emotionen an der arbeit
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emotionen an der arbeit
EMOTIONEN AN DER ARBEIT Franziska Tschan Université de Neuchâtel Institut de Psychologie du Travail et des Organisations NCCR Affective Sciences (c) Tschan 2012 UEBERSICHT • • • • (c) Tschan 2012 Einleitung Was machen Emotionen mit uns ? Was macht zufrieden an der Arbeit ? Emotionsarbeit - ein spezieller Aspekt der Arbeit mit Klienten EINLEITUNG (c) Tschan 2012 WIE ARBEIT UNSERE EMOTIONEN BEEINFLUSST: STIMMUNG AM ABEND (c) Tschan 2012 WIE ARBEIT UNSERE EMOTIONEN BEEINFLUSST: STIMMUNG AM ABEND 102 personnes; PANAS_neg_reversed_le soir; Tschan & Messerli, 2006 (c) Tschan 2012 WIE ARBEIT UNSERE EMOTIONEN BEEINFLUSST: STIMMUNG AM ABEND Wir befinden uns hier 102 personnes; PANAS_neg_reversed_le soir; Tschan & Messerli, 2006 (c) Tschan 2012 EMOTIONEN AN DER ARBEIT • • 102 Personen haben während einer Woche alle ihre Interaktionen notiert (10+ Minuten) 669 Interaktionen an der Arbeit .. • Aerger in • 25% dieser Interaktionen – jede 4 ! Mehr Aerger an der Arbeit – schlechtere Laune am Abend! Tschan, F., Messerli, L., Kings, F. & Arametti, M. (2006) Prevalence of emotins experienced in everyday interactions. Proceedings of the first Annual Report, NCCR Affective Sciences. (c) Tschan 2012 Arbeit kann Ihre gute Laune gefährden (c) Tschan 2012 ALSO NICHT ARBEITEN? ALTERNATIVE RENTE • Rentnern gehts tatsächlich besser .... • • • • wenn sie pensioniert werden wollten wenn es ihnen finanziell einigermassen gut geht so lange sie gesundheitlich fit sind wenn sie Projekte und Pläne haben Gall, T.L., Evans, D.R. & Howard, J. (1997) The retirement adjustment process:changes in the well-being of male retirees across time. Journals of Gerontology Series B (c) Tschan 2012 ALSO NICHT ARBEITEN ? ALTERNATIVE ARBEITSLOSIGKEIT Selbstvertrauen Depressivität Wohlbefinden LebensZufriedenheit Aengstlichkeit Paul, K. & Moser, K. (2000). Unemployment and mental health: Meta-analyses. Journal of Vocational Behavior, 74, 264-282. N 16‘000 à 34‘000, arrows represent effect sizes in cm (c) Tschan 2012 ALSO NICHT ARBEITEN? ALTERNATIVE HAUSFRAU Wie gut es den Frauen geht .. • Frau ohne bezahlte Erwerbstägitkeit ohne Kinder • Frau mit bezahlter Erwerbstätigkeit ohne Kinder • Frau mit bezahlter Erwerbstätigkeit mit Kindern • Frau mit bezahlter Erwerbstätigkeit mit Kindern und Mann, der im Haushalt hilft • Voraussetzungen für alle: die Frau will arbeiten, die Arbeitsbedingungen sind gut Barnett, R. C., & Hyde, J. S. (2001). Women, men, work, and family: An expansionist theory. American Psychologist, 56, 781-796 Mirowski, J. & Ross, C.E. 1989). Social causes of psychological stress. New York: Aldine de Gruyter. . (c) Tschan 2012 EMOTIONEN AN DER ARBEIT SIND VORWIEGEND POSITIV • • 102 haben während einer Woche alle ihre Interaktionen notiert (10+ Minuten) 669 Interaktionen an der Arbeit .. Interesse: 67% dieser Interaktionen • Generell: Wir haben mehr positive als negative Emotionen an der Arbeit Tschan, F., Messerli, L., Kings, F. & Arametti, M. (2006) Prevalence of emotins experienced in everyday interactions. Proceedings of the first Annual Report, NCCR Affective Sciences. (c) Tschan 2012 Arbeit ist gut für Ihr emotionales Wohlbefinden (c) Tschan 2012 WARUM ARBEIT POSITIVE EMOTIONEN MIT SICH BRINGT .. • Kompetenz • Ich kann Kompetenzen erwerben und zeigen • • Zeitstruktur • Arbeit strukturiert Tag, Woche, Jahr, Lebenszeit • • Emotionen: weniger Langeweile und Aengstlichkeit, mehr Sicherheit; manchmal Zeitdruck Kooperation und Kontakt • Arbeit bringt Sozialkontakte • • Emotionen: Zufriedenheit; Stolz; Interesse, Freude, Begeisterung Emotionen: Wertschätzung, Unterstützung; aber auch Aerger, Enttäuschung Soziale Anerkennung & Identität • Arbeit ist mit sozialer Anerkennung verbunden und gibt berufliche Identität • Emotionen: Anerkennung; Stolz; Gefühl, etwas Wert zu sein Semmer, N. & Udris, I. (2004). Bedeutung und Wirkung von Arbeit. In H. Schuler (Hrsg.), Lehrbuch Organisationspsychologie (S. 157-195). Bern: Huber. (c) Tschan 2012 WAS « MACHEN » EMOTIONEN EIGENTLICH MIT UNS UND WAS MACHEN WIR MIT EMOTIONEN ? (c) Tschan 2012 EMOTIONSMODELL Erlebtes Gefühl „Ereignis“ Stimulus Handlungstendenz Einschätzung Physiologische Reaktion Ausdruck Scherer, K. R. (2005). What are emotions? And how can they be measured? Social Science Information, 44, 693-727. (c) Tschan 2012 EMOTIONSMODELL Aerger Scham Erlebtes Gefühl „Ereignis“ Stimulus Handlungstendenz Einschätzung Physiologische Reaktion Ausdruck zittern erröten Scherer, K. R. (2005). What are emotions? And how can they be measured? Social Science Information, 44, 693-727. (c) Tschan 2012 WAS MACHEN NEGATIVE EMOTIONEN MIT UNS? • Erleben • • Physiologie • • • Kurzfristig: Physiologische Stress-Reaktionen Langfristig: Schränken unser Wohlbefinden ein, machen krank Handlungstendenzen • • • • • Unangenehm, wirken relativ lange, meist intensiv Stark, unmittelbar Flüchten oder Angreifen Fokussieren und Einengen von Aufmerksamkeit und Handlungen Können energetisieren Ausdruck: • • • (c) Tschan 2012 Starke „Signale“ für andere Oft negative Reaktionen von anderen Negative Emotionen werden häufig nicht gezeigt WAS MACHEN POSITIVE EMOTIONEN MIT UNS? • Erleben • • Physiologie • • • Schwächer Erweiteren Aufmerksamkeit, erweitern Perspektive Mehr kreatives Denken, mehr Flexibilität Ausdruck: • • Kurzfristig: Entspannung Langfristig: Positive Effekte auf Gesundheit Handlungstendenzen • • • • Angenehm, wirken flüchtiger, oft weniger intensiv Lädt zu positiven Interaktionen und Kooperation ein Wirkung: • Positive Emotionen können den negativen Effekt von negativen Emotionen vermindern Fredrickson, B. L. & Cohn, M.A. (2008). Positive Emotions. In M. Lewis, J. M. Haviland-Jones, & L. F. Barrett (Eds). Handbook of Emotions (pp. 777-796), 3rd Ed. NY: Guilford Pres (c) Tschan 2012 POSITIVE EMOTIONEN AN DER ARBEIT: ARBEITSZUFRIEDENHEIT (c) Tschan 2012 ZUFRIEDENHEIT MIT DER ARBEIT • Machen Sie eine Einschätzung: • Ganz generell gesehen: Wie zufrieden Sind Sie mit Ihrer Arbeit ? Ausserordentlich unzufrieden Sehr unzufrieden Ziemlich unzufrieden Teils-teils Ziemlich zufrieden Sehr zufrieden Ausserordentlich zufrieden 81% les 102 personnes de l‘étude istrap (c) Tschan 2012 WIE WICHTIG IST ES, ZUFRIEDENE MITARBEITER ZU HABEN ? Absenzen Stellenwechsel erwägen Leistung Spector, P.E. (1997). Job satisfaction. Application, Assessment, and Consequences. London: Sage Psychosomatik: Datensatz Emotion 2005 azt1 bft2 Tschan & Messerli (c) Tschan 2012 Burnout Körperliche beschwerden ARBEITSZUFRIEDENHEIT UND FREIWILLIGE KÜNDIGUNG INNERHALB EINES JAHRES (%) 47.8 25.9 13.7 6.5 sehr zufrieden nicht so zufrieden sehr unzufrieden Baillod, J. & Semmer, N. (1994). Fluktuation und Be-rufsverläufe bei Computer-fachleuten. Zeitschrift für Arbeits- und Organisations-psychologie, 38, 152-163. (c) Tschan 2012 r = .37 WAS MACHT AN DER ARBEIT (UN) ZUFRIEDEN ? WICHTIG (r=.3-.4) Flexibilität Arbeitszeit Arbeitsplatz (Gestaltung) Lohn SEHR WICHTIG (r=.5-.7) : Arbeitsinhalt, Tätigkeit Zusammenarbeit im Team und mit Vorgesetztem Daten aus zwei Schweizer psychiatrischen Kliniken ca 2005 (c) Tschan 2012 ARBEITSINHALT • Untersuchung von Gallup (Westeuropa/Nordamerika, Australien) JOB-FIT ARBEITS-STUNDEN (Wie gut die Arbeit zu mir passt) (Wie viele Stunden ich arbeiten muss) Harter, J. / Raksa, A. (2010). The impact of time spent working and job fit on well-being around the world. In E. Diener, J.F. Helliwell & D. Kahneman (Eds.) International Differences in Well-Being. Oxford: Oxford University Press (c) Tschan 2012 ARBEITSINHALT • Untersuchung von Gallup (Westeuropa/Nordamerika, Australien) JOB-FIT (Wie gut die Arbeit zu mir passt) ARBEITS-STUNDEN (Wie viele Stunden ich arbeiten muss) Harter, J. / Raksa, A. (2010). The impact of time spent working and job fit on well-being around the world. In E. Diener, J.F. Helliwell & D. Kahneman (Eds.) International Differences in Well-Being. Oxford: Oxford University Press (c) Tschan 2012 ARBEITSINHALT • Untersuchung von Gallup (Westeuropa/Nordamerika, Australien) JOB-FIT (Wie gut die Arbeit zu mir passt) • • (Wie viele Stunden ich arbeiten muss) Blöd nur: Höherer Job-Fit und mehr Arbeitsstunden korrelieren ... Allerdings: • • • • ARBEITS-STUNDEN Wer guten job-fit hat, dem machen viele Stunden weniger aus Wer schlechten job-fit hat, für den sind viele Stunden besonders schlimm Optimal : Guter job-fit und zwischen 35-44 Stunden pro Woche Schrecklich: Schlechter Job-fit und über 50 Stunden pro Woche Harter, J. / Raksa, A. (2010). The impact of time spent working and job fit on well-being around the world. In E. Diener, J.F. Helliwell & D. Kahneman (Eds.) International Differences in Well-Being. Oxford: Oxford University Press (c) Tschan 2012 ZUSAMMENARBEIT • Nicht gut: • • • • Siehe Referat Norbert Semmer Gut: • • • • (c) Tschan 2012 Konflikte Soziale Spannungen Ungerechtigkeiten Produktive Zusammenarbeit Gegenseitige Unterstützung im Alltag Soziale Unterstützung bei Stress und Schwierigkeiten Wertschätzung im Team und vom Chef WENN DER UMGANG MIT NEGATIVEN EMOTIONEN TEIL DER ARBEIT IST: EMOTIONSARBEIT (c) Tschan 2012 EMOTIONSARBEIT • Konzept von Arlie Hochschild, Soziologin (1979, 1983) • Emotionsarbeit: • • • (c) Tschan 2012 In einigen Berufen gehören Emotionen zur Arbeit In einigen Berufen sind Emotionen die Arbeit Das betrifft Gesundheitswesen, aber auch sehr viele andere Berufe .... EMOTIONEN ALS TEIL DER ARBEITSLEISTUNG • IKEA: • « Hinter dieser Türe erwartet Sie die wichtigste Person von IKEA: Der Klient » • H&M: • • «Gruss, Blick, Lächeln, Danke und auf Wiedersehen » Viele Organisationen und Berufe bestimmen « Display Rules » • • (c) Tschan 2012 Bestimmter Emotionsausdruck wird erwartet und ist Teil der Arbeitsleistung Unabhängig davon, ob man die Emotion fühlt oder nicht „SEI FREUNDLICH UND VERBERGE NEGATIVE EMOTIONEN" • In wenigen Berufen muss man auch negative Emotionen zeigen • • Polizisten, Lehrer, Medizinalpersonen, Schuldeneintreiber etc. Aber die meisten Display Rules sind positiv: • Studie von Lewig & Dollard (2003) • • • Studie von Diefendorff et al. 2006 • • (c) Tschan 2012 73%: mindestens einmal pro Tag Erwartung positive Emotion zeigen nur 2% mindestens einmal pro Tag Erwartung negative Emotion zeigen 89%: Zeigen von positiven Emotionen erwartet 72%: Verbergen von negativen Emotionen erwartet WARUM IST EMOTIONSARBEIT EIN THEMA DER ARBEITSPSYCHOLOGIE? • • Berufe mit viel „Emotionsarbeit“ sind befriedigender Aber • • • • • (c) Tschan 2012 Was, wenn der Klient unhöflich ist? Was, wenn die Wunde des Patienten stinkt? Was, wenn der Student einfach nicht kapieren will? Und was, wenn ich sowieso eine schlechte Laune habe? Die Emotion zeigen, die von einem erwartet wird, ist manchmal schwieirg und anstrengend – Emotionsarbeit kann belastend sein ZWEI STRATEGIEN DER EMOTIONSREGULATION • Wenn die gefühlte Emotion nicht der erwarteten entspricht: Die gefühlte Emotion unterdrücken Die erwartete Emotion zeigen Aufwand • Aufwand Surface Acting: ich zeige eine andere Emotion als ich fühle • Schnell, oberflächlich, manchmal inauthentisch • Grosser „Regulationsaufwand“ • Die gefühlte Emotion bleibt und wirkt ! • Leute, die das häufiger machen, sind erschöpfter (c) Tschan 2012 ZWEI STRATEGIEN DER EMOTIONSREGULATION • Wenn die gefühlte Emotion nicht der erwarteten entspricht: Situation neu beurteilen Aufwand • Die erwartete Emotion fühlen Die erwartete Emotion zeigen Deep Acting: ich beeinflusse meine Gefühle in die erwartete Richtung und zeige sie dann • Langsam, aufwändig • Authentisch • Leute, die das mehr machen, sind machmal erschöpfter, aber oft zufriedener mit ihrer Leistung (c) Tschan 2012 WARUM NICHT IMMER DEEP ACTING? • Die Arbeit: • • • Besonders viel Surface Acting: Gastwirtschaft, Verkauf Eher mehr Deep Acting: "human service" wie Pflege, Unterricht etc. (Grandey et al., 2004) Individuelle Dispositionen: • Negative Affektivität (als Persönlichkeitsmerkmal): Mehr Surface Acting (Brotheridge & Grandey, 2002; Brotheridge & Lee, 2002; Dieffendorff et al., 2005) • Individuelle Einstellungen: • (c) Tschan 2012 Höheres Gefühl der Verpflichtung genüber den Erwartungen: Mehr Deep Acting (Gosserand and Diefendorff 2005) WARUM NICHT IMMER DEEP ACTING? • Die Erwartungen (display rules) • Wenn es mehr und stärkere Erwartungen gibt, machen die Leute mehr Surface Acting (Erickson & Wharton, 1997; Kruml & Geddes, 2000). • Die Arbeit: • • • Besonders viel Surface Acting: Gastwirtschaft, Verkauf Eher mehr Deep Acting: "human service" wie Pflege, Unterricht etc. (Grandey et al., 2004) Individuelle Dispositionen: • Negative Affektivität (als Persönlichkeitsmerkmal): Mehr Surface Acting (Brotheridge & Grandey, 2002; Brotheridge & Lee, 2002; Dieffendorff et al., 2005) • Individuelle Einstellungen: • (c) Tschan 2012 Höheres Gefühl der Verpflichtung genüber den Erwartungen: Mehr Deep Acting (Gosserand and Diefendorff 2005) “KUNDENVERHALTEN” BEEINFLUSST EMOTIONSREGULATION • Studie mit FlugbegleiterInnen • • • Was wir finden: • • • (c) Tschan 2012 Vorher und nach zwei Langstreckenflügen einen Fragebogen ausfüllen Fragen zur Person, zum Flug, zu Emotionsarbeit und zum Verhalten der Passagiere Flugbegleiterinnen, die emotional mehr mit der Fluggesellschaft verbunden sind, machen mehr Deep Acting! Flugbegleiterin machen mehr Surface Acting, wenn sie unhöfliche Passagiere haben Wenn Passagiere anspruchsvoll, aber freundlich sind: Mehr Deep Acting. “KUNDENVERHALTEN” BEEINFLUSST EMOTIONSREGULATION • Studie mit FlugbegleiterInnen: • Auch hier: • • • legitime Ansprüche der Klienten – optimale Reaktion Illegitime Ansprüche der Klienten – suboptimale Reaktion FlugbegleiterInnen, die Ihre Emotionen regulieren müssen • Sind erschöpfter nach dem Flug • Schlimmer, wenn sie Surface Acting machen mussten • Wenn ihnen allerdings Deep Acting gelingt, sind sie zufriedener mit ihrer Leistung (c) Tschan 2012 DER KUNDE HAT NICHT IMMER RECHT (c) Tschan 2012 FAZIT • • Man lässt Emotionen nicht zu Hause – in keinem Beruf Negative Emotionen an der Arbeit sind relativ häufig ... • • • Positive Emotionen sind häufiger, aber haben einen weniger grossen Effekt auf das Wohlbefinden Es ist nicht nur das soziale Umfeld: • • (c) Tschan 2012 Arbeitsbedingungen (Person-Job-Fit) können wesentlich zu Emotionen beitragen Es ist auch das soziale Umfeld: • • In jeder vierten Interaktion am Arbeitsplatz: Aerger! Konflikte vermindert, soziale Unterstützung fördert Wohlbefinden Emotionsarbeit ist anstrengend – sogar für Leute in „sozialen“ Berufen ! VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT [email protected] (c) Tschan 2012