bei der Mitgliederanwerbung nicht immer auf die Nachschusspflicht

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bei der Mitgliederanwerbung nicht immer auf die Nachschusspflicht
Offener Brief
Einschreiben
Herbert Simon, Haidweiherstraße 34, 92272 Freudenberg
Bayerisches Staatsministerium
für Umwelt und Verbraucherschutz
Abt. 3 Verbraucherschutz und Gewerbeaufsicht
Postfach 810140
D 81901 München
19.10.15
Verdacht von Verbrauchertäuschung bei Genossenschaftsbanken
in Bayern
Hier geht es nicht um das Verhältnis der V+R Banken zu ihren Kunden und
Mitgliedern, sondern um die Praxis mancher Genossenschaftsbanken bei der
Mitgliederwerbung.
Die Verbrauchertäuschung findet nach meiner Beobachtung bei der Werbung
von Mitgliedern statt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der Presse habe ich Mitte August dieses Jahres gelesen, dass Bayern und
NRW sich dafür einsetzen wollen, die „Abzocke auf Kaffeefahrten zumindest
einzudämmen“.
Schon lange sind mir die Parallelen aufgefallen, die es zwischen „Kaffeefahrten“
und der Mitgliederwerbung bei vielen Genossenschaftsbanken gibt.
Hier wie dort werden erwachsene, mündige Bürger von smarten Schmeichlern
elegant über den Tisch gezogen.
Das möchte ich Ihnen hier aufzeigen, und ich hoffe, dass Sie nicht nur bei den
Kaffeefahrten-Veranstaltern, sondern auch bei der raffinierten Werbung mit
leeren Versprechungen gewisser Genossenschaftsbanken, tätig werden.
Kurzdarstellung von „Genossenschaftsbank“, wie ich sie sehe:
Genossenschaftsbanken sind eigenständige Genossenschaften mit einer
Banklizenz.
Genossenschaften werden durch ihren besonderen Zweck definiert und das
Genossenschaftsgesetz (GenG) regelt deren Grundlagen.
Zweck einer Genossenschaft ist die Förderung der Mitglieder. (§1 GenG)
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Eine Genossenschaft, die das Bankgeschäft betreiben will, begibt sich in einen
Zwiespalt. Sie muss ihre Mitglieder fördern und muss sich als Bank behaupten.
Als Bank muss sie Gewinne abwerfen. Sie ist der Bankenaufsicht (BaFin)
unterworfen.
Als Genossenschaft soll sie nicht gewinnorientiert arbeiten, sondern den
Mitgliedern Vorteile bieten.
Beides gleichzeitig und gleichwertig zu managen ist kompliziert. Für die
Führungsebene ist es mühsam und unattraktiv: Viel Hingabe für die soziale Idee
der Genossenschaft, dabei wenig Gewinn für die Bankseite und somit wenig
Einkommen für die Vorstände. Das motiviert nicht wirklich.
Die übliche Lösung funktioniert so: Die Bank als Universalbank betreiben aber
als Genossenschaft darstellen. Das funktioniert schon lange gut und ziemlich
reibungslos. Die Bank macht Gewinne und die Genossenschaft wird nach
meiner Einschätzung wie in einem Schauspiel lediglich als Kulisse betrieben.
Fördern findet nur in der Werbung statt, nicht in der Realität.
Die Regeln der BaFin scheinen das Handeln der Führungsebene alternativlos zu
machen. Mangels wirklicher Vorteile durch die Mitgliedschaft (das wird jedoch
erst nach Beitritt erlebbar) und der Aussichtslosigkeit sich gegen eine
Übermacht durchzusetzen ist ein wirkliches Engagement der Mitglieder für die
eigene Genossenschaft nicht vorhanden. Widerstand regt sich daher nicht.
Prüfen Sie bitte, ob meine Sicht richtig ist.
In Verbindung mit „Verbraucherschutz“ ist jedoch nur dieser Punkt von
Bedeutung:
Genossenschaftsbanken werben Mitglieder mit dem Versprechen sie zu
fördern. Dieses Versprechen lösen viele nicht ein.
Neu geworbene Mitglieder werden das aber erst realisieren, wenn Sie
Mitglieder geworden sind. Dann sind sie jedoch schon Miteigentümer und rein
theoretisch für ihre eigene Förderung oder Nicht-Förderung selbst
verantwortlich.
Dieser Anwerbeprozess ist meiner Meinung nach mindestens so „windig“ wie
das Tricksen bei Kaffeefahrten.
Meine Schilderungen betreffen hier in erster Linie die Genossenschaftsbanken
in meinem Umfeld, die Raiffeisenbank im Naabtal eG und die Volksbank
Amberg eG.
Ihnen ist gemeinsam, dass sie dem Genossenschaftsverband Bayern e.V. (GVB
e.V.) angeschlossen sind. Die Werbeauftritte anderer Genossenschaftsbanken
(RB Sulzbach-Rosenberg eG, Volksbank Nordoberpfalz eG) sind, soweit ich das
bisher beurteilen konnte, gleich. Ich sehe mich außerstande, alle
Genossenschaftsbanken zu untersuchen. Ich habe aber Anlass zu der
Überzeugung, dass alle V+R Banken im Verband des GVB e.V. gleich handeln.
Genossenschaftsbanken in anderen Genossenschaftsverbänden nehme ich
ausdrücklich aus, z.B. die Sparda-Bank Ostbayern, bei denen ich nun Kunde und
Mitglied bin. Hier geht man, soweit ich das beurteilen kann, mit seinen
Mitgliedern aufrichtig um.
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Meine Kritikpunkte:
1. Mitglieder werden mit leeren Versprechungen in die Mitgliedschaft
gelockt.
Auf den Seiten der RB im Naabtal eG, Volksbank Amberg eG und RB Sulzbach
Rosenberg eG (und wahrscheinlich auf den meisten Seiten der dem GVB e.V.
angeschlossenen V+R-Banken) wird schwärmerisch von der vorbildlichen Idee
der Genossenschaften berichtet. Sehen Sie sich z.B. hier
(https://www.rb-im-naabtal.de/mitgliedschaft.html) einmal um. Die sozialen Ideen
der Rechtsform „Genossenschaft“ werden Ihnen dort einleuchtend
nahegebracht. Und dann: „Profitieren Sie vom genossenschaftlichen
Geschäftsmodell, werden Sie Mitglied, dann können wir sie konsequent fördern
weil wir Sie dann ganz genau kennen.“
So ist es dort zu lesen:
Der Leser ist nun überzeugt, die Bank wird alles tun um ihn zu fördern, dazu
muss er nur Mitglied werden.
Emotionslos gelesen sagt der Satz aber nur: Wenn wir dich genau kennen,
können wir dich gut fördern.
Der Satz sagt aber nicht, dass Förderung auch stattfindet!
Die findet nämlich nicht statt, die Bank hat nicht gelogen und alles ist gut.
Was der Leser aus dem Satz herausliest ist ja seine Sache.
Sauber reingelegt!
Bei Kaffeefahrten ist es nicht anders.
Festzustellen ist: Es gibt keine Förderung. Mitglieder und normale Kunden
werden gleich behandelt. Aktuell und in den letzten Jahren.
Die Förderung muss gemäß Genossenschaftsgesetz durch die eigene
Genossenschaft im gemeinsamen Geschäftsbetrieb erfolgen.
Aber das hier wird den arglosen Kandidaten als „Förderung“ angepriesen:
Klug und listig nennen sie das natürlich
auch nur „Vorteile“, sie sind sich ja im
Klaren darüber, dass es keine Förderung
ist.
Das sind nur Bonusgaben angeschlossener
Unternehmen.
Hier findet meiner Meinung nach gezielte
Täuschung am Verbraucher statt!
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2. Die Dividende wird „schöngerechnet“
Bei den meisten Banken wird auch mit einer Dividende für die Mitgliedschaft
geworben.
Diese Dividende gilt nicht als Förderung, das weiß der Kandidat aber nicht,
muss man ihm ja auch nicht erzählen. Die Dividende sieht nach einer guten
Verzinsung des eingelegten Geschäftsanteile aus. Von der Nachschusspflicht (da
kommen wir später noch dazu) wird im Zusammenhang mit der Dividende nicht
gesprochen. Würde man die nämlich einbeziehen, sähe die Dividende ganz
schlecht aus!
Beispiel:
Geschäftsanteil 160,00€, Dividende 3%, ergibt 4,80€.
Die Haftsumme der Nachschusspflicht (quasi eine Ausfallbürgschaft) pro
Geschäftsanteil beträgt z.B. 500,00€ und wird von der Genossenschaft nicht
„belohnt“. Die allermeisten Mitglieder wissen auch garnichts von der
Nachschusspflicht, den Grund dafür zeige ich später auf. Ein angemessenes,
übliches Entgelt dafür wäre eine Vergütung in Höhe 1,5% – 3%. Die Dividende
beträgt also nach Abzug der „geschenkten“ Vergütung noch 0,00€ - 2,40€.
Das geworbene Mitglied wurde also eindeutig „über den Tisch gezogen“. Es hat
keinerlei Vorteile durch die Mitgliedschaft, haftet bei Zusammenbruch der Bank
mit seinem Geschäftsanteil und muss nochmal mehr als das 3fache des
Geschäftsanteil nachschiessen wenn „seine“ Bank in Schwierigkeiten gerät.
Damit der Beitrittskandidat die Fallstricke nicht erkennt, muss, wie auch bei
Kaffeefahrten, der Blick des Opfers vernebelt werden, z.B. mit raffinierten
Aufnahmeformularen.
3. Die Aufnahmeformulare sind raffiniert.
Ich bitte dringend um rechtliche Überprüfung der Zulässigkeit der
Aufnahmeformulare des DG Verlags (Anlage 1a-c).
Das Aufnahmeverfahren verläuft daher nach folgendem Schema ab:
Der freundliche Berater (Verkäufer) der V+R-Bank legt dem potentiellen
Neumitglied, nennen wir ihn Herrn Opfer, einen Satz Aufnahmeformulare vor.
(Anlage 1a-c) Die erste Seite, mit konkreter Benennung der Nachschusspflicht,
unterschreibt er, in der Regel ohne Doppel für ihn. („Das brauchen Sie nicht, Sie
bekommen ja in den nächsten Tagen Ihr Exemplar mit der Unterschrift des
Vorstands zurück.“)
Nach einigen Tagen bekommt Herr Opfer dann die für das Mitglied bestimmte
Seite der Beitrittserklärung ausgehändigt . (Anlage 1b oder c) Von
„Nachschusspflicht“ oder „Haftsumme“ ist darin nichts mehr direkt zu lesen.
Erst wenn Herr Opfer das Genossenschaftsgesetz und die Satzung liest, kann er
sich dessen gewahr werden.
Der „vertrauenswürdige“ Bankmitarbeiter hat ihm, wenn er die erste Seite
durchliest und tatsächlich die Haftsumme nachfragt, erklärt, dass er das mit der
Haftsumme, der Nachschusspflicht, getrost vergessen könne. Das werde nie
eintreten, der Gesetzgeber fordere das so, das müsse dort stehen (was ja nicht
mal gelogen ist). Es gebe ja die speziellen Sicherungseinrichtungen etc. etc..
(So jedenfalls hat mir das der Bankvorstand 1999 erklärt, ich war
vertrauensselig, ich habe unterschrieben. Derselbe Vorstand hat dann 2013,
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als ich ihn dann wieder auf die Nachschusspflicht angesprochen habe,
geantwortet: „Sie als erwachsener Mensch müssen doch wissen, dass
Werbung das Eine ist und die Realität das Andere. Es muss Ihnen doch klar
sein, dass Sie, wenn Sie einer Organisation beitreten, auch Verpflichtungen
übernehmen müssen.“
Ich konnte ihm nicht widersprechen! Meine Schuld, ich war ein
vertrauenseliger Depp.
Nach einigem Wort- und Schriftwechsel hat man mich dann aus der
Genossenschaft ausgeschlossen. Wer durchblickt ist nicht gern gesehen, der
muss raus!)
Nun ist Herr Opfer Mitglied und Mitunternehmer. Er haftet mit seinem
Geschäftsanteil und mit der Haftsumme, die ihm als reine Formalität erklärt
wurde und die er ruhig vergessen könne. Er hat sie vergessen. So jedenfalls ist
es meine Erfahrung: Allen (bis auf eine einzige Ausnahme!) von mir befragten
Mitgliedern von Genossenschaftsbanken war ihre Haftungsverpflichtung nicht
bewusst!
Einige hatten wegen der vermeintlich guten Verzinsung große Mengen Anteile
erworben. Die haben ihre Anteile dann voller Panik gekündigt. Eine Insolvenz
der Bank hätte durch die hohe (bisher nicht bewusste) Nachschusspflicht auch
die Privatinsolvenz des Mitglieds bedeutet.
Fazit:
Hat die Genossenschaftsbank ein neues Mitglied geworben, ist für sie das Ziel
erreicht: Das neue Mitglied wähnt sich bei einer „guten“ Bank, haftet kostenlos
für die Solvenz seiner Bank mit seiner Einlage und der Nachschussverpflichtung,
ist vertrauensselig und vergleicht hoffentlich weniger bei Geldgeschäften und
hat so gar nichts von seiner Risikobereitschaft (von der er wahrscheinlich auch
nichts mehr weiß).
Das neue Mitglied glaubt: „Das ist meine Bank, wir sind die Guten. Hier bin ich
gut aufgehoben.“
So wie bei den Kaffeefahrten. Die sind ja alle so nett und selbstlos hier!
Das kann man unanständig finden, aber illegal ist das alles nicht.
Auch den Verbraucherschutz genießt das neue Mitglied nun nicht mehr, es ist
juristisch ja nun kein Verbraucher mehr, es ist Mitunternehmer.
Ich bin gespannt, wie Ihre Behörde diese Praxis angreifen will.
Nach meiner Einschätzung bieten die VR-Banken heute keine nachvollziehbare
Mitgliederförderung, obwohl diese im Genossenschaftsgesetz §1 zwingend
vorgeschrieben ist. Von mir befragte Vorstände konnten mir jedenfalls keine
konkrete Förderung benennen.
Genossenschaftliche Werte und Mitgliederförderung dann aber in der Werbung
massiv in den Vordergrund zu stellen ist meiner Meinung nach eine vorsätzliche
und arglistige Verbrauchertäuschung.
Ein Fall für den Verbraucherschutz.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Simon
Anlagen
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