Bohrtechnische und baubetriebliche Auswirkungen von

Transcrição

Bohrtechnische und baubetriebliche Auswirkungen von
18. Tagung für Ingenieurgeologie und Forum „Junge Ingenieurgeologen“
Berlin 2011
Bohrtechnische und baubetriebliche Auswirkungen
von Bohrlochinstabilitäten auf die Bohr- und Sprengarbeiten
beim Bau des Flusskraftwerks Rheinfelden/Baden
Technical and operational aspects of borehole instabilities
on the drill and blast works at the Rheinfelden Hydroelectric Power Plant
Ralf J. Plinninger1, Nils Warning2 & Manfred Krämer3
Zusammenfassung
Seit 2003 wird in Rheinfelden / Baden-Württemberg der Ersatz des aus dem späten 19. Jahrhundert stammenden bestehenden
Rheinkraftwerks Rheinfelden realisiert. Das neue Kraftwerk mit einer projektierten Leistung von 100 MW besteht im Wesentlichen aus
einem quer zur Fließrichtung errichteten Stauwehr und einem neuen Maschinenhaus. Zur Errichtung des Maschinenhauses sowie zur
Erhöhung des nutzbaren Gefälles wurden in der Felssohle des Rheinbetts umfangreiche Lockerungssprengungen erforderlich. Im Zuge
der Bauausführung zeigte sich, dass die Bohr- und Sprengarbeiten in vielfältiger Weise durch Bohrlochinstabilitäten beeinflusst wurden.
Um auch in Lockergestein und gestörtem Fels eine definierte Ladesäule aufbauen und den Sprengerfolg sicherstellen zu können, wurden
umfangreiche bohr- und sprengtechnische Anpassungen vorgenommen, mit denen das Projekt schließlich erfolgreich realisiert werden
konnte. Der vorliegende Beitrag fasst die Rahmenumstände des Projekts, die technischen Grundlagen der Bohr- und Sprengarbeiten und
die im Zuge der baubegleitenden Dokumentation gewonnenen Erfahrungen zur Interaktion von Geologie, Bohr- und Sprengtechnik und
Baubetrieb zusammen.
Schlüsselworte: Sprengtechnik, Bohrtechnik, Bohrlochstabilität
Abstract
Since 2003, a new Hydroelectric Power Plant in the river Rhine near the city of Rheinfelden / Germany as been under construction. The
new Rheinfelden powerplant with 100 MW of projected power consists mainly of a new concrete dam and a new powerhouse, replacing
the facilities of the old scheme, constructed in the late 19th century. The construction of the powerhouse and the increase of the available
river gradient required extensive loosening blasts in the riverbed, which is built up by triassic limestone and alluvial river deposits. In the
course of the drill and blast works it was recognized that unstable rock mass sections and borehole instabilities influenced the drilling,
loading and blasting of the rock in many ways. In order to ensure a defined loading in loose alluvial deposits and faulted rock extensive
modifications to the drilling technique and blasting have been carried out, as there are for instance insertion of plastic casings or the use of
the RBS cased drilling method. By use of these countermeasures the works could be completed successfully. This paper gives the basic
outlines of the project and the used techniques and resumes on some of the findings on the interaction of geology on the one hand and
technical and operational aspects of drilling and blasting on the other hand.
Key words: Blasting, drilling, borehole instabilities
1
Projektüberblick
1.1
Das Neue Flusskraftwerk Rheinfelden
Seit 2003 wird in Rheinfelden / Baden-Württemberg der
Ersatz des aus dem späten 19. Jahrhundert stammenden
bestehenden Rheinkraftwerks realisiert. Das Alte Wasserkraftwerk Rheinfelden ging 1898 mit 20 Turbinensätzen
und einer Leistung von 10 Megawatt in Betrieb und war
damit seinerzeit das größte europäische Wasserkraftwerk.
auf 1.500 m³/s und die Erhöhung des nutzbaren Gefälles
durch einen höheren Oberwasseraufstau und eine Unterwassereintiefung. Die Leistung des neuen Flusskraftwerks wird
100 MW betragen.
Das Projekt besteht im Wesentlichen aus einem quer zur
Fließrichtung errichteten Stauwehr mit sieben Wehrfeldern
und einem auf der gleichen Achse angeordneten neuen
Maschinenhaus (Abb. 1).
Das Neue Wasserkraftwerk Rheinfelden wird auf der
schweizer Seite des Hochrheins errichtet und soll 2011 in
Betrieb gehen. Kernpunkt der Maßnahme ist die Vergrößerung der turbinierten Wassermenge von bislang 600 m³/s
1
2
3
Dipl.-Geol. Dr.rer.nat Ralf J. Plinninger, Dr. Plinninger Geotechnik, [email protected]
Dipl.-Ing. Nils Warning, Bartsch-Warning Partnerschaft, [email protected]
Dipl.-Ing. Manfred Krämer, EPC Deutschland Sprengtechnik, [email protected]
291
18. Tagung für Ingenieurgeologie und Forum „Junge Ingenieurgeologen“
Berlin 2011
Fig. 2:
Tamrock Pantera 1100 Drill Rig in operation.
Tab. 1: Zusammenstellung wesentlicher Daten der
Bohrgeräte Tamrock Pantera und Atlas-Copco ROC L6.
Tab. 1: Compilation of relevant machinery data of
Tamrock Pantera and Atlas-Copco ROC L6 drill rigs.
Gesamtgewicht
Abmessungen (LxB)
Lafettenlänge
Maschinenleistung
Kompressorleistung
Bohrhammerlayout
Abb. 1: Neues Flusskraftwerk Rheinfelden; Modellfoto
(Milde, 2009, Abb. 2, S. 35)
Fig. 1:
New Rheinfelden Powerplant, model photo
(Milde, 2009, Fig. 2, p. 35).
Bauherr ist die Energiedienst AG, ein Tochterunternehmen
des deutschen Energiekonzerns EnBW Energie BadenWürttemberg, Hauptunternehmer der Bauarbeiten ist die
Arbeitsgemeinschaft Kraftwerk Rheinfelden bestehend aus
den Firmen Ed. Züblin AG, Schleith GmbH, Implenia Bau
AG und Rothpletz, Lienhard & Cie AG.
1.2
Bohrhammertyp
Tamrock
Pantera 1100
18.800 kg
10,5 x 2,5 m
8,0 m
224 kW
13.5 m3/min,
10 bar
Außenhammer,
hydraulisch
Tamrock HL
1010, 25 kW
Atlas-Copco
ROC L6
21.700 kg
10,7 m x 3,2 m
11,6 m
287 kW
295 l/s,
25 bar
Imlochhammer,
pneumatisch
Rockmore ROK
3.5HD
Als Sprengstoffe wurde neben patronierten gelatinösen
Sprengstoffen vorwiegend der pumpbare Emulsionssprengstoff BLENDEX 80 verwendet (Abb. 3).
Bohr- und Sprengarbeiten
Die für den Aushub im Fels erforderlichen Abbau- bzw.
Lockerungssprengungen umfassten die Wehrfelder (Vorlos), die Baugrube des neuen Maschinenhauses (MH), die
drei unmittelbar stromabwärts gelegenen Baugruben „O“,
„M“ und „U“ sowie die weiter flussabwärts gelegene „Unterwassereintiefung“ (UW).
Die Bohr- und Sprengarbeiten wurden als Nachunternehmerleistung durch die Arbeitsgemeinschaft Sprengarbeiten
Flusskraftwerk Rheinfelden (ARGE SFR), bestehend aus
den Firmen EPC Deutschland Sprengtechnik, Homburg/Saar und Lutscher Sprengtechnik GmbH, Herrenberg,
ausgeführt.
Für die Bohrarbeiten wurden durch die ARGE SFR zwei
Bohrgeräte Tamrock Pantera 1100 und Atlas-Copco ROC
L6 eingesetzt (Abb. 2, Tab. 1).
Abb. 3: Sprengung (Milde, 2009, Abb. 6, S. 37).
Fig. 3: Blasting (Milde, 2009, Fig. 6, p. 375).
1.3
Geologie
Die Flusssohle des Rheins wird im Bauareal von Abfolgen
der Platten- und Trochitenkalke (Oberer Muschelkalk) aufgebaut, einer Wechsellagerung von grauen Kalkbänken mit
beigen, dolomitischen Mergeln. Darüber sind bereichsweise
rezente Flusssedimente mit wechselnder Mächtigkeit anzutreffen.
Während die kalkigen Lagen der Muschelkalkfolge überwiegend frisch und unverwittert vorliegen, sind die mergeligen Zwischenlagen teilweise angewittert und weisen eine
entsprechend geringe Druckfestigkeit auf. Bereichsweise
wurden diese Mergel auch ausgewaschen und durch bindige
Lockergesteinsfüllungen ersetzt. Die Druckfestigkeiten des
intakten Gesteins schwanken zwischen 15 und 250 MPa mit
typischen Druckfestigkeiten von rd. 80 bis 120 MPa.
Neben typischen Kluftabstände zwischen 0,5 m und 2 m in
weitgehend intakten, wenig tektonisierten Bereichen traten
insbesondere im Bereich der Baugruben zahlreiche Störund Scherzonen auf, deren tatsächlicher Umfang im Zuge
der Vorerkundung nur schwer erfasst werden konnte und im
Vorfeld der Arbeiten als weitgehend ohne Einfluss auf die
Bohr- und Sprengarbeiten erachtet wurde.
Abb. 2:
Bohrgerät Tamrock Pantera 1100 im Einsatz.
292
18. Tagung für Ingenieurgeologie und Forum „Junge Ingenieurgeologen“
2
2.2
Bauausführung
Im Zuge der Bohr- und Sprengarbeiten im Bereich der Baugruben O, M, U wurden unvorhergesehen hohe Anteile
sedimentärer Lockergesteine und erheblich häufiger gestörte/zerlegte Felspartien in den Sprenglochbohrungen angetroffen. Die in diesen Bereichen erstellten Bohrlöcher
zeichneten sich durch bereits kurzfristige Instabilität aus, so
dass selbst im relativ kurzen Zeitraum zwischen Erreichen
der Bohrlochendteufe und Einbringen der Sprengladungen
Lockergestein und gestörter Fels aus der Bohrlochwandung
in das offene Bohrloch drängte. Das Besetzen wurde
dadurch stark erschwert, bzw. zum Teil sogar unmöglich.
Um dennoch eine definierte Ladesäule aufbauen und den
Sprengerfolg sicherstellen zu können, mussten je nach Situation Anpassungen des Standardbohrverfahrens durchgeführt werden, die in den nachstehenden Absätzen im Einzelnen erläutert werden.
2.1
Berlin 2011
Einbau von PVC-“Mundsicherung”
Die Sprengarbeiten für die Baugruben O, M und U fanden
in einer teilweise gefluteten Baugrube statt. Da die Baugrubenumschließungen (Fangedämme) planmäßig nicht wasserdicht ausgeführt waren, wurden die Bohrungen teilweise
von einer vorlaufend geschütteten Vorschüttung aus abgeteuft.
Um das Bohrloch im Bereich der zum Nachfall neigenden
Vorschüttungen zu stabilisieren und das ungehinderte Einbringen des Besatzes zu ermöglichen, wurde der Bohrlochmund in diesen Bereichen mit rd. 2 m langen Stücken aus
PVC-Wellrohr  75 bis 80 mm gesichert (Abb. 5). Dieser
Durchmesser war ausreichend, um die Schlagpatrone (65
od. 50 mm) und den Pumpschlauch (50 mm) in das Bohrloch einzuführen.
Standardbohrverfahren
Vor allem im Bereich des vorlaufenden Bauloses Wehrfelder sowie am Maschinenhaus (trockene Baugruben) stand
der Fels unmittelbar auf Niveau der Bohransätze an und
zeigte sich weitgehend kompakt und ungeklüftet.
In diesen Bereichen konnte mit hohen Tagesleistungen das
Standardverfahren angewendet werden, bei dem zunächst
ein Bohrloch mit einem Außendurchmesser von 92 bzw.
95 mm bis zur Endteufe erstellt, das Bohrgerät umgesetzt
und das offene Bohrloch danach mit gepumpter Emulsion
besetzt wurde (Abb. 4).
Abb. 5: Schematische Darstellung der sog. PVC-„Mundsicherung“ im Bereich geringmächtiger Vorschüttungen.
Fig. 5:
Scheme for the use of a PVC “mouth casing” in
areas with bulk material cover at the surface.
Der Einsatz dieser „Mundsicherung“ war besonders deswegen effizient, da eine Veränderung der Bohrgeräte, des
Bohrdurchmessers bzw. des Bohrablaufs nicht erforderlich
war. Auch war kein nennenswerter Einfluss auf die Tagesleistung vorhanden, da die Verrohrung nach Umsetzen des
Bohrgerätes eingebracht werden konnte.
Abb. 4: Schematische Darstellung des Standardbohrverfahrens im weitgehend intakten Fels.
Fig. 4:
Scheme for the standard drilling procedure in
mostly intact rock mass.
293
18. Tagung für Ingenieurgeologie und Forum „Junge Ingenieurgeologen“
2.3
Einbau von PVC-“Hilfsverrohrung”
2.4
Infolge hoher Anteile nachfallender Felsstrecken kam es
bereits in Teilbereichen der Baugruben, in denen keine
Vorschüttung vorhanden war, zu Leistungseinbußen bei der
Bohrlocherstellung und zu Erschwernissen beim Laden der
Sprenglöcher.
Als Reaktion wurde zunächst versucht, die bereits vorgehaltene und ursprünglich rd. 2 m lange Bohrlochmundverrohrung aus PVC-Wellschlauch auf die gesamte Bohrlochteufe
zu verlängern (sog. „PVC-Hilfsverrohrung“, Abb. 6).
Berlin 2011
Rammbohrsystem RBS 95
Für die Beherrschung der instabilen Vorschüttungen hoher
Mächtigkeit in der Unterwassereintiefung (UW) sowie in
Bereichen der Baugruben O, M, U (im Flussbett) mit instabilen Bohrlochverhältnissen und/oder mächtigeren Vorschüttungen wurde das sog. „RBS-Rammbohrsystem 95“
eingesetzt.
Bei diesem einstrangigen Verfahren wird das Bohrloch
durchgängig durch das großkalibrige Bohrgestänge  95
mm gestützt, das damit gleichzeitig als Bohrgestänge und
Verrohrung fungiert. Die Gebirgslösung erfolgt durch eine
Stiftbohrkrone  132/137 mm (Außendurchmesser) mit
exzentrisch angeordnetem, frontseitigem Spülloch  65
mm. Durch dieses großkalibrige Spülloch hindurch wird
später auch die emulgierte Sprengladung gepumpt (Abb. 7).
Abb. 6: Schematische Darstellung der sog. „Hilfsverrohrung“ im Bereich von gestörtem Fels.
Fig. 6:
Scheme for the use of a provisional PVC casing
in unstable rock mass conditions.
Der ursprünglich verwendete PVC-Rohrdurchmesser von
75 bis 80 mm stellte sich jedoch als nicht ausreichend groß
heraus, so dass auf PVC-Rohre  95 mm und größere Bohrlochdurchmesser von 127 mm (Bohrgerät Tamrock Pantera)
und 125 mm (Bohrgerät Atlas-Copco ROC L6) umgestellt
werden musste.
In Hinblick auf die Leistung wirkt sich bei dieser Modifikation negativ aus, dass einerseits die Bohrleistungen aufgrund des größeren Bohrlochdurchmessers absanken, andererseits aber auch das Bohrgerät auf dem abgeteuften Bohrloch stehen bleiben musste, um gegebenenfalls das Loch
nachzubohren, falls die PVC-Hilfsverrohrung nicht auf
Teufe gebracht werden konnte.
Abb. 7: Schematische Darstellung des Rammbohrsystems
„RBS 95“ in gestörtem Fels.
Fig. 7:
Scheme for the use of the “RBS 95” selfstabilizing drilling system.
Dieses System ließ sich ohne nennenswerte Adaption mit
dem Außenhammer des Bohrgerätes Tamrock Pantera 1100
einsetzen. Für den Einsatz mit dem Imlochhammer-System
des Bohrgerätes Atlas-Copco ROC L6 musste der Imlochhammer so angepasst werden, dass die Schlagenergie von
Obertage aus in das RBS-Gestänge eingebracht werden
konnte.
In Hinblick auf die Leistung wirkt sich bei diesem Verfahren neben der Leistungsreduzierung infolge höheren Bohrdurchmessers insbesondere negativ aus, dass zum Einbringen des Sprengbesatzes das Bohrgestänge im Bohrloch
verbleiben muss. Ein Entkoppeln von Bohr- und Ladevorgang ist damit nicht mehr möglich, d. h. das Bohrgerät verbleibt während des gesamten Ladevorgangs unproduktiv auf
dem bereits abgebohrten Bohrloch.
294
18. Tagung für Ingenieurgeologie und Forum „Junge Ingenieurgeologen“
2.5
Sprengtechnische Anpassungen
In stark gestörten Felsbereichen wurde festgestellt, dass die
im Regelfall frei in das Sprengloch gepumpte Emulsion in
Folge der erhöhten Wegsamkeiten im Untergrund nur durch
Einpumpen in einen (verlorenen) PVC-Folienschlauch definiert eingebracht werden konnte (Abb. 8).
Berlin 2011
Das entwickelte Modell basiert auf der Ermittlung spezifischer „Zyklenzeiten“ für einen Bohr- und Sprengzyklus
(Abb. 9) und lehnt sich damit an eine Methodik an, die sich
z. B. bei der baubetrieblichen Modellierung von zyklischen
Bohr-/Sprengvortrieben im Tunnel- und Stollenbau bewährt
hat.
Abb. 8: Vorbereitung des PVC-Folienschlauchs vor
Einbringen in das Bohrloch.
Fig. 8:
Preparation of PVC-hose before insertion into
the blasthole.
Abb. 9: Beispiel für Zyklenzeit-Kalkulation im Modell.
Fig. 9:
Example for the calculation of a specific working
cycle with the derived operational model.
Damit einhergehend zeigte sich, dass sich auch der Sprengerfolg und die Ausbreitung der Sprengerschütterung heterogener darstellten, als ursprünglich erwartet. Auch bei der
Sprengtechnik mussten daher Anpassungen vorgenommen
werden, die u. a. im Rahmen von mehreren Versuchssprengungen mit variierenden Sprengparametern untersucht wurden (siehe auch Milde, 2010).
Im Zuge der Modellbildung wurden in einem iterativen
Kalibrierungsprozess die Eingangsparameter des Modells
an den vor Ort unter verschiedenen Verhältnissen dokumentierten Leistungen überprüft, sodass schließlich die jeweiligen Bohrmeterleistungen pro Gerät und Schicht auf Basis
der jeweiligen Eingangskennwerte für jeden Bauabschnitt
und für jede Abtragstiefe nachvollziehbar ermittelt werden
konnten.
Die Anpassungen führten schließlich zur Erhöhung der
spezifischen Sprengstoffmenge, dem Einsatz elektronischer
Zünder sowie – wo möglich – dem Einsatz einer geteilten
Ladesäule mit Zwischenbesatz. Der Einsatz von Zwischenbesatz war jedoch insbesondere beim RBS-System und dem
Einbringen der Sprengemulsion durch das großkalibrige
Spülloch hindurch nicht mehr möglich.
3
Baubetriebliche Modellierung
3.1
Zielsetzung und Methodik
Die im Zuge der Bauausführung vor allem in den Baugruben O, M und U erfolgten bohr- und sprengtechnischen
Anpassungen und die damit einhergehenden Leistungsminderungen wurden 2008 im Auftrag der ARGE SFR im
Rahmen eines gemeinsamen Sachverständigengutachtens
der Ingenieurbüros Dr. Plinninger Geotechnik, Bernried,
und Warning Bauconsult, München untersucht und bewertet.
3.2
Quantifizierung instabiler Verhältnisse
Innerhalb des baubetrieblichen Modells kommt der Quantifizierung des Einflusses von instabilen Lockergesteins- und
Störzonen eine besondere Bedeutung zu. Hinsichtlich der
grundsätzlichen Differenzierung des Bodenverhaltens wurde dabei auf die in Tabelle 2 dargestellten Erfahrungen
zurückgegriffen.
Tab. 2: Zusammenstellung grundsätzlich stabiler und instabiler Bohrlochverhältnisse in einem Durchmesserbereich
von ca. 90 – 115 mm.
Tab. 2: Compilation of generally stable and unstable
rock conditions in a diameter range of about 90 – 115 mm.
Ein Bestandteil dieser Bewertung war die Erstellung eines
umfassenden baubetrieblichen Modells für die Bohr- und
Sprengarbeiten, mit dem es möglich war, Änderungen in
den Eingangskennwerten (wie z. B. Bohrverfahren, Bohrlochdurchmesser, Gesteinsfestigkeit, Anteile Lockergestein
und gestörter Fels, Zusatzmaßnahmen etc.) zu erfassen und
deren quantitative Einflüsse auf die Gesamtleistung zu bewerten.
295
i. A. stabil
Festgesteine mit Trennflächenabständen > Bohrlochdurchmesser
i. A. instabil
Festgesteine mit Trennflächenabständen < Bohrlochdurchmesser
(bankige Schichtung, Klüftung: mittel- bis weitständig)
(blättrige und plattige Schichtung, Klüftung: dicht- bis
engständig)
Bindige Bodenarten mit
halbfester und fester Konsistenz, kurzfristig auch bei
steifer Konsistenz stabil
Bindige Bodenarten mit
breiiger bis weicher Konsistenz
Dicht gelagerte Sande (Ausnahmefall für nichtbindige
Bodenarten)
Nichtbindige Bodenarten,
Ausnahmefall: Dicht gelagerte Sande
18. Tagung für Ingenieurgeologie und Forum „Junge Ingenieurgeologen“
Bei der Berechnung der erforderlichen Bohrzeit im Arbeitsschritt „Bohren“ wurde zunächst eine „BasisBohrgeschwindigkeit“ aus Erfahrungswerten in Gesteinen
ähnlicher Druckfestigkeit ermittelt, die in Bereichen intakter
Gesteine angesetzt wurde.
Für anstehende (natürliche) Lockergesteine, künstlich angelegte Lockergesteins-Vorschüttungen bzw. zerlegte und
gestörte Zonen im Fels wurde zunächst von einer 50%-igen
Erhöhung der Nettobohrgeschwindigkeit gegenüber der
Basisbohrgeschwindigkeit im kompakten Kalkstein ausgegangen. Dieser Ansatz stützt sich auf die Erfahrung, dass
sich eine Vorzerlegung von Fels durch Trennflächen grundsätzlich leistungssteigernd auf den Bohrvorgang auswirkt
(Abb. 10).
Berlin 2011
Die Bruttobohrgeschwindigkeit errechnet sich aus den beiden vorgestellten Parametern zu:
VBOHR (brutto)  VBOHR ( netto)  FB / N
mit: VBOHR(brutto) = Bruttobohrleistung [m/min]
VBOHR(netto) = Nettobohrleistung [m/min]
FB/N = Brutto/Netto-Faktor
Aus den gewählten Ansätzen heraus ergibt sich, dass beim
Erstellen von Sprenglöchern in Lockergestein bzw. gestörtem Fels zwar zunächst hohe (Netto-) Bohrleistungen erzielt
werden, durch einen ungleich höheren Anteil von zeitaufwändigen Nebenarbeiten, wie das mehrfache Überbohren
zum Nachfall neigender Strecken oder das erschwerte Zurückziehen verklemmter Bohrkronen bei sehr stark zerlegtem Fels bzw. Lockergestein, jedoch eine im Vergleich zum
intakten Fels deutlich niedrigere Bruttobohrleistung erreicht
werden kann.
3.3
Ergebnisse der Modellierungen
Die während der Bauausführung tatsächlich angetroffenen
Tagesleistungen konnten mit dem baubetrieblichen Modell
sehr gut erklärt und plausibilisiert werden. Die Gegenüberstellung der aus dem Modell für die verschiedenen Bauabschnitte ermittelten Leistungen (Abb. 11) zeigt den signifikant leistungsmindernden Einfluss instabiler Bohrlochverhältnisse (in gestörtem Fels oder Lockergestein) einerseits
und den leistungsmindernden Einfluss künstlicher Vorschüttung andererseits.
Abb. 10: Einfluss des Trennflächenabstands auf die
Bohrgeschwindigkeit eines 20kW-Bohrhammers (Thuro &
Plinninger, 2007: Bild 14, S. 126).
Fig. 10: Influence of discontinuity spacing on the drilling
rate of a 20kW drill hammer (Thuro & Plinninger, 2007:
Fig. 14, p. 126).
In Bereichen, in denen mit einem vergrößerten Bohrlochdurchmesser gearbeitet wurde, wurde von vorneherein von
reduzierten Nettobohrleistungen infolge Erhöhung des
Bohrlochdurchmessers ausgegangen. Auf Basis von Erfahrungswerten wurde bei einer Durchmessererhöhung von
92/95 mm auf 132/137 mm von einer Reduzierung der Nettobohrleistung von rd. 20 % ausgegangen.
Zur Ermittlung der tatsächlichen (Brutto-) Bohrleistung
wurden empirische Brutto-Netto-Faktoren (FB/N) verwendet,
die den Anteil der erforderlichen Nebenarbeiten für das
Bohren (u. a. Gestänge kuppeln/ziehen, Loch überbohren)
quantifizieren. Diese Faktoren wurden einheitlich für alle
Teilbereiche wie folgt angesetzt:
Abb. 11: Übersicht über die mithilfe des baubetrieblichen
Modells ermittelten Bohrleistungen für die verschiedenen
Baubereiche.
Fig. 11: Overview of specific drilling performance for
specific sections derived from the operational model.
FB/N = 2,5 für das Bohren von intaktem Fels
FB/N = 15 für das Bohren von Lockergestein
und gestörtem Fels
296
18. Tagung für Ingenieurgeologie und Forum „Junge Ingenieurgeologen“
4
Zusammenfassung
Obwohl die Leistungsbeschreibung für die Bohr- und
Sprengarbeiten beim Bau des Flusskraftwerkes Rheinfelden
– das Bohren und Sprengen einer gleichförmigen Folge
flachliegender Kalke und Mergel – zunächst keine besonders anspruchsvollen Verhältnisse erwarten ließ, zeigte die
Bauausführung, dass auch unter derartigen, relativ homogenen Rahmenbedingungen Überraschungen möglich und
angepasste Reaktionen notwendig sein können.
Die sich aufgrund des Zusammenwirkens von gestörtem
Fels, natürlicher Lockergesteinsbedeckung und künstlichen
Vorschüttungen komplex darstellenden Verhältnisse im
Rheinbett des Kraftwerks Rheinfelden konnten mithilfe der
dargestellten bohr- und sprengtechnischen Anpassungen
sicher beherrscht und das Projekt zu einem erfolgreichen
Abschluss gebracht werden.
Die durchgeführten ingenieurgeologisch-baubetrieblichen
Untersuchungen haben dabei interessante Aspekte der komplexen Interaktion von Baugrund und bohrtechnischen und
baubetrieblichen Auswirkungen erbracht. Mithilfe des entwickelten baubetrieblichen Modells war es möglich, die
mannigfaltigen Einzelfaktoren nachvollziehbar zu bewerten,
was maßgeblich zu einer sachlichen Diskussion der Probleme auf der Baustelle beitrug.
Literatur
Milde, J. (2009): Neubau des Flusswasserkraftwerkes
Rheinfelden, ein neuer R(h)einfall?!.- SprengInfo, 31: S.
35-39.
Milde, J. (2010): Neubau des Flusswasserkraftwerkes
Rheinfelden, ein neuer R(h)einfall?!, Teil 2: Die
Erkenntnis.- SprengInfo, 32: S. 21-25.
Thuro, K.; Plinninger, R. (2007): Geologisch-geotechnische
Grundlagen der Gebirgslösung im Fels. - in: Eichler, K. et.
al.: Fels- und Tunnelbau II: S. 112-160, Kontakt und
Studium, Band 684, Renningen-Malmsheim (Expert).
297
Berlin 2011

Documentos relacionados