und
1960 machte Südafrika einen in der Geschichte der WM-Qualifikationen einmaligen Vorschlag: Keres ob seiner Verdienste außerhalb des WM-Zyklus einen
Titelkampf austragen zu lassen. Nun, wie nicht anders zu erwarten, folgte der
geharnischte Protest der sowjetischen Delegation; Keres, der mit seinem Auftreten seit der Einverleibung seiner Heimat stillen Protest signalisierte, schien
ihr nicht linientreu genug. Dem großen Esten sollte das Schicksal des ewigen
Zweiten nicht erspart bleiben. Auf der Rückreise von einem Turnier in Vancouver hörte sein Herz endgültig auf zu schlagen. Doch bleibt uns Boris Spasskys
würdiger Nachruf: „Es war unmöglich, ihn, einen Menschen mit einmaligen Charaktereigenschaften, nicht zu mögen.“
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8. Januar: Titelträume
Kalender: D  Boris Werlinsky *1888 RUS • Herman(n) Pilnik *1914 ARG/GER • Igor Wassiljewitsch Iwanow *1947 CAN/SOV • Alexander Kotow † 1981 RUS • Elisabeth Pähtz *1985 GER
Großmeister
▪▪ 1838 erwähnte die Londoner Zeitung Bell’s Life erstmals den Titel Großmeister.
▪▪ 1914 verlieh Zar Nikolaus II. den GM-Titel an die fünf Finalisten des St. Petersburger Turniers: Lasker, Capablanca, Aljechin, Tarrasch, Marshall.
▪▪ 1927 wurde in der Sowjetunion ein nationaler GM-Titel geschaffen, und
dieser 1929 auch erstmals an den Landeschampion Boris Werlinsky verliehen. Weiterer „Rekord“ der Sowjetunion: Der GM-Titel wurde 1931 wieder
ersatzlos gestrichen.
▪▪ 1935 erhielt der linientreue Michail Botwinnik den zum zweiten Mal geschaffenen nationalen GM-Titel der Sowjetunion.
▪▪ 1950 zeichnete die FIDE 27 Spieler mit dem Großmeister-Titel aus: B­ ernstein,
Boleslawsky, Bondarewski, Botwinnik, Bronstein, Duras, Euwe, Fine, Flohr, Grünfeld,
Keres, Kostić, Kotow, Löwenfisch, Lilienthal, Maróczy, Mieses, Najdorf, Ragosin, Reshevsky, Rubinstein, Sämisch, Smyslow, Ståhlberg, Szabó, Tartakower und Vidmar.
▪▪ Jacques Mieses war zum Zeitpunkt der Erlangung des GM-Titels bereits
85 (!) Jahre alt. Auch George Koltanowski bekam 1988 als 85-Jähriger diesen Titel honoris causa. Géza Maróczy stand immerhin im 81. Lebensjahr.
Elf der ersten 27 Großmeister wurden im 19. Jahrhundert geboren. Kontrapunkt: David Bronstein war mit 26 der Jüngste im Bunde.
▪▪ Robert Fischer wurde mit 15 Jahren, 4 Monaten und 28 Tagen GM. Heute
hält Sergei Karjakin den Rekord (siehe Wunderkinder O 26. Nov.) Das
jüngste Mädchen mit dem „männlichen“ GM-Titel war die Inderin Humpy
Koneru (15 Jahre, 1 Monat, 27 Tage), bis im September 2008 die Chinesin
Hou Yifan mit 14 Jahren, 6 Monaten und 2 Tagen neue Maßstäbe setzte.
Jung und Alt
▪▪ Wassily Smyslow spielte als 63-Jähriger gegen Garri Kasparow (damals
21 Jahre alt) ein Kandidatenmatch. Er war genau dreimal so alt wie sein Gegner. 1996 spielte Smyslow als 75-Jähriger gegen Etienne Bacrot (damals 13!).
▪▪ Zwischen Samuel Reshevskys erstem und letztem Gewinn der US-Meisterschaft (1933 und 1969) liegt eine Zeitspanne von 33 Jahren.
▪▪ Joseph Blackburne spielte sowohl im zweiten Turnier der Geschichte 1862
in London als auch 1914 im St. Petersburger Großmeisterturnier.
▪▪ Erik Lundin aus Schweden wurde knapp vor seinem 80. Geburtstag GM.
▪▪ Milan Vidmar gewann das Turnier von Basel 1952 im Alter von 67 Jahren.
▪▪ Viktor Kortschnoi brach altersmäßig alle Rekorde: Er siegte einen Monat
vor seinem 70. Geburtstag 2001 in Biel. Außerdem besiegte er 2001 den um
52 Jahre jüngeren FIDE-Weltmeister Ruslan Ponomariow.
9. Januar: Abtausch bis Diagonale
Kalender: Henry Augustus Loveday † 1848 ENG • Daniel Harrwitz † 1884 GER
Die Sprache der Schachspieler I O 16. März
▪▪ Abtausch: Gleicher Materialwert beider Spieler nach direktem Schlagen von
Figuren.
▪▪ Ablenkung: Eine gegnerische Figur wird genötigt, ihren Platz zu verlassen.
▪▪ Abzug(sschach): Durch Wegziehen einer Figur wird die Wirkungslinie
einer dahinter platzierten Figur frei, eventuell mit Schachgebot.
▪▪ Anzug(svorteil): Der erste Zug von Weiß in einer Partie.
▪▪ Aufgabe: Beendigung einer Partie, wenn ein Spieler sich geschlagen gibt.
▪▪ Bauerndurchbruch: Der Weg eines Bauern wird durch Opfer eines oder
mehrerer anderer Bauern frei geräumt.
▪▪ Bauernendspiel: Außer den Königen sind nur noch Bauern auf dem Brett.
▪▪ Bauernkette: Bauern einer Farbe auf einer Diagonale; ohne Leerfelder dazwischen.
▪▪ Bauernmajorität: Zahlenmäßige Bauernüberlegenheit eines Spielers im
Zentrum oder auf einem Flügel.
▪▪ Bauernschwäche: Nachteilige Position eines oder mehrerer Bauern (z. B.
rückständige Bauern, Doppelbauern)
▪▪ Bauernstruktur: Generelle Anordnung der Bauern auf dem Spielbrett.
▪▪ Bedenkzeit: Vor der Partie festgelegte Zeit für alle Züge.
▪▪ Bergersches Quadrat: Regel, die besagt, ob ein König einen gegnerischen
Bauern noch rechtzeitig vor dem Umwandlungsfeld erreichen kann: Befindet sich der König im Quadrat des Bauern (Seitenlänge: Felderanzahl bis
zum Umwandlungsfeld) oder kann er es (am Zug befindlich) betreten, holt
er den Bauern noch ein.
▪▪ Berührt-geführt: Regel, die verlangt, dass ein berührter Stein, wenn möglich, gezogen wird. Ausnahme: Vorher wurde eine „j’adoube-Ansage“ (frei
übersetzt: „ich rücke zurecht“) gemacht.
▪▪ Bewegungsregel/Gangart: Vorschrift der Zugmöglichkeiten der Figuren.
▪▪ Blitzschach: Partien mit kurzer Bedenkzeit, üblicherweise 5 Minuten pro
Spieler.
▪▪ Blockade: Stoppen eines gegnerischen Bauern durch eine Figur.
▪▪ Damenendspiele: Außer Königen und Bauern befinden sich nur Damen auf
dem Schachbrett.
▪▪ Damenflügel: Schachbrettseite der Dame (a- bis d-Linie).
▪▪ Damenopfer: Opfer der stärksten Figur.
▪▪ Dauerschach: Unentschieden, da ein Spieler ewiges Schach bieten kann.
▪▪ Deckung: Eine Figur gleicher Farbe kann auf ein bedrohtes Feld ziehen.
Mehrfachdeckungen sind häufig.
▪▪ Diagonale: Eine Linie von Feldern gleicher Farbe, die sich an den Ecken berühren.
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10. Januar: Von Feld zu Feld
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Kalender: Henri Rinck *1870 FRA • Walter Browne *1949 USA • Oleg Romanischin *1952
UKR/SOV • Alisa Maric *1970 SRB • Mirjana Maric *1970 SRB
Aufgaben anderer Art
Dieses Blatt bietet einige ungewöhnlichen Spielereien auf dem Schachbrett.
A. Springerreise: Vier schwarze Bauern werden auf die Felder c3, f3, c6 und f6
platziert, ein weißer Springer kommt auf a1 zu stehen. Dieser Springer soll nun
in Schlingbewegung alle nicht besetzten oder gedeckten Felder des Schachbretts besuchen, und zwar in der Reihenfolge b1, c1 über h1, dann h2, g2 zurück auf a2 usw. Bitte zu Testzwecken eine Stoppuhr verwenden. Weniger als
10 Minuten sind beachtlich, unter 7 Minuten gilt als ausgezeichnet und wer
gar innerhalb von 2 Minuten das komplette Feld bespringt, darf Großmeisterstärke reklamieren.
B. Bauernsturm: Auf einem leeren Schachbrett werden abwechselnd weiße
und schwarze Bauern platziert, irgendwohin, ohne die Feldergrenzen zu beachten. Sobald ein Spieler keinen Bauern mehr setzen kann, hat er verloren.
Wer muss dieses Spiel gewinnen, Weiß oder Schwarz?
C. Narrenmatt: Wie sieht das schnellstmögliche Matt aus?
D. Schäfermatt: Das schnellste Matt durch Weiß. Im 17. Jahrhundert entstand
in Frankreich dieser Name, da sich ein Schachspieler, der darauf hereinfiel, getrost zu den Schafen zählen konnte. Eine andere Erklärung sieht im amourösen
Schäferstündchen den Grund für mangelnde Konzentration.
E. Zugkopien: In wie vielen Zügen setzt Weiß matt, wenn Schwarz jeden Zug
spiegelbildlich kopiert?
Lösungen
A: Einfach mit der Stoppuhr kontrollieren.
B: Der erste Bauer kommt ins exakt geometrische Zentrum des Bretts, danach werden
alle schwarzen Züge kopiert. Weiß wird
immer als Sieger vom Brett gehen.
C (Diagramm): 1.f3 e5 2.g4 Dh4#.
D: 1.e4 e5 2.Lc4 Sc6 3.Dh5 Sf6 4.Dxf7#.
E: In vier Zügen. 1.d4 d5 2.Dd3 Dd6 3.Dh3
Dh6 4.Dxc8# oder 1.c4 c5 2.Da4 Da5 3.Dc6
Dc3 4.Dxc8#.
11. Januar: Von der Eröffnung zum Endspiel
Kalender: Daniel Noteboom † 1932 NED • D  Emanuel Lasker † 1941 GER
Gesunder Menschenverstand im Schach (Emanuel Lasker)
Der Titel dieses Lasker-Klassikers passt so treffend auf die Anforderungen, die neben
allem Berechnen von Varianten und allem Memorieren von Stellungsmustern für das
wahre Spiel notwendig ist. Hiermit sind alle Spielphasen gemeint, von der Eröffnung über
das Mittelspiel bis zum Endspiel.
Grundelemente: Garri Kasparow sieht, wie viele andere Spieler und Autoren,
drei Grundelemente im Schach, die jeder Spieler gemäß seinem Können zu
nutzen versucht: Material, Zeit und Qualität. Das eine wird im praktischen
Spiel oft gegen das andere getauscht. Hier zeigen sich Erfahrung, Intuition und
Begabung. Was ist mit diesen Elementen gemeint?
Material: Dabei haben wir eine messbare Größe vor uns, die als Basis jeder
wissenschaftlichen Betrachtung des Schachs stehen muss: Im Wesentlichen
sind es Bauern und Figuren, deren Stärken abzuwägen sind. Auf dieser Basis
der Bewertung arbeitet auch der Computer (O  3. Jan.).
Zeit: Dieser Faktor ist vielschichtiger als das Grundelement Material, dennoch
aber auch für den Amateur deutlich erkennbar: Tempogewinn, Zugzahl für
die Umwandlung eines Bauern oder die Berechnung von Opferkombinationen
sind Ausdruck des Zeitfaktors.
Qualität: Beim Unterscheiden von guten und schlechten Bauernstrukturen,
von starken und schwachen Feldern, von günstigen Vorpostenpunkten, vom
Vorteil des Läuferpaars usw. wird die Spreu vom Weizen getrennt, wenn wir
über Spielstärke sprechen. Wenn auch die Grundprinzipien für alle gleich bleiben, kann nur ein Meister die Vor- und Nachteile gut und schlecht platzierter
Figuren zu jedem Zeitpunkt optimal einschätzen.
Endspielprinzipien: „… Dies sind die drei Momente, die dem Endspiel seinen Charakter
geben: die Offensivkraft des Königs, der Freibauer und der Zugzwang.“ (Lasker in Gesunder
Menschenverstand im Schach)
Offensivkraft des Königs: Je weniger Figuren das Brett bevölkern, desto stärker spielt der König mit. Er rückt ganz buchstäblich ins Zentrum des Geschehens. Nimzowitsch hat dies deutlich ausgedrückt: „Im Mittelspiel ist der König nur
Statist, doch im Endspiel ist er einer der Hauptdarsteller.“
Freibauer: Egal wie die sonstige Lage am Brett ist, ein Freibauer, vor allem ein
entfernter, bindet gegnerische Figuren und lenkt sie so weit ab, dass andere
Stellungsvorteile genutzt werden können. Oft ist sogar das Bilden eines Freibauern durch einen Opfer-Durchbruch zu empfehlen.
Zugzwang: Dieses Wort von Max Lange ist in den allgemeinen Sprachgebrauch
eingegangen. Wir verstehen darunter eine Brettsituation, in der jeder Zug die
eigene Stellung nur verschlechtert. Der Zugzwang ist sowohl in elementaren
wie auch in komplexen, Berechnung verlangenden Stellungen zu finden.
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12. Januar: 2001: Odyssee im Weltraum
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Kalender: Szymon Winawer † 1920 POL • Vlastimil Hort *1944 GER/CSR • Sergej Karjakin
*1990 UKR • Dronavalli Harika *1991 IND
Dr. Frank Poole – HAL 9000
„2001: Odyssee im Weltraum“
Die vielleicht berühmteste künstliche Partie der Schachgeschichte wird in wenigen Sekunden des legendären ScienceFiction Epos 2001: A Space Odyssee gezeigt. Dr. Frank Poole
als Vertreter der Menschheit muss sich gegen den Supercomputer HAL 9000, dessen Inbetriebnahme im Film auf
den 12. Januar 1991 D  fällt (in Arthur Clarkes Buch dagegen
auf den 12. Januar 1997), in der Diagrammstellung hoffnungslos geschlagen geben.
Stanley Kubrick
Die rekonstruierte Partie: 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6
3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0–0 Le7 6.De2 b5
7.Lb3 0–0 8.c3 d5 9.exd5 Sxd5 10.Sxe5
Sf4! 11.De4 Sxe5. Obwohl drei schwarze Figuren hängen, hat Schwarz Vorteil. 12.Dxa8
Dd3 13.Ld1 Lh3 – hier setzt der Film ein –
14.Dxa6 Lxg2 15.Te1 (Diagramm).
In dieser Stellung kündigt HAL inkorrekt
ein Matt in zwei an: 1…Df3! Lxf3 2.Sxf3#.
Doch Weiß könnte, statt die Dame zu schlagen, die eigene Königin nach h6 führen oder
den h-Bauern aufziehen und damit das Ende um einige Züge hinauszögern.
Wie ist HALs Prognose also zu bewerten? Kubrick-Fans sehen darin einen bewussten Hinweis des Regisseurs auf den langsam einsetzenden Zusammenbruch des Computers.
Viel Spekulation gab es auch zur Entstehung des Namens HAL. In Filmkreisen
wird gern eine Buchstabentransposition ins Treffen geführt, die sich von der
damals führenden Computerfirma IBM (I-1 = H, B-1 = A, M-1 = L; alle Buchstaben rücken im Alphabet um eine Stelle nach vorn) ableitet. Arthur Clarke dagegen behauptet, HAL sei eine Abkürzung für Heuristic Algorithmic.
13. Januar: Unwiderstehlich!
Kalender: Enrico Paoli *1908 ITA • József Szén † 1857 HUN • Wassili Nikolajewitsch Panow
† 1973 SOV/RUS • Radoslaw Wojtaszek *1987 POL
Ein paar Worte zu Sam Loyd (30.1.1841–10.4.1911): Trotz beachtlicher Stärke als Schachspieler war Loyd schon in jungen Jahren vor allem den mathematischen Rätseln zugetan.
Dennoch haben viele seiner Problemkunstwerke Eingang in die Literatur gefunden, oftmals unter Pseudonymen wie King, Knight oder Bishop. Das hier präsentierte Problem
leiht sich übrigens einen Gedichttitel von Henry Wadsworth Longfellow aus.
Sam Loyd
Excelsior 1858
D  London Era – 13. Januar 1861
□ Matt in 5 Zügen
Keine Angst, Sie müssen sich auf keine unmögliche Denkakrobatik einlassen. Beim berühmten Excelsior-Problem darf das „höher
hinauf steigen“ (das ist die frei übertragene
Bedeutung des lateinischen Namens) quasi
im Lehnstuhl genossen werden. Samuel
Loyd, der Puzzlekönig, hat 1858 einem seiner Problemkollegen, Denis Julien, eine
kleine Wette angeboten, da dieser großspurig behauptete, immer sofort die Figur zu
sehen, die keinesfalls matt setzen könne. Nun, wie steht es bei Ihnen? Schenken Sie dieser Stellung ein paar Sekunden Aufmerksamkeit.
▼ Jetzt zur Auflösung: Es ist der Bauer auf b2, der den Exekutor macht! 1.b4!.
Warum nicht gleich Tf5 und matt im nächsten Zug auf f1? Klar, der schwarze
Turm schaltet sich mit einer Fesselung ein (1…Tc5) und damit wird Matt in
5, wie oben gefordert, unmöglich. Trotzdem kommt zunächst 1…Tc5+. Ein
Schlagen 1. …Txc2 wird mit 2.Sxc2 beantwortet – und anschließend exekutiert der Winkelzug Tf5-f1 ganz ungestört. Der freche b-Bauer beseitigt das
erste Hindernis: 2.bxc5 und stellt gleich eine direkte Mattdrohung auf, nämlich 3.Tb1#. Nur 2…a2 kann hier Schutz bieten. Doch das weiße Bäuerlein
marschiert weiter: 3.c6. Ein Schlagen auf 3.cxb6 gibt dem schwarzen Läufer
Zeit, sich mit 3…Lc7 und in der Folge Lf4 oder Lxg3 und Le1 lange genug dazwischenzustellen, um obige Mattforderung in 5 zu unterbinden. Sehen Sie
selbst. Dennoch: 3…Lc7. Wieder geht der Bauer unbeirrt seinen Weg: 4.cxb7.
Das Tragikomische an der schwarzen Lage: Jeder beliebige Zug wird mit der
krönenden Umwandlung des Bäuerleins auf 5.bxa8D# (was für eine Notation!) beantwortet.
Eine alte Zen-Weisheit besagt: Das Hindernis ist der Weg.
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14. Januar: As Time Goes By
Kalender: 1894 wird Lasker gegen Steinitz Weltmeister • D  Humphrey Bogart † 1957 USA
• Nadeschdja Kosinzewa *1985 RUS
Showbiz & Schach
▪▪ Allen, Woody (USA): In seiner typisch ironischen Art meinte Woody Allen
einmal: „I was too small for my school chess team.“ Später schrieb er sogar eine
Kurzgeschichte, die er dem Schachthema widmete.
▪▪ Bogart, Humphrey (USA): Im unvergesslichen Meisterwerk Casablanca begegnen wir Bogart in der Rolle des Barbesitzers Rick beim Durchspielen
einer Schachpartie. Der vom königlichen Spiel besessene Filmstar (er wurde
zum besten männlichen Schauspieler aller Zeiten gewählt) und Kettenraucher (Bogart starb an Lungenkrebs) bestand auf diesen zu seiner Biografie passenden Einstieg. Als aufstrebender Künstler hatte er schließlich
sein Geld beim Zocken in New Yorker Chess Cafés verdient. Bogart teilte
seine Freunde nach deren Schach- wie Trinkfähigkeiten ein. Welch bizarre
Mischung! Einer seiner großen Triumphe war sein Sieg in einer Simultanpartie gegen Sammy Reshevsky.
▪▪ Chaplin, Charlie (England): Das schachbegeisterte Filmgenie nahm bei keinem Geringeren als Sammy Reshevsky Schachstunden.
▪▪ Gabor, Zsa Zsa (Ungarn, USA): Die Grande Dame des Films spielte, so besagen ihre Memoiren, mit ihrem Gatten während der Flitterwochen jeden Tag
Schach. Was für eine Partnerin!
▪▪ Jolson, Al (USA): Der Mann, der 1927 in The Jazz Singer die ersten – improvisierten – Worte der Filmgeschichte sprach („Wait a minute, wait a minute! You
ain’t heard nothin’ yet! Do you wanna hear ‚Toot-toot-tootsie‘?“) gründete auch einen
Schachclub für Radiostars, mit dem doppeldeutigen Titel: Knight ­Riders of the
Air (night = Nacht, knight = Ritter, Springer; beides gleich ausgesprochen).
▪▪ Lennon, John (Großbritannien): In einer seiner Filmkampagnen für den
Frieden spielte John Lennon mit Yoko Ono begleitend zum Song Imagine
eine Partie Schach: Beide verwendeten ausschließlich weiße Steine und ein
weißes Brett, um die Idee von „Peace and Love“ in die Welt zu tragen.
▪▪ Wayne, John (USA): Der Duke war beim Schach durchaus reizbar. Nach
einer vernichtenden Niederlage gegen den wenig bekannten Schauspieler
William Windom soll er in Rage Brett und Figuren vom Tisch gefegt haben
– stilecht passend zum Westernheldenimage. Nun, Windom klaubte das Set
auf und behielt es als Souvenir.
Weitere Schachfreunde im Showbusiness (alphabetisch): Ingmar Bergman, Sarah Bernhardt, Sergei Bondartschuk, Alistair Cooke, Henry Darrow. Marlene Dietrich, Sergei Eisenstein, Douglas Fairbanks, Errol Flynn, Henry Fonda, Milos Forman, Harry Houdini, John
Huston, Stanley Kubrick, Belinda Lee, Peter Lorre, Walter Matthau, Yves Montand, Maureen O’Sullivan, Anthony Quinn, Tim Rice, Roberto Rossellini, George C. Scott, Shirley
Temple, Roger Vadim, Conrad Veidt, Mae West, Billy Wilder
15. Januar: Alte Meister
Kalender: D  Louis Paulsen *1833 GER • Serafino Dubois † 1899 ITA • James Mason † 1905
IRE • Dawid Markelowitsch Janowski † 1927 FRA/POL
Rudolf Charousek – Verzehrt von der Schwindsucht
Als einer der ganz wenigen Spieler mit einer positiven Bilanz gegen Emanuel
Lasker, wurde Charousek von vielen als potenzieller Weltmeister gehandelt.
Und das nach sage und schreibe vier (!) Turnieren, die dem ungarisch-jüdischen Meister Zeit blieben, seine Kunst und Ideenwelt zu zeigen. Dann holte
ihn die Geißel der Zeit, die Tuberkulose, ein, und nach drei Jahren des Leidens
starb das Genie im Jahr 1900 im 28. Lebensjahr.
Louis Paulsen – Deutscher Altmeister
Superb im Blindspiel, doch eher trocken und langatmig im Spiel über dem
Brett, war der zeitweilig in den USA beheimatete Louis Paulsen seinen Zeitgenossen auch in eröffnungstheoretischer Hinsicht deutlich überlegen. Bis heute
trägt ein beliebtes System der Sizilianischen Verteidigung seinen Namen. Paulsen wurde am 15. Januar 1833 in eine schachbegeisterte Gutsbesitzerfamilie
hineingeboren. Kein Geringerer als der Weltmeister Wilhelm Steinitz zollte
Paulsen 1890 gebührenden Respekt: „Anderssen und Paulsen waren meine eigent­
lichen Lehrer für eine beträchtliche Zeit.“ Paulsens späte Jahre bis zu seinem Tod
1891 waren von Diabetes gezeichnet.
Johannes Hermann Zukertort – Beinahe-Champion
Der am 7. September 1842 in Lublin geborene
Zukertort war jüdischer Abstammung. Dies bedeutete im zaristisch dominierten Teil Polens
Repressalien, die schließlich 1955 zur Ausweisung der ganzen Familie führten. Zukertort begann in Breslau ein Medizinstudium, das er jedoch entgegen mancher Quellen nie beendete.
Später zog es ihn nach London, wo er bald zum
führenden englischen Berufsschachspieler aufstieg. Nach seinem großen Turniererfolg in
London 1883 wurde mit dem stärksten Spieler dieser Epoche, Wilhelm Steinitz, ein Weltmeisterschaftskampf vereinbart. Vom 11. Januar
bis zum 29. März 1886 ging es in New York, St.
Louis und New Orleans erstmals um die offizielle Schachkrone. Zukertort zog
sofort 4 : 1 davon, brach danach jedoch physisch und psychisch völlig ein. Von
dieser Enttäuschung konnte sich der ehrgeizige Spieler niemals mehr erholen.
„Ein Schatten seiner selbst“, waren Tarrasch’ Worte. 1888 erlitt Zukertort während
eines Handicap-Turniers in London einen Schlaganfall.
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16. Januar: Rösselsprung
Kalender: Frederick Dewhurst Yates *1884 ENG • Victor Ciocâltea *1931 ROU • Carsten Hoi
*1957 DEN • Eva Repkova *1975 SLK
Worte über den Rösselsprung
Die unorthodoxe Bewegung des Springers wurde in der alten Literatur oft in umständlichster Weise beschrieben. Delektieren Sie sich an ein paar Auszügen aus der deutschbzw. englischsprachigen Literatur (in deutscher Übersetzung).
▪▪ „Die Springer bewegen sich diagonal, vorwärts und rückwärts, auf jedem
dritten Feld, einschließlich des Ausgangsfeldes, von Schwarz nach Weiß und
von Weiß nach Schwarz.“ (Stratagems of Chess, 1817)
▪▪ „Die Bewegungs- und Angriffslinie des Springers ist entlang der Diagonalen
eines 3x2-Parallelogramms, und zwar in jede Richtung auf Felder der anderen Farbe.“ (The Chess Player’s Chronicle, 1842)
▪▪ „Der Springerzug besteht aus dem kürzesten Turmzug und dem kürzesten
Läuferzug, beide auf einmal ausgeführt.“ (Amusements in Chess, 1845, C. Tomlinson)
▪▪ „Der Springer geht etwa 2¼ Felder weit auf die entgegengesetzte Felderfarbe, z. B. von dem weißen Felde b1 nach dem schwarzen Felde c3 und von
diesem auf das weiße Feld e4. … Man erhält den Gang des Springers auch,
wenn man zuerst 1 Feld wie der Thurm, dann weiter abwärts 1 Feld wie
der Läufer geht.“ (Encyclopädie der Spiele 1879, Friedrich Anton)
▪▪ „Er [der Springer] bewegt sich zick-zack, zwei Felder in einer Richtung und
dann ein Feld auf eine beliebige Seite.“ (Chess: An Easy Game, 1914, A. ­Foster/
R. E. Kemp)
▪▪ „Der Springerzug wird vielleicht am besten als Sprung auf das übernächste
Feld unterschiedlicher Farbe beschrieben. … Fußnote: Es könnte hilfreich
sein, sich den vollen Rösselsprung als Buchstabe „L“ vorzustellen, der aus
vier Quadraten besteht, zwei in eine Richtung und einen im rechten Winkel
dazu.“ (Chess and Checkers – The Way to Mastership, 1918, Edward Lasker)
▪▪ „Der Springer zieht in seiner Linie oder Reihe zwei Felder weit und ein Feld
senkrecht dazu. … Es wäre angebracht, den Springerzug zu üben.“ (Brettspiele der Völker, 1931, Emanuel Lasker)
▪▪ „Springer: Wir können sie als Symbol der Fliegerwaffe in unserem Spiel ansetzen, denn ihr Angriff ist ebenso unvorhergesehen, überraschend und aus
der Luft heraus wie bei einem Kampfflugzeug. … Der Springer zieht und
schlägt im sogenannten „Rösselsprung“. Dieser führt ihn zuerst zwei Felder
in irgendeiner geraden Felderreihe von seinem Standfeld aus vor und dann
ein Feld nach seitwärts rechts oder seitwärts links. Er kann also in vier Richtungen – mit je zwei Möglichkeiten – ziehen.“ (Das große Spielmagazin, 1942,
Walther Blachetta)
17. Januar: Schach in der Literatur
Kalender: D  Benjamin Franklin *1705 USA • William Ewart Napier *1881 USA/ENG • Lew
Loschinski *1913 RUS • Lothar Vogt *1952 GER • Maja Tschiburdanidse *1961 GEO •
Sebastian Bogner *1991 GER • Robert Fischer † 2008 USA
Gargantua und Pantagruel
▪▪ Jacobus de Cessolis: Liber de moribus hominum et officiis nobilum ac popularium super ludo scacchorum (Von den Sitten der Menschen und den
Pflichten der Vornehmen und Niederen, um 1275) – Mittelalterliche Moral­
predigt mit dem Schachspiel als Allegorie der Gesellschaft.
▪▪ François Rabelais: Gargantua und Pantagruel (1532–1564) – Schachspiel
mit lebenden Figuren …
▪▪ Miguel de Cervantes: Don Quijote (1605/1615) – Streitgespräch zwischen
Don Quijote und Sancho Pansa über den Wert der Figuren; am Schluss werden diese wie im Leben zusammengemischt und achtlos weggeworfen.
▪▪ Jean-Jacques Rousseau: Er beschrieb in seinen Lebenserinnerungen seine Leidenschaft für das Schach.
▪▪ Johann Wolfgang Goethe: Götz von Berlichingen (1773) – Schachszene im
2. Akt.
▪▪ Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise (1779/1783 uraufgeführt) –
Große Schachszene zwischen Sultan Saladin und seiner Schwester Sittah, die
auf Toleranz abzielt.
▪▪ Friedrich Schiller: Das Schachspiel in seiner eigentümlichen und höheren Bedeutung (Fragment, um 1785), Kabale und Liebe (1784) – Zitate: „Der
Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da
ganz Mensch, wo er spielt“; „Tiefer Sinn liegt oft in manchem Spiel“.
▪▪ Benjamin Franklin: The Morals of Chess (1779) – Moralschrift, die den
sittlichen Wert des Schachs betont.
▪▪ Wilhelm Heinse: Anastasia und das Schachspiel (1803) – Briefroman, in
dem auch Fernpartien vorkommen (mit Analyse).
▪▪ Alexander Puschkin: Eugen Onegin (1823–1830 geschrieben; 1833 veröffentlicht) – Lenski und Olga beim Schachspiel; in seinem Nachlass fand man
Philidors Schachwerk.
▪▪ Iwan Turgenjew: Zweifellos der stärkste Schachspieler unter allen Literaten,
der auch in seinen persönlichen Briefen dem Schach einigen Raum gab.
▪▪ Wladimir Nabokov: Lushins Verteidigung (1930) – Tristes Ende eines
Schachmeisters. O 23. Apr.
▪▪ Stefan Zweig: Die Schachnovelle (1942) – Das berühmteste literarische
Werk über Schach. O 28. Nov.
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18. Januar: FIDE- K.o.-Champions
Kalender: John Wisker † 1884 ENG • Hans-Hilmar Staudte *1911 GER •
Chalifman *1966 RUS • Alisa Galliamova *1972 RUS
D  Alexander
Alexander Chalifman – Überraschungschampion
Der 1966 im damaligen Leningrad geborene FIDE-Weltmeister von 1999 bis
2000 leitet heute in St. Petersburg eine Schachakademie. Trotz seiner unbestreitbaren Erfolge als zweifacher sowjetischer Juniorenmeister wie als Landesmeister von Russland 1996 kam sein Sieg bei der Knock-out-Weltmeisterschaft
mehr als überraschend. Die Turnierbilanz Chalifmans, der fast ein Jahrzehnt in
der deutschen Bundesliga tätig war, sprach eher gegen diesen großen Erfolg.
Rustam Kasimdschanov – Usbekistans Champion
Der Usbeke Kasimdschanov wurde am 5. Dezember 1979 in Taschkent geboren. Heute lebt der kurzzeitige FIDE-K-o.-Weltmeister in Deutschland. Als
54. der Weltrangliste war Kasimdschanovs Sieg bei der WM gegen den Briten
Michael Adams zweifellos die größte Überraschung dieser Parallelweltmeisterschaftszeit zwischen 1993 und 2005. Stabilisieren konnte der ehemalige Asienmeister seine Leistungen bis heute nicht wirklich. Vielleicht jedoch war gerade
dieser Überraschungscoup ein Mitgrund, dass ernsthaft an einer Wiedervereinigung der beiden Weltmeistertitel gearbeitet wurde. 2006 war es dann mit
dem Match Kramnik gegen Topalov endlich so weit.
Ruslan Ponomariow – Jüngster Schachweltmeister
Der am 11. Oktober 1983 in der Ukraine ­geborene
Ruslan Ponomariow war ein wahrer Senkrechtstarter. Schon mit 12 Jahren gewann er die U18-Junioren-EM, mit 13 war er Jugendweltmeister. Im Jahr
darauf verlieh ihm die FIDE als damals jüngstem
Spieler der Geschichte den Großmeistertitel. Und um
dies noch zu krönen, schlug Pono­mariow im Finale
der FIDE-K.o.-Weltmeisterschaft 2002 den favorisierten, sentimentalen Favoriten Wassily Iwantschuk mit
4,5 zu 2,5. Mit kaum 19 Jahren war Ruslan Ponomariow der jüngste Weltmeister der Schachgeschichte.
Seither jedoch ist dieser Erfolgslauf etwas abgerissen. Wir dürfen dennoch gespannt auf die Zukunft
dieses ukrainischen Meisters blicken.
19. Januar: Sprung ins Verderben?
Kalender: Julius Perlis *1880 AUT • Gennadi Kusmin *1946 UKR • Michael Prusikin *1978
GER
Schlüsselfelder zu finden ist nie eine Kleinigkeit – doch in unten stehenden Problemen
wirkt der erste Zug wie ein wahrer „Sprung ins Verderben“. Die Altmeister Arthur Mosely
und Comins Mansfield haben jedoch richtig kalkuliert und den weißen Figuren genug Leben
gelassen um die „Mattbilder in 2“ zu finden. Alain White hat Mansfields Aufgabe überschwänglich als „das Standard-Kreuzschachproblem des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet.
Arthur Mosely
1912
□ Matt in 2
Ohne Computerhilfe werden Sie die nächste
halbe Stunde in tiefes Sinnieren verfallen.
Die Stellung ist ungemein diffus, selbst nach
Auffinden des Schlüsselzugs. ▼ 1.Se4!! Gewaltig, wie sich das Ross in die Schlacht
wirft um das Fluchtfeld d6 zu kontrollieren;
jetzt droht Te8 und matt. Schwarz hat eine
Unzahl von Verteidigungszügen, die diesen Störspringer beseitigen, alle jedoch mit
einem weißen Dacapo: 1…dxe4 2.Ld4#;
1…fxe4 2.De6#; 1…Lxe4 2.d4#; 1…Sfxe4 2.Sxd3#; 1…Scxe4 2.Txd5#;
1…Txe4 2.Dxf5#; 1…Dxe4 2.Dh8#; 1…Kxe4 2.Te8#. Alle weiteren schwarzen
Pläne werden einfach durch 2.Te8# durchkreuzt. Tückisch!
Comins Mansfield
Good Companion C.C. 1917, 1. Preis
□ Matt in 2
Wenn auch fast schon schutzlos im Raum
taumelnd, muss der schwarze Monarch
doch erst kurzfristig zur Strecke gebracht
werden. Mit Brachialgewalt lässt sich dieses
preisgekrönte Problem jedoch auf Anhieb
lösen. ▼ 1.Le4 mit der Drohung 2.Sxc4#.
1…Se5 2.Td3#; 1…Sxd6+ 2.Ld3#;
1…Sxe3+ 2.Sb5#; 1…Sd2+ 2.Sc4#.
Gewaltiger Schlüsselzug!
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20. Januar: Langlebigkeit
Kalender: Mladen Muse *1963 CRO • Paul Tröger † 1992 GER • Hermann Heemsoth † 2006
GER
Schach forever!
Manch ein Schachmeister konnte seine Schaffenszeit über enorm lange Zeiträume ausdehnen, was selbst für diesen Denksport ungewöhnlich ist. Hier sind einige dieser Leckerbissen der Langlebigkeit:
▪▪ John Watkinson übernahm an seinem 20. Geburtstag 1853 den Schachclub
Huddersfield und blieb 70 Jahre lang bis zu seinem Tod am 19. Dezember
1923 Präsident.
▪▪ 1923 wurde Lew Ossipowitsch Mogilyover zum Präsidenten des neu gegründeten Rubinstein-Schachclubs gewählt. Nach 70 Jahren – mit der Schacholympiade in Tel Aviv als Höhepunkt – endete seine Amtszeit.
▪▪ Alexander Kasantsew veröffentlichte seine erste Studie 1926, seine letzte 1996!
▪▪ Ladi Karev, ein früher Schachmeister, lebte in drei Jahrhunderten: Geboren
1797, starb er erst 1901!
▪▪ Michail Michailowitsch Segel spielte noch mit 100 Jahren starke Blitzpartien.
▪▪ Der 1. Präsident der FIDE, Alexander Rueb (Niederlande) war 25 Jahre lang
im Amt, danach 10 Jahre Ehrenpräsident.
▪▪ Hermann Helms, einer der Gründer der US-Federation, wurde mit 84 Jahren zum Internationalen Schiedsrichter ernannt. Er beendete wegen Arbeitsüberlastung gleichzeitig die Schachsektion im Brooklyn Daily Eagle, die
er 61 Jahre geführt hatte, sowie die Funktion als Herausgeber des American
Chess Bulletin (von Helms gegründet und 59 Jahre betreut). Noch ein Rekord:
Beim Turnier von Cambridge Springs 1904 gab Helms erstmals ein tägliches
Bulletin heraus.
▪▪ Svetozar Gligorić gewann 11-mal die jugoslawische Meisterschaft und bekam
als Anerkennung ein Freiticket für den Rest seines Lebens. Bis zum Alter von
75 nutzte er diese einmalige Gelegenheit.
▪▪ Den Rekord bei nationalen Meisterschaften hält mit 17 Titeln die Dänin
Ingrid Larsen. Bei den Männern gewann der Neuseeländer Ortvin Sarapu
16‑mal.
▪▪ Die Johner-Brüder Paul und Hans teilten in einem Zeitraum von 24 Jahren dreimal den Gewinn der Schweizer Meisterschaft (1908, 1928 und 1932). Hans
gewann insgesamt 9-mal, zuletzt 1950 – 42 Jahre nach seinem ersten Sieg.
▪▪ Robert Hübners ersten und letzten nationalen Titelgewinn trennen 32 Jahre.
▪▪ Ein besonderer Rekord gelang Efim Geller im stärksten Schachland aller Zeiten, der Sowjetunion. Er wiederholte seinen Titelgewinn nach 24-jähriger
Pause im Alter von 55 Jahren.
▪▪ Viktor Kortschnoi konnte als fast 70-Jähriger ein GM-Turnier gewinnen.
▪▪ 1985 spielt George Koltanowski im Alter von 82 Jahren 5 Blindsimultan­
partien.
21. Januar: Kandidaten- u. Interzonenturniere
Kalender: Michail Umansky *1952 GER/RUS • Artashes Minasjan *1957 ARM/SOV • Ilja
Smirin *1968 ISR • Hans-Hilmar Staudte † 1979 GER
Offizielle Turniere ab 1946
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gingen die Uhren im Spitzenschach anders. Die
Sowjetische Schachschule brachte eine Armada von Wunderspielern hervor, die fast alle
„Superturniere“ der Nachkriegszeit nach Belieben beherrschten. Darunter bis zum Auftauchen von Bobby Fischer auch die entscheidenden Interzonen- (IZT) und Kandidatenturniere (KT). Nach Protest Fischers wurden ab 1965 Kandidatenwettkämpfe im K.o.-System
ausgetragen, 1985 nochmals mit einem Kandidatenturnier. 1993 gab es parallel dazu ein
PCA-WM-Qualifikationsturnier, das nicht im Rahmen der FIDE ausgetragen wurde. Nach
mehreren K.o.-Weltmeisterschaften veranstaltete die FIDE 2005 neuerlich ein gemeinsames WM-Turnier.
1.
1946 Groningen
1948 Den Haag/Moskau WM
1950 Budapest KT O F9
1952 Saltsjöbaden IZT
1953 Zürich KT
1955 Göteborg IZT
1956 Amsterdam KT
1958 Portorož IZT
1959 Bled/Zagreb/Belgrad KT
1962 Stockholm IZT
1962 Curaçao KT
1964 Amsterdam IZT
1967 Sousse IZT
1973 Leningrad IZT
1973 Petropolis IZT
1976 Manila IZT
1976 Biel IZT
1979 Riga IZT
1979 Rio de Janeiro IZT
1982 Las Palmas IZT
1982 Toluca IT
1982 Moskau IZT
1985 Tunis IZT
1985 Taxco IZT
1985 Biel IZT
1985 Montpellier KT
1987 Subotica IZT
1987 Szirák IZT
1987 Zagreb IZT
1990 Manila IZT
1993 Biel IZT
1993 Groningen PCA
2005 San Luis WM
2.
3.
Botwinnik
Euwe
Smyslow
Botwinnik
Smyslow
Keres/Reshevsky
Bronstein/Boleslawsky
Smyslow
Kotow
Petrosjan
Taimanow
Smyslow
Bronstein/Keres/Reshevsky
Bronstein
Keres
Panno
Smyslow
Keres
5 Spieler
Tal
Gligorić
Petrosjan/Benkö
Tal
Keres
Petrosjan
Fischer
Geller/Petrosjan
Petrosjan
Keres
Geller
Smyslow/Larsen/Tal/Spassky
Larsen
Geller/Gligorić/Kortschnoi
Kortschnoi/Karpow
Byrne
Mecking
Geller/Polugajewski/Portisch
Mecking
Hort/Polugajewski
Larsen
Petrosjan/Portisch/Tal
Tal/Polugajewski
Ribli/Adorján
Portisch/Petrosjan/Hübner
Ribli
Smyslow
Suba
Portisch/Torre
Spassky
Kasparow
Beljawski
Tal/Andersson
Jussupow
Beljawski
Portisch
Timman
Nogueiras
Tal
Waganjan
Seirawan
Sokolow
Jussupow/Waganjan/Sokolow
Sax/Short/Speelman
Salow/Hjartarson
Portisch/Nunn
Kortschnoi
Ehlvest
Seirawan
Gelfand/­Iwantschuk
Anand/Short
Gelfand
7 Spieler
Adams/Anand
5 Spieler
Topalov
Anand/Swidler
37
38
22. Januar: 5-Kronen-Banknote
Kalender: D  Steinitz verteidigt 1891 den WM-Titel gegen Gunsberg • Josef Emil Krejcik
*1885 AUT • Ortvin Sarapu *1924 NZE • Etienne Bacrot *1983 FRA
Schachfragen für Insider I O 29. Mai
Schachfragen, die nur selten gestellt werden – und doch eine Antwort verdienen.
F: Gibt es Banknoten, auf denen Schachspieler abgebildet sind?
A: Ja, Paul Keres auf der 5-Kronen Banknote Estlands (seit 1991). Während der
Hyperinflation Anfang der Zwanzigerjahre gab die Gemeindeverwaltung Ströbeck Notgeld heraus, das 18 verschiedene Schachmotive zeigte, darunter ein
Porträt von Adolf Anderssen. Damals durfte jede Stadt und jedes Dorf eigene
Banknoten anfertigen.
F: Wann wurde zum ersten Mal auf einem Schiff eine Simultanvorstellung gegeben?
A: Mehrere Beispiele sind belegt. 1931 spielte Savielly Tartakower auf der
Massilia im Mittelmeer (Chess, 14. April 1936). Dieses Magazin berichtet allerdings im November 1944 von einer Blindsimultanveranstaltung Harry Nelson
Pillsburys 1899 auf einer Atlantiküberquerung. Ein Buch über Wilhelm Steinitz (von K. Landsberger) erwähnt kurze Schachdemonstrationen während der
Überfahrt nach Amerika 1897/98.
F: Schrieb David Bronstein sein berühmtes Turnierbuch Zürich 1953 wirklich
selbst?
A: Wie er in einem Interview für Revista Internacional de Ajedrez 1993 einräumte,
war es sein Koautor Wainstein, der Bronsteins Analysen und Kommentare zu
den Spielern in Worte kleidete. Bronstein selbst lag nicht viel an diesem Werk.
F: Welches ist das meistverkaufte Schachbuch aller Zeiten?
A: Nicht zuverlässig zu beantworten. Doch nach Aussage des Koautors Stuart
Margulies über die Tantiemen hat sich Fischers Buch Bobby Fischer Teaches Chess
(1966 herausgegeben) mehr als eine Million Mal verkauft.
F: Wer waren die ersten Großmeister?
A: Inoffiziell die fünf Teilnehmer der Endrunde beim Großmeisterturnier St. Petersburg 1914 (nach Berichten der Wiener Schachzeitung und der Deutschen Schachzeitung): Lasker, Capablanca, Aljechin, Marshall und Tarrasch. Zar Nikolaus II. persönlich, ein Liebhaber des Schachs, zeichnete die besten Spieler der
Welt mit diesem Titel aus. Offiziell verlieh die FIDE im Jahr 1950 an 27 Spieler
den Großmeister-Titel.
F: Wie wird die Güte eines Turniers festgestellt?
A: Durch Kategorien, die einen 25-Elopunkte-Abstand haben. Kategorie 1:
2251–2275, Kategorie 2: 2276–2300, … Kategorie 20: 2726–2750, Kategorie 21: 2751–2775. Die Normvergabe hängt direkt von der Qualität eines Turniers ab. Beispiel: In einem Kategorie-7-Turnier müssen für eine GM-Norm
76 Prozent der Punkte erreicht werden, für eine IM-Norm 57 Prozent und für
eine FM- bzw. WGM-Norm 43 Prozent.
23. Januar: Citius, altius, fortius!
Kalender: Johann Wolfgang von Kempelen *1734 AUT •
*1952 BRA
D  Henrique da Costa Mecking
Rising stars
▪▪ Paul Morphy kam nach Europa, besiegte sämtliche Gegner mit vernichtenden Ergebnissen – und zog sich daraufhin völlig vom Schach zurück.
▪▪ Michail Tschigorin war ein Phänomen, erreichte er doch erst als fast Dreißigjähriger innerhalb weniger Jahre Meisterstärke.
▪▪ Harry Nelson Pillsbury gewann Hastings 1895 – sein erstes (!) internationales Turnier. Er sollte diesen Erfolg niemals mehr wiederholen.
▪▪ Ossip Bernstein, russischer Staatsbürger, stieg im Berliner Schachklub innerhalb eines Jahres zur Weltelite auf.
▪▪ José Raúl Capablanca war im Alter von knapp über zwanzig in Europa so gut
wie unbekannt. 1911 erfolgte eine Einladung nach San Sebastián, nicht ohne
Protest einiger Spieler, da Capablanca noch keine Turniersiege aufwies. Es
kam wie es kommen musste: Capablanca triumphierte über die Weltelite.
▪▪ Mario Monticelli ist zweifellos der unscheinbarste Name in dieser Auflistung. 1926 hatte dieser reine Amateur in Budapest mit einem einsamen
Triumph seine Sternstunde. 1985 wurde ihm als altem Mann der Großmeistertitel verliehen.
▪▪ Bobby Fischer gewann 1957 mit 14 Jahren gleich drei amerikanische Meisterschaften: Junior Championship, US-Championship und US Open.
▪▪ Michail Tal war 1957 ein aufsteigender Stern, drei Jahre später saß er auf
dem Weltmeisterthron.
Schachabstinenz
▪▪ Wilhelm Steinitz spielte zwischen 1873 und 1894 in nur zwei (!) Turnieren.
▪▪ Amos Burn spielte vor seinem großen Comeback 1886 (drei erste Plätze)
mehr als fünfzehn Jahre lang nicht einmal eine Kaffeehauspartie.
▪▪ Emanuel Lasker hatte kaum den WM-Retourkampf gegen Steinitz gewonnen, als er sich für drei Jahre in Heidelberg fast ausschließlich seiner Dissertation in Mathematik und dem Studium der Philosophie hingab. 1899
beim Wiedereinstieg in London siegte er dennoch komfortabel mit 23½ von
28 Punkten. Später nahm er weitere lange Auszeiten, zuletzt (1925 bis 1934)
volle neun Jahre.
▪▪ Michail Botwinnik nahm vor dem WM-Kampf 1951 gegen David Bronstein
drei Jahre Auszeit um seinen Doktortitel zu erwerben.
▪▪ Henrique da Costa Mecking, Wunderkind und später Geistlicher, musste sich
Ende der Siebzigerjahre wegen einer Muskelerkrankung vom Schach zurückziehen. 1991 tauchte er geheilt wieder mit großer Ambition in die Szene ein,
mit einem schachlichen Höhepunkt 2002 bei der Olympiade in Bled.
39
24. Januar: Das Goldene Feld
40
Kalender: Henk Mostert *1925 NED
Schach kann bisweilen eine endlose Reise durch den Raum bedeuten. In dieser weltberühmten Studie von Witali Tschechower ist diese notwendig, um zunächst das Goldene
Feld a8 zu erreichen und von dort aus unbeirrt den Weg in die andere, vom Springer
geschützte, Ecke anzutreten.
Witali Tschechower
Das Goldene Feld
1937
□ Weiß gewinnt
Solotoje Polje, Goldenes Feld, ist der sprechende Name dieser berühmten russischen
Studie. Schwarz kann, ohne unmittelbar zu
verlieren, allein den Springer auf h8 ziehen,
Weiß darf seinen König keinesfalls auf ein
weißes Feld bewegen, da ein Läuferschach
mit Einzug des f-Bauern droht. ▼ Daher zunächst 1.Kb2! Sf7 2.Kc3 Sh8 3.Kd4 Sg6;
was aber nun? 4.Ke3 Sh8 5.Kf4 (5.Dh4 Ld3
6.Txh1 gxh1S! – und das Mattfeld f2 ist
überdeckt) 5…Sf7! (5…Sg6? 6.Kg5 mit besserer Stellung) und eine weitere Annäherung ist schwierig, da e5 und g5 vom Springer kontrolliert werden. Auch
der Weg über 6.Ke3 Sh8 7.Kd4 Sf7 8.Kc5 Sh8 9.Kd6 Sg6 führt zur Abriegelung
der schwarzen Felder. Es gibt nur einen Weg, über das sogenannte „Goldene
Feld“: 4.Kc5 Sh8 5.Kb6 Sf7 6.Ka7 Sh8 … und nun (Diagramm 2)
7.Ka8!! – hier gibt es kein lästiges Läuferschach. 7…Sf7 8.Kb8 Sh8 9.Kc7 Sf7
10.Kb6 Sh8 11.Kc5 Sf7 12.Kd4 Sh8 13.Ke5
Sg6+ 14.Kf6 Sh8 15.Kg7 Sf7 16.h8D Sxh8
17.Kxh8 Sg3. Nun muss das andere Ross
aus der Ecknische. 18.Dxg3 L~ 19.Dxg2#.
Der lange Marsch!
25. Januar: Zauberhafte Symmetrien
Kalender: Michail Iwanowitsch Tschigorin † 1908 RUS • Matthias Wahls *1968 GER
In der hier präsentierten Studie von Rinaldo Bianchetti muss jeder Zug wie aus der Zauberkiste kommen – sonst ist remis unvermeidlich. Selbst beim bloßen Nachspielen ist
der Genuss dieser symmetrischen Komposition enorm. Auch die Lehrstudie zum Endspiel
verlangt das Meistern einiger Stellungsfallen.
Rinaldo Bianchetti
1925
□ Weiß gewinnt
Endspielstudie
Elegant und zeitlos wirkt die Symmetrie dieser Stellung. ▼ Nach 1.Lb2! wird das Kunstwerk noch großartiger. 1…Tf8 1…Tf7
2.Th3+ Kg8 3.Th8# 2.Tc7+! Kg8 3.Tg7+!
Kh8 4.Ka2! Nicht aber 4.Kb1? wegen
4…Tf1+ 5.Ka2 Ta1+ 6.Kb3 (Kxa1 patt) Ta3+
7.Kc2 Tc3+ 8.Lxc3 patt oder permanente
Verfolgung des Königs. Weiß ist nun nicht
mehr zu stoppen und auch der Turmzug auf
a8 ist wegen des Abzugschachs nicht mehr
als ein Racheschach.
Ästhetisch!
□ Weiß am Zug, Schwarz gewinnt
Achtung: Alles sieht einfach aus, doch
die Züge müssen exakt gespielt werden.
▼ 1.c5 f4! 2.b5 Kb8! Damit haben wir eine
Zugzwangstellung. 3.a6 Ka7! 4.c6 Kb6!
Blockade der Bauern. 5.Kh2 f3! 6.Kg1 h3!
7.Kf2 h2! Weiß hat nichts mehr, um gegenzuhalten.
Elegantes Ausnützen des Zugzwangs!
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26. Januar: Vom Abstrakten zum Konkreten
Kalender: Gideon Ståhlberg *1908 SWE • Fridrik Olafsson *1935 ISL
Spiegelbilder der Gesellschaft
Unsere vertrauten Schachfiguren haben über eineinhalb Jahrtausende einen ungeheuer
langen Weg zurückgelegt. Dabei mussten sie sich (wie Kunstwerke ganz allgemein) den
gesellschaftlichen und religiösen Vorstellungen der Menschen anpassen. Einige Blitzlichter sollen diese Entwicklung aufzeigen.
Aus der Zeit der Eroberung Persiens durch die Araber (642 n. Chr.) sind be­
dauerlicherweise keine Schachfiguren erhalten. Wir können nur durch Quellenangaben schließen, dass sowohl indische wie auch persische Figurensätze
eine gegenständliche Abbildung zeitgenössischer Armeen darstellten. Ganz
verändert war die Situation im arabischen Raum. Wenn auch der Koran gegenständliche Kunst nicht prinzipiell verbot, so gab es doch deutliche religiöse
Vorbehalte. Daher wurden nun ausschließlich abstrakte Spielfiguren hergestellt, die zudem den Vorteil der einfachen Handhabung hatten. Keinesfalls bedeutete dies jedoch einen Mangel an Ästhetik und Eleganz.
Spanien, Süditalien und Sizilien kamen unter arabischer Herrschaft früh mit
dem Schach in Verbindung. Ob Russland über byzantinische Kaufleute, die die
Flusssysteme von Wolga und Dnjepr entlang reisten, das Schach kennen lernte,
oder vielleicht doch schon frühere direkte arabische Einflüsse stattfanden, ist
bis heute nicht sicher zu beurteilen. Jedenfalls wurden die arabischen Figurensätze spätestens zu Beginn des 11. Jahrhunderts durch gegenständlichere
Formen ersetzt, die der Bildersprache des Christentums und der klassischen
Antike entsprachen. Für König und Springer gab es direkte europäische Vorbilder, die übrigen Figuren wurden frei den herrschenden Gesellschaftssystemen
angepasst. Zwei Beispiele sollen den Wandel vom Abstrakten zum Gegenständlichen verdeutlichen.
Figurenset Kaiser Karls des Großen (16 Stück erhalten), Süditalien, Elfenbein, 11./12. Jh.: Thematisch noch mit dem arabischen Raum verbunden (Streit­
wagen, Elefant), sind diese Figuren plastisch wunderbar ausgestaltet. (D O F4)
Lewis Schachfiguren (78 Figuren aus mehreren Sätzen), Hebriden, Schottland, Walross-Elfenbein, spätes 12. Jh.: Vermutlich wurden sie durch skandinavische Seeleute auf die Britischen Inseln gebracht. Sie stellen die berühmtesten mittelalterlichen Spielfiguren dar, die vollständig ein europäisches
Gesellschaftssystem widerspiegeln: König, Königin, Bischof, Ritter (Springer)
und Türme. Alle haben menschliche Züge, wenn auch einen überaus grimmigen Blick. Nur die Bauern sehen eher wie Grabsteine aus. Die Bischöfe, mit
10,2 cm die größten Spielsteine, tragen Bischofsstab und Bibel mit sich. Die
Türme vermitteln den Eindruck von Berserkern. Alle Figuren sind detailliert
mit Kleidung und Waffen dargestellt. Der Übergang von der abstrakten zur
konkreten Spielfigurendarstellung war damit vollendet. O F4
27. Januar: Alice hinter den Spiegeln
Kalender: William Davies Evans *1790 WAL • D  Lewis Carroll *1838 ENG • Erich Zepler
*1898 GER • Alexander Nikitin *1935 RUS • Jeroen Piket *1990 NED
Through the Looking-Glass and What Alice Found There
1871 wurde von Lewis Carroll (Charles Lutwidge Dodgson) der Nachfolgeband von Alice in
Wonderland herausgegeben. Anders als im ersten Band, wo Spielkarten das durchgängige
Thema darstellen, spielt die Handlung bei Alice hinter den Spiegeln rund um eine Schachpartie. Der Schluss einer regulären Partie bietet den Rahmen für eine bizarre und gleichzeitig liebevolle Reise in eine andere Welt. Alice, die in die Rolle des weißen Damenbauern
schlüpft, muss ihren König nicht aus dem Schach bewegen; sie macht alle Züge beider
Farben, allerdings nicht unbedingt in der gewohnten abwechselnden Folge; die Rochade
der Damen ist eine weitere Spezialität dieser Anderswelt. Bekannt wurden das Nonsensgedicht Jabberwocky, das Ei Humpty Dumpty, die Zwillinge Tweedledee und Tweedledum
und die Rote Königin. Empfehlenswert ist die wunderbar kommentierte Ausgabe von Martin Gardner mit Originalillustrationen von John ­Tenniel.
Alice könnte ganz traditionell spielen (Matt
in 3): 1.Sg3+ Ke5 2.Dc5+ Ke6 3.Dd6#. Auf
1…Kd4/Kd3 folgt 2.Dc3#. Doch Hinter den
Spiegeln verläuft alles ganz anders: 1. Alice
(Bd2) begegnet der Roten Königin /Rote
Königin auf h5; 2. Alice trifft auf d4 (die
Reise geht per Bahn über d3) Tweedeldee
und Tweedledum /Weiße Dame auf c4;
3. Alice begegnet der Weißen Dame /Weiße
Dame verwandelt sich auf c5 in ein Schaf;
4. Alice auf d5 /Weiße Dame lässt auf dem
Weg nach f8 ein Ei zurück; 5. Alice trifft das Ei Humpty Dumpty auf d6 /Weiße
Dame auf c8; 6. Alice durchquert einen Wald nach d7 /Roter Springer auf e7;
7. Weißer Springer nimmt Roten Springer /Weißer Springer hüpft auf f5 zurück; 8. Alice krönt sich auf d8 /die Rote Dame eilt auf das schwarze Königsstartfeld e8; 9. Alice wird ­Königin /Die Königinnen rochieren; 10. Alice rochiert bei einem Fest /Weiße Dame geht auf a6; 11. Alice nimmt die Rote
Königin und setzt damit den statisch bleibenden König matt.
Alice in Wonderland (V. R. Parton 1953)
Grundidee: Zwei Bretter (A mit Grundstellung, B leer), eine Figur muss nach
ihrem Zug auf das entsprechende Feld ins andere Brett gesetzt werden. (1) Ein
Spieler darf wählen, auf welchem Brett er seinen Zug machen möchte. (2) Ein
Zug muss auf dem Brett, auf dem er ausgeführt wird, zulässig sein. (3) Eine
Figur darf nur auf ein Feld bewegt werden oder schlagen, wenn das entsprechende Feld am anderen Brett leer ist. Direkte Schachs sind daher nur auf dem
Brett möglich, wo sich die ziehende Figur hinbewegt, d. h., wo der nun bedrohte
König steht, Abzugschachs dagegen auf dem Brett, auf dem gezogen wird.
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28. Januar: Harun al-Raschid
Kalender: D  Karl der Große (*748)–814† • Valentina Borissenko (geb. Belova) *1920 RU
Chronologie 1 – von 580 bis 1000 Q 10. Februar
D – Deutschland, CH – Schweiz, Ö – Österreich, alle anderen Eintragungen (Steinitz, Lasker etc.) sind auch internationale Meilensteine
um 580 – Die moderne Form des Schachspiels (Chaturanga, Shatrang) dürfte
im heutigen Indien, in der Gegend des Punjabs, entstanden sein. Dafür finden sich deutliche Hinweise im persischen Nationalepos Schāhn āme (verfasst
von Ferdaus ī). Auch China wird als mögliche Quelle dieses Brettspiels gesehen.
O 1. Jan.
um 600 – In Indien ist Schach mit vier Spielern und einem Einsatz von Würfeln verbreitet.
um 680 – Das königliche Spiel wird unter dem Namen Shatranj [sprich: Schatrandsch] in Persien bekannt.
um 690 – Die ersten eindeutig als Schachfiguren zu identifizierenden Funde,
die sogenannten Afrasiab-Figuren, werden in Samarkand gemacht.
um 800 – Maurische Eroberer bringen das Schach nach Spanien und fast zeitgleich nach Sizilien. [Gibraltar wurde bereits 711 erobert]
um 800 – Kalif Harun al-Raschid schickt – so die Legende – eine Gesandtschaft ins Frankenreich Karls des Großen, die unter anderem ein Schachspiel
überreicht.
um 820 – Das arabische Schach wird mit festen Figurenaufstellungen, sogenannten Tabijas, begonnen. Zudem finden sich in den frühen islamischen
Handschriften berühmte Mansuben (Schlusskombinationen).
um 940 – Der arabische Historiker al-Mas’ūdi erzählt in seinem Werk Die goldenen Wiesen und Edelsteingruben die Legende von den Weizenkörnern. O 2. Jan.
um 946 – Die von as-Suli komponierte Mansube „Matt der Dilaram“ findet sich
in der Stambuler Handschrift. O 5. Jan.
um 980 (begonnen 976) – Abū l-Qāsem-e Ferdausī erwähnt im monumentalen persischen Nationalepos Schāhn āme (Buch der Könige) an zwei Stellen das
Schachspiel. O 2. Jan.
um 990 – Vermutlich erreicht das Schachspiel um die Jahrtausendwende deutschen Boden. Ein vom Tegernseer Mönch Froumund ca. 1030 verfasster Roman
erwähnt jedenfalls dieses Spiel.
um 990 – Das Gedicht von Einsiedeln (auch Versus de scachis) beschreibt das Schachspiel, die Regeln und einige grundlegende Strategien.
996 – Der erste bekannte Meister der Schachgeschichte, as-Suli, stirbt, hinterlässt jedoch in seinem Buch über das Kalifat al-Mutawakkils den ältesten Bericht über eine Schachpartie: al-Adli gegen ar-Razi.
um 1000 – Das Schachspiel erreicht über Byzanz im Süden und die Wikinger
im Norden Russland.
29. Januar: Porträt: Boris Spassky
Kalender: Irving Chernev *1900 USA • Hans-Joachim Hecht *1939 GER • Raymond Keene
*1948 ENG
Boris Wassiljewitsch Spassky
*30. Januar 1937 in Leningrad (Sankt Petersburg)
Russland/Sowjetunion
D  10. Schachweltmeister von 1969 bis 1972
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30. Januar: Biografie: Boris Spassky
Kalender: Sam Loyd *1841 USA • D  Boris Wassiljewitsch Spassky *1937 FRA/RUS • Alexej
Drejew *1969 RUS • Marta Michna *1921 GER/POL
Der Bär mit der russischen Seele
Der am 30. Januar 1937 in Leningrad geborene
Boris Wassiljewitsch Spassky sollte erst nach seiner Niederlage 1972 gegen den Amerikaner Bobby
Fischer weltweite Popularität erlangen. Nicht auf
Grund seines exzellenten Schachs, wohlgemerkt,
sondern vielmehr wegen der höflichen, umgänglichen, kultivierten und weltgewandten Art und
Weise, wie er mit den Launen und exzentrischen
Eskapaden des Amerikaners umging. In der Niederlage bewies Spassky Größe, und er blieb auch
nach Fischers selbst gewählter Entsagung vom
Schach eine der wenigen Kontaktpersonen zum
Amerikaner.
Früh besuchte Spassky den Schachzirkel im dortigen Pionierpalast, früh jedoch war auch Spasskys Achillesferse spürbar, seine geringe Zielstrebigkeit,
sein Minimum an Arbeitseinsatz, seine psychologischen Probleme. 1958 nach
einer Niederlage bei einer Entscheidungspartie gegen Tal „lief ich auf die Straße
und schluchzte wie ein Kind. … Tief innerlich fehlt mir der Glaube an mich selbst“, so
Spassky. Die Scheidung der Eltern, die jüdische Abstammung mütterlicherseits,
das Wunderkind-Phänomen, überall gab es Parallelen zu seinem letzten großen Gegner Bobby Fischer.
Spassky war stets unstet. Er führte mehrere Ehen, er trennte sich von seinen Trainern, und wurde nie Mitglied der kommunistischen Partei. Politisch
wurde er seit 1972 als unzuverlässig eingestuft und bekam wegen Trainingsmangels sogar ein mehrjähriges Auslandsspielverbot. Und dennoch ging es seit
1961 steil aufwärts. Sieg bei der UdSSR-Meisterschaft 1961, Sieg beim Zonenturnier 1964, geteilter Sieg beim Interzonenturnier 1964, glorreiche Siege bei
den Kandidatenwettkämpfen. Der Weg zum Kampf um die Schachkrone war
frei. Doch hier stand der ungemein zähe, ausdauernde, jede Gefahr witternde
Tigran Petrosjan. Drei weitere Jahre des Wartens folgten. Erst 1969 war Spassky
am Ziel … und doch war es nur ein Anfang. Das „Match des Jahrhunderts“
sollte 1972 in Reykjavik folgen.
Wir alle wissen, wie dieses Psychodrama ausging. Im „Kampf der Systeme“,
zu dem die Begegnung Spassky gegen Fischer hochstilisiert wurde, musste der
sensiblere Spieler unterliegen. Und der hieß eindeutig Boris Spassky. Dennoch
gewann der Leningrader gerade in diesem Match die Herzen der Schachwelt.
Abschließend die Stimme von Svetozar Gligorić: „Spassky hat die kolossale Fähigkeit, sich auf die unterschiedliche Spielweise jedes Gegners einzustellen.“
31. Januar: Platz im Louvre
Kalender: Curt von Bardeleben † 1924 GER • Ju Wenjun *1991 CHN
Kasparow – Topalov Wijk aan Zee, 31. Januar 1999 D 
Garri Kasparow beurteilte diese Partie ähnlich wie die Fachwelt: Wunderbar! (Larry Christiansen: „Sie verdient einen Platz im Louvre“; Lubomir Kavalek: „… die faszinierendste
Partie, die je gespielt wurde“; Kasparow: „… die beste Partie meines Lebens“). Mit
sehenswerten Turmopfern und einer gnadenlosen Verfolgungsjagd auf seinen König wird
Topalov schließlich in die Knie gezwungen. Empfehlenswert!
1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 g6 4.Le3 Lg7 5.Dd2 c6 6.f3 b5 7.Sge2 Sbd7 8.Lh6
Lxh6 9.Dxh6 Lb7 10.a3 e5 11.0–0–0 De7 12.Kb1 a6 13.Sc1 0–0–0 14.Sb3
exd4 15.Txd4 c5 16.Td1 Sb6 17.g3 Kb8 18.Sa5 La8 19.Lh3 d5 20.Df4+ Ka7
21.The1 d4 22.Sd5 Sbxd5 23.exd5 Dd6 (Diagramm 1)
24.Txd4!! Nach eigenen Aussagen hoffte
Kasparow inständigst auf ein Rückschlagen
des Gegners. 24…cxd4? Ausgleich brächte
laut Kasparow 24…Kb6!, worauf 25.Sb3!
Lxd5! 26.Dxd6+ Txd6 27.Td2 Td8 28.Ted1
folgt. 25.Te7+! Kb6 25…Dxe7 26.Dxd4+
Kb8 27.Db6+ Lb7 28.Sc6+ Ka8 29.Da7#.
26.Dxd4+ Kxa5 27.b4+ Ka4 28.Dc3
28.Ta7!! ist nach Lubomir Kavalek der
schnellere Weg zum Sieg. 28…Dxd5 29.Ta7!
Lb7 30.Txb7 Dc4 Zäheren Widerstand bot
30…The8! Kasparow: 31.Tb6 Ta8 32.Lf1!! Te1+! 33.Dxe1 Sd7 34.Tb7!! Dxb7
35.Dd1! Kxa3 36.c3+– /ebenfalls besser: 30…Se4! 31.fxe4 Dc4 32.Ta7!! Td1+
(32…Ta8 33.De3+–) 33.Kb2 Dxc3+ 34.Kxc3 Td6 35.e5 Tb6 36.Kb2 Te8 37.Lg2!
Td8 – um das Feld d5 zu überdecken (37…Txe5 38.Lb7+–) – 38.Lb7 Td7
39.Lc6!! Td8 (39…Td2 40.Le8+–; 39.Txa7 40.Ld5 und matt im nächsten Zug)
40.Ld7+–. 31.Dxf6 Kxa3 32.Dxa6+ Kxb4 33.c3+! Kxc3 34.Da1+ Kd2
35.Db2+ Kd1 (Diagramm 2)
36.Lf1!! Kasparow: „Weiß greift die schwarze
Dame an, die nicht ziehen darf. Lässt sie das
Feld e2 unbewacht, so setzt Weiß mit De2
im nächsten Zug matt, geht sie nach e6, so
setzt Dc1 matt.“ Auf 36…Dxf1 folgt 37.Dc2+
Ke1 38.Te7+ und Matt im nächsten Zug.
36…Td2 37.Td7! Txd7 38.Lxc4 bxc4
39.Dxh8 Td3 40.Da8 c3 41.Da4+ Ke1 42.f4
f5 43.Kc1 Td2 44.Da7.
Hier entschied sich Topalov, aufzugeben. Die Pressemeldungen liefen nun um die Welt …
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