Billy Yates
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Billy Yates
6 s www.country tyle.ch Titelstory - Billy Yates 57 2015 Botschafter, Billy Yates, der auch in diesem Jahr wieder mindestens zweimal hierzulande auftreten wird, ist ein aktiver Botschafter der traditionellen CountryMusik, aber nicht unbedingt ein grosser Diplomat. E iner, der sich fast mit Gewalt aus dem engen Kommerzkorsett Nashvilles zwängte und dann sein eigenes Musiklabel M.O.D. – was für My Own Damn (mein eigenes verdammtes) Record Label steht – gründet, der tritt eine diplomatische Grundregel mit Füssen: Zeige nie offen, was man wirklich denkt! Ländliche Herkunft Wer ihn näher kennt, tut sich etwas schwer mit dem Gedanken, dass Billy Yates die Türe durchaus auch mal etwas lauter ins Schloss knallen lassen könnte. Er ist ein feiner Kerl und durch und durch bodenständig. Das mag mit seiner Herkunft zu tun haben. 1963 in Doniphan, Missouri geboren, wuchs er in einfachen, aber wohlgeordneten Verhältnissen auf. Die Familie lebte von dem, was ihre kleine Farm hergab, und sein Vater sorgte im Hauptberuf als Barber – Coiffeur – für die Familie. Sonntags wurde regelmässig vor dem Kirchgang noch im Lokalradio gesungen, was nicht ohne Einfluss auf die Musikalität des kleinen Billy blieb. Dass zu Hause natürlich auch viel Country-Musik gehört wurde, versteht sich von selbst. Jim Reeves, Ernest Tubb, Buck Owens oder Merle Haggard gaben den Ton an und vor. Die Saat war ausgebracht. Erste Schritte im Musikgeschäft Als etwas scheuer Teenager fiel es ihm nicht leicht, sich beim Inhaber der Lake Wappapello Opry im gleichnamigen Ort als Sänger zu bewerben. Ein Spontanauftritt mit Ricky Skaggs brachte die erhoffte Chance und einen Platz im wöchentlichen Programm jener Provinz-Opry für die nächsten drei Jahre, in denen er auch regelmässig in Nashville nach Gelegenheiten Ausschau zu halten begann. Nach Wappapello landete er einen Vertrag bei einem Theater in West Plains, Missouri. Nach einem kurzen Abstecher ans College entschied er sich jedoch für eine Ausbildung an der Barber School und trat damit in die Fussstapfen seines Vaters. Mit der „Barber License“ in der Tasche ging er dann erst einmal zurück nach Hause, arbeitete tagsüber in seinem Beruf, jobbte abends bei einer lokalen Radiostation und trat an den Wochenenden überall auf, wo man ihn hören wollte. Hello Nashville! 1987 war es dann so weit. Mit der ganzen Erfahrung aus Wappapello und West Plains sowie unzähligen Gigs in umliegenden Honkytonks im Rucksack machte er sich auf nach Nashville. Bei Hori Pro Entertainment erhielt er in der Folge einen Vertrag als Songwriter. Das Glück winkte erstmals, als George Jones 1992 für sein Album „Walls Can Fall“ zwei Kompositionen von ihm beziehungsweise solche, an denen er mitgearbeitet s www.country tyle.ch 57 2015 7 Titelstory - Billy Yates aber kein Diplomat hatte, auswählte: das mittlerweile fast schon legendäre I Don’t Need Your Rocking Chair und das Titellied. Damit war die Beziehung zu einem der Allergrössten des Genres hergestellt. Skandal im Sperrbezirk der Music City USA Der Videoclip zu I Don’t Need Your Rocking Chair wurde von der CMA 1993 zum „Vocal Event of the Year“ gewählt und mit einem CMA-Award ausgezeichnet. Im Schlussrefrain des Liedes sangen – in chronologischer Reihenfolge: Alan Jackson, T. Graham Brown, Pam Tillis, Patty Loveless, Mark Chesnutt, Travis Tritt, Vince Gill, Joe Diffie, Clint Black und Garth Brooks mit. Billy Yates’ zweiter grosser Streich für George Jones wurde Choices, jener eindrückliche Offenbarungseid eines Trinkers, der sich im Leben durch nichts von seiner Sucht abbringen liess. Der alternde Star schaffe es 1999 damit noch einmal in die Top 40 der Country-Charts (Platz 30). Billy Yates hatte es ursprünglich für sein erstes Album „Billy Yates“ von 1997 geschrieben und aufgenommen. Zwei Jahre später stand Jones‘ Cover des Liedes im Zentrum eines mittleren Tsunamis im Nashville-Biotop. Im Herbst 1999 weigerte sich die CMA, Jones seinen Hit Choices während der TV-Übertragung von „Country Music‘s Biggest Night“ in voller Länge singen zu lassen. Eingeschnappt ob dieser „Majestätsbeleidigung“, verzichtete dieser sodann ganz darauf an der Preisverleihung teilzunehmen und blieb an jenem Abend mit Ehefrau Nancy zu Hause (vermutlich vor dem Fernseher). Obwohl Billy Yates mit der ganzen Sache direkt nichts zu tun hatte, war es natürlich ein absoluter Glücksfall für ihn, denn im Showgeschäft bedeutet ein richtig schöner, kleiner Skandal eine unbezahlbare Stei- gerung des Bekanntheitsgrades für alle irgendwie Beteiligten. Und Nashville ist Showbusiness pur. So richtig in Fahrt kamen die Dinge allerdings erst, als in der Music City Tage vor der TV-Ausstrahlung leise Gerüchte die Runde machten, dass Alan Jackson nicht ganz glücklich darüber war, wie die CMA-Verantwortlichen mit George Jones umgesprungen waren. Traditioneller Protest live im Fernsehen 1999 längst ein Superstar, wagte A. J. (Alan Jackson) etwas bisher Unerhörtes: Er begann seinen Auftritt in der Show ganz nach Drehbuch mit seinem damaligen Hit-Cover von Pop A Top – einem Hit von Jim Ed Brown aus dem Jahre 1967 – und schwenkte dann zum Ende des Liedes auf Jones‘ Choices um, mit welchem er unter grossem Applaus der aus ihren Sesseln aufgestandenen Kolleginnen und Kollegen seinen Auftritt beendete und dann trotzig von der Bühne schritt. Die CMA war vor Millionen Fernsehzuschauern und Country-Fans blamiert. Seither ist Choices nicht nur ein ganz wunderbares Stück NashvilleSongwriting, sondern auch ein „Protestlied“. Dieses Kunststück muss man Billy Yates erst einmal nachmachen. Sogar ein Grammy winkte Für Choices gab es für Yates und die Co-Autoren Mike Curtis und Rob Lyons noch eine GrammyNominierung. George Jones gewann damit die Kategorie „Best Male Country Vocal Performance“ im Jahr 2000. Der ganz grosse Durchbruch blieb aus Als Billy Yates 1997 beim Label Almo Sounds sein erstes Album herausbrachte, war Country weltweit so populär wie nie zuvor. Garth Brooks hatte das Genre mit einer besonderen Mischung aus traditioneller Country-Musik, Arena-Rockshow und poppigen Elementen aus der Südstaatennische mitten auf die Musikweltkarte gesetzt, und Shania Twain schickte sich an, mit Country-Wurzeln zum Weltstar und zur Pop-Queen aufzusteigen. Dass Yates‘ Label Almo Sound kurz nach Fertigstellung seines Erstlings dichtmachte, half dem stark im traditionellen Sound verhafteten Songwriter und neuerdings Recording Artist auch nicht weiter. In jener Zeit mussten die grossen Plattenfirmen einen neuen, breiteren Publikumsgeschmack bedienen. Ein bodenständiges, traditionelles Talent aus Doniphan, Missouri liess sich aus deren kommerzieller Sicht einfach nicht erfolgversprechend genug vermarkten. Es kam, wie es immer kommt, wenn die Vorstellungen von Künstler und Label nicht unter einen Cowboyhut zu bringen sind: Trennung. 2001 bat er Columbia Records nach einer ziemlich frustrierenden Periode um die Auflösung des Vertrags und gründete, wohl mit etwas Wut im Bauch, sein eigenes Label M.O.D. Positionierung ist alles Yates Problem war fortan nicht die Musik. Er hatte längst bewiesen, dass er ein guter Songwriter mit einer Stimme ist, die sein Material perfekt rüberbringt. Bloss wussten das einfach nicht genug Leute. Kurzum: Mehr Publikum musste her. Er musste raus aus der Obskurität jenes Country-Sängercharakters, dessen künstlerisches Schicksal Garth Brooks in seinem Song That Ol‘ Wind in einer Zeile so treffend beschreibt: „… the marquee misspelt his name, not too many came … – auf der Anzeigetafel des Auftrittslokals war sein Name falsch geschrieben, und nur wenige kamen …“ In Europa fand er just das Publikum, das seine Musik genau so liebt, wie er sie von Hause aus spielt. Längst tourt er regelmässig auf dem alten Kontinent, wo er zu den beliebtesten Live-Acts des Genres zählt, und selbst Japan und China sind ihm nicht zu weit. Als Botschafter des traditionellen Stils kennt er keine Grenzen, und es wäre keine grosse Überraschung, wenn künftig einmal chinesische Country-Fans beim Aufzählen ihrer Lieblingsstars Billy Yates ganz oben auf der Liste hätten. Bis dahin kann man ihn mit seinem brandneuen Album „These Old Walls“ und der europäischen Singleerstauskopplung Zeros demnächst erst einmal hier auf der Bühne erleben. Text: Thomas Kobler Aktuelle CD: Billy Yates: zwei Mal in der Schweiz Freitag, 6. Februar 2015: Little Nashville Saloon, Baselstrasse 176, 4253 Liesberg/BL 079 790 19 94, www.littlenashville.ch (noch wenige Plätze frei) Samstag, 4. Juli 2015: 30. Bluegrass Festival Grunderinseli Thun, Grunderinseli, Zeltweg, 3604 Thun/BE, www.avcc.ch