COMED-Artikel über Ernährungsberatung im Einklang mit den Genen.

Transcrição

COMED-Artikel über Ernährungsberatung im Einklang mit den Genen.
Vitalstoffe / Ernährung
Ernährungsberatung im Einklang mit den Genen
Eine genetische Stoffwechselanalyse liefert individuelle Ernährungs- und Trainingsvorschläge | Renate Petersen
Ausgehend von den neuesten Daten und
Erkenntnissen ist kaum noch abzustreiten, dass jetzt auch Deutschland von der
bereits als Zivilisationskrankheit anerkannten Adipositas überrollt wurde. Mehr
als die Hälfte aller Frauen und 67 % der
Männer in Deutschland sind übergewichtig, haben also einen Body-Mass-Index
(BMI) von über 25, wie den Ergebnissen
der „Studie zur Gesundheit Erwachsener in
Deutschland“ (DGES) des Bundesministeriums für Gesundheit und des Robert KochInstituts entnommen werden kann. [1]
Erschreckend sind diese Zahlen vor allem
wegen der Vielzahl an Folgeerkrankungen,
die durch Übergewicht verursacht werden.
So besteht ein hohes Risiko, das mit Hypertonie und Störungen des Fett- bzw. Blutzuckerstoffwechsels verbundene metabolische Syndrom zu entwickeln, welches später
zu Gefäßerkrankungen (u. a. Herz-/Lungeninfarkte, Schlaganfälle, Venenthrombosen),
Krebs oder psychischen bzw. sozialen Problemen führen kann. [2, 3, 4]
Doch wer in der Beratung tätig ist, weiß,
dass es nicht die eine Diät schlechthin gibt.
Allein das Internet liefert Millionen von
Treffern und Diät-Vorschlägen. Zusätzlich
sind viele Menschen durch Zeitschriften und
Ratgeber verunsichert, sodass die Suche
nach der optimalen Diät der Suche nach der
Nadel im Heuhaufen gleicht.
Unklar ist, ob es eine „optimale Diät“ tatsächlich gibt.
Zwar nimmt jeder ab, der insgesamt weniger
Kalorien zu sich nimmt, als er verbraucht,
allerdings gibt es auch hier Unterschiede.
Manche Menschen erzielen weitaus bessere
Erfolge, wenn sie den Verzehr von Proteinen
reduzieren, bei anderen funktioniert dagegen die Reduktion des Anteils an Kohlenhydraten in der Nahrung. Die Ursache dafür
finden wir in unserem Stoffwechsel und damit verbunden auch in unserer genetischen
Veranlagung. Begründet liegt dies in der
seit Jahrtausenden andauernden menschlichen Evolution. [5]
26
So haben sich die frühen Jäger und Sammler
hauptsächlich von Fleisch und Fisch ernährt. Sie nahmen auf diese Art zwar einen
erheblichen Anteil an Fetten und Proteinen,
jedoch vergleichsweise wenige (hauptsächlich pflanzliche) Kohlenhydrate zu sich. Zusätzlich gab es zwischen den Mahlzeiten
häufig eine Phase des Hungerns, da Nahrung
nicht durchgehend vorhanden war. Durch
das Sesshaftwerden der Menschen und die
damit verbundene Domestizierung von
Nutztieren sowie die Entwicklung der Landwirtschaft haben sich auch die Ernährungsgewohnheiten gewandelt. Ab diesem Zeitpunkt standen vorwiegend tierische Milchprodukte, Reis und Getreide (langkettige
Kohlenhydrate) auf dem Speiseplan. [6]
Auch die körperliche Betätigung hat sich im
Laufe der Jahrhunderte verändert. Während
die frühen Nomaden für ihre Nahrungssuche
besonders auf Schnelligkeit und Geschicklichkeit setzen mussten, war für sesshafte
Ackerbauern eher eine gute Ausdauer von
Vorteil.
Dieser Entwicklungsvorgang verlief allerdings keinesfalls bei allen Menschen gleich,
sodass sich im Laufe der Jahre unterschiedliche Stoffwechseltypen herausgebildet haben.
Als Folge dieses Adaptionsprozesses verbraucht jeder Mensch daher unterschiedlich
viele Kalorien und hat einen differenzierten
Bedarf an Nährstoffen. Diese Erkenntnisse
sind in der Wissenschaft weithin bekannt.
Selbstverständlich ist der Kalorienverbrauch auch von anderen Faktoren abhängig. So spielen unter anderem das Alter und
das Geschlecht sowie der allgemeine Trainingszustand eine Rolle. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass ein erhöhter
Muskelmasseanteil für einen höheren Energiebedarf sorgt.
Allerdings besagt eine Studie der Stanford
University (USA), dass eine auf die Gene abgestimmte, natürliche Ernährung um den
Faktor 2,5 erfolgreicher ist als ein allgemeiner, willkürlich ausgewählter Diät-Plan. [7]
Renate Petersen
ist gelernte Arzthelferin und seit 2006
als selbständige Ernährungsberaterin
in Köln tätig. Mit Hilfe Ihrer Weiterbildungen in den Bereichen Ernährungsund Diättherapie, Diabetes, NLP, EMSTraining sowie Fitness und Wellness ist
es ihr in ihrer langjährigen Berufserfahrung gelungen, vielen Menschen bei ihrer Ernährungsumstellung zu helfen.
Seit 2011 ist sie CoGAP MetaCheck®Beraterin.
Kontakt:
[email protected]
www.renatepetersen.de
Erst vor kurzem ist es gelungen, dieses Wissen so umzusetzen, dass es auch in der Praxis verwendet werden kann. Federführend
war in Deutschland ein Kölner Unternehmen, das in wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit der Universität Köln und der
Deutschen Sporthochschule Köln eine genetische Stoffwechselanalyse (CoGAP MetaCheck®) entwickelte, dessen Ergebnis eine
lebenslange Gültigkeit hat.
Der Analyse gelingt es, durch die genaue
Untersuchung der jeweils relevanten Stoffwechselgene, ihrer Ausprägungen sowie deren Interaktionen miteinander jeden Menschen einem bestimmten MetabolismusTypen (Meta-Typ) zuzuordnen.
Die Auswahl der untersuchten Gene erfolgt
dabei nach strengen Kriterien. Insbesondere werden solche Gene berücksichtigt, die
bei verschiedenen Menschen unterschiedlich starke Ausprägungen vorweisen und die
in Bezug auf das Gewichtskontrollsystem
(Energieaufnahme und Verarbeitung der
Oktober | 2012
Vitalstoffe / Ernährung
Abb. 1: Vergleich genotypgerechte und nicht genotypgerechte Diät
Makromoleküle) eine wichtige Funktion
übernehmen. Ebenso aber auch Gene, deren
Wirkung im Körper mit Hilfe von Ernährungund Verhaltensänderungen positiv stimuliert werden kann. Um herauszufinden, welche Gene relevant sind, wurden über 1.000
wissenschaftliche Studien ausgewertet, wobei die Replizierbarkeit der Studienergebnisse, deren Signifikanz und die Validität
der Studienmethoden besonders im Fokus
standen.
Obwohl die Analyse hochkomplex ist, fällt
das Ergebnis einfach und nachvollziehbar
aus. Aufgrund der unterschiedlichen Kombination genetischer Variationen in der DNA
läuft die Energieaufnahme und der Abbau
bzw. die Verstoffwechselung der einzelnen
Makronährstoffe (Proteine, Kohlenhydrate,
Fette) von Mensch zu Mensch unterschiedlich ab. Ebenso kann man zwischen der Art
der sportlichen Belastung differenzieren,
die jeweils am effektivsten für die Kalorienverbrennung sorgt. Dadurch lässt sich bei
jeder Person eine bestimmte genetische
Sportvariante feststellen.
Die Kölner Wissenschaftler identifizierten
letztendlich vier Meta-Typen (Alpha α, Beta
β, Gamma γ und Delta δ) in unterschiedlicher Ausprägung, denen jeder Mensch zugeordnet werden kann.
Während der Alpha-Typ besonders Proteine
sehr gut aufnehmen und verarbeiten kann,
d. h. bei einer geplanten Gewichtsreduktion
der Anteil an Fetten und Kohlenhydraten in
der Nahrung reduziert werden sollten, verwertet der Meta-Typ Beta zusätzlich zu den
Proteinen auch Fette ziemlich gut, sodass
Oktober | 2012
hier für eine Gewichtsabnahme eher eine
kohlenhydratarme Ernährung im Vordergrund stehen sollte. Bei diesen beiden Meta-Typen gilt es außerdem zu beachten,
dass die größten Erfolge beim Abnehmen erzielt werden, wenn zwischen den drei festen
Mahlzeiten jeweils keine weitere Nahrungsaufnahme erfolgt. Im Unterschied dazu
steht der Gamma-Typ, der auf die Verstoffwechselung der Kohlenhydrate ausgerichtet
ist und dem im Rahmen einer Diät empfohlen wird, vor allem Fette und Proteine in der
Nahrung zu meiden. Schließlich gibt es
noch den Meta-Typ Delta, dessen Stoffwechsel sowohl auf die Verarbeitung von
Fetten, als auch auf die von Kohlenhydraten
ausgerichtet ist, der jedoch zur optimalen
Gewichtsreduktion nur einen verringerten
Anteil an Eiweißen zu sich nehmen sollte.
Darüber hinaus lassen sich anhand der jeweiligen Veranlagung auch die für die Gewichtsreduktion relevanten individuellen Sportempfehlungen über die DNA-Analyse ermitteln.
Daraus kann man zwei Sportvarianten ableiten: die Sportvariante E, wie „Endurance“
(engl. für Ausdauer) und die Sportvariante
S, wie „Speed“ (engl. für Schnelligkeit).
Beide klassifizieren ihrem Namen gemäß
unterschiedliche Sport- bzw. Trainingsarten, die für einen besonders effektiven Kalorienverbrauch ausgeübt werden sollten.
Mit dieser Möglichkeit, Ernährung und Sport
individuell auf die Klienten abzustimmen,
habe ich persönlich sehr gute Erfahrungen
gemacht. Die Stoffwechselanalyse hat sich
als optimale Grundlage für jede Ernährungs-
Vitalstoffe / Ernährung
Diät in Kombination mit Kraftausdauertraining und mit meiner persönlichen Betreuung und Unterstützung in zehn Wochen ihr
Gewicht um 10 kg reduzieren können.
Abb. 2: Gewichtsverlust (kg) in 12 Monaten
beratung herausgestellt, da man anhand des
Meta-Typs viel individueller und spezifischer auf die Bedürfnisse der Klienten eingehen kann. Auch die Folgebetreuung der
Ratsuchenden ist effizienter und dauerhafter, wenn man die genetische Veranlagung
berücksichtigt.
In meiner Ernährungsberatung haben sich
einige Aspekte des Tests als besonders hilfreich erwiesen. So sind für den Ablauf weder
komplizierte Eingriffe noch lästige Blutabnahmen nötig, da ein Wangenabstrich für
die spätere Laboranalyse genügt. Es werden
auch keine Aussagen bezüglich Krankheitsrisiken oder Verwandtschaftsbeziehungen
getroffen, da ausschließlich die Stoffwechselgene und ihre Interaktionen untersucht
werden.
Des Weiteren konnte ich feststellen, dass
vor allem der langfristige Erfolg durch die
Ernährungsumstellung und die zusätzliche
Bewegung gesichert ist. Es gibt keine absoluten Verbote, daher ist die Gefahr des JoJo-Effektes nahezu ausgeschlossen und einseitige Diäten und Mangelernährung sind
passé.
Auch untergewichtige Patienten, die zunehmen möchten, können von der Stoffwechselanalyse profitieren. Da es in diesem Bereich jedoch keine ausreichenden
wissenschaftlichen Studien gibt, sollte eine Gewichtsregulation hier nur unter engmaschiger professioneller Kontrolle erfolgen.
Beispiele aus der Praxis
Fall 1
Heike hat als Meta-Typ „Alpha – S“ durch die
typgerechte Umstellung auf proteinreiche
Ernährung sowie Low-Carb- und Low-Fat-
28
Allgemein hat sich insbesondere bei Ratsuchenden mit der Sportvariante S (Speed)
der Einsatz des Kraftausdauertrainings EMS
(Elektroden-Muskel-Stimulation) hinsichtlich der Gewichtsreduktion als überdurchschnittlich effektiv herausgestellt. Hierbei
handelt es sich um ein Ganzkörpertraining,
das an Sporthochschulen erprobt wurde und
hocheffizient wirkt. [8] Das EMS-Training
mit MIHA-Bodytec ist ein modernes, sehr
effektives Ganzkörpertrainingsgerät, welches in 20 Minuten dieselben Effekte erzielt
wie ein achtstündiges konventionelles
Krafttraining und zudem die Gelenke
schont. Das Prinzip beruht auf der gleichzeitigen Muskelstimulation von Agonisten sowie Antagonisten, wie z. B. Bauch- und Rückenmuskulatur.
Durch den Gentest kann man Klienten erkennen, die aufgrund ihres Genotyps am
meisten von dem EMS-Training profitieren,
wodurch das Training effektiver und die Ergebnisse für die Kunden noch positiver werden.
Heike reichten zwei wöchentliche Trainingseinheiten, kombiniert mit der Ernährungsumstellung auf drei proteinbetonte Hauptmahlzeiten (ohne Zwischenmahlzeiten).
Hier konnte sie sich an den LebensmittelEmpfehlungen ihres persönlichen AnalyseErgebnisses orientieren. Mittlerweile fühlt
sie sich sehr wohl. Sie weiß, welche Lebensmittel sie gut verstoffwechselt und welche
sie nur selten zu sich nehmen sollte und bei
welcher Sportart sie mehr Kalorien verbraucht.
Fall 2
Im Gegensatz zu Heike ist Katharina MetaTyp „Gamma – E“ und verstoffwechselt Kohlenhydrate gut, jedoch Fette und Proteine
weniger gut. Zur Gewichtsreduktion hat sich
bei ihr die Low-Fat-Diät mit einer Kalorienrestriktion und fünf kleinen Mahlzeiten, die
über den Tag verteilt werden, gut bewährt.
Auf diese Weise hat Katharina S. ihr Gewicht
gesund und ohne die üblichen Hungerattacken reduziert. Passend für ihre Sportvariante E (Endurance) wählten wir Radfahren
(40 Minuten täglich zur Arbeit) und
Schwimmen (zweimal wöchentlich), sodass
sie sich wieder gesund und leistungsfähig
fühlt.
Fazit
Zusammenfassend stellt der hier vorgestellte Gentest für Berater ein sehr hilfreiches
Mittel für eine individuell angepasste Ernährungsumstellung dar. Dadurch, dass die
Klienten eine auf ihre Gene ausgerichtete
Auswertung erhalten, werden sie zusätzlich
motiviert, ihre Ernährung an die individuelle genetische Prädisposition anzupassen.
Ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung
heraus sagen, dass Beratung und Betreuung
dadurch insgesamt effizienter und dauerhafter ausfallen.
Literaturhinweis
1. Robert Koch-Instituts (RKI), Bundesministeriums für
Gesundheit (BMG): Erste Ergebnisse der „Studie zur
Gesundheit Erwachsener in Deutschland“. 2012
2. Ay, Cihan et al.: Venous thromboembolism – a manifestation of the metabolic syndrome. Haematologica,
92 (3): 374-80
3. Metaanalyse der World Cancer Research Foundation
(WCRF). 2007
4. Wadden, Thomas A., Stunkard, Albert J.: Handbook of
Obesity Treatment. Guilford Press, 2002
5. Verginelli, Fabio et al.: Nutrigenetics in the Light of
Human Evolution. Journal of Nutrigenetics and Nutrigenomics 2009 (2): 91-102
6. Hans-Peter Uerpmann: Von Wildbeutern zu Ackerbauern – Die Neolithische Revolution der menschlichen
Subsistenz. Mitteilungen der Gesellschaft für Urgeschichte – 16; 2007: 55-74
7. Dopler-Nelson, Mindy et al.: Genetic Phenotypes Predict Weight Loss Success: The Right Diet Does Matter.
Abstract 735; NPAM Conference, 2010
8. Verbesserung der Kraft- und Sprintfähigkeit: Klassisches Freihanteltraining vs. Elektromyostimulationstraining
https://www.dshs-koeln.de/wps/portal/
train_de/home/Forschung/KraftdiagnostikBewegungsforschung/Kraft+EMS+Sprint?WCM_PORTLET=
PC_7_D5U2AB1A008OF02BNK3KQF34H0_WCM&WCM
_GLOBAL_CONTEXT=/wps/wcm/connect/train_de/
home/Forschung/KraftdiagnostikBewegungsforschung/Kraft+EMS+Sprint,
letzter
Aufruf
25.09.2012.
Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL)
Die genetische Stoffwechselanalyse
wird bisher noch nicht von Krankenkassen übernommen, sondern im Rahmen
einer individuellen Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten. Die reinen
Analysekosten, die sich an GoÄ-Ziffern
orientieren, belaufen sich auf 204 €.
Partner können neben Ärzten auch Ernährungsberater und Heilpraktiker werden, die eine Zusatzqualifikation im
Bereich Ernährung vorweisen können
(z. B. ein DGE-Zertifikat oder vergleichbare Qualifikationen).
Oktober | 2012