Finanzplatz Frankfurt, Ein Standort bewegt sich
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Finanzplatz Frankfurt, Ein Standort bewegt sich
Eine Initiative des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Herausgeber: Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale Vorstandsstab & Konzernstrategie Volkswirtschaft, Redaktion Chefvolkswirt Dr. Gertrud R. Traud MAIN TOWER Neue Mainzer Straße 52-58, 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24, Telefax: 0 69/91 32-22 44 [email protected] Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. 2 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Editorial Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt Helaba Sehr geehrte Leserinnen und Leser, in dieser Publikation wird die Marktstellung des Finanzplatzes Frankfurt im Vergleich zu anderen wichtigen europäischen und nationalen Finanzzentren ermittelt. Vor der Präsentation der Ergebnisse wird das Gesamtprojekt „Finanzplatz-Monitoring“ umrissen. Gemeinschaftsprojekt „Finanzplatz-Monitoring“ Das Gemeinschaftsprojekt „Finanzplatz-Monitoring“ wurde von dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung initiiert. Projektteilnehmer sind die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), die HA Hessen Agentur GmbH, das Center for Financial Studies (CFS) an der Johann Wolfgang Goethe-Universität und die Hochschule für Bankwirtschaft (HfB). Die Projektkoordination hat die Helaba übernommen. Das „Finanzplatz-Monitoring“ umfasst drei Teilprojekte mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten: Die vorliegende Studie der Helaba in Zusammenarbeit mit der Hessen Agentur ist als Auftakt des Gesamtprojektes zu sehen. Darin wird eine Standortanalyse der Finanzplätze Frankfurt, London und Paris vorgenommen. Diese Ausarbeitung hebt sich durch ihre breit angelegte Detailanalyse von bereits existierenden Publikationen ab. Das CFS erarbeitet einen Stimmungsindikator, der die Einschätzung der Akteure über den Finanzplatz Frankfurt widerspiegelt. Abgerundet wird dies durch das datenbasierte System von Finanzplatz-Indikatoren der HfB. Im „Finanzplatz-Monitoring“ steht der Institutionen übergreifende, integrative Gedanke im Vordergrund. Unter den Arbeitsgruppen besteht ein reger Austausch – eine abgestimmte Terminologie umspannt die Projekte. Das Gesamtprojekt ist also mehr als die Summe seiner Teile. Fazit der Studie Schon der Titel der Studie „Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich“ zeigt, dass sich der Finanzplatz Frankfurt im Wandel befindet. Die Vorrangsstellung des Finanzplatzes Frankfurt innerhalb Deutschlands bleibt unangefochten. Unsere Analyse belegt die herausragende Positionierung des Finanzplatzes London im europäischen Vergleich. In Kontinentaleuropa ist Paris ein ernstzunehmender Wettbewerber für das deutsche Finanzzentrum. Der Finanzplatz Frankfurt hat jedoch gute Chancen, mittelfristig die kontinentaleuropäische Führungsrolle zu erringen. Die Finanzmetropole am Main hat sich bereits in Bewegung gesetzt. Das Begonnene reicht aber noch nicht aus. Die weitere Entwicklung des Finanzplatzes Frankfurt hängt entscheidend davon ab, inwieweit er seine Stärken zu wahren und festigen weiß, Chancen erfolgreich ergreift, Schwächen ernsthaft angeht und bestehende Risiken minimiert. 3 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Besondere Aktualität erhält die Studie durch den geplanten Zusammenschluss der New York Stock Exchange (NYSE) mit der Euronext. Dieser hätte zunächst keinen signifikanten Einfluss auf die Stellung der beiden Finanzplätze Frankfurt und Paris zueinander. Aus europäischer Sicht wäre jedoch zu bedauern, dass die derzeitige Konsolidierung der Börsenwelt nicht in einer Zusammenführung der Deutschen Börse mit der Euronext mündet. Mit einer Fusion von Deutscher Börse und Euronext könnte eine „Superbörse“ in Europa entstehen, die die Messlatte für die amerikanische Konkurrenz hoch legen würde. Besonderheit der Studie Die zentrale Frage der Studie lautet: „Wie steht der Finanzplatz Frankfurt im europäischen Finanzgeschehen da, und wie wird er sich künftig entwickeln?“ Dazu werden die Wesensmerkmale eines Finanzplatzes betrachtet, die sich aus vielen Einzelaspekten zusammensetzen. Der Umfang der aufgearbeiteten Daten sucht seines Gleichen. So kann man diese Studie auch als Enzyklopädie der komparativen Finanzplatz-Analyse bezeichnen. Es kommen innovative Forschungsansätze zum Tragen. So wurde erstmals die tatsächliche Anzahl der Banken und Auslandsbanken in den drei Finanzplatzregionen ermittelt und die aggregierte Finanzkraft der betrachteten drei Bankplätze analysiert. Hinsichtlich Kaufkraft, Auslandsaktivitäten und Finanzinnovationen bietet die Studie ein außergewöhnliches Spektrum an Daten. Darüber hinaus wird ein umfassender Überblick der MBA-Rankings für die drei Finanzplätze gegeben. Aufbau und Struktur der Studie Im ersten Kapitel werden die 12 Charakteristika eines Finanzplatzes definiert, im zweiten werden das deutsche, britische und französische Finanzzentrum anhand dieser Kriterien detailliert analysiert und gegenübergestellt. Im dritten Kapitel wird – dargestellt in einem Smiley-Tableau – resümierend eine zeitpunktbezogene Standortbestimmung der drei großen Finanzplätze Europas vorgenommen. Abschließend werden die Perspektiven bzw. das Entwicklungspotenzial des deutschen Finanzzentrums am Main aufgezeigt. Ihre Frankfurt am Main, den 8. Juni 2006 4 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Inhalt Seite Editorial 3 Zusammenfassung 6 1 Was macht einen Finanzplatz aus? 9 2 Finanzplatz Frankfurt versus London und Paris 11 2.1 Regionale Bedeutung des Finanzsektors 11 2.2 Akteure des Finanzplatzes 14 2.2.1 Banken 14 2.2.1.1 Banken allgemein 14 2.2.1.2 Auslandsbanken 22 2.2.1.3 Investmentbanking 23 2.2.2 Versicherungen 25 2.2.3 Investmentgesellschaften 26 2.2.4 Börsen 27 2.2.5 Finanzbezogene Institutionen 33 2.2.6 Finanzplatzorientierte Dienstleister 35 2.3 Finanzbezogene Wachstumsdeterminanten 36 2.3.1 Finanzbezogene Bildung & Forschung 36 2.3.2 Trends in der Finanzbranche 39 2.3.2.1 Marktsegmente 40 2.3.2.2 Produkte 45 2.3.3 Auslandsaktivitäten 51 2.4 3 5 Förderliche Rahmenbedingungen 53 2.4.1 Historische Wurzeln 53 2.4.2 Standortspezifische Qualitäten 55 2.4.3 Eigenvermarktung 64 Fazit und Ausblick 67 3.1 Standortbestimmung der drei Finanzplätze 67 3.2 Finanzplatz Frankfurt – Blick in die Zukunft 70 3.2.1 Stärken/Schwächen-Analyse 70 3.2.2 Chancen: Marktpotenziale und politische Handlungsempfehlungen 70 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Zusammenfassung Autor: Ulrike Bischoff, Helaba Co-Autor: Uwe van den Busch, HA unter Mitarbeit von: Ute Bächle, Helaba Johannes Harsche, HA Der Finanzplatz Frankfurt ist neben London und Paris einer der drei großen Finanzstandorte Europas. Auf Grund der Ertragsprobleme des deutschen Bankensystems Anfang des Jahrtausends traten die Qualitäten seines Finanzzentrums in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund. Wie steht der Finanzplatz Frankfurt tatsächlich da? Um diese Frage fundiert zu beantworten, definiert die Helaba in Zusammenarbeit mit der Hessen Agentur in dieser Studie 12 Eigenschaften, die das Wesen eines Finanzplatzes ausmachen. Alle 12 Kriterien sind für die Identität eines Finanzplatzes notwendig – für seine nachhaltig erfolgreiche Positionierung im internationalen Wettbewerb sind fünf davon hinreichend bzw. unverzichtbar. Andreas Hess, Helaba Fazit Der Finanzplatz London nimmt in Europa eine unangefochtene Vorrangstellung ein. Innerhalb Kontinentaleuropas konkurrieren Frankfurt und Paris um die Führungsposition. Der Finanzplatz Frankfurt hat gute Chancen, mittelfristig die kontinentaleuropäische Führungsrolle zu erringen und auf Dauer abzusichern, da mehr veränderbare Parameter zur Verfügung stehen als im zentralistisch geprägten Finanzzentrum Frankreichs. Die Finanzmetropole am Main hat sich bereits in Bewegung gesetzt. Das Begonnene reicht aber noch nicht aus. Für den nachhaltigen Erfolg des Finanzplatzes Frankfurt bedarf es sowohl mehr Engagements seitens seiner Akteure zur Erschließung von Marktpotenzialen als auch politischer Maßnahmen zur Schaffung günstigerer Rahmenbedingungen. Standortbestimmung der drei großen Finanzplätze Europas anhand der Kernkriterien Kriterium Frankfurt Banken Börsen ☺ Finanzbezogene Bildung & Forschung Trends in der Finanzbranche Standortspezifische Qualitäten London Paris ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ zeigt an, dass der Finanzplatz im Sinne internationaler Wettbewerbsfähigkeit gut aufgestellt ist; signalisiert eine Position im Mittelfeld. Umfassende Tabelle mit 12 Kriterien siehe Seite 67. weist auf Defizite hin; Quellen: Helaba Volkswirtschaft, Hessen Agentur 6 • Die Gegenüberstellung der drei großen Finanzplätze Europas anhand der fünf wesentlichen Eigenschaften eines Finanzstandortes – Banken, Börsen, Finanzbezogene Bildung & Forschung, Trends in der Finanzbranche, Standortspezifische Qualitäten – zeigt die herausragende Positionierung Londons. Bei vier dieser Kriterien erhält das britische Finanzzentrum die Höchstnote. Lediglich die Standortspezifischen Qualitäten sind angesichts der hohen Kosten für Büroimmobilien und Lebenshaltung sowie der öffentlichen Infrastruktur insgesamt nur von mittlerer Güte. • Obgleich Frankfurt und Paris nicht in derselben Liga spielen wie London, so sind sie dem britischen Finanzzentrum zumindest teilweise ebenbürtig – z.B. hinsichtlich Börse – oder gar besser aufgestellt, wie im Falle Frankfurts bei den Standortspezifischen Qualitäten. Die gute Infrastruktur der Main-Metropole in Kombination mit kurzen Wegen sowie die relativ niedrigen Kosten für Büroimmobilien und Lebenshaltung wiegen die relativ hohe Unternehmensbesteuerung in Deutschland tendenziell auf. Helaba Volkswirtschaft · Datum · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Auf Grund der klaren Vorrangstellung des Finanzplatzes London richtet sich der Fokus im Folgenden auf den Vergleich des deutschen mit dem französischen Finanzzentrum. Bei den fünf Erfolgsfaktoren eines Finanzstandortes ergeben sich zwei gleiche Bewertungen, in zwei Bereichen ist Paris vorne und in einem Frankfurt: • Mit der Deutschen Börse und der Euronext verfügen derzeit sowohl Frankfurt als auch Paris über eine bedeutende, hoch kompetitive Börse.1 Hinsichtlich der Marktkapitalisierung liegt die in Frankfurt beheimatete Deutsche Börse an der Spitze Europas – trotz der innerdeutschen Konkurrenz durch die Regionalbörsen. Zudem handelt es sich bei der Euronext um eine europäische Mehrländerbörse; im Derivatehandel konkurrieren Euronext inklusive der Londoner LIFFE mit der deutsch-schweizerischen Terminbörse Eurex. • Hinsichtlich der Trends in der Finanzbranche bewegen sich die Finanzplätze Frankfurt und Paris im Mittelfeld. Neuere Finanzmarktströmungen können oftmals auf Grund gesetzlicher Vorgaben nur begrenzt umgesetzt werden. Die kontinentaleuropäischen Finanzplätze weisen verschiedene Akzente auf: Während in Deutschland die Märkte für den Kreditrisikotransfer schon weiter entwickelt sind, verfügt Frankreich bereits über REITs und eine dynamischere Investmentbranche. Internationale PrivateEquity- und Hedge-Fonds-Gesellschaften betreiben umfangreiche Geschäfte in beiden Ländern; dem deutschen Markt schenken sie gegenwärtig allerdings besondere Beachtung. • Der Bankenplatz Paris ist angesichts der Zentralität sowie der hohen Rentabilität seiner Spitzeninstitute international gut aufgestellt, wohingegen sich die Frankfurter Banken – wie auch die Branche in Deutschland insgesamt – bei diesem Kriterium nur im Mittelfeld bewegen. Zu berücksichtigen ist die unterschiedliche nationale Ausgangslage für den Bankensektor. Beispielsweise wirkte sich die konjunkturelle Situation Deutschlands jahrelang belastend aus; demgegenüber konnten die französischen Banken vor dem Hintergrund stimulierender Grundvoraussetzungen bessere Ergebnisse vorweisen. Die aktuell zu beobachtende Konjunkturbelebung in Deutschland fördert den Erholungskurs der hiesigen Kreditinstitute, die nun wieder Ertragszuwächse erzielen können. • Als Finanzbezogener Bildungs- und Forschungsstandort besitzt das deutsche Finanzzentrum noch nicht das internationale Renommee seines britischen und französischen Konkurrenten. Frankfurt hat aber Fortschritte gemacht und bietet eine wachsende intellektuelle Infrastruktur im Finanzwesen. Mit dem „House of Finance“ verfolgt die MainMetropole den richtigen Weg, um ihren Finanzplatz an den Wurzeln zu stärken und seine Innovationskraft zu fördern. Hiermit wird eine weitere wichtige Wachstumsdeterminante eines Finanzplatzes – Trends in der Finanzbranche – ebenfalls gestärkt. • Hinsichtlich der Standortspezifischen Qualitäten ist Frankfurt gegenüber den anderen beiden Finanzplätzen im Vorteil. Während Frankfurt beim Gros dieser Kriterien gut aufgestellt ist, bewegt sich Paris hier nur im Mittelfeld. Die relativ teuren Büroimmobilien und hohen Lebenshaltungskosten in der französischen Metropole sind Faktoren, die nur schwer beeinflussbar sind. Die relativ ungünstige Unternehmensbesteuerung am deutschen Finanzzentrum könnte behoben werden, in Paris besteht bei der Besteuerung Hochqualifizierter Verbesserungsbedarf. 1 Da die geplante Fusion zur NYSE Euronext voraussichtlich erst Ende des Jahres abgeschlossen sein wird, ist zum gegebenen Zeitpunkt bei einer Standortanalyse der Finanzplätze Frankfurt, Paris und London eine Status quo-Betrachtung von Deutscher Börse, Euronext und London Stock Exchange angemessen. 7 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Politische Handlungsempfehlungen zur Stärkung des deutschen Finanzzentrums 8 • Zur internationalen Stärkung des Finanzplatzes Deutschland ist anstelle der innerdeutschen Konkurrenz eine arbeitsteilige Konzentration auf Schwerpunktthemen anzustreben. Der Erfolg des Finanzplatzes Deutschland ist unmittelbar an den Erfolg seines Zentrums am Main gekettet – dem einzigen deutschen Finanzplatz von internationalem Niveau. Es gilt deshalb, Vorbehalte gegen eine Fokussierung auf den Finanzplatz Frankfurt abzubauen und das Bewusstsein der Akteure hin zu einer kritischen Masse zu wecken. • Das Netzwerk am Finanzplatz Frankfurt könnte durch eine ausschließliche Präsenz der nationalen Aufsichtsbehörde BaFin am Main intensiviert werden, dann entstünden aus der Konzentration aller wichtigen deutschen Institutionen des Finanzwesens nebst EZB Effizienzgewinne. Gerade in Zeiten fortschreitender Technologisierung bringen die Nähe zur „Community“ und persönliche Kontakte einen „Added Value“. • Der bereits eingeschlagene Weg zur Intensivierung der Finanzbezogenen Lehr- und Forschungsaktivitäten sollte weiter gegangen werden, um das Ansehen Frankfurts als Wissensstandort im Finanzwesen zu erhöhen und zu einem international anerkannten Kompetenzzentrum zu machen. Denn dies ermöglicht nicht nur die Ausbildung von hochkarätigen Finanzspezialisten, sondern steigert auch die Innovationsdynamik vor Ort. Insofern werden auf diese Weise die nachhaltigen Entwicklungschancen des deutschen Finanzzentrums gleich doppelt gefördert. • Es bedarf einer Gesetzgebung, die aktuellen Trends in der Finanzbranche zeitnah zum Erfolg verhilft. Zum einen sollten bestehende gesetzliche Rahmenbedingungen international konkurrenzfähiger ausgestaltet werden – z.B. in den Bereichen Investmentfonds, Private-Equity und Hedge-Fonds –, damit die deutschen Gesellschaften ähnliche Ausgangsvoraussetzungen wie ihre ausländischen Konkurrenten haben und sie die gerade hierzulande vorhandenen Marktpotenziale besser nutzen können. Zum anderen sollte mit entsprechenden gesetzlichen Regelungen auf neue Strömungen im Finanzsektor reagiert werden (Beispiel REITs), um frühzeitig Marktanteile zu sichern und die Entwicklung mit prägen zu können. Je mehr sich die deutsche Finanzmarktgesetzgebung Trends öffnet, umso größer ist die sich entfaltende Innovationskraft am Finanzplatz Frankfurt und somit sein Erfolg. • Ebenso sind die steuerlichen Rahmenbedingungen am Finanzplatz Frankfurt zu verbessern. Es gilt, die im internationalen Vergleich relativ hohe Steuerbelastung für Unternehmen zu reduzieren und Steueranreize für Hochqualifizierte zu schaffen. In Überlegungen der Standortwahl von Finanzinstituten und finanzplatzorientierten Dienstleistern sowie bei ihren Beschäftigten ist die Besteuerung schließlich ein wichtiger Faktor. • „Last but not least“ ist ein koordiniertes, selbstbewusstes Marketing für das deutsche Finanzzentrum – als Synonym für den Finanzplatz Deutschland insgesamt – dringend notwendig. Alle Finanzplatz-Akteure – von Finanzinstituten bis hin zu Bundesbank und BaFin – müssen an einem Strang ziehen und sich gemeinsam für den Finanzplatz Frankfurt stark machen. Ein Präsentationskonzept des Finanzzentrums am Main ist z.B. in Form einer umfassenden Internetplattform anzustreben. Mittels einer beeindruckenden Außendarstellung können die vielversprechenden Perspektiven des Finanzplatzes Frankfurt einer breiten Öffentlichkeit im In- und Ausland stärker ins Bewusstsein gebracht werden. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich 1 Spektrum von Finanzplatz-Charakteristika Was macht einen Finanzplatz aus? Ein Finanzplatz stellt im Kern eine räumliche Konzentration von Finanzmarktakteuren dar. Dies allein reicht aber nicht aus: Es sind viele Facetten, die das Wesen eines Finanzstandortes ausmachen und wichtig für seinen Erfolg sind. Im Folgenden definiert die Helaba2 in Zusammenarbeit mit der Hessen Agentur 12 Wesens- bzw. Erfolgskriterien eines Finanzplatzes, die sich in vier Gruppen gliedern lassen. Alle 12 Kriterien sind für die Identität eines Finanzplatzes notwendig – für seine nachhaltig erfolgreiche Positionierung im internationalen Wettbewerb sind fünf davon hinreichend bzw. unverzichtbar. Durch das Fortschreiten von Globalisierung und weltweiter Finanzmarktintegration spielt bei fast allen Kriterien die Ausprägung der Internationalität eine wichtige Rolle. Auf Grund der vielseitigen Erscheinungsformen der Internationalität an einem Finanzzentrum wird sie als Grundvoraussetzung betrachtet. Charakteristika eines Finanzplatzes Börsen Banken Finanzbezogene Institutionen Versicherungen Investmentgesellschaften* Regionale Bedeutung des Finanzsektors Historische Wurzeln Akteure des Finanzplatzes Finanzplatzorientierte Dienstleister Finanzbezogene Bildung & Forschung FINANZPLATZ Finanzbezogene Wachstumsdeterminanten Trends in der Finanzbranche Auslandsaktivitäten Förderliche Rahmenbedingungen Eigenvermarktung Standortspezifische Qualitäten Die 12 Finanzplatz-Kriterien sind: Regionale Bedeutung des Finanzsektors, Banken, Versicherungen, Börsen, Finanzbezogene Institutionen, Finanzplatzorientierte Dienstleister, Finanzbezogene Bildung & Forschung, Trends in der Finanzbranche, Auslandsaktivitäten, Historische Wurzeln, Standortspezifische Qualitäten, Eigenvermarktung. * Investmentgesellschaften werden nicht explizit als Kriterium betrachtet, da sie eine prominente Stellung in dem Kriterium Trends in der Finanzbranche einnehmen. Von den 12 Finanzplatz-Kriterien sind die fünf zentralen rot gekennzeichnet. Quelle: Helaba Volkswirtschaft Regionale Bedeutung des Finanzsektors Eingebundenheit der Region Die Bedeutung eines Finanzstandortes bemisst sich auch nach seiner regionalen Verankerung; die Einbettung eines Finanzplatzes in eine Wachstumsregion begünstigt seine Positionierung. Die Wechselwirkungen zwischen Metropole und Umland haben positive Effekte auf das Finanzzentrum und tragen letztendlich zu seiner Stellung im nationalen und internationalen Wettbewerb bei. 2 9 Vgl. dazu Helaba Volkswirtschaft (2001): „Frankfurt: Das deutsche Finanzzentrum“. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Akteure des Finanzplatzes Hohe Dichte von Akteuren sorgt für lebhaften Finanzplatz Banken und Börsen essenziell Eine kritische Masse von Finanzplatz-Akteuren vor Ort ist unabdingbar. Je stärker die Aktivitäten des Finanzsektors an einem Standort konzentriert sind, um so mehr ergeben sich Effizienzgewinne und Agglomerationseffekte. Je höher und diversifizierter die Anzahl der an einem Standort beschäftigten, miteinander in Kontakt stehenden Finanzspezialisten sowie der von ihnen bewegten und überwachten Volumina, umso lebhafter ist das Treiben am Finanzplatz. Die räumliche Nähe der Finanzspezialisten verschiedener Tätigkeitsfelder fördert den Dialog und die Geschäftstätigkeit am Finanzplatz. Nicht trotz, sondern gerade in Zeiten verstärkter Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie spielen persönliche Kontakte vor Ort eine wichtige Rolle; schließlich ist das unmittelbare Gespräch nur schwer zu ersetzen. Unter den Akteuren des Finanzsektors sind Banken und Börsen von herausragender Bedeutung. Ohne die Anwesenheit einer Vielzahl dieser klassischen Finanzinstitute und einer aktiven Börse kann ein Standort nicht als Finanzplatz bezeichnet werden; zusammen bilden sie den ureigensten Kern eines Finanzzentrums. Daneben bedarf es auch der Versicherungs- und der Investmentbranche sowie finanzbezogener Institutionen. Eine enge Verbindung der Finanzinstitute mit Zentralbanken und Finanzaufsichtsorganen erleichtert die Diskussion, so dass diese finanzbezogenen Organe ihre Entscheidungen praxisnah und effizient treffen können. Des weiteren siedeln sich an einem Finanzplatz viele Unternehmen aus anderen Branchen an, deren Geschäftstätigkeiten intensiv mit dem Finanzsektor verknüpft sind, z.B. Wirtschaftsprüfung und Rechtsberatung, Wirtschaftspresse, Rating-Agenturen. Diese werden als finanzplatzorientierte Dienstleister definiert. Daneben gibt es auch mittelbar vom Finanzplatz profitierende Unternehmen, wie Restaurants, Hotels und Einzelhandel. Finanzbezogene Wachstumsdeterminanten Wachstumstriebkräfte nötig: Zentral sind Finanzbezogene Bildung & Forschung ... ... und Trends in der Finanzbranche Für die Entwicklung und den Erfolg eines Finanzplatzes sind Wachstumsfaktoren unerlässlich. Ganz entscheidend ist die Ausstattung eines Finanzstandortes mit Humankapital gerade im Finanzwesen; auch hier spielt die Anwesenheit von Spezialisten vor Ort eine bedeutsame Rolle. Das Miteinander von Finanzmarktakteuren und -wissenschaftlern bereitet die Basis für einen regen Austausch sowohl inhaltlicher als auch personeller Art. Eine qualitativ hochwertige Finanzbezogene Bildung & Forschung schafft die Vorraussetzungen für einen bereits an seinen Wurzeln starken Finanzplatz und steigert sein Innovationspotenzial. Und gerade Innovationskraft ist für einen Finanzplatz ein wesentliches Kriterium. Nur ein Finanzplatz, der Trends in der Finanzbranche anstößt und mitgeht, kann sich dauerhaft im internationalen Wettbewerb behaupten. Es bedarf nicht nur eines reichhaltigen Angebots an Produkten bzw. Instrumenten und Finanzierungsmöglichkeiten, sondern auch deren Weiter- und Neuentwicklung. Zudem sind die Auslandsaktivitäten eines Finanzplatzes eine seiner Wesensdeterminanten. Der Aufbau und die Pflege von grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen werden in Anbetracht der fortschreitenden Internationalisierung des Finanzwesen immer wichtiger. Förderliche Rahmenbedingungen Bei Rahmenbedingungen gerade Standortspezifische Qualitäten wichtig 10 Ferner beeinflussen auch die Rahmenbedingungen eines Finanzplatzes seine Stellung im internationalen Finanzgeschehen. Eine lange Tradition, gute Standorteigenschaften und ein aktives Marketing können den Erfolg eines Finanzzentrums fördern. Weit zurückreichende historische Wurzeln geben einem Finanzplatz die Möglichkeit, sich ausgehend von seiner im Zeitablauf erworbenen Reputation weiterzuentwickeln und der Globalisierung zu öffnen. Die Standortspezifischen Qualitäten eines Finanzplatzes spielen eine wichtige Rolle bei der Standortwahl von Finanzinstituten und -spezialisten. Diese umfassen z.B. die Verkehrsinfrastruktur, Kostenaspekte oder die Lebensqualität. Darüber hinaus begünstigt ein professionelles, konsequent verfolgtes Marketingkonzept die Bedeutung eines Finanzstandortes. Ohne eine intensive Außendarstellung werden seine positiven Eigenschaften nicht ausreichend wahrgenommen. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich 2 Finanzplatz Frankfurt versus London und Paris 2.1 Regionale Bedeutung des Finanzsektors Frankfurt London Paris ☺ ☺ ☺ Regionale Bedeutung ☺ International gut aufgestellt Mittelfeld Defizite Quelle: Helaba Volkswirtschaft Vergleich der Regionen angesichts Eingebundenheit in Finanzplatz-Aktivitäten von besonderer Bedeutung Zum Vergleich der drei großen europäischen Finanzplätze werden in der vorliegenden Studie verschiedene räumliche Abgrenzungen verwendet: Zum einen wird auf Stadtebene Frankfurt, Paris und Inner London verglichen. Zum anderen werden auf regionaler Ebene der Regierungsbezirk Darmstadt (als Approximation für die Rhein-Main-Region)3, Île-de-France und Greater London gegenübergestellt. Denn die Finanzaktivitäten konzentrieren sich nicht nur auf die Metropolen, sondern stehen auch in Wechselwirkung mit dem Umland. Dies zeigen z.B. der spürbare Berufspendlerstrom aus den drei Regionen in ihre Finanzmetropole oder die sich vollziehenden Verlagerungsprozesse von Arbeitsplätzen aus der jeweiligen Stadt ins Umland. Der Anteil der täglichen Pendler an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt mit über Zweidrittel am deutschen Finanzzentrum allerdings weitaus höher als am britischen und französischen. So kommt der Regionalbetrachtung eine besondere Bedeutung zu.4 Ökonomische Kennzahlen der Finanzplätze bzw. -regionen Frankfurt Regierungsbezirk Darm stadt Paris Île-deFrance Inner London Greater London Bevölkerung (Tsd. Einw ohner) 643 3.762 2.161 11.235 2.908 7.394 Bevölkerung (nationaler Anteil in %) 0,8 4,6 3,6 18,7 4,9 12,4 Fläche (km 2) 248 7.445 105 12.012 321 1.584 Bevölkerungsdichte (Einw . je km ²) 2.591 505 20.505 935 9.073 4.669 BIP (nom inal, Mrd. €) 47 135 157 448 186 299 BIP je Einw ohner (Tsd. Euro) 73 36 73 40 64 40 Erw erbstätige (Tsd.) 603 2.012 1.689 5.406 2.565 4.555 Arbeitslosenquote (%) 9,1 7,7 10,7 9,3 8,9 6,8 Bevölkerung, Fläche, BIP: 2003; Erwerbstätige: 2001; Arbeitslosenquote: 2004 Quellen: Eurostat, Helaba Volkswirtschaft Größenunterschiede und Hauptstadtfunktion beachten Bei der komparativen Analyse dieser Studie sind generell die Größenunterschiede zwischen den drei Finanzplatzstädten und -regionen ins Kalkül zu nehmen bzw. alle betrachteten Kenngrößen 3 Aus Praktikabilitätsgründen wird ggf. die Finanzplatzregion nach den Standorten wichtiger „Player“ ausgerichtet und kann somit insbesondere in Deutschland Bundesländergrenzen überschreiten. 4 Für den Fall, dass keine Daten speziell für die drei Finanzplätze oder -regionen vorliegen, werden in dieser Studie nationale Vergleichsdaten zur Approximation herangezogen; schließlich spielen sich die finanzbezogenen Aktivitäten meist vornehmlich im jeweiligen Finanzzentrum ab. 11 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich auch vor dem Hintergrund der Größenrelation zu beurteilen. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass Frankfurt primär deutsches Finanzzentrum und im Gegensatz zu London und Paris nicht gleichzeitig nationale Hauptstadt ist. Räumliche und personelle Größenunterschiede zwischen Finanzstädten bzw. -regionen Im Städtevergleich erstreckt sich Inner London (320km²) auf einer größeren Fläche als Frankfurt mit knapp 250 km² und insbesondere Paris (gut 100 km²). Auf Regionenebene stellt sich die km²Relation anders dar: Île-de-France liegt mit über 12.000 km² vor dem Regierungsbezirk Darmstadt mit knapp 7.500 km². Beide sind um ein Vielfaches größer als Greater London (knapp 1.600 km²). Jedoch leben und arbeiten am und rund um den Finanzplatz Frankfurt weit weniger Menschen als am französischen und britischen Finanzzentrum. Die Einwohnerzahl im Rhein-Main-Gebiet beträgt knapp 3,8 Mio. gegenüber nahezu 7,4 Mio. im Londoner und über 11,2 Mio. im Pariser Großraum. Folglich gibt es in der Frankfurter Finanzplatzregion nur gut 2 Mio. Erwerbstätige, jedoch nahezu 4,6 Mio. bzw. 5,4 Mio. in Greater London und der Region Île-de-France. Beim Vergleich der Erwerbstätigen der Finanzplatz-Städte ist auffallend, dass in Frankfurt auf Grund der ausgeprägten Pendlerbewegungen die Anzahl der Erwerbstätigen mit rund 600.000 nur wenig unter der Einwohnerzahl von gut 640.000 liegt. Weniger stark ausgeprägt ist dies in den Städten London und Paris. Die Arbeitslosenquote ist in allen drei Städten höher als im Umland. Frankfurt bzw. Rhein-Main nimmt eine mittlere Position ein. Geringste Bevölkerungs- und Erwerbstätigenanzahl in und um Finanzplatz Frankfurt ... ... bedingt niedrigeres absolutes Bruttoinlandsprodukt Mio. Mrd. €, 2003 12 12 10 10 8 8 je Einwohner BIP pro Kopf (rechte Skala) BIP absolut (linke Skala) 500 400 300 6 4 2 50.000 40.000 30.000 6 Bevölkerung Beschäftigte 4 2 0 0 Regierungsbezirk Darmstadt Ile de France Greater London Stand: Bevölkerung 2003, Erwerbstätige 2001 200 20.000 100 10.000 0 0 Regierungsbezirk Darmstadt Île-de-France Greater London Quellen: Eurostat, Helaba Volkswirtschaft Quellen: Eurostat, Helaba Volkswirtschaft Pro-Kopf-BIP beim Städtevergleich: Frankfurt auf einem Niveau mit Paris vor London Mit über 135 Mrd. € lag das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2003 im Regierungsbezirk Darmstadt zwar deutlich unter dem in Greater London erzielten von gut 300 Mrd. € und dem aus der Region Île-de-France mit knapp 450 Mrd. €; diese Reihenfolge gilt auch für die Städte. Bezogen auf die Bevölkerung schneidet der hiesige Finanzplatz dagegen relativ gut ab – das BIP pro Kopf betrug in Rhein-Main mit rund 36.000 € kaum weniger als im Raum Paris und London mit jeweils rund 40.000 €; im Städtevergleich liegt Frankfurt sogar gleichauf mit Paris und vor Inner London. Bedeutung des Frankfurter Finanzsektors relativ hoch – aber begrenzte Dynamik Bedeutung des Finanzsektors in Regionen: London knapp vor Frankfurt Bedeutung und Entwicklung des Finanzsektors differieren in den Regionen Frankfurt, Paris und London, wie eine Analyse des Forschungsinstitutes BAK Basel Economics5 unter Verwendung realer, mittels Kaufkraftparitäten bereinigter BIP-Angaben belegt: Das höchste Gewicht kam der Finanzbranche 2004 mit einem BIP-Anteil von gut 17 % bzw. 16 % in London und Frankfurt zu. In Paris liegt er mit unter 10 % deutlich niedriger. Im Zeitraum 2000-2004 zeigte sich der Londoner Finanzsektor am dynamischsten und wuchs um durchschnittlich 7 %, wohingegen er in der 5 Vgl. BAK Basel Economics im Auftrag der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain (2006): „Wachstumsfaktoren für FrankfurtRheinMain.“ 12 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Region des deutschen und französischen Finanzzentrums nur um jeweils rund 2½ % zulegte. Damit fiel der durchschnittliche Wachstumsbeitrag des Finanzsektors zum BIP in diesem Zeitraum mit gut 1 Prozentpunkt in London am höchsten aus, in Frankfurt lag er bei 0,4 und in Paris sogar nur bei gut 0,2 Prozentpunkten. All dies illustriert, dass der Finanzsektor in London die größte Rolle spielt, gefolgt von Frankfurt und an dritter Stelle Paris. Wie geht es dem Finanzsektor?* 10 London Wachstumsrate in % ** 8 6 4 Paris 2 Frankufrt 0 0 4 8 12 Anteil am BIP 2004 in % 16 20 *Größe der Kreise signalisiert durchschnittlichen Wachstumsbeitrag des Finanzsektors zum BIP im Zeitraum 2000-2004; ** 2000-2004 p.a. Quellen: BAK Basel Economics, Helaba Volkswirtschaft Innerdeutscher Wirtschaftsvergleich München mit Fläche und Bevölkerung vor Frankfurt Im innerdeutschen Vergleich der Finanzplatzregionen zeigt sich ein räumlicher und bevölkerungsbezogener Größenvorsprung Oberbayerns gegenüber dem Regierungsbezirk Darmstadt: Ökonomische Kennzahlen ausgewählter deutscher Städte bzw. Regionen Frankfurt Regierungsbezirk München Darm stadt Düsseldorf Regierungsbezirk Düsseldorf Bevölkerung (Tsd. Einw ohner) 643 3.762 1.248 4.183 573 5.247 Bevölkerung (Anteil an national in %) 0,8 4,6 1,5 5,1 0,7 6,4 Fläche (km ²) 248 7.445 310 17.530 217 5.290 2.591 505 3.998 239 2.637 992 BIP (nom inal, Mrd. €) 47 135 65 160 36 153 BIP je Einw ohner (Tsd. €) 73 36 52 38 62 29 Erw erbstätige (Tsd.) 603 2.012 940 2.320 466 2.566 Arbeitslosenquote (%) 9,1 7,7 5,7 4,9 9,7 9,7 Bevölkerungsdichte (Einw . je km ²) Bevölkerung, Fläche, BIP: 2003; Beschäftigte: 2001; Arbeitslosenquote: 2004 Quellen: Eurostat, Helaba Volkswirtschaft 13 Oberbayern Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Auf einer Fläche von gut 17.500 km² leben am und um den Münchner Finanzplatz knapp 4,2 Mio. Menschen und gut 2,3 Mio. gehen einer Erwerbstätigkeit nach – mehr als in der Frankfurter Finanzplatzregion. So liegt das nominale BIP in Oberbayern höher, in Relation zur Bevölkerung gibt es aber kaum Unterschiede. Im Regierungsbezirk Düsseldorf finden sich auf vergleichsweise geringster Fläche die höchste Einwohner- und Erwerbstätigenzahl. Absolut ist das nominale BIP dort recht hoch, relativ jedoch niedrig. 2.2 Akteure des Finanzplatzes An einem nationalen Finanzzentrum konzentriert sich der Großteil der Akteure des Finanzgeschehens eines Landes. Nicht wegzudenken sind hier natürlich Finanzinstitute – insbesondere die Banken, die als klassische, weitreichend verankerte Akteure das Herzstück des Finanzwesens bilden. Aber auch die Versicherungen und Investmentgesellschaften spielen eine wichtige Rolle. Ebenso zentral wie Banken ist für einen Finanzplatz eine angesehene Börse. Zusammen prägen diese beiden seinen ureigensten Charakter. Ferner haben auch finanzbezogene Institutionen Auswirkungen auf die Stellung eines Standorts in der Finanzwelt. Darüber hinaus sind die an einem Finanzplatz ansässigen Unternehmen anderer Branchen mehr oder minder Teil des Finanzgeschehen und in dieses involviert. 2.2.1 Banken Frankfurt Banken ☺ International gut aufgestellt Mittelfeld London Paris ☺ ☺ Defizite Quelle: Helaba Volkswirtschaft 2.2.1.1 Banken allgemein Nach einer Schwächephase haben die schwerpunktmäßig in Frankfurt beheimateten Banken Deutschlands ihre Strukturprobleme überwunden. Die konjunkturelle Situation hellt sich auf, und die Banken weisen nun wieder Ertragsverbesserungen aus. Gleichzeitig hebt sich die Stimmung in der „Banking Community“, und der Bankenmetropole am Main wird verstärktes Interesse seitens ausländischer Akteure entgegengebracht. Bankenplatz Frankfurt im europäischen Vergleich Absolut am wenigsten Banken in Frankfurter Finanzplatzregion, relativ zur Bevölkerung am meisten Seit Anfang der 90er Jahre ist in den meisten europäischen Ländern ein vorwiegend inländischer Konsolidierungsprozess zu beobachten. In der Eurozone war dies seit 1995 am deutlichsten in Deutschland zu beobachten, aber auch in Frankreich und Großbritannien spürbar. So ist die Anzahl der Banken in allen drei Ländern bzw. an den großen drei europäischen Finanzplätzen gesunken. Ende 2004 waren in der Frankfurter Region über 190 Kreditinstitute ansässig, am Finanzplatz London gut 280 und 510 im Großraum Paris.6 In Relation zur Bevölkerung weist die Finanzplatzregion am Main mit 52 Banken je Mio. Einwohner den höchsten Wert auf. Demgegenüber finden 6 Hierbei handelt es sich um von der Europäischen Zentralbank (EZB) erfasste Kreditinstitute gemäß der Definition eines „Monetary Financial Institute“ (MFI); diese Abgrenzung ist enger gefasst als diejenige von der Deutschen Bundesbank für Kreditinstitute. Die Erfassung von Kreditinstituten durch die Deutsche Bundesbank richtet sich nach § 1 Abs. 1 KWG, d.h. Institute, die mindestens eines der in § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG aufgeführten Bankgeschäfte betreiben. Die EZB verwendet die Definition eines Kreditinstitutes als Monetary Financial Institution (MFI) nach der Banking Coordination Directive 2000/12/EC vom März 2000 ergänzt durch 2000/28/EC. Hiernach gilt ein Unternehmen als Kreditinstitut, wenn es vom Publikum Einlagen(substitute) entgegennimmt und Kredite auf eigene Rechnung gewährt. 14 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich sich am und um das französische Finanzzentrum nur 45 Banken je Mio. Einwohner, bei der britischen Finanzmetropole ist die Pro-Kopf-Anzahl am niedrigsten (38 Banken je Mio. Einwohner). Kreditinstitute in den drei Finanzplatzregionen Ende 2004 Spitzeninstitute an den drei Finanzplätzen 2005 Anzahl Vorsteuergewinn Mrd. € je Mio. Einwohner Cost-Income-Ratio % 600 Pro-Kopf 60 (rechte Skala) 500 50 Absolut (linke Skala) 400 40 300 30 200 20 100 10 Vorsteuergewinn (linke Skala) 20 100 Cost-Income-Ratio (rechte Skala) 16 80 12 60 8 40 4 20 0 0 0 Frankfurt London Paris Quellen: EZB, Helaba Volkswirtschaft Deutsches Bankensystem mit Nachholbedarf bei Rentabilität 0 Frankfurt: Deutsche Bank London: HSBC Paris: Credit Agricole Quellen: The Banker, Helaba Volkswirtschaft Viele Frankfurter Banken wiesen 2004 eine niedrigere Rentabilität auf als ihre europäischen Konkurrenten. Gerade an die hohe Ertragskraft und Profitabilität der Londoner Institute reichen sie nicht heran, aber auch die Banken in Paris schneiden besser ab. Dies belegt z.B. der Vergleich der jeweils größten Bank an den drei Finanzplätzen in Bezug auf Vorsteuergewinn und „Cost-IncomeRatio“, die die operativen Kosten in Relation zum Ertrag angibt. Auch wenn der deutsche Bankensektor hinsichtlich betriebswirtschaftlicher Erfolgskennziffern Nachholbedarf besitzt, nimmt er beim Produktivitätswachstum international eine Spitzenposition ein, wie eine Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)7 darlegt. In dieser Betrachtungsweise auf Basis von Daten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung liegen die Produktivitätszuwächse des Kreditgewerbes in Deutschland über denen in Großbritannien und Frankreich. Banken Top 100 in Europa: Finanzplatz Frankfurt bei aggregierter Bilanzsumme vor London Kernkapital Bilanzsumme in Mrd. €* in Mrd. €* 160 4.000 Bilanzsumme (rechte Skala) 120 80 3.000 Kernkapital (linke skala) 2.000 40 1.000 0 0 Frankfurt London Paris *Summe der am jew. Finanzplatz ansässigen Banken unter europäischen Top 100 nach Kernkapital 2004 Quellen: The Banker, Helaba Volkswirtschaft Bankenplatz Frankfurt bei aggregierter Bilanzsumme auf einem Niveau mit London Zudem ist das deutsche Finanzzentrum mit seinen Großbanken insgesamt besser im europäischen Finanzplatzgeschehen positioniert als es der Vergleich einzelner Institute vermuten ließe: Unter den – gemessen am Kernkapital – 100 größten Banken Europas befinden sich sieben in und um Frankfurt (Deutsche Bank, Commerzbank, DZ Bank, Dresdner Bank, Eurohypo, Landesbank 7 15 Vgl. KfW (2005): „Das deutsche Kreditgewerbe im internationalen Vergleich“. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Hessen-Thüringen, DekaBank)8. Diese kamen 2004 zusammen auf ein Kernkapital9 von gut 56 Mrd. € und auf eine Bilanzsumme von mehr als 2,6 Bill. €. In dieser Hinsicht ist Frankfurt vor London positioniert: Denn die vier Londoner Banken von herausragender Bedeutung in Europa (HSBC, Barclays, Lloyds, Standard Chartered) wiesen 2004 eine aggregierte Bilanzsumme von weniger als 2,2 Bill. € auf. Beim Kernkapital ist die Relation allerdings umgekehrt, hier liegen die vier Spitzeninstitute am Finanzplatz London mit zusammengenommen fast 95,5 Mrd. € sichtlich vor der Bankenmetropole am Main. Größte aggregierte Volumina am Bankenplatz Paris Belastende Struktur- und Konjunkturfaktoren in Frankfurt Im Vergleich der drei Bankenplätze Frankfurt, London, Paris zeigt sich hingegen, dass in dieser aggregierten Betrachtungsweise des europäischen Top 100 Banken-Rankings das britische Finanzzentrum nicht vorn liegt. Denn nicht alle der britischen Megabanken sind in London beheimatet, sondern zwei davon haben ihren Hauptsitz in Edinburgh (Royal Bank of Scotland, HBOS), und die Abbey National wird seit der Übernahme ihrem spanischen Mutterkonzern Santander zugerechnet. So schneidet das französische Bankenzentrum bei den beiden Kriterien der aggregierten Bilanzsumme und Kernkapital am besten unter den drei europäischen Finanzmetropolen ab: Sechs Kreditinstitute aus Paris (Crédit Agricole, BNP Paribas, Groupe Caisse d`Epargne, Société Générale, Crédit Mutuel, Groupe Banques Populaires) rangieren unter den nach Kernkapital 100 größten europäischen (Kernkapital 2004 insgesamt über 141 Mrd. €) und vereinen eine Bilanzsumme von 3,6 Bill. € auf sich. Kernkapital und Bilanzsumme reichen jedoch nicht aus, um ein abschließendes Urteil über die Stellung der deutschen Banken im Vergleich zu ihren britischen und französischen Wettbewerbern abgeben zu können. Vielmehr bedarf es der Berücksichtigung der maßgeblichen strukturellen und konjunkturellen Einflussfaktoren. Die folgende Analyse zeigt, dass der Bankenplatz am Main in den letzten Jahren einigen Belastungen standhalten musste – anders als London oder Paris. Mittlerweile hat der deutsche Bankensektor seine strukturellen Anpassungsprobleme jedoch überwunden, und die Ertragslage verbessert sich. Strukturelle Gründe für die Positionierung Frankfurts im europäischen Bankenwesen Die im Vergleich zu London und Paris niedrigere Anzahl an Banken am Finanzplatz Frankfurt lässt bereits eine abweichende Struktur der Bankensysteme vermuten. Anteil der Banken in der Finanzplatzregion an nationaler Gesamtzahl %, Ende 2004 70 70 60 60 50 50 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 Frankfurt London Paris Quellen: EZB, Deutsche Bundesbank, Helaba Volkswirtschaft 8 In der hier verwendeten, europäischen Bankenrangliste aus „The Banker“ wird Frankfurt als Standort der Dresdner Bank angegeben. In der letzten verfügbaren Rangliste von September 2005 mit Angaben für 2004 ist die Fusion von Commerzbank und Eurohypo noch nicht enthalten. 9 Kernkapital nach Definition der BIZ. 16 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Begrenzte Bankenkonzentration am deutschen Finanzzentrum Hohe Bankenkonzentration in London und Paris Vorteil flächendeckender Bankdienstleistungen in Deutschland Geschäftsvolumina mitbedingt durch Bankensystemstruktur Deutsches Bankensystem stabil und widerstandsfähig Der Anteil von am jeweiligen nationalen Finanzzentrum ansässigen Banken10 an den Banken eines Landes insgesamt belegt, dass Frankfurt im Vergleich zu den beiden anderen Finanzplätze strukturell differiert. Während die deutsche Bankenregion am Main weniger als 10 % aller Kreditinstitute Deutschlands beherbergt, ist die Konzentration auf die nationale Finanzmetropole in den anderen beiden Ländern wesentlich ausgeprägter. In London sind über Zweidrittel der britischen Banken vertreten, im Großraum Paris mehr als die Hälfte der französischen Kreditinstitute. Der Strukturunterschied zwischen dem deutschen Bankensektor einerseits und dem britischen sowie französischen andererseits liegt im jeweiligen Staatsaufbau und im historisch gewachsenen Bankensystem begründet. Die beiden ausländischen Bankenplätze profitieren vom zentralstaatlichen Aufbau Großbritanniens bzw. Frankreichs, wohingegen die Kreditinstitute in Deutschland nicht vornehmlich am deutschen Finanzzentrum beheimatet sind. Neben Frankfurt gibt es noch weitere, jedoch kleinere Bankenstandorte, die versuchen, zumindest in Teilbereichen mit Frankfurt zu wetteifern. Auch wenn diese keine wirklichen Konkurrenten darstellen, so mindern sie doch die Bedeutung des Finanzplatzes Frankfurts und damit auch Deutschlands insgesamt. Denn so ist die kritische Masse am deutschen Bankenzentrum geringer als sie eigentlich sein könnte, was letztendlich auch die internationale Stellung beeinträchtigt. Insofern hinkt im Grunde der Vergleich der Bankenplätze London und Paris mit Frankfurt; eine Gegenüberstellung mit den Kreditinstituten in Deutschland insgesamt wäre allerdings zu weit gefasst. Die Dezentralität im deutschen Bankensystem hat jedoch auch positive Aspekte: Die hohe Anzahl von mehr als 2.100 Kreditinstituten – dank v.a. des Genossenschafts- und Sparkassensektors über ganz Deutschland verteilt – hat den Vorteil eines flächendeckenden Bankdienstleistungsangebot für die gesamte Bevölkerung. Demgegenüber geht die ausgeprägte Konzentration der rund 400 britischen Institute in London zulasten der bevölkerungsweiten Versorgung mit Bankdienstleistungen; gerade in ländlichen Regionen besteht Bedarf, und eine nicht vernachlässigbare Anzahl an Briten besitzt überhaupt kein Konto. Mit insgesamt knapp 900 Banken liegt Frankreich zwischen den anderen beiden Ländern. Die Strukturunterschiede zwischen den Bankensektoren bedingen auch die Geschäftsvolumina der nationalen Spitzeninstitute: Das britische Bankensystem ist oligopolistischen Charakters, fünf Megabanken mit hohen Volumina dominieren weitgehend den Inlandsmarkt. Ganz anders ist das deutsche Bankwesen gestaltet, welches in Anbetracht seiner polypolistischen Struktur kein Kreditinstitut unter den europäischen Top 10 bzw. nur eines unter den Top 20 aufweisen kann. In Frankreich gibt es mittlerweile sechs große, besonders ertragsstarke Kreditinstitute, die eine große Rolle in Europa spielen; der sich seit Mitte der 1980er Jahre vollziehende Wandel der Branche hat zur Herausbildung dieser Spitzeninstitute geführt. Insgesamt hat sich das deutsche Bankensystem trotz der Belastungen der letzten Jahre bewährt. So ist es nach dem Urteil verschiedenster (inter)nationaler Institutionen11 durch Stabilität und Widerstandsfähigkeit bzw. Schockresistenz gekennzeichnet. Wesentlich für die Leistungsfähigkeit und Robustheit des deutschen Bankensystems ist seine Dreisäulenstruktur, da sie einen intensiven Wettbewerb impliziert. Die unterschiedliche strategische Ausrichtung von Privatbanken, Sparkassensektor und Genossenschaftsbanken sorgt für die Beständigkeit des System. Frankfurt am Main führendes deutsches Finanzzentrum Deutsches Bankenzentrum am Main Frankfurt ist das Finanzzentrum Deutschlands. Dass die Metropole am Main im Bankwesen eine herausragende Stellung innehat, ist schon beim Blick auf die beeindruckende Skyline ersichtlich. 10 MFIs gemäß EZB-Definition vgl. Fußnote 6. Internationaler Währungsfonds, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Deutsche Bundesbank, Sachverständigenrat, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung. 11 17 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Keine andere deutsche Stadt bietet ein vergleichbares Bild, keine andere weist eine annähernd hohe Bankendichte auf. Bankenanzahl relativ stabil in Frankfurt Anzahl der Banken in Frankfurt zum Jahresende 400 400 Banken gesamt 300 300 Auslandsbanken 200 200 100 100 * 0 1999 2000 2001 2002 * 2003* 0 2004* 2005 * Statistikänderungen beeinträchtigen die Aussagekraft Quellen: Deutsche Bundesbank, Helaba Volkswirtschaft Stabilisierung der Anzahl an Kreditinstituten im deutschen Bankenzentrum Gemäß Bundesbank-Statistik12 waren Ende 2005 in Frankfurt 323 Kreditinstitute ansässig, davon 211 mit (deutschem) Hauptsitz bzw. insgesamt 187 ausländische Banken. Damit endete der rückläufige Trend, und es waren genauso viele Kreditinstitute am Main vertreten wie Ende des Vorjahres. Weiterhin behauptet Frankfurt seine Position als nationales Bankenzentrum. In München, das sich zeitweise mit Frankfurt zu messen versuchte, sind lediglich rund 150 Kreditinstitute vertreten. Weniger als 50 Banken wählten die Stadt an der Isar als Ort ihres (deutschen) Hauptsitzes, gerade ausländische Institute ließen sich hier kaum nieder. Die Anziehungskraft Münchens als Bankenstandort ist nunmehr mit der Düsseldorfs vergleichbar. Hauptsitze von Banken an deutschen Finanzstandorten Banken Top 100 in Deutschland: Frankfurt an Spitze Anzahl, Ende 2005 Kernkapital Bilanzsumme in Mrd. €* 200 200 160 160 in Bill. €* 70 3,5 60 3,0 50 120 120 80 80 40 40 0 0 2,5 Kernkapital (linke Skala) 40 2,0 30 1,5 Bilanzsumme (rechte Skala) 20 10 Frankfurt München Düsseldorf Quellen: Landeszentralbanken, Helaba Volkswirtschaft 0 1,0 0,5 Frankfurt München Düsseldorf 0,0 *Summe der am jew. Finanzplatz ansässigen Banken unter deutschen Top 100 nach Kernkapital 2004, bei München unterhalb des Strichs ohne HypoVereinsbank Quellen: The Banker, Helaba Volkswirtschaft Unangefochtene Vorrangsstellung Frankfurts, ... Dass Frankfurt das Herzstück des deutschen Bankwesens darstellt, veranschaulicht auch die Ballung aller Bankengruppen am Main. Nicht nur die drei Säulen des deutschen Kreditgewerbes Privatbanken-, Genossenschafts- und Sparkassensektor sind hier stark vertreten, mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW), der Landwirtschaftlichen Rentenbank und der Investitionsbank Hessen (IBH) sind wichtige staatliche Förderinstitute sowie zahlreiche Auslandsbanken (vgl. 2.2.1.2) in Frankfurt angesiedelt. Ebenso zeigt die Auflistung der 10 größten Kreditinstitute Deutschlands 12 18 Zu den unterschiedlichen Definitionen eines Kreditinstituts von Bundesbank und EZB vgl. Fußnote 6. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich (gemessen am Kernkapital)13 die Vorrangstellung der Main-Metropole im deutschen Bankenmarkt: Mit Deutscher Bank, Commerzbank, DZ Bank, Dresdner Bank und Eurohypo sind fünf der Spitzeninstitute in Frankfurt beheimatet14. Insgesamt wiesen diese 2004 ein Kernkapital von mehr als 50 Mrd. € auf bzw. eine aggregierte Bilanzsumme von knapp 2,4 Bill. €. Von den 20 größten deutschen Banken finden sich insgesamt sieben in der Finanzplatzregion am Main. Zu den oben genannten kommen die Landesbank Hessen-Thüringen und die DekaBank hinzu. ... München zurückgefallen und Niveau Düsseldorfs angenähert Demgegenüber gibt es mittlerweile nur noch eine Münchner Bank in den Top 10 (Bayerische Landesbank: Kernkapital gut 9 Mrd. €, Bilanzsumme knapp 325 Mrd. €). Die Übernahme der HypoVereinsbank (2004 Kernkapital 15,7 Mrd. €, Bilanzsumme gut 467 Mrd. €) durch die italienische Unicredito hat den Finanzplatz München merklich an Bedeutung einbüßen lassen. Dies verdeutlicht auch das Top 100 Ranking deutscher Banken nach Kernkapital: Auf dem Spitzenplatz rangiert unangefochten Frankfurt mit 14 Banken, deren aggregiertes Geschäftsvolumen mit Abstand am höchsten ist. Dagegen fällt das aufsummierte Kernkapital bzw. die addierte Bilanzsumme der fünf Münchner Banken deutlich ab und bewegt sich nun eher auf dem Niveau der sieben Düsseldorfer Kreditinstitute. Großteil der deutschen Bankbeschäftigten ... ... am deutschen Finanzzentrum am Main Tausend, 2004 Anteil an Beschäftigten in deutschen Banken in %, 2004 80 80 60 60 40 40 20 20 0 0 Frankfurt München Quellen: Deutsche Bundesbank, LZB Bayern, Referat für Arbeit und Wirtschaft, Helaba Volkswirtschaft Stabile Quote Frankfurts an deutscher Bankbeschäftigung 12 12 10 10 8 8 6 6 4 4 2 2 0 0 Frankfurt München Quellen: Deutsche Bundesbank, LZB Bayern, Referat für Arbeit und Wirtschaft, Helaba Volkswirtschaft Die Beschäftigungsentwicklung im deutschen Kreditgewerbe zeigt, dass sich die relative Bedeutung Frankfurts in den letzten Jahren gestärkt hat: In München kam es schneller und deutlicher zu Entlassungen als in Frankfurt. Während die Anzahl Bankbeschäftigter am Main von Mitte 2002 bis Mitte 2004 um knapp 9 % auf 73.000 zurückging, wurden die Stellen im Kreditgewerbe an der Isar im gleichen Zeitraum um 12 % auf weniger als 28.000 reduziert; 2005 setzte sich der Arbeitsplatzabbau in beiden Städten fort. Somit hat sich der Anteil Frankfurts an der Gesamtzahl aller Arbeitsplätze in der deutschen Bankbranche relativ stabil bei gut 10 % gehalten, wohingegen der Anteil Münchens etwas gesunken ist und nun weniger als 4 % beträgt. Konjunkturelle Rahmenbedingungen für die Entwicklung der europäischen Bankenplätze Belastungsfaktor deutsche Wirtschaftsschwäche So wie das Prosperieren einer Volkswirtschaft den Boden für die Stärke ihres Finanzzentrums bereitet, so schlägt sich auch eine gesamtwirtschaftliche Schwächephase spürbar im Finanzsektor nieder. Durch das schwache Wirtschaftswachstum Deutschlands nach dem Boomjahr 2000 verschlechterten sich die makroökonomischen Rahmenbedingungen für das Kreditgewerbe: Der Aktienmarkteinbruch hinterließ deutliche Spuren in den Bilanzen der Banken, konjunkturbedingt reduzierte sich die Kreditnachfrage, mit sinkendem Zinsniveau reduzierten sich die Margen. Es kam zu rückläufigen Erlösen und Kreditausfällen infolge von Unternehmensinsolvenzen. 13 14 19 Vgl. Fußnote 9. Vgl. Fußnote 8. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich BIP-Dynamik in Deutschland am geringsten % gg. Vj. (real, arbeitstäglich bereinigt) 5 5 Großbritannien 4 4 Frankreich 3 3 2 2 Deutschland 1 1 0 0 -1 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006* 2007* -1 -2 -2 * eigene Prognose Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft Mehr Konjunkturdynamik in Großbritannien und Frankreich Aktienmarktbaisse in Deutschland am ausgeprägtesten Die Kreditinstitute Frankreichs und insbesondere Großbritanniens hatten angesichts einer dynamischeren Konjunkturentwicklung die vorteilhafteren Ausgangsbedingungen: Das britische Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im Durchschnitt der letzten fünf Jahre um 2,3 % jährlich. Trotz einer deutlichen Verlangsamung betrug das Wachstum 2005 immerhin noch knapp 2 %. Frankreich zeigte sich mit einer durchschnittlichen BIP-Veränderung von gut 1,5 % vergleichsweise robust, auch 2005 nahm die gesamtwirtschaftliche Aktivität um 1,5 % zu. Demgegenüber entwickelte sich die deutsche Wirtschaft nach dem Boomjahr 2000 kraftlos und erzielte seitdem nur ein Wachstum von durchschnittlich 0,7 %; im vergangenen Jahr waren es gut 1 %. So hatten die beiden anderen Länder einen anhaltenden Wachstumsvorsprung vor Deutschland mit positiven Folgen für die dortigen Banken, die in diesem Umfeld besser agieren konnten und mehr Entfaltungsmöglichkeiten hatten. Daneben wurden Deutschland und seine Banken härter vom Aktienmarktcrash 2000 ff. getroffen; der Rückgang des DAX von März 2000 bis März 2003 betrug gut 70 %. Demgegenüber belief sich der Absturz des britischen FSTE auf rund 50 % und des französischen CAC auf über 60 %. Insofern hatten die deutschen Banken mehr unter der Aktienbaisse zu leiden, indem ihre Kapitalmarktgeschäfte und Bilanzen stärker angegriffen wurden. Rückgang des Dax war am deutlichsten, ... ... ebenso beim deutschen Branchenindex Banken Index 01.01.2000 = 100 Index 01.01.2000 = 100 120 CAC 100 120 250 100 200 250 Großbritannien 80 FTSE 60 40 DAX 20 Jan. 01 Jan. 02 Jan. 03 Jan. 04 Jan. 05 200 80 150 150 60 100 100 40 50 20 Jan. 00 Frankreich Jan. 06 Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft 50 Deutschland 0 0 Jan. 00 Jan. 01 Jan. 02 Jan. 03 Jan. 04 Jan. 05 Jan. 06 Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft Positive Perspektiven für Bankenplatz Frankfurt Positive Impulse von Konjunktur ... 20 Wenn auch die strukturellen Belastungen für den deutschen Bankensektor bestehen bleiben, die konjunkturellen Rahmenbedingungen werden tendenziell besser. Die deutsche Volkswirtschaft Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich belebt sich und lässt in diesem Jahr ein saison- und arbeitstäglich bereinigtes BIP-Wachstum von knapp 2 % erwarten – ähnlich wie in Frankreich mit gut 2 % und kaum weniger als in Großbritannien mit rund 2½ %. Allerdings dürfte die gesamtwirtschaftliche Dynamik in diesen beiden Ländern 2007 anhalten, während in Deutschland – verursacht durch die Mehrwertsteueranhebung – bereits wieder mit einer Verlangsamung auf knapp 1½ % zu rechnen ist. ... und Aktienmarkt Deutsche Banken auf Erholungskurs Unterstützung kommt in 2006 vom Aktienmarkt, der sich seit Erreichen der Talsohle im März 2003 gerade in Deutschland dynamisch zeigt. Der Dax lag Mitte Mai rund 180 % über diesem Tief, womit er stärker zulegte als der entsprechende französische Index CAC mit etwa 140 % und der britische FTSE mit knapp 90 %. Genau wie der einst überdurchschnittliche Rückgang des deutschen Aktienmarktes die Banken hierzulande spürbar belastet hatte, gestaltet sich die Aktienmarktentwicklung seit 2003 für sie nun besonders positiv. Das Investoreninteresse an deutschen Banktiteln ist wieder geweckt; der diesbezügliche Branchenindex verzeichnete seit März 2003 in der Spitze einen Anstieg um nahezu 260 % gegenüber 180 % bzw. 70 % seines französischen und britischen Pendants. Zusammen mit der deutschen Wirtschaft gesunden auch die hiesigen Kreditinstitute: Die deutschen Banken verbessern sukzessive ihre Ertragslage. 2004 erzielten sie insgesamt einen Jahresüberschuss nach Steuern von knapp 5 Mrd. € und überwanden somit den Tiefpunkt des Vorjahres, in dem es erstmalig in ihrer Geschichte zu einem Fehlbetrag gekommen war. 2005 hat sich die Ertragslage weiter gefestigt. Viele Kreditinstitute haben im Rahmen einer massiven Restrukturierung Kosten gesenkt, ihre Strategie überarbeitet und sich auf Kernkompetenzen ausgerichtet sowie ihr Geschäftsportfolio stärker internationalisiert und ihre Risikosteuerung der veränderten Marktsituation angepasst – mit Erfolg. In Reaktion auf den Aktienmarkt zieht das Kapitalmarktgeschäft der Banken wieder an; mit rückläufiger Zahl von Unternehmensinsolvenzen sinkt der Risikovorsorgebedarf der Kreditinstitute. Zudem belebt sich das Kreditgeschäft in Deutschland vor dem Hintergrund einer erhöhten Investitionsneigung seitens der Unternehmen. Ferner laufen die Belastungen durch die Anpassungen an veränderte rechtliche Rahmenbedingungen aus (Mindestanforderungen für das Kreditgeschäft, Modifikation der Haftungsbedingungen des öffentlich-rechtlichen Bankensektors, differenziertere Eigenkapitalvorschriften durch Basel II). All dies lässt eine Fortsetzung der moderaten Ertragserholung im deutschen Bankwesen erwarten. Geschäftsklima im Frankfurter Kreditgewerbe Index 150 150 Geschäftsklima (linke Skala) 140 Investitionsindikator (rechte Skala) 125 130 100 120 75 110 50 Beschäftigungsindikator (rechte Skala) 100 25 90 0 2002 2003 2004 2005 2006 Quellen: IHK Frankfurt, Helaba Volkswirtschaft Stimmungsaufhellung in Frankfurter Banken 21 Die Stimmungsindikatoren des Frankfurter Kreditgewerbes deuten an, dass sich die beginnenden Verbesserungen fortsetzen werden. Der IHK-Geschäftsklimaindex der Bankenbranche am Main ist Anfang des Jahres sichtlich auf knapp 145 Indexpunkte gestiegen und hat sich anschließend dort stabilisiert, wie die Mai-Umfrage belegt. Während sich die Lageeinschätzung weiter verbesserte, konsolidierte die Erwartung der Frankfurter Kreditinstitute über ihr künftiges Geschäft jüngst etwas. Des weiteren deutet die Umfrage auf eine relative hohe Investitionsneigung hin sowie auf Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich etwas bessere Beschäftigungsperspektiven, auch wenn der diesbezügliche Indikator nach seiner deutlichen Zunahme zu Jahresbeginn zuletzt wieder ein wenig nachgab. Frankfurt verstärkt im Blickfeld Mit der sich verbessernden Lage und Stimmung der deutschen Bankenbranche verstärkt sich auch das Interesse an der Bankenmetropole am Main. Die in den 90er Jahren zu beobachtende Präferenz für den Finanzplatz London zulasten Frankfurts und die damit verbundene zwischenzeitliche Abwanderungstendenz von Analysten vom Main an die Themse herrscht nun nicht mehr vor. Ausländische Banken sehen den deutschen Markt wieder positiv. 2.2.1.2 Frankfurt gilt als Drehscheibe des Finanzgeschehens Kontinentaleuropas Gleicher Internationalisierungsgrad am Frankfurter und Londoner Finanzplatz Auslandsbanken Bei der Wahl ihres europäischen Standorts denken Auslandsbanken meist zuerst an London, aber auch Frankfurt und Paris spielen für sie eine wichtige Rolle. In Abhängigkeit von ihrer Größe streben viele ausländische Institute eine Präsenz an allen drei dieser wichtigen Finanzzentren Europas an, um so ihre internationale Position durch Niederlassungen vor Ort zu stärken. Denn die Nähe zu anderen Finanzmarktakteuren und Kunden ist unverzichtbar für den Erfolg des eigenen Geschäfts. Frankfurt gilt den Auslandsbanken dabei als Drehscheibe der kontinentaleuropäischen Finanzaktivitäten. In Frankfurt angesiedelte Kreditinstitute15 kommen zu rund 30 % aus dem Ausland. Damit liegt der Anteil genauso hoch wie am Finanzplatz London und mehr als doppelt so hoch wie in Paris. Gemessen an den Absolutzahlen stellt sich das Bild etwas anders dar: Am deutschen Finanzzentrum sind 53 Auslandsbanken aus 19 verschiedenen Ländern vertreten, fast so viele ausländische Kreditinstitute (52) gibt es am Pariser Finanzplatz. In London sind es 78 aus nur 15 unterschiedlichen Herkunftsländern. Hoher Anteil der Auslandsbanken am Finanzplatz Frankfurt Viele Länder vertreten %, Ende 2004 Auslandsbanken in Frankfurt, Ende 2004 30 US 30 IT CN NL AT 20 20 10 10 IE GR 0 FR 0 Frankfurt London Paris Quellen: EZB, Helaba Volkswirtschaft Auslandsbanken wieder verstärkt an deutschem Bankenzentrum interessiert Quellen: EZB, Helaba Volkswirtschaft Nach der Bundesbank-Definition eines Kreditinstituts16 waren Ende 2005 knapp 190 Auslandsbanken in Frankfurt angesiedelt. Davon unterhielten gut 140 ihren Hauptsitz am Main, die anderen eine Repräsentanz. Ausländische Kreditinstitute haben ihren in den letzten Jahren zu beobachtenden Rückzug beendet, so dass ihre Anzahl 2005 im Vergleich zum Vorjahr nahezu konstant blieb. Sie zeigen wieder vermehrt Interesse am deutschen Bankenmarkt sowie seinem Zentrum am Main. Sie bauen ihre Aktivitäten hier aus und erschließen neue Geschäftsfelder; ferner konnten viele ihr Geschäftsvolumen im hiesigen Bankenmarkt 2005 deutlich steigern. So ist der Bankenplatz Frankfurt wieder verstärkt in den Fokus internationaler Institute v.a. des Investmentbankings gerückt, damit diese von hier aus ihr Deutschlandgeschäft intensiver betreiben können (vgl. 2.2.1.3). 15 16 22 GB TR FI PK AU BR ES IR LU SEIN MFIs gemäß EZB-Definition vgl. Fußnote 6. Vgl. Fußnote 6. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Auslandsbanken wieder mehr interessiert und... ... stark konzentriert am Finanzplatz Frankfurt vertreten Anzahl Auslandsbanken in Frankfurt Anzahl, Ende 2005 250 250 Hauptsitze Repräsentanzen 200 200 150 150 100 100 50 50 0 0 1999 2000 2001 2002 2003* 2004* 200 200 150 150 100 100 50 50 0 0 Frankfurt 2005 * Anzahl Hauptsitze ausländischer Banken von Definitionsänderung betroffen München Düsseldorf Quellen: Landeszentralbanken, Helaba Volkswirtschaft Quellen: Deutsche Bundesbank, Helaba Volkswirtschaft Innerhalb Deutschlands ist der Fokus ausländischer Kreditinstitute klar auf Frankfurt gerichtet, so dass sie in anderen deutschen Städten kaum vertreten sind. Am Main findet sich auch ihre Lobby – der Verband der Auslandsbanken in Deutschland, der in den letzten Jahren einen Anstieg seiner Mitgliederzahl auf mittlerweile fast 140 verzeichnen konnte. München und Düsseldorf wählten jeweils noch nicht einmal 20 Auslandsbanken zum Ort ihres Hauptsitzes oder ihrer Repräsentanz in Deutschland – eine verschwindend geringe Anzahl im Vergleich zu den fast 190 in Frankfurt beheimateten ausländischen Instituten. Dies verdeutlicht die zentrale Rolle, die der Finanzplatz Frankfurt aus der Perspektive der ausländischen Finanzindustrie spielt. Wer im deutschen Bankenmarkt erfolgreich agieren will, verzichtet nicht auf seine Präsenz am Standort Frankfurt. Herausragende Bedeutung Frankfurts für Auslandsbanken in Deutschland, gute Standortvoraussetzungen am Main 2.2.1.3 Investmentbanking Ein wichtiger Zweig des Bankgeschäfts erlebt seine Renaissance: Nachdem das Investmentbanking mit Platzen der Aktienmarktblase weltweit an Bedeutung verloren hatte, ist es nun wieder eindeutig „in“. Die Gebühreneinnahmen sprudeln wieder, in Europa stiegen sie im Jahr 2005 zum dritten Mal in Folge deutlich auf über 14 Mrd. €. Im wichtigsten Feld des Investmentbankings – der Beratung bei Fusionen und Übernahmen (M&A) – ist spürbar Dynamik aufgekommen. Investmentbanking mit neuem Schwung Gebühren-Einnahmen im Investmentbanking aus Europa % gg. Vj. Mrd. $ 80 20 Länderanteile bei den Gebühreneinnahmen 2004 Deutschland 15% Absolut (rechte Skala) 40 Veränderung (linke Skala) 15 Rest Europa 44% 0 -40 Frankreich 13% 10 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 Großbritannien 28% 5 Quellen: IFSL, Freeman & Co, Helaba Volkswirtschaft Quellen: Thomson Financial, Freeman & Co., Helaba Volkswirtschaft Entscheidende Triebkräfte sind Private-Equity-Gesellschaften (vgl. 2.3.2.2), auf Finanzinvestoren entfallen rund ein Viertel des europäischen M&A-Geschäfts. Neben Beratungsaufgaben betreiben 23 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Investmentbanken zunehmend Handelsgeschäfte mit komplexen Finanzinstrumenten, die bei Finanztransaktionen z.B. in Verbindung mit Übernahmen zum Einsatz kommen. Top-Investmentbanken an allen drei großen Finanzplätzen Europas, in London meist europäisches Hauptquartier Frankfurt als Zentrum für Investmentgeschäfte im attraktiven deutschen Markt Auf dem europäischen Markt dominieren amerikanische Investmentbanken. Mit der Deutschen Bank rangiert allerdings auch ein deutsches Institut in der Spitzenliga der international bedeutendendsten Häuser der Branche. Viele dieser „Global Player“ haben in London ihr europäisches Hauptquartier oder eine große Niederlassung, so dass etwa ein Viertel der in Europa erzielten Einnahmen aus dem britischen Finanzzentrum stammen. Daneben sind die Investmentbanken daran interessiert, auch an den anderen beiden großen Finanzplätzen Europas vertreten zu sein, um durch ihre Präsenz vor Ort ihre Position im jeweiligen nationalen Geschäft zu stärken. So sind die meisten der globalen Top 10 sowohl in London als auch in Frankfurt und Paris präsent. 2004 entfielen auf Deutschland 15 % der in Europa erzielten Gebühreneinnahmen und auf Frankreich 13 %. Dem Investmentbanking insbesondere im Bereich M&A kommt in Deutschland gegenwärtig besonderes Interesse zu und der Finanzplatz Frankfurt gilt als entscheidender Dreh- und Angelpunkt der Branche. Die hiesigen Unternehmen stehen Fusions- und Übernahmeoptionen wieder offener gegenüber. Durch ihre Restrukturierungsmaßnahmen haben sie sich Handlungsspielräume geschaffen. So vollzog der deutsche M&A-Markt 2005 eine beeindruckende Kehrtwende: Während das Geschäftsvolumen beim deutschlandbezogenen M&A-Geschäft 2004 noch rückläufig war, kam es 2005 zu einem deutlichen Anstieg um 80 % auf nahezu 360 Mrd. €. Die Dynamik setzte allerdings schon 2004 ein, was sich an der Anzahl der Transaktionen ablesen lässt. Diese stiegen 2004 um 30 % und um weitere 9 % in 2005. Das durchschnittliche Transaktionsvolumen lag bei über 0,8 Mrd. €, ist aber noch weit entfernt vom einstigem Spitzenwert aus dem Jahr 2001 (durchschnittlich 1,82 Mrd. € je Deal). Die Entwicklung im deutschen M&A-Geschäft in den ersten Monaten 2006 lässt die Investmentbanker erneut auf ein sehr erfolgreiches Gesamtjahr hoffen. Deutschland-bezogenes M&A-Geschäft 2005 Anteil in % Restl. Banken Deutsche Bank Metzler CF Sal. Oppheim UBS Dresdner KW 15% 14% 1% 1% 4% Goldman Sachs 14% 5% 7% 11% Lehman Brothers 8% Morgan Stanley 10% 10% Citygroup Merill Lynch JP Morgan Chase Quellen: Börsen-Zeitung, Helaba Volkswirtschaft Deutsche Banken bei hiesigen Mittelstand-Übernahmen aktiv 24 In der Phase der strukturellen Anpassungsprobleme der deutschen Banken (vgl. 2.2.1.1) konnten die US-Investmenthäuser eine dominierende Marktposition erlangen. Für deutschen Institute ergeben sich dennoch Chancen, insbesondere im Mittelstandsgeschäft, wo persönliche Kontakte und aufgebaute Vertrauensverhältnisse eine wichtige Rolle spielen. So zeigen sich neben deutschen Großbanken insbesondere auch kleinere Institute – wie Frankfurter Privatbankiers – aktiv im hiesigen (mittelständischen) Übernahmegeschäft. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich 2.2.2 Versicherungen Frankfurt London Paris ☺ ☺ Versicherungen ☺ International gut aufgestellt Mittelfeld Defizite Quelle: Helaba Volkswirtschaft Neben der unverzichtbaren Präsenz von Banken ist es für einen Finanzplatz wichtig, dass ein Großteil der Versicherungen ansässig ist, zumal sich die klassische Aufgabenteilung zwischen diesen beiden Institutsgruppen im Wandel befindet. Großbritannien führend im europäischen Versicherungsmarkt Gemessen an den 2004 im Versicherungsgeschäft erzielten Prämieneinnahmen rangiert Großbritannien mit knapp 217 Mrd. € vor Deutschland und Frankreich (140 Mrd. € bzw. 143 Mrd. €). Auch bei der Relation der Versicherungsprämien zum Bruttoinlandsprodukt (Versicherungsdurchdringung) wird die Führungsrolle Großbritanniens im europäischen Versicherungsmarkt deutlich, denn den dortigen 12,6 % stehen 9,5 % in Frankreich und 7 % in Deutschland gegenüber. Bezüglich der Versicherungsdichte, also des Prämienvolumens je Einwohner, liegt Großbritannien mit gut 3.300 € vor Frankreich mit knapp 2.400 € und Deutschland mit nahezu 1.700 €. Versicherungsmärkte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien 2004 Deutschland Frankreich Großbritannien 140,1 142,9 216,5 7,0 9,5 12,6 1.679 2.355 3.310 Gesam te Präm ieneinnahm en in Mrd. € Versicherungsdurchdringung* Versicherungsdichte in €** * Prämieneinnahmen zum Bruttoinlandsprodukt, ** Prämienvolumen je Einwohner Quellen: GDV, Hessen Agentur Wie bei den Banken (vgl. 2.2.1.1) kommt auch in der Versicherungswirtschaft die dezentrale Struktur Deutschlands im Gegensatz zu der zentralstaatlichen Großbritanniens und Frankreichs zum Tragen. Während sich das britische und französische Finanzzentrum auch als zentrale Versicherungsplätze herausgebildet haben, verteilt sich die Branche hierzulande auf mehrere Regionen. Beschäftigte in europäischen Versicherungsstädten Deutsche Versicherungsstandorte im Wettbewerb Anzahl, 2003 Anzahl Versicherungen, 2003 40.000 40.000 Beschäftigte 35.000 90 80 30.000 30.000 30.000 70 25.000 60 20.000 20.000 50 20.000 40 15.000 30 10.000 10.000 10.000 20 5.000 10 0 0 Frankfurt London Paris Quellen: GDV, Observatoire de l’Evolution des Metiers de l’Assurance, ISFL, Hessen Agentur 25 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba 0 0 Frankfurt München Quellen: GDV, Hessen Agentur Köln Hamburg Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Entwicklung des Versicherungsplatzes Frankfurt gehemmt durch innerdeutschen Konkurrenzkampf Besondere Rolle Münchens in Versicherungswirtschaft Frankfurt punktet mit EUVersicherungsaufsicht So befinden sich von den insgesamt 740 bei der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen (BaFin) geführten Versicherungen lediglich gut 40 in Frankfurt bzw. mehr als doppelt so viele in der Finanzplatz-Region am Main insgesamt. Demgegenüber ist die Mehrzahl der rund 770 britischen Versicherer am Finanzplatz London ansässig, ebenso verhält es sich mit den etwa 480 französischen Versicherungsgesellschaften, die schwerpunktmäßig in Paris vertreten sind. So stammt von den zehn größten Versicherungskonzernen Europas (gemessen am Prämienaufkommen und an der Marktkapitalisierung) jeweils einer aus der französischen Hauptstadt (Axa) und einer aus der britischen (Aviva), wohingegen am deutschen Finanzzentrum keine vergleichbar bedeutende Versicherung ihren Hauptsitz hat. Ein ähnliches Bild liefert die Beschäftigtenanzahl, die in Frankfurt 2003 bei unter 10.000 bzw. bei mehr als 20.000 in der Region lag gegenüber etwa 24.000 in Paris und rund 40.000 in London. Unter den innerhalb Deutschlands miteinander konkurrierenden Versicherungsstandorten liegen – gemessen an der Anzahl der Institute – München, Hamburg und Köln nebst Düsseldorf eindeutig vor Frankfurt. Von den bei der BaFin eingetragenen Versicherungsunternehmen sind jeweils rund 80 in München und Hamburg mit ihrem Hauptsitz ansässig, 70 in Köln sowie 40 in Düsseldorf. Frankfurt als Herzstück des Rhein-Main-Gebietes wählte nur eine begrenzte Anzahl an Versicherungen als Standort. Die Arbeitnehmerzahl in der deutschen Versicherungsbranche differenziert nach Standorten zeigt eine ähnliche Reihenfolge der einzelnen Versicherungsstädte nach ihrer Bedeutung – knapp 30.000 sind jeweils in München und Köln beschäftigt, etwa 24.000 in Hamburg und knapp 13.000 in Düsseldorf und noch weniger in Frankfurt. Die besondere Rolle Münchens resultiert daraus, dass mit Allianz und Münchner Rückversicherung die zwei Schwergewichte der deutschen Versicherungswirtschaft bzw. zwei Institute von Weltruf vertreten sind. Positive Impulse für den Versicherungsstandort Rhein-Main sind als Folge der Ansiedlung des EU-Aufsichtsgremiums für Versicherungen CEIOPS (Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors) zu erwarten (vgl. 2.2.5). Allerdings dürften sich die Auswirkungen dieser Ende 2003 getroffenen Grundsatzentscheidung erst im Laufe der Zeit entfalten, wenn sich das Zusammenspiel zwischen den Instituten und ihrer Aufsichtsbehörde immer mehr intensiviert. 2.2.3 Investmentgesellschaften seit Jahrzehnten fester Bestandteil des Finanzgeschehens Diversifikation auf viele Gesellschaften in Frankreich und Großbritannien gegenüber Konzentration auf wenige in Deutschland – Kern in Frankfurt 26 Investmentgesellschaften Neben den Finanzinstituten Banken und Versicherungen spielen auch Investmentgesellschaften seit Jahrzehnten eine bedeutende Rolle im Finanzgeschehen. In Deutschland feierte die Branche jüngst ihr 50-jähriges Jubiläum, der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) wurde 1970 gegründet. Sein Pendant in Frankreich – L'Association Française de la Gestion Financière (AFG) – wurde Anfang der 1960er Jahre ins Leben gerufen. Die ersten Investmentfonds gab es in Frankreich genau wie in Deutschland erst nach dem zweiten Weltkrieg. Die Anfänge des britischen Verbandes Investment Management Association (IMA) reichen in die späten 1950er Jahre zurück – knapp 30 Jahre nach Auflage des ersten Fonds in Großbritannien. Die Anzahl der beim jeweiligen nationalen Verband unter Obhut stehenden Investmentgesellschaften in den drei Ländern ist im Grunde nicht vergleichbar. Denn die Vielzahl an Fondsgesellschaften in Großbritannien (rund 160) und insbesondere in Frankreich (knapp 380), die primär in London bzw. Paris beheimatet sind, rührt wesentlich von einer ausgeprägten Diversifikation her. Demgegenüber konzentriert sich das Fondsvolumen in Deutschland auf eine begrenzte Anzahl von Gesellschaften, rund 80 sind Mitglied im BVI. Innerhalb Deutschlands befindet sich die Investmentbranche schwerpunktmäßig im Raum Frankfurt. Über die Hälfte der deutschen Fondsgesellschaften hat hier ihren Hauptsitz, und das von ihnen im In- und Ausland verwaltete Fondsvermögen macht mehr als Zweidrittel des Gesamtvolumens deutscher Kapitalanlagegesellschaften aus. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Marktsegment Investmentfonds als Trend in der Finanzbranche Insbesondere vor dem Hintergrund des erhöhten privaten Altersvorsorgebedarfs generieren die Investmentgesellschaften mit ihrem innovativen Charakter eine zunehmende Nachfrage nach ihren Fonds, so dass sie zu einer immer bedeutenderen Säule des Finanzwesens werden. Insofern betrachten wir die Investmentbranche als einen der gegenwärtig zentralen Trends im Finanzwesen (vgl. 2.3.2.1). 2.2.4 Börsen Börsen ☺ International gut aufgestellt Mittelfeld Frankfurt London Paris ☺ ☺ ☺ Defizite Quelle: Helaba Volkswirtschaft Finanzinstitute und Börse als Nukleus des Finanzplatzes Finanzinstitute und Börsen machen gemeinsam den ureigensten Charakter eines Finanzzentrums aus bzw. bilden seinen Nukleus. Konsolidierung der europäischen Börsenlandschaft Wandel der europäischen Börsenlandschaft Fusionskarussell weiter in Bewegung Die nationalen Börsen, die vor wenigen Jahren oft (Quasi-) Monopolstellungen innehatten, sind heute einem globalen Wettbewerb ausgesetzt. Dieser wird forciert durch Angleichungen der rechtlichen Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene („Common Level Playing Field“). Hohe Investitionskosten in technologische Weiterentwicklungen verursachen einen Konsolidierungsdruck hin zu europaweiten, kostengünstigen Handels- und Abwicklungsplattformen. Der sich vollziehende Wandel in der europäischen Börsenlandschaft geht einher mit Änderungen der Eigentümerstrukturen der Börsen. Traditionell staatliche oder im Besitz der Hauptnutzer befindliche Börsen werden immer häufiger selbst zu Aktiengesellschaften, die untereinander kooperieren und fusionieren. Bereits im Jahr 1998 entstand durch den Zusammenschluss von Frankfurter DTB (Deutsche Terminbörse) und der Züricher SOFFEX (Swiss Options and Financial Futures Exchange) die binationale Derivate-Börse Eurex. Im Jahr 2000 schlossen sich die nationalen Börsen in Paris, Amsterdam und Brüssel zur Euronext zusammen; 2002 kamen Lissabon und die auf Futures sowie Optionen spezialisierte Londoner Börse LIFFE (London International Futures and Options Exchange) hinzu. Seit Ende der 90er Jahre werden potenzielle Fusionen nicht nur der europäischen Börsen untereinander, sondern auch mit Konkurrenten außerhalb Europas intensiv diskutiert und ausgelotet, viele verschiedene Möglichkeiten waren dabei bereits im Gespräch. Und der Prozess ist noch nicht abgeschlossen trotz der kürzlich verkündeten Fusionsabsicht von der New York Stock Exchange (NYSE) mit der Euronext zur NYSE Euronext. Aus europäischer Sicht wäre zu bedauern, dass die derzeitige Konsolidierung der Börsenwelt nicht in einer Fusion der Deutschen Börse mit der Euronext mündet. Mit einer Fusion von Deutscher Börse und Euronext könnte eine „Superbörse“ in Europa entstehen, die die Messlatte für die amerikanische Konkurrenz hoch legen würde. Stellung der Deutschen Börse im europäischen Vergleich Die Bedeutung der Börsen in Frankfurt, Paris und London ergibt sich angesichts ihres breiten Handlungsfeldes aus einer Vielzahl verschiedener Kennziffern. Diese beziehen sich bei Euronext auf den Zeitraum vor dem jüngst geplanten Zusammenschluss mit der NYSE, der voraussichtlich Ende dieses Jahres vollzogen sein wird. Die Angaben zur Deutschen Börse umfassen beim Derivatehandel die Eurex insgesamt. Bei der Euronext werden in allen Segmenten die Gesamtwerte aller Länder betrachtet, da spezifische Teilwerte für Paris kaum vorliegen. 27 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Marktbewertung von Deutscher Börse am höchsten Hinsichtlich des eigenen Marktwertes liegt das in Frankfurt beheimatete Unternehmen Deutsche Börse an der Spitze Europas. Die Marktteilnehmer messen der Deutschen Börse also eine herausragende Bedeutung zu – mehr als es in der Bewertung der dort gelisteten Unternehmen zum Ausdruck kommt. So belief sich die Marktkapitalisierung aller Titel der Deutschen Börse Ende 2005 auf insgesamt über 1 Bill. €, womit sie deutlich hinter der Londoner Börse (2,6 Bill. €) und der Euronext (knapp 2,3 Bill. €) rangierte. Ursache hierfür ist, dass die Führung eines Unternehmens in Form einer Aktiengesellschaft in Deutschland nicht so verbreitet ist wie in den anderen beiden Ländern. Insofern betrug die Anzahl gelisteter heimischer Unternehmen 2005 nur 650 in Frankfurt gegenüber knapp 2.800 in London und nahezu 1.000 an der Euronext. Marktwert der Börsen versus... ... Marktkapitalisierung gelisteter Unternehmen Marktkapitalisierung des Unternehmens in Mrd. €, Ende Mai 2006 Bill. €, Ende 2005 12 12 3.500 3.500 10 10 3.000 3.000 8 8 2.500 2.500 6 6 2.000 2.000 1.500 1.500 1.000 1.000 4 4 2 2 0 0 Deutsche Börse Euronext 500 500 0 0 London Stock Exchange Deutsche Börse Quellen: Deutsche Börse, Hessen Agentur Euronext London Stock Exchange Quellen: World Federation of Exchanges, Hessen Agentur a) Aktienmarkt London ist führender Aktienmarkt Europas Eine ähnliche Größenrelation wie bei der Marktkapitalisierung gelisteter Unternehmen (London > Paris > Frankfurt) kommt zwischen den drei Börsen auch in anderen Vergleichswerten des Aktienmarktes zum Ausdruck: London sticht in diesem Segment hervor, meist mit Abstand folgen die Mehrländerbörse Euronext und dann die Frankfurter Börse. So kam die Deutsche Börse 2005 auf ein Verhältnis des Aktienwertes inländischer Unternehmen zum Bruttoinlandsprodukt von rund 50 %, während die Euronext und die Londoner Börse sogar einen etwa dreimal so hohen Wert aufweisen konnten (knapp 150 % bzw. 160 %). Umsatz des Aktienhandels 2005 Relation Marktkapitalisierung inländischer Firmen zum BIP Bill. €, Ende 2005 in %, 2005 5 5 4 4 175 175 150 150 125 125 3 3 100 100 2 2 75 75 1 1 50 50 25 25 0 0 Deutsche Börse Euronext London Stock Exchange Quellen: World Federation of Exchanges, Hessen Agentur 0 0 Deutschland Frankreich Großbritannien Quellen: Eurostat, World Federation of Exchanges, Hessen Agentur. Der Vorsprung der „City“ zeigt sich auch beim Umsatz der im Jahr 2005 gehandelten Aktien: mit knapp 4,6 Bill. € war der Aktienumsatz an der Londoner Börse drei Mal so hoch wie in Frankfurt (knapp 1,6 Bill. €), aber auch deutlich höher als an der Euronext (gut 2,3 Bill. €). Allerdings wird in London – im Unterschied zu den beiden anderen Börsen – der umfassende OTC-Handel mit 28 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich ausländischen Aktien („Over-the-Counter“) auf Grund regulatorischer Bestimmungen der LSE gemeldet und zugerechnet, so dass sich der Umsatzvorsprung der Londoner Börse zumindest etwas relativiert. Im Übrigen ist der deutsche Aktienmarkt vor dem strukturellen Hintergrund einer nur begrenzt finanzmarktbasierten Unternehmensfinanzierung zu sehen. Die klassische Fremdkapitalbeschaffung durch Bankkredite spielt für deutsche Firmen nach wie vor die größte Rolle. IPO-Entwicklung an LSE am dynamischsten und ... ... IPO-Emissionsvolumen an LSE am höchsten Absolutwerte Mrd. €, 2005 400 300 Deutsche Börse 400 20 20 300 15 15 10 10 5 5 LSE 200 200 Euronext 100 100 0 0 2000 0 2001 2002 2003 2004 mit Abstand am lebhaftesten Euronext 2005 Quellen: PricewaterhouseCoopers; Hessen Agentur Neuemissionsgeschäft in London 0 Deutsche Börse London Stock Exchange Quellen: PricewaterhouseCoopers; Hessen Agentur Die Folgen der Aktienbaisse mit dem Tiefpunkt im März 2003 und der Schließung des Frankfurter Neuen Marktes waren lange am deutschen Aktienmarkt spürbar; schließlich wurde Deutschland vehementer vom Aktienmarktcrash getroffen als Großbritannien und Frankreich (vgl. 2.2.1.1). Dies zeigt sich auch an der Entwicklung der Neuemissionen (Initial Public Offerings, kurz: IPOs) an den drei Börsen. An der Deutschen Börse gab es im Jahr 2003 lediglich einen Börsengang und nur fünf im Folgejahr. 2005 war bei den Neuemssionen in Deutschland wieder Dynamik festzustellen. Gut 40 Unternehmen gingen an die Deutsche Börse. Das Neuemissionsgeschäft an der Euronext verlief in den letzten Jahren ähnlich. Hier kam es zu einem moderaten Anstieg der IPOs auf gut 60 im letzen Jahr. Allerdings lagen die Emissionsvolumina der Erstnotierungen an der Euronext und der LSE 2005 (gut 16 Mrd. € bzw. fast 19 Mrd. €) deutlicher höher als an der Deutschen Börse mit knapp 4 Mrd. €. Mit den Börsengängen von Electricité de France (7 Mrd. €) und Gaz de France (3,5 Mrd. €) fanden an der Euronext im vergangenen Jahr die mit Abstand größten IPOs in Europa statt. IPO-Zuversicht in Europa Die Erholung von Konjunktur und Aktienmarkt in Deutschland macht die Investition in Aktien interessanter, und immer mehr Unternehmen hierzulande begreifen den Börsengang wieder als Möglichkeit zur Eigenkapitalbeschaffung. Der Ausblick für Neuemissionen am deutschen Aktienmarkt hellt sich auch vor dem Hintergrund des in Europa insgesamt steigenden Interesses an IPOs auf. Das Jahr 2006 ist für europäische Neuemissionen bislang recht gut angelaufen und lässt noch zahlreiche Börsengänge an allen drei Finanzplätzen erwarten. „Entry Standard“ als Signal zur Einen wichtigen Baustein für ein wieder regeres Neuemissionsgeschäft hat die Deutsche Börse mit Schaffung des „Entry Standard“ im Herbst 2005 gelegt – ein speziell auf kleine und mittlere Unternehmen ausgerichtetes Marktsegment, welches v.a. spezialisierte institutionelle Investoren nutzen. An den Start dieses Mittelstandssegments gingen zunächst 12 Unternehmen, mittlerweile sind es 30 (Stand: Mai 2006). Damit bewegt sich der „Entry Standard“ aktuell etwa auf einem Niveau mit der Alternext – dem entsprechenden im Mai 2005 eingeführten Markt der Mehrländerbörse Euronext, in dem 37 Unternehmen gelistet sind (Stand: Mai 2006). Auch wenn das Frankfurter Mittelstandssegment noch in einer anderen Liga spielt als der Alternative Investment Market der Londoner Börse (AIM) mit seinen rund 1.400 Unternehmen zu Anfang dieses Jahres, so ist mit dem „Entry Standard“ für mittelständische Unternehmen in Deutschland die Plattform für diese Finanzierungsform geschaffen. Die Einrichtung dieses Segments an der wichtigsten deutschen Weiterentwicklung der deutschen Aktienkultur 29 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Börse setzt ein Signal für die Weiterentwicklung der Aktienkultur in Deutschland. Im Rahmen der deutschen Konjunkturerholung dürfte die Nachfrage nach mittelständischen Unternehmensaktien relativ dynamisch bleiben und der „Entry Standard“ u.a. als Finanzierungsquelle für den Mittelstand an Bedeutung gewinnen. b) Rentenmarkt Frankfurter Rentenmarkt hinter London und vor Paris In Deutschland hat der Rentenmarkt traditionell eine große Bedeutung, sowohl zur Unternehmensfinanzierung als auch zur Finanzierung öffentlicher Haushalte. So bot die Deutsche Börse zum Jahresende 2005 mit insgesamt knapp 10.900 gelisteten Wertpapieren – 7.500 von heimischen Unternehmen, 1.200 von öffentlichen Haushalten und 2.200 aus dem Ausland – ein breit gefächertes Angebot und erzielte im Jahr 2005 einen Gesamtumsatz von mehr als 300 Mrd. €. Deutsche Börse: Trotz hoher Zahl gelisteter Wertpapiere … ... nur vergleichsweise niedriger Umsatz Anzahl, Ende 2005 Bill. €, Ende 2005 12.000 12.000 9.000 9.000 6.000 6.000 3.000 3.000 0 0 Deutsche Börse Euronext London Stock Exchange Quellen: World Federation of Exchanges, Hessen Agentur 3 3 2 2 1 1 0 0 Deutsche Börse Euronext London Stock Exchange Quellen: World Federation of Exchanges, Hessen Agentur Gemessen an der Zahl der gehandelten Rentenpapiere rangierte die Deutsche Börse knapp hinter London (11.000), der Gesamtumsatz mit Rentenpapieren war in London aber deutlich höher (etwa 2,4 Bill. €). Dabei spielen ausländische Papiere für den Londoner Rentenmarkt eine sehr viel größere Rolle als dies in Frankfurt der Fall ist. So stammen gut 40 % der in London gelisteten Papiere aus dem Ausland, in Frankfurt sind es nur 20 %. Im Vergleich zur Euronext ist Frankfurt besser positioniert, denn an der Mehrländerbörse wurden im vergangenen Jahr „nur“ gut 3.500 Rentenpapiere gehandelt mit einem Umsatz von gut 140 Mrd. €. Nach den Statistiken der World Federations of Exchanges konzentriert sich der Rentenhandel an der Euronext dabei zu 90 % auf ausländische Papiere, was jedoch möglicherweise auf Probleme bei der Zuordnung der einzelnen Länderwerte zurückzuführen ist. Neuemissionen von Rentenpapieren besonders dynamisch in Frankfurt Die Entwicklung der Neuemissionen in den letzten beiden Jahren stimmt hoffnungsfroh für die künftige Bedeutung des Frankfurter Rentenmarktes. Denn gerade an der hiesigen Börse wurden viele neue Anleihen aufgelegt, Ende 2005 waren es nahezu 2.400 Rentenpapiere mehr als im Vorjahr; dem steht ein Plus von gut 700 Titeln in London und knapp 60 in Paris gegenüber. c) Derivatemarkt Eurex als weltweit führende Handelsplattform für Derivate 30 Die Eurex hat sich in nur wenigen Jahren zu einem der weltweit größten Handelsplätze für derivative Finanzprodukte entwickelt. Das vor über einer Dekade eingeführte elektronische Handelssystem verhalf der Eurex zu besonderer Attraktivität rund um den Globus und trug somit entscheidend zu ihrem durchschlagenden Erfolg bei. Derivate können generell in Form von Optionen oder Futures auf Aktien, Indizes, Zinsen, Rohstoffe und Währungen gehandelt werden. Neuerdings gewinnen auch Kreditderivate immer mehr an Bedeutung (vgl. 2.3.2.2). Die Eurex hat im Derivatehandel auf Aktien-, Index-, Kapitalmarkt- und Geldmarktprodukte 2005 eine globale Spitzenposition belegt. Devisen- und Rohstoffderivate werden allerdings nicht gehandelt. Insgesamt wurden Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich an der Eurex im letzten Jahr knapp 1,2 Mrd. Kontrakte geschlossen. Demgegenüber kam ihr Hauptkonkurrent in Europa, die 2002 durch Übernahme der britischen Derivate-Börse LIFFE bedeutender gewordene Mehrländerbörse Euronext, „nur“ auf gut 0,7 Mrd. Kontrakte. Damit entfallen gut 15 % des weltweiten Derivatehandels (ohne Devisen- und Rohstoffprodukte) auf die Eurex und nahezu 10 % auf die Euronext. Differenziert nach einzelnen Produktgruppen sind allerdings deutliche Unterschiede festzustellen. Kontrakte derivativer Aktienprodukte Kontrakte derivativer Indexprodukte Anteil am globalen Derivatehandel in %, Ende 2005 Anteil am globalen Derivatehandel in %, Ende 2005 20 20 15 15 10 10 5 5 0 0 Eurex 10 10 8 8 6 6 4 4 2 2 0 Euronext (einschl. Liffe) Quellen: Eurex; Hessen Agentur Euronext führt knapp bei Aktienderivaten, Eurex spürbar bei Indexderivaten 0 Eurex Euronext (einschl. Liffe) Quellen: Eurex; Hessen Agentur Im Bereich der Aktienderivate liefern sich Eurex und Euronext seit Jahren ein enges Kopf-anKopf-Rennen. Das Jahr 2005 konnte die Euronext knapp für sich entscheiden, mit einem Weltmarktanteil von über 18 % hatte sie einen kleinen Vorsprung vor der Eurex mit gut 16 %. Hingegen lag die Eurex im Handel mit Indexderivaten eindeutig vorn und kam auf einen Weltmarktanteil von über 8 %; Optionen und Futures auf den Euro Stoxx 500 sind hierfür maßgeblich, gefolgt vom DAX. Kontrakte derivativer Kapitalmarktprodukte Kontrakte derivativer Geldmarktprodukte Anteil am globalen Derivatehandel in % , Ende 2005 Anteil am globalen Derivatehandel in %, Ende 2005 60 60 30 30 50 50 25 25 40 40 20 20 30 30 15 15 20 20 10 10 10 10 5 5 0 0 0 Eurex Euronext (einschl. Liffe) Quellen: Eurex; Hessen Agentur Eurex Weltmarktführer bei Kapitalmarktderivaten, Euronext bedeutend bei Geldmarktderivaten 31 0 Eurex Euronext (einschl. Liffe) Quellen: Eurex; Hessen Agentur Etwa die Hälfte aller Kontrakte für Kapitalmarktprodukte weltweit liefen im Jahr 2005 über das Handelssystem der Eurex. Speziell im Handel mit Euro-Bund-, Euro-Bobl- und Euro-SchatzFuture ist die Eurex Weltmarktführer. Dem stand 2005 allerdings ihr unbedeutend kleiner Anteil am Derivatehandel mit Geldmarktprodukten von lediglich 0,1 % des weltweiten Handels gegenüber; hierbei handelte es sich fast ausschließlich um Futures auf den 3-Monats-Euribor. Demgegenüber spielt die Euronext eine eher unbedeutende Rolle bei Zinsderivaten im Langfristbereich, kommt aber bei Geldmarktderivaten auf einen ansehnlichen Anteil von fast 30 %. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Die Deutsche Börse im innerdeutschen Wettbewerb Zunehmende Bedeutung Frankfurts durch Xetra Bevor im Jahr 1997 das elektronische Handelssystem Xetra (Exchange Electronic Trading) in Frankfurt an den Start ging, stammte noch fast ein Viertel des gesamten Börsenumsatzes in Deutschland von den Regionalbörsen. In den Folgejahren hat die Bedeutung der Regionalbörsen merklich ab- und die der Frankfurter Börse zugenommen, wozu die Einführung von Xetra nicht unerheblich beigetragen haben dürfte. Es kam zu Fusionen unter den Regionalbörsen, z.B. 1999 von Hamburg und Hannover sowie 2003 von Berlin und Bremen. Gleichzeitig gewann die Frankfurter Börse zunehmend Markanteile. Gesamtumsatz und Orderbuchumsatz der deutschen Börsen nach Anlageformen 2005 Alle deutschen Börsen vom Gesam tum satz entfallen auf Gesam t- OrderbuchXetra um satz um satz in Mrd. € FWB* Andere vom Orderbuchum satz entfällt auf Xetra in % FWB* Andere in % Aktien heimischer Unternehmen (Domestic Equities) 2.824 1.173 80,7 13,7 5,7 93,1 3,9 3 Aktien ausländischer Unternehmen (Foreign Equities) 267 76 25,5 48,9 25,5 43,9 32,5 23,6 Heimische Optionsscheine (Domestic Warrants) 92 16 0 56,3 43,7 0,1 14,1 85,8 Ausländische Optionsscheine (Foreign Warrants) 5 1 0 41,1 58,9 0 18,4 81,6 Heimische Anleihen (Domestic Bonds) 550 104 0 57,2 42,8 0 36,2 63,8 Ausländische Anleihen (Foreign Bonds) 65 11 0 65,2 34,8 0 51,2 48,8 3.803 1.381 61,7 24,4 13,9 81,5 8,4 10,1 Summe * Frankfurter Wertpapierbörse Quellen: Deutsche Börse Group (2005), Hessen Agentur Konzentration des deutschen Börsengeschehens in Frankfurt Gemäß Gesamtumsatzstatistik17 entfielen 2005 auf die am Main beheimatete Xetra gut 60 % und den Parketthandel der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) 25 % des Aktien-, Wertpapier- und Rentenumsatzes aller deutschen Börsen. Der heimische Aktienhandel läuft größtenteils über Xetra bzw. fast vollständig in Frankfurt ab, ¾ aller ausländischen Aktien werden am Main gehandelt. Hier liegt auch der Schwerpunkt des Anleihehandels: Knapp 60 % der in- und 65 % der ausländischen Titel entfallen auf die FWB. Bei den volumenmäßig recht unbedeutenden Optionsscheinen weist die Gesamtumsatzstatistik eine etwa hälftige Aufteilung zwischen Frankfurt und den Regionalbörsen aus. 17 Dieser Abschnitt bezieht sich auf die Gesamtumsatzstatistik: Diese erfasst neben den Orderbuchdaten auch Geschäfte, für die der Preis nicht offiziell im Börsenhandelssystem ermittelt wurde, sondern vorab von den Marktteilnehmern vereinbart und dann direkt in das Börsengeschäftsabwicklungssystem eingegeben wurde. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Orderbuchumsätze in Einfachzählung und der Gesamtumsatz in Doppelzählung (d.h. Zählung auf Kauf- und Verkaufsseite) veröffentlicht werden. 32 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Anteil deutscher Börsen am Gesamtumsatz Mittelstandssegmente an deutschen Börsen %, 2005 Anzahl Unternehmen, Mai 2006 Xetra 62% FWB 24% Regionalbörsen 14% Spezialisierung der mittelständische Firmen vor Ort ... ... und auf deutsche Nischensegmente Weitere Konzentration sinnvoll 30 25 25 20 20 15 15 10 10 5 5 0 0 Frankfurt: Entry Standard Quellen: Deutsche Börse Group, Hessen Agentur Regionalbörsen auf 30 München: M:access Stuttgart: Gate-M Quellen: Internetauftritt der Börsen, Hessen Agentur Die Regionalbörsen verfolgen Strategien der Spezialisierung auf bestimmte Marktsegmente, in denen sie sich durch Erreichen einer kritischen Masse eine besondere Stellung in der deutschen Börsenlandschaft sichern wollen. So verstehen sich Regionalbörsen als Dienstleister für kleine, regionale Unternehmen und haben für diese eigene Handelssegmente eingerichtet – z.B „Gate-M“ in Stuttgart mit 22 Unternehmen bzw. „M:access“ in München mit 14 (Stand: Mai 2006). Die Anzahl der am Frankfurter „Entry Standard“ gelisteten Unternehmen wird somit nicht erreicht. Neben regionalen Kleinunternehmen als Emittenten fokussieren sich die Regionalbörsen auf bundesweite Nischensegmente: Der Versuch der Börse Berlin/Bremen in Kooperation mit der Nasdaq Europe einen Internet-basierten, elektronischen Aktienmarkt in Deutschland aufzubauen, scheiterte allerdings ebenso wie die Akzeptanz von „Jiway“, einer vom US-Investmenthaus Morgan Stanley und der schwedischen OM-Group betriebenen Internet-Börse zum europaweiten OnlineAktienhandel. An den Börsen Düsseldorf und München wurden 2004 mit „Quotrix“ bzw. 2005 mit „Max-one“ neue Anläufe unternommen. Aktuell wird von den Börsen Berlin/Bremen, Stuttgart und Frankfurt der Aufbau einer gemeinsamen Retail-Plattform speziell für Privatanleger diskutiert. Des weiteren hat die Börse Stuttgart mit „Euwax“ das mittlerweile größte europäische Börsensegment für verbriefte Derivate mit Fokus auf börsennotierte Optionsscheine geschaffen. In diesem Segment sieht sich die Stuttgarter Börse denn auch nicht mehr als Regionalbörse, sondern als eine bundesweit agierende, spezialisierte Handelsplattform. Die Börse Hamburg/Hannover profiliert sich als Fondsbörse für offene und geschlossene Fonds. Insgesamt stellen die Regionalbörsen allerdings gemessen an ihren Umsätzen keine ernsthafte Herausforderung für den Finanzplatz Frankfurt dar. Gerade im Bereich der Börsen ist es notwendig, föderale Begehrlichkeiten abzuwenden und Vorbehalte gegen weitere Zentralisierungen im deutschen Börsenwesen abzubauen. Das Bewußtsein der Akteure hin zu einer kritischen Masse ist nicht in ausreichendem Maße vorhanden. 2.2.5 Finanzbezogene Institutionen Frankfurt Finanzbezogene Institutionen ☺ International gut aufgestellt Mittelfeld London Paris ☺ Defizite Quelle: Helaba Volkswirtschaft Für das Wesen eines Finanzplatzes ist nicht nur eine Vielzahl von Instituten wichtig, sondern auch das Zugegensein von mit dem Finanzwesen verbundenen Institutionen. Die räumliche Nähe fördert die Kommunikation zwischen den Finanzakteuren einerseits und den geldpolitischen bzw. 33 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich finanzregulierenden Organen andererseits, mit der Folge, dass diese Institutionen ihren Aufgaben praxisnah nachkommen können. Finanzbezogene Institutionen an den drei europäischen Finanzplätzen Finanzbezogene Institutionen Frankfurt London Paris EZB, BBK --- , BoE --- , BdF EU-Aufsichtsorgan für ... Versicherungen Banken Wertpapiere Nationale Finanzaufsicht BaFin* FSA verschiedene** Destatis ONS INSEE Zentralbanken (international, national) Nationales statistisches Am t * Doppelter Sitz in Bonn und Frankfurt, ** Commission Bancaire, CECEI, CRBF für Banken, AMF für Versicherungen, CCAMIP für Wertpapiere Quellen: Helaba Volkswirtschaft Wichtige nationale Finanzinstitutionen an den drei Finanzplätzen vertreten EZB gibt Finanzplatz Frankfurt langfristig besonderes Gewicht im internationalen Finanzwesen London besser abgeschnitten bei Zuteilung der EU-Aufsichtsorgane 34 An allen drei Finanzplätzen sind die zentralen nationalen Institutionen des Finanzwesens vertreten. So sind als nationale Zentralbanken in Frankfurt die Deutsche Bundesbank (BBK), in London die Bank of England (BoE) und in Paris die Banque de France (BdF) ansässig. Im Bereich der Finanzaufsicht des jeweiligen Landes gibt es am Main einen der beiden Sitze des Bundesaufsichtsamts für Finanzdienstleistungen (BaFin), an der Themse die Financial Services Authority (FSA) und an der Seine mehrere Organe, die zusammen die Aufsicht über das Banken-, Versicherungs- und Wertpapierwesen innehaben. Die Stellung Frankfurts könnte sicherlich gestärkt werden, indem die BaFin ihren anderen Sitz in Bonn aufgäbe und ihren Belangen insgesamt von Frankfurt aus nachginge. Im Übrigen sind auch die nationalen statistischen Ämter in der Region der Finanzplätze angesiedelt – das deutsche Destatis im nahe gelegenen Wiesbaden, das britische Office for National Statistics (ONS) in London und das französische Institut National de la Statistique et des Études Économiques (INSEE) in Paris. Bei den internationalen Institutionen sticht Frankfurt mit der Europäischen Zentralbank (EZB) als renommierter Notenbank von internationaler Bedeutung hervor. Die EZB prägt entscheidend die Atmosphäre Frankfurts und künftig auch noch mehr sein Stadtbild, wenn das neue NotenbankGebäude im Ostend entsteht. Seit ihrer Gründung Ende der 90er Jahre hat die Zentralbank der Europäischen Währungsunion bereits die Internationalisierung des deutschen Finanzzentrums gefördert. Ihr Sitz am Main ist mitverantwortlich für die Anziehungskraft des Finanzplatzes auf ausländische Institute und Wissenschaftler und trägt dazu bei, dass Frankfurt merklich an Flair gewonnen hat. Und die von der EZB ausgehenden positiven Effekte für den Charakter Frankfurts werden sich weiter entfalten, je mehr die Währungsunion wächst. Schließlich ist die Wahl des Sitzes einer Zentralbank eine langfristige, so dass die Auswirkungen im Laufe der Zeit immer deutlicher zutage treten. Die EZB ist ein „Asset“ des Finanzplatzes Frankfurt, das seine Stellung in der internationalen Finanzwelt begünstigt. Die anderen beiden Finanzplätze können im geldpolitischen Bereich mit nichts Entsprechendem aufwarten. Die nationalen Zentralbanken spielen im weltweiten Finanzmarktgeschehen im Vergleich zur EZB eine untergeordnete Rolle. Das Wirkungsgebiet der BoE ist national begrenzt und merklich kleiner als der europäische Währungsraum. Das Pfund stellt nur die viertgrößte Weltwährung dar. Die vormals selbständig agierende BdF hat mit ihrer Integration in das Europäische System der Zentralbanken ähnlich an Bedeutung verloren wie die Deutsche Bundesbank. Bei der Standortwahl für die EU-Regulierungsbehörden konnte keine Entscheidung für eine konzentrierte Ansiedlung getroffen werden. Frankfurt hatte das Nachsehen gegenüber London und bekam statt der begehrten Regulierungsbehörde für die Bankwirtschaft den Zuschlag für die euro- Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich päische Versicherungsaufsicht; Paris wurde zum Sitz des Regulierungsausschusses für Wertpapiere ausgewählt. Dies untermauert zwar die hervorgehobene Stellung des britischen Finanzplatzes, macht den Vorteil Frankfurts als Heimatstadt der von den Finanzmärkten ständig beobachteten europäischen Notenbank aber nicht wett. Schließlich steht die EZB mehr im Rampenlicht als die drei Aufsichtsorgane zusammen. Andere EU-Institutionen an keinem der drei Finanzstandorte Andere EU-Organe, die durchaus auch in Verbindung mit dem europäischen Finanzwesen zu sehen sind, sind an keinem der drei Finanzplätze zu finden. So sitzt z.B. die für Wirtschaft und Finanzen zuständige Autorität der EU-Kommission in Brüssel oder das europäische Statistikamt Eurostat in Luxemburg. Dafür können Frankfurt, London und Paris aber mit einer Vielzahl (inter)nationaler Verbände und Vereinigungen aufwarten, beispielsweise der jeweilige Verband der Auslandsbanken der drei Länder. 2.2.6 Finanzplatzorientierte Dienstleister Frankfurt Mittelfeld Paris ☺ Finanzplatzorientierte Dienstleister ☺ International gut aufgestellt London Defizite Quelle: Helaba Volkswirtschaft Die in Frankfurt ansässigen Finanzinstitute sorgen wie in London und Paris dafür, dass sich im Umkreis der Banken zahlreiche Unternehmen anderer Wirtschaftsbereiche ansiedeln und florieren. Diese stehen einerseits in engem geschäftlichen Zusammenhang mit den Finanzinstituten, z.B. Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Rechtsberatung, Wirtschaftspresse, Rating-Agenturen (Finanzplatzorientierte Dienstleister). Andererseits gibt es mittelbar vom Finanzplatz profitierende Unternehmen, wie Restaurants, Hotels und Einzelhandel. Heterogene Beziehungen zwischen Finanzwirtschaft und anderen Wirtschaftszweigen Mehr finanzplatzorientierte Dienstleister in London und Paris; Rating-Agenturen an allen drei Finanzplätzen vertreten Ausgeprägte Konzentration von Rechtsanwälten in Frankfurt Aus der Spannbreite von Wirtschaftsbeziehungen der Finanzinstitute mit anderen Branchen lassen sich allerdings keine eindeutig quantifizierbaren Aussagen über die Intensitäten ihrer wirtschaftlichen Verflechtungen ableiten. Von den 6.800 am Finanzplatz Frankfurt ansässigen Anwaltskanzleien dürften einige nahezu ausschließlich für Finanzinstitute tätig sein, wohingegen andere Kanzleien diese nicht zu ihren Kunden zählen. Ähnlich verhält es sich mit den – gemäß Wirtschaftsförderung Frankfurt – am deutschen Finanzzentrum ansässigen 3.600 Steuerberaterkanzleien, 1.800 Unternehmensberatungsfirmen, 3.700 Werbeagenturen und 350 Marktforschungsunternehmen. Ein Vielfaches mehr an derartigen finanzplatzorientierten Dienstleistern findet sich am französischen und insbesondere am britischen Finanzzentrum, was jedoch auch an der Rolle dieser Finanzplätze als nationale Hauptstädte liegt. Die großen drei Rating-Agenturen allerdings sind an allen drei Finanzplätzen vertreten: Während S&P und Moodys neben ihrem Hauptsitz in den USA jeweils einen Sitz in Frankfurt, London und Paris haben, besitzt Fitch einen doppelten Hauptsitz in den USA und am britischen Finanzzentrum sowie Sitze an Main und Seine. Innerhalb Deutschlands sind die drei Rating-Agenturen ausschließlich am deutschen Finanzzentrum ansässig. Und auch bei den Rechtsanwälten sticht Frankfurt im nationalen Vergleich hervor. Der hiesige Finanzplatz nimmt bei der Anwaltsdichte einen Spitzenplatz ein, wie eine Aufstellung der Bundesrechtsanwaltskammer unterstreicht: Rein rechnerisch teilen sich in Frankfurt etwa 100 Einwohner einen Rechtsanwalt, dies ist der mit Abstand niedrigste Wert in Deutschland. Düsseldorf und München folgen mit einer Anwaltsdichte von etwa 120 bzw. 130 Einwohnern je Anwalt. Noch schwieriger als bei den finanzplatzorientierten Dienstleistern ist es, den Einfluss der Finanzwirtschaft auf die mittelbaren Wirtschaftsbereiche abzuschätzen: So waren die vor einigen Jahren 35 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich einsetzenden Konsolidierungsbestrebungen der Finanzinstitute in der Frankfurter Region auch z.B. im hiesigen Reisebürogewerbe, Gastronomie und Handel in Form eines nachlassenden Geschäftsreiseverkehrs und einer verminderten Konsumlust spürbar; dies lag aber gleichzeitig an der konjunkturellen Schwächephase der deutschen Volkswirtschaft insgesamt. Frankfurt zählt hinter London und Paris zum exklusiven Club der führenden „World Cities“ Mangels „harter“ Daten für die wirtschaftlichen Interdependenzen zwischen Finanzinstituten und anderen am Finanzplatz vertretenen Unternehmen werden hier die Ergebnisse der britischen Universität Loughborough über die Intensität der Eingebundenheit von Metropolen in die Weltwirtschaft herangezogen:18 Über 300 Städte weltweit wurden im Jahr 2004 hinsichtlich Anzahl und Größe von Niederlassungen global tätiger Dienstleistungsunternehmen aus den Wirtschaftsbereichen Finanzdienstleistungen, Wirtschafts- und Rechtsberatung sowie Werbung bewertet. Frankfurt zählt diesem Ranking gemäß zu den führenden „World Cities“ – dem exklusiven Club der Top 10 Metropolen, dem nur noch London, New York, Hongkong, Paris, Tokio, Singapur, Toronto, Madrid und Brüssel angehören. Frankfurt mit seinen knapp 650.000 Einwohnern steht also in einer Reihe mit den großen, internationalen Städten von Weltruf – wenn auch nur auf Platz zehn. 2.3 Finanzbezogene Wachstumsdeterminanten Für die Fortentwicklung eines Finanzplatzes innerhalb der internationalen Finanzwelt ist es essenziell, dass er über eine gute, insbesondere finanzbezogene Humankapitalbasis verfügt und damit zusammenhängend eine hohe Innovationsdynamik aufweist. Darüber hinaus bedarf es Akteuren, die intensive, grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen pflegen. 2.3.1 Finanzbezogene Bildung & Forschung Frankfurt Finanzbezogene Bildung & Forschung ☺ International gut aufgestellt MIttelfeld London Paris ☺ ☺ Defizite Quelle: Helaba Volkswirtschaft Qualität der finanzbezogenen intellektuellen Infrastruktur als Basis für Innovationen Unterschiede nationaler Bildungssysteme Je intensiver das Know-How und die Forschung im Finanzwesen betrieben werden, umso mehr können kreative Ideen entstehen. So schafft eine qualitativ hochwertige Wissensbasis und viele, in intensivem Dialog stehende Finanzspezialisten vor Ort die Voraussetzung dafür, dass der Finanzplatz mit der Zeit geht und sich frühzeitig mit neuen Strömungen auseinandersetzt. Der folgende Vergleich der finanzorientierten, intellektuellen Infrastruktur an den drei großen europäischen Finanzplätzen ist vor dem Hintergrund nationaler Unterschiede in den Bildungssystemen zu sehen: Während das Bildungssystem in Deutschland föderal durch die Bundesländer organisiert ist, gibt es in Frankreich eine zentralistische Zuständigkeit und in Großbritannien mit den Gebieten England, Schottland, Wales ein eher dezentrales System. In der Hochschulausbildung differieren sowohl Studienaufbau als auch -dauer, so dass die einzelnen nationalen Abschlüsse qualitativ nicht direkt vergleichbar sind. 18 Vgl. Taylor/Aranya in GaWC Research Bulletin 192: “A Global „Urban Roller Coaster“? Connectivity Changes in the World City Network 2000-04” 36 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Qualifikation in den Finanzplatzregionen Anteil mit bestimmter Ausbildung in % 100 100 Summe 80 80 60 Sekundär Teritär 60 40 40 20 20 0 0 Frankfurt London Paris Quellen: BAK Basel Economics, Helaba Volkswirtschaft Finanzplatzregion Frankfurt bei aggregierter Betrachtungsweise mit hoher Qualifikationsquote London und Paris mit international führenden „Business Schools“ Das Qualifikationsniveau stellt sich an den drei Finanzplatzregionen gemäß BAK Basel Economics19 unterschiedlich dar: Eine sekundäre Ausbildung im Sinne der UNESCO-Definition20 haben 2003 in der Region Frankfurt 56 % aller Beschäftigten abgeschlossen gegenüber 36 % in Paris und 46 % in London; einen tertiären Ausbildungsstatus erlangten am Main allerdings nur 29 %, während es an Seine und Themse 38 % bzw. 45 % waren. Die aggregierte Betrachtung aller Beschäftigten mit sekundären und tertiären Abschlüssen, die in Anbetracht der abweichenden nationalen Definitionsabgrenzungen am aussagekräftigsten erscheint, zeichnet ein positives Bild für Frankfurt. Denn mit einer Qualifikationsquote von 85 % liegt das deutsche Finanzzentrum nur knapp hinter dem britischen mit 90 % und deutlich vor dem französischen mit 74 %. Lange galt in Deutschland die Absolvierung eines wirtschaftswissenschaftlichen Diploms mit ggf. anschließender Promotion als die klassische Job-Vorbereitung. Der Abschluss des derzeit in der Finanzwelt favorisierten, international anerkannten „Master of Business Administration“ (MBA) begann sich erst in den 1990er Jahren zu entwickeln. In anderen europäischen Ländern setzte sich dieser, aus den USA stammende Ansatz deutlich früher durch. Daher sind die hierzulande absolvierbaren MBAs bis dato nicht in internationalen Spitzen-Rankings zu finden. Im Rahmen des Wandels hin zu mehr internationalen Abschlüssen ist Frankfurt mit seinem akkreditierten MBA an der „Goethe-Business-School“ vorn mit dabei. Wie auch die genaue, von den zugrundeliegenden Kriterien abhängige Platzierung in den einzelnen Rankings aussieht, so besteht doch Einigkeit über die Spitzeninstitute unter den europäischen „Business Schools“: London als Finanzzentrum des Landes mit der höchsten Anzahl an MBAAngeboten innerhalb Europas kann mit einigen bedeutenden „Business Schools“ aufwarten – wie die international angesehene „London Business School“, die „Cass Business School“ oder das „Henley Management College“. Auch das bei Paris gelegene „Institut Europeen d’Administration des Affaires“ (INSEAD) rangiert an prominenter Stelle, daneben findet auch die „Ecole des Hautes Etudes Commerciales“ (HEC) viel Anklang im In- und Ausland. 19 Vgl. Vgl. BAK Basel Economics im Auftrag der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain (2006): „Wachstumsfaktoren für FrankfrutRheinMain“. 20 Vgl. UNESCO: International Standard Classification of Education (ISCED): Das höchst erreichte Bildungsniveau wird erfasst. Der sekundäre Ausbildungsstatus umfasst hier die ISCED-Level 3 und 4, d.h. eine über die gesetzliche Verpflichtung hinausgehende Schulausbildung. Der tertiäre Bildungsstatus bildet die ISCED-Level 5 und 6 ab, d.h. eine über die Sekundarausbildung bzw. das Schulsystem hinausgehende institutionelle Ausbildung. 37 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Internationale Rankings von Business Schools an den drei Finanzplätzen Europäisches Ranking Globale Rankings Financial Financial Business Tim es Top 50 Tim es Top 50 Week Top10 (2005) (2006) (2004) EIU Top 40 (2005) Wallstreet Journal Top 20 (2005) London: London Business School 1 5 5 23 5 Cass Business School 9 47 / / / Henley Management College 28 / / 21 / Ashridge Business School 23 / / 39 / Imperial Collge London: Tanaka 9 47 / / / Institut Europeen d' Administration des Affaires 2 8 3 11 9 Ecole des Hautes Etudes Commerciales 6 22 8 19 11 Ecole Superieure des Sciences Economique et Commericales 21 / / / / / / / / / Paris: Frankfurt: Goethe Business School Quellen: Handelsblatt, Financial Times, Helaba Volkswirtschaft Frankfurt auf richtigem Weg Ziel: Führendes Finanz-Kompetenzzentrum Kontinentaleuropas 38 Auch wenn der Finanzplatz Frankfurt in der Finanzbezogenen Bildung & Forschung noch nicht das internationale Renommee von London und Paris besitzt, steht er nun schon wesentlich besser dar als vor zehn Jahren: An der Goethe-Universität, der Hochschule für Bankwirtschaft, der „European Business School“ sowie mit dem deutschen Ableger des Institutes „Chartered Financial Analyst“ (CFA) und der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung (DVFA) bietet die Frankfurter Region ein zunehmend vielfältigeres Angebot an finanzorientierten Bildungsmöglichkeiten, und in den nächsten Jahren wird dies weiter ausgebaut. Die Anziehungskraft des deutschen Finanzzentrums auf Forscher von internationalem Rang und Namen wächst jetzt schon spürbar. Die Finanzmetropole am Main arbeitet intensiv daran, zum größten Kompetenzzentrum des Finanzwesens in Kontinentaleuropa zu avancieren. Mit dem Anfang 2008 bezugsfertigen „House of Finance“ stehen die Chancen dafür gut. Denn hier werden sämtliche Frankfurter Institute unter einem Dach auf dem Uni-Campus Westend gebündelt, die sich mit dem Thema Geld auseinandersetzen. Neben zahlreichen Professuren für „Finance“, „Monetary Economics“, Geld und Währung sowie ausgewählte juristische Bereiche wird das „House of Finance“, die „Goethe-BusinessSchool“, das Graduiertenkolleg „Money and Finance“, die Bundesbank-Stiftung „Geld und Währung“, das Kapitalmarktforschungsinstitut „Center for Financial Studies“, das „Institute of Law and Finance“ sowie die Forschungseinrichtung „E-Finance Lab“ beherbergen. Die Schaffung Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich dieses umfassenden Netzwerkes wird den Dialog zwischen den einzelnen Keimzellen der Finanzmarktforschung und auch mit der Praxis intensivieren. Zudem wird die Innovationsdynamik am Finanzplatz Frankfurt gefördert genauso wie die Ausbildung hochqualifizierter Nachwuchswissenschaftler. Zwar behält London seine unangefochtene Vorrangstellung innerhalb Europas als angesehenster Ort für finanzbezogene Bildung. Doch Frankfurt erwächst als ein immer ernstzunehmenderer Konkurrent bei der Rekrutierung von „High Potentials“. Die enger werdende Verzahnung zwischen Wissenschaft und Praxis verringert die Suchkosten für Finanzmarktspezialisten. So ist das „House of Finance“ auf dem besten Wege, zum Aushängeschild des Finanzplatzes Frankfurt zu werden. Frankfurts Finanzlehre wird damit nicht nur in Europa, sondern auch innerhalb Deutschlands an Ansehen gewinnen. Den Weg zur Etablierung eines international attraktiven MBA gehen hierzulande zuvorderst neben der „Goethe-Business-School“ ihr nahgelegenes Pendant in Mannheim sowie die Handelshochschule in Leipzig und die WHU Vallendar bei Koblenz. Die Messe „Global MBA Tour“ findet zweimal pro Jahr in Frankfurt statt und einmal in München. Frankfurt vor München im deutschen Hochschul-Ranking Gemäß des Hochschulrankings der Zeitschrift „karriere“ gelten Leipzig und Vallendar auch als die beiden führenden Wirtschaftshochschulen Deutschlands, unmittelbar gefolgt von der vor den Toren Frankfurts beheimateten „European Business School“ auf dem dritten und das nahegelegene Mannheim auf dem siebten Rang. Die Hochschule für Bankwirtschaft und die Goethe-Universität befinden sich auf den Plätzen 8 und 12. München als intensivster Wettbewerber um die Stellung als deutsches Finanzzentrum liegt deutlich weiter hinten (Platz 15 Technische Universität, Platz 22 Ludwig-Maximilian-Universität). 2.3.2 Trends in der Finanzbranche Frankfurt Mittelfeld Paris ☺ Trends in der Finanzbranche ☺ International gut aufgestellt London Defizite Quelle: Helaba Volkswirtschaft Innovationskraft als Grundlage für langfristig erfolgreichen Finanzplatz Trends mit weitreichendem Einfluss auf Finanzbranche 39 Bedingt durch die Ausstattung eines Finanzplatzes mit Humankapital gerade im Finanzbereich entwickeln sich neue Strömungen und Produkte. Eine spürbare Innovationskraft ist ein bedeutender Faktor für die Positionierung eines Standortes im internationalen Finanzgeschehen. Nur ein für neu aufkommende Trends aufgeschlossener Finanzplatz kann sich auf die Dauer im internationalen Wettbewerb erfolgreich behaupten. Im Folgenden werden einige Trends betrachtet. Es handelt es sich um Marktsegmente bzw. Akteure sowie Produkte, die erst in jüngerer Zeit eine entscheidende Rolle spielen. Diese befinden sich in Deutschland, Frankreich und Großbritannien zumeist in unterschiedlichen Entwicklungsstadien – bisweilen gelten sie noch als innovativ, bisweilen haben sie schon einen festen Platz im Finanzgeschehen eingenommen. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Wichtige Trends im europäischen Finanzwesen Deutschland Frankreich Großbritannien Marktsegm ente Investm entbranche Volumen 2005 (Mrd. € / % gg. Vj.) 965,5 / +13 1.270,6 / +14 634,7 / +29 Investmentvermögen pro Kopf 2005 (€)* 6.611 19.316 8.557 Portfoliovolumen 2004 (Mrd. € / % gg. Vj.) 20,2 / +13 25,5 / +9 59,8 / +15 Investitionen 2004 (Mrd. € / in % des BIP) 3,8 / 0,2 5,2 / 0,4 19,1 / 1,1 verw altetes Volumen 2005 (Mrd. €) 1,1 14,2 216,6 Anzahl Fonds 2005 20 92 785 Emissionsvolumen 2005 (Mrd. € / % gg. Vj.) 21,7 / +233 9,1 / +29 145 / +37 dar. %-Anteil ABS i.e.S. vs. MBS 85 / 15 40 / 60 25 / 75 566 257 1256 ausstehendes Nominalvolumen 2004 (Mrd. €) 160 105 85 %-Anteil am BIP 7,2 6,4 5,2 Anzahl Gesellschaften 2005 voraus. 2007 21 ab 01.01.2007 Private-Equity Hedge-Fonds Produkte Asset Backed Securities Kreditderivate ausstehendes Nominalvolumen 2003 (Mrd. €) Non-Perform ing Loans REITs Marktkapitalisierung 2005 (Mrd. € / % gg. 2003) 26,6 / +140 Quellen: Investmentbranche: BVI, EFAMA (* nur Publikumsfonds ohne Dachfonds, inkl. ausländischer Fonds deutscher Provenienz); Private-Equity: EVCA; Hedge-Fonds: EuroHedge; Asset Backed Securities: European Securitization Forum; Kreditderivate: Deutsche Bundesbank (Grundgesamtheit 10 deutsche Banken, Wert bezieht sich schwerpunktmäßig auf Kreditderivate), Banque de France (Grundgesamtheit 3 Banken zzgl. Versicherungen und Fonds mit kaum nennenswertem Volumen), British Banker's Association; Non-Performing Loans: Kroll/OWC; REITs: IEIF; Helaba Volkswirtschaft 2.3.2.1 Marktsegmente Investmentbranche Investmentfonds in Europa mit hoher Innovations- und Wachstumsdynamik 40 Investmentfonds sind keine Neuerscheinung auf den Finanzmärkten (vgl. 2.2.3), aber angesichts ihrer spürbaren Innovations- und Wachstumsdynamik ist die Investmentbranche in der europäischen Finanzwelt besonders wichtig. 2005 gipfelte das Wachstum des in Europa verwalteten Fondsvolumens in einem Anstieg um weit mehr als 20 % gegenüber dem Vorjahr auf knapp 6,6 Bill. €; dahinter stehen sowohl eine gute Performance der Fonds als auch hohe Nettozuflüsse in Anbetracht der Attraktivität dieser Produkte. Die Investmentbranche dürfte mittelfristig immer mehr an Bedeutung gewinnen: Zum einen werden zunehmend gezielte Sparprodukte aufgelegt und neue Investitionsstrategien für den Mega-Trend Altersvorsorge entworfen, denn die staatlichen Vorsorgesysteme in Europa sind angesichts des demografischen Wandels unzureichend. Zum anderen besteht Bedarf an spezifischen Produkten zur Erzielung von Zusatzrenditen und die Bereitschaft, das damit verbundene höhere Risiko zu tragen, so dass hierfür viele neue Konstrukte Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich entwickelt werden. Strukturierte Produkte, z.B. bezogen auf Themen- und Regionen, sind somit neben Altervorsorgeprodukten die Kernthemen der Investmentbranche. Frankreich führend im Investmentmarkt gefolgt von Deutschland und Großbritannien Im europäischen Vergleich besteht für den deutschen Investmentmarkt noch Wachstumspotenzial, das es zu heben gilt: Das Investmentvermögen pro Kopf betrug in Deutschland Ende 2005 über 6.600 € (inklusive ausländischer Fonds deutscher Provenienz), während es in Frankreich bei 19.300 € und in Großbritannien bei knapp 8.600 € lag. Diese Zahlen spiegeln die unangefochtene Vorrangstellung Frankreichs im europäischen Investmentmarkt wider – Frankreich hat mit Abstand die höchste Anzahl an Gesellschaften und das größte Fondsvolumen. Ende 2005 belief sich die Gesamtsumme französischer Fonds auf 1.270 Mrd. €, Deutschland kam hier auf knapp 970 Mrd. € und Großbritannien folgte dahinter mit nahezu 640 Mrd. €. Die gerade für Deutschland wichtigen „Round-Trip-Fonds“ (d.h. ausländische Fonds deutscher Provenienz, Volumen Ende 2005 rund 200 Mrd. €) sind hier nicht enthalten ebenso wie die hochkapitalisierten, britischen „Pension Funds“.21 Die Anteile am insgesamt in Europa verwalteten Fondsvolumen liegen bei knapp 20 % in Frankreich, rund 15 % in Deutschland und fast 10 % in Großbritannien. Investmentvermögen pro Einwohner Europäischer Markt für Investmentfonds €, 2005 Anteil in %, Ende 2005 20.000 20.000 16.000 16.000 12.000 12.000 8.000 8.000 4.000 4.000 0 Großbritannien 10 % Frankreich 20 % Deutschland 15 % Rest Europa 55 % 0 Deutschland* Frankreich Großbritannien *inkl. ausl. Fonds deutscher Provenienz Quellen: EFAMA, Helaba Volkswirtschaft Quellen: BVI, Helaba Volkswirtschaft Verbesserungsbedarf bei deutscher Investmentgesetzgebung Deutscher Investmentmarkt birgt viel Potenzial Allerdings wählen hiesige Fondsgesellschaften aus Regulierungsgründen oftmals nicht Deutschland zur Auflegung ihrer Produkte. Angezogen von der attraktiveren rechtlichen Ausgestaltung bevorzugen sie hierfür stattdessen Luxemburg oder auch Dublin und vertreiben die Fonds anschließend in Deutschland („Round-Trip-Fonds“). Entsprechendes ist bei Kapitalanlagegesellschaften aus Großbritannien und Frankreich nicht zu beobachten, denn für sie ist die inländische Zulassung von Fonds leichter ausgestaltet als hierzulande. Daneben legen britische und französische Gesellschaften natürlich auch viele Fonds im Ausland auf. Grenzüberschreitende Geschäfte gewinnen im Rahmen der Globalisierung und nun diskutierten Modernisierung der EU-Investmentbestimmungen zunehmend an Bedeutung mit der Folge eines sich intensivierenden Wettbewerbs innerhalb Europas. Trotz der regulatorischen Hemmnisse für die Fondsauflegung in Deutschland ist die größte Volkswirtschaft der Eurozone ein attraktiver Markt für die Investmentbranche. Neben Bevölkerungsgröße und Wohlstandsniveau macht ihn insbesondere der Nachholbedarf im Bereich der privaten Altersvorsorge interessant: Mit nahezu 82,5 Millionen Personen ist Deutschland eines der größeren OECD-Länder, 2004 betrug das BIP pro Kopf 28.500 $ ausgedrückt in Kaufkraftparitäten und lag damit etwas über dem OECD-Durchschnitt. Auf Grund der Probleme des umlagefinanzierten gesetzlichen Rentensystems gilt die kapitalgedeckte Altersvorsorge als entscheidende Wachstums21 Die hier vom European Funds and Asset Management Association (EFAMA) verwendeten Werte beziehen sich auf den gesamten Fondsmarkt, d.h. die Summe aus „UCITS“ gemäß EU-Richtlinie und „non-UCITS“. Das vom BVI ausgewiesene deutsche Fondsvolumen (Ende 2005: 1.160 Mrd. €) liegt etwas höher als in der EFAMA-Statistik, da der BVI auch die ausländischen Fonds deutscher Provenienz mit einbezieht. 41 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich kraft. Dass es sich beim deutschen Investmentmarkt um eine Wachstumsbranche handelt, belegt der Anstieg des Fondsvolumens (ohne Dachfonds), der seit Mitte der 90er Jahre durchschnittlich 13 % pro Jahr beträgt und 2005 bei 16 % lag. Fondsvermögen der deutschen Investmentbranche Mrd. € 1.200 1.200 insgesamt 1.000 1.000 800 800 Spezialfonds 600 600 400 400 Publikumsfonds 200 200 0 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Quellen: BVI, Helaba Volkswirtschaft Private-Equity Private-Equity-Gesellschaften erlangen als Quelle der Unternehmensfinanzierung ein zunehmendes Gewicht im Finanzmarktgeschehen. Diese außerbörslichen Eigenkapitalfonds werben umfangreiche Mittel an (Funds Raising) und investieren sie dann in Unternehmen. Ihre Geldgeber sind Pensionskassen, Stiftungen, Versicherungen und vermögende Privatleute. Ihre Zielobjekte sind Konzernabspaltungen, ganze mittelständische Familienunternehmen oder börsennotierte Gesellschaften. Abhängig vom Entwicklungsstand des Zielunternehmens handelt es sich um einen BuyOut oder Venture Capital: Bei einem Buy-Out übernimmt ein Private-Equity-Fonds ein bereits etabliertes Unternehmen mit Beteiligungskapital, um dann durch dessen Umstrukturierung und Einbringung eigener Expertise die Ertragslage zu verbessern und die Firma nach einigen Jahren gewinnbringend weiterzuverkaufen oder an die Börse zu bringen (IPO). Die Finanzierung eines Buy-Outs erfolgt nicht nur durch den Mittelzufluss von Kapitalgebern, sondern auch über Kredite und oftmals Mezzanine-Kapital, was eine Mischform von Eigen- und Fremdkapital darstellt. Anders als bei einem Buy-Out bezieht sich die Vergabe von Wagniskapital (Venture Capital) auf ein junges, vielversprechendes Wachstumsunternehmen. Private-Equity-Gesellschaften sind auf den Märkten für Kreditrisikotransfer und REITs aktiv. Beispielsweise werden die von Kapitalbeteiligungsgesellschaften aufgenommenen Kredite von Banken verbrieft und weiterverkauft. Bei Einführung von REITs in Deutschland ist verstärkt mit Investitionen von Private-Equity-Häusern in den hiesigen Immobilienmarkt zu rechnen. Schwung im europäischen Beteiligungsmarkt – Rekordwerte 2005 Der europäische Private-Equity-Markt boomt wie nie zuvor:22 2005 kam es zu mehr als 43 Mrd. € Investitionen – eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr mit 37 Mrd. € und der Aufwärtstrend setzt sich fort. Bei rund Zweidrittel der Beteiligungen handelte es sich nach wie vor um BuyOuts, hierunter zunehmend von Privat- und Familienunternehmen. Venture Capital wird in Erinnerung an die Folgen der New-Economy-Bubble noch vorsichtig angegangen, aber das Vertrauen kehrt langsam wieder zurück. Beim Funds Raising wurde im vergangenen Jahr ein neuer Rekordwert erzielt, mit insgesamt rund 60 Mrd. € sammelten Private-Equity-Gesellschaften für Europa mehr als doppelt so viel Eigenkapital ein wie 2004. Zusammen mit weiter günstigen Kreditkonditionen deutet dies auf umfangreiche Investitionen der Branche in den kommenden Jahren hin. 22 Der europäische Verband EVCA hat für 2005 Angaben für Europa insgesamt bereits veröffentlicht, die damit kompatiblen, untereinander vergleichbaren Länderdaten erscheinen im Juni/Juli 2006. Insofern wurden hier für Europa die Werte für 2005 verwendet und für die einzelnen Länder Daten von 2004. Angaben aus nationalen Quellen wurden nicht ergänzend herangezogen, da diese teils auf anderen Definitionsabgrenzungen beruhen und sich dadurch Vergleichbarkeitsprobleme ergeben. 42 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich London verwaltet Großteil des Private-Equity in Europa Deutlicher Anstieg der Beteiligungsportfolios in Europa %-Anteile an europäischem Portfoliovolumen Mrd. € Deutschland 13% Rest Europa 32% 80 80 60 60 Großbritannien Frankreich 16% 40 40 Frankreich 20 Deutschland Großbritannien 39% 0 Größenvorsprung im Private-Equity-Markt 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Quellen: EVCA, Helaba Volkswirtschaft Großbritannien mit Zeit- und 20 Quellen: EVCA, Helaba Volkswirtschaft Innerhalb Europas fällt dem britischen Finanzzentrum die Führungsrolle im Private-Equity-Bereich zu. Das Segment entwickelt sich hier bereits seit den 1970er Jahren. Einher mit dem deutlichen zeitlichen Vorsprung Londons vor Frankfurt und Paris geht ein deutlicher Größenunterschied: Vom europäischen Portfolio in Höhe von 156 Mrd. € Ende 2004 wurden knapp 40 % in Großbritannien, 16 % in Frankreich und 13 % in Deutschland verwaltet. Damit liegt der britische Anteil bei den angelegten Mitteln des Fondsvolumens allerdings etwas unter seinem Durchschnitt seit Beginn der 90er Jahre, während die anderen beiden Länder ihre durchschnittliche Position auf dem Private-Equity-Markt behauptet haben. 2004 ist das Portfoliovolumen aller drei merklich angestiegen: auf knapp 60 Mrd. € in Großbritannien, nahezu 26 Mrd. € in Frankreich und über 20 Mrd. € in Deutschland. Noch pointierter stellt sich die britische Vorrangstellung im Beteiligungsmarkt beim Neugeschäft dar – das Investitionsvolumen Großbritanniens lag 2004 bei gut 19 Mrd. € gegenüber Frankreich und Deutschland mit mehr als 5 Mrd. € bzw. nahezu 4 Mrd. €. So belief sich die britische Investitionsquote in Relation zum BIP auf über 1 %, während die französische knapp 0,4 % und die deutsche fast 0,2 % betrug. Ähnlich wie bei den Investitionen ist Großbritannien auch beim Funds Raising führend. Private-Equity-Gesellschaften in Europa Investitionen britischer Beteiliger am ausgeprägtesten Mitglieder beim jeweiligen nationalen Verband Mrd. € in % des BIP 400 400 40 300 300 30 200 200 20 0,6 100 100 10 0,3 0 0 Deutschland Frankreich Großbritannien Quellen: BVK, BVCA, AFIC, Helaba Volkswirtschaft Ordentliche Gesellschaften ähnlich stark vertreten 43 1,2 Absolut (linke Skala) In Relation zum BIP (rechte Skala) 0,9 0 0 Europa Deutschland Frankreich Großbritannien Quellen: EVCA, Helaba Volkswirtschaft Der Vergleich der beim jeweiligen nationalen Verband eingetragenen Kapitalbeteiligungsgesellschaften zeigt, dass in Großbritannien und Frankreich jeweils weit mehr als 300 Private-EquityGesellschaften agieren gegenüber rund 250 in Deutschland. Hierunter fallen sowohl ordentliche Gesellschaften als auch assoziierte mit beratendem Schwerpunkt, wie z.B. Wirtschaftsprüfer oder anwälte. Die auf Beteiligungsinvestitionen spezialisierten, ordentlichen Gesellschaften – also die „eigentlichen“ Private-Equity-Häuser – sind in allen drei Ländern etwa gleich stark vertreten. Ihre Anzahl beläuft sich in Großbritannien und Deutschland jeweils auf rund 180 und dürfte abstrahiert von Definitionsunterschieden auch in Frankreich in ähnlicher Größenordnung liegen. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Hindernisse für deutsche Private-Equity-Häuser Deutsche Unternehmen im Fokus der Beteiligungsbranche Ein entscheidender Vorteil für die britischen Beteiligungsgesellschaften ist ihr im Laufe der Jahre aufgebautes Renomée – anders bei der deutschen Private-Equity-Branche, deren Entwicklung zudem durch nationale Faktoren gebremst wird: Zum einen gelten die hierzulande geschaffenen rechtlichen Rahmenbedingungen im internationalen Vergleich als noch nicht konkurrenzfähig genug. Zum anderen mangelt es den hiesigen Private-Equity-Häusern an finanzstarken Geldgebern und einer „Community“ am deutschen Finanzzentrum am Main. Sie verteilen sie sich auf mehrere Städte – rund 50 Gesellschaften sind jeweils in Frankfurt und München ansässig und je etwa 20 in Berlin, Hamburg und Düsseldorf. Und dabei hat bereits die internationale Private-Equity-Branche Frankfurt eine besondere Rolle zugedacht, indem hier alljährlich ihre weltweit wichtigste Konferenz „Superreturn“ stattfindet. Ein Abbau der regulatorischen Hemmnisse würde die Aktivität deutscher Private-Equity-Gesellschaften fördern. Schließlich sind sie in einem Markt unmittelbar vor Ort, der in den Augen der gesamten Branche als äußerst attraktiv gilt, und nutzen diesen Vorteil bis dato nur begrenzt. Immer mehr angelsächsische Beteiligungsfonds investieren in die deutsche Unternehmen, zunehmend sehen sie Potenziale im hiesigen Mittelstand als zentraler Kraft der sich erholenden deutschen Volkswirtschaft. Hedge-Fonds Die Grenzen zwischen Private-Equity-Häusern und Hedge-Fonds werden fließender und der Wettbewerb intensiver, je mehr sich ihre Investmentmodelle annähern. Sie unterscheiden sich tendenziell durch Dauer und Strategieziel ihrer Kapitalanlagen: Während der Fokus von Private-EquityFonds auf langfristige Investitionen in Unternehmen gerichtet ist, gelten Hedge-Fonds eher als kurzfristig ausgerichtet. Durch Nutzung von Arbitrage auf liquiden Märkten wird eine möglichst hohe Rendite angestrebt. Mit der vergleichsweise neuen Tendenz des unmittelbaren Erwerbs von Firmen(anteilen) weiten die Hedge-Fonds ihr Anlagespektrum aus. Bei der Domizilierung bzw. Registrierung wählen viele Hedge-Fonds „Offshore“-Standorte auf Grund der dortigen attraktiveren Regulierung und Besteuerung; „Onshore“-Plätze – also v.a. nationale Finanzzentren – spielen für die Niederlassung der Hedge-Fonds-Manager eine geringere Rolle. London bei Anzahl europäischer Hedge-Fonds ... ... und bei Anteil am europäischen Volumen führend Ende 2005 %, Ende 2005 Frankreich 10 % Deutschland 2% Großbritannien 62 % Großbritannien 74 % Rest Europa 26 % Quellen: EuroHedge, Helaba Volkswirtschaft London als Hedge-FondsZentrum in Europa 44 Frankreich 5% Deutschland 1% Rest Europa 20 % Quellen: EuroHedge, Helaba Volkswirtschaft Der europäische Hedge-Fonds-Markt expandiert angesichts des zunehmenden Investoreninteresses an diversifizierten Produkten und der Hoffnung auf ansehnliche Renditen; gerade in einer Zeit niedriger Zinsen am Geld- und Kapitalmarkt locken die attraktiven Gewinnchancen trotz des damit verbundenen hohen Risikos. In den letzten Jahren hat das Volumen der Europa-basierten, von Hedge-Fonds betreuten Vermögenswerte spürbar zugenommen und einen Stand von gut 275 Mrd. € erreicht. Dass der britische Finanzplatz Zentrum der europäischen Managementaktivitäten ist, zeigen Fondsvolumen und -anzahl: Mit einem Volumen von 217 Mrd. € wurden Ende 2005 mehr als ¾ aller Europa-basierten Hedge-Fonds-Vermögenswerte von London aus verwaltet. Das Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Fondsvolumen Frankreichs betrug 14 Mrd. € bzw. 5 % des europäischen Marktes, der Anteil Deutschlands belief sich auf unter 1 % (1,1 Mrd. €).23 Ähnlich sieht die Verteilung der insgesamt über 1.200 Fonds zum Ende letzten Jahres aus – mit knapp 790 wurden Zweidrittel in Großbritannien aufgelegt, gut 90 in Frankreich und über 20 in Deutschland. Der hiesige Markt für Hedge-Fonds befindet sich noch im Frühstadium. Schwerpunktmäßig findet die Verwaltung innerhalb Deutschlands von am Finanzplatz Frankfurt ansässigen Gesellschaften statt. Einige Fonds laufen über Luxemburg und werden in verschiedenen Ländern abgesetzt. Dem deutschen Finanzzentrum wird durch die jährlich stattfindende globale Konferenz „Superhedge“ besondere Aufmerksamkeit zuteil. Hedge-Fonds in Deutschland Anteil an Volumen in % (Anzahl in Klammern), Anfang 2006 UBS Global (1) Oppenheim (2) 1% 12% Hansainvest (4) 3% Allianz Dresdner Lux (2) 19% FT Invest Lux (1) 3% Ampega (2) 9% DWS (5) 18% Deka (2) 8% UAM S.A. (4) 26% Cominvest (2) 2% Quellen: BVI, Helaba Volkswirtschaft Regulierung maßgeblich für Expansion der Hedge-Fonds Der unterschiedliche Entwicklungsstand in den drei betrachteten Ländern wird entscheidend durch die rechtlichen Rahmenbedingungen determiniert. Während das regulatorische Umfeld in Großbritannien schon seit längerem günstig ist, wurde die Basis für den Hedge-Fonds-Markt in Deutschland im Grunde erst mit dem Investmentmodernisierungsgesetz Anfang 2004 geschaffen. Dies gilt zwar als Schritt in die richtige Richtung, aber im internationalen Vergleich immer noch als zu restriktiv. Frankreich versucht mit einer recht flexiblen Gesetzgebung Hedge-Fonds anzuziehen. 2.3.2.2 Produkte Die Trends auf der Produktseite befassen sich vornehmlich mit dem Kreditrisikotransfer. Zu den auf die klassische Kreditvergabe aufsetzenden Finanzinstrumenten gehören Asset Backed Securities, Kreditderivate und Non-Performing Loans. Dies sind im Grunde drei eigenständige Marktsegmente, die aber insofern miteinander verbunden sind, als dass z.B. die Technik der Kreditderivate mittlerweile auf dem Verbriefungsmarkt Verwendung findet oder auch eine Verbriefungstransaktion von Non-Performing Loans möglich ist. Ferner haben diese drei Produktkategorien gemeinsam, dass durch die Ausplatzierung des Kreditrisikos bei der kreditgebenden Bank eine bilanzentlastende Wirkung und in der Folge bessere Refinanzierungsmöglichkeiten erzielt werden können. Dies bekommt durch den gestiegenen nationalen und grenzüberschreitenden Wettbewerb zwischen den Finanzinstituten und die Einführung von Basel II Anfang 2007 eine erhöhte Relevanz. 23 Es gibt keine offiziellen Statistiken über Hedge-Fonds in Europa, sondern nur Schätzungen auf Basis freiwilliger Angaben seitens der Gesellschaften. Die hier für Deutschland verwendeten Volumenangaben von EuroHedge liegen unter denen des deutschen Bundesverbandes Investment und Asset Management (1,4 Mrd. €) und denen des deutschen Bundesverbandes Alternative Investments (rund 2 Mrd. €); ebenso differieren die Angaben über die Anzahl der Fonds etwas. 45 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Kreditvergabe an Privatsektor in Frankreich am geringsten Bill. €, Ende 2005 3 3 2 2 1 1 0 0 Deutschland Frankreich Großbritannien Quellen: Deutsche Bundesbank, Bank of England, Helaba Volkswirtschaft Deutschland mit besonderem Expansionspotenzial auf Märkten für Kreditrisikotransfer Das Expansionspotenzial für Asset Backed Securities, Kreditderivate und den Verkauf von NonPerforming Loans dürfte gerade in Deutschland mit seinen in diesem Bereich jungen Märkten und seinem generell umfangreichen Kreditvolumen recht hoch sein. Die Kredite deutscher monetärer Finanzinstitute an den privaten Sektor Eurolands beliefen sich Ende 2005 auf knapp 2,3 Bill. € – weit mehr als in jedem anderen €-Mitgliedsland begeben wurde, so auch in Frankreich mit 1,4 Bill. €. In Großbritannien liegt das Kreditvolumen zwar noch höher, Banken und Wohnungsbaugesellschaften reichten Ende 2005 an den britischen Privatsektor insgesamt fast 2,7 Bill. Kredite aus.24 Jedoch sind die Märkte zum Kreditrisikotransfer in Großbritannien schon weiter entwickelt als hierzulande, was in Deutschland mehr Dynamik erwarten lässt. Asset Backed Securities (ABS) Bei einer ABS-Transaktion überträgt ein Kreditgeber („Originator“, zumeist Banken) Kreditrisiken an eine Zweckgesellschaft („Special Purpose Vehicle“, kurz SPV), mit der Folge dass das Kreditrisiko vom Originator der Forderungen getrennt wird. Die Zweckgesellschaft bündelt die Forderungen i.d.R. zu Pools und teilt sie in verschiedene Risikoklassen auf; sie refinanziert sich durch Emission von Wertpapieren, die durch das Kreditportfolio besichert sind und von Investoren am Markt gekauft werden. Der Nutzen für den Originator liegt zum einen darin, dass das Kreditausfallrisiko aus seiner Bilanz ausgegliedert wird, er also aktives Risikomanagement betreibt. Zum anderen erhält er den Erlös aus der ABS-Emission. Es handelt sich um eine True-Sale-Transaktion, wenn es zum tatsächlichen Verkauf der Kredite kommt. ABS-Geschäfte können aber auch rein synthetisch abgewickelt werden, indem nur das Kreditrisiko ausplatziert wird. Als Instrument für die synthetische Verbriefung fungieren Kreditderivate (vgl. Abschnitt Kreditderivate). Generell werden in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Forderungsart („Underlying“) zwei Hauptarten von ABS unterschieden: Bilden Hypothekenforderungen das Underlying, so spricht man von Mortgage Backed Securities (MBS), bei allen anderen Forderungen – z.B. Unternehmens- oder Konsumentenkredite – von Asset Backed Securities in engerem Sinne. Grundsätzlich können auch notleidende Kredite (vgl. Abschnitt Non-Performing Loans) verbrieft werden. Allerdings hat es hierzulande noch keine derartige Transaktion gegeben, es ist aber bereits in der Diskussion. 24 Für Deutschland und Frankreich erfasst die Europäische Zentralbank die Kreditvergabe der MFIs gemäß ihrer Definition, wohingegen für Großbritannien die Bank of England nur diejenigen von Banken und Wohnungsbaugesellschaften betrachtet. Ferner unterscheiden sich die hier verwendeten Daten darin, dass die EZB die Kredite an den gesamten Euroraum ausweist, während sich die Angaben der Bank of England nur auf die inländische Kreditvergabe bezieht. Für alle drei Länder wird das Aggregat aus Krediten in Lokal- und Fremdwährung verwendet. 46 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Verbriefung gewinnt an Dynamik in Europa ... ... London dabei führend Emissionsvolumen in Mrd. € %-Anteile an ABS-Volumen 2005 Großbritannien 350 Frankreich 300 Deutschland 250 200 Deutschland 7% 350 Frankreich 3% 300 250 200 150 150 Europa 100 Rest Europa 45% 100 50 50 0 0 Großbritannien 45% 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Quellen: European Securitization Forum, Helaba Volkswirtschaft Großbritannien unangefochten an Spitze europäischer Verbriefung Junger deutscher Markt True-Sales-Initiative fördert deutschen Verbriefungsmarkt Quellen: European Securitization Forum, Helaba Volkswirtschaft Der europäische Verbriefungsmarkt hat sich 2005 ungebrochen dynamisch entwickelt und ein neues Rekordvolumen von 320 Mrd. € erreicht – 30 % mehr als im Vorjahr. Am meisten ABSEmissionen gibt es nach wie vor in Großbritannien, wo sich der Markt seit Beginn der 90er Jahre dynamisch entwickelt. Mit 145 Mrd. € belief sich der Marktanteil der britischen Volkswirtschaft innerhalb Europas im letzten Jahr auf 45 %. Angesichts des bedeutenden britischen Immobilienmarktes bilden bei rund Dreiviertel aller Verbriefungstransaktionen Großbritanniens Hypothekenforderungen das Underlying (Mortgage Backed Securities, MBS). Demgegenüber befindet sich der hiesige ABS-Markt noch im Frühstadium, aber er entwickelt sich zusehends mit mehr Schwung. 25Das Volumen in Deutschland begebener Produkte verdreifachte sich im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2004 und erreichte knapp 22 Mrd. €.26 Damit kommt Deutschland nun auf einen europäischen Marktanteil von 7 % und liegt vor Frankreich mit 3 %. Dort stecken Verbriefungstransaktionen noch in den Kinderschuhen, das Emissionsvolumen ist 2005 nur etwas auf 9 Mrd. € angestiegen. In Deutschland setzt sich die am Finanzplatz Frankfurt ansässige, von 13 Banken27 gegründete True-Sales-Initiative (TSI) für die Verbesserung der Rahmenbedingungen und eine Standardisierung bei der Verbriefung ein, um „ABS made in Germany“ als Qualitätsprodukt stärker zu etablieren und dem hiesigen Verbriefungsmarkt positive Impulse zu geben. Dass es hierzulande – anders als in Frankreich – statt eines speziellen ABS-Gesetzes nur Einzelregelungen gibt (z.B. im KWG), muss kein Nachteil sein, sondern kann im Gegenteil sogar das Innovationspotenzial deutscher ABS begünstigen. So bestehen vor dem Hintergrund eines zu erwartenden Aufwärtstrends dieser Produktkategorie in Europa gute Entwicklungschancen für den hiesigen Verbriefungsmarkt. Kreditderivate Derivate sind Finanztitel, deren Wert sich vom zugrundeliegenden Basisinstrument („Underlying“) ableitet. Im Vergleich zu den „klassischen“ Derivaten auf Zinsen, Währungen, Aktien u.ä. (vgl. 2.2.4) ist der Markt für Kreditderivate gerade in Europa recht neu. Kreditderivate machen Kreditrisiken getrennt von ihren Underlyings am Kapitalmarkt handelbar. Dabei wird das Kreditrisiko gegen Zahlung einer Prämie vom Verkäufer auf Käufer übertragen; ein isolierter Handel des Kreditrisikos ist möglich. Insofern trägt der Risikokäufer das Kreditrisiko, ohne das Underlying zu erwerben (synthetische Transaktion). Bei Kreditausfall erhält der Risikoverkäufer eine Ausgleichs25 Da in Deutschland viel über den Pfandbrief refinanziert wird, ist der Umfang von MBS-Transaktionen hierzulande begrenzt. 26 Abweichend von den in diesem Abschnitt verwendeten Volumenangaben des European Securitization Forum gibt die True-Sales-Initiative das Transaktionsvolumen deutscher Verbriefungen 2005 mit 35 Mrd. € an. 27 Bayerische Landesbank, Citigroup Deutschland, Commerzbank, DekaBank, Deutsche Bank, Dresdner Bank, DZ Bank, Eurohypo, HSH Nordbank, Helaba, HVB Group, KfW Bankengruppe, WestLB. 47 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich zahlung vom Risikokäufer (bedingte Zahlung). Den Schwerpunkt des Kreditderivatemarktes bilden sogenannte Credit Default Swaps (CDS), daneben gibt es z.B. Credit Linked Notes (CLN). Mittlerweile werden Kreditderivate auch zur Weiterreichung des Kreditrisikos bei synthetischer Verbriefung eingesetzt; eigentlich stellen Kreditderivate und ABS aber zwei eigenständige Segmente des Marktes für den Kreditrisikotransfer dar. London als Zentrum des globalen Kreditderivatehandels Mrd. € 1.400 1.400 1.200 1.200 1.000 1.000 800 800 600 600 400 400 200 200 0 0 Deutschland Frankreich Großbritannien Quellen: Deutsche Bundesbank, Banque de France, British Banker’s Association, Helaba Volkswirtschaft Dynamische Marktentwicklung, globales Zentrum in London Kreditderivate zum Jahresende an Eurex – positiv für Marktentwicklung und für Finanzplatz Frankfurt Großbritannien bzw. London ist unangefochten das weltweite Zentrum des Kreditderivatemarktes. Nahezu die Hälfte des global ausstehenden Volumens und der Großteil des europäischen entfällt auf das britische Finanzzentrum. Ende 2003 belief sich das ausstehende Nominalvolumen hier auf knapp 1.300 Mrd. €. Mit Abstand zu Großbritannien scheint sich Deutschland als zweitwichtigster „Player“ bei Kreditderivaten in Europa heraus kristallisiert zu haben: 2003 wurde das Marktvolumen auf über 560 Mrd. € geschätzt, Frankreich kam hingegen nur auf rund 250 Mrd. €.28 Angesichts der anhaltenden Dynamik des Handels mit Kreditderivaten in Europa insgesamt ist mittlerweile von deutlich höheren Volumina auszugehen. So gehen Schätzungen für das Jahr 2004 von einer 40 %igen Steigerung des Londoner Marktvolumens im Vergleich zum Vorjahr und einem noch deutlicheren Zuwachs im restlichen Europa aus; einige namhafte deutsche und französische Unternehmen waren in großvolumige Transaktionen involviert. Die Expansion dieses Instruments zum Kreditrisikotransfer scheint derzeit ungebremst. Einen zusätzlichen Impuls dürfte das europäische Geschäft mit Kreditderivaten Ende dieses Jahres durch die weltweit größte Terminbörse Eurex (vgl. 2.2.4) erfahren. Denn die deutsch-schweizerische Terminbörse plant als erste überhaupt, in diesen lukrativen Markt einzusteigen und börsengehandelte Kreditderivate einzuführen. Bisher ist der bilaterale Handel zwischen Banken „Overthe-Counter“ Standard, wobei es zu Abwicklungs- und Abrechnungsproblemen gekommen ist. Diese Risiken gingen bei einem börsengehandelten Produkt dann auf die Eurex über. So lässt die Einführung von Kreditderivaten an der Eurex eine verstärkte Nachfrage in Europa erwarten – mit positiven Folgen für den Finanzplatz Frankfurt. 28 Die in diesem Abschnitt verwendeten Angaben über das Marktvolumen in den drei Ländern sind nur grobe Richtwerte: Die Schätzungen der British Banker’s Association zum europäischen Markt unter Ausschluss Großbritanniens sind nicht mit den Erhebungen der Deutschen Bundesbank für Deutschland und der Banque de France für Frankreich kompatibel, die im Rahmen einer Initiative des Bankenaufsichtsausschusses des Europäischen Systems der Zentralbanken durchgeführt wurden. Zudem differiert der in die jeweilige Erhebung einbezogene Kreis von Instituten zwischen den drei Ländern (vgl. Tabelle). Nichtsdestotrotz werden diese Schätzwerte zum Vergleich herangezogen, da es keine besseren und auch keine aktuelleren offiziellen Schätzungen für den Kreditderivatemarkt der drei Länder gibt. 48 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Non-Performing Loans (NPLs) Bei Non-Performing Loans (NPLs) handelt es sich um Kredite, bei denen der Schuldner insolvent geworden ist oder zumindest eine hohe Ausfallwahrscheinlichkeit besteht.29 Durch den Verkauf von NPLs erfolgt ein Risikotransfer, der positive Auswirkungen auf Rating und Refinanzierungsmöglichkeiten der verkaufenden Bank haben kann. Während der Markt für den NPL-Verkauf in Großbritannien und Frankreich schon länger existiert, handelt es sich im deutschen Kreditmarkt noch um ein recht neues Segment. Dementsprechend bildet sich in Deutschland mit Fortentwicklung des Marktes für notleidende Kredite eine zunehmende Standardisierung heraus, die rechtlichen Detailunsicherheiten verringern sich und mit ihnen die anfallenden Transaktionskosten. Höchstes NPL-Volumen in Deutschland 2004 Steigendes Transaktionsvolumen deutscher NPL-Verkäufe Mrd. € % 200 160 in % des BIP (rechte Skala) Mrd. Euro (linke Skala) Mrd. € 8 20 20 6 15 15 4 10 10 2 5 5 0 0 120 80 40 0 Deutschland Frankreich Großbritannien Quellen: Mercer Oliver Wyman, Helaba Volkswirtschaft NPL-Bestand im Verhältnis zum BIP differiert kaum NPL-Verkauf insbesondere in Deutschland mit Potenzial 2002 1 2003 2 2004 3 2005 4 0 Quellen: Mercer Oliver Wyman, Helaba Volkswirtschaft So jung der hiesige Markt auch ist, Deutschland besitzt den größten NPL-Bestand in Europa: Mit rund 160 Mrd. € war das Volumen der hierzulande vorhandenen notleidenden Kredite 2004 doppelt so groß wie in Großbritannien mit 85 Mrd. € und auch merklich umfangreicher als in Frankreich mit 105 Mrd. €.30 Hierbei gilt es allerdings die Größe der drei Volkswirtschaft zu berücksichtigen, die ausstehenden NPLs in Relation zum BIP beliefen sich auf 7 % in Deutschland, 6 % in Frankreich und 5 % in Großbritannien. Seit 2003 ist der NPL-Verkauf in Deutschland durch einige nennenswerte Transaktionen in Schwung gekommen und das jährliche Transaktionsvolumen spürbar angestiegen – von 3 Mrd. € in 2003 auf 12 Mrd. € im Folgejahr und 2005 bereits auf 17 Mrd. €. Dem deutschen Markt für die Weiterreichung notleidender Kredite wird innerhalb Europas das größte Wachstumspotenzial zugeschrieben. Er hat eine große Anziehungskraft auf ausländische Investoren, wie Hedge Fonds und Investmentbanken. Schließlich nutzen die hiesigen Banken immer mehr die Möglichkeit des NPLVerkaufs statt diese Darlehen in Eigenregie abzuwickeln. Auf Grund des frühen Entwicklungsstadiums des Marktes für notleidende Kredite in Deutschland halten Investoren oftmals eine unmittelbare Abwicklung am hiesigen Finanzplatz für am besten, um vor Ort gute Beziehungen und eigene Plattformen aufbauen zu können. Real Estate Investment Trusts (REITs) REITs seit 2003 in Frankreich, voraussichtlich ab 2007 in Deutschland und Großbritannien REITs sind eine sich zunehmend verbreitende Form der indirekten Immobilienanlage. Abgesehen von länderspezifischen Ausgestaltungen kennzeichnen sich diese oftmals börsennotierten Aktiengesellschaften generell durch ihren Schwerpunkt im Immobiliengeschäft, ihre hohe Ausschüttungsquote mit der Folge attraktiver Dividendenrenditen und den dafür gewährten Steuervorteil auf Unternehmensebene. Die ursprünglich US-amerikanische Idee der REITs findet auch in Euro29 Kredite mit einer hohen Ausfallwahrscheinlichkeit werden eigentlich als „sub-perfoming“ eingestuft, im Folgenden aber auch unter die NPLs gefasst; eine genauere Definition ist in den Basel II-Regularien zu finden. Diese Schätzungen basieren auf einem Modell von Mercer Oliver Wyman; es existieren allerdings einige differierende Schätzungen aus anderen Quellen, die das Marktvolumen sogar bis doppelt so hoch ansetzen. 30 49 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich pa immer mehr Anklang, nach den Vorreiterländern Niederlande 1969 und Belgien 1995 führte Frankreich 2003 die „Societé d’Investissement Immobilier Cotée“ (SIIC) ein. Und auch der Startschuss für derartige steuerbegünstigte Immobilienaktien in Großbritannien und Deutschland rückt näher: Ende 2005 präsentierte der britische Schatzkanzler einen Gesetzesentwurf zur Ausgestaltung der UK-REITs und konkretisierte sowie modifizierte diesen bei Vorlage des Budgets für das im April begonnene Haushaltsjahr; demnach wird es das Produkt ab Jahresanfang 2007 geben. In Deutschland wird schon seit geraumer Zeit über REITs diskutiert. Jüngst wurde der Abschlussbericht der von der Regierungskoalition eingesetzten Expertengruppe vorgelegt und die Ausarbeitung eines Gesetzesentwurf empfohlen. Bislang ist die Einführung der deutschen REITs ebenfalls für 2007 im Gespräch. Erfolgsstory in Frankreich Frankreich kann auf eine kurze, erfolgreiche Geschichte der SIIC zurückblicken: Ende 2005 belief sich die Marktkapitalisierung der mittlerweile 20 SIIC auf knapp 27 Mrd. € – 140 % mehr als bei den 10 börsennotierten Immobilienunternehmen mit diesem Status zu Beginn 2003. Die positive Aufnahme der SIIC am Markt zeigt die Entwicklung des SIIC France Index. Immobilienaktien in London am meisten gehandelt SIIC France Index mit dynamischer Entwicklung Ländergewichte FTSE EPRA/NAREIT Europe in %, Herbst 2005 31.12.2002 = 100 Deutschland 3% Frankreich 10 % Rest Europa 41 % Großbritannien 46 % 250 250 200 200 150 150 100 100 50 Jan 2003 Jul 2003 Jan 2004 Jul 2004 Jan 2005 Jul 2005 Jan 2006 Quellen: EPRA, Helaba Volkswirtschaft REITs können insbesondere in Deutschland Potenziale heben 50 Quellen: IEIF, Helaba Volkswirtschaft Die Einführung von REITs als international erfolgreichem und zunehmend an Bedeutung gewinnendem Produkt stärkt den Finanzplatz Frankfurt: Die Hebung von Marktpotenzialen – Schätzungen für Deutschland gehen mittelfristig von der stattlichen Summe von rund 70-130 Mrd. € aus – dürfte nicht nur den inländischen Immobilienmarkt beleben, sondern auch die vor Ort als Berater fungierende Branche der Investmentbanken zusätzliche Impulse verleihen. In Deutschland könnte die Einführung von REITs den Durchbruch im bis dato recht kleinen Immobilienaktienmarkt bringen. Europäische Immobilienaktien erfreuen sich zunehmender Nachfrage FTSE EPRA NAREIT Index (01.01.2005 = 100) 200 200 Deutschland 180 Europa 160 180 Frankreich 160 140 140 120 120 100 100 Großbritannien 80 80 Jan 2005 Apr 2005 Jul 2005 Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft 50 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Okt 2005 Jan 2006 Apr 2006 Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Die intensive Diskussion um REITs belebt bereits die Nachfrage nach deutschen Immobilienaktien. Für die relativ gute Performance des deutschen Immobilienaktienindex FTSE EPRA / NAREIT spielen allerdings auch andere Faktoren eine Rolle, wie z.B. das grundsätzliche Interesse an deutschen Aktien, welches sich in einer Outperformance des deutschen Marktes seit dem Tiefpunkt im Jahr 2003 widerspiegelt. Ebenso tragen Umschichtungen von US-Kapitalanlegern hierzu bei, die eine bevorstehende Abkühlung ihres eigenen Immobilienmarktes und gute Entwicklungsmöglichkeiten des deutschen sehen. Entwicklungspotenziale für deutsche REITs Gesetzliche Ausgestaltung als Erfolgsdeterminante Dringlichkeit deutscher REITs Bislang entfallen auf Deutschland nur 3 % der Marktkapitalisierung des europäischen Immobilienaktienindex FTSE EPRA / NAREIT, was sich mit etwa 45 % für Großbritannien und 10 % für Frankreich vergleicht. Auch wenn der britische Markt ein anderes Volumen aufweist als der deutsche, sind in beiden Ländern im Handel mit Immobilienaktien Impulse durch REITs denkbar. Jedoch hat die größte europäische Volkswirtschaft Deutschland hier mehr Entwicklungspotenzial, zumal in den hiesigen Unternehmen ein hohes Immobilienvermögen schlummert. Bereits seit einigen Jahren kaufen insbesondere Private-Equity-Gesellschaften zwecks rentabler Weiterverwertung Immobilien aus dem Bestand der öffentlichen Hand. Die anvisierte Einführung deutscher REITs dürfte Finanzinvestoren noch aktiver am hiesigen Immobilienmarkt werden lassen. Ursache für die schleppende Vorbereitung der REITs sind insbesondere potenzielle Steuerausfälle durch im Ausland ansässige Investoren, so entgingen dem französischen Fiskus bislang Steuereinnahmen von schätzungsweise 0,2-2 Mrd. €. Die Balance zwischen Begrenzung der Steuerausfälle und Anziehungskraft der REITs als Kapitalmarktprodukt auf in- und ausländische Investoren ist essenziell für den Erfolg des Produkts. Die relative Attraktivität der nationalen REITs-Regulierungen wird entscheidend dafür sein, wie sich die Bedeutung Deutschlands und Großbritanniens im europäischen Markt für Immobilienaktien entwickelt. Mit Näherrücken der Einführung der UK-REITs Anfang 2007 wächst der Druck auf Deutschland, die politischen Diskussionen um die bestmöglichste Ausgestaltung der deutschen REITs zu beenden und ebenfalls bald den Startschuss zu geben. Noch hat der hiesige Finanzplatz die Chance, im REITs-Wettrennen Anschluss zu halten und dieses Produkt zeitnah und interessanter ausgestaltet als in Großbritannien auf den Markt zu bringen. So könnte das deutsche Finanzzentrum verstärkt in den Fokus ausländischer Investoren rücken und gegenüber seinem Konkurrenten London punkten. Die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs verdeutlichen auch die Ambitionen deutscher Immobilienfondsgesellschaften zur Auflage von REITs im Ausland und die im April erstmalige Umsetzung derartiger Vorhaben. Schließlich sucht sich internationales Kapital seinen Weg, und wenn das deutsche Finanzzentrum ihm diesen nicht bereitet, wird es nach London und Paris abwandern. 2.3.3 Auslandsaktivitäten Auslandsaktivitäten ☺ International gut aufgestellt Mittelfeld Frankfurt London ☺ ☺ Paris Defizite Quelle: Helaba Volkswirtschaft Die Internationalität eines Finanzplatzes zeigt sich nicht nur unmittelbar vor Ort durch seine ausländischen Institute und Aktivitäten (vgl. 2.2.1.2), sondern auch in den Beziehungen seiner Akteure ins Ausland und den dortigen Geschäftstätigkeiten. Die Verflechtungen in der Weltwirtschaft haben sich nicht nur auf realwirtschaftlicher Ebene intensiviert, sondern auch in der Finanzbranche. Die internationale Finanzmarktintegration schreitet voran, so auch in der EU. Die Finanzinstitute aller drei Finanzplätze sind umfassend grenzüberschreitend tätig und unterhalten zahlreiche 51 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Niederlassungen, Filialen und Beteiligungen in anderen Ländern. Insbesondere der deutsche Finanzsektor hat seine Internationalisierung in den letzten Jahren spürbar voran getrieben. Auslandskreditvergabe deutscher Banken besonders ausgeprägt In den Bereich der länderübergreifenden Dienstleistungen von Banken fallen die Kreditvergabe an ausländische Kunden und deren Beratung. Die deutschen, schwerpunktmäßig am Finanzplatz Frankfurt beheimateten Banken haben ihre Kreditvergabe an andere Länder in den letzten Jahren merklich ausgeweitet. Ende 2004 beliefen sich ihre Bestände von in Fremd- und Lokalwährung begebenen Darlehen an das Ausland auf gut 3,2 Bill. US-Dollar – dreimal so viel wie 1999. Damit stammten 16 % aller weltweit bestehenden grenzüberschreitenden Kredite von deutschen Banken, wohingegen britische Kreditinstitute nur einen Beitrag von nahezu 11 % und französische von lediglich knapp 9 % leisteten. 2005 reduzierten sich die ausgewiesenen Bestände an grenzüberschreitenden Krediten des deutschen Bankensektors in Anbetracht der ausländischen Übernahme der HypoVereinsbank auf knapp 2,8 Bill. Dollar, während französische und britische Banken ihre Auslandsdarlehen auf nahezu 1,8 bzw. fast 2,5 Bill. Dollar steigern konnten. Anteil deutscher Banken an Auslandskrediten am höchsten Deutliche Zunahme der Auslandskredite deutscher Banken* %, Ende 2004 Bill. $ 20 16 20 2004 16 2005 3,5 3,5 3,0 3,0 2,5 2,5 12 12 2,0 2,0 8 8 1,5 1,5 1,0 1,0 0,5 0,5 4 4 0 0 Deutschland Frankreich 0,0 0,0 Großbritannien 1999 Quellen: BIZ, Helaba Volkswirtschaft 2000 2001 2002 2003 2004 2005* *2005: Wegfall der HypoVereinsbank aus der deutschen Statistik Quellen: BIZ, Helaba Volkswirtschaft Ausländisches Beteiligungskapital der deutschen Finanzbranche geringer als das britischer, aber höher als das französischer Finanzinstitute Neben ihren Dienstleistungen haben sich die Finanzinstitute durch Direktinvestitionen im Ausland engagiert, d.h. Niederlassungen in anderen Ländern eingerichtet sowie Beteiligungen an dortigen Finanzinstituten oder anderen Unternehmen erworben. Mit über 135 Mrd. € lagen die Direktinvestitionsbestände deutscher Finanzinstitute im Ausland 2003 zwar hinter dem britischen Finanzsektor mit 147 Mrd. €, aber vor der französischen Finanzbranche, die auf gut 122 Mrd. € kam. Der Großteil hiervon stammt jeweils von Finanzintermediären wie Banken, weniger investierten Versicherungen und Pensionsfonds. Direktinvestitionsbestände des Finanzsektors im Ausland Zuwachs Direktinvestitionsbestände im Ausland 1993-2003 Mrd. € % Großbritannien 160 120 80 Frankreich Deutschland 40 0 160 120 Direktinvestition gesamt Direktinvestionen Finanzsektor 400 300 300 80 200 200 40 100 100 0 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Quellen: UNCTAD, Helaba Volkswirtschaft 52 400 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba 0 0 Deutschland Deutschland Frankreich Frankreich Quellen: UNCTAD, Helaba Volkswirtschaft Großbritannien UK Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Höchster Zuwachs der Direktinvestitionsbestände im Ausland beim deutschen Finanzsektor Marktpotenziale in wachstumsstarken Volkswirtschaften ausgehend von bestehenden grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen Viele intensive Beziehungen Frankfurts ins Ausland Am dynamischsten haben sich in den letzten Jahren die Direktinvestitionsbestände der Finanzbranche Deutschlands entwickelt. Im Zeitraum von 1993-2003 verzeichneten diese einen Zuwachs von 320 % und haben damit noch deutlicher zugelegt als die gesamten deutschen Direktinvestitionsbestände. Im Gegensatz dazu ist das vorhandene Beteiligungskapital britischer und französischer Finanzinstitute nur um 120 % bzw. 280 % gewachsen, beides im Übrigen eine unterdurchschnittliche Entwicklung bezogen auf die nationale Zunahme der Direktinvestitionsbestände insgesamt. Die umfangreichen grenzüberschreitenden Geschäfte gerade des deutschen Bankensystems bieten die Chance zur vermehrten Aktivität in anderen Ländern vor Ort. Deutsche Kreditinstitute machen bislang nur begrenzt von den Möglichkeiten Gebrauch, die sich ihnen z.B. in Osteuropa, China und Indien angesichts des hohen Finanzierungsbedarfs dieser stark wachsenden Volkswirtschaften bieten. Für China spielt die Finanzmetropole am Main innerhalb Deutschlands eine zentrale Rolle. Während es in Ländern wie Russland oder China für die hiesigen Kreditinstitute gilt, rechtzeitig die Fühler auszustrecken und frühzeitig die Erschließung des Marktes aktiv mitzugestalten, gibt es auch in den 2004 der EU beigetretenen Staaten, wie Polen, Tschechien und Ungarn durchaus noch Gelegenheit zur Stärkung der Marktanteile deutscher Banken. Schließlich nimmt das deutsche Bankensystem bereits über die Grenzen hinweg eine herausgehobene Position für Kreditfinanzierungen in diesen drei Ländern ein, so dass deutsche Banken über eine gute Grundlage zum Ausbau ihrer Geschäftsbeziehungen vor Ort verfügen. Auch der Finanzplatz Frankfurt an sich pflegt – ähnlich wie die beiden anderen großen europäischen Finanzzentren – zahlreiche rege Kontakte mit anderen Ländern, die durch den Empfang bzw. die Aussendung von Wirtschaftsdelegationen sowie durch verschiedenste Veranstaltungen intensiviert werden. Der Austausch zwischen in- und ausländischen Finanzmarktteilnehmern wird am Main z.B. durch ausländische Wirtschaftstage oder die „Euro Finance Week“ gefördert, bei der eine Vielzahl von Finanzexperten internationale Marktentwicklungen und -chancen diskutiert. Daneben tragen eine zunehmende Anzahl von in Frankfurt ansässigen Generalkonsulaten und Städtepartnerschaften zum grenzüberschreitenden Dialog bei. Die Verankerung hiesiger Finanzinstitute im Ausland erwächst nicht selten aus einem durch andere Wirtschaftsbereiche geknüpftem Vertrauensverhältnis. 2.4 Förderliche Rahmenbedingungen Neben den unmittelbar mit einem Finanzplatz verbundenen Faktoren gibt es einige generelle, die für seinen Erfolg förderlich bzw. für seine Stellung in der internationalen Finanzwelt von Vorteil sind. Hierzu zählen neben den historischen Wurzeln eines Finanzstandortes allgemeine Standortspezifische Qualitäten sowie seine Eigenvermarktung. Während eine lange Historie und ein gelungener Marketingauftritt das Ansehen eines Finanzplatzes zwar begünstigen, aber keine essenziellen Kriterien sind, ist es im Wettbewerb der Finanzplätze von erheblicher Bedeutung, welche Qualitäten sie hinsichtlich z.B. Verkehrsinfrastruktur und Lebenshaltungskosten aufweisen. 2.4.1 Historische Wurzeln Historische Wurzeln ☺ International gut aufgestellt Mittelfeld Frankfurt London Paris ☺ ☺ ☺ Defizite Quelle: Helaba Volkswirtschaft Aktiv gelebte Tradition an einem Finanzplatz bietet die Möglichkeit zur Anknüpfung an Bewährtes. Es zeichnet ein Finanzzentrum aus, wenn es sich ausgehend von seiner langen Tradition wei- 53 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich terentwickelt, sich Neuem bzw. der Internationalisierung öffnet und dabei seinen im Laufe der Jahrhunderte erworbenen Ruf nutzt. Die Entwicklung der drei Finanzplätze Frankfurt, London und Paris ist jeweils durch nationale Besonderheiten geprägt. Unmittelbar vergleichbar sind zentrale Ereignisse, wie ihre Entstehung und die Gründung von Börse und nationaler Zentralbank, so dass auf diesen komparativen Kerndaten im Folgenden der Fokus liegt. Vergleichbare Kernereignisse der Finanzplatz-Entwicklung Entstehung Frankfurt London Paris Ende 11. Jhdt.: Erw ähnung als Messeplatz, mitteleuropäische Drehscheibe Orienthandel Mittelalter Frühe Neuzeit 1585 1802 1724 1876 Reichsbank (Berlin) 1948 Bank Deutscher Länder 1957 Deutsche Bundesbank 1694 Bank of England 1800 Banque de France Gründung Börse Gründung nationaler Zentralbank Quellen: Grote, Merki, Braudel, Helaba Volkswirtschaft Ursprünge bereits im Mittelalter – nur Finanzplatz Paris erst in Früher Neuzeit Börsengründung zuerst in Frankfurt Zentralbanken stärkten Finanzplätze in London und Paris frühzeitig Anziehungskraft aller drei Finanzplätze auf Auslandsbanken, London mit Vorsprung bei Internationalisierung 54 Der Finanzplatz Frankfurt kann auf eine lange Geschichte bis ins Mittelalter zurückblicken, seit vielen Jahrhunderten hat die Stadt immer intensiv mit Geld zu tun. So fand die Stadt am Main schon im 11. Jahrhundert Erwähnung als Messeplatz und wurde bedingt durch Kreuzzüge zur mitteleuropäischen Drehscheibe des Orienthandels. Auch die City of London entwickelte sich im Mittelalter im Rahmen des wachsenden Finanzbedarfs der einwohnerstarken, wohlhabenden, pulsierenden Handels- und Regierungsstadt. Die Ursprünge des Pariser Finanzplatzes reichen hingegen nicht ganz so weit zurück, da es dort zunächst keine bedeutende Messe gab und die wirtschaftliche Führungsrolle zunächst Lyon innehatte. Erst als Lyons Blüte in der frühen Neuzeit an Glanz verlor, begann sich Paris als Handels- und Finanzstadt langsam zu entfalten. Bereits 1585 wurde die Frankfurter Börse gegründet, 1724 ihr Pendant in Paris. Die Londoner Börse hatte sich zu dieser Zeit zwar auch schon entwickelt, ihre Gründungsurkunde wurde aber erst 1802 unterzeichnet. Gerade das Börsengeschehen am deutschen Finanzzentrum kann insofern auf eine lange Geschichte zurückblicken. Demgegenüber erlangten das britische und französische Finanzzentrum durch die frühzeitige Errichtung ihrer nationalen Zentralbanken Gewicht, die Bank of England entstand 1694 und die Banque de France 1800. Dies legte schon damals den Grundstein für eine klare Fokussierung des Bankgeschäfts auf London bzw. Paris. Frankfurt verlor als Handelsstadt und Finanzplatz zwischenzeitlich erst einmal an Bedeutung, als mit der Gründung des deutschen Reiches 1871 die Reichsbank 1876 in Berlin ihre Tätigkeit aufnahm. Nach dem zweiten Weltkrieg und mit der Wahl Frankfurts als Sitz der Bank Deutscher Länder 1948, aus der knapp ein Jahrzehnt später die Deutsche Bundesbank hervorging, avancierte die Stadt am Main wieder zum deutschen Finanzzentrum und das nationale Bankwesen begann sich hier schwerpunktmäßig zu entfalten. Die Anziehungskraft der Zentral- auf die Geschäftsbanken machte sich im 20. Jahrhundert an allen drei Finanzplätzen auch über die Grenzen hinweg bemerkbar, verstärkt kam es in den 1960er Jahren zu Ansiedelungen ausländischer Banken in London, Frankfurt und Paris (vgl. 2.6.2.2). Der Finanzplatz London hebt sich hinsichtlich seiner historischen Internationalisierung aber von den beiden anderen ab, denn schließlich galt London zum Ende des 19. Jahrhunderts als wichtigstes Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Finanzzentrum der Weltwirtschaft, bevor diese Rolle von New York übernommen wurde und London global seinen Platz dahinter einnahm. 2.4.2 Standortspezifische Qualitäten Frankfurt Mittelfeld Paris ☺ Standortspezifische Qualitäten ☺ International gut aufgestellt London Defizite Quelle: Helaba Volkswirtschaft Die Standortspezifischen Qualitäten eines Finanzplatzes sind vielschichtig. Ausgehend vom grundsätzlichen Kriterium der Internationalität werden die beiden verschiedenen „räumlichen“ Aspekte der Verkehrsinfrastruktur und der Büroimmobilienmärkte betrachtet, bevor auf die Besteuerung und die sich teilweise dadurch bedingenden Lebenshaltungskosten eingegangen wird, letztlich wird die Lebensqualität als das Ergebnis mehrerer Standortkriterien thematisiert. Beste Standortspezifische Qualitäten in Frankfurt Insgesamt schneidet Frankfurt bezüglich der Standortspezifischen Qualitäten besser ab als London und Paris. Denn am deutschen Finanzzentrum verbindet sich eine gute Infrastruktur mit kurzen Wegstrecken, und die Mietpreise für Büroimmobilien wie auch die Lebenshaltungskosten liegen hier anhaltend am niedrigsten. Daneben sind die Einflussfaktoren der Lebensqualität als gleichermaßen gut wie an den anderen beiden großen Finanzplätzen Europas einzustufen. Nur die recht hohe Besteuerung ist ein Manko des hiesigen Finanzzentrums im Standortwettbewerb. Hinsichtlich der Internationalität der drei Finanzmetropolen an sich sind London und Paris als nationale Hauptstädte im Vorteil, allerdings wird auch die Atmosphäre am Main zunehmend multikultureller und multinationaler. Internationalität der Metropole Internationalität ist ein wichtiges Grundkriterium für einen erfolgreichen Finanzplatz. Dabei kommt es nicht nur auf die internationale Aufstellung speziell des Finanzsektors und dessen grenzüberschreitende Geschäftsverbindungen an (vgl. 2.2.1.2; 2.3.3), sondern auch auf das multikulturelle Flair der Metropole an sich, zumal sich dies oftmals gegenseitig bedingt. Hinsichtlich der Internationalität der Finanzstandorte an sich sind London und Paris als nationale Hauptstädte von Weltruf klar im Vorteil gegenüber Frankfurt, in welchem allerdings seit einigen Jahren eine zunehmend internationalere Atmosphäre spürbar wird. Bevölkerung am Finanzplatz Frankfurt am geringsten Ausländeranteil der Bevölkerung in London am höchsten Mio., 2003 % 12 12 30 30 10 10 25 25 8 8 20 20 6 6 15 15 4 4 10 10 2 2 5 5 0 0 Frankfurt RheinMain Inner London Greater London Paris Île-deFrance Quellen: Eurostat, Helaba Volkswirtschaft 55 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba 0 0 Rhein-Main Greater London Île-de-France Quellen: UN Habitat, Planungsverband, Helaba Volkswirtschaft Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Ausgeprägte Internationalität der Weltstädte London und Paris bei hoher Ausländeranzahl Sprachvorteil des britischen Finanzplatzes Internationales Flair verbreitet sich in Frankfurt In den Weltstädten London und Paris tritt die Internationalität in vielerlei Hinsicht offen zu Tage und prägt auch den Finanzbereich. Die multikulturelle Atmosphäre dieser beiden Metropolen ist fühlbar, sie ziehen unzählige Touristen an und sehr viele Ausländer leben dort. In Frankfurt bzw. der Rhein-Main-Region ist bedingt durch die geringere Fläche die Bevölkerung insgesamt und somit auch die ausländische merklich kleiner als an den anderen beiden Finanzplätzen. In Relation zur Gesamtbevölkerung liegt die Ausländeranzahl allerdings in der Frankfurter Region mit knapp 15 % in derselben Größenordnung wie in der sich um Paris erschließenden Region Île-de-France. Die Region Greater London hebt sich davon deutlich ab, rund 30 % der hier lebenden Menschen stammen aus anderen Ländern. Gerade am britischen Finanzzentrum wird das internationale Image sorgfältig gepflegt. Dass die Arbeitssprache in der Finanzwelt Englisch ist, kommt dem größten europäischen Finanzplatz dabei zu Gute. Es erleichtert den Ablauf von inländischen und grenzüberschreitenden Geschäften sowie den Aufbau beruflicher Kontakte in der „City“. Das muttersprachliche Englisch ist ein Vorteil Londons, selbst wenn Verhandlungen bzw. Sitzungen auf Englisch am deutschen und französischen Finanzplatz immer üblicher werden. Frankfurt ist primär europäischer Finanzplatz und im Gegensatz zu London und Paris nicht gleichzeitig nationale Hauptstadt, so dass das deutsche Finanzzentrum weniger von einer generell in der Stadt gelebten Internationalität profitieren kann. So liegt es wesentlich an der „Banking Community“ selbst, dass das Flair am Main zunehmend multikultureller wird. Spiegelbild der wachsenden Internationalisierung des Finanzplatzes Frankfurt dürfte das immer facettenreicher gewordene Kultur-, Bildungs-, Restaurant- und Einkaufsangebot sowie die gestiegene Anzahl hier ansässiger Konsulate, ausländischer Kammern und Handelsvertretungen sein. Verkehrsinfrastruktur Frankfurter Kreuz als meist frequentierter Autobahnknotenpunkt Europas; kurze Wege am deutschen Finanzzentrum Im Bahnverkehr deutliche Standortvorteile von Frankfurt und Paris 56 Im Vergleich zu anderen europäischen Wirtschaftsstandorten weist der Finanzplatz Frankfurt in verkehrsräumlicher Hinsicht hervorragende Standorteigenschaften auf. Hier kombinieren sich gute Verbindungen auf Straße und Schiene sowie in der Luft mit kurzen Wegen in der Finanzmetropole. So ist das Frankfurter Kreuz der meistfrequentierte Autobahnknotenpunkt Europas. Zahlreiche Beschäftigte der Finanzbranche nutzen als Berufspendler die Angebote des Öffentlichen Personennahverkehrs. Prinzipiell verfügen zwar alle drei Finanzplätze über eine gute Infrastruktur, jedoch zeichnet sich das Nahverkehrsnetz in London durch eine geringere Zuverlässigkeit aus als dasjenige in Paris und Frankfurt. Dies wirkt sich auch auf die Berufspendelzeiten aus, denn eine Fahrt zum Arbeitsplatz dauert in London durchschnittlich 37 Minuten, während in Frankfurt lediglich 25 Minuten zu veranschlagen sind. Die gute Verkehrsanbindung bedingt es mit, dass von den gegenwärtig etwa 460.000 in Frankfurt sozialversicherungspflichtig Beschäftigten rund 315.000 bzw. über Zweidrittel Berufseinpendler sind. In den anderen beiden Finanzhauptstädten Europas liegt diese Quote nur bei rund einem Drittel: London weist bei 1,6 Mio. Beschäftigten 540.000 Berufseinpendler auf, während von den 1,5 Mio. in Paris Beschäftigten etwa 500.000 zum Arbeitsplatz pendeln. (vgl. 2.1) Die gute Anbindung der Stadt Frankfurt über den Bahnverkehr ist für den Finanzsektor sowohl für die Anfahrt zum Arbeitsplatz als auch die Wahrnehmung von Geschäftsterminen relevant. So ermöglichen der unmittelbar an das Bankenviertel angrenzende Frankfurter Hauptbahnhof und der Fernbahnhof des Frankfurter Flughafens eine direkte und schnelle Anbindung an sämtliche Ballungsräume innerhalb Deutschlands und des nahen Auslands – z.B. sind in 3½ Stunden die Metropolen Berlin, Brüssel, Hamburg, München erreichbar. Beim Bahnfernverkehr weisen Paris und Frankfurt aufgrund ihrer zentralen Lage in Europa im Vergleich zu London erhebliche Standortvorteile auf. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Frankfurt, London und Paris als Drehscheiben des interkontinentalen Luftverkehrs Eine gute Luftverkehrsanbindung ist für die Finanzbranche gerade vor dem Hintergrund der immer wichtiger werdenden grenzüberschreitenden Mobilität unerlässlich. Von den zehn bedeutendsten Flughäfen für den Fluggastverkehr in Europa befinden sich jeweils zwei in der britischen und französischen Finanzplatzregion sowie je einer an den deutschen Finanzstandorten Frankfurt und München. Zwischen diesen sechs Flughäfen gibt es nicht nur im Hinblick auf das Fluggastaufkommen, sondern auch bezüglich der räumlichen Ausrichtung der Flugverbindungen erhebliche Unterschiede. Fluggastaufkommen europäischer Großflughäfen Rang Flughafen Anzahl Fluggäste 2005 innerhalb Europas in Mio. 1 London/Heathrow 67,9 2 Paris/Charles de Gaulle 53,8 3 Frankfurt* 52,2 6 London/Gatw ick 32,8 8 München 28,6 10 Paris/Orly 24,9 * Ohne Frankfurt Hahn Quellen: Airports Council International, Hessen Agentur Gemessen an der Anzahl der Fluggäste rangierte London/Heathrow im Jahr 2005 mit knapp 68 Mio. weit vorne, gefolgt von den Flughäfen Paris/Charles de Gaulle und Frankfurt mit nahezu 53 Mio. bzw. gut 52 Mio.; London/Gatwick (fast 33 Mio.) sowie München (knapp 29 Mio.) und Paris/Orly (etwa 25 Mio.) belegten hier die Plätze sechs, acht und zehn. Der Anteil der Fluggäste im Extra-EU-Verkehr an der Gesamtzahl der Fluggäste am jeweiligen Flughafen betrug 2004 in London/Heathrow 52 %, in Frankfurt 48 %, in Paris/Charles de Gaulle 49 % und in London/Gatwick 34 %; für München und Paris/Orly lagen die Vergleichswerte bei 25 % bzw. 18 %. Durchschnittliche monatliche Flugbewegungen Absolute Angaben, 2004 600.000 500.000 Gesamt (linke Skala) Durchschnitlich monatlich (rechte Skala) 400.000 50.000 40.000 30.000 300.000 20.000 200.000 10.000 100.000 0 0 London/ Paris/ Frankfurt Heathrow Charles de Gaulle London/ München Gatwick Paris/ Orly Quellen: Eurostat, Hessen Agentur Im Bereich des Passagierverkehrs sind vom Frankfurter Flughafen aus etwa 300 Flugziele in ungefähr 100 Ländern direkt erreichbar. Diese werden von ca. 110 Fluggesellschaften angeflogen. Für 57 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich eine durchschnittliche Flugplanwoche sind etwa 4.700 Verbindungen ausgewiesen. Die Anzahl der monatlichen Flugbewegungen betrug 2004 im Durchschnitt etwa 39.000 am Frankfurter Flughafen, verglichen mit ebenfalls 39.000 in London/Heathrow, aber 46.000 in Paris/Charles de Gaulle; München kam hier auf 31.000, London/Gatwick und Paris/Orly nur auf 20.000 bzw. 19.000. Eine wichtige Rolle für die Mobilität der Bank-Manager spielt im Rhein-Main-Gebiet auch der Flugplatz Egelsbach, der insbesondere von kleineren Jets und Hubschraubern frequentiert wird und jährlich etwa 85.000 Flugbewegungen zu verzeichnen hat. Flughafen Frankfurts am schnellsten erreichbar Die generell vorteilhaft kurzen Wegstrecken in und um Frankfurt zeigen sich auch bei der Anbindung des Flughafens, denn eine Fahrt mit der S-Bahn von der Innenstadt zum Flughafen dauert etwa 15 Minuten. Demgegenüber ist für die Passage per Bus oder Nahverkehrszug vom Pariser Zentrum zum Flughafen Charles de Gaulle etwa eine halbe Stunde einzuplanen und für den Transfer von der Londoner City zum Flughafen Heathrow sogar 60 Minuten. Ähnlich wie der Frankfurter Flughafen verfügt auch Paris/Charles de Gaulle über einen Fernbahnhof, der über TGV-Verbindungen in das europäische Schnellzugnetz eingebunden ist. Insgesamt ist die internationale und interregionale Erreichbarkeit von Frankfurt als sehr gut zu bewerten. Gemäß Eurostat liegt Frankfurt bezüglich der Verkehrsträger Luft, Schiene und Straße sogar knapp vor Paris und deutlich vor London. Büroimmobilienmarkt Für die Finanzbranche stellt die hinreichende Verfügbarkeit an adäquaten Büroimmobilien einen bedeutsamen Standortfaktor dar. Bei einem Vergleich der regionalen Immobilienmärkte in Frankfurt, Paris und London sind die unterschiedlichen Größendimensionen und räumlichen Strukturen der drei Agglomerationen zu berücksichtigen (vgl. 2.1). Kenngrößen der Büroimmobilienmärkte 2005 Frankfurt Paris London 12,0 1) 48,2 28,0 2003 520.000 1.700.000 568.000 2004 330.000 1.900.000 1.004.000 2005 473.000 2.200.000 834.000 17,5 5,7 7,3 Bankenviertel: 240-360 City: 500-700 West End: 800-1.100 Westend: 160-280 La Défense: 420-450 City: 580-790 City: 90-240 Western Business District: 350-420 Docklands: 430-580 Büroflächenbestand (Mio. m ²) Flächenum satz (m ²) Leerstandsquote (%) Mietpreise (€/m ² p.a.) Niederrad: 120-180 Industriehof/Neue Börse:140 Offenbach/Kaiserlei: 140 Eschborn: 130 1) inklusive Offenbach/Kaiserlei und Eschborn Quellen: DEGI Research, IVG Immobilien-Barometer, Deka Immobilien, Aengevelt Immobilien, Hessen Agentur 58 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Paris mit größtem Büroimmobilienmarkt Europas Nun auch wieder Zuwachs des Flächenumsatzes in Frankfurt Büroimmobilien in Frankfurt dauerhaft am günstigsten ... Der Frankfurter Büroimmobilienmarkt besteht im Wesentlichen aus den Teilräumen Bankenviertel, Westend, City und Niederrad, inklusive Offenbach und Eschborn umfasst er derzeit ungefähr 12 Mio. m2 Nutzfläche. Die Region Paris ist mit einem Flächenbestand von 48 Mio. m2 der größte Büroimmobilienmarkt in Europa. Neben der Stadt Paris innerhalb des Boulevard Périphérique umfasst dieser die Bürostadt La Défense, den so genannten „Croissant d’Or“ (Halbkreis von Vororten im westlichen Seine-Bogen) und die äußeren Vororte in der Region Île-de-France. Hinter Paris weist London mit einem Flächenbestand von 28 Mio. m2 den zweitgrößten Büroimmobilienmarkt Europas auf. Hiervon entfallen 19 Mio. m2 auf Central London mit den Hauptstandorten City, Docklands und West End. Der Flächenumsatz nahm in den letzten Jahren in Frankfurt eine etwas andere Entwicklung als an den anderen beiden Finanzstandorten: Dort wurden nach einem zwischenzeitlichen Einbruch seit 2003 wieder merklich höhere Flächenumsätze erzielt – in der Spitze 2,2 Mio. m² in Paris 2005 und gut 1 Mio. m² in London 2004. In der deutschen Finanzmetropole am Main, in der der rückläufige Trend des Flächenumsatzes erst 2005 auslief und es vor dem Hintergrund einer erhöhten Immobiliennachfrage von Finanzinstituten und finanzplatzorientierten Dienstleistern zu einem deutlichen Anstieg um 45 % auf knapp 0,5 Mio. m² kam. Niveau und Entwicklung der Top-Büromieten in den Stadtlagen der drei Finanzzentren differieren sichtlich voneinander: Während Anfang der 90er Jahre eine klare Tendenz zur Angleichung der Mietpreise zwischen den Finanzzentren festzustellen war, ging ab 1993 die Schere zunehmend auseinander, insbesondere aufgrund des rasanten Anstiegs der Mietpreise in London. An allen drei Finanzstandorten wurden im Jahr 2001 Spitzenwerte erreicht. Darauf folgte ein Einbruch der Mietpreise, der in London besonders drastisch ausfiel, aber seit 2003 wieder eine Korrektur erfahren hat. Demgegenüber stagnierten die Büromieten am französischen Finanzplatz in den letzten Jahren, und in Frankfurt kam es sogar zu einem weiteren Rückgang. So liegen die Spitzenmieten für Büroimmobilien im Bankenviertel der Main-Metropole mit bis zu 360 €/m² p.a. weiterhin am niedrigsten; auf demselben Niveau bewegen sich die Spitzenmieten für Büroimmobilien in München. Im Vergleich dazu werden in der Pariser Innenstadt bis zu 650 €/m² p.a. erzielt und im begehrten Londoner Westend sogar etwa 1.000 €/m² p.a. Mietpreisentwicklung für Büroimmobilien in zentraler Stadtlage €/m² p.a. 1.250 1.250 London 1.000 750 1.000 750 Paris Frankfurt 500 500 250 250 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 Quellen: Deka Immobilien Investment, Hessen Agentur ... als eindeutiger Standortvorteil des deutschen Finanzzentrums 59 Das im Vergleich zu London und Paris erheblich niedrigere Mietpreisniveau ist ein eindeutiges „Asset“ des hiesigen Finanzplatzes. So nimmt Frankfurt im Ranking des auf Unternehmensangaben basierenden „European Cities Monitor 2005“ hinsichtlich der Kosten des Büroraumangebots den 17. Platz ein – deutlich vor Paris (Rang 21) und London (Rang 24). Auch bei den für Finanzinstituten und finanzplatzorientierten Dienstleistern letztlich relevanten Bürokosten je Arbeitsplatz schneidet Frankfurt besser ab; die günstigen Mietpreise der Main-Metropole wiegen den vergleichsweise höheren Flächenverbrauch auf. Und dieser Standortvorteil dürfte erst einmal bestehen Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich bleiben. Denn Büroimmobilien sollten in Frankfurt angesichts der seit Jahren hohen Leerstandsquote von fast 18 % zunächst weiter günstiger als in London und Paris bleiben, wo derzeit nur 8 % bzw. 6 % Leerstand verzeichnet werden. Steuern Die an einem Finanzplatz erhobenen Steuern sind ein grundlegendes Kriterium für seine Attraktivität. Sie sind mitentscheidend bei der Standortwahl sowohl von Finanzinstituten und finanzplatzorientierten Dienstleistern als auch von ihren Beschäftigten. Zum einen ist die Besteuerung von Unternehmensgewinnen insofern von Bedeutung, als dass sie den Gewinn von am Finanzstandort ansässigen Unternehmen inklusive ihrer ausländischen Tochtergesellschaften beeinflusst. Zum anderen spielt die Besteuerung Hochqualifizierter bei der Anwerbung von Finanzspezialisten eine Rolle, ggf. müssen Unternehmen ihren potenziellen Arbeitnehmern und deren Familien Ausgleichszahlungen anbieten, um steuerliche Nachteile wettzumachen. Finanzplatz Frankfurt im Nachteil bei Unternehmensbesteuerung Die Unternehmensbesteuerung ist hierzulande mit dem Spezifikum der regional differierenden Gewerbeertragsteuer behaftet im Gegensatz zur rein zentralstaatlichen Regelung in Frankreich und Großbritannien. In Deutschland hat die Kombination aus Körperschafts- und Gewerbeertragsteuer einen insgesamt höheren Abgabensatz zur Folge. So liegt der effektive durchschnittliche Steuersatz für in der Frankfurter Finanzplatzregion ansässige Unternehmen mit 37 % deutlich höher als am französischen und insbesondere britischen Finanzzentrum mit gut 32 % bzw. 28 %. Unternehmensbesteuerung in Frankfurt am höchsten Steuergestaltung für Arbeitskräfte in London am besten Effektiver durchschnittlicher Steuersatz in %, 2003 Effektiver durchschnittlicher Steuersatz in %, 2005 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 Frankfurt Paris London Quellen: BAK Basel Economics, Helaba Volkswirtschaft Steuerbelastung für Hochqualifizierte in London am geringsten Finanzplatz London mit attraktivstem Steuersystem 50 50 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 Frankfurt Paris London Quellen: BAK Basel Economics/ZEW, Helaba Volkswirtschaft Für ledige Arbeitskräfte mit einem zu versteuernden Einkommen von 100.000 € pro Jahr liegt die effektive durchschnittliche Steuerbelastung in der Region Paris mit 44,3 % höher als in Frankfurt mit 41,8 % und vor allem in London mit 40 %. Die steuerliche Ausgestaltung für einkommensstarke Fachkräfte ist am britischen Finanzzentrum also am attraktivsten. Gemäß BAK Basel Economics31 weist also der Finanzplatz London sowohl bei der Besteuerung der Unternehmen als auch der hochqualifizierter Arbeitskräfte einen komparativen Standortvorteil gegenüber den anderen beiden großen Finanzmetropole Europas auf. 31 Vgl. BAK Basel Economics im Auftrag der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain (2006): „Wachstumsfaktoren für FrankfurtRheinMain“ und zusammen mit Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung: „IBC Taxation Index 2005“. Es handelt sich um effektive durchschnittliche Steuersätze: Bei der Unternehmensbesteuerung wurden einbezogen die Körperschaftssteuer inkl. Zuschläge, weitere gewinnabhängige Steuern, die Grundsteuer sowie spezielle Steuern auf Vermögen und eingesetztes Kapital; bei der Besteuerung einkommensstarker Arbeitnehmer gingen ein alle Einkommenssteuern inkl. Zuschläge, steuerähnliche Sozialversicherungsbeiträge und Unternehmenssteuern auf die gezahlten Arbeitsentgelte. 60 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Kaufkraft Neben Steuern beeinflusst auch die Höhe der an einem Finanzplatz aufzuwendenden Lebenshaltungskosten das Budget der Arbeitnehmer. Wie attraktiv sind die drei großen Finanzzentren Europas für einen Beschäftigten hinsichtlich des ihm letztlich zur freien Verfügung stehenden Geldes bzw. welchen Wert hat das Geld an den drei Finanzplätzen? Einkommen in Frankfurter Region etwas niedriger Lebenshaltungskosten in Frankfurt deutlich geringer Nominal verfügbares Einkommen pro Kopf pro Jahr, 2003 Index, 2005 25.000 25.000 120 120 20.000 20.000 100 100 15.000 15.000 80 80 10.000 10.000 60 60 5.000 5.000 40 40 0 20 20 0 Regierungsbezirk Darmstadt Île-deFrance Greater London Frankfurt Quellen: Eurostat, Helaba Volkswirtschaft Beschäftigter am Finanzplatz Frankfurt stellt sich am besten 0 0 Paris London Quellen: Mercer Human Resource Consulting, Helaba Volkswirtschaft Im EU-Wohlstandsvergleich liegen die Großräume Frankfurt, Paris und London gemäß jüngster Berechnungen von Eurostat alle weit über dem Durchschnitt. Das BIP je Einwohner ausgedrückt in Kaufkraftstandards (EU25 = 100) betrug 2003 in den Regionen rund um das britische und französische Finanzzentrum 175 % bzw. 173 % des Durchschnitts, in der Region des Finanzplatzes Frankfurt machte es mit 148 % weniger aus. Ähnlich fiel die Relation des nominal verfügbaren Nettoeinkommens pro Kopf 32 zwischen den drei Finanzplatzregionen 2003 aus: Im Regierungsbezirk Darmstadt standen einem Einwohner durchschnittlich etwa 18.100 € pro Jahr zur Verfügung, während es in Greater London knapp 20.900 € und in Île-de-France gut 20.000 € waren. Die Lebenshaltungskosten liegen in Frankfurt jedoch eindeutig am niedrigsten: Der von Mercer Human Resource Consulting diesbezüglich berechnete globale Index (New York = 100) weist für Frankfurt 2005 einen Stand von 88 Indexpunkten auf (Platz 34), die Vergleichswerte für Paris und London betragen 102 (Platz 12) bzw. 120 (Platz 3). Zusammengenommen deutet dies darauf hin, dass sich ein in Frankfurt Beschäftigter im Durchschnitt besser stellt als ein Arbeitnehmer in Paris und insbesondere in London. Hohe Kaufkraft im Umland deutscher Metropolen Verfügbares Einkommen in € pro Jahr 30.000 Index* Verfügbares Einkommen (linke Skala) Index (rechte Skala) 160 120 20.000 80 10.000 40 0 0 Durchschnitt Frankfurt Deutschland Hochtaunus MainTaunus München Starnberg * Durchschnitt Deutschland = 100, Stand 2003 Quellen: GfK, Hessen Agentur 32 Hier betrachten wir das regionale verfügbare Einkommen aus der Verwendungsrechnung von Eurostat (Saldo zwischen Aufkommens- und Verwendungsposten des sekundären Einkommensverteilungskontos) bezogen auf die Bevölkerung. 61 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Hohe Kaufkraft vor den Toren Frankfurts und Münchens Im innerdeutschen Vergleich lassen sich aus der kombinierten Betrachtung von Wohlstands- und Einkommensmaßen Eurostats einerseits und Mercer-Lebenshaltungskostenindex andererseits keine verlässlichen Rückschlüsse ziehen; zusammengenommen deuten die beiden Maße auf eine tendenziell höhere Kaufkraft in der Münchner als in der Frankfurter Finanzplatzregion hin: Mit 158 % bezogen auf den EU25-Durchschnitt und einem nominalen Pro-Kopf-Nettoeinkommen von durchschnittlich knapp 19.500 € liegen die Werte für die sich um den Finanzplatz München erstreckende Region Oberbayern etwas höher als im Regierungsbezirk Darmstadt; mit 87,8 Indexpunkten fallen die Lebenshaltungskosten in der Isar-Metropole nur etwas niedriger aus (Platz 37) als in Frankfurt. Ein 2006 von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) berechneter Index (Durchschnitt Deutschland = 100) zeigt, dass sowohl die Region rund um Frankfurt als auch das Umland Münchens sehr einkommensstark sind bzw. dass dort viele Einwohner dank ihrer Spitzenverdienste eine hohe Kaufkraft haben. Während der Index für Frankfurt an sich mit 111 Indexpunkten nur etwas über dem deutschen Durchschnitt liegt, weisen die nahe gelegenen Kreise Hochtaunus und Main-Taunus mit gut bzw. knapp 140 die höchsten Werte Deutschlands auf. Auch der Kreis Starnberg unweit der bayerischen Landeshauptstadt rangiert auf diesem hohen Niveau, München selbst ist nicht ganz so einkommensstark (rund 135 Indexpunkte). Auf Grund der täglichen Pendlerströme ist die wohnortbezogene Kaufkraft in den Finanzmetropolen Frankfurt und München geringer als in ihrem Umland. Lebensqualität Die Lebensqualität zählt zu den weichen Standortfaktoren. Dieses nicht objektiv messbare Kriterium ist bei Standortbewertungen von Unternehmen von Bedeutung und spielt für Arbeitskräfte bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes jedoch eine wichtige Rolle. Einen Eindruck von der Lebensqualität einer Stadt geben das Spektrum ihres Kulturangebots und die hier vorhandenen Möglichkeiten zur Naherholung. Der Beurteilung derartiger Faktoren auch mittels Rankings haftet allerdings immer eine gewisse Subjektivität an und der zugrundegelegte Kriterienkatalog fällt höchst unterschiedlich aus, so dass die sich ergebenden Platzierungen einer Stadt hinsichtlich ihrer Lebensqualität nur begrenzte Aussagekraft haben. Kulturangebot in London und Paris reichhaltiger als in Frankfurt, ... Die Stadt Frankfurt zeichnet sich durch ein vielfältiges Kulturangebot aus. Es existieren mehr als 20 öffentliche und private Theater. Im Vergleich dazu beläuft sich die Anzahl der Theater, Opernhäuser und sonstigen Spielstätten insgesamt in Paris und London jeweils auf rund 100. Frankfurt verfügt über etwa 40 größere und kleinere Museen und Ausstellungshäuser, die Bandbreite reicht vom universal angelegten Kunstmuseum bis hin zur kleinen Spezialsammlung. Mit ungefähr 160 bzw. knapp 120 gibt es in Paris und London allerdings ein Vielfaches an Museen. Spektrum des Kulturangebots ... ... in Relation zur Bevölkerungsgröße Anzahl Anzahl je Mio. Einwohner 200 200 Museen 160 80 80 Museen 160 60 Theater 120 120 80 80 40 40 40 0 0 Frankfurt Paris London Quellen: Eurostat, Parisinfo, Hessen Agentur 62 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba 60 Theater 40 20 20 0 0 Frankfurt Paris Quellen: Eurostat, Parisinfo, Hessen Agentur London Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich ... bezogen auf Einwohnerzahl liegt nur Paris vor Frankfurt Obgleich das absolute Spektrum des Kulturangebots bei der Beurteilung der Attraktivität eines Standorts im Vordergrund steht, ist angesichts der unterschiedlichen räumlichen Struktur der drei Finanzplätze (vgl. 2.1) auch ein Vergleich der kulturellen Möglichkeiten bezogen auf die regionale Bevölkerungsgröße sinnvoll: Bei den Theatern relativ zu Mio. Einwohnern führt das französische Finanzzentrum mit einem Pro-Kopf-Wert von 45, Frankfurt und London folgen mit jeweils etwa 35. Bei der Anzahl an Museen je Mio. Einwohner liegt Paris mit 75 vor Frankfurt mit rund 60 und London mit etwa 40. Betrachtet man das Kulturangebot Frankfurts im Vergleich zu München, so zeigt sich ein differenziertes Bild: Den rund 40 Museen in Frankfurt stehen 50 Museen in München gegenüber, aber in Relation zur Bevölkerung liegt Frankfurt mit rund 60 vor München mit etwa 40 Museen je 1 Mio. Einwohner. Das Theaterangebot ist in der bayerischen Landeshauptstadt umfangreicher, sowohl absolut mit rund 60 Theatern insgesamt als auch relativ mit etwa 45 je 1 Mio. Einwohner. Dies spiegelt die Funktion Münchens als Landeshauptstadt wider. Finanzinstitute engagiert in Kulturförderung Frankfurt mit besten Naherholungsmöglichkeiten Lebensqualität-Rankings mit verschiedenen Ergebnissen 63 Eine lebendige Kulturszene trägt zur Attraktivität und Lebensqualität des Finanzstandortes bei, zwischen dem Finanzsektor und dem Kulturangebot besteht aber noch eine andere Beziehung: Zahlreiche Kulturangebote werden nämlich nicht zuletzt über Sponsoring des Finanzsektors erst ermöglicht. So bekommt die Kulturförderung durch Mäzenaten und Sponsoring insbesondere vor dem Hintergrund knapper werdender öffentlicher Mittel eine zunehmende Bedeutung. Frankfurt ist durch ein ausgeprägtes Mäzenatentum gekennzeichnet, insbesondere die Kreditinstitute sind hierbei seit alters her in erheblichem Maße engagiert und unterstützen unterschiedliche kulturelle Institutionen sowie Veranstaltungen und Ausstellungen. In Großbritannien ist das privatwirtschaftliche Engagement im Bereich der Kultur noch stärker ausgeprägt als in Deutschland, während in Frankreich kulturelle Institutionen unterschiedlichster Provenienz in höherem Maße von der öffentlichen Hand unterstützt werden. Im Bereich der Naherholung ist der Raum Frankfurt gut aufgestellt. Von der deutschen Finanzmetropole aus sind zahlreiche kulturlandschaftlich attraktive Ziele schnell und bequem erreichbar. Hier macht sich die polyzentrale Struktur des Rhein-Main Gebiets positiv bemerkbar: Urbane Räume – die Zentren Frankfurt, Darmstadt, Mainz und Wiesbaden – sind immer wieder unterbrochen durch weitläufige Grünzonen. Frankfurt hat den größten Anteil an Wald unter deutschen Großstädten. Eine Vielzahl von Naherholungsgebieten wie Taunus, Rheingau, Odenwald, Rheinhessen, Spessart und Rhön sind innerhalb einer Stunde erreichbar. Paris und London bilden demgegenüber ein größeres Agglomerationsgebiet und sind durch eine stärkere Versiegelung der Flächen gekennzeichnet; der Weg in die freie Natur ist weiter. Dies schlägt sich auch in einer höheren Schadstoffbelastung nieder. Gemäß den Ergebnissen des „European Cities Monitor 2005“ von Cushman & Wakefield / Healey & Baker, der die Einschätzung von Unternehmen über 30 europäische Städte nach unterschiedlichen Standortkriterien wiedergibt, ist in Frankfurt (Platz 23) die Luftverschmutzung niedriger als in Paris und London (Platz 26 und 27). Bei der Bewertung der Lebensqualität insgesamt gehen die Meinungen in Abhängigkeit von der befragten Grundgesamtheit und den herangezogenen Kriterien auseinander: Der „European Cities Monitor 2005“ stuft Frankfurt bei der Lebensqualität für die Arbeitskräfte nur auf Rang 26 ein und damit hinter London und Paris auf den Rängen 13 bzw. 2. Demgegenüber kommt eine Studie der „Economist Intelligence Unit“ zu einem konträren Ergebnis, Frankfurt schneidet mit seinem 38. Platz besser ab als Paris und insbesondere London auf den Positionen 41 und 72. Einen noch deutlicheren Vorsprung des deutschen Finanzzentrums weist die britische Unternehmensberatung Mercer 2006 in ihrer breit angelegten Studie „Managing Quality of Living for Expatriates“ auf – Frankfurt rangiert weltweit an 7. Stelle, weit vor Paris und London auf Position 33 und 39. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Imageaufbesserung Frankfurts notwendig Wie dem auch sei – oftmals werden die guten Lebens- und Arbeitsbedingungen in der RheinMain-Region bzw. am Finanzplatz Frankfurt verkannt und im subjektiven Urteil von Finanzfachleuten leichthin als weniger attraktiv als an den anderen beiden großen Finanzstandorten Europas angesehen. Diese Einschätzung zu verändern, muss eine vordringliche Aufgabe von Marketingaktivitäten sein (vgl. 2.4.3), denn der Raum Frankfurt hat hinsichtlich Lebensqualität einiges zu bieten. Und dies lernen viele wertschätzen, wenn sie einmal hier sesshaft geworden sind, wie die folgende Aussage eines Mitglieds der hiesigen „Banking Community“ belegt: „Wer aus dem Ausland zum Arbeiten nach Frankfurt muss, weint zwei Mal: das erste Mal, wenn er kommt, das zweite Mal, wenn er geht.“ 2.4.3 Eigenvermarktung Frankfurt Eigenvermarktung ☺ International gut aufgestellt Mittelfeld London Paris ☺ ☺ Defizite Quelle: Helaba Volkswirtschaft Unter der Vielzahl von Kriterien eines Finanzplatzes findet sein Marketing oftmals nur begrenzt Beachtung. Dabei ist eine professionelle, selbstbewusste Eigenvermarktung ein mitentscheidender Faktor für den Erfolg eines Finanzstandortes. Auch wenn ein Finanzplatz solide Grundvoraussetzungen mitbringt, ohne die entsprechende Außendarstellung wird seine wahre Größe leicht verkannt. Um eine Finanzmetropole ins rechte Licht der Öffentlichkeit zu rücken, bedarf es neben der umfassenden Bündelung vorhandener Aktivitäten und der Schaffung einer gemeinsamen Kommunikationsplattform der Bildung einer einprägsamen „Corporate Identity“, aktiver Anwerbung neuer Finanzinstitute und -spezialisten aus dem In- und Ausland sowie der fortwährenden Bestandspflege bereits ansässiger „Player“. So kann ein Finanzplatz die rechte Aufmerksamkeit der Akteure an den Finanzmärkten auf sich ziehen und seine internationale Stellung festigen. Vermarktungsaktivitäten für den Finanzplatz London Marketing für den Finanzplatz London durch IFSL und … … Corporation of London 64 Die Eigenvermarktung des britischen Finanzzentrums verläuft konzentriert über zwei Kanäle: Zum einen setzt sich für den Finanzplatz London nachdrücklich die 1986 als unabhängige, nicht-gewinnorientierte Organisation gegründete „International Financial Services London“ (ISFL) ein, die in engem Kontakt zum Finanz-, Wirtschafts- und Außenministerium steht und sich als Mittler zwischen Politik und Finanzwirtschaft sieht. Zu ihren Mitgliedern zählen neben allen führenden Finanzunternehmen des Landes bzw. der „City“ die Verbände der Finanzwirtschaft, die Börsen sowie die Bank of England und die Stadt London („Corporation of London“). Die wesentliche Aufgabe der IFSL ist die internationale Vermarktung des Finanzplatzes London. In Kooperation mit der Regierung werden zahlreiche Veranstaltungen im In- und Ausland zur Präsentation des Leistungsspektrums und der Produktpalette des Londoner Finanzplatzes organisiert, im vergangenen Jahr ging es z.B. um „Public Private Partnership“ (PPP) und „Private Wealth Management“ sowie um Weiterbildungs- und Qualifikationsmöglichkeiten. Via Internet werden zahlreiche Gutachten und aktuelle Statistiken zur Bedeutung Londons im internationalen Finanzgeschehen bereitgestellt. Zum anderen betreibt die „Corporation of London“ – v.a. in Person des „Lord Mayor“ der „City of London“ als dem Herzstück der Finanzgeschäfte des Landes und der Metropole – ein intensives Finanzplatzmarketing. Eine zentrale Aufgabe des Oberbürgermeisters besteht in Werbeaktivitäten für den Finanzstandort London und die „Großbritannien AG“ im In- und Ausland. Unter dem Motto „Promoting UK Financial Services“ bietet er auf Einladung des Außenministeriums in Begleitung einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm weltweit. Dabei werden allerdings auch die Interessen der Städte Edinburgh, Glasgow, Manchester, Leeds, Birmingham and Bristol vertreten – neben London die Zentren des britischen Privat- Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich kundengeschäfts. Eine wichtige Marketingaktivität der „City of London“ ist auch die Erstellung von Gutachten zum Finanzmarkt und anderen London-spezifischen Themen, die sie auf ihrer Internetseite zur Verfügung stellt. Vermarktungsaktivitäten für den Finanzplatz Paris Koordiniertes Marketing durch „Paris Europlace“ Die Marketingaktivitäten für den Finanzplatz Paris werden zentral von „Paris Europlace“ durchgeführt und koordiniert. Neben den Gründungsmitgliedern (z.B. Banque de France, Industrie- und Handelskammer Paris, Stadt Paris, „Conseil Régional d'Île-de-France“, Börse Euronext Paris, Euroclear) zählt die Organisation heute über 150 Mitglieder – und zwar mit Banken, Investmenthäusern, Emittenten, Vertretern des Asset-Management, Verbänden, Rechtanwaltskanzleien und Unternehmensberatungen viele wichtige Akteure der Finanzplatzszene (vgl. 2.2). „Paris Europlace“ verfolgt fünf Schwerpunkte zur Vermarktung und Weiterentwicklung des Finanzplatzes Paris: • • • • • Internationales Marketing mittels mehrerer Finanz-Foren pro Jahr – größte Veranstaltungen mit bis zu 1.500 Teilnehmern in Paris, New York, Tokio sowie in anderen Ländern; Reform- und Aktionsprogramm zur Erarbeitung politischer Handlungsempfehlungen für die Fortentwicklung des französischen Finanzmarktes; Veröffentlichung von Gutachten, Stellungnahmen und Statistiken zur Finanzplatzthematik von Mitgliedsorganisationen, Ministerien und EZB; Lobbying in Frankreich; Lobbying auf Europäischer Ebene mittels enger Kontakte zu Europäischer Kommission und Parlament (z.B. Arbeitsgruppe „Europe post 2005“ zur Vertretung der Interessen des Finanzplatzes Paris in EU). Vermarktungsaktivitäten für den Finanzplatz Frankfurt Strauss an Initiativen und Aktivitäten zur Stärkung des Finanzplatzes Frankfurt In Frankfurt gibt es eine Vielzahl von Aktivitäten bzw. Initiativen, die sich der Stärkung des deutschen Finanzzentrums, und zwar insbesondere der Verbesserung seiner Entwicklungsperspektiven und der Werbung im In- und Ausland verschrieben haben. Der Großteil dieser Organisationen betreibt aktives Standortmarketing für Frankfurt bzw. die Region Rhein-Main, einige setzen sich mehr für die Interessen des Finanzstandortes Deutschland insgesamt ein. So reicht das Spektrum dabei • • • Bündelung der Initiativen für Finanzplatz Frankfurt sinnvoll 65 von sehr eng auf den Finanzplatz Frankfurt ausgerichteten Initiativen: Finanzplatz Frankfurt Kommission, Zukunftsforum Finanzplatz Frankfurt, ressortübergreifende Initiativen der Landesregierung zur Stärkung der Finanzmetropole, Dialogforum Universität und Finanzplatz Frankfurt, Banken- und Versicherungsausschüsse der IHK Frankfurt, Bankenverband Hessen, Servicestelle Finanzplatz Frankfurt, über am Main angesiedelte, aber sich für den Finanzplatz Deutschland insgesamt einsetzende Initiativen und Institutionen: Initiative Finanzstandort Deutschland, Deutsche Bundesbank, Deutsches Aktieninstitut, Verband der Auslandsbanken, „International Bankers Forum“, bis hin zu regional und branchenmäßig breiter orientierten Organisationen: „FrankfurtRheinMain GmbH International Marketing of the Region“, Wirtschaftsförderung Frankfurt, Wirtschaftsförderung Region Frankfurt RheinMain, Wirtschaftsinitiative Metropolitana FrankfurtRheinMain, IHK-Forum Rhein-Main. Im Gegensatz zu IFSL in London und „Paris Europlace“ gibt es jedoch am Finanzplatz Frankfurt bisher noch keine gemeinsame Plattform, die all die Aktivitäten dieser Initiativen bündelt und für einen regelmäßigen Meinungs- und Informationsaustausch unter ihnen sorgt – geschweige denn ein einheitliches, professionelles Marketingkonzept. Für den nachhaltigen Erfolg des deutschen Finanzzentrums am Main ist es aber wichtig, dass seine Stärken durch eine mit vereinten Kräften verfolgte Eigenvermarktung in der Öffentlichkeit präsenter werden. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Finanzplatz Frankfurt synonym für Deutschland vermarkten; derzeit aktive Finanzplatz München Initative Selbstbewusstes nationales Marketing für deutsches Finanzzentrum „aus einem Guss“ erfolgsversprechend 66 Dabei ist es sinnvoll, den Finanzplatz Frankfurt synonym für den Finanzplatz Deutschland insgesamt zu vermarkten, denn nur das deutsche Finanzzentrum am Main kann im internationalen Wettbewerb bestehen. Stattdessen gibt es gegenwärtig neben den zahlreichen Initiativen für Frankfurt auch ein aktives Finanzplatzmarketing in München: Im Jahr 2000 wurde die Finanzplatz München Initiative (fpmi) gemeinsam von Unternehmen, der Bayerischen Börse, Wirtschaftsverbänden, Wissenschaft und Politik ins Leben gerufen, um die Bedeutung des Standortes mittels eines deutsch/englischen Internetauftrittes, der Bekanntmachung branchenrelevanter Veranstaltungen und politischer Lobbyarbeit (inter)national zu fördern. Anfang 2006 wurde eine sogenannte Clusteroffensive zwecks gezielter Netzwerkbildung bzw. Intensivierung der Kommunikation zwischen Wissenschaft und Finanzinstituten gestartet. Ein auf breiter Basis abgestimmtes, nationales Marketingkonzept für den Finanzplatz Frankfurt als Herzstück des deutschen Finanzwesens und eine gemeinsame Interessenvertretung wären der Stellung des hiesigen Finanzstandortes im internationalen Finanzgefüge sicherlich dienlicher als einzelne, parallel verlaufende Aktionen an Main und Isar, zumal dann mehr Transparenz über relevante Veranstaltungen und Ansprechpartner geschaffen würde. Die Grundvoraussetzungen des Finanzplatzes Frankfurt sind gut, ein selbstbewussterer Auftritt „aus einem Guss“ würde dies in der internationalen Finanzwelt mehr zur Geltung bringen. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich 3 Positionierung des Finanzplatzes Frankfurt aktuell und künftig Fazit und Ausblick Wie steht der Finanzplatz Frankfurt im europäischen Finanzgeschehen da, und wie wird er sich künftig entwickeln? Dazu werden die Smiley-Einzelbewertungen aus dem jeweiligen Abschnitt zu einem Smiley-Tableau zusammengeführt. Resümierend wird daraus eine zeitpunktbezogene Standortbestimmung der drei großen Finanzplätze Europas vorgenommen. Anschließend wird auf die Perspektiven bzw. das Entwicklungspotenzial des deutschen Finanzzentrums am Main eingegangen, indem seine Stärken und Schwächen dargelegt sowie Marktpotenziale und politische Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. 3.1 Smiley-Tableau: Standortbestimmung der drei großen Finanzplätze Europas Standortbestimmung der drei Finanzplätze Im Smiley-Tableau finden sich die 12 Charakteristika wieder, die das Wesen eines Finanzplatzes ausmachen. Diese Charakteristika setzen sich wiederum aus vielen Einzelaspekten zusammen. Die Bewertung der 12 Kriterien ist somit bereits ein aggregiertes Ergebnis, eine weitere Addition dieser Qualitätsurteile ist nicht angemessen. Schließlich handelt es sich um ein vielschichtiges Spektrum von Kriterien, innerhalb dessen sich kein quantitatives Gewichtungsschema festlegen lässt. Smiley-Tableau Kriterium Frankfurt London Paris ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ Regionale Bedeutung Akteure am Finanzplatz Banken Versicherungen ☺ ☺ Börsen Finanzbezogene Institutionen ☺ Finanzplatzorientierte Dienstleister Finanzbezogene Wachstum sdeterm inanten Finanzbezogene Bildung & Forschung Trends in der Finanzbranche ☺ Auslandsaktivitäten ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ Förderliche Rahm enbedingungen ☺ ☺ Historische Wurzeln Standortspezifische Qualitäten Eigenvermarktung ☺ International gut aufgestellt Mittelfeld Zentrale Kriterien farbig unterlegt. Quellen: Helaba Volkswirtschaft, Hessen Agentur 67 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Defizite Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Fokus auf fünf Kriterien Definition Smiley-Tableau Bei der finalen Gegenüberstellung der drei Finanzplätze wird der Fokus auf die fünf essenziellen Wesens- bzw. Erfolgskriterien eines Finanzplatzes gelegt: Banken, Börsen, Finanzbezogene Bildung & Forschung, Trends in der Finanzbranche und Standortspezifische Qualitäten. ☺ zeigt an, dass der jeweilige Finanzplatz bei dem betrachteten Kriterium im Sinne internationaler Wettbewerbsfähigkeit gut aufgestellt ist, während auf Defizite in diesem Bereich hinweist; signalisiert, dass sich der Finanzplatz im Mittelfeld bewegt, d.h. dass die dahinterstehenden einzelnen Kenngrößen ein gemischtes Bild zeichnen. Bei der Bewertung anhand der Smileys wird keine relative Einordnung der drei Finanzplätze zueinander vorgenommen. Auswertung des Smiley-Tableaus Londons Spitzenposition sticht hervor, Frankfurt und Paris teilweise ebenbürtig Intensiver Wettbewerb zwischen Frankfurt und Paris : Zwei gleiche Bewertungen ... Das Smiley-Tableau zeigt die klare Vorrangstellung des Finanzplatzes London im europäischen Finanzwesen. Hier fällt das Urteil nahezu bei allen Kriterien positiv aus, und bei vier von den fünf wesentlichen Faktoren ist London gut aufgestellt. Lediglich beim zentralen Faktor der Standortspezifischen Qualitäten ist das britische Finanzzentrum angesichts der hohen Kosten für Büroimmobilien und Lebenshaltung sowie der langen Verkehrswege insgesamt nur von mittelmäßiger Güte. Das deutsche und das französische Finanzzentrum spielen nicht in derselben Liga wie das britische. Dennoch sind sie London zumindest teilweise ebenbürtig – z.B. hinsichtlich Börse – oder gar besser aufgestellt, wie im Falle Frankfurts bei der Gesamtheit der Standortspezifischen Qualitäten. Die Finanzzentren Deutschlands und Frankreichs konkurrieren intensiv miteinander; innerhalb Kontinentaleuropas ist Paris ein Ernst zu nehmender Wettbewerber für Frankfurt. Bei zwei der besonders wichtigen Kriterien erhalten diese beiden Finanzstandorte die gleiche Bewertung: Börse • Mit der Deutschen Börse am Main und der Euronext an der Seine verfügen gegenwärtig sowohl Frankfurt als auch Paris über eine Börse von herausragender Bedeutung in Europa. Beide Finanzplätze werden aktuell mit einem ☺ bewertet. Da die geplante Fusion zur NYSE Euronext voraussichtlich erst Ende des Jahres abgeschlossen sein wird, ist zum gegebenen Zeitpunkt bei einer Standortbestimmung der Finanzplätze eine Status quo-Betrachtung angemessen. Deutsche Börse und Euronext weisen neben ihren Strukturunterschieden folgende Besonderheiten auf: Zum einen hat die Deutsche Börse angesichts ihrer mit Abstand höchsten Marktkapitalisierung in Europa eine Spitzenposition inne und bewegt sich auf international hohem Niveau. Ihre internationale Stellung könnte noch stärker sein, wenn jegliches nationale Börsengeschehen auf Frankfurt konzentriert wäre. Zum anderen handelt es sich bei der Euronext um eine europäische Mehrländerbörse; im Derivatehandel konkurrieren Euronext inklusive der Londoner LIFFE mit der deutsch-schweizerischen Terminbörse Eurex. Trends in der Finanzbranche • An den Finanzplätzen Frankfurt und Paris ist die Entwicklung und Umsetzung von Trends in der Finanzbranche noch nicht so weit fortgeschritten wie in London. Das deutsche und französische Finanzzentrum weisen eine Position im Mittelfeld auf. Neuere Finanzmarktströmungen können oftmals auf Grund gesetzlicher Vorgaben nur begrenzt umgesetzt werden. Es haben sich verschiedene Akzente herausgebildet: In Deutschland sind die Märkte für den Kreditrisikotransfer bereits ausgeprägter als in Frankreich. Demgegenüber kann Frankreich eine dynamischere Investmentbranche sowie bereits Erfahrungen mit REITs vorweisen. Ähnlich rege agieren in beiden Ländern internationale Finanzinvestoren, wobei der deutsche Markt besonders im Fokus von Private-Equity- und Hedge-Fonds-Gesellschaften steht. 68 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich ... und drei differierende Neben diesen zwei zentralen Charakteristika, in denen Frankfurt und Paris vergleichbar aufgestellt sind, fällt das Urteil in den anderen drei Kernbereichen unterschiedlich aus: Banken • Die am Finanzplatz Paris ansässigen Banken sind im internationalen Wettbewerb gut aufgestellt, wie Kennzahlen ihrer Ertragslage und Profitabilität belegen. Zu ihrer relativ guten Positionierung trug die vorteilhaftere Ausgangssituation bei. Demgegenüber besteht beim Gros der am Main beheimateten Banken Verbesserungsbedarf bzgl. ihrer Rentabilität. Frankfurts Banken als Bestandteil der deutschen Kreditbranche sind jedoch mit spezifischen strukturellen und konjunkturellen Belastungsfaktoren konfrontiert. Eine den anderen beiden Finanzplätzen vergleichbare Konzentration der Kreditinstitute ist in Deutschland unwahrscheinlich. Nach einer konjunkturellen Schwächephase unterstützt nun die Wirtschaftsbelebung den Erholungskurs der Banken. Dies schlägt sich in einer moderaten Verbesserung der Erträge nieder. Aus der Sicht von Auslandsbanken haben Frankfurt und Paris eine geringere Bedeutung als London. Dennoch suchen sie ihre internationale Position auch durch Präsenz an Main und Seine zu manifestieren. Am deutschen und französischen Finanzzentrum sind gleich viele Auslandsbanken vertreten. Unter den Auslandsbanken hat der Finanzplatz Frankfurt allerdings den Ruf als Drehscheibe kontinentaleuropäischer Finanzaktivitäten. Finanzbezogene Bildung & Forschung • Frankfurt besitzt als finanzbezogener Bildungs- und Forschungsstandort noch nicht das internationale Renommee von London und Paris. Doch in den letzten Jahren hat die intellektuelle „Finanz-Community“ an Profil gewonnen. Die Main-Metropole bietet ein zunehmend vielfältigeres Bildungsangebot im Finanzwesen und übt eine wachsende Anziehungskraft auf international angesehene Wissenschaftler aus. Mit der Gründung des „House of Finance“ schlägt Frankfurt die richtige Richtung ein, um seinen Finanzplatz an den Wurzeln zu stärken und die Innovationskraft zu steigern. Durch die Förderung des Produktionsfaktors Humankapital erhält das deutsche Finanzzentrum nicht nur direkte, sondern auch indirekte Impulse, indem die Chancen für Finanzinnovationen verbessert werden. Eine zweite wichtige Wachstumsdeterminante eines Finanzplatzes – Trends in der Finanzbranche – wird hierdurch ebenfalls gestärkt. So verfolgt Frankfurt eine erfolgversprechende Strategie, um sich dauerhaft im europäischen Finanzgeschehen zu behaupten. Standortspezifische Qualitäten • Paris zum Betrachtungszeitpunkt ernsthafter Konkurrent, aber Frankfurt mit vielversprechenden Perspektiven 69 Hinsichtlich der Standortspezifischen Qualitäten ist Frankfurt im Vorteil gegenüber den anderen beiden Finanzplätzen. Es verfügt über eine gute Infrastruktur in Kombination mit kurzen Wegstrecken, die Kosten für Büroimmobilien und Lebenshaltung sind hier anhaltend vergleichsweise niedrig, und in Bezug auf Lebensqualität nimmt Frankfurt eine gute Stellung ein. Die Unternehmensbesteuerung ist am deutschen Finanzzentrum jedoch zu hoch. Demgegenüber weist Paris bei dem Kriterienkatalog der allgemeinen Qualitäten eines Standorts insgesamt nur eine mittlere Güte auf. Und dies sind mit relativ teuren Büroimmobilien und recht hohen Lebenshaltungskosten Faktoren, die sich in der französischen Metropole nur schwer verbessern lassen. Während die Steuerbelastung für Unternehmen dort relativ niedrig ist, fällt die Besteuerung Hochqualifizierter höher aus als in Frankfurt. Der abschließende Vergleich der Finanzplätze Frankfurt und Paris anhand der fünf wesentlichen Kriterien zeigt, dass in dieser Zeitpunktbetrachtung Paris ein ernstzunehmender Konkurrent zu Frankfurt ist. Entscheidend sind jedoch die vielversprechenden Perspektiven des deutschen Finanzzentrums in den derzeit mittelmäßig beurteilten Bereichen. Frankfurt hat gute Chancen, sich hier besser zu positionieren und den Wettbewerb um die Stellung als bedeutendster Finanzstandort Kontinentaleuropas zu gewinnen. Denn Frankfurt bieten sich mehr Veränderungsmöglichkeiten, Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich und es befindet sich schon auf dem richtigen Weg. Demgegenüber kann Paris kaum etwas gegen seine Nachteile unternehmen. Ein Aufschließen des deutschen zum britischen Finanzzentrum liegt angesichts dessen unangefochtener Spitzenposition derzeit noch in weiter Ferne. Frankfurt sollte sich jedoch an London orientieren und anstreben, sich in immer mehr Bereichen ebenbürtig zu erweisen. 3.2 3.2.1 Stärken und Schwächen des Finanzplatzes Frankfurt Finanzplatz Frankfurt – Blick in die Zukunft Stärken/Schwächen-Analyse Die weitere Entwicklung des Finanzplatzes Frankfurt hängt entscheidend davon ab, inwieweit er seine Stärken zu wahren und festigen weiß, Chancen erfolgreich ergreift, Schwächen ernsthaft angeht und bestehende Risiken minimiert. Mit der folgenden Tabelle wird ein Überblick über die Stärken und Schwächen des Finanzplatzes Frankfurt gegeben. Die einzelnen Kategorien orientieren sich wie auch schon die Smiley-Tabelle an der Gliederungsstruktur der Finanzplatz-Charakteristika. Stärken/Schwächen-Analyse für den Finanzplatz Frankfurt Stärken Schw ächen Wichtiger Bankenstandort in Europa Relativ kleine w irtschaftliche Kernregion Intensive internationale Verflechtungen der Banken Konkurrenz dezentraler Finanzplätze im Inland hemmt internationale Wettbew erbsfähigkeit Stabilität und Widerstandskraft des Finanzsystems Rentabilitätsprobleme der Banken Anfang des Jahrtausends Bedeutende, international hoch kompetitive Börse BaFin nicht ausschließlich in Frankfurt Globale Spitzenposition der Eurex im Derivatehandel Finanzbezogener Wissensstandort mit geringem internationalen Renommee EZB als w ichtiges „Asset“ Zögerliche Finanzgesetzgebung Frankfurt unter den "Top 10 World Cities" Relativ hohe Unternehmenssteuerbelastung Tradition als Messe- und Bankenstadt Keine systematische FinanzplatzEigenvermarktung Sehr gute Verkehrsinfrastruktur in Verbindung mit kurzen Wegen Relativ günstige Büroimmobilien und hohe Kaufkraft Quelle: Helaba Volkswirtschaft 3.2.2 Chancen des Finanzplatzes Frankfurt 70 Chancen: Marktpotenziale und politische Handlungsempfehlungen In der nachfolgenden Tabelle „Chancen für den Finanzplatz Frankfurt“ wird zum einen auf Marktpotenziale hingewiesen, d.h. Bereiche, in denen die Finanzplatz-Akteure selbst aktiver werden und ihre Stellung ausbauen können. Zum anderen wird politischer Handlungsbedarf aufgezeigt, damit der Finanzplatz Frankfurt vermehrte Bedeutung in der internationalen Finanzwelt erlangen kann. Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Chancen für den Finanzplatz Frankfurt Marktpotenziale Politische Handlungsem pfehlungen Ertragsperspektiven durch Konjunkturerholung Fokussierung auf deutsches Finanzzentrum (ggf. arbeitsteiliges Vorgehen) Wachstumschancen für Banken durch Internationalisierungsstrategien BaFin-Zentrale in Frankfurt zur Intensivierung des Dialogs mit Akteuren Hohe Dynamik bei Firmenübernahmen (M&A) und -beteiligungen (Private-Equity) Verstärkte Förderung der Finanzbezogenen Bildung & Forschung Dynamische und innovative Börsensegmente Zeitnahe und marktgerechte Finanzgesetzgebung Hoher Altersvorsorgebedarf stärkt Investmentbranche Neuordnung des Steuersystems Expansion der Märkte für Kreditrisikotransfer Koordiniertes selbstbew usstes FinanzplatzMarketing Quelle: Helaba Volkswirtschaft Marktpotenziale Ertragsperspektiven durch • Für die gestärkt aus der Schwächephase hervorgehenden Banken am Main ist es wichtig, die konjunkturell positiveren Rahmenbedingungen zu nutzen, um weiter an ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu arbeiten und sich besser im internationalen Finanzgefüge aufzustellen. • Dazu gehört auch der verstärkte Blick ins Ausland, wo sich hiesigen Finanzinstituten noch erhebliche Potenziale bieten – z.B. in Osteuropa oder Asien machen deutsche Banken nur teilweise von ihren Möglichkeiten Gebrauch und könnten auf Basis ihrer umfangreichen Kreditbeziehungen ins Ausland auch aktiver im dortigen Geschäft vor Ort werden. • Daneben bestehen in Anbetracht des sich vollziehenden Wandels in der deutschen Unternehmenslandschaft reger Bedarf an Beratung und Begleitung von Firmenübernahmen sowie Möglichkeiten der Beteiligung. Und dieses Feld sollten hiesige Investmentbanken und PrivateEquity-Gesellschaften nicht länger schwerpunktmäßig angelsächsischen Häusern überlassen. Zwar hat die ausländische Konkurrenz über die Jahre mehr Expertise und Renommee erworben, doch inländische Akteure können mit einer stärkeren Verankerung am Standort Deutschland bzw. einem intensiveren Verständnis der Mentalität aufwarten. • Des weiteren gilt es für das europäische Schwergewicht Deutsche Börse, fortwährend an seiner Stellung zu feilen und offen für neue Produkte und Strömungen zu sein. • Ferner stehen der Investmentbranche insbesondere durch den wachsenden privaten Altersvorsorgebedarf hierzulande umfangreiche Expansionsmöglichkeiten offen, zumal das deutsche Investmentvermögen pro Kopf noch relativ niedrig ist. • Auch in den hiesigen, recht jungen Märkten für Kreditrisikotransfer steckt gerade in Anbetracht der hohen Kreditvergabe an den deutschen Privatsektor noch einiges an Potenzial, das es zu heben gilt. Konjunkturerholung Wachstumschancen für Banken durch Internationalisierungsstrategien Hohe Dynamik bei Firmenübernahmen und -beteiligungen Dynamische und innovative Börsensegmente Hoher Altersvorsorgebedarf stärkt Investmentbranche Expansion der Märkte für Kreditrisikotransfer 71 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Politische Handlungsempfehlungen Fokussierung auf • deutsches Finanzzentrum (ggf. arbeitsteiliges Vorgehen) Für die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland insgesamt ist es wichtig, anstelle der innerdeutschen Konkurrenz eine arbeitsteilige Konzentration auf Schwerpunktthemen anzustreben. Das Bewusstsein der Akteure sollte gestärkt werden, dass der Erfolg des Finanzplatzes Deutschland und mittelbar auch ihr eigenes Ansehen eng mit einer Schwerpunktbildung am Finanzplatz Frankfurt verbunden sind. Dies würde die kritische Masse der Finanzplatz-Akteure am Main erhöhen – nicht nur die der Banken als die klassischen, weitreichend verankerten Finanzinstitute, sondern auch neuerer „Player“ mit zunehmendem Gewicht für das Finanzwesen, wie Investmentfonds oder Private-Equity-Gesellschaften. Daneben ist das Fortschreiten auf dem bereits eingeschlagenen Weg der Fokussierung deutscher Börsenaktivitäten auf Frankfurt sinnvoll. Der Ausspruch des ehemaligen Bundesbankpräsidenten Pöhl (1989) bezüglich der deutschen Börsenlandschaft lässt sich auch auf den Finanzplatz insgesamt übertragen:„ Was nicht in Frankfurt umgesetzt wird, wandert nach London oder Paris... Frankfurt ist der einzige Platz, der überhaupt eine Chance hat, als internationaler Platz in Frage zu kommen.“ Und der Finanzstandort Frankfurt hat gute Chancen, sie müssen nur ergriffen werden. BaFin-Zentrale in Frankfurt • Für den Dialog der Akteure am Finanzplatz Frankfurt wäre es von Vorteil, wenn die nationale Finanzaufsicht BaFin von ihrem doppelten Sitz abrücken und im Ganzen an den Main ziehen würde. Damit wären sodann alle wichtigen nationalen Institutionen des Finanzwesens hier vertreten – sowie mit der EZB eine entscheidende internationale. Dies würde die Zusammenarbeit zwischen den Finanzinstituten und ihrem nationalen Aufsichtsorgan erleichtern und befördern. Denn trotz fortschreitender Informations- und Kommunikationstechnologie sind die Nähe zur „Community“ des Finanzwesens bzw. die Pflege persönlicher Kontakte vor Ort wichtig. Zudem ergäben sich Effizienzgewinne, wenn sich zu den bereits in Frankfurt befindlichen Aufsichtsgremien in Bundesbank und EZB sowie europäischer Versicherungsaufsicht die BaFin mit Hauptsitz gesellen würde. • Die Qualität der finanzbezogenen intellektuellen Infrastruktur und die Innovationsdynamik sind eng miteinander verbunden. Damit sich der Finanzplatz Frankfurt nachhaltig weiterentwickeln und bei neu aufkommenden Strömungen eine aktive Rolle spielen kann, bedarf es des Ausbaus der Humankapitalbasis speziell im Finanzbereich. Mit seinen wachsenden Bildungsund Forschungsaktivitäten im Finanzwesen verfolgt Frankfurt den richtigen Kurs, mit dem „House of Finance“ wird es 2008 einen entscheidenden Schritt nach vorne machen. Gleichwohl gilt es, an der Entwicklung eines international anerkannten Finanz-Kompetenzzentrums weiter zu feilen und die Möglichkeiten zur Ausbildung von Spitzenkräften sowie zur Entstehung innovativer Ideen fortwährend zu fördern. • Je offener die gesetzlichen Rahmenbedingungen hierzulande hinsichtlich Trends in der Finanzbranche werden, umso mehr hat der Finanzplatz Frankfurt Gelegenheit, seine Innovationsdynamik zu steigern und im europäischen Finanzmarkt zu punkten. So ist der Gesetzgeber gefordert, die Rahmenbedingungen für Finanzprodukte zeitnah und markgerecht auszugestalten, damit sie sich am deutschen Finanzzentrum durchsetzen und verbreiten können. Dabei ist zum einen an die Anpassung bestehender Finanzmarktregulierungen zu denken, wie z.B. in der Investmentbranche, in der das hierzulande vorhandene Know-How durch eine Flexibilisierung der Fondszulassung und -aufsicht besser genutzt werden könnte. Ähnliches gilt für den expansiven Bereich Private-Equity und Hedge-Fonds, in dem deutsche Gesellschaften angesichts international noch nicht hinreichend konkurrenzfähiger Rahmenbedingungen nur schwer Fuß fassen. Dabei sind sie gerade in dem Markt vor Ort, der in den Augen der Branche als lukrativ gilt. Zum anderen sollten im Finanzsektor neu aufkommende Trends, wie die sich mittlerweile auch in Europa verbreitenden REITs, durch eine Gesetzgebung flankiert werden, zur Intensivierung des Dialogs mit Akteuren Verstärkte Förderung der Finanzbezogenen Bildung & Forschung Zeitnahe und marktgerechte Finanzgesetzgebung 72 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich die rechtzeitig erfolgt und marktfähige Produkte ermöglicht. Denn nur so kann das deutsche Finanzzentrum im Wettbewerb um Marktanteile bei neuen Produkten erfolgreich agieren. Neuordnung des Steuersystems • Bei der Standortwahl spielt die Besteuerung für Finanzinstitute und finanzplatzorientierte Dienstleister gleichermaßen wie für ihre Beschäftigten eine entscheidende Rolle. Um sich im internationalen Standortwettbewerb besser behaupten zu können, ist für den Finanzplatz Frankfurt als deutsches Finanzzentrum insbesondere eine Senkung der Unternehmensbesteuerung von Nöten. Daneben ist die Schaffung steuerlicher Anreize für „High Potentials“ sinnvoll. Koordiniertes, selbstbewusstes • In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Initiativen, die sich das Thema Finanzplatz auf ihre Fahnen geschrieben haben. Aber es mangelt an einer gemeinsamen Kommunikationsplattform und einem geschlossenen Marketingauftritt für das deutsche Finanzzentrum am Main. Mit einem konsequent und selbstbewusst verfolgten Marketing würde einer breiten Öffentlichkeit im In- und Ausland bewusst gemacht, dass Frankfurt insgesamt über gute Ausgangsvoraussetzungen Frankfurts für eine erfolgreiche Positionierung in der internationalen Finanzwelt verfügt. Neben der Bündelung der Aktivitäten ist z.B. an die Entwicklung der Marke „Finanzplatz Frankfurt“ (= Finanzplatz Deutschland) zu denken und an eine dauerhafte Werbung um Finanzinstitute und -spezialisten aus dem In- und Ausland. Mit der gebührenden Aufmerksamkeit in der internationalen „Finanz-Community“ steigen die Chancen, dass der Finanzplatz Frankfurt die kontinentaleuropäische Führungsrolle erringt und auf Dauer absichert. ■ Finanzplatz-Marketing 73 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Hauptsitze Repräsentanzen Frankfurt am Main MAIN TOWER Neue Mainzer Straße 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon 0 69/91 32-01 Telefax 0 69/29 15 17 Madrid General Castanos, 4 Bajo Dscha. E-28004 Madrid Telefon +34 91/39 11-0 04 Telefax +34 91/39 11-1 32 Erfurt Bonifaciusstraße 16 99084 Erfurt Telefon 03 61/2 17-71 00 Telefax 03 61/2 17-71 01 Mumbai (Indien) 418, Maker Chambers V. Nariman Point IN-Mumbai-400021 Niederlassungen Dublin PO Box 3137 5 George’s Dock IFSC IRL-Dublin 1 Telefon +35 31/6 46 09 02 Telefax +35 31/6 46 09 99 Kassel Ständeplatz 17 34117 Kassel Telefon 05 61/7 06-60 Telefax 05 61/7 06-8 65 72 London 3rd Floor 95, Queen Victoria Street GB-London EC4V 4HN Telefon +4 42 07/3 34-45 00 Telefax +4 42 07/6 06-74 30 New York 420, Fifth Avenue USA-New York, N.Y. 10018 Telefon +12 12/7 03-52 00 Telefax +12 12/7 03-52 56 74 Paris 40, rue La Pérouse F-75116 Paris Telefon +3 31/40 67-77 22 Telefax +3 31/40 67-9153 Auswahl der Beteiligungsund Tochtergesellschaften Banque LBLux S.A. 3, rue Jean Monnet L-2180 Luxemburg Telefon +3 52 42/4 34-1 Telefax +3 52 42/4 34-50 99 BWT Beteiligungsgesellschaft für den Wirtschaftsaufbau Thüringens mbH MAIN TOWER Neue Mainzer Straße 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon 0 69/91 32-43 33 Telefax 0 69/91 32-28 50 DIV Deutsche Immobilienfonds GmbH Schaumainkai 87 60596 Frankfurt am Main Telefon 0 69/6 33 05-0 Telefax 0 69/6 33 05-112 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba Frankfurter Sparkasse AG Neue Mainzer Straße 47-53 60311 Frankfurt am Main Telefon 0 69/26 41-0 Telefax 0 69/26 41-29 00 GGM Gesellschaft für GebäudeManagement mbH Rossertstraße 2 60323 Frankfurt am Main Telefon 0 69/77 01 97-0 Telefax 0 69/77 01 97-77 GWH Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH Hessen Westerbachstraße 33 60489 Frankfurt am Main Telefon 0 69/9 75 51-0 Telefax 0 69/9 75 51-150 HANNOVER LEASING GmbH & Co.KG Wolfratshauser Straße 49 82049 Pullach Telefon 0 89/2 11 04-0 Telefax 0 89/2 11 04-2 10 HBB Capital Advisers GmbH Maximilianstraße 40 80539 München Telefon 0 89/89 06 46-0 Telefax 0 89/89 06 46-20 Schumannstraße 4-6 60325 Frankfurt am Main Telefon 0 69/7 13 76 76-0 Telefax 0 69/7 13 76 76-20 HBM Helaba BeteiligungsManagement GmbH Schumannstraße 4-6 60325 Frankfurt am Main Telefon 0 69/97 20 87-0 Telefax 0 69/97 20 87-20 Finanzplatz Frankfurt – Ein Standort bewegt sich Helaba Dublin Landesbank HessenThüringen International PO Box 3137 5 George’s Dock IFSC IRL-Dublin 1 Telefon +35 31/6 46 09 00 Telefax +35 31/6 46 09 99 Helaba Trust Beratungs- und ManagementGesellschaft mbH JUNGHOF Junghofstraße 24 60311 Frankfurt am Main Telefon 0 69/2 99 70-0 Telefax 0 69/2 99 70-1 94 Innovationsfonds Hessen Helaba Immobilien GmbH (HIG) Innovationsfonds Hessen Beteiligungsgesellschaft Neue Mainzer Straße 52-58 mbH & Co.KG 60311 Frankfurt am Main MAIN TOWER Telefon 0 69/91 32-44 69 Neue Mainzer Straße 52-58 Telefax 0 69/91 32-8 44 69 60311 Frankfurt am Main Helaba International Telefon 0 69/97 20 87-0 Finance plc Telefax 0 69/97 20 87-20 PO Box 3137 InvestitionsBank Hessen AG 5 George’s Dock (IBH) IFSC Schumannstraße 4-6 IRL-Dublin 1 60325 Frankfurt am Main Telefon +35 31/6 46 09 01 Telefon 0 69/13 38 50-0 Telefax +35 31/6 46 09 99 Telefax 0 69/13 38 50-50 Helaba Invest Kapitalanlagegesellschaft mbH LB Immo Invest GmbH Mönckebergstraße 11 JUNGHOF 20095 Hamburg Junghofstraße 24 Telefon 0 40/33 33-44 18 60311 Frankfurt am Main Telefax 0 40/33 33-44 17 Telefon 0 69/2 99 70-0 Telefax 0 69/2 99 70-6 30 LB ImmobilienbewertungsHelaba Northern Trust GmbH gesellschaft mbH MAIN TOWER MAIN TOWER Neue Mainzer Straße 52-58 Neue Mainzer Straße 52-58 60311 Frankfurt am Main 60311 Frankfurt am Main Telefon 0 69/9 20 34-57 00 Telefon 0 69/2 99 70-0 Telefax 0 69/9 20 34-50 58 Telefax 0 69/2 99 70-6 30 75 Helaba Volkswirtschaft · Juni 2006 · © Helaba LB Transaktionsbank GmbH Frankfurt (Main) – München (TxB) Strahlenbergerstraße 15 63067 Offenbach am Main Telefon 0 69/5 88 00-0 Einsteinring 9 85609 Aschheim-Dornach Telefon 0 89/5 88 00-0 LB(Swiss) Investment AG Fraumünsterstraße 25 CH-8001 Zürich Telefon +411/2 25-37 90 Telefax +411/2 25-37 91 LB(Swiss) Privatbank AG Börsenstraße 16 CH-8022 Zürich Telefon +4 11/2 65 44-44 Telefax +411/2 65 44-11 OFB Projektentwicklung GmbH Myliusstraße 33-37 60323 Frankfurt am Main Telefon 0 69/9 17 32-01 Telefax 0 69/9 17 32-7 07 S-Beteiligungsgesellschaft Hessen-Thüringen mbH MAIN TOWER Neue Mainzer Straße 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon 0 69/97 20 87-0 Telefax 0 69/97 20 87-20 Helaba Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Straße 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon 0 69/91 32-01 Telefax 0 69/29 15 17 Bonifaciusstraße 16 99048 Erfurt Telefon 03 61/2 17-71 00 Telefax 03 61/2 17-71 01 www.helaba.de