NZZ am Sonntag-Bericht

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NZZ am Sonntag-Bericht
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Genuss
NZZ am Sonntag 7. August 2005
Ronja Sakata-Müller, diplomierte Lebensmittelingenieurin ETH, spricht Japanisch und hat in Japan nicht nur die Gewürze lieben gelernt. (Ursula Meisser)
DANIEL SUTTER
Supplément
ZH-Wasser
Die Zürcher sind ein bisschen zu
bedauern, weil die Stadt keine
gastronomischen Spitzen-Anstalten vorweisen kann. Allerdings leiden die Zürcher kaum
daran, denn sie haben es gern
traditionell. Oder aber trendy,
was immer das heisst – nur hat
das mit Höchstleistungen am
Herd nichts zu tun. Nun bringt
der Gastronom Cello Rohr ein
Lichtlein in die Finsternis: Er hat
das Wasser der Mineralquelle
Eglisau (ZH), Schüttung 12,5 Liter pro Minute, in Flaschen abfüllen lassen. Früher gab's aus dem
Wasser Orangina und Vivi-Cola.
Jetzt heisst es «Zürcher Mineral», erhältlich in «angesagten»
Zürcher Etablissements. (AdM.)
EineSaucemitGefühl
Die Zürcher Ingenieurin
Ronja Sakata stellt drei
exzellente Fertigsaucen
her. Ihr Geheimnis: Sie
tut es aus Liebe – und
nur mit besten Zutaten
Hinter jedem guten Rezept steckt irgendwo
eine kluge Frau. Bei Philippe Chevrier etwa,
dem Jüngsten der sieben Schweizer Grossmeister am Herd, ist es Maman. Ihr gehört denn
auch das erste (Vor-)Wort in seinem soeben
erschienenen Kochbuch. Denn Mutter Denise
Chevrier hat in ihrem Sohn das Feuer für die
feine Küche entzündet. Und dafür würden ihr
alle, die schon einmal bei ihrem Sohn Philippe
gegessen haben, gerne den Nobelpreis zuerkennen, wenn es den für Kulinarik denn gäbe. Was
lediglich einer kleinen Substitution bedürfte,
also ein Leichtes wäre, wenn nämlich jener für
Ökonomie endlich wieder abgeschafft würde.
Denn bei der Kochkunst handelt es sich doch –
im Gegensatz zu den Wirtschaftswissenschaften – um eine präzise Disziplin, die erst noch
zur Glückseligkeit beiträgt.
Wir sind an dieser Stelle kaum je auf Convenience-Food-Produkte eingegangen, und wenn,
dann sehr kritisch. Denn Bequem-Kost
schmeckt meist wie eine schlechte Ausrede.
Nun hat aber Herr Shinji Tanaka aus Japan vor
dreissig Jahren in der Schweiz zu kochen begonnen. Er beherrscht sein Handwerk, was in
seinen Restaurants, wie etwa dem «Kabuki» in
Bern, überprüft werden kann. Zu seinem Erfolg
gehört auch, dass die Leute eigens seiner japanischen Salatsauce wegen nach Bern reisen, um
sich mit Vorräten einzudecken. Denn wer von
der Kabuki-Sauce gekostet hat, will sie immer
haben. Aber eine Restaurantküche kann ja nicht
allein Salatsaucen herstellen.
Shinji Tanaka überlegte. Und dachte nach.
Und noch ehe sich eine blendende Idee einstellen wollte, kam die Liebe ihm zu Hilfe. Das nun
ist der Geschichte zweiter Teil, wo unvermeidlicherweise die Frau ins Spiel kommt: Ronja
Müller hatte ihr Studium als Lebensmittelingenieurin an der ETH Zürich unterbrochen, um
2001 mit ihren 25 Jahren nach Japan aufzubrechen zum obligatorischen Praktikum. Keine
einfache Sache, sich dort einen solchen Platz zu
ergattern. Dank den Japan-Beziehungen ihres
Vaters, eines Physikers der ETH, durfte sie
schliesslich in der Firma Kanebo Foods in Takatsuki (zwischen Osaka und Kyoto gelegen) im
Forschungsbereich für Bonbons vier Monate
lang arbeiten. Als einzige Ausländerin, sehr
gross gewachsen, blond und auch für japanische Augen aussergewöhnlich hübsch, fühlte
sie sich gleichsam als Fabelwesen.
Es kam der Tag des Kirschblütenfestes, Hanami genannt. Die Belegschaft der Firma feierte
das Fest mit einem Barbecue-Abend. Unvermeidlich, dass da Ken Sakata aus der Kau-
Es kam der Tag des
Kirschblütenfestes,
Hanami genannt.
Und Ken aus der
Kaugummiabteilung
entdeckte Ronja.
gummiabteilung die Schweizerin Ronja aus der
Bonbonabteilung sehen musste. Und Ronja entdeckte Ken. Nun, die darauffolgenden Ereignisse sind aus jenem Stoff, der unentbehrlich ist
für einen interkulturellen Liebesroman. An dieser Stelle aber müssen wir uns nach westlicher
Manier und ergebnisorientiert mit der Tatsache
begnügen, dass sich Ronja und Ken am Ende
heiraten. Ken arbeitet jetzt als Sushi-Koch bei
Globus am Bellevue in Zürich.
Shinji Tanaka wiederum hatte natürlich
sofort aus der bestens informierten Schweizer
Japan-Gemeinde von der neuen Verbindung
erfahren. Und er hat schliesslich mit Ronja, die
jetzt Ronja Sakata-Müller heisst, einen Vertrag
abgeschlossen. Einen Salatsaucen-Kontrakt sozusagen. Sie produziert nun seit April zusammen mit einem Mitarbeiter in einem Lebensmittelbetrieb an der Hohlstrasse in Zürich die
berühmte Kabuki-Salatsauce. Dank ihrer Ausbildung war sie in der Lage, die Sauce unter
Bedingungen herzustellen, die auch eine Placierung in Kaufhäusern zulassen. Das tönt einfach,
ist aber angesichts der zahlreichen und notwendigen Vorschriften und der Marketing-Überlegungen ein grosser Schritt. Ronja Sakata hat alle
Schwierigkeiten gemeistert.
Drei Saucen stehen jetzt zur Auswahl: Kabuki
Sesam, Kabuki schwarzer Sesam und Kabuki
Wasabi. Der Basis aus Sonnenblumenöl, Sesamöl, Sojasauce, Fischfond, süssem Reiswein und
Reisessig wird die entsprechende Geschmacksnote beigegeben. Die Saucen eignen sich nicht
nur für den Salat, sondern parfümieren auch
frisch gekochte Wok-Gerichte aller Art.
Kabuki-Salatsauce ist ein Convenience-Produkt der gelungenen Art, dessen Herstellung
für den Privathaushalt überaus aufwendig wäre.
Einmal vorausgesetzt, man ist bereits im Besitz
der richtigen und kostbaren Zutaten, dauert die
Zubereitung einer Sauce einen vollen Tag.
Ungefähr so lange, wie Ronja Sakata braucht,
um all die schönen Details ihrer Geschichte zu
erzählen. Jost Auf der Maur
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Kabuki-Salatsaucen sind erhältlich bei Loeb und im Nippon Shop
(Bern), in Zürich bei Globus am Bellevue, Jelmoli und Marinello.
Preise für 250 ml zwischen Fr. 4.60 und Fr. 6.60. www.kabuki.ch
Ronja Sakata
hat die
KabukiSaucen für
eine grössere
Kundschaft
produktionsreif gemacht.
Auslese
Mit AOC
Was die Patente für die Industrie,
ist die AOC für die Hersteller
landwirtschaftlicher Produkte.
Die Appellation d'Origine contrôlée für Weine ist geläufig. Für
Käse etwa ist die AOC aber nicht
allen Käsefreundinnen ein Begriff. Dabei ist dieser Schutz der
Einmaligkeit, der Qualität und
des Namens angesichts der Massenproduktion sehr wichtig geworden. Jetzt liegt zu diesem
Thema ein ganz feines neues
Buch vor, das erstmals die
Schweizer AOC-Käse umfassend
präsentiert. Die sorgfältigen Texte über die verschiedenen Käse,
die Käsereien und vor allem auch
über die Menschen rund um den
Käse, sie sind begleitet von ganz
starken Bildern in Schwarzweiss.
Ohne Zweifel eines der besten
Schweizer Bücher zur Kulinarik
überhaupt. (AdM.)
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Didier Schmutz (Text), Hugues de Wurstemberger, Christian Lutz (Fotos): AOC – Zurück
zu den Ursprüngen. Editions Infolio, Gollion
2005. 271 Seiten, Fr. 67.–. www.infolio.ch.
Wein-Keller
Süffig
An warmen Tagen sind schwere
Rotweine mit hohem Alkoholgehalt nicht das empfehlenswerte Getränk. Der Piedirosso 2004
der Fattoria La Rivolta aus der
süditalienischen Region Kampanien kommt mit 12,5% aus. Der
Tropfen ist gut vinifiziert, fruchtbetont, süffig und trotzdem kein
Leichtgewicht. Piedirosso ist eine
wenig bekannte Sorte mit Ursprung in der Campagna. Dem
Wein von La Rivolta wurden 15%
des berühmteren Aglianico beigegeben, um dem Gewächs mehr
Rückhalt und Komplexität zu
verleihen. Winzer Paolo Cotroneo
ist der biologischen Landwirtschaft verpflichtet. (kep.)
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Piedirosso 2004, Fattoria La Rivolta,
Fr.16.50; bei Silvino, Uster, Telefon
0442420402. www.silvino.ch